1876 / 115 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 16 May 1876 18:00:01 GMT) scan diff

meinen Werth zu versichern. Der §5. 53 des hohenzollern sigme. ringen schen Gesetzes vom 28. April 1849, betreffend die Versiche cung der Gebäude und Mobilien (sigmaringensche Gesetz ˖Samml. Band VIII. S. 203), wird aufgehoben. )

Nachdem der Abg. C her den Antrag empfohlen hatte, sprach auch der Abg. Evelt für denselben, während der Abg. Windthorst (Meppen) einer generellen Ordnurg der Angelegen⸗ heit den M zug geben wollte. Außerdem betheiligten sich an der Debch die Abgg. v. Donat, Dr. Frhr. v. d. Goltz und Windthorst (Bielefeld). Eine kommissarische Berathung war nicht beantragt, die weitere Berathung findet also im Plenum statt.

EGSs folglen Petitio nen. Wahlmänner des Kreises Essen petitioniren um Theilung des Wahlkreises Essen in zwei selb⸗ ständige Wahlkreife. Der Referent Abg. Wißmann befürwortete den Antrag der Petitionskommission auf Uebergang zur Tages⸗ ordnung, welcher, nachdem sich auch der Abg. Dr. Hammacher für denfselben ausgesprochen hatte, bei Schluß des Blattes ange⸗ nommen wurde.

Die TV. Kommission des Hauses der Abgeordneten hat jetzt auch den Bericht über die Motive ihrer Anträge rücksichtlich der Städteordnung erstattet. In Betreff des Dreiklassen⸗ Wahlsystems äußert sich der Bericht, wie folgt: .

„Die sehr zahlreich eingegangenen Petitionen haben die Sntscheidung über das Wahlsystem als eine der wichtigsten Fragen der Städteordnung hervorgehoben, einzelne Petitionen Haben sich sogar auf diesen Gegenstand allein beschränkt. Von den einzelnen Provinzen haben die Städtetage von Preußen, Brandenburg, Pommern, Sachsen, Schlesien, Rhein⸗ land, Westfalen sich für das Dreiklassensystem, der Städtetag von Hannover und der Ausschuß des Städtetages von Posen für gleiches Wahlrecht mit einem Census erklärt. Für das gleiche Wahlrecht mit Census haben sich auch die Städte Berlin und Frankfurt a. M. ausgesprochen, letztere Stadt be⸗ merkt dabei ausdrücklich, wenn ihr das jetzige gleiche Wahlrecht genommen werden sollte, lieber das bestehende Stadtgesetz be⸗ halten zu wollen.

Auch in öffentlichen Verhandlungen und in der Presse ist nach Vorlage der Städteordnung der lebhafteste Streit über den besseren Werth des einen oder des anderen Systems für kommunale Vertretung geführt. Die Gründe für und wider find so erschöpfend erörtert und allgemein bekannt, daß sich die Kommission begnügt, zu konstatiren: daß ihre Mitglieder fast zu gleichen Theilen sich für das Dreiklassensystem in der Modifikation der Regierungsvorlage beziehungsweise für ein gleiches Bürgerwahlrecht ausgesprochen haben und die Entschei⸗ dung im §. 42a schließlich dahin getroffen ist: die gesetzlich be⸗ stehenden Wahlsysteme aufrecht zu erhalten und die in erster Lesung beschlossene Zulassung statutarischer Aenderung wieder aufzuheben.

Die Kommission hielt es nicht für gerechtfertigt, gegenüber der großen Verschiedenheit der Ansichten, gegenüber den Er— fahrungen der einzelnen Provinzen und gegenüber den in den zahlreichen Petitionen ausgesprochenen Wünschen einen gesetzlichen Zwang zur Aenderung des bestehenden Wahlsystems auszuüben und will in ihrer Mehrheit bei einer so wichtigen Verfassungs⸗ änderung auch einen statutarischen Wechsel nicht gestatten.“

Bei dieser Gelegenheit berichtigen wir die aus anderen Zeitungen in d. Blatt übergegangene Notiz, auch der Bürger⸗ verein zu Celle habe dem Dreiklassen⸗Wahlsystem zugestimmt, dahin, daß nach einer Mittheilung des Vorsitzenden jenes Ver⸗ eins sich der letztere mit der Städteordnung überhaupt noch nicht beschãftigt hat.

Seit einiger Zeit werden zwei neu erfundene Apparate zur Vervielfältigung von Schriften in den Handel gebracht, nämlich der Bauersche Kopir- und Vervielfältigungs⸗ Apparat und der so genannte Patent Papyrograph von Zucealo. Wir werden darauf aufmerksam gemacht, daß die aus diesen Apparaten hervorgehenden Abzüge von der Post gegen die Taxe für Drucksachen von 3 3 nicht befördert, viel⸗ mehr den mittelst der Kopirmaschine oder mittelst Durchdrucks 1 Schriftstücken gleich geachtet werden, welche nach

14 der Pastordnung vom 18. Dezember 1874 von den, den rucksachen eingerãumten Portovergünstigungen ausgeschlossen sind.

Die in den letzten Tagen verbreitete Nachricht, daß in Kuturwn einern in der Nähe der diesseitigen Landesgrenze be— legenen Orte des russischen Gouvernements Kowno, die Rinder— pest ausgebrochen sei, hat sich nach den sofort veranlaßten ört— lichen Ermittelungen durch Siesseitige Sachverständige als unbe⸗ gründet erwiesen.

In derselben Weise ist die Unrichtigkeit der über einen Aus⸗ bruch dieser Seuche im russischen Grenzkreise Bend zin, unweit Mnyalowitz, verbreiteten Nachrichten f estgestellt worden.

Einem von dem Ober⸗Tribune nl durch den Plöarbeschluß vom 15. Dezember 1856 angenommen en und seitdem auch in der Gerichte prazis allgemein anerkanntém und befolgten Grund⸗ satze zufolge, ist nach preußischem Re chte die Entscheidung des Strafrichters über eine zur U ntersuchung gekommene strafbare Handlung für den Civilrichtern, welcher uͤber einen Entschädigungsanspruch zu erkennen hat, in seiner Beurtheilung der Beweisfrage hinsichtlich der zur Beg ründung dieses An— spruchs dienenden Thatsachen insoweit nicht maßgebend, als be⸗ sondere gesetzliche Bestimmungen nicht das Clegentheil rechtferti⸗ gen. Auch das Reichs-Ober⸗Handelsge richt ist in meh⸗ reren Entscheidungen und neuerdings in einem Erkenntniß vom 26. April d. J. von demselben Grundsatz ausge vangen, und hat anerkannt, daß die Feststellungen des riminalria, ters den Civil⸗ richter nicht binden, derselbe vielmehr berechtigt ift, die Ergebnisse der Friminaluntersuchung einer selbständigen Prüft mg zu unter⸗ werfen und zu ermessen, ob nicht eine Partei, ung eachtet ihrer Freisprechung im Kriminal verfahren, dennoch nach iw gend einem Gesichtspunkte des Civilrechts verantwortlich sei.

Der Stab des am 22. Mai er. in Wilhelms! Waven zu formirenden Panzergeschwaders besteht aus folgende Offt⸗ zieren E.; Contre⸗Admiral Batsch, Geschwader⸗-Chef; orw. Kapt. Schröder, Chef des Stabes; Lieut. z. S. v. Friez, Fuagg⸗ Lieutenant; Ober -Stabsarzt Dr. Hüthe, Geschwader⸗-Arzt; WMa⸗ schinen⸗Ober⸗Ing. Budding, Maschinen⸗Inspektor; Unter⸗Zahl. n. Hintze, Geschwader⸗Selretär; Mar. Zahlm. Dombrowsky. Ge⸗ schwader⸗Zahlmeister; Mar. Pfarrer Fasch, Geschwader⸗Prediger.

Zur Theilnahme an den Brigade-Exercitien rückte heute das 3. Harde Crenab ler m guten ene Elisabeth und das 4. Garde⸗Regiment z. F. hier ein; das 3. Bataillon Zarde⸗ Füsilier⸗Regiments hat sich heute früh zur Wahrnehmung des Wachtdienstes in Spandau, für die Dauer des Brigade⸗Exerci—= rens, nach Spandau begeben.

Der General⸗Lieutenant von Voigts⸗Rhetz à la suite

Commandeur der 20. Diwision ist mit kurzem Urlaub von Han⸗ nover hier eingetroffen; der General⸗Lieutenant von Berger, von der Armer und Gouverneur von Ulm, ist nach beendigtem Urlaub wieder abgereist.

Der General⸗Major von Neumann, Kommandant van Berlin und beauftragt mit Wahrnehmung der Geschäfte des Chefs der Landgensdarmerie hat sich mit Urlaub nach Carls⸗ bad begeben.

S. M. S. „Medusa“ ist, telegraphischer Nachricht zu⸗ folge, am 15. d. Mts Lin Salonichi eingetroffen. An Bord Alles wohl.

Ems, 16. Mai. (W. T. B.) Der russische Reichskanzler, Fürst Gortschakoff, ist gestern Abend 10 Uhr hier eingetrof⸗ fen. Ihre Majestäten der König und die Königin der Belgier hatten um 8 Uhr die Rückreise nach Brüssel ange⸗ treten. 8 , , n

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Bayern. Nürnberg, 11. Mai. Die Kreisregierung von Mittelfranken hatte der Gemeindevertretung der Nachbarstadt Fürth die Genehmigung zur Anstellung von Lehrern mosaischer Religion an der dortigen konfefsionell gem ischten Volksschule nicht ertheilt, da der christliche Charakter der Volksschule gewahrt werden müsse. Die Fürther gemeindlichen Kollegien haben sich hierauf beschwerend an das Ministerium gewendet. In einer Ministerial⸗ entschließung wird nun der Beschluß der Kreisregierung bestätigt und die Beschwerde abgewiesen.

Sachsen. Dresden, 15. Mai. Die Zweite Kammer trat in ihrer heutigen Sitzung in die Berathung des Gesetz⸗ entwurfs über den Urkunden⸗ und Erbschaftsstempel ein. Die Finanzdeputation hat diesen Gesetzentwurf in zwei getheilt, deren erster die Erbschaftssteuer, der zweite den Urkundenstempel be⸗ trifft. Die Kammer nahm zunächst den ersteren in Berathung und genehmigte denselben nach den der Regierungsvorlage am nächsten kommenden Anträgen der Minorität der Deputation, unter Verwerfung der Majoritätsanträge, welche eine Ausdeh⸗ nung der Steuerpflicht gegen die Vorlage bezweckten.

Baden. Karlsruhe, 13. Mai. Der Bürgerausschuß zu Offenburg hat sich zuerst in einer Adresse an das Staats⸗ Ministerium und an die Erste Kaumer gewendet, um seine Zu⸗ stimmung zum Beschlusse der Zweiten Kammer über die Auf⸗ hebung der Klosterschulen, insbesondere zur Auflösung jener von Offenburg, kund zu geben. Wie das „Frkf. J.“ vernimmt, werden die Vertreter anderer Städte wie Kon⸗ stanz, Villingen, Baden, Bruchsal ꝛc. dem Beispiele fol⸗ gen. Dagegen werden von der ultramontanen Partei Bittschriften an den Großherzog eingereicht, dem Gesetze die Zu⸗ stimmung zu versagen, bezw. die Klosterschulen zu erhalten. Die geistlichen und weltlichen Führer der liberalen Partei in der evangelischen Kirche Badens werden am 19. d. Mts. zu Durlach eine Konferenz abhalten, zu welcher die hervorragend⸗ sten Vertrauensmänner in den einzelnen Synodalbezirken eingeladen sind, um sowohl über die Wahl der Abgeordneten zur General⸗ synode, als auch über die Stellung derselben gegenüber den Kundgebungen der orthodoxen Parteien schlüssig zu werden.

HGessen. Darmstadt, 13. Mai. Die gesetzlich vor⸗ geschriebene gemeinschaftliche Sitzung der Finanzausschüste beider Kammern über das Staatsbudget ist auf den 15. d. M. anberaumt. Dieser Sitzung wird eine solche des Finanzaus⸗ schusses der Ersten Kammer mit der Regierung vorausgehen.

Mecklenburg⸗Schwerin. Schwerin, 15. Mai. Die Taufe des neugeborenen Prinzen ist auf den 3. Juni an— geseßt und am Pfingsttage wird die Großherzogin dann ihren feierlichen Kirchgang halten.

Zum 13. d. ist von einer FKommission des Rostocker Advo⸗ katendereins ein mecklenburgischer Advokatentag ein⸗ berufen worden, um über die Beschlüsse der Reichstags-Justiz⸗ kommission wegen der Rechtsanwaltschaft zu verhandeln. Der Schweriner Verein hat schon Resolutionen gefaßt für freie Ad⸗ vokatur und Freizügigkeit der Advokaten durch das ganze Reich, und daher auch gemeinsame Prüfungsnormen ꝛ4. Er verlangt ferner Anwaltsprozeß und Anwaltszwang wegen des mündlichen Verfahrens vor Kollegialgerichten. Die Großherzoglichen (nicht aber die ständischen) Kasfen sind jetzt auch angewiesen, die noch coursfähigen 1/3, 119 und „a⸗-Groschenstũcke in Kupfer nicht wieder zu verausgaben.

Oldenburg. Oldenburg, 12. Mai. Der Landtag hat nach kurzen Erörterungen die noch rückständig gebliebene Vorlage wegen Einführung einer zweiten Prüfung für die evangelischen Volksschullehrer angenommen. Die neue Einrich⸗ tung entspricht einem von einsichtigen Vertretern des Lehrerstandes oftmals geäußerten Wunsche. Am 11. ist der Bericht des Finanz⸗ ausschusses über die dem Landtage gemachten Regulativ⸗ vorlagen vertheilt worden und heute hat die erste Lesung stattgefunden; die Debatte war sehr erregt und hatte das Re⸗ sultat, daß die sämmtlichen von der Majorität des Ausschusses gestellten Anträge in namentlicher Abstimmung mit 19 gegen 11 Stimmen angenommen wurden. Unter den obwaltenden Um⸗ ständen ist der Landtag noch um einige Tage verlängert worden.

Sach sen⸗Coburg⸗Gotha. Coburg, 15. Mai. Dem gemeinschaftlichen Landtage für die Herzogthümer Co- burg und Gotha, welcher heute hier zusammengetreten ist, sind u. A. folgende Vorlagen gemacht worden: Herzoglicher Erlaß vom 9. Mai 1876 mit Gesetzentwurf, den Schutz der Fischzucht betreffend. Ein dergl., vom 1. Mai 1876 nebst Gesetzentwurf, die Abänderung einiger Bestimmungen der §§5. 38 und 39 des n, . über den Civilstaatsdienst, bezüglich der Größe der Penston und der Berechnung der Dienstzeit betreffend, und ein dergl. vom 17. April 1876 mit Gesetzentwurf, die Abänderung des 5. S6, Beilage II. des Staatsgrundgesetzes bezügl. der Er= höhung der Tagegelder der Abgeordneten von 6 auf 8 M der am Versammlungsort wohnenden und von 76 M auf 12 M für alle nicht am Versammlungsorte wohnhaften Abgeordneten nebst einer Reisegebühr von 4 6 pro Meile für hin und zurück oder bei Benutzung der Eisenbahn das Fahrgeld zweiter Klasse und für jeden Zu. und Abgang je 11 M6 für kleine Nebenaus⸗ gaben betreffend.

des stönigs⸗Grenadier⸗Regiments (2. Westpreußisches)] Nr. 7 und

Anhalt. Dess au, 14. Mai. (St. A.) Heute haben beide Prinzen nur mäßiges Fieber. Das Befinden derselben ist recht befriedigend und die vergangene Nacht verlief gut.

Der Zustand der Herzogin ist gleichfalls bedeutend besser.

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 14. Mai. Ueber die Berliner Konferenzen wird dem „Prag. Abbltt.“ voꝛ hier geschrieben: Die aus Berlin hier eingetroffenen Nach⸗

richten haben den besten Eindruck hervorgerufen. Mit leb⸗ haftester Befriedigung verzeichnet man die Thatsache, daß die Drei⸗aiser⸗Allianz von Neuem sich als die feste, imponirende Phalang bewährte, an der alle den Frieden Europas bedrohenden Ereignisse sich machtlos erweisen müssen. Soweit die vorliegen⸗ den Meldungen ein bestimmtes Urtheil gestatten, hat auch die jetzt bevorstehende Aktion in erster Linie und ganz ausschließlich́ eine friedliche Lösung der Wirren im Oriente im Auge, sie wird, wie der erste Schritt, so auch diesmal von den Drei⸗Kaiser⸗ Mächten, im Vereine mit Frankreich, England und Italien unter⸗ nommen werden, ein Vorgehen, das allein schon in sich die ausgiebigste Friedensgarantie birgt und jede einseitige oder beargwöhnende Deu⸗ tung von vornherein ausschließt. Man darf mit Spannung den nächsten Ereignissen entgegensehen, denn es ist unleugbar, daß die friedliche Lösung der Verwickelungen im Oriente nunmehr mit aller Energie angestrebt werden wird und die Versuche hierzu ihren Höhepunkt bald erreicht haben werden. In jedem Falle läßt sich aber schon heute konstatiren, daß der landläufige Pessimismus, der neuestens und mit aller Entschiedenheit sich auch an die Festigkeit des Drei⸗aiser-GBündnisses heftete, ein gründliches Fiasko machte und daß die Drei⸗Kaiser⸗AUllianz sich von Neuem als der feste, unverrückbare Pol inmitten aller Wechselfälle der modernen europäischen Geschichte erprobt hat.

Wie das „Fremdenblatt“ erfährt, haben sich die beiden Regierungen von DOesterreich⸗ Ungarn und Italien geeinigt, den am 1. Juli ablaufenden österreichischitalienischen Han⸗ delsvertrag auf die Dauer eines Jahres, also bis 1. Juli 1877, zu verlängern.

Prag, 13. Mai. In altczechischen Kreisen wird für die Wahl Zeithammers zum Bürgermeister agitirt. Man beab⸗ sichtigt, hiermit eine Demonstration auszuführen, da dessen Wahl als Deklarant kaum bestätigt werden wird. Für den Fall dieser Nichtsanktion hat man sich für den Brauer Walisch definitiv entschieden.

Krakau, 13. Mai. Der „Czas“ dementirt entschieden die Nachricht bezüglich Ernennung eines neuen Landes⸗ Kommandirenden für Galizien.

Pest, 15. Mai. (W. T. B.) Die Delegationen sind heute eröffnet worden. Die Reichsrathsdelegation wählte Rechbauer zum Präsidenten. Seitens der Regierung wurde hierauf der Voranschlag für den gemeinsamen Staats⸗ haushalt des Jahres 1877 eingebracht nebst den Nachtrags⸗ krediten für das Heer und die Marine; ferner wurden die Schluß⸗ rechnung für das Jahr 1874 und die Nachtragskredite für die den Flüchtlingen aus Bosnien und der Herzegowina gewährten Unterstützungen vorgelegt. Zum Präsidenten der un garischen Delegation wurde Szlavy gewählt; in der Sitzung derselben wurden dieselben Vorlagen eingebracht, wie in der Reichsraths⸗ delegation.

Heute ist hier die große russisch-österreichisch⸗ ungarische und italienische Eisenbahnverbands⸗ Konferenz eröffnet worden. An den Verhandlungen nahmen 15 Vertreter der russischen Bahnen und zahlreiche Delegirte * K italienischen und österreichisch⸗ungarischen Bahnen

eil.

Schweiz Bern, 14. Mai. Gestern hat der neue spanische bevollmächtigte Minister, Don Mariano Ra⸗ mon Zarco del Valle, dem Bundes⸗Präsidenten seine Kreditive überreicht. Nach der jetzt amtlich mitgetheilten eidgenössischen Staatsrechnung von 1875 beziffert sich das Defizit dieses Jahres genau auf Frs. 827,666. 82.

Am 7. Juni soll, wie bereits mitgetheilt, die Nationalsynode der christkatholischen Kirche der Schweiz zu Olten zusammentreten. Laut Kreis⸗ schreiben des Synodalrathes an die verschiedenen Gemeinden und Vereine werden in derselben folgende Traktanden behandelt werden: 1) Mittheilung des Synodalrathes, betreffend Konstitui⸗ rung und Bestand der „EChristkatholischen Kirche der Schweiz“; 2 Vorlage des Synodalraths, betreffend Errichtung des christ⸗katho⸗ lischen Bisthums und die Bischofswahl; die Bischofwahl selbst; 3) Bericht und Anträge des Synodalraths, betreffend Reformen in Sachen der Disziplin und des Kultus (Einführung einer National- sprache, Abschaffung der Ohrenbeichte und des Cölibats ꝛc.); 4 Vor⸗ lage des Synodalraths, betreffend Organisation der kirchlichen Centralverwaltung, insbesondere auch das Stipendienwesen; 5) allfällige weitere Anträge.

Großbritannien und Irland. London, 14. Mai. Im Oberhause regte Earl Kimberley eine Besprechung des Looses der eingeführten Kulis in Mauritius an. Er wies auf die Härten hin, welche die Leute erdulden, erinnerte an die Gesetzänderungen, welche eine Königliche Kommission vor zwei Jahren empfohlen und befragte seinen Nachfolger im Amte, Earl Carnarvon, ob diesen Empfehlungen Folge geleistet worden sei. Carnarvon bedauerte, daß in Folge von Verzögerungen eine entsprechende Verordnung des Kolonialamtes erst jetzt mit einer der nächsten Posten abgehen könne. Indessen habe sich die Lage in letzter Zeit erheblich verbessert, was zum großen Theil der Einführung neuer Kulifrauen zuzuschreiben ist. Es befinden sich jetzt auf der Insel 150,000 männliche und 58, 0090 weibliche Kulis, was immer noch ein Mißverhältniß ist. Die Sterblichkeit sei unter den Kulis nicht größer als ander⸗ wärts. Die Höhe der Einzahlungen von Kulis in die Spar⸗ kasse, nämlich 120 000 Pfd. Sterl., zeuge dafür, daß ihre Lage nicht allzu schlecht sei. In dem letzten Jahre seien gegen 4060 ulis nach Indien zurückgekehrt. Mit Ausnahme von 500 hätten diese alle ihre Reisekosten, zusammen 8000 Pfd. Sterl., aus eigener Tasche bezahlen und überdies größere Ersparniss— mit heimnehmen können. Die Unternehmer mußten allerdin dazu gebracht werden, den Kulis freie Rückfahrt zu sichern. A gedenke er pünktliche Lohnauszahlung in kurzen, regelmäßien Zwischenräumen vorzuschreiben.

Frankreich. Paris, 14. Mai. Die Ernennung des Hrn. v. Marcere zum Minister des Innern erregt Alge⸗ meine Befriedigung; der ganze Verlauf dieser Angelegnheit liefert, wie der „Köln. Ztg.“ geschrieben wird, von Neu den erfreulichen Beweis, daß Einigkeit im Kabinet selbst und pischen diesem und dem Elyjée in den Hauptpunkten herrscht, undaß die Republikaner mit Vertrauen auf den ehrlichen Versuchmit der Verfassung schauen können. Das Kabinet hat, wie sie „Re⸗ ,, Frangaise“ hervorhebt, aus eigenem Aniebe den inter⸗Staatssekretär de Marcere dem Präfidenten de Republik empfohlen und dieser nach Erledigung einiger Nebetagen ein gewilligt, als er sich überzeugt hatte, daß dies⸗Bahl „der Stunde entspricht“, weil Marcere ein persönlser Freund Ricards und an dessen parlamentarischen Arbeig bereits in der Nationalversammlung und ehe er Kollege esselben war Theil genommen hatte, also besser als Jemand der Lage sei, das Werk fortzusetzen, dessen Verlauf er Scht vor Schritt mitgemacht habe.

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Emil Ludwig Gustav des Hayes de Marcöre ist, wie Ricard, 48 Zahre alt, war Beamter im Ju stiz⸗Ministerium, dann bei den Gerichten angestellt, beim Ausbruch des Krieges Präsident des Cipiltribunals von Avesnes, 1871 zum Deputirten des Centrums gewählt und seitdem hervorragendes Mitglied des linken Centrums. „Er ist“, wie die „République Frangaise⸗ verfichert, einer der Männer, welche mit der größten Würde und Autorität die Zustimmung der Konservativen und Liberalen zur Republik vertreten; die Achtung, welche er seinen Kollegen von der Kammer eingeflößt hat, wird ihm seine schwierige Auf⸗ gabe erleichtern helfen. J .

Die Amnestie⸗Kommission hat wieder eine Sitzung unter dem Vorsitz des Hrn. Leblond gehalten. Die Kommission scheint, dem Vorschlage gemäß, die Verfolgung der politischen Verbrechen und Vergehen, die mit der Kommüne zusammenhän⸗ gen, aufhören lassen zu wollen. Hr. Dufaure bleibt dabei, gegen die Verführten Milde walten zu lassen, erklärt aber, es sei un⸗ möglich, die Verfolgung gemeiner Verhrechen einzustellen, weil die

. verschiedenen Kategorien zu schwer festzustellen seien.

Der Wahlkampf in Orthez (Basses⸗Pyrenées) nimmt einen sehr heftigen Charakter an. M. Chesnelong, der Kandidat der Klerikalen und der Bonapartisten, läßt in seinem Journal seinen Mitbewerber M. Vignaucourt angreifen. Die

klerikale Presse befürwortet Chesnelongs Wahl in mehreren

Artikeln. In der letzten Sitzung des Kongresses der katho—⸗

lischen Gesellen vereine wurde festgestellt, daß die Anstren⸗ gungen derselben, um Stadt und Land zum katholischen Glau⸗ ben zurückzuführen, großen Erfolg gehabt, und daß man dies

nqndnamentlich der Theilnahme der höheren und hohen Klassen der

Gesellschaft an dem „Werke“ verdanke. Die Erörterungen des Kongresses scheint man, nach der „Köln. Ztg.“, geheim halten zu wollen; das große Publikum findet keinen Zutritt.

Die „Ag. Havas“ meldet: „Herr Dupanloup scheint, wie von einigen Blättern behauptet wird, mit seinem in Rom gemachten Versuche, Jeanne d' Are heilig sprechen zu lassen, ge⸗ scheitert zu sein. Auf seine zahlreichen Anfragen erhielt er aus Rom eine abschlägige Antwort, in welcher die Jungfrau von Orleans angeklagt wird, daß sie die „ketzerische Lehre der „„inne⸗ ren Erleuchtung““ vertheidigt habe.“

In seiner Abendsitzung hat der Gemeinderath von Paris die Anleihe von 120 Millionen Frs, sowie die Ver⸗

wendung derselben zu den im Berichte bezeichneten öffentlichen

Arbeiten genehmigt.

16. Mai. (W. T. B.) Das „Journal officiel“ publi⸗ zirt die Ernennung Marcere's zum Minister des In— nern. Bei den Nachwahlen in Corsika wurden Prinz Jérome in Ajaccio, Casabianca (Bonapartist) in Bastia, Gavini (Bonapartist) in Corte zu Mitgliedern der Deputirten kammer gewählt.

Spanien. Die Provinzial⸗Junten der bas kischen Länder tagten am 16. Mai zu San Sebastian, Vitoria und Bilbao und ertheilten ihren Abgesandten den Auftrag, bei den bisherigen Forderungen zu beharren. In Bilbao mußte eine sonderrechtliche Kundgebung durch Entfaltung militärischer Macht unterdrückt werden. Für Guipuzcoa ist ein neuer Königlicher Corregidor oder Statthalter ernannt worden. König Alfons

ö. und seine Schwester, die Prinzessin von Afturien, haben sich nach Aranjuez begeben, wo sie bis zum Anfang des Sommers Bu bleiben beabsichtigen.

Italien. Rom, 13. Mai. Nach der „Gazetta uffiziale“

wurden im April dieses Jahres 479 Kirchen⸗ und Kioster⸗

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Das „Diritto“ berichtet, daß der Professor der Staats⸗

* ökonomie Girolamo Boccardo (ein Vertreter der Freihandels⸗ ttheorie) von Genua, auf Einladung des Minister⸗Präsidenten

Depretis und des Generalsekretärs im Finanz⸗Ministerium

ö. Seismit Doda am 11. Abends mit dem Letzteren eine lange Unterredung über die Erneuerung der Handelsverträge ge⸗

habt und sich bereitwillig erklärt hat, der Regierung bei der Lösung der wichtigen hier einschlagenden Fragen behülflich zu sein.

Der Papst hat, wie den „Ital. Nachr.“ versichert wird, dem Könige von Spanien dieser Tage auf seinen letzten Brief geantwortet, indem er für die darin ausgesprochenen Gefühle der Verehrung und Ergebenheit gedankt, den übrigen

BZnhalt des Königlichen Schreibens aber unerwidert gelaffen hmaben soll.

Der Kardinal Antonelli hat, den „Ital. Nachr.“ zu⸗

folge, vor einiger Zeit den Nuntius in Paris beauftragt, der

französischen Regierung bei Gelegenheit zu erklären, daß da— Amt eines Geiftlichen, welchen Grad er auch in der Yieratchie beg en möge, mit der Stellung als Gesandter unverträg⸗ lich sei.

Stal. Nachr.) Gestern Nachmittag 4 Uhr (Donnerstag den 11.) nahm der Kardinal⸗Erzbischof Ledochows ki von seiner

Titufartirche Santa zlaris in ann Coeli frierlich Bestz; Vogleich

der Zutritt zu der schönen auf dem kapitolinischen Hügel gelege⸗

* nen Kirche Jedermann offen stand, hatten sich doch kaum 160 SBersonen zur Feierlichkeit eingefunden, und es waren meist Frauen JIODeutsche und Polinnen) und Priester, Niemand vom römischen

Adel oder sonst hochgestellten Fatholiken. Nach Verlesung der päpstlichen Bulle, wodurch die Kirche Santa Maria in ara Coeli dem Kardinal als Titularkirche angewiesen wird,

ö sprach der General der Franziskanermönche, welche in

dem an die Kirche stoßenden Kloster wohnen und sie bedienen, seine und seiner Ordensbrüder Freude über die vom Papste ge⸗ troffene Wahl aus und gedachte „des glorreichen Kampfes, den der Kardinal als Erzbischof von n und Gnesen mit der deutschen Regierung bestanden“ und rühmte den Muth und die Festigkeit, die er dabei bewiesen. Der Kampf, schloß er, dauere zwar in Deutschland und auch in Italien und anderen Orten noch fort, es unterliege aber keinem Zweifel, daß die Braut Jesu Christi siegreich daraus hervor⸗ gehen werde.“ Der Kardinal dankte dem General und seinen Ordensbrüdern für die wohlwollende Gesinnung, die sie ihm entgegenbrächten, betheuerte, er werde stets für die Wahrheit und Gerechtigkeit gegen ketzerische Lügen und Gewaltthätigkeiten

kämpfen“, und sprach feine Freude darüber aus, daß ihm der

Papst S. Maria in ara Coeli als Titularkirche angewiesen habe,

weil sit auf den Trümmern des Kapitols steht, von wo aus die Römer die ganze Welt erobert und beherrscht hätten, um sich hernach vor dem Kreuze zu beugen. „Wie viele, rief er, haben den kapitolinischen Berg erstiegen und hofften die Kirche beherrschen zu können, sie wurden aber vom Gipfel des Ruhmes in den Abgrund des Elends gestürzt, wie sonst die römischen Verbrecher vom nahen tarpejischen Felsen, während das von der Mutter Konstantins hier aufgerichtete Kreuz maje— stätischer als je dasteht. Sammeln wir uns muthig und fieges⸗ freudig um dasselbe und wir werden gewiß über die Feinde der Kirche siegen!“

Türkei. Dem Wiener Telegraphen⸗orrespondenz⸗Bureau⸗ wird aus Konstantinopel gemeldet: Nach den letzten hier ein⸗ gegangenen Telegrammen sind die bulgarischen In surgenten in mehreren Gefechten geschlagen worden; namentlich erlitten dieselben bei Otylykeni (?) große Verluste; es haben zahlreiche Unterwerfungen stattgefunden. Die türkischen Truppen bereiten einen Angriff auf die von den Insurgenten besetzte Ortschaft Aprel-Ahan vor. Die in den Balkan geflüchteten Insurgenten werden von den Truppen verfolgt. In der Umgebung von Tatar⸗Bazardsjik und Philippopolis sind gegen 135,000 Mann Truppen zusammengezogen.

Rumänien. Bu karest, 16. Mai. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer ist aufgelöst und der Senat ver⸗ tagt worden. Die Neuwahlen für die Kammer sollen in 3 bis 4 Wochen stattfinden.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 14. Mai. Der gestrige ‚Golos“ äußert sich über die letzten Debatten im englischen Parlament in Betreff der Interpellation Coch⸗ rane's über die Annexion Kokands durch Rußland folgender— maßen: „Abgesehen von dem großen politischen Interesse, welches mit diesen Debatten im englichen Unterhause über die Beziehungen Englands zu Rußland verbunden ist, die uns beweisen, wie diese durchaus nicht so schlecht sind, als die Feinde Rußlands und des Friedens vorausfetzten, sind Für uns besonders interessant, die bei dieser Gelegenheit offenbar ge⸗ wordenen Gesichtspunkte der englischen Regierung in Betreff des Spezialobjekts dieser Debatten der Ausbreitung der russischen Herrschaft in Mittelafien. . . Der englische Minister erklärte in der posfitivsten Weise, daß ein Depeschenwechsel, d. h. überhaupt Anfragen Seitens Englands an Rußland wegen Kokands nicht habe ftattfinden können, weil Rußland ein ebenso unbestreit⸗ bares Recht besitzt, seine Herrschaft in Mittelasien auszudehnen und damit ebensoviel für das Wohl der Menschheit thut, als England in Indien. . .

Alles dies wird ohne Zweifel von unserer Gesellschaft mit Vergnügen gehört worden sein . . . Die Nachricht von dem Aufhören aller Unterredungen zwischen der russischen und englischen Regierung über mittelasiatische Angelegenheiten, kann der russischen öffentlichen Meinung nur angenehm sein, um so mehr, als diese Un⸗ terredungen zu nichts Weiterem führten und führen konnten als zu einer Verwirrung der Beziehungen und zu gegenseitigen Mißverständnissen zwischen zwei Staaten, welche in Freundschaft mit einander zu leben wünschen . ..

Was auch geschehen mag, die friedliche Demonstration des Premiers des englischen Kabinets macht den Wunsch rege, daß dieselbe zu einer freundschaftlichen Annäherung zwischen England und Rußland dienen möchte, welche zur Befestigung des Friedens viele denkende Politiker in England sowohl als in Rußland heiß ersehnen und welche als gleich nothwendig für die beiderseitigen Interessen sich erweist.“

Die Ableistung der allgemeinen Wehrpflicht, wie fie mit dem 1. Januar 1874 eingeführt worden, ist gegenwärtig auf alle Stände und Volksstämme des russischen Reichs ausgedehnt. Etwaige Ausnahmen beziehen sich nur auf einige entfernt lie⸗ gende oder neu eroberte Gebiete und auf fremdländische Völker⸗ stämme, die bisher gänzlich vom Militärdienst befreit waren; für diese sollten bezüglich Ableistung der Wehrpflicht besondere, den resp. lokalen Verhältnissen entsprechende Bestimmungen festgesetzt werden. Zu der Zahl der fremdländischen Stämme gehören die Kirgisen des Ural⸗ und Turgaygebietes, denen bei Eintritt in den rus⸗ sischen Unterthanenverband Befreiung vom Militärdienst ver⸗ sprochen worden war. Gegenwärtig soll nun in den Regierungs⸗ kreisen die Heranziehung auch dieser Stämme zum allgemeinen Kriegsdienste in Berathung gezogen werden. Da aber die Firgisen, ihrer Lebensweise und ihren nationalen Eigenthüm⸗ lichkeiten nach zum Eintritt in die reguläre Armee weder geneigt noch geeignet sind, so beabsichtigt man, nach der „Now. Wr.“ für sie die Bestimmungen für die Ableistung der Wehr⸗ pflicht ähnlich wie es für die Mennoniten geschehen, zu modifi⸗ ziren. Anstatt zum allgemeinen Kriegsdienste, sollen die Kir⸗ gisen zur Bildung von Polizeiwachen, zu Reitern des Forst⸗ kommandos oder zur Zahl der Dshigiten, welche mit Anbruch des Frühlings die Südgrenze gegen Chiwa und die Turkmenen zu bewachen haben, benutzt werden.

Ueber die Stimmung der Bevölkerung des Ferghana Gebietes melden die ‚Turkest. Wed.“ Nachstehendes:

Allerorts kehrt die Bevölkerung zu ihren friedlichen Beschäftigun⸗ gen zurück; lauf wird der Freude Ausdruck gegeben, daß die, für den Landbau so wichtige Zeit des Frühlingsbeginns noch nicht vorbei und verloren ist. Der schneereiche und kalte Winter dieses Jahres und die reichliche Menge des Schneewassers in den Bergen versprechen eine ergiebige Einte, welche die Bevölkerung wieder aus der traurigen Lage reißen wird, in welche sie der wahnwitzige Kampf gebracht, ein Kampf, den Abenteurer und Fanatiker, wie Pulat⸗ Beg, Abdul - Gafar, Adbdurachman - Awtebatschi und Andere heraufbeschworen. Wie russische Kaufleute. mittheilen, ist auch der Handel bedeutend lebhafter geworden, und namentlich in den Städten Kekand und Margelan ist ein Aufschwung bemerkbar, wie er bisher noch nicht dagewesen. Bevor eine beständige Stenerordnung für die Eingeborenen eingeführt eist eine Säcket Verwaltunz errichtet. Als Beamte der dortigen Tan zstration sind schon überall zuver⸗ laͤssige Personen aus den Eingẽbotenen ernannt worden. Die Haupt punkte des Ferghanagebietes sind durch hinreichend starke Garnisonen ficher gestellt warden; in Namangan, Tschust, in den Städten Ko— kand, Margelan, Andidshan und Oscha stehen Truppen.

Auf dem wasserreichen Gebiete zwischen dem Katagan Thore und dem Ssary tali in Kekand soll eine russische Stadt und Befestigung erbaut werden. Zeitweilig wird die Citadelle e m. Stadt Kokand mit dem fiüheren Palast des Chans als Befestigung und Schutzwehr benutzt. Um eine Postrerbindung mit Fhodihrnt herzu— ellen, hat man, wie be kannt, sich bereits an das Ministerium des . gewandt; vorläufig besteht eine Art Postverbindung, die aus Lokalmitteln eingerichtet ist. In dem ganzen Gebiete herrscht Ruhe. Der Beherrscher von Karategin li den Pulat Chan nicht mehr in sein Gebiet, da er dessen Ohnmacht wohl gesehen, und hat sogar die günftige Gelegenheit wahrgenommen, ihm all sein Hab und Gut mit Gewalt abzune hmen. Segenwärtig soll eine Gesanttschaft aus Karategin zum General Lieutenant Kolpakowstij nach Kokand gekommen fein. Eine folche hat auch Jakub ⸗Beg von Kaschgar, der sich bisher sehr vorsichtig und mißtrauisch verhielt, abgesandt. Die Hauptanführer des heiligen Krieges find ebenfalls in unseren Händen.

Statistische Nachrichten.

Die Beschäftigung der Gefangenen in den zreu⸗ ßischen Strafanst alten am 1. Dezember 1875. (Stat. Corr.) Um die Angaben zu vervollständigen und zu berichtigen, welche durch die Gewerkezählung vom 1 Dezember 1875 über den derzeitigen Stand der Betriebsstätten des Gewerbflrißes erlangt wurden, mußten auch eingehende Nachrichten über diejenigen Arbeiten eingezogen wer— den, die von den Gefangenen in den preußischen Strafanstalten für private Gewerbtreibende gegen Lohn ausgeführt werden. Es hat sich dabei ergeben, daß am Tage der Zählung im Ganzen 16,592 Straf⸗ gefangene 14375 männliche und 2217 weibliche fur rie Rech⸗ nung privater Gewerbtrribender arbeiteten und zu folgenden Arbeiten angehalten wurden, deren Aufzählung erkennen läßt, welche Lösung das schwierige Problem einer geeigneten Beschäftigung der Gefan—⸗ genen heute in den preußischen Strafanstalten gefunden hat.

Es wurden am 1. Dezember 1875 Strafgefangene beschäftigt: mit landwirthschaftlichen Arbeiten 25 männl,, mit Steinarbeiten (außerhalb der Strafanstalt) 58 männl, in Kalkbrennereien und Kalkbrüchen 33 männl., in Ziegeleien 120 männl, mit Silberpolicen 1ẽ männl., mit Plombengießen 2 männl., mit Gelbgießen, Klempner—⸗ arbeiten und Fertigung von Metallknöpfen 379 männl., mit Arbeiten für Kessel⸗ und Nagelschmiede 113 männl. mit Schlosser rbeiten 362 männl., mit Fertigung von Eisenwaaren und Maschinen zl männl., mit Visirfeilen 77! männl., mit Fertigung von Reißzeugen 34 männl., mit Fertigung von Uhren 219 männ, mit Fertigung von Lampen 72 mänal., mit Fertigung von Wachsstöcken und Nachtlichten 33 männl., U weibl., mit Seidenweben 294 männl., 4 weibl, mit Hasveln von Wollgarn und Sortiren von Wolle 7 männl, 20 weibl., mit Tuch⸗ und Bukskinweberei 11 männl., mit Teppichweben 216 männl, 34 weibl, wit Weben von Leinen und Halbleinen 599 männl., 36 weibl., mit Juteweberei 98 männl, mit Spinnen 51 männl., 13 wöbl., mit Spulen 74 männl., 131 weibl., mit Baumwollweberei 499 männl., 26 weibl., mit Stricken von Strümpfen 42 männl., 142 weibl, mit Filet. und Wollarbeiten 92 weibl., mit Tapisserie⸗Arbeiten, Weiß⸗ und Applikationsftickerei 11 männl., 463 weibl., mit Posamentirarbeiten 253 männl., mit Seilerarbeiten 53 männl., davon außerhalb der Anstalt 33 männl., mit Stricken von Netzen 470 männl, 90 weibl., in Gerbereien 166 männl, mit Buchbinderarbeiten und Kleben von Düten 1694 männl, 24 weibl., davon außerhalb der Anstalt 4 männl, mit Riemer⸗ und Sattlerarbeiten 498 männl., 15 weibl., mit Schneiden und Spalten von Holz 74 männl., mit Schneiden von Holjleisten und Fertigung von Holzpantoffeln 1330 männl., mit Böttcherarbeiten 12 männl., mit Strohflechten und Fertigung von Matten 37 männl., mit Korkmacherarbeiten 376 männl., mit Horn und Elfenbein Drechslerei, Fertigung von Spielwaaren und Kleiderhalten 323 männl., 5 weibl., mit Koꝛtkschneiden 60 männl, mit Fertigung von Bürsten 480 männl, mit Holz- schnitzerarbeiten und Fertigung von Spiegelrahmen 296 männl, mit Cigarrenarbeiten 2037 männl., 280 weibl, mit Nähen und Steppen 304 männl,, 401 weibl., mit Schneider⸗ arbeiten 390 männl, 3 weikl., mit Sortiren von Schmuckfedern und Fertigung künstlicher Blumen 46 männl, 63 weibl., mit Watten⸗ und Filzfabrikation 117 männl., mit Handschuhnähen 9 männl., 238 weibl., mit Fertigung von Korsets 20 männl, mit Schuhmacher Arbeiten 11064 männl., mit lithographischen und Druckerarbeiten 75 männl., mit Kaffeeauslesen 11 männl., 7 weibl., mit Abfuhr von Schutt (außerhalb der Anstalt) 12 männl., mit Federnreißen 238 mänrl, 123 weibl., mit Sortiren von Pflanzenhaaren 34 männl., mit Tauezupfen 37 männl, mit Wergzupfen 94 männl., 6 weibl.

Die Nachrichten über Industrie, Handel und Verkehr“ aus dem statistischen Departement im K. K. Handels- Minifsterium III. Band IV. Heft (Wien 1876, Ferd. Meyer) enthält: Statistik der österreichischen Industrie: Industriz in Nah— rungemitteln und sonftigen Verzehrungsgegenständen; Zuckerindustrie, Syruperzeugung, Biererzeugung. Industrie in gebrannten geistigen Flüssigkeiten, Mühlenindustrie, Tabakfabrikation, Industrie in Kaffee⸗ surrogaten, Chokola den 2c, Konditorwaaren, Brod und Teigwerk, Eisen⸗ induftrie.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Der Allg. Itg.“ schreibt man aus Nürnberg, 11. Mai; „In erfreulicher Weise findet das Germanische Museum fert währende Anerkennung. Neuerdings hat sich der Deutsche Kaiser bereit erklärt, für die Jahre 1876 —- 1878 einen Jahresbeitrag von 1500 M für die Zwecke des Museums im Allgemeinen und ron b00 . für die Hohenzollern Stiftung zu leisten. Ebense ist zu be⸗ berichten, daß die Subskriptioneliste, welche der Ober ⸗Ceremonien= meister Graf Stillfried in Berlin in Umlauf zesetzt hat, um dem Maäseum die Mittel zur Erwerbung einer Sammlung auherordentlich seltener Kupferstiche zu verschaffen, schon sehr namhafte Beträge auf⸗ weist. So hat Bankier Bleichröder einen Betrag von 3009 , Frhr. v. Diergardt in Bonn 3000 „, v. Schäffer ⸗Voit in Berlin z MQ , Dr. F. Oetker 1500 4 gezeichnet.“

Die Restaurations beiten an der Fazgade des Münsters zu Straßburg nthmen ihren stetigen gesicherten Fortgang und werden den Sommer über in ausgedehnterem Umfange weitergeführt. In den letzten Tagen wurde im 2. Stockwerke der weftlichen Basts des fertigen Thurmes ein gänzlich neuer Dekorationsgiebel mit einer Bischofe figur in ebenso reicher, als zierlicher Steinarbeit fertig geftellt. Die großen Nischen oberhalb und rings um den Unterbau beider Thürme sollen zum Theil im Laufe des Sommers mit den seit län— gerer Zeit fertigen Reiterstandbildern, entsprechend den vier bereits vorhandenen geschmückt werden.

Der erste internationale Kongreß für prähistorische Anthropologie und Archäologie findet vom 4. September bis zum 41. desselben Monats d. J., unter dem Protektorat des Erz- herzogs Joseph, in Budapest statt. Von dem Präsidenten des⸗ selben, Franz Pulszky, Präsidenten der pbilologischen Sektion und ez archäYlogischen Comité; der ungarischen Akademie, General⸗ Inspektors der Museen und Bibliotheken das Königreichs Ungarn und Präsidenten der Gesellschaft für schöne Künste in Budapest, sind die Einladungen nebst Programm an mehrere deutsche Gelehrten er zangen. Die Verhandlungen bei dem Kongreß werden in französi⸗ scher Sprache geführt.

Der „Piccolo“ von Neapel berichtet, daß der Professor Momm sen in Arpino eine Cajus Marius betreffende und bisher ganz unbekannt gebliebene Inschrift entdeckt hat und ee mit der Entzifferung einiger aus den Zeiten der römischen Rpubli herrührender Inschriften beschäftigt ist.

Gewerbe und Sandel.

Der Jahresbericht der Erdmann dorfer Aktien

sellschaft für Flachsgarn⸗Maschinenspinnerei und berei bezeichnet das letzte Jahr als ein ür, die Leinen⸗Industrie be⸗ sondert ungünstiges. Der Bestand auf Spinnerei Lager betrug: J. ZJannar 1875 7626 Schock. Produktion 20736 Schock, Total 283352 Schock, gesammter Ausgang 21.3892 Schock, Bestand am 31. Dezember 1855 6470 Schock. Der Gesammtabsatz an Leinen und Garn ergab den Betrag von 3, 932,404 , oder ca. 700 000 ν we- niger alt im Vorjahre, eine Folge theils des ruhigen Geschafts⸗ ganges, theils der Entwerthung der deinen · Arne. Nach Berücksich⸗ tigung der 5 Jo Zinsen für die eine Million Thaler Prioritäten ver- bleibt ein Reingewinn von 159,544 S Eine Dividende wird nichts—⸗ destoweniger kaum zur Vertheilung gebracht werden.

In der außerordentlichen Generalversammlung der Stral-⸗ sunder Dampfmühlen-Aktiengesellschaft vom 11. d. M. wurde der Antrag des Aufsichtsraths, das Aktienkapital durch Erwerb und Vernichtung von 100 00 Thlr. Aktien um einen gleichen Betrag zu reduziren, einstimmig angenommen. Demgemäß wied einer Anzahl von Aktionären, mit denen ein bezügliches Abkommen hierüber be⸗ reits getroffen ist, gegen Hingabe ven 1000 Stück Aktien eine zu zweiter Stelle (nach 2000 Thlr.) stehende, der Gesellsckaft gehörige

und auf dem hiesizen Etablissement haftende Hypothek von 3099 Thlr. abgetreten und ihnen mit 5. Fro Anno verzinst werden. Die