1876 / 111 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 11 May 1876 18:00:01 GMT) scan diff

Freiherrn von Manteuffel, der Gerteralität, den obersten Hof⸗ und Ober - Haschargen ꝛc. empfangen.

Auf dem Perron war eine Compagnie des 2. Garde⸗ge⸗ giments z. F. mit Musik und Fahne aufgestellt; auf dem rechten Flügel standen die direkten Vorgesetzen, auf dem linken Flügel die zu Sr. Majestãt dem Kaiser von Rußland kommandirten Offi⸗ ziere: der Tommandeur des Brandenburgischen Kürassier⸗Regiments, (Kaiser Nicolaus J. von Rußland) Nr. 6, Oberst v. Möllen⸗ dorff, mit dem Premier⸗Lieutenant Klockmann, der Commandeur des Ulanen⸗Regiments Kaiser Alexander von Rußland (1. Brandenburgisches) Nr. 3, Oberst v. Frankenber g⸗Lüttwitz mit dem Premier⸗Lieutenant Hertwig und der Premier⸗ Lieutenant v. Kettler vom Kaiser Alexander Garde⸗Grenadier⸗ Regiment Nr. 1. .

Als die Ankunft des Kaiserlichen Extrazuges gemeldet wurde, begaben Sich Se. Majestät der Kaiser und König mit dem Gefolge nach dem Perron, wo sich das Personal der russi⸗ schen Botschaft eingefunden hatte; der Botschafter v. Oubril war seinem Souverän entgegengereist.

Se. Majestät der Kaiser und König begrüßten hierauf die Truppen und nahmen an der Spitze des rechten Flügels der⸗ selben Aufstellung. Unter den Klängen der russischen National⸗ hymne und unter den militärischen Ehrenbezeigungen fuhr der Kaiserliche Zug in die Halle ein. Die Begrüßung Beider Ma⸗ jestäten war eine herzliche und innige und entsprach der Familiengemeinschaft und der Freundschaft, welche Beide Monarchen verbindet. Se. Majestät der Kaiser von Rußland, Allerhöchstwelche die große preußische Generals⸗ uniform mit dem Bande des Schwarzen Adler⸗Ordens trugen, begrüßten demnächst die Prinzen des Königlichen Hauses, schritten die Front der Truppen ab, nahmen von Sr. Majestät dem Kaiser und König die Rapporte Allerhöchstihrer preußischen Kavallerie⸗Regimenter entgegen, und begaben Sich dann an der Seite Ihres Kaiserlichen Oheims nach den Empfangszimmern.

Beide Kaiserlichen Majestäten wurden bei Allerhöchst⸗ ihrem Erscheinen vor dem Bahnhöfe von dem zahlreich versam⸗ melten Publikum mit lauten und freudigen Zurufen empfangen und fuhren in offenem Wagen durch den grünen Weg, die Blumen⸗, Stralauer und Poststraße über die Schloß⸗ brücke nach dem russischen Botschaftshotel, wo Se. Majestät der Kaiser von Rußland Wohnung genommen haben.

Vor dem Botschaftshotel war eine Compagnie des Kaiser Alexeander Garde⸗Grenadier⸗egiments Nr. 1 mit Musik und Zahne aufgestellt, die direkten Vorgesetzten standen auf dem rechten Flügel. Se. Majestät der Kaiser Alexander begrüßten den Commandeur, nahmen den Regimentsrapport entgegen, schrit en mit Se. Majestät den Kaiser und König die Front ab und begaben sich hierauf in das Innere des festlich geschmückten Hotels.

Die Fahnen der beiden Bataillone, welche nicht bei der Ehrenwache aufgestellt waren, waren vorher nach der Branden⸗ burger Thorwache gebracht. Nach der Ankunft Sr. Majestät wurden dieselben von der Ehrenwache abgeholt und alsdann alle drei Fahnen des Regiments in das russische Botschaftshotel gebracht.

Mit Sr. Majestät dem Kaiser von Rußland ist gleichzeitig auch der Reichskanzler Fürst Gortschakoff in Berlin ein⸗ getroffen.

Der österreichisch⸗ ungarische Minister des Aeußern, Graf Andrassy, ist gestern Morgen hier eingetroffen.

Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Hau ses der Abgeordneten befindet sich in der Ersten Beilage.

In der heutigen (52) Sitzung des Hauses der Ab⸗ . neten, welcher am Ministertische der Handels ⸗Minister

r. Achenbach und der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Falk mit mehreren Kommissarien beiwohnten, theilte der Präsident mit, daß vom Abgeordneten Dr. Reichensperger ein Antrag eingebracht ist, betreffend den katholischen Religions⸗ unterricht in den Volksschulen. Hierauf begründete der Abg. Frhr. v. Heereman seine Interpellation, zu deren Beantwortung sich der Staatsminister Dr. Falk bereits früher bereit erklärt hatte. Die Interpellation lautet:

Durch Veifügungen der Königlichen Regierung und des Königlichen

Ober ⸗Präsidiums zu Münster vom 23. September pr. und vom 3. Januar dieses Jahres ist den Eigenthümern der Gebäude, welche von den Ordensgenossenschaften der Kapuziner und der Franziskaner vor ihrer im Sommer vorigen Jahres erfolgten Auflösung miethweise benutzt worden waren, unte. sagt worden, die an den betreffenden Ge—= bäuden befindlichen Kapellen, da sich Andächtige zum Gebete in denselben eingefunden hätten, offen stehen, und mit den Glocken derselben läuten zu lassen und Veleich ist einem früheren Klosterbruder, welcher in den Dierst des Befsitzers des früher von den Kapuzinern angemietheten Gebäudes ge— treten, und von diesem mit der Aufsicht über Haus und Garten be— traut war, verboten worden, ferner in dem betreffenden Hause zu we hnen.

Auf Grund dieser Vorgänge, durch welche in das Recht des Privateigenthums und in die persönliche Freiheit in gesetzwidriger Weise eingegriffen worden, erlaube ich mir, an die Königliche Staats⸗ regierung die Frage zu richten:

Wird dieses Verfahren von der Königlichen Staatsregicrung

gebilligt? Was ist, resp. wird geschehen, um Abhüsfe zu schaffen?

Der Staats⸗Minifster Dr. Falk erklärte, zwar das Vorgehen der Provinzialbehörden in Betreff der Schließung der Kirche der Franziskaner in Münster nicht billigen, ohne jedoch zugestehen zu können, daß dasselbe jedes Rechtsgrundes baar gewefen fei. Die betreffende Verfügung der Regierung zu Münster fei des⸗ halb aufgehoben worden. Ob dieselben thatsächlichen Voraus⸗ setzungen bei der Kirche der Kapuziner vorhanden seien, habe bis jetzt noch nicht festgestellt werden können, und deshalb sei noch nicht in gleicher Weise in Betreff dieser Kirche verfügt worden. Auf Antrag des Abg. Frhrn. v. Schorlemer⸗Alst trat das Haus in eine Besprechung der Interpellation ein. Die recht⸗ lichen Einwände der Abgg. Frhr. v. Heereman, Windthorst Meppen) und Frhr. v. Schorlemer-Alst gegen die Handhabung der Maigesetze wurden vom Staats⸗Minister Dr. Falt wiederholt entschieden zurückgewiesen.

Die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Betheiligung des Staates an dem Unternehmen einer Eisenbahn von Itzehoe über Wilster, Taterphal und Meldorf nach Heide gab zu kurzen Bemerkungen der Abgg. Hansen und Eipke Veranlassung. Sämmtliche Para⸗ graphen der Vorlage wurden unverändert genehmigt.

Es folgre die zweite Berathung des Gefetzentwurfs über die Aufsichtsrechte des Staats bei der Vermögens⸗ verwaltung der Llatholischen Diözesen. Bei 5. 1 sprachen gegen die Vorlage die Abgg. v. Jazdzewski und Dauzenberg, deren Einwürfe von dem Abg. Dr. v. Sybel zurück gewiesen wurden. Nach einem Schlußworte des Referenten Abg. Dr. Wehrenpfennig wurde F. JI unverandert angenommen. Die Bedenken

der Abgg. Dr, Röckerath, Windthorst (heppen) und Pr. Brüel!

gegen 5. 2 wurden von den Abgg. Dr. Petri, Lauenstein und Jung als unbegründet dargethan, worauf derselbe nach einem Schlußworte des Referenten bei Schluß des Blatts unver⸗ ändert angenommen wurde.

Nach hier eingegangenen amtlichen Meldungen sind in Folge der Vorfälle in Salonichi im dortigen Hafen bereits eingetroffen eine russische Korvette, ein englischer Aviso, ein fran⸗ zösisches Kanonenboot und ein griechischer Aviso; erwartet wer⸗ den, außer S. M. S. Medusa“, zwei französische Fregatten, sowie die österreichische Fregatte ‚Radetzky“.

Die außerordentlichen Kommissare der Pforte, begleitet von dem deutschen Konsul Gillet und dem französischen Botschafts⸗ dragoman Robert, sind am 9. im Hafen von Salonichi an⸗

gegangen. Die Untersuchung hat sofort unter Leitung des neuen Gouverneurs und unter Zuziehung eines Vertreters des dortigen Konsular⸗Corps begonnen. In der Beyölkerung herrschte große Aufregung.

Dem neuesten amtlichen Berichte aus Hayti zufolge hatte die angedrohte Beschießung von Jacmel bis zum 3. April noch nicht stattgefunden; die Blokade des Hafens wurde dagegen durch zwei haytianische Kriegsschiffe fortgesetzt.

Den Bemühungen des Verwesers des Kaiser⸗ lichen Konsulats im Verein mit den konsularischen Ver⸗ tretern von England und Amerika war es gelungen, von dem Kommandanten der haytianischen Schiffe die Genehmi⸗ gung zu erwirken, daß in Jacmel ansäsfige Fremde noch mit dem am 4. April fälligen Royal⸗Mail⸗Steamer die Stadt ver⸗ lassen durften. Auch erklärte sich der Kommandant S. M. S. Victoria“ bereit, außer Deutschen auch einige Fremde anderer Nationalitãt an Bord zu nehmen und eventuell nach St. Tho⸗ mas zu bringen.

Nach der im Reichs⸗Eisenbahnamte aufgeftellten, in der heutigen Ersten Beilage veröffentlichten Nachweisung über die auf den Eisenbahnen Deutschlands, exkl. Bayerns, vorgekommenen Un fälle waren im März d. J. im Ganzen zu verzeichnen: 38 Entgleisungen und 14 Zusammenstöße fahrender Züge, und zwar wurden hiervon 17 Züge mit Personenbeförderung von je 6917 Zügen dieser Gattung Einer und 35 Güterzüge resp. leerfahrende Maschinen betroffen; ferner 57 Entgleisungen und 47 Zusammenstöße beim Rangiren und 122 sonstige Betriebs⸗ ereignisse (Ueberfahren von Fuhrwerken auf Wegenbergängen, Defekte an Maschinen und Wagen ohne Entgleisung, Unter⸗ brechung des fahrbaren Zustandes der Bahnanlagen ꝛc.).

In Folge dieser Unfälle wurden: 1 Person (Passagier) ge⸗ tödtet, 22 Personen verletzt (5 Passagiere, 14 Beamte, 3 fremde Personen); 1 Thier getödtet und 73 Fahrzeuge erheblich und 192 unerheblich beschaädigt.

Außer den vorstehend aufgeführten Verunglückungen von Personen kamen, größtentheils durch eigene Unvorsichtigkeit her⸗ vorgerufen, noch vor: 31 Tödtungen (6 Beamte, 14 Arbeiter, 11 fremde Personen); 71 Verletzungen (4 Passagiere, 32 Be⸗ amte, 27 Arbeiter, 8 fremde Personen), sowie 12 Tödtungen und 1 Verletzung bei beabsichtigtem Selbstmord.

Von den überhaupt beförderten Reisenden wurde von je 12,494, 320 Einer getödtet und von je 1,ů388, 258 Einer verletzt; von den im Betriebsdienst thätig gewesenen Beamten wurde von je 211098 Einer getödtet und von je 2752 Einer verletzt.

Ein Vergleich mit demselben Monat im Vorjahre ergiebt unter Berücksichtigung der in beiden Zeitabschnitten geförderten Achskilometer und der im Betriebe gewesenen Geleislängen daß im Durchschnitt im März d. J. bei 20 Verwaltungen we— niger, bei 9 Verwaltungen mehr und in Summa circa 34 Proz. weniger Verunglückungen vorgekommen sind als im März v. J.

Unter den Veränderungen, die vom 15. d. M. ab, an welchem Tage bekanntlich auf den deutschen Eisenbahnen der Somm erfahrplan zur Einführung gelangt, in dem Laufe der Personenzüge auf den preußischen Staatseisenbahnen eintreten werden, verdient nachbezeichnete Einrichtung einer be⸗ sonderen Erwähnung. Von dem bezeichneten Tage ab wird nämlich auf der Staatsbahnstrecke Hamm-⸗Münster in beiden Richtungen ein neuer Schnellzug coursiren, welcher direkte Anschlüsse zwischen den in der Mittags zeit die Station Münster passirenden Personenzügen der Venlo⸗Hamburger Bahn und den entsprechenden Zügen der Bergisch⸗Märkischen Eisenbahn herstellt und dadurch dem Be— dürfniß direkter Personenzugsverbindungen zwischen dem Rhei⸗ nisch⸗Westfälischen Industriegebiet und den Seestädten Bremen und Hamburg auf der Route über Hamm⸗Münster weitere Rech⸗ nung trägt. Zur Durchführung soll das für die Anschlußzüge der Bergisch⸗Märkischen Eisenbahn erforderliche und vorhandene Personal und Betriebsmaterial benutzt werden, wodurch zugleich für die jene Züge benutzenden Reisenden ein Wagenwechsel in Hamm vermieden wird.

. Um bei den Prüfungen der Apotheker⸗Gehülfen eine möglichste Gleichmäßigkeit in den Anforderungen an die Examinanden zu erzielen, 9 der Minister der geistlichen 2c. An⸗ gelegenheiten zur Benutzung bei den Prüfungen durch die tech⸗ nische Kommission für pharmaceutische Angelegenheiten eine Zu⸗ sammenstellung von Aufgaben entwerfen lassen, welche gemäß §. 6 Al. 2 und 3 der Bekanntmachung vom 13. November v. J. in Gebrauch genommen werden können, sowie von leicht anzu⸗ fertigenden galenischen und chemisch⸗ pharmaceutischen Präpa⸗ raten ꝛc., wie diese in 5.7 Nr. Z und 3 der allegirten Be⸗ kanntmachung vorgeschrieben sind.

Die Tödtung eines fremden schädlichen Thie res auf eigenem Grund und Boden zur Abwendung einer dem Eigenthum drohenden Gefahr ist als Sachbeschädigung nicht zu bestrafen, wenn der Thäter sich eines anderen Mittels zur Er⸗ reichung des Zweckes nicht bewußt war. Erkenntniß des Ober⸗ Tribunals vom 6. April d. J.

Heut Vormittag begann im Gebäude des Kammer⸗ gerichts vor dem Forum des Staats⸗Gerichtshofes die oͤffentliche Verhandlung wider den Grafen Harry von Arnim wegen Landesverraths. Der Gerichtshof bestand aus dem Kammergerichts-Vize⸗Präsidenten von Mühler als Vorsitzenden und den Kammergerichts⸗Räthen Schlötke, Sommer, Gräfe, Schaper, Rathmann, v. Wulffen, v. Seydewitz, Mebes, v. Windheim und Bergmann als Beisitzern. Das öffentliche Ministerium vertrat der Ober- Staatsanwalt von Luck: als Vernzheidiger des Angeklagten waren die Rechtsanwälte Munckel und Dr. Quenstädt zugegen. Der An⸗ geklagte war nicht erschienen, wohl aber ein Gesuch desselben um Vertagung des heutigen Termins eingelaufen. Der Gerichts⸗ hof trat nach längerer Diskussion zwischen der Staatsanwalt⸗ schaft und den Vertheidigern dem Antrage auf Vertagung bei und setzte unter Berücksichtigung der Gerichtsferien einen neuen

Termin auf den 5. Oktober an.

gekommen und in voller Uniform, mit Trauerabzeichen, an Land

l

Der General der Infanterie von Blumenthal, kom⸗ mandirender General des IV. Armee⸗Corps, welcher für die Zeit der Anwesenheit Sr. Majestät des Kaisers von Rußland zur Dienstleistung bei Allerhöchstdemselben kommandirt worden, ist von Magdeburg hier eingetroffen und im Hotel du Nord ab⸗ gestiegen.

Am 8. d. M. ist in Folge eines Schlaganfalls der Geheime Ober⸗Hof⸗Baurath Hesse, Direktor der Schloß⸗Bau⸗ kommission und Mitglied des Senats der Akademie der Künste, im 83. Lebensjahre hierselbst verstorben.

Der heutigen Nr. d. Bl. liegen die Fahrpläne bei, welche auf der Königlichen Niederschlesisch⸗Märkischen und der Bergisch⸗Märkischen Eisenbahn vom 15. d. M. ab in Kraft treten.

Bayern. München, 6. Mai. Der Protest, welchen der Abg. Erämer Namens seiner Partei gegen die von der rechten Seite des Hauses fortgesetzt geübte verschleppende Geschäfts⸗ behandlung einlegte, findet seine Begründung in der Art und Weise, wie man mit der Erledigung des Budgets verfährt. „Ein Budgetlandtag, so schreibt man der „Allg. Ztg.“ hat noch in keinem Lande eine derartige Physiognomie gezeigt, wie dies⸗ mal bei uns. Viele Monate hindurch war zwar schon von allem Möglichen und Unmöglichen die Kede, die eigentlichen Budget⸗ arbeiten liegen aber immer noch fast gänzlich beiseite. Neu ein⸗ getretenen Mitgliedern mag es allerdings bequemer vorkommen auf Gebieten, auf welchen sie, statt sachlicher Deduktionen, die billige Waare reiner Gefühlspolitik und echter Parteifärbung zu bieten vermögen, ihre Rednerkünste zu versuchen. Daß jedoch über alledem der klerikalen Partei das Verständniß und auch das Herz für die wahren Bedürf⸗ nisse des Landes, welche allein in der endlichen ernsten Inan⸗ griffnahme des Budgets ihre Befriedigung fänden, abhanden zu kommen scheint, ist eine traurige Wahrnehmung, die sich jedem Beobachter der Dinge aufdrängt. Wenn die liberalen Kammer⸗ mitglieder angesichts solcher Erfahrungen nachgerade von tiefem Unmuth erfaßt werden, so ist dies ein Gefühl, welches die ganze urtheilsfähige Bevölkerung des Landes theilt, so wenig sie auch die äußerste Erscheinungsform jenes Unmuths wünschen oder billigen könnte.“

Sachsen. Dresden, 109. Mai. Die Erste Kammer bewilligte in ihrer gestrigen Sitzung Pos. 28 des ordentlichen Ausgabe⸗Budgets, Landesheil Straf⸗ und Versorganstalten, und einige damit zusammenhängende Postulate, mit einer ein⸗ zigen Abweichung übereinstimmend mit den Beschlüssen der Zweiten Kammer, ebenso Pos. 4 des außerordentlichen Budgets, eine Dispositionssumme von 600, 650 S6 zu den durch die Reichs⸗ Justizgesetzgebung nöthig werdenden baulichen Veränderungen vor⸗ handener Gerichtsgebäude betreffend, mit der Maßgabe, daß diese Summe in das ordentliche Budget eingestellt werden soll. Die Kammer stimmte hierauf einem, anläßlich eines vom Advokaten Schütz gestellten Antrags von der 1. Deputation formulirten Antrage zu, die Regierung um Vorlegung eines Gesetzentwurfs zu er⸗ sfuchen, durch welchen der Art. 3806. der revidirten Strafpro⸗ zeßordnung aufgehoben und dem Justiz⸗Ministerium die Füglich⸗ keit gewährt wird, die Entscheidungen über Anträge auf unmit⸗ telbare Vorladung des Angeschuldigten zur Hauptverhandlung und nach geschlossener Voruntersuchung über Anträge auf Ein⸗ oder Fortstellung der Untersuchung bezüglich einzelner bestimmter Bezirksgerichte einem dabei ein für alle Mal im Voraus zu bestimmenden anderen Bezirksgericht dergestalt zuzu⸗ weisen, daß die Einholung dieser bei dem Untersuchungsgerichte bekannt zu machenden Entscheidungen kostenfrei zu geschehen hat. Der Staats⸗Minister Abeken theilte mit, daß ein Gesetz⸗ entwurf der gewünschten Art in den nächsten Tagen an die Kammer gelangen werde.

Die Zweite Kamm er verwies in ihrer gestern Vsrmittag

abgehaltenen Sitzung des K. Dekret, die Zurückziehung der Gesetzvorlage über die Ober⸗Rechnunge kammer und die Ein⸗ bringung eines Nachpostulates zu Pos. 11 des ordentlichen Ausgabebudgets auf die Finanzperiode 1876/77 betreffend, an die Gesetzgebungsdeputation, trat sodann in Be⸗ zug auf das K. Dekret zu 24 des Einnahmebudgets 1874575 den von der Ersten Kammer gefaßten Beschlüssen bei und nahm den Entwurf eines Gesetzes über die Schon⸗ zeit der Rebhühner mit beträchtlichen Erweiterungen an. Unter denselben befindet sich ein Verbot des Fangens und Feilbietens von Lerchen, Ziemern und Drosseln. Weiter beschloß die Kam⸗ mer nach kurzer Debatte, einen Antrag der Abgg. Lehmann, Dr. Schaffrath und Genossen auf ein Gesetz wegen Beschränkung polizeilicher Ausweisungen bestrafter Reichs angehörigen in einer der nächsten Sitzungen in Schlußberathung nehmen. Heute verhandelte die Zweite Kammer über das König⸗ liche Dekret, betreffend die Erwerbung der Leipzig⸗ Dresdner Eisenbahn durch den Staat. Die Majorität der beiden Finanzdeputationen beantragte, die Regierung zum Abschluß des Kaufes auf Grund der von der Generalversamm⸗ lung der Leipzig Dresdner Eisenbahnkompagnie gemachten Offerte zu ermächtigen, wogegen die Minoritãt Ablehnung dieser Er⸗ mächtigung vorschlug. Nach fünfstündiger Diskussion wurde die von der Regierung beantragte Ermächtigung zum Ankauf der Bahn mit 49 gegen 22 Stimmen ertheilt.

Baden. Karlsruhe, 9. Mai. (Frkf. J.) Die altkatholischen Gemeinden Badens bringen an die gegenwärtige Ständeversamm⸗ lung eine Petition um Abänderung des Altkatholiken⸗ gesetzes vom Jahr 1874 in zwei Richtungen. Die erste be⸗ trifft die in der Hand des Ministers liegende Bestimmung über das „erhebliche Verhältniß der Alt⸗ zu den Neukatholiken, und es wird die Fassung des bezüglichen preußischen Gesetzes verlangt, wonach die Erheblichkeit nur absolut zu nehmen sei, wenn nicht die Kammer Bestimmungen über eine Minimalzahl an Mitgliedern für die staatliche Anerfennung treffen will. Die zweite verlangt eine Revision der Beflimmung über das Kir⸗ chenvermögen. Der betreffende Gesetzartikel, dahin lautend, daß den Altkatholiten die Mitbenutzung der Kirche und der kirch⸗ lichen Geräthschaften einzuräumen sei, ging von der Unterstellung aus, daß die gtömischen mit den Kirchenfonds bleiben würden; da diese aber auswandern in Nothkirchen und die Fonds mit⸗ nehmen, so bleibt den ersteren in den meisten Fällen nur das leere Haus ohne die Fonds.

Sessen. Darm stadt, 9. Mai. Die Regierung hat eine neue Ordnung für die juristische Fakultätsprüfung in der Landesuniverjsität Gießen erlassen. Hiernach können sich alle Reichsangehörigen der Prüfung unterziehen, welche eine Maturitätsprüfung an einem deutschen Gymnasium be⸗ standen, wenigstens 6 Semester an Universitäten studirt haben und sittlich unbescholten sind. Nach dem Entwurfe des neuen Besoldungsgesetzes für die hessischen Volksschul⸗

lehrer soll der geringste Gehalt eines definitiv angestellten . i n . bis 6000 Seelen 1000 6 und in solchen über 6000 Seelen 1200 6 betragen. Der, hessische Lehrerverein hat an die zweite Ständekammer eine Petition gerichtet, worin er beantragt, die Unterschiede in den Gehalten nach Land- und Stadtgemeinden fallen zu lassen und den Minimalgehalt überall

auf 1200 S zu fixiren.

Sach sen⸗Altenburg. Altenburg, 7. Mai. Der . die Herzogin find heute von ihrer italienischen Reise wieder hier eingetroffen.

Anhalt. Dessau, 8. Mai. (St. A) Nach keute hier , Nachrichten ist der Verlauf der Krankheit bei dem Erbprinzen und dem Prinzen Friedrich ein günstiger zu nennen.

Elsaß⸗ Lothringen. Straßburg, 9. Mai. Die . Ztg.“ veröffentlicht folgenden Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Landesgesetzgebung von Elsaß⸗

othringen: ; . ; . 6 elm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen ꝛc. c. verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter nn,, . Bundesraths und des Reichstags, für

saß⸗ Lothringen was folgt: . ö.

, für Elfaß Lothringen können mit Zastimmung des Bundestaths und ohne Mitwirkung des Reichstags vom Kai ser er· saffer werden, wenn ker durch den Kaiserlichen Erla vom 29. Oktober 1874 eingesetzte Landesausschuß denselben zuzestimmt hat. d, . 2c. Gegeben ꝛc. g J

Das Gesetz vom 9. Juni 1871, betreffend die Vereinigung von gise deen e gt. mit dem Deutschen Reiche, hat vorgeschen, daß nach Einführung der Verfassung bis zu anderweiter Regelung dem Reiche das Räicht der Gesetzgebung für Elsaß Lothringen auch in den der Reichsgesetzgebung nicht unterliegenden Angelegenheiten zustehen soll. Dem entsprechend sind seit dem J. Janugr 1874 die Lardesgesetze für Elsaß Lothringen unter Mitwirkung des Bundegraths und des Reichs tags erlassen worden, nach der mittelft Kaiserlichen Erlasses vom 29. Oktober 1874 erfolgten Einrichtung des Landetausschusses mit der Maßgabe, daß letzterem die Entwürfe vorher zur gutachtlichen Berathung vorgelegt worden sind. Die dabei gewonnenen Erfahrungen lassen es zweckmäßig und zulässig erscheinen, auf eine Aenderung der bestebenden Einrichtung Bedacht zu nehmen, durch welche einerseits die Inanspruchnahme des Reichstaßzs durch Mitwir⸗ kung bei der elsaß lothringischen Lan desgesetzgebung gemindert, an decer · seits dem Landesausschuß ein erweiterter Wirkungskreis einge räumt wird. .

Dieser Zweck soll durch den vorliegenden Gesetzentwurf erreicht

werden. Er gestattet bei allen Gesetzen für Elsaß Lothringen über Angelegenheiten, welche nicht der Reichs gesetzgebung durch die Verfaffung vorbehalten sind, von der Mitwirkung des Reichtages abzusehen, sofern der Bundesrath und der Landesausschuß denselben zugestimmt haben. Die Mitwirkung des Reick stages würde da her nur erforderlich sein, wenn Meinungsverschiedenheiten zwischen der Regierung und dem Landesausschusse besteben; der Regierung würde es sedoch auch fernerhin freisteben, diese Mitwirkung direkt in An spruch zu nehmen, wenn die Umstände es wüunschens werth erscheinen lassen. ö . Auf diesem Wege würde mit der Entlastung des Reichs tages eine wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung der gesetz geberischen Arbeit erreickt, bei welcher dem Landesausschuß eine weitgehende Betheiligung eingeräumt würde, obne daß die Jnreressen des Reichs und des Reichétags beeinträchtigt werden. Die Befugniß, Verordnungen mit gesetzlicher Kraft unter Zustimmung des Bundes räths und unter Vorbehalt der Genehmigung des Reichstags zu er⸗ lafsen, welche 5. 8 des Gesetzes vom 25. Juni 1873, betreffend die Einführung der Verfassung in Elsaß Lothringen, dem Kaiser gewährt, wird von dem Gesttzentwunfe nicht berührt.

Oesterrelh ungarn. Wien, 9. Mai. (W. T. B.) Dem „‚Telegraphen⸗Korrespondenz-⸗Bureau“ wird aus Ragusa den von der „Neuen Freien Presse“ gebrachten gegentheiligen Mittheilungen gegenüber gemeldet, daß den dort weilenden Flüchtlingen aus der Herzegowina die Unterstützungs⸗ gelder von der Regierung nach wie vor gezahlt werden. .

Prag, 9. Mai. Unter lebhafter Theilnahme fand heute in Anwesenheit des Minister⸗Präsidenten Fürsten Auersperg die Einsegnung und Ueberführung der Leiche des Prinzen Wil⸗ helm Auersperg nach der Familiengruft in Wlaschim statt.

Lemberg, 7. Mai. Heute früh fand die Uebergabe der Temporalien und die feierliche In stallation des armenischen Erzbischofs Roma sz kan statt. ö

Ragusa, 9. Mai. Die Weitergewährung von Unter⸗ stůtzungen an die aus Bosnien GSeflüchteten erfolgt auf anderweiten von Wien aus telegraphisch eingegangenen Befehl.

Pest, 106. Mai. (W. T. B.) Die Mitglieder der libe⸗ ralen Partei haben in einer heute stattgehabten Konferenz den Standpunkt, welchen die Regierung nach der Darlegung des Minister⸗Präsidenten Tisza bei den Ausgleichs verhandlun—⸗ gen eingenommen hat, mit 181 gegen 69 Stimmen gebilligt. Die Minsster betonten in der Debatte wiederholt, daß die Regie⸗ rung in dieser Angelegenheit Klarheit haben müsse. Nach der Abfsimmung meldele der Deputirte Czernatony seinen Austritt aus dem Klub an. . ö

Die „Budapester Korresp.“ meldet, daß den zu wählen⸗ den Ausgleichsdeputationen der Vertretungen beider Reichshälften im Sinne der zwischen beiden Ministerien ge⸗ troffenen Vereinbarungen der Antrag gestellt werden wird, die nächste Quotenperiode derart festzustellen, daß sie entweder schon mit dem Jahre 1877 beginnt, oder, wenn dies nicht mög⸗ lich wäre, daß sie blos auf neun Jahre festgesetzt werde. Durch die Annahme einer dieser beiden Alternativen würde der wünschenswerthe gleichzeitige Ablauf des Zoll⸗ und Handels⸗ bündnisses und des Quotentermines hergestellt.

Niederlande. Haag, 10. Mai. (W. T. B.) Die Zweite Kammer hat heute das neue Münzgesetz geneh⸗ migt. Durch dasselbe wird die reine Goldwährung (Mün⸗ zen von 5 und 10 Gulden) eingeführt. Für die Zwecke des Verkehrs sollen Guldenstücke in Silber (mit dem effektiven Werthe von O 945) und Cents in Bronze geprägt werden. Der Antrag, auch in den indischen Besitzungen die Goldwährung einzu⸗ führen und dadurch die Münzeinheit mit dem Mutterlande auf⸗ recht zu erhalten, wurde dem Staatsrathe zur Berathung über⸗ wiesen.

Großbritannien und Irland. London, 9. Mai. Herr Brand, der Präsident des Oranje Freistaates, der nach England gekommen ist, um wegen der jüdafrikanijchen Diamantenfelder mit der Regierung zu unterhandeln, hatte gestern eine Audienz bei der Königin. Die Monarchin em⸗ pfing auch den neuernannten italienischen Botschafter, General Menabrea und den Gesandten von Guatemala, General Negretti, welche ihre Beglaubigungsschreiben über⸗

(W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Unter⸗ hauses erklärte der Unter⸗Staatssekretär der Kolonien, Lowther, auf eine Anfrage des Deputirten Wait, es seien keine neuen Unruhen in Barbadoes vorgekommen, dagegen habe der Gouverneur telegraphisch gemeldet, daß es auf Tabago zu Ruhestörungen gekommen sei. Die Veranlassung derselben sei noch nicht bekannt; der Gouverneur habe jedoch das Kriegs⸗ schiff ‚Argus“ abgesandt und der Staatssekretär der Kolonien, Carnarvon, den Gouverneur telegraphisch um nähere Mitthei⸗ lungen ersucht.

Frankreich. Paris, 9. Mai. Der Marschall Mac Mahon ist aus Orléans zurückgekehrt; die Blätter besprechen noch viel die bei dieser Gelegenheit gehaltenen Reden, namentlich die des Bischof Dupanloup. Das „Irn. des Dẽb M findet, daß sie zwar recht geschickt gewesen, aber doch wenig Vertrauen in die jetzige politische Lage gezeigt hätten. Das Blatt erinnert daran, daß der Bischof einst unaufgefordert Rathschläge nach Frohsdorf gesandt, die man dort sehr kühl aufgenommen habe seitdem habe er sich zurückgezogen und warte den Lauf der Dinge ab. Dupanloup lebe mehr in der Vergangenheit als in der Gegenwart. Um aber doch auch auf Letztere zu wirken, ist der Bischof, wie die „Köln. Ztg.“ behauptet, der geheime Direktor des neuen klerikalen Blattes „Le Catholique“ geworden. Dir Finanz⸗Minister hat an die beiden Kammern eine vergleichende Tabelle über die Staatseinnahmen von 1869 und über die, welche für 1877 vorausgesehen sind, einge⸗ reicht. Aus dieser Tabelle geht hervor, daß die für 1877 vor⸗ ausgesehenen Einnahmen die Einkünfte von 1869 um oh, 858,911 Frs. übersteigen, wovon 162.879.112 Frs. von der Zunahme der früheren Steuern und 46,979. 790 von den neuen oder erhöhten Steuern herrühren. Dabei sei jedoch nicht außer Acht zu lassen, setzt die „Köln. 3. hinzu, daß, da sonst alle neuen Einnahmen von den indirekten Steuern geliefert werden, das Leben in Frankreich viel theurer geworden sei, und daß uberall Stimmen laut werden, die behaupten, daß, wenn nicht bald ein Theil der neuen Staatsbedürfnisse durch eine Einnahme⸗ und Vermögens steuer beschafft werde, eine Krisis herbeigeführt werden könnte, wie sie Frankreich vielleicht noch nie gesehen habe. In der gestrigen Sitzung der Budgetkommission wurde ein Bericht gelesen, der die Aufhebung der Besoldung der Garnisons-Almoseniere und der Unkosten für Mi⸗ litãr-Gottesdienste fordert. Die Almoseniere der Militär⸗ spitäler allein sollen beibehalten werden. Im Budget⸗Ausschuß machte Gam betta den Vorschlag, derselbe solle der Kammer zwei Berichte vorlegen; der erste solle einfach die Annahme des Budgets empfehlen, der zweite die nothwendigen Reformen ent⸗ halten, und zwar 1) Reformen der Steuern selbst, 2 Reformen bezüglich der Erhöhung oder Verminderung der einzelnen Aus⸗ gaben. Diese Reformen sollen den besonderen Ausschüssen zur

sondere Gesetzentwürfe vorbereiten.

Die erste Versammlung von Senatoren und Deputirten von der Linken bei Hrn. Cremieux hat stattge⸗ funden; sie sollen regelmäßig abgehalten werden, um so Be⸗ ziehungen zwischen dem Senat und der Deputirtenkammer her⸗ zustellen. .

Die Regierung beabsich igte, wie es hieß Rou her seines Briefes vom 25. Apcit wegen gerichtlich verfolgen zu lassen. Die Verfolgung ist nun zwar aus verschiedenen Gründen auf⸗ gegeben worden, indessen wird die Angelegenheit vor der Kamm er in anderer Form zur Sprache kommen. ö .

Nach einem Telegramm der „Köln. Ztg. ist der Contre⸗ Admiral und Senator JaurLs Befehlshaber des französischen Geschwaders, das vom touloser Hafen nach Salonichi aus— gelaufen ist und aus den Panzerschiffen , Gauloise ',, Couronne'“, „Heroine“‘ und dem Schraubenkreuzer Desaiz“ besteht. Im heutigen Ministerrath, in welchem der Marschall Mac Mahon den Vorsitz führte, wurde zunächst auch die Angelegenheit von Salonichi berathen, sodann die Neubildung der Gemeinderãthe und die Bewegung in den Präfelturen erörtert. Der Minister⸗ rath sorach seine Zustimmung zu dem Rundschreiben Ricards an die Präfekten über die innere Politik aus. .

Versailles, 9. Mai. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Bu dgetkommission sprach sich der Minister der Auswärtigen Angelegenheiten, Herzog Decazes, gegen das Amendement Tirards, betreffend die Aufhebung der fran⸗ zösischen Gesandtschaft beim päpstlichen Stuhl, mit Entschiedenheit aus, indem er als Hauptgrund gegen die Auf⸗ hebung namentlich die Eventualität eines demnäch stigen Konklave geltend machte. Das Amendement wurde schließlich mit 16 gegen 8 Stimmen abgelehnt und in Folge dessen von dem Deputirten Tirard ganz zurückgezogen.

10. Mai. (W. T. B.) Der Senat hat heute eine kurze Sitzung gehalten. Die nächste Sitzung findet Montag statt.— In der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer beantragte der Justiz⸗Minister Du faure in Uebereinstimmung mit der zur Vorberathung der Amnestievorlage niedergesetzten Kom⸗ mission die Berathung dieser Vorlage auf nächsten Man⸗ tag anzuberaumen. Im Laufe der Debatte über den Antrag Dufaure's erklärte der Deputirte Cassagnae, daß er dem⸗ selben nicht widerspreche, aber dabei zu bemerken habe, daß, wenn das Ministerium die Berathung der Amnestievorlage vor der Vertagung der Kammer zugelassen hätte, die Petitions⸗ bewegung nicht hätte stattfinden können. Unter den gegenwär⸗ tigen Umständen stimme er der von dem Minister verlangten wenteren Vertagung bei, damit sich derselbe rechtfertige und be⸗ weise, daß er das Vertrauen des Landes besitze. Den Protesta⸗ tionen der Linken gegenüber erklärte der Minister, daß es nicht Schuld der Regierung sei, daß die Dis kussion der Vorlage nicht vor der Vertagung der Kammern habe stattfinden lönnen. Die Berathung der Amnestievorlage wurde schließlich für nãchsten

Montag festgesetzt.

Italien. Rom, 10. Mai. (W. T. B.) Von den 9 Ab⸗ theilungen der Deputirtenkammer haben bis jetzt 7Jihre Kom⸗ missare gewählt. Von diesen haben 5 den Auftrag. sich für Ablehnung der Baseler Konvention, betreffend die ober- italienischen Eisenbahnen, auszusprechen. Die beiden anderen Kommifsare find bevollmächtigt, sich für die Annahme der Kon⸗ vention zu erllären.

Türkei. Konstantinopel, 10. Mai. (W. X VB.) Ein der Regierung aus der Herzegowina zugegangenes Telegramm meldet die erfolgte Verproviantirung Piva's durch die türlischen Truppen. Letztere haben weder auf dem Hinmarsche nach Piva, noch auf dem Rückmarsche nach Gaczko Insurgenten angetroffen.

11. Mai. (W.

T. B.) In einer von den Journalen

Prüfung vorgelegt werden, damit diese dann, wenn nöth g, be⸗

dung des deutschen und französfiscen Konsuls in Salonichi sofort nach Beendigung der Un ersuchung auf das Strengste be⸗ straft werden sollen. ; Ueber Ragusa wird dem, W. T. B.“ unter dem 9. Mai gemeldet: Der Präfident des Senats von Montenegro sst heute von Cattaro nach Wien abgereist. In Antivari sind zwei türkische Fregatten mit Geschützen und Munition angekommen. In Scutari (Albanien) ist die Landung Fon weiteren 15 Tabors Nizamtruppen angekündigt, für den See von Scutari sind zwei Kanonenboote bestimmt.

Rumänien. Bu karest, 10. Mai. (B. T. B) Das Ministerium Floresco hat noch vor seinem Rücktritt der Kammer die Handelskonvention mit Rußland vorgelegt. In dem neuen Kabinet hat nunmehr Vernescu das Ministerium des Innern und Chitzu das Kultus⸗Ministerium übernommen. Nach einer späteren telegraphischen Meldung ist das neue Ministerium durch Ernennung des Oberst Slaniceanu zum Kriegs⸗ Minister, Ferichide's zum Justiz⸗-Minifter vervollständigt worden. 11. Mai. (W. T. B.) An Stelle der in das Mini⸗ sterium getretenen Vize⸗Präsidenten des Senates Jepu— reanu und Vernescu sind Joan Ghika und Demeter Stourdza zu Vize-Präsidenten des Senates gewählt worden. Das Min!⸗ steri um hat in der Kammer sein Programm entwickelt. In demselben wird eine friedliche auswärtige Politik, die Achtung der internationalen Verträge, Sparsamkeit in der Verwaltung und eine Verbesserung der Lage der ländlichen Bevölkerung zu⸗ gesichert. Man erwartet eine Auflösung der Deputirtenkammer.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 9. Mai. Das „Journal de St. Pet.“ bespricht die neuesten ministeriellen Veränderungen in Konstantinopel und mißt denselben eine versöhnliche und friedliche Bedeutung bei. Es schreibt: Es

scheint uns, daß, wenn man in Konstantinopel auf dem Wege

beharrt, welchen man soeben betreten, die Verhandlungen bezüglich eines Waffenstillstandes mit Ruhe wieder aufgenommen werden könn⸗ ten und Montenegro dann keinen Angriff zu befürchten haben würde.“ Die bevorstehende Zusammenkunft in Berlin und die orientalische Frage behandelt die Sonntagsnummer des „Golos“ und konstatirt dabei, wie ganz Europa auf die An⸗ wesenheit des Kaisers von Rußland in diesem Jahre in de: Hauptstadt des Deutschen Reiches als auf ein Creigniß blicke, welches den unbegründeten Befürchtungen ein Ende machen und die Ueberzeugung von der Erhaltung des Friedens befestigen müsse. „Bei der unwandelbaren Uebereinstimmung, fügt schließ⸗ lich der „Golos“ hinzu, welche bis jetzt zwischen Rußland, Deutschland und Oesterreich⸗Ungarn herrscht, werden wir kaum einen Irrthum begehen, wenn wir behaupten, daß das in Ber⸗ lin schon bestehende Bündniß nicht nur eine neue und höchst feierliche Bestätigung finden wird, sondern daß auch Europa mit voller Ueberzsegzung in Zukunft auf die drei Nordmäch:e blicken kann, als auf die unzerstörbaren und die meiste Garantie bietenden Pfeiler des allgemeinen Friedens.

Dänemark. Kopenhagen, 11. Mai. (W. T. B.) Eine Verfügung des Ministers des Innern vom 8. d. ordnet an, daß alle vom Auslande eingeführten Pferde von der Veterinärpolizei an der Grenze oder am Landungsorte zu untersuchen sind.

Amerika. Aus Washington wird unterm 8. ds. per Kabel gemeldet: Der Kaiser von Brasilien lam am Sonn⸗ tag hier an. In Texas ist der Gouverneur Coke, ein De⸗ mokrat, zum Bundes⸗Senator gewählt worden. Aus Mexiko wird unterm 8. ds. nach New-⸗FHork gemeldet, daß mexikanische Kongreß dem Peäsidenten außerordentliche machten gewährt und sich vertagt hat. Die Regierung hat den Feldzug in Oaxaca eingestellt. Die Staaten des Inneren blei⸗ ben loyal.

New gork, 9. (B. T. B.) Nach hier ein⸗ gegangenen Nachrichten aus Mezico hat sich Diaz Tor den Regierungstruppen auf Matamoras zurückgezogen. Die Kabelverbindung zwischen Rio-Grande und Montevideo ist wiederhergestellt.

Venezuela. Zur Feier des Geburtsfestes Sr. Majestãt des Deutschen Kaisers gab der Geschäfisträger des Deuischen Reichs in Caracas, Dr. Erwin Stammann, am 22. März ein größeres Diner, dem unter andern Notabeln der Minister des Aeußern und das diplomatische Corps beiwohnten. Der erstere toastete mit warmen Worten auf das Wohl des Kaisers, d

Mai.

der Geschäftsträger auf das des Präsidenten der Republik, General Don Antonio Guzman Blanco. Während des Bankers versah die Leibgarde den Ehrendienst. ; .

Die Botschaft des Präsidenten an den Kongreß lonfta⸗ tirt die guten Beziehungen der Republik zu allen fremden Mächten, mit Ausnahme der Differenzen mit den Niederlanden, die indeß keine Besorgniß erregen. ö

Die Errichtung des Telegraphennetzes, welches die Saupt⸗ stadt mit sämmtlichen Provinjen verbinden soell, ist neuerdings beschlossen worden. .

4 1. fis kalische Agent der Republik in London at daselbst ein Ablommen mit den Inhabern venezolanischer Schatzscheine und in Paris einen Kontrakt abgeschlossen, welcher den Bau einer Eisenbahn von dem Hafen La Guaira nach der eiwa drei Meilen entfernten Hauptstadt Caracas bezweckt. 26 .

Der Präsident hat einen Besuch der Weltaus stellung in Philadelphia in Aussicht genommen.

Nach Berichten aus Guatem ala, welche bis zum S.

d. J. gehen, ist der Krieg zwischen Guatemala und s

or erklãrt. . 2 Die offiziellen Verbindungen zwischen beiden Republiken wurden am 20. März abgebrochen und die Feindseligkeiten be⸗ gannen unmittelbar darauf mit dem Einmarsch der Sal vadoraner in guatemalisches Gebiet. Auf beiden Seiten stehen sich etwa 15,500 Mann Truppen gegenüber. .

Bei Ahuachapan war es zu einem Treffen gekommen, in welchem die Truppen Guatemalas gesiegt hatten. In Folge dessen wurde von ihnen der Vormarsch in salvadoranisches Gebiet fortgesetzt. .

In Santana (Salvador) hat sich unter den emigrirten Guatemalenen, welche sämmtlich der Jesuitenpartei angehören, eine provisorische Regierung für Guatemala gebildet, an deren Spitze Palacios steht. .

Unter dem 8. April hat die Regierung zu Guatemala ein Dekret erlassen, wonach 25,009 Dollars der cirkulirenden Bant⸗ billets von der Nationalbank eingezogen, und dafür diesel be Summe in Billets zu 1, 2 und 4 Reales ausgegeben werden soll.

Die Nachricht, daß zwischen den Eingebornen der Sa⸗

der Regierung wird

veröffentlichten offiziellen Er klärung

reichten.

wiederholt, daß die Urheber und die Theilnehmer an der Ermor⸗

moa⸗Inseln und der Mannschaft des englischen Te ess ch ffes „Barracouta“ ein Zusammenstoß mit Blutvergießen stattgefunden