1876 / 112 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 12 May 1876 18:00:01 GMT) scan diff

Berlin, den 12. Mai 1876.

Weltausstellung in Philadelphia 1876.

Einen der bedeutendsten Industriezweige der Vereinigten. Staaten Amerikas bilder die Teder -In du strie, vor Allem Fe Gerberei in all ihren Theilen, dann aher quch die Vergr. beitung der verschiedenen Sorten ven Leder. Die Häute und Felle des Obsen, Pferdes, Baffalo. Hüsches, der Ziege, des Schafes, Hun des, Bären, Mink, Zobels, der Robe, des Alligators und sogar der Ratte werden in eine faft endlofe Reihe von Lederarten und Leder artikeln verarbeitet. Allein schen in der Nothgerberei ist ein sehr beden ten des Kapital angelegt, und bestehen in den Vereinigten Staaten über 3300 solcher Etablissemente. Zählt man zu denselben noch 10,000 Fabrikanten mehr, die Häute und Leder zurichten, Marc cco⸗ urd Weißgerber, sowie alle diejenigen, welche Artikel herstellen, Lie ent⸗ Peber ganz oder zum Theil von Leder sind, und wenn man bedenkt. daß die jährliche Produktion des gejammten Ledergeschäftes den Werth von 200,000 09 ö übersteigt, so läßt sich etwa ein annähernder

egriff dieser Industrie gewinnen. . . arg! eigens für die Lederausstellung erricktete Gebände wird, nach der ‚Daul. Korr. mit der beabsichtigten Vergrößerung auf 45, 000 Doll. zu stehen kommen. Es erbält eine Front von 160 Fuß und eine Tiefe ven 314 Fuß, und ist in Ferm eines Parallelogramms und Tauptsäcklich aus Holz, Glas und Eisen errichtet. .

Tie hier ausgestellt werdenden Objekte werden in folgende Klassen eingefheilt: Schuh. urd Leder. Maschinerle, Treibriemen, Schuhe und S efcl, So lenseder, Roh „Skirting“, Geschirr, Kip. und Kalbleder, Marre und Schafleder, Geschirr ; und Sattlerarbeiten, Sattler⸗ Ftallwaaren, Kautschukartikel, Koffer, Hand und Reisetaschen ꝛc. Geldtaschchen 2c, Schwärze, Polituren c. 1

Berens weit über 6066 Gesucke um Ausftellungsräumlichkeiten liegen vor, so daß man bereits an einen Anbau von 80 mal 100 Fuß denkt; denn man hat auch fremden Ausstellern, die sich wider Erwarten ir einem großen Maßstabe betheiligen, die liberalsten Konzessionen be—⸗ züglich des Ausstellungsraumes gemacht. . ;

Den interessantesten Theil dieser Ausstellurg wird wohl Tie hierher gehörige Maschinerie bilden; Tenn kaum dürfte es einen In— Dustriezweig geben, in welchem die Arbeit ersparende Maschine in solcher Auf dehnung zur Anwendung kommt, als in der Lederindustrie. Schon allein die bis zur böchsten Vollkemmenheit gebrachten Maschinen zur Herstellung ron Schuhen und Stiefeln bildet einen der ar⸗ zichendsten Theile dieser Ausstellung, wu dann noch die Maschinerie zur Verrichtung fast jeder bemerkbaren Operation in diesem Gewerbe kommt, von Fer Muhle, welche die Gerberrinde zermahlt, bis zu denen für das Zursckten, Exthagren, Plaziren, Spalten u. s. w. der Haute und des Leders. Da werden auch Maschinen seifn, welche Holzstifte machen und mit denselben zugleich die Sohlen auf Schuhe ünd Stiefel befestigen oder dasselbe mittels Schräubchen aus Messing verrichten. . .

Der freie Platz um die Memorial Halle ist zu einer Anlage um⸗ geschaffen und zur Ausftellung von Statuen und Denk⸗ mälern bestimmt. .

Als das erste derselben in der Reihenfolge ist die Kolossalstatue von Chriftepb Columbus zu nenren, welche von einer Anzahl italieni⸗ scher Bürger Philadelpbias bergestellt worden ist. Der historischen Reihenfolge nach kommt dann die Statue William Penrs, welche Philadelphia seinem Begründer gew dmet hat und die ihren Platz ars der Kuppel des neuen Stadthauses erhalten, doch vorher noch auf die Aust lung kommen soell. Sie wird den größten Bronzeguß repräsentiren, weicher je in Amerika unterrommen worden ist. Das Merck ist ven Bailey, dem Schöpfer der Witherspoen- Statue,

us geführt, welche ebenfalls auf der Autstellung zu sehen sein wird. Der wissenschaftliche Geist des Jahrhunderts wird durch die Statine Humboltts repräfentirt, die ebenfalls aus Bronze ist. Das Medell sst von Professor Drake ven Berlin ausgefübrt und 9 Fuß bech. In die Mitte der Terrasse, auf welcher die Memorial · Salle err'chter ist, wird eine Kolessal⸗Statue aus Grarit, der amerikanische Soltat, zu stehen kommen, welche von Bertholdi gebiltet ist. An der Osftseite aber derselben Terrasse kommt auch eine Wasphington⸗ Statue zu stehen, welche aus einem einzigen Marmorblecke atmeiselt ift. Die greßartigste Gruppe von Siatuen wird die Centennial Fontaine bilden, welche von der Catholic Total Abstinence Union am Fuße des George -Hügels errichtet wird. Das Baßfsin dieles Brunnenz ist rund und kat einen Duichmesser von 90 Fuß. Die Mittelfigur stellt Moses dat, wie er mit dem Stabe an den Feisen schlägt, von welchem das Wasser herniederläuft. Dann ist weiter zu erwähnen eine Gruppe von Statuen, welche die religiöse Freiheit darstellen soll. Das Pieteßtal und die Marmor -⸗Statuen Gruppe sind 20 Fuß hoch.

Einem historisch topegraphischen Artikel der Köln. Zig.“ über Salonichi ren Professor Arneld Schäfer entnehmen wir Fol— gendes:

Die Stadt Thessalonich

eder in der abgekürzten italienischen Benennung Salonichi, ihre Bedeutung der weiten Rhede, welche einn bequemen und ziemlich gesicherten Ankerplatz bietet und den hier sich kreuzenden Straßen des Binnenlandes. An der rord—⸗ westlichen Bucht des Archipelagus bet sich hier der natürliche Stapel⸗ platz für den Verkehr des mazedenischen und päcnischen Hochlandes. Schon seit uralten Zeiten klübte in dieser Gegend Therma, welches dem Meerbusen seinen frübesten Namen gah; zu noch hoherer Wicktigkeit aber erhob sich die von Kassander um 315 v. Chr. neu gegründete Stadt, die er zu Ehren seiner Ge— mahlin, einer Schwester Alexanders des Großen, mit dem Namen Thessalenika benannte. Sie wurde bald der Haupthafen von Macedonien und bat seitdem alle Zeiten hindurch ihren Rang he— hauptet: sie ist auch heutzutage nach Konstantinepel der wichtigste Handelsplatz der europäiscken Türkei. In der Zeit der Römer⸗ herrschaft Geit 148 v. Chr.) ward eine Heerstraße von Dyrrhachium (Durazzo) am Adriatischen Meere nach Byzanz geführt, deren Mittel- punkt und Haupischutzwehr Thessalonich bildete, die Via Egnatia. Ihr Lauf bildet noch heute innerhalb der Ringmauern der Stadt die imzige gerade Linie: das alte Pflaster liegt mehrere Meter tief unter ern Schutte, den die Jahrhunderfe aufgehäuft haben. Noch wölbt über ihr nach dem östlichen Ausgange zu ein mit Reliefs ge— zierter römischer Triumphbogen aus der Zeit der Konstantine. Nach hin führt eine andere Hauptstraße an den sumxfigen Ab— agerungen des Arios (Vardar) hin heutzutage die von Baron Hüich angelegte Eisenbabn durch die Engen dieses Flusses, das eiserne Ther Macedoniens (Demirkapu) durchbrechend, nach dem korn⸗ re den Päcnien, von wo sie sich einer eits nach Albanien, andererseits rack Serbien zu abzweigt. Vorläufig reicht die Eisenbahn erst bis Mätrevpitza, hat aber bereits einen erheblichen Waarenverkehr in Gang gebracht. . e . Von der Bedeutung der Stadt in römischen Zeiten zeugen die

ie tachen Trümmer, welche aus dem Boden ausgegraben werden, und

ie Säulen von Verde und Resso antico, welche, aus Tempeln stam⸗

i gen wurden, die heutzutage als Moscheen

verdankt

Apestel gepredigt habe. Hier ob f ? Demetrius, welcher in der letzten Christenverfolgung unter Galerius

lich ein Apt

geit mückt ist. Aber Flutgetraͤnkt ist der Boden.

doesns bielt im Jahre 380 über die Bürgerschaft, welche sich gegen

ine aufgelehnt hatte, ein furchtbares Gericht, an 8000, nach An⸗

dern gar 15000 wurden in dem Circus (im Sudoststen der

Start) zusammengedrärgt und von den Soldaten zusammengehauen. In allen Kriegen machte die militärische Wichtigkeit der Stadt

sick geltend, kis sie 1130 ven dem Osmanenfultan Murad II. erobert

Thürme von der byzantinischen Befestigungs kunst; jetzt sind sie gãnz⸗ lich verfassen und geschleift: die Citadelle ist ein Trũmmerh aufe. Aber von diesem beherrschenden Punkte schweift der Blick hinüber zu den Bergen Ter chalkidischen Halbinsel, und nach Südwesten ragen die hellenischen Berge, der Olympos und der Ossa, am Rande des Horizonts hervor. ; ö . Gir amt der Stadt ward vornehmlich durch die Juden unterhalten, welche, schon in der Zeit der Apostel dort ansãässig, namentlich seit den Verfelzungen der Juden in Spanien am Ausgange des 15. Jahrhunderts in großer Zahl bierher ge⸗ wandert? sind. Von der Bevilkerung, welche an Ort und Stelle (wie dem Verfasser scheint, zu hoch) auf mebr als 100,000 veranfchlagt wird, sind z Jaraeliten; auf Christen und Mohamedaner kommt nur . So ausschheßlich überwiegt die jüdische Bevölkerung, kaß ein Schiff, welches Sonnabends seine Ladung einzunehmen hat, nur mit Mühe arbeitende Hände findet. In der Stadt sind zahl⸗ reiche Gerbereien und Färbereien; das Land liefert Wein, Getreide, Wachs, Baumwolle, Seide, Tabak. Der Handel wird vornehmlich durch die Dampfschiffe des österreichischen Lleyd, der franzõfischen Meffagerie und mehrerer an derer Linien vermittelt. Deutschland hat derhälimißmäßig geringen Antheil en dem Handel, dessen Umsatz 1873 auf 29 Milltonen Fr. veranschlagt wurde (19 Mill. Einfuhr, 160 Mill. Ausfuhr.) . J Dis Türken in Salonichi bewohnen eines der elendesten Quar⸗ tiere der schmutzigen Stadt.

edel die Person des ermordeten deutschen Konsuls meldet derselbe Gewährsmann: Der deutsche Konsul in Salonichi, Herr Henry Abbot, war englischer Abstammung. Sein Großvater hatte ssch dort medergelassen, ein geachtetes Handlunz sShaus begründet und ansehnlichen Grundbesitz erworben. Der Vater starb erst 1875. Herr Abbot war in Europa gebildet und mit englischer und franzõsijcher Literatur vertraut; seine Wohnung, zu der von dem geräumigen Hofe Marmortreppen führten, zierte eine wohlgewählte, reichhaltige Biblio⸗ ihek der besten Schriftsteller beider Nationen. Vermählt war er mit einer Griechin von angefehener Familie, einer Karatheodori, Ver— wandten des türkischen Botschafters Aristarchi Bey. In seinem gast— sichen Hause wurden die Künste gepflegt, namentlich die Musik; mit Meisterschaft spielte er selbst Beethovensche Sonaten. Den Sommer pflegte er mit den Seinen auf dem Lande, zu wohnen, eine Meile pon der Stadt. Das Deutsche sprach er nicht geläufig, aber der an wesenden Deutschen nahm er sich, wie allgemein, anerkannt wur? tbätig an, mit um jo größerem Erfelge, da er bei den türkischen B bärden in böchster Achtung stand und auch unter der Bevölkerung az ein Ehrenmann geschätzt wurde.

Ueber die feierliche Enthüllung des Sch iller⸗Denkmals in Marbach am 9.8 M. wird noch Folgendes mitgetheilt: Gegen 11 Uhr Vormittags setzte sich der stattliche Festzug vom Rathhaus aus in Be⸗ wegung, machte Halt vor Schillers Geburtshaus, wo Dr. Elben eine kurze, die nationale Bedeutung des Dichters hervorheben de Ansprache hiest, und nahm dann, die Hauptstraßen des in festlichem. Flaggen und Blurzenschmuck prangenden Städtchens durchziehend, seinen Weg nach der sogenannten „Schillerhöshe“, einem reizend gelegenen, das Neckarthal beherrschenden Aussichtspunkt, in dessen parkähnlichen An⸗ sagen das von hem Bildhauer Rau geschaffene Standbild seiner Enthüllung harrte. Nach dem Vortrag einer schwungvollen Cantate von Faißt, an deren Ausführung sich eine große An⸗ zahl schwäbischer Gesangvereine betheiligte, jank unter Böllerschüssen die Hülle, und ein allsemeirer Ruf der Bewunderung und freu⸗ digster Ueberraschung enkrang sich der Kopf an Kopf gedrängten Menge über das in jeder Bezichung ausgezeichnet gelungene Knnst⸗ werk. Professor J. G. Fischer hielt die Festrede, die, in glücklicher Wesse anknüpfend an das in jenem Augenblick alle Herzen bewegende Defühl wehmülhiger Trauer über den in der Bluthe seiner Jahre und in der Vollkraft seines Talents gestorbenen Künstler, sich in edlem Gedankengehalt über Wesen und Wirken unseres großen Na⸗ fionald chters erging, und am Schlusse mit allseitigem rauschendem Bei fell keloknt wurde. Hierauf folgte die formelle Uebergabe des Stand⸗ bildes an die Stadt Seitens des Marbacher Schillerdenkmal-Comitès. Nachdem dann noch die Festjungfrauen und ein Vertreter der akade⸗ mischen Jugend eine reiche Spferspende von Blumen und Kränzen zu den Füßen des Denkmals niedergelegt hatten, wurde der eigentliche Enthüllungsakt durch den von sammtlichen Gesangvereinen aus- geführten Vortrag des Reiterliedes aus „Wallensteins Lager“ geschloffen. In dem Gasthause „Zur Poft⸗ fand hierauf das kurch zahlreiche Trinksprüche gewürzte Festessen statt, wãhrend sich in den Anlagen der Schillerhöhen ein frohes buntbeweg⸗ tes Tieiben der zahlreich herbeigeströmten Landbevölkerung ent. wickelte. Das im Allgemeinen vortrefflich gelungene Fest, welches durch die Gegenwart eines Enkels und einer Enkelin Schillers der— he rlicht wurde, trug in seinem ganzen Verlauf einen vorwiegend lokalpatriotischen, fafst familiären Charakter.

Aus Lorch, 6. Mai, wird geschrieben: Geftern wurde hier eine ansprechende Feier begangen: es wurde an unserem Schillerhause eine einfache Gedenktafel angebracht und eingeweiht, „Schillei⸗ haus 1765— 1768. Diese Inschrift sagt dem Vorübergehenden, daß Schiller hier drei Jahre seiner Kindheit verbracht hat. Im Jahre Tö5 verließ nämlich die Schillersche Familie Marbach, um nach Lorch überzusiedeln, wo der Vater auf längere Zeit Standquatrtier als Werbeoffizier erhalten hatte. In Lorch wurde Schillers jängere Schwester Laise geboren, in Lorch erhielt er selbst seinen ersten Unter⸗ richt von dem Pfarrer Ph. Moser, durch welchen ihm auch die Nei⸗ gung eingeflößt wurde, dereinst auch ein Pfarrer zu werden. Schiller hat den ehrwürdigen Mann, der damals übrigens erft im 45. Jahre stand, in den Räubern verewigt.

Die Herbartfeier in Oldenburg am 5. d. M nahm im Beiscin der Großherzozlichen Herrschaften, in Anwesenheit vieler namhaften Persönlichkeiten, Freunde, Schüler und Verehrer des Philo · scphen und einer großen Zuschauermenge ihren Verlauf. Pref. Lazarus aus Berlin hielt eine einstürdige geistvelle Festrede. Darauf wurde die wohlgelungene Kolessalbüste des Denker enthüllt und Direktor Strackerjan übergab Namens des Comités das Denkmal der Stadt. Bürgermeister v. Schrenck nahm im Namen derselben von dem Denk mal Besttz. Nach Beendigung der Enthüllungsfeierlichkeit nahmen die Höchsten Herrschaften das Denkmal in Augenschein und unter- hielten sich längere Zeit mit dem Bildhauer Manger. Das Geburts haus Herarts war mit einem Transparent versehen, auf dem in golderen Buchstaben die Werte standen: „Hier wurde Johann Fried⸗ rich Herbart geboren, 4. Mai 1776. Der Großherzog hat dem Comité 1000 zur Gründung einer Herbartstiftung zur Verfügung gestellt.

In Folge des Aufrufes, den das Polizei⸗Präsidium am 25. Fe⸗ bruar d. FJ. an die Bewohner Berlins ergehen ließ, sind im Ganzen für die Üeberschwemmten Schönebecks 40, 037,3 M, für die Ucherschwemmten im Allgemeinen, bez. mit besonderen Bestimmungen weitere 5489, M eingegangen. Beide Summen sind im Sinne der Geber verwandt worden und erklärt der Polizei ⸗Präsident von Madai, dankend, daß er nicht vergeblich an den Wohlthätigkeitsstnn Berlins sich gewendet, die Sammlung nunmehr für geschlossen.

Die Stadtverordneten -Versammlung Hat in ihre gestrigen Sitzung den Antrag des Magistrats, die städtische Jrren⸗ austalt in Dalldorf zu erbauen, abgelehnt, dagegen beschlossen, dem Magistrate zur Erwägung anheimzugeben, ob das der Stadt gehörige, zwischen der Landsberger und der Königs Chaufsee, jenseits der Ver bir dungsbahn belegene Terrain von 1233 Morgen Größe zur Errich⸗ tung einer Irrenanstalt zu verwenden ist. Die Berathung über die Verlage in Betreff der Schloß freiheit wurde vertagt.

Im Mikroskopischen Aquarium wird seit Sonntag täglich von J—— 10 Uhr Morgens jede zu diesem Behuf eingesandte Probe

Das Carl Stangensche Reisebureau beabsichtigt, außer der allsährlich wiederkehrenden Gesellschaftsreise nach àtasien, auch eine solche nach Spanien zu veranstalten, welche, hauptsãchlich den Be uch Ändalusiens zum Zwecke haben soll. Die für den 18. M. in Aussicht genommene Exkursion nach Paris findet bestimmt statt, ebenso die Gesellschaftsreise nach Nordamerika am 2. Mai.

Theater.

Königliches Schanspielhaus. Am Dienstag trat Hr. Ghriftoph, vom deutschen Theater in . als Masham (. Das Glas Wasser “) auf; es ist eine unbedeutende Partie, und er hat sie auch dem⸗ gemäß gegeben. Der Gast bietet nach dieser ersten Rolle zu gar keiner Bespreckung Veranlassung; zu bemerken ist nur, daß er noch jung und natürlich ist und noch von keiner Manier verdornen scheint, daß seine Sprache aher einen unschönen, breiten Klang hat. Es in eben, um ein Urtheil über ihn abzugeben, ein weiteres Auftreten ab⸗ zuwarten. .

Am Donnerstag trat Fil Abich, bisher em Stadttheater zu Frankfurt a. M, als Elfriede in Benedix „Aschenbrörel“ auf. Diese Partie ist als eine für die junge Künstlerin besonders günstige anzu- sehen; ihr Aeußeres, ihr Organ, ihr ganzes Wesen sind für solche Rollen besonders geeignet. Sie spielte mit tiefem Gefühl und über schritt nie in den naiven Stellen die Grenzen des Natürlichen und Wahren. So hatte sie denn auch die Genugthuung, von dem voll ständig besetzten Hause im reichsten Maße durch Beifalls bezeugungen ausgezeichnet und nach jedem Akte, besonders am Schluß, durch mehr- fachen Hervorruf geehrt zu werden.

Friedrich Wilhelm städtisches Theater (Mei⸗ ninger Gastspiel). Am Sonnabend wird Frl. Hedwig Dohm im „Käthchen von Heilbronn“ die Titelrolle spielen, während Fr. von Meser ⸗Sperner, welche mebrere Tage Unväßlichkeit halber nicht akt iv war, die Rolle der „Kunigunde von Turntck! wieder übernimmt. Am Sonntag und in den übrigen Aufführungen des Kleist'schen Schauspiels spielt Frl. Pauli wiederum das „Käthchen“. Es wer⸗ den nur noch drei Wiederholungen dieser Vorstellung stattfinden. Hr. Ludwig Barnay, Ehrenmitglied des Meininger Hoftheaters, wird am Sonnabend am Hamburger Stadttheater den Lord Rochefter in „Die Waise aus Lowocd“ spielen und erst in der nächsten Woche hierher zurückkehren.

Wolters dorfftheater. Hr. Otto Schindler, von seinem biesigen Engagement am Friedrich Wilhelmstädtischen Theater be⸗ kannt und keliebt, ist von Hrn. Thomas zu einem ein maligen Gastspiel gewonnen worden und wird am Dienstag nächster Woche als Hans Styx (Prinz von Arkadien) in „Orpheus in der Unterwelt“ auftreten Diese Rolle hat Hr. Schindler bei der ersten hiesigen Auf⸗ führung der Operette in der jetzt allgemein gewordenen originellen Auffassung und Durchführung kreirt und durch Darstellung der genial burlesken Figur nicht wenig zu dem Erfolg des „Orpheus beigetragen. Diesem interessanten Auftreten wird sich am folgenden Tage die Eröffnung eines Gastspieleyklus der bekannten Dyercttensängerin und Wiener Soßubrette Eleonore Stuhel anreihen, mit welcher Künslerin zunächst die derzeitig mit Beifall aufgenom mene Operette ‚Die Perle der Wäscherinnen“ wieder zur Aufführung gelangt. Frl. Stubel hat die Titelpartie zuerst in Wien gesungen und außerordentlich damit reussirt. Das weitere Repertoir der Gastin wird Glanzpartien in der Posse „Die fesche Schusterin! und einer neuen Millockerschen Operette aufzuweisen haben.

Die Hoftheater ⸗Intendanz in Müncheu hat, wie die „Südd. Pr. mittheilt, den seit Jahren immer wiederkehrenden Klagen Gehör gegeben und durch den am 10, ausgegebenen Theaterzettel an die Besucherinnen des Königlichen Hoftheaters varläugig die

Bitte“ gerichtet, ‚dieselben möchten während der Vorstellung die Hüte abnehmen.“

Singegangene literarische Reuigkeiten.

Jahrbuch für die amtliche Statist ik des Preußischen Stants. Herausgegeben vom Köoͤniglichen statistischen Bureau. J. Jahrgang (Erste Hälfte. Berlin 1876. Verlag des König lichen statistischen Bureaus (Dr. Engeh. J

Zeitschrift des Königlich sächsischen statistischen Bureaus, redigirt von dessen Direktor Dr. Victor Böhmexrt. XXI. Jahrgang, 1875. Heft III. u. IV. Ausgegeben im März 1876. Dresden in Kommission bei R. v. Zahn, vorm. G. Schönfelds

uchhandlung. .

. , nn geg über Industrie, Handel und Verkehr aus Dem statistischen Departement im K. K. Handels ⸗Ministerium III. Bd. 4. Heft. Statistik der österreichischen Industrie. E. Industrie in Nahrungsmitteln und sonstigen Verzehrungegegen sftäcken. Wien, 1876. Aus der K. K. Hof- und Staatsdruckerei. In Kommisiion bei Ferd. Meyer, Tuchlauben Nr. 26. .

Populäre Erörterungen von Eisenbahn Zeitfragen. IV. Privat-, Stants- und Reichs bahnen von M. M. Fihrn. v. Weber. Bien, Pest, Leipzig, A. Hartlebens Verlag 1876.

Die „goldene“ Internationale und die Nothwendigkeit einer fozialen Reformpartei von C. Wil manns, Königlicher Stadt⸗ zerichts Rath. 3. Auflage. Berlin 1876. Verlagsbuchhandlung von M. Ant. Niendorf. ͤ

Fin Wort der Ueberlegung an die Agrarier und an die Leser der Kreuzzeitung von O. von Monteton. Berlin, M. Ant. Niendorf.

Bericht über die Verhandlungen der Vereinigung der Steuer- und Wirthschaftsreformer zu Berlin am 22, 23. und 24. Februar 1876, erstattet vom Bureau des Ausschusses. Als Anhang: Verzeichniß der Mitglieder. Berlin 1876. M. Ant. Niendorf. 22

Denklehre ven Robert Graßmann. Verl. v. R. Graßmann. ;

Wissenzlebre v. Robert Graßmann. Verl. v. R. Graßmann. =

Die Erkenntnißlehre von R. Graßmann. Verl. v. R. Graßmann.

Der Ursprung des Rechts. Prolegomeng zu einer allge⸗ meinen vergleichenden Rechtswissenschaft, v. Dr Alb. Herm. Post, Richter in Bremen. Oldenburg 1876 Schulze'sche Hofbuch2 handlung. C. Beindt und A. Schwartz. Preis 240

Die Geschlechtsgeneisenschaft der Urzeit und die Entstehung der Ehe. Ein Beitrag zu einer allg-meinen ver= gleichenden Staats. und Rechtswissenschaft, v. Dr. Alb. Herm. Post. Oldenburg 1875. Schulze'sche Hofbuchhandlung. C. Berndt und A. Schwartz. G.). r .

Reues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichts kunde zur Beförderung einer Gesammtausgabe der Quellenschriften deutscher Geschichten des Mittelalters. Erster Band, T Heft. Hannover, Hahnsche Hofbuchhandlung. 1876.

Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landes- kunde, unter Mitwirkung von Drovsen, Duncker, L. v. Ledebur und L. v. Rarke, herausgegeben von Constantin Rößler. 153. Jahr⸗ gang Mai⸗Juni - Heft (Nr. H und 6. Berlin 1876. E. S. Mittler & Sohn. .

Neues Lausitzisches Magazin. Im Auftrage der Ober- lausißischen Gesellschaft der Wissenschaften, herausgegeben von Pref. Pr. Schönwälder, Sekretär der Gesellschaft. 52. Bd. 1. Heft.

Görlitz, im Selbstnerlage der Gesellschaft und in Kommission der Buchhandlung von E. Remer. 1876.

Stettin Stettin

Stettin

RNedactenr: F. Preh m. Verlag der Erpediiton (Kessel). Druck: W. Elsner.

Vier Beilagen (einschließlich Börsen · Beilage).

Berlin

ward. Lange noch bis in die jüngste Zeit zeugten die Mauern und

Schweinefleisch unentgelilich auf Trichinen untersucht.

Grste Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Auzriger und Königlich Preußischen Stagts⸗Anzeiger.

Berlin, 12. Mai. Die Antwort, welche der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Falk in der gestrigen Sitzung des Haufes der Abgeordneten auf die Interpella— tion des Abg. Frh. v. Heereman, die Ordensgebäude in Münster betreffend, ertheilte, hatte folgenden Wortlaut:

Das hohe Haus wird sich mit mir einverstanden erklären, glaube ich, daß ich keine Veranlafsung habe, die Gesichte punkte näher zu er— örtern, die der Herr Interpellant angeführt hat, um darzulegen, wat ihn zur Interpellation bewogen hat. Ich habe bei meinen neulichen Aeußerungen im Wesentlichen nichts anderes bemerkt, als das, daß ich geglaubt hätte, der Herr Interpellant würde seine Interpellatien gar nicht angebracht haben, wenn er in meiner Gegenwart seine Be— schwerde, die er ausführlicher bei Gelegenheit des Etats des Ministe⸗ riums des Innern begründete, vorgebracht hätte.

Die bezeichneten Beschwerden des Kaufmanns Albers in Münster und des Grafen Galen sind der Staatsregierung in ihrer Centralinstanz zugegangen, ehe der Hr. Abg. v. Heereman die Angelegenheit hier Überhaupt zur Sprache gebracht hat, und sie sind auch, ehe dies geschah, in die Erörterung mit den untergebenen Inftanzen geführt worden. Der Hr. Abg. v. Heereman bat bei seinen fruheren Aus— führungen eine Reihe von Gründen, die entgegenstehen sollen den Verfügungen der Provinzialbehörden, hier vorgetragen, um zu zeigen, daß es sich um Anordnungen ganz exorbitanter Art handele. Es liegt nicht in meiner Absicht, weil es zu einem praktischen Erfolge nicht führt, alle diese Punkte gegenwärtig hier zu erörtern; es wird aber doch angemessen sein, kurz hinzudeuten auf Gesichtspunkte, die die Entscheidung der Provinzialbehörden vielleicht nicht richtig, aber doch eben nicht so allen Rechtstitels baar erscheinen lassen, wie der Herr Abgeordnete meinte, und sie hier ausführen zu sollen.

Der Kaufmann Alhers beschwert sich darüber, daß die Kirche der Franziskaner zu Münster, welche zu gleicher Zeit mit der Nieder⸗ lassung der Franziskaner in Münster errichtet worden ist, nach Auf— lösung dieser Niederlassung geschlossen worden sei. Von einzelnen anderen Gesichtspunkten abgesehen, ist bei den Provinzialbehörden die Meinung gewesen, daß diese lediglich ein Annexum der Niederlassung bildende Kirche als solches mit der Niederlassung weggefallen sei, als Kirche weggefallen sei. Ich sage noch einmal, man kann über solche Auffassungen streiten, aber Sie werden diesen einfachen Schluß doch uicht als einen solchen bezeichnen können, wie er neulich Harakterisirt worden ist, von dem Hrn. Abg. von Heereman. Wäre aber diese Argumentation richtig gewesen, dann würde es sich im vorliegenden Falle um die Erxichtung einer neuen Kirche, die nicht blos als das Erbauen einer Kirche bezeichnet, sondern das Herstellen eines baulichen Körpers zu einer solchen, also um eine neue Kirche gehandelt haben, und nach 5§. 176 des 11. Titels, II. Theils des Landrechts, wäre in solchem Falle eine Genehmigung der Staats . behörden nothwendig gewesen. Nun, meine Herten, die thatsächliche Voraussetzung der Regierung hat allerdings in der Centralinstanz als richtig nicht anerkannt werden können. Denn es hat sich ergeben, daß diese Kirche nicht blos für die Zwecke der Konventualen, herzestellt worden ist, sondern vom ersten. Augenblick ihrer Entstehung an auch für den öffentlichen Gottesdienst, ja, es ist mir sogar möglich geworden, ein Verzeich niß über die Gottes dienste in der Stadt Münster, welches allsonn täglich, glauke ich, oder wenigstens von Zeit zu Zeit erscheint, aufzu treiben, in welchem des regelmäßigen Gottesdienstes in dieser Fran ziskanerkirche erwähnt wird. Unser Zustand ist zu einer Zeit, wo man meinte, daß der 8. II6, den ich vorhin erwähnte, Gültigkeit nicht mehr habe, Seitens der Staatsbehörde gesehen und 20 Jahre lang geduldet worden. Unter solchen Umständen hat der Hr. Minifter des Innern und ich allerdings nicht der Meinung sein können, daß es sich hier um eine neue Kirche handle und hat mit mir zugleich nur folgern können, die Kirche darf nicht mihr zu Ordenszwecken be⸗ nutzt werden; aber insofern diese Kirche für die Leute aus dem . beftimmt gewesen ist, hat sie auch ihre Bedeutung als

irche nicht verloren und es fehlt also ein Grund. diese Kirche zu schließen, es sei denn, daß das Gesetz vom 31. Mai v. J., betref fend die Auflösung von Orden und Kongregationen in dieser Bezie hung eine Handhabe gegen diese Auffassung bildet. Diese Handhabe würde aber nur vorhanden sein, wenn entweder die Kirche weiter zu Oꝛrdenszwecken benutzt würde, oder aber, wenn sich an die Kirche wei— tere Thatsachen anlehnen, welche sich darstellen als ein Wiederauf⸗ leben der betreffenden Niederlassung. In dieser Beziehung, oder rich⸗ tiger, aus solchen Gründen, würde allerdings die Staatsregierung genöthigt werden, mit Energie entgegentreten zu müssen, denn sie kann die Ausführung des Gesetzes vom 31. Mai v. J. nicht illuserisch machen lassen, sie muß auch den erften Anfängen einer Retahlirung dieser Niederlassungen ent⸗ egentreten, sonst möchte es ihr so gehen, wie etwa in Neustadt in Westpreußen mit den dortigen Franziskanern die waren es wehl. Im Jahre 1834 ist nach langen Verhandlungen durch Alierhöchste Ordre das dortige Kloster aufgehoben, und im Jahre 1873 habe ich erst die letzten und zwar waren es noch viel mehr Mönche gewor⸗ den daraus entfernen können.

Meine Herren! Dieser Zustand liegt aber hier nicht vor, und darum fehlt es an einem Grunde, die Kirche weiter geschlossen zu halten. Die Verfügung der Regierung in Münster ist aufgehoben.

Und nun bedauere ich allerdings, dem Herrn Interpellanten sagen zu müssen, daß für diesen Augenblick die gleiche Entscheidung in Be— treff der anderen Kirchen uoch nicht hat getroffen werden können. Es versteht sich von selbst, daß ganz dieselben Grundsätze, die ich hier in Kürze bezeichnet habe, auch dieser Kirche gegenüber zur An wendung kommen werden. Es liegt hier aber noch nicht klar, ob nicht in der That der Zustand vorhanden ist, den ich eben bezeichnet habe, nämlich daß es sich um Wiederetablirung der aufgelösten diesmal nicht Franziskaner⸗, sondern Kapuziner ⸗Niederlassung handelt. In dieser Beziehung bestehen thatsächliche Zweifel. Der Herr Inter- pellant hat eine Reihe von Anführungen gemacht, die klar legen sollen, daß davon nicht die Rede sein kann. Es ist möglich, daß, wenn das alles so ist, wie der Herr Interpellant früher aus—˖ 65 ,. . . . (.

o n und deshalb die Freigebung der Kapuzinerkir

zum Gottesdienste erfolgen wird. ö ö

Indessen bei der von hier aus eingetretenen Berichterforderung, sei es, weil die Regierung zu viel auf ihrem prinzipiellen Stand punkt stehen geblieben ist und meinte, damit die Beschwerde zu er—⸗ ledigen und der Ober-Präͤsident das Gleiche that, sei es, weil die Be— deutung einzelner thatsächlicher Umstände nicht zu derjenigen Würdi⸗ gung gekommen ist, die sie finden mußte, war das Mate- rial nicht, erschöpft. Es ftellten sich auch anscheinend Diffe— renzen zwischen den Angaben des Hrn. Abg. von Heereman und den Resultaten mir vorgelegter, den Anführungen mir vorge⸗ legter Verhandlungen, heraus, und in dieser Richtung sind deshalb der Herr Minister des Innern und ich genöthigt noch that ˖ jächliche Feftstellungen herbeizuführen. Es ist auch deri Herrn Be—⸗ schwerdefüͤhrer in dieser Richtung Kenntniß gegeben und er auf einen Punkt, wo er selbst zur Klarstellung beitragen kann, hingewiesen worden. Es wird mit an dem Herrn Beschwerdeführer Grafen Galen liegen, dadurch, daß er seinen Rentmeister zu offener und runder Auskunft über die Angelegenheit veranlaßt, die Sache zur schleunigften Erledigung zu führen.

Berlin, Freitag, den 12. Mai

sich das auch an eine Bemerkung des Hrn. Abg. Freiherrn v. Heere⸗ man bei seinen früheren Darlegungen an. Es handelt sich um einen ich weiß nicht, ob mit Zwang aus der Niederlassung ent- fernten oder um der Befürchtung des Zwanges willen aus der Nied erlassung berausgegnigenen Kapuzinerbruder nicht geistlichen Standes, 8 handelt sich um denselben, von dem der Hr. Abg. Freiherr v. Heere— man damals gesprochen hat, und von dem er behauptete, er sei aus dem Orden herausgetreten und jetzt einfacher Dienstkuecht des Grafen Galen. Die Frage des Austritts ist bis jetzt in keiner Weise fest⸗ gestellt worden, und als man sich bei dem Rentmeister des Grafen Galen über die Einzelheiten des Dienstverhältnisses erkundigte, ver⸗ weigerte der Herr jede Auskunft und erschwerte dadurch die Klar— stellung des Verhältnisses. Meine Herren! Daß man unter solchen Umstäaden es liegen noch andere Momente vor, die in Betracht kommen klar sehen will, liegt auf der Hand. Sobald die Klar stellung eingetreten ist, wird nach den von mir angegebenen Grund— säetzen die Entscheidung erfolgen. ;

Bei der Besprechung über diese Interpellation entgegnete der Staats⸗Minister Dr. Falk dem Abg. Frhr. v. Heereman:

Ich bedaure leider noch einmal das Wort ergreifen zu müssen. Meine Herren! Sie kommen in diesem Falle ganz überflüssiger Weise mit Beschwerden, wenn die Beschwerde untersucht ist und Sie Recht bekommen auf die Beschwerden, so liegt heute eine überflüssige Erörterung vor.

Da werden Sie mir wohl, auch die Herren hier vorn (nach dem Centrum weisend) das Recht zuerkennen müssen über die Dinge zu sprechen, namentlich wenn meine Worte so vollständig falsch verstanden worden sind, wie sie hier vorgetragen wurden. Ich habe nicht als meine Meinung ausgesprochen, daß jene Kirche als bloßes Annexum des Ordens oder der Kongregationen anzusehen sei und deswegen nicht mehr als Kirche gelten könne, sondern ich habe es bezeichnet als eine, wenn auch unrichtige, aber doch nicht so ohne Weiteres von der Hand zu weisende Meinung der Regierung, und ich habe meine Meinung als die abweichende entgegengesetzt. Denn nicht eine Genehmigung habe ich auf Grund des 8. 176, den ich zitirte, ertheilt, sondern ich habe gesagt, der paßt nicht, es ist schon früher genehmigt worden, deswegen muß es dabei bleiben, es lag kein Grund vor, eine solche Genehmigung von Neuem zu verlangen. Dann kommt der Herr Abgeordnete auf den Gedanken, daß jener 5. 176 durch die Verfassungsurkunde, insbesondere durch den Art. 12 aufge— hoben worden sei. Ich möchte den Herrn Abgeordneten, wie ich das nachher auch noch in thatsächlicher Beziehung thun werde, an seine eigene frühere Ausführung erinnern, wo er, freilich nicht unter aus— drücklichem Anerkenntniß, daß dieser Paragraph nicht gelte, dennoch aber auseinander gesetzt hat, diesem Paragraphen gegenüber liege das thatsächliche Verhältniß, welches er fordere, nicht vor. Nun, meine Herren, wenn die Herren, welche dem Hrn. Abg. v. Heeremann Bei⸗ fall zuriefen, als er behauptete, der 5. I76 sei durch die Verfassungs⸗ urkunde, Art. 12, aufgehoben worden, Recht hätten, dann würden dieselben Herren Ihnen, meine Herren, von der Majorität und der gesammten gesetzgebenden Gewalt in Preußen ebenfalls den Vorwurf machen, daß sie in ganz gleichem Falle den Art. 12 der Verfassungsurkunde nicht beachtet hatten. In dem 5. 176, 2. Th. 11. Tit. des A. L. R. steht nämlich ganz allgemein, daß neue Kirchen nicht er- richtet werden sollen ohne Staatsgenehmigung und Sie haben für die weitaus meisten Fälle keschlossen, in dem Gesetz vom 20. Juni 1875, daß, wenn eine Gemeinde eine neue Kirche errichten will, dazu die Stagtsgenehmigung nöthig sein soll, und in Uebereinstimmung mit der Staatsregierung beantragt, . Ihre Kommission für den Fall der heute als dritter Gegenstand auf der Tagesordnung steht. Ich denke, eine weitere Ausführung in

dieser Beziehung habe ich nicht wöthig.

Nun aber, meine Herren, möchte ich doch bitten, meine Worte dahin richtig verstanden zu haben, daß ich nur einen Punkt, der der thatsächlichen Erörterung bedürfe, vorher berührte, und zwar des wegen berührte, weil ich des Bescheidzß an den Herrn Beschwerde—⸗ führer, den Grafen Galen, gedachte, in welchem Bescheide allein dieser Punkt Erwähnung gefunden hat, und im Verhältniß der Staatsregierung zu dem Beschwerdeführer allein Erwähnung finden konnte. Es ist bisher bestritten, daß der Klosterbruder Rusinus aus dem Orden ausgetreten ist. Es ist nicht richtig, daß das in den Eingaben des Grafen Galen steht; es steht nur darin, er wäre aus dem Konvente ausgeschieden und ein Mehreres sagt er auch selbst nicht. Und, meine Herren, glauben denn die Herren wirklich, daß es der Staatgregierung möglich ist, auf die bloße Erklärung: ich bin aus dem Orden ausgeschieden, das zu glauben? Sind Sie wirklich in der Lage, zu meinen, daß das bloße Ausziehen des nach außen charakterisirenden Ordenskleides die Ordensqualität aufhebe? Sie sagen ja, aber, meine Herren, Ihre geiftlichen Behörden schlagen Sie in dieler Beziehung und strafen Sie, wenn ich ohne Anzüglichkeit einen vulgären Ausdruck gebrauchen darf, strafen Sie Lügen. Ich habe recht interessante Urkunden in Händen, die betreffen auch Franziekaner, die behaupten, aus dem Orden ausgetreten zu sein, und als ich die Urkunden ver langte, ich habe sie vielleicht gerade in der Mappe hier so fand ich darin, es wird ihnen erlaubt, so lange die Zustände so sind, den Rock, das geistliche Gewand, auszuziehen und auch sich zu dis pensiren von dem gemeinsamen Leben, aber sie werden ermahnt, zum Zeichen ihrer Zugehsrigkeit oder ihrer Beziehung zum Orden das Franzis kanerkreuz noch immer zu tragen. Wenn also solche Dinge konstatirt sind, dann müßten Sie doch wirklich der Staatsregierung eine sträfliche K zutrauen, wenn ste da sich mit einfachen Erklärungen eruhigte.

Nun, meine Herren, der Abg. v. Heeremann hat wieder unter dem Beifall seiner Fraktionsgznossen ungefähr ausgedrückt: Gott, was ist das für ein unwissender Kultusminifter, der weiß nicht mal, daß die Kapuziner mit der Seelsorge zu thun haben, daß die Seel—⸗ sorge bei ihnen die Hauptsache ist. Hr. v. Heeremann hat leider ein recht kurzes Gedächtniß seinen Ausführungen gegenüber gehabt. Es liegt nämlich, und auch da bestehen Unklarheiten, nach den eige⸗ nen Mittheilungen des Hrn. Abg. v. Heeremann in der Sitzung vom 1. März vor, daß ein früherer Konventuale, ein Geistlicher. Monate lang täglich die Messe in der Kapuzinerkirche nach der Aufhebung gelesen hat, daß ihm der Pater als Diener bei der Messe eine Dienste geleistet hat und daß der betreffende Herr Tags über wie es heißt, um Sprechstunde zu halten sich in der alten Niederlassung aufgehalten hat. Meine Herten! Daß das bezenkliche Thatsachen sind, bei denen man wenigstens klar sehen will, ehe man entscheidet, scheint mir zweifelha 't. Würde mgn hier ohne Keiteres nach rechte oder links hin die Entscheidung treffen, sa Hhüte man wiederum sesne Pflicht; man müßte in dieser Bezier ung nachfragen, wie liegen die Dinge. Hr. v. Heeremann hat, Fh auch berufen auf gerichtliche Akten, auf ein gerichtliches Ertenntniß. Ich habe bis jetzt die be— treffenden Akten noch nicht erlcungen konnen, Sie sehen also, daß die Staatsregierung bei der Pröünfung dieser Dinge blos sorgsam und ge— wissenhaft verfährt. Das ist ihre Pflicht.

Nach dem Abg. Windthorst nahm der Staats⸗Minister Dr. Falk noch einmal das Wort:

Verzeihen Sie mir, meine Herren, ich habe bei der Rede dez Hrn. Abz. Windthorst ben Eindruc gehabt, daß, wa ja auch sonst vorkornmt, wenn man sich seiner Sache nicht recht jicher fühlt, man gewaltig große Worte macht. Oh! Oh! irn, Centrum. Schr wahr! Ja wohl! linkt. Ach, Hr. Dr. Krebg, Sie

Wenn ich dies Moment hier ausdrüclich hervorhebe, so knüpft

brauchen es nicht zu wiederholen? Hr. Dr. Windthorst

ich bin

ö 1828.

hat ja eben schon Aehnlichts, wenn ich nicht irre, gesagt. (Abg. Windthorst (Meppenj: Er Hat nichts gesagt )! Im Uebri⸗ gen möchte ich bemerken, daß der verehrte Herr die Gelegenheit habe, nachher zu sprechen, ned rüch nicht zu unterbrechen; ; zwar daran leider gewöhnt, aber unter Umständen wird es unangenehm Meine Herten, stürke Worte sind unnütz gebraucht worden: Der Kapuzizer wird gehetzt wie ein Wild!“ sagte Hr. Windthorst. Was ist denn aber geschehen? Es ist ihm gesagt werden: unter den gegebenen Verhältaissen bestehe die Besorgniß, daß ihr Bleiben wieder anfängt, die Niederlassung herzustellen, die nicht sein soll, und ihr llt daher aus dem Gebäude der Niederlassung hinausgehen. Das hetzt nun, „hetzen wie ein Wiler!“ In allen Orten im Lande, und auch in der Stadt Münster nur außerhalb der alten Niederlassung kann er sein Qnartier nehmen; er wohnt auch in Münfter, geht alle Tage dort ins Kloster und läßt sich dort sein Mittag geben. Das nennt man hetzen!“

Dann ist der Hr. Abg.. Windthorft der Meinung, wenn die Klosterbrüder fagen wollten, wir ziehen unseren Rock aus, wir haben aufgehört, Ordensmitglieder zu sein, daß six allesammt ruhig sitzen bleiben können. Ja, meine Herren, da ware es doch, denke ich, ziem⸗ lich unnöthig gewesen wenigftens nach manchen Richtungen hin das Gesetz vom 31. Mai v. J. zu machen. Solche wundersame Auslegungen sind eben wiederum zu den Seltscankeiten zehörig, die ich vorhin gekennzeichnet habe.

Der Hr. Abg. Windthorst hat dann gesagt, er wisse ganz genau von Ministerialverhandlungen über den von ihm hervorgehobenen Punkt. Ich bin sehr erstaunt, daß der Herr Abgeordnete ich habe kein Recht, die Richtigkeit der ihm gemachten Mittheilungen zu be— streiten —, kaß der Herr Kenntniß von geheimen Akten hat, von denen ich gar keine Kenntniß besitze, abermals ein Moment, welches wohl kennzeichnen wird, wie richtig meine Aeußerung über die Grundlage der Ausführungen des verehrten Herrn gewesen ist.

Im weiteren Verlaufe der gestrigen Sitzung wurde die Spezialberathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Vermögensverwaltung der katholischen Diözesen, fortgesetzt. Eine längere Debatte fand nur zu den §§. 4 und 5 bezüglich der Zulassung einer Entscheidung im Verwaltungs⸗ streitverfahren zwischen Staatsaufsichtsbehörde und Diözesan⸗ verwaltung statt. Der Abg. Miquel beantragte:

hinter 5. 5 als besonderen §. 5 a. einzuschalten: „Bestreiten die verwaltenden Ocgane die Gesetzwidrigkeit der beanstandeten Posten oder das Vorhandensein der Verpflichtung zu den 5§. 5. sub 1 erwähnten Leickungen, so entscheidet auf Klage der verwal⸗ tenden Organe im Verwaltungsstreitverfahren das Dber⸗Verwal⸗ tungsgericht.“

Von den Abgg. Dr. Wehrenpfennig und Dr. Gneist wurde hiergegen eingewendet, daß es sich nicht empfehle, den Grundsatz, ob derartige Streitsachen den Verwaltungsgerichten zur Ent⸗ scheidung zu überweisen seien, hier gelegentlich und isolirt zur Entscheidung zu bringen. Ueberdies sei der evangelischen Kirche ein solches Recht nicht gegeben, die Parität verbiete daher, die katholische Kirche besser zu stellen. Auch der Staats⸗Minister Dr. Falk erklärte sich gegen das Miquelsche Amendement, wie⸗ wohl derselbe anerkannte, daß es sich wesentlich von den bereits in der Kommission verworfenen und jetzt wiederholten Brüel⸗ schen Anträgen unterscheide, und daß grundsaätzlich die Aufsichts⸗ rechte des Staats einer gerichtlichen Kontrole unterliegen sollen. Nachdem noch der Abg. Dr. Lasker das Amendement Miquel befürwortet und der Abg. Brüel seine Anträge zu Gunsten des⸗ selben zurückgezogen hatte, wurde dasselbe angenommen. Nach kurzen Bemerkungen der Abgg. Statz und Dauzenberg sowie des Referenten Dr. Wehrenpfennig zu den 5§. 8 und 14 wur⸗ den sämmtliche übrigen Paragraphen des Gesetzes unverändert nach den Kommissionsbeschlüssen genehmigt. Schluß 37 Uhr.

Brasilien. Bahia, 14. März. Mittheilung vom 8. Januar daß auch die letzten, damals in Theodoro befindlichen deutsche Ansäedler die Kolonie verlassen haben, und 67 an der Zahl hier angekommen sind. Es befinden sich nunmehr angeblich noch einige deutsche Kolonisten⸗Familien auf der 10 Meilen von Commandatuba, mitten im Urwalde belegenen, von der Kolonie Muniz aus bevölkerten Niederlassung Rio Branco. Näheres hierüber weiß man nicht, da aus jener Gegend fast

nie eine Nachricht hierher gelangt.

In Muniz und Theodoro sind jedenfalls keine deutschen Ansiedler mehr, und es hat somit jenes verhängnißvolle Unter⸗ nehmen der Firma Lobedanz C Co. in Antwerpen seine ver—⸗ diente Endschaft erreicht, freilich nur äußerlich, denn die 738 deutschen Gräber von nach Muniz und Theodoro mißleiteten Aus wanderern und das Elend der decimirt, siech und mittellos nach Europa heimgeschafften Familien dies sind Zeugnisse, welche Generationen hindurch an die Opfer der Prospekte jener Firma erinnern, und hoffentlich Anderen als Warnung dienen werden-

Von den 67 erwähnten letzten Ankömmlingen aus Theodoro haben 50 sich zur Ansiedelung in der Kolonie Blumenau be⸗ stimmen lassen und sind dorthin eingeschifft worden. Die übrigen 17 verlangen ihre Heimschaffung nach Europa und fristen, da sie mittellos und, zum Theil wenigstens, auch arbeitsunfähig sind, hier ihr Dasein durch Betteln. ;

Ob jene nach Blumenau Beförderten dort das von inter⸗ essirter Seite oft „gelobte Land“ finden werden, ist mindesteng sehr zweifelhaft.“) .

Rio de Janeiro, 1. April. Bekanntlich hatte ab, die italienische Regierung seiner Zeit eine Warnung gegen die Aus⸗ wanderung nach Brafilien erlassen. Die hiesige eff ver⸗ kündet nun neuerdings mit großer Senugthuun · daß jene Regierung eines Besseren belehrt, dem Sabino Y ripotti die An⸗ werbung mehrerer täusend Italiener für sein K (lonicunternehmen in Parè gestattet habe. .

Diese Wandelung sei herbeigeführt, durch die Bemühungen des Gesandten Baron Savary, die erleuchtete Mitwirkung der italienischen Presse und die vorun mheilgfrelen Anschauungen des Herrn Visconti Venosta, ;

In dem ministeriellen Rigtte „‚Nazao⸗ Beziehung: .

Der integre und in' elligente Kavalier, der Italien hier ver⸗ trete, werde in seiner. Berichterstattung unzweifelhaft die Liebe zur Wahrheit allen., anderen Erwägungen haben vorangehen lassen. Es komme. nur darauf an, daß Brasilien gekannt werde, wie es wirklich ist.

Im er. *)

noch

Amerika. Anschluß an meine kann ich heute melden,

heißt es in dieser

*

. 2 Reichs · Anz. v. 25. Februar d. J. 3

1 J *) S. d. Notiz aus Rio de Janeiro,