1876 / 114 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 15 May 1876 18:00:01 GMT) scan diff

den administrativen Wahlen, maßgebend sei. Allen, die die Volksschulen besucht haben, soll ohne Rücksicht auf das Ein⸗ kommen das politische Wahlrecht zugestanden werden.

Türkei. Konstantinopel, 14. Mai. (W. T. B.) Die Regierung sieht sich veranlaßt, hier und durch ihre auswär⸗ tigen Agenten erklären zu lassen, daß keinerlei Kundgebungen vor⸗ gekommen sind, durch welche die Ruhe gestört oder die Sicher⸗ heit der Fremden gefährdet gewesen wäre. Es sei nur That⸗ sache, daß von Seiten der Theologen der Sultan um Ersetzung des Scheich ul Islam ersucht worden wäre und daß diesem Ver⸗ langen stattgegeben worden sei.

Bisher haben keine weiteren Ernennungen stattgefunden. Raschid Pascha hat noch das Ministerium der Auswärtigen An⸗ gelegenheiten; der neue Gouverneur von Brussa (an Stelle des zum Kriegs⸗Minister ernannten Hussein Avni Pascha) ist noch nicht ernannt. Die kürzlich erlassene Verfügung, wonach alle Journale der vorgängigen Censur unterliegen sollen, ist wieder aufgehoben worden.

(W. T. B.) Nachrichten, welche der Regierung aus Salonichi zugegangen sind, bestätigen, daß dort 36 bei den letzten Ereignissen kompromittirte Personeu, ohne daß die Ruhe dabei gestört worden wäre, verhaftet worden sind. Weitere Verhaftungen seien in Aussicht genommen.

In Bulgarien sind der „Pol. Corr. zufolge eben⸗ falls Unruhen ausgebrochen. In den kleinen Städten Slatitza und Tatar Bazardsik sollen die Kaimakams verjagt und der Aufruhr in aller Form organisirt worden sein.

14. Mai. (W. T B.) Der „Levant Herald“ ist wegen ungehöriger Aeußerungen über den russischen Botschafter suspendirt worden.

Rumänien. Bu karest, 13. Mai. (W. T. B.) Der Senat hat dem noch von dem Ministerium Catargiu vor— gelegten Anleihegesetz, durch welches die Regierung zur Aus⸗ gabe von 16 Mill. Schatzbonds ermächtigt wird, seine Zu⸗ stimmung ertheilt. Die Führer der jetzigen Opposition in der Deputirtenkammer haben erklärt, sie feien bereit, die weiteren Finanzvorlagen zu votiren, ohne jedoch damit dem Ministerium ihr Vertrauen aussprechen zu wollen.

14. Mai. (W. T. B.) Der Senat hat dem Fürsten durch eine Kommission eine Adresse überreichen lassen, worin die vollste Ergebenheit gegen den Fürsten ausgesprochen und die Unterstützung der Regierung in allen Stücken, insbesondere in der Finanzfrage zugesichert wird.

Amerika. Rew⸗-⸗JYork, 13. Mai. gemeldet, daß die Meldung, General Dominigue sei an

seinen Wunden gestorben, sich nicht bestätige. Nach Berichten aus Porto⸗Rico haben die spanischen Behärden den

Aus Hayti wird

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Kapitän des britischen Schiffes „Octavia“, an Bord dessen mehrere Insurgentenführer ihre Flucht aus San Domingo be— werkstelligt hatten und deren Auslieferung von der Regierung dieser Republik verlangt worden war, auf freien Fuß gesetzt.

Venezuela. Caracas, 27. März. Der Geburtstag Sr. Majestät des Deutschen Kaisers ist in diesem Jahre hier ganz allgemein gefeiert worden. Machte schon die Hauptstraße durch die Menge ausgehängter deutscher Fahnen fast den Ein⸗ druck, als befände man sich in der Heimath, so bot die ganze Stadt einen festlichen Anblick, denn man sah auch manche an⸗ dere Flaggen, besonders spanische, venezolanische und italienische. Die Leib⸗Compagnie des Garde Regiments stellte sich als Ehren⸗ wache vor dem Hause des deutschen Geschäftsträgers auf, und während des Diners, welches dieser dem diplomatischen und Konsular⸗Corps gab, spielte die Regimentsmusik draußen auf dem Platze. Der Präsident der Republik gratulirte dem Kaiser⸗ lichen Vertreter in besonders verbindlicher Weise, und auch von Seiten der venezolanischen Presse geschah des deutschen Festtages gebührende Erwähnung.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

In Augsburg starb am 12. Mai im 73. Lebensjahre Dr. A. J. Altenhoef er, ehemals Chef⸗Redakteur der „Allg. Zeitung“.

Gewerbe und Handel.

Dr. 5 Fabrikbesitzer zu Nürnberg, wurde in den erblichen Freiherrnstand erhoben.

Kaiserslautern, 8. Mai. Die feierliche Grundsteinlegung des monumentalen Baues unsers pfälzischen Gewerbemusenms findet am Sonntag den 21. Mai statt.

Die Lebenzsversicherungs-Gesellschaft zu Leipzig bringt zu öffentlicher Kenntniß, daß nach ihren allgemeinen Versicherungs— bedingungen eine Reise zur Weltausstellung nach Philadelphia die Gültigkeit ihrer Versicherungen nicht berührt, so daß es weder varhergehender Anzeige noch der Zahlung einer Extraprämie bedürfe. (S. Ins.)

Wien, 13. Mai. (W. T. B) Der Rechnungsabschluß der Albrechts bahn weist, der Presse“ zufolge, pro 1875 ein De—⸗ fizit von 72,000 Fl. auf und hat die Verwaltung bei der Regierung um Aufnahme dieses Defizits in die Staatsgarantie petitionirt. Der am 1. Juni e, fällige Coupon soll mit 2 Fl. in Silber eingelöft werden. Die Generalversammlung wird in den letzten Tagen des Juni stattfinden.

Der aus den österreichischen Staaten diesseits der Leitha ausge. wiesene Banguier Aub von Frankfurt a. M. hat zur Ordnung se ner Geschäfte einen Aufschub von 14 Tagen bis zum Ende diefes Monats erhalten.

= Die „Times“ ist ermächtigt mitzutheilen, daß die Herren Frühling und Goeschen, als die Londoner Agenten der ägyptifchen

Anleihen von 1862 und 1864 in Kairo auf telegraphischem Wege gegen das jüngst veröffentlichte Dekret des Khedive, soweit dasselbe diese Anleiben betrifft, protestirt haben. Uebrigens beurtheilen „Economist“, „Saturdey Spectator' und „Examiner“ den ägyp⸗ tischen Finanzplan höchst ungünstig.

Verkehrs ⸗Anstalten.

Die Eisenbahn zwischen Ducherow und Swine⸗ münde ist heute für den allgemeinen Verkehr eröffnet worden.

New ⸗JYork, 13. Mai. (W. T. B.) Der Dampfer „Hol⸗ land? der National Dampfschiffs Compagnie (C. Messingsche Linie) ist hier eingetroffen Das Post dampf schiff des Norddeutschen Lloyd „Rhein“, Kapt. H. C. Franke, welches am 2 April von Bremen und am 2. Mai von Southampton abgegangen war, ist heute 11 Uhr Vormittags wohl- behalten hier angekommen.

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Aus dem Wolffschen Telegraphen-Bureau.

Berlin, 15. Mai. Das Panzergeschwader, bestehend aus den Panzerfregatten „Kaiser“ (Kapitän zur See Frhr. v. d. Goltz ), „Deutschlandꝰ (Kapitän zur See Maclean), „Kronprinz“ (Kapitän zur See Livonius) und „Friedrich Karl“ (Kapitän zur See Preziwisinsti) und dem Avifo „Pom⸗ merania“ (FKapitän⸗Lieutenant Georgi), welches in der Formation begriffen ist, wird, nachdem Contre⸗Admiral Batsch den Oberbefehl übernommen hat, im Laufe der nächsten Woche nach Salonichi abgehen. Das Kanonenboot „Ko⸗ met“ (Kapitän⸗Lieutenant v. Pawelsz), welches gestern in Dienst gestellt worden ist, geht in dieser Woche ebenfalls dahin ab. Die Korvette „Medusa“ wird in diesen Tagen dort erwartet. Das Kanonenboot „Nautilus“ (Korvettenkapitän Valois), welches auf dem Wege von Malta nach Port⸗Said ist, wird von dort nach Konstantinopel dirigirt werden.

Ems, Montag, 15. Mai. Der König und die Königin von Belgien trafen mittelst Extrazuges heute Vormittag 93 / Uhr zum Besuch des Kaisers von Rußland hier ein.

Konstantinopel, Montag, 15. Mai. Der Regierung ist von den Spezialkommissarien aus Salonichi heute folgende weitere Meldung zugegangen: Seit der letzten telegraphischen Mittheilung sind achtzehn weitere Verhaftungen vorgenommen worden und werde noch andere folgen. Die Aburtheilung der der Theilnahme an der Ermordung der Konsuln Verdächtigen hat begonnen. Die Strafen werden ohne Verzug und mit voller Strenge vollstreckt werden.

Kopenhagen, Montag, 15. Mai. Die Eröffnung des Reichstages findet heute ohne besondere Formalität statt. Der König und die Königin von Griechenland sind heute, Vor⸗ mittags 95 Uhr, eingetroffen.

Berlin, den 15. Mai 1876.

Am Sonnabend Vormittag um 11 Uhr hat die feierliche Eröffnung der Ausstellung wissenschaftlicher Appa⸗ rate in London durch Ihre Majestät die Königin von Großbritannien in Begleitung Ihrer Majestät der Laiserin-Königin mit glänzendem Gefolge stattgefunden. Ihre Majestät die Kaiserin⸗önigin drückte dem deutschen Kom— missar Allerhöchstihre Befriedigung über die deutsche Betheili⸗ gung aus.

Deutscher Bazar. Das Kuratorium der unter dem Protektorate Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Frau Kronprinzessin des Dentschen Reiches

und von Preußen begründeten allgemeinen deutschen Pen— sionsanstalt für Lehrerinnen und Erzieherinnen hat in seiner statutmäßigen Jahressitzung am 7. d. M. beschlossen, zu m Besten des Hülfsfonds der Anstalt im Monat Rovem— ber d. IJ, einen deut schen Bazar, verbunden mit einer Ver— loosung, gleichzeitig in Berlin und in einer Anzahl anderer auf Vor⸗ schlag der Bezirke verwaltungs aus schüsse zu bestimmenden Städte Deutschlands zu veraustalten, und mit den Vor— bereitungen Tieses Unternehmeßs eine Keommission beauftrazt, welche ihre Thätigkeit unter Vorsitz des Direktors des Central— verwaltungsausschusses Ministerialdirektors Greiff, Unter den Linden 4 begonnen hat. Das Kuratorium bringt dies unter Vor⸗ behalt näherer Mittheilungen zur öffentlichen Kenntniß, um in den weitesten Kreijen Interesse sür den günstigen Erfolg des Bazar zu erwecken, und hittet die geehrten Zeitungsredaktionen um gefällige un⸗ entgeltliche Aufnabme dieser Bekanntmachung. Berlin, 15. Mai 1876. R. Falk,

8 Gneist, Vorꝛsitzender

stelltertretender Vorsitzender des Kuratoriums.

Am Sonntag Vormittag fand hierselbst die Einführung des neuen Propses und Pfarrers an St. Petri, des bisher an der Universität zu Bonn habilitirten Peofessors Freiherrn Dr. v. d. Goltz, statt. Die Kirche, zu deren unterem Theile nur die be⸗ sonders Geladenen Zutritt hatten, war bis auf den letzten Platz ge⸗ füllt; Laub- und Blumergewinde schmückten die hohen Strebepfeiler, die Apsis war in einen duftigen Blüthenhain umgewandelt. In der Mitte der elben prangte der Taufstein als riesiges Blumenbouquet, zu beiden Seiten de sel ben zogen sich die Sitze für die Deputationen der Königlichen und städtiscken Behörden bin. Es wohnten der Feier außer einer it der Kultus-Minister Dr. Falk, der Unter⸗ ag Sd dow, der Minifterial⸗Direktor Förster, der Präsident des SErangeltjchen Ober - Kirchenraths Pr. Herr.

der Konsisterial⸗Präsident Dr. Hegel. Die siädtischen waren vertreten durch den Ober- Bürgermesster mehrere te und eine Devutation der Stadtver⸗

Staats sekretãr Dr.

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die

daß Frhr. v. d. Goltz zum Nachfolger sen Neander berufen werde, der ihm vor Jahren in dieser Üben Kirche die Würde des Priesteramtes ertheilte, und daß er unter Mitwirkung des Feldprobfts Dr. Thielen. der ihn ein t taufe und konfirmicte, heute in fein neueß Amt eingeführt werde. Darauf folgte die Ausbändigung der königlichen Bestallungs⸗ urkunde, der städtischen Vokatior, die übliche Verpflichtung des Ein⸗ geführten und die Ertheilung des Segen.

Den Ha m burger Nachr. entnehmen wir Folgendes: Eine sin⸗ nige Ferer vereinigte aw gestrigen Abend einen größeren Kreis auswär— tiger und einheimischer Thennehmer. Es war der glũckliche Gedanke des Vorstandes der geographischen Gefellschaft gewefen, die Hein kehr des deutschen Kriegsschiffes Gazelle“ von eine? fast zweijãhrigen Keise festlich zu begehen. Die Gesellschaft hatte daran ein nahes

Interesse, weil Lie Fahrt der „Gazelle“ großentheils wiff. nschaftlichen

Zwecken bestimmt gewesen war: sowehl Feufsche Aftronomen zur Be⸗

eb achtung des Vennsdurchgangs im Dezember 1871 zu ihrer Stasson Kerguelen überzuführen, wie auch eine Reihe!

auf den fernen

wenig bekannter. Länder und Meere in geographischer und natumwissenschaftlicher Beziehung zu durchforscken. Der Comman- deur der Gazelle“, Frhr. v. Schleinitz, das Offizier ⸗Corps derselben und die Gelehrten, welche die Expeditlon begleiteten, hatten der Ein⸗ ladung zu einem hier zu veraastaltenden Gastmahle freundlich ent— sprochen. Eine große Zabl von Mitgliedern der geographischen Ge⸗ sellschaft und von eingeladenen Gästen, unter welchen sich der preußische Gesandte y. Wentzel und die Herren Oberst v. Böhm und Oberfst. Liruten ant v. Resterff befanden, waren um 6 Uhr versammelt, um die aus Kiel eingetroffenen Ehrengäste zu begrüßen, und zu der sestlich geschmückten Tafel zu jühren. Der Senator Dr. Kirchenpauer, Präst dent der geog ra · phischen Gesellschaft, eröffnete die Reihe der Trinksprüche mit dem mit Begeisterung aufgenommenen Hoch auf den Deutschen Ka ifer, dem wir zu seinen anderen glorreichen Thaten die Stiftung der deutschen Marine verdanken. Der Vize⸗Präsident, Schulrath Harms, schilderte in gedrängter Uebersicht die Fahrten und Unternehmunzen der Gazelle“, welche sie in die von Cock zuerst besuchten Meere geführt, und brachte mit freudi er Anerkennung ihrer Verdienste das Wohl ihres Führers und der Offiziere aus, welches Frhr. von Schleinitz mit einem Hoch auf Hamburg erwiderte, indem er besonders betonfe, wie die Gazelle? auch an den fernsten Küßsten, die sie besucht, die Zeugnisse von Hamhburgischem Unternehmungsgeist und Hamburgischer That- kraft gefunden habe. Der Bürgermeister Dr. Petersen trank mit einer Erinnerung an den Antheil, den Hamburg in allen Zeiten an dem Schutze deutscher Küsten genommen, auf die deutsche Marine und ihren gegenwartigen Chef, den Staats. Minister von Stosch, und Hr. Adolph Godeffroöy auf das Heer und seine Führer. Eine gehobene Stimmung herrschte bis zum Schlusse an der Tafel.

Aus Köln, 13. Mai, meldet die „Köln. Ztg.“: Eine schreckliche Katastrophe versetzte heute die Gemüther der hiesigen Einwohner in große Aufregung Gegen 111 Uhr Vormittags vernahmen die Be— wohner, des Gunibertsklosters und der umliegenden Straßen bis näch dem Eigelstein hin, sogar vor dem Eigelsteiner Thore auf dem Felde ,, Leute, einen fürchterlichen donnerähnlichen Schlag, der die Häuser der Krahnengasse, unter Kahlenhausen und am Tuntberts— kloster erbeben machte. Im selben Augenblicke flogen große und kleine Tisentheile, ganze und zerknitterte Balken, Bretter, Zinkfassungen, Dachpfannen und Steine, letztere in großer Menge, durch die Luft und fielen in die nahe der Cinibertskirche liegenden Gärten und Straßen, auf die Dächer und durch Wie Fenster in. die Wohnungen nieder. Die Bewohner der betroffenen Däuser liefen voll Angst und Schrecken zusammen oder stürz— ten hinaus ins Freie, in dem Glauben, ein mãchtiges Erdbeben habe die Stadt heimgesucht und die nächfte Minute werde ihnen den Untergang bringen. Nach einigen Sekunden, dis der Stein- und Balkenregen zu Ende war,

der Krahnengasse mit f geworfen worden, daß Fenster weggerissen halte e

Mannschaften zur Hülfeleistung ein. Nun wurden die zu der Fabrik und den eingefallenen Häusern führenden Straßen abgesperrt und dann mit Aufhietung aller Kraft die Trümmer weggeräumt, um zu den unter denselben Begrabenen zu gelangen und ihnen, wenn möglich, Rettung zu bringen. Gezen g1 Uhr hatte man, so viel wir erfahren konnten, 17 Personen unter den eingestürzten Gebäuden hervorgezogen. Von diesen waren leider fünf todt und sieben schwer verletzt. Die Berstümmelungen einzelner Leichen sollen gräßlich sein. Die Verwun⸗ deten übergab die Polizei dem Marienhospital, einzelne auch dem Bürgerhospital in Pflege. Ob durch die durch die Luft geschlenderten Kesseltheile, Balken, Steine ꝛc. auch erhebliche Ve letzungen vorge⸗ kommen, konnte man nicht erfahren. Ss scheint jedoch, daß größere Unglücksfälle außer den durch den Einsturz herbeigeführten nicht zu beklagen sind. Von den in der Fabrik beschäftigt gewesenen Arbeitern und Mädchen wurden gegen 1 Uhr noch mehrere vermißt. Ueber die Entstehung des Unglücks ließ sich bis jetzt noch nichts feststellen.

In der Londoner „Pall⸗Mall. Gazette vom 10 d. d

sich a re n brsc 2

s ist keineswegs unwahrscheinlich, daß im Laufe der nächsten Jahre die Chinesen in Masse dem , . ne Landes zuströmen werden, wie ste es bereits in Kalifornien geihan haben. Auch kann kein Zweifel darüber bestehen, daß sie als Bienst⸗ boten in vielen britischen Haushalten warme Aufnahme finden wer⸗ den, welche fast big zur Zerrüttung gebracht sind durch die Unluft Unredlichkeit und Trägheit von Köchen, Hausmädchen und sonstigen Dienstboten, die sich ebenfalls freuen werden über die ihnen gebotene Gelegenheit, diesen interessanten Fremden Verrichtungen zu überlassen, deren Ausführung ihnen selbst ebenso widerwärtig wie erniedrigend ist.

Theater.

Im Königlichen Opernhause trat am Sonnabend zum eisten Male Frl. Zu ech i, vom Theater della Scala in Mailand, als Gast in dem Ballet; ‚Das schlecht bewachte Mädchen auf. Das Publikum verhielt sich gegenüber dieser ihm neuen Erscheinung, die an sich nichts Blendendeg hat, zuerst kühl abwartend und ruhig; dann aber steitzerte sich der Beifall von Scene zu Scene, und wurde dem Gast ein mehrmaliger Hervorruf zu Theil. Dieser Beifall muß ein berechtigter genannt werden in doppelter Beziehung; Frl. Zucchi ist gewandt in der mimischen Darstellung und gab alle die kleinen Schwanke dieser Partie mit anmuthiger Koketterie; dann aber besitzt sie eine eminente Virtuosität in allem Technischen ihrer Kunst, große Kraft und Gewandtheit; namentlich ist fi- bedeutend durch Schnelligkeit und durch die Pirouetten und Pas auf der Fußspitze, nur fehlte es dabei und namentlich in der Haltung der Arme, oft an Grazie. Die nächste Partie, im Sardanapal, wird zeigen, ob Frl. Zucchi auch für diese Art serieusen Tanzes und großer Mimik sich eignet. Dem Ballet voran ging dag alte Lustspiel „Der Weg durch's Fenfter“, in den die beiden nenen Mitglieder des Schauspiels, Frl. Abich als junge Baronin und Frl. Hrabowska als Life PVomme auftraten und beide durch die Natürlichkeit ihres Spiels wie durch die Anmuth ihres Wesens, welche bei Frl. Abich mit viel Innigkeit, bei Frl. Hrabowska mit reizender Drolexie gepaart war sehr gefielen. ;

Um Hin. August Neumann Gelegenheit zu bieten, si Berliner Publikum anch in manchen . ö. e, ,. zeigen, wird morgen, Dienstaa, im Wallnertheater ie bekannte Pohlsche Gesangsposse Lucinde vom Theater“ zur Aufführung ge⸗ langen. Der Rentier Hünenkepf des Hrn. Neumann ist mit feiner draslischen Komit noch genugsam in Aller Erinnerung, und einen be— sonderen Reiz dürfte die Verstellung noch dadurch erhalten, daß Frl. Ernestine Wegner die von Frl., Stauber kreirte Rolle der Heraiine y 6 gi übrigen Hauptrollen sind mit den Damen

er, Earlstn, Berg, Bredew, und d 5 . d den Herren Engels, Meißner

Neben dem einmaligen Gastspiel des Hrn. Otto Schindler als Hans Styx wird im Wolters dorff⸗ Theater in * Auf⸗ führung des Orpheus in der Unterwelt“ auch das Debut der * Albrecht Lange, von ihrem früheren Engagement am Friedrich Wilhelmstädtischen Theater hier bekannt, als Eurydice, stattfinden.

Redaetenr: F. Prehm. Verlag der Crpedision Ref seh. Druckt W. Elsner⸗ Vier Beilagen seinschlietzlich Börsen Beilage), (4829) außerdem ein Fahrplan der Riheinischen Eisenbahn.

Berlint

ESrste Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Stagts⸗Anzeiger.

Nihtamm̃hes.

Prenßen. Berlin, 15. Mai. Im weiteren Ver— laufe der Sitzung des Hauses der Abgeordneten am 13. d. Mts., bei der Spezialberathung über den Gesetzent⸗ wurf über die Geschäftssprache der Beamten, Be⸗ hörden und politischen Körperschaften des Staats ö der Minister des Innern Graf zu Eulenburg das

ort:

Der Gesetzentwurf ist in der Kommission auf das grün lichste berathen, und haben die Berathungen in dem Kommissionsberichte eine außerordentlich klare Darstellung gefunden. Nicht blos in der Form, sondern auch in der Sache selbst sind Vorschläge gemacht, mit denen die Negierung im Großen und Ganzen sich ein⸗ verstanden erklären kann. Es werden also die Verthei⸗ diger des Kommissionsberichts zugleich als Vertheidiger der Regierungsansicht angesehen werden können.

Wenn ich jetzt das Wort ergreife, so ist es nur, damit die Re— gierung bei der Generaldebatte üer das Gesetz nicht stumm er— scheine, und wenn ich mit wenigen Worten den Standpunkt der Regierung bezeichnen will, so kann ich das am besten thun, indem ich zu den Aus— drücken des Berichts meine Zuflucht nehme. Sprachverschiedenheiten haben im preußischen Staat ja seit 50 Jahren und länger bestanden, aber sie sind in der letzten Zeit an Umfang größer geworden; daneben sind die Institutionen des preußischen Staates, um nicht zu sagen komplizirter, aber wenigftens lebendiger geworden. Es ist namentlich die Mündlichkeit und Schnelligkeit des Austausches der Gedanken im öffentlichen Verfahren ein ausgesprochenes Bedürfniß geworden, und die Gesetzgehung hat sich bemüht diesem Bedürfnisse nachzukommen. Daß bei dieser Lage der Dinge Sprachverschiedenheiten zu Reibungen und Schwierigkeiten führen, liegt auf der Hand und hat sich von Jahr zu Jahr mehr gezeigt. Es ist nicht blos ein natürlicher Ge— danke, sondern ein in der öffentlichen Meinung zum Ausdrucke kömmendes Bedürfniß, daß es sich empfehle, eine Staatssprache zu fixiren. Ich betone diesen Ausdruck, weil er richtig den Gegensatz zur Volkssprache ausdrückt, auf welche der Hr. Abgeordnete aus der

4 Posen so großen Werth gelegt hat, und die er mit so großer

mphase für gefährdet erklärt. Es handelt sich um die Sprache, welchem, wie der Bericht sagt, bei dem Zusammentreffen mehrerer Volkssprachen für die Wahrnehmung gemeinsamer Angelegenheiten die entscheidende Geltung zuerkannt werden soll. Eine solche Staatssprachez muß eingeführt werden, und daß es nur die deutsche sein kann, geht doch erstens daraus her vor, daß wir in der überwiegenden Majorität deutsch sind; dann aber noch aus einem anderen Gesichtspunkte, der, in dem Bericht nur bei⸗ läufig erwähnt, meiner Ansicht nach eine große Bedeutung hat. Es ist da an einer Stelle gesagt, wo von den polaischen Juristen die Rede ist, sie dächten wesentlich deutsch und wüßten sich deutsch aus zudrücken. Das ist ziemlich natürlich, denn die Uebersetzung scharfer Begriffsbezeichnungen ist stets schwierig und in unentwickelten Sprachen un⸗ möglich; wenn wir also verwickelte Institutionen mit scharfen Be— griffsbezeichnungen zum Gesetz erheben, dann muß die Sprache dem folgen und muß diesen Institutionen und ihren einzelnen Phasen einen Ausdruck geben, der sich bei Weitem leichter und mit mehr Präzision deutsch ausdrücken läßt als in irgend einer der Sprachen, die bei umz noch gesprochen werden. un lin e e liegt das Beispie? und zitiren könnte man es wohl: warum hält die Natmmwissenschaft we—⸗ sentlich an der lateinischen Terminologie und die römisch-katholische Kirche an der lGleinischen Sprache fest? Nach dieser Richtung hin ist es. für den gesammten Geschäftsverkehr eine wesentliche Wohlthat, wenn angeordnet wird, daß er in einer Sprache geführt werde, die den Beduͤrfnissen desselben den besten Ausdruck giebt. Wenn Sie das zugeben, meine Herren, dann, glaube ich, ist das Bedürfniß für Festsetzung einer Staagtssprache als erwiesen an— zusehen. Was bleibt dann übrig als Opposttionsgrund gegen den Besetzentwurf? Blos die Furcht der Bewohner der Provinz Posen, daß man damit zu gleicher Zeit ihre volkssprachliche Eigenthümlichkeit verletzen wolle. Die Absicht des Gesetzes ist dies nicht, kann es nicht sein und wird es auch, glaube ich, im Erfolge nicht sein.

Die Verträge von 1815, die zitirt werden, bespreche ich nicht nochmals. Ich betone nur, daß wie ja wiederholt hervorgehoben und auch wohl nicht bestritten worden ist, den damals kontrahirenden Staaten ausdrücklich überlassen wurde, den einzelnen Theilen des pol⸗ nischen Reiches so viel nationale Selbständigkeit oder so viel natio—⸗

nale Institute zu lassen, als die kontrahirenden Staaten in ihrem

eigenen Interesse für nöthig halten würden, und damit, glaube ich, ist diese ganze politische Frage entschieden. ;

Wenn das aber der Fall ist, dann weiß ich nicht, wie die Herren darauf kommen, aus der Einführung der deutschen Staatssprache eine Gefahr für sie erkennen zu wollen. Ich habe mit großer Freude aus dem Bericht ersehen, und heute zu meiner Ueberraschung wiederholen hören es war mir eigentlich neu —, daß Sie wirklich I wir

ekennen, Bürger eines deutschen Staats zu in. Das haben Sie bisher in dieser Präziston nicht gesagt. Niemais habe ich etwas An⸗ deres von Ihnen verlangt. Oft ist hier in der hohen Versammlung das Wort von mir zitirt worden, ich verlangte, daß Sie deutsch wüden. Das habe ich nie gesagt, oder ich habe mich sehr falsch ausgedrückt. Wer damals mit gutem Willen verftehen wollte, was ich sagen wollte, muß es verstanden haben. Ich habe nicht gesagt, die Polen müssen deutsch werden, sondern sie sollen das Haug r bekommen, Bürger eines deutschen Staates zu sein. Wenn Sie dieses Bewußtsein haben, wenn Sie das zugestehen und mir zugeben, daß der erste Theil meiner Auseinandersetzung richtig ist, daß es für den preußischen Staat Be— dürfniß sei, eine r zu haben, daß Sie uns nicht zumuthen können, eine andere Staatssprache als die deutsche zur Staatssprache zu machen, dann zeigen Sie, daß Sie gute Bürger des deutschen Stagtes sind, indem Sie deutsch lernen und Ihre Sache vor Gericht deutsch vertheidigen und an öffentlichen Angelegenheiten sich deutsch betheiligen. Das ist die ganze Forderung, die die Regierung stellt.

Nach einigen Bemerkungen des Abg. Hansen und des Referenten Abg. Beisert wurde §. 1 nach den Anträgen Hansen und Aegidi genehmigt, so daß derselbe jetzt lautet:

§. J. Die deutsche Sprache ist die ausschließliche Geschäfts⸗ sprache aller Behörden, Beamten und politischen Köperschaften des Staats. Ein schriftlicher Verkehr mit denselben ist nur in der deut- schen Sprache gestattet. 5. 14. „In pringlichen Fällen können schriftliche von Privatpersonen ausgehende Eingaben, welche in einer anderen Sprache abgefaßt sind, berücksichtizt werden. Im Falle der Nichtberücksichtigung sind sie mit dem Anheimstellen zurückzugeben, sie in deutscher Sprache wieder einzureichen.“

§. Q lautet in der Kommissionsvorlage:

Für die Dauer von höchstens zwanzig Jahren von dem Inkraft— treten . Gesetzes ab, kayn im . licher Verordnung für einzelne Kreise oder Kreistheile der Monarchie der Gebrauch einer fremden Sprache neben der deutschen für die mündlichen Verhand⸗ lungen und die protokollarischen Aufzeichnungen der Schulvorstände, sowie der Gemeinde und Kreisvertretungen, der Gemeindeversamm⸗ lungen und Vertretungen der sonstigen Kommunalverbände und für schriftliche Eingaben an die Behörden gestattet werden.

Während des gleichen Zeitraums kann durch Verfügung der an, regierung den der deutschen Sprache nicht mächtigen Beamten länd- licher Gemeinden gestattet werden, ihre amtlichen Berichte und Er klärungen in der ihnen geläufigen Sprache einzureichen.

redners, auch lehrend, daß daraus ein föoͤrderliches

Berlin, Montag, den 15. Mai

Hierzu beantragte: ;

1) Der Abg. Wachler (Schweidnitz ): im Absatz 1 die Worte: „und für schriftliche Eingaben an die Behörden“ zu streichen.

2) Der Abg. Hansen: a. in den Schlußzeilen des ersten Absatzes die Worte: „und für schriftliche Eingaben an die Behörden“ zu streichen und dagegen b. in dem zweiten Absatz zwischen „Be⸗ amten ländlicher Gemeinden und „gestattet werden“ einzu⸗ schalten: „durch Verfügung der vorgesetzten Gerichtsbehörde, be⸗ ziehungsweise des Vormundschaftsgerichts den der deutschen Sprache nicht mächtigen Gerichtsvögten und Vormündern.“ Nach einer kurzen Debatte zwischen den Abgg. v. Czarlinski (NeustadtR), Dr. Franz und Löwenstein empfahl der Regierungskommissar, Geheimer Justiz⸗ Rath Dehlschläger die Anträge Hansen und Wachler zur Annahme, wenngleich eine redaktionelle Aenderung derselben wünschenswerth sei, indem anstatt der Worte: „der vorgesetzten Gerich sbehörde“ besser „das Appellationsgericht“ gesagt werde. Die Fassung der Kommission dagegen sei unklar, da nicht feststehe, ob die eingeräumte Befug⸗ niß lokal an den betreffenden Kreis oder an seine Bewohner geknüpft sein soll. Der Abg. Hansen erklärte sich mit der Redaktionsänderung seines Antrages, welche der Regierungs—⸗ kommissar gewünscht hat, einverstanden.

Nachdem noch der Referent Abg. Beisert die Kom⸗ missionsbeschlüsse befürwortet, wurde der Paragraph mit dem modifizirten Amendement Hansen angenommen.

Darauf vertagte sich das Haus.

Die Erwiderung des Ministers für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten Dr. Friedenthal auf die Ausführungen des Abg. Dr. Lasker in der Sitzung des Abgeordnetenhauses am 12. D. M, hatte folgenden Wortlaut: -

Meine Herren! Ich werde auf den ersten mehr persönlichen Theil der Ausführungen des geehrten Herrn Vorredners nur mit einigen Worten antworten. Ob meine Vertheidigung gegen jenen An griff heftig war, ob ste mehr das persönliche Element vorkehrte als den Angriff, das mag dem hohen Hause zu beurtheilen überlassen bleiben, ebenso das Urtheil darüber, ob jener persönliche Angriff bei dieser Gelegenheit überhaupt in irgend einer Weise motivirt war. Ich werde mich auch nicht einlassen auf die irmthüm⸗ liche Auslegung meiner Ausführung, betreffend die Aeußerung des Herrn Minister⸗Präsidenten, näher einzugehen, ich habe das Gefühl, das ven Eifersucht dabei keine Rede war; ich glaube auch, das ist klar aus meinen Ausführungen hervorgegangen; ich habe den Eindruck, als ob das bohe Haus derselben Meinung hierüber sei, und daß es sich damals nur zarum handelte, die äußer⸗ liche Verknüpfung eine gelegentlich in Privatkreisen abgetzebenen Aeußerung mit dem Gesetz und den gesetzgeberischen Motiven in der stattgehahten Art zurückzuweisen, weil derartige Verknüpfungen nicht geeignet sein können, sachlich Gesktze zu kritisiren. .

Was diese Kritik betrifft, so weit ste sachlicher Natur war, so verfteht sich ganz von silbst, daß ich gegen deren Berechtigung nichts einzuwenden habe. Sind doch Auseinandersetzungen des Herrn Vor= im Falle mangelnder Uel reinstimmung, so be⸗ Resultat entsteht. Das, wogegen ich mich entschieden zurückweisend wendete, war nur die Art und Weise; ich habe damals das Nöthige gesagt, so daß heute darauf zurückzukommen keine Veranlassung rorliegt. . 2

In der Sache behauptet der Herr Vorredner, das Gesetz hätte nicht den Charakter eine⸗ Reformgesetzes, sondern nur den Schein eines solchen. Ich bin da durch genöthigt, wenn auch in Kürze, die⸗ jenigen Hauptpunkte vorzuführen, in denen die beabsichtigte Emanzi⸗ pation des Anstedelungswesens von früheren Beschränkungen liegt, um aufzuklären, in wieweit die heutigen Ansührungen des Herrn Vor- redners gerechtfertigt sind, oder vielmehr das günstige Urtheil zutrifft, das er früher über die Vorlage fällte. Früher bestand in den 6 öst— lichen Provinren erstens folgende Vorschrift: .

„Der Aushändigung des Baukonsenses und der Berichtigung des Besitztitels müßte die Vertheilung der öffentlichen Lasten und die Regulirung der Gemeinden, Kirchen,, Schulverhältnisse vorangehen.“

Die hierin liegende Essparung wird durch die Vorlage für die Ansiedelungen pure beseitigt.

Zweitens: J

„Der neue Anstedler muß die besonderen Unkosten und Lasten tragen, welche durch Semen Hinzutritt dem Gemeinde⸗, Kirchen, Schul oder sonstigen Verbande entstehen“

aufgehoben. ö ö ö

Waz jetzt kommt, gilt auch für Westfalen, während die soeben bezeichneten Bestimmungen nur für die östlichen Prapinzen gelten.

„Alle, und nicht nur die außerha b der Ortschaften zu errich tenden Niederlassungen auf dem platten Lande sind bisher den Vor- schriften über Ansiedelungen unterworfen. .

Die Vorlage befreit dagegen diejenigen Niederlassungen, die sich an die bestehenden Ortschaften anschlleßen, gänzlich von dem Erfor— derniß des Ansiedelungekonsenses. ;

Meine Herren, d. h. „199 aller Fälle neuer Ansiedelungen, welche dem Ansiedelungsverfahren unterliegen, sollen nicht mehr als neue An siedelungen gelten. Wenn zur Zeit in einem Dorfe, an dessen Ende oder an einer Seite ein neues Wohnetablissement errichtet werden sollte, so bedurfte es des Ausiedelungskonsenses und darin liegt eine große Beschränkung der wirthschaftlichen Bewegung, welche die Ver größerung ber ländlichen Ortschaften von dem Gutdünken der Ver waltungsbehörde abhängig macht. Meine Herren, diese Bestimmun⸗ gen, welche den größten Theil des bisherigen Anwendungsgebietes des ne ehren. decken, sollen nach der Vorlage ausscheiden.

iertens:

„Auch bereits bebaute Grundftücke, wenn sie ohne Zulegung zu anderen bengchbarten Grundstücken vom Hauptgute abgetrennt werden (in Westfalen nur während 5 Jahre nach der Bebauung) unterliegen den Vorschriften über Anstedelungen.“

Aufgehoben.

Fünftens;: e ;

„Die Ansiedelung mußte untersagt werden, wenn die Gemeinde widerspricht und der Ansiedler nicht und zwar durch den Besitz von Grundstücken oder sicheren Hypotheken oder durch die Ver— sicherung zweier zuverlässiger Gemeindeglieder den Besitz eines hinlänglichen Vermögens jur Ausführung des Baues und jur Er— richtung der Wirthschaft nachweist.“

Aufgehoben.

Sechstens:

„Die Anftedelung kann versagt werden, wenn davon Gefahr für das Gemeindewesen zu besorgen ist;.

Meine Herren! Eine ganz allzemeine willkürlichster Anwendung ausgesetzte Bestimmung. Worin kann eine än 6 n nicht überall Gefahren für das Gemeindewesen sehen! Ebenfalls aufgehoben.

Siebentens: ; ö.

„Gefahr fuͤr das Gemeindewesen und die polizeiliche Beaufsich. tigung mit ungewöhnlichen Schwierigkeiten verbunden ist. Dies * inbesondere bei erheblicher Entfernung oder sonst unpassender age oder sonst unpassender Lage! . „sewie bei Bescholtenheit des Nachsuchenden anzunehmen.

1876.

In solchen Fällen hat in Westfalen die Gemeindevertretung die Ansiedelung zu genehmigen; in den östlichen Propinzen soll es, wenig- ftens in der Regel nicht geschehen, wenn der Nachsuchende notorisch unvermögend oder bescholten war.

An Stelle dieser letzten, in das Gutdünken dec Vewaltungs-⸗ behörden gestellten Vorschriften schlägt der Entuuif die §5§. 14, 15 und 16 vor. Ich glaube, diese Gegenübeistellung wird ge— nügen, meine Herren, um meine Behauptungen zu beweisen, daß ein Gesetz, welches dis vorgeführten Beschränkungen aufhebt, einen durchweg reformatorischen Charakter hat, nicht nur den Schein einer Reform an sich trägt. Ich komme nun zu den Ausführungen des Hrn. Vorredners, welche in der Hauptsache darin gipfelten, daß §. 15 resp. I6 alles Gute des Gesetzes zu nichte macht. In der That wären fast alle Ausführungen, die der Hr. Vor—⸗ redner gab, zutreffend, wenn er nicht außer Betracht gelassen hätte, worauf es ankommt, nämlich, daß es im Entwurfe heißt: ‚„Thatsachen u. s w.“ Entgegen diesem Kriterium citirt der Herr Vorredner: daß zu vermuthen sei, es werde ge⸗ mißbraucht werden, aber daß die Voraäussetzung da sei, daß die Ge⸗

heen eintreten. Wenn das nun im Gesetz stände, dann hätte der jgeordnete Recht. Wenn also der Plan etwa so lautete:

enn Einspruch erhoben und die Behauptung aufgestellt wird, daß

die Ansiedelung, den Schutz u. s. w. gefährden werde, so müßte eine derartige Fassung verwerflich erscheinen; sie enthielte etwas ganz Vages, und die Verwaltungegerichte würden nicht in der Lage sein, auf Grund derselben zu entscheiden. Das Gegentheil liegt vor. Wer den Paragraphen unbefangen liest, kommt meines Er⸗ messens nothwendig zu folgender Auslegung: ; die Ansiedelung darf, abgesehen von dem Erforderniß des Weges, nicht versagt werden aus dem allgemeinen Grunde, weil sie nur die⸗ jenigen Folgen nach sich zieht, welche nothwendig aus dem Wesen jeder Anstedelung sich ergeben, sie darf nur untersagt werden, wenn vestimmte Thatsachen vorhanden sind und darauf lege ich den allergrößten Nachdruck Thatsachen, welche nach der konkreten Ge- sammtbeschaffenheit des besonderen Falles die Annahme der Gefahr recht⸗ fertigen. Die Thätigkeit der Verwaltungsgerichte wird darin liegen, zu untersuchen, ob solche Thatsachen nachgewiesen sind. Wenn Jemand sagt, ich erhebe Einspruch gegen die eue Anstedelung, weil jede An- siedelung eine Gefährdung für den Nachbar herbeifüͤhrt, weil, wenn mehr Menschen auf eine rbestimmten Fläche sich anbauen, dann na⸗ türlich auch mehr Menschen da sind, welche das Eigenthum des An dern beeinträchtigen koͤnnen. Glauben Sie, meine Herren, daß unsere Verwaltungsgerichte darin Thatsachen finden werden, wie sie hier nach dem Gesetze gesordert werden? Wir eine solche Meinung hätte, der müßte allerdings au der gesammten Institution verzweifeln. Denn das wäre und ich appellire an jeden Juristen unter Ihnen eine Auslegung und Behandlung, die den juristischen Auslegungs— regeln geradezu wirerspräche. ;

Hiermit aber fallen alle Ausführungen des Herrn Vorredners, da seine Argumentation darauf hinauslief, die Verwaltungsgerichte könnten auf Grund der Vorlage nicht prüfen und äußerlich entscheiden. Die Regierungsvorlage hat offenbar folgende Tendenz: an sich ist die Ansiedelung erlaubt und darf nicht gehindert, sie darf nur ausnahmzweise versagt werden, wenn spezielle Thatsachen behauptet und bewiesen sind, aus denen die Gefährdung folgt. Was will nun der Herr Abgeordnete? Der Herr Abgeordnete will, und das ist der einzige Uaterschied seiner reformatorischer Auschauung und der Anschauung der Vorlage er will dem Richter verdenken, wie er diese Thatsachen beurtheilen soll, und zwar nach seinem ersten Antrage hierbei das persönliche Moment allein in den Vordergrund stellen. Ich bleibe noch heute dabei stehen, meine Herten, daß eine solche Vorschrift in dem Gesetze nothwendig, die zum Einspruch Be—= rechtigten und die Behörden dazu drängen werde, von persönlicher Quali⸗ fikation mehr abhängig zu machen, als es einer rationellen Ansiedelungs-⸗ freiheit entspricht. Es ist aber ferner der Ausgangspunkt hierfür nicht zutreffend. Der Hr. Abgeordnete hat augenscheinlich aus der Gewerbe- ordnung, woraus auch unsere Fassung stammt, seinen Antrag herge⸗ nommen. Nun bitte ich, sich zu vergegenwärtigen, daß, wenn es in der Gewerbeordnung sich handelt um die Schankkonzession, eine per= sönliche Konzession in Frage steht, die jeden Augenblick im Falle des Mißbrauches nach dem Gesetz wieder zurückgezogen werden kann. Hier dagegen handelt es sich um eine Anlage, die eine bleibende und von der Person unabhängige ist, und es muß diese Verschiedenheit in dem Gesetze Ausdruck finden; es kann das persönliche Moment nicht wie bei den Schankkonzessionen das allein maßgebende sein.

Monatsübersicht für April 1876. III. (Vergl. Nr. 112 d. B.)

Großbritannien und Irland. Die Titelfrage, welche lange Zeit das englische Volk in allen Schichten bewegt hat, ist jLetzt entschieden; am 28. April ist durch feierliche Proklamation angezeigt worden, daß Ihre Majestät die Königin fortan ihren anderen Titeln den der Empress of India hinzufüge.

Aus den sonstigen parlamentarischen Vorkommnissen ist zu erwähnen, daß die Klosterfrage im Unterhause angeregt worden, die Regierung aber nicht die Initiative ergreifen, sondern warten wollte, bis ihr die Beweise für eine Nothwendigkeit der Revision vorgelegt seien. Ferner wurde das Budget vorgelegt, bei dem fich ein Defizit von 774,000 Pfd. Sterl. ergab, zu dessen Deckung eine Erhöhung der Einkommensteuer um 1 Pence per Pfd. Sterl, aber nur von 150 Pfd. Sterl, an, vorgeschlagen wurde; dies würde einen Ueberschuß von 365,000 Pfd. Sterl. ergeben. Die vorgeschlagene Einführung des Schulzwanges wurde abgelehnt. Das Blaubuch über den Aufftand in der Herzegowina ist dem , . vorgelegt und in diesem Blatte bereits eingehend gewürdigt. —ᷣ

Die 6 9 Regierung eingebrachte Schiff ahrtsbill zum Schutze der Seeleute fand keinen Anklang, weil sie nicht für zu⸗ reichend gehalten wurde. Endlich kam, wie seit 10 Jahren regelmäßig die Frauenfrage und das Wahlrecht der Frauen zur Sprache und wieder wurde der Antrag abgelehnt. Die dagegen stimmende Majorität ist von Jahr zu Jahr gestiegen und betrug diesmal 239 gegen 152 Stimmen. .

Die katholische Partei hat in diesen Monate nur zweimal die Aufmerkfamkeit auf sich gezogen; zuerst dadurch, daß der Papst feinen besonderen Segen allen Denjenigen verhieß, welche zur Umwandlung des Fort Augustus in Schottland in ein Be⸗ nediktinerkloster beitragen würden, und dann dadurch, daß die ultra⸗ katholischen Mitglieder des Stadtraths in Dublin keine Glückwunsch⸗ adresse an den Prinzen von Wales wegen seiner glücklichen Rückkehr zu erlassen i n weil er in Malta nicht den Grundstein zu einem ausschließlich für katholische Kinder beftimmten Waisen⸗ hause legen wollte, was ihm aber nur dadurch unmöglich ge⸗ macht worden, weil der Bischof die Feier zu einer ganz katho= lischen gestalten wollte. Dagegen haben 3620 englische Geist⸗ liche (darunter 33 Bischöfe) u. 4093 Laien eine Dankadresse an