Als dritter Gegenstand war auf die Tagesordnung gesetzt der mündliche Berscht der Justizkommisston über den Gesetz⸗ entwurf, betreffend die Einführung der Kreisordnung
vom 13. Dezember 1872 in, den Grafschaften Wernigerode und Stolberg. Der Berichterstatter Pr. Dernburg beantragte Namens der Kommission:
I) den Gesetzentwurf in der Fassung des Hauses der Abgeord⸗ neten unverändert anzunehmen; ?) die Petition des Grafen Alfred zu Stolberg durch den gefaßten Beschluß für erledigt zu erklären. An der Generaldiskussion über die Vorlage betheiligten sich ferner die Herren v. Witzleben, v. Knebel⸗Döberitz, Becker (Dort⸗ mund) und Baron Senfft v. Pilsach, sowie der Regierungs⸗ Kommissar Geheimer Regierungs⸗Rath v. Brauchitsch. Auch der Minister des Innern, Graf zu Eulenburg, griff in die Debatte ein. In der Spezialdiskusston nahm zu §. 1 Herr v. Knebel -Döberitz nochmals das Wort, worauf dieser Paragraph in einer von Gr. Franz zu Stolberg Wernigerode beantragten namentlichen Abstimmung mit 54 gegen 37 Stimmen angenommen wurde. Mit gleicher Majorität wurden auch die übrigen Paragraphen des Gesetzes ohne jede Debatte angenommen.
Bei Schluß des Blattes begann die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Uebertragung der Eigenthums⸗ und sonstigen Rechte des Staats an Eisenbahnen auf das Reich.
— In der heutigen (60) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher am Ministertische mehrere Regierungs⸗ Kommissarien beiwohnten, beantragten nach einigen geschäftlichen Mittheilungen des Präsidenten die Abgg. v. Benda und Osterrath den Gesetzentwurf, betreffend die Deckung der für die Weiterführung und Vollendung der Bebra-Fried⸗ länder Eisenbahn erforderlichen Geldmittel, an die Budgetkommission zu verweisen, worin ihnen das Haus beitrat. Es folgte die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Verwaltung der den Gemeinden und öffentlichen Anstalten gehörigen Holzungen in den Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen und Schlesten. Der Abg. Osterrath beantragte die Verweifung der Vorlage an die Agrarkommission, der Abg Schmidt (Stettin) die Verweisung derselben an eine besondere Kommission, während die Abgg. Rickert, v. d. Recke, Lauenstein und Graf Matuschka zwar sachlich sich auf den Standpunkt des Abg. Osterrath stellten jedoch in Betreff der Verweisung an eine Kommission mit dem Abg. Schmidt übereinstimmten. Die Vor⸗ lage wurde an eine Kommission von 14 Witgliedern ver— wiesen. Nächster Gegenstand der Tagesordnung war die dritte Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Ge⸗ schäftssprache der Beamten, Behörden und politi— schen Körperschaften des Staates. Den Abgg. Wachler (Schweidnitz) und Wierzbinski, welche gegen das Gesetz sprachen, trat der Abg. v. Tempelhoff entgegen. Der Abg. Wierzbinski bekämpfte mit Leidenschaft die Vorlage. Der Regierungs kommissar Geheimer Regierungs⸗Rath Herrfurth wies diese Angriffe als unberechtigt zurück und sprach die Hoffnung aus, daß die Vor⸗ lage durch Ausgleichung der nationalen Differenzen dem Lande zum Segen gereichen werde. Der Abg. Dr. Aegidi schloß sich dieser Auffassnng an, indem er eine Erwiderung auf die leidenschaftlichen Aeußerungen des Abg. Wierzbinski als unter der Würde des Hauses ablehnle. Der Präsident v. Ben⸗ nigsen erklärte, daß er jene Aeußerungen des Abg. Wierzbinski, die wiederholt über die Grenzen des parlamentarisch Erlaubten hinausgegangen, nur deshalb gestattet habe, weil er geglaubt, der preußische Staat sei stark genug, um auch solche Angriffe ruhig zu ertragen. — Beim Schluß des Blattes ging hierauf das Haus zur Spezialberathung der Vorlage über.
— Die Einnahmen an Zöllen und gemein⸗ schaftlichen Verbrauchssteuern im Deutschen Reich
haben für die Zeit vom 1. Januar bis zum Schlusse des Monats April 1876 werglichen mit demselben Zeitraum des Vorjahrs) betragen: Zölle 37, 656,306 66 C -— 556,455 S6, Rübenzucker⸗ steuer 22,742,517 ( 10622, 174 Sc), Salzsteuer 9,750, 261 6 C 187,266 66, Tabaksteuer 354532 6 (CK 93095 (66, Branntweinsteuer 18,189, 188 66 (— 326,788 66), Uebergangs⸗ abgaben. von Branntwein 41,764 s6 (4 4132 6), Brausteuer Il 95. I8 M ( 188453 66, Uebergangsabgaben von Bier 306,402 S ( 8138 S6. Zusammen Y4. 239, 754 ( 9845, 483 ).
— In den deutschen Münzstätten sind bis zum 13. Mai 1876 geprägt: an Goldmünzen: Eko ch lo, Doppelkronen 320 405,050 M Kronen; hiervon auf Privat⸗ rechnung: 1700774445 MS; an Silbermünzen: 42917, 19g0 0 5⸗-Markstücke, 132,876 475 6 1⸗Markstücke 23 990, 343 6 50 3 50 Pfennigstücke, 24 059, 508 606 S0 33 20⸗Pfennigstücke; an Nickelmünzen; 16937 46640650 3 10⸗Pfennigstücke, 9 400178 0 3 5 Pfennigstücke; an Kupfermünzen: 5,448,778 ( 3 8 2⸗Pfennigstücke; 3002, 196 M 47 3 1⸗Pfennigstücke. Gesammtausprägung; an Goldmünzen: 1,401,454 650 S6; an Silbermünzen; 223 843,617 S 30 Z; an Rickelmünzen: 25.437, 345 66 20 ; an Kupfermünzen: 8, 450,884 S 55 8.
—. In Ter heutigen Börsen⸗Beilage befindet sich di tabellarische Uebersicht der Wochen⸗Ausw fe 2641 enn ö Zettelban ken vom 15. d. M. Dieselbe schließt mit folgenden summarischen Daten: Es betrug der Kassenbestand der 19 Banken der Tabelle 764,433, 000 6, d. h. gegen die Vor⸗ woche mehr 19079, 000 S6; der Bestand an Wechseln mit 635,118,000 6 zeigt gegenüber dem Status der Vorwoche eine Abnahme um 25 886,060 S6; die Lombardforderungen mit 93,436,009 66 haben sich um 13392, 0090 S6 gegen die Vor⸗ woche verringert; der Notenumlauf stellte sich auf 03, 287 000 t, d. h. 8,858, 900 S weniger als in der Vorwoche. Die täglich fälligen Verbindlichkeiten im Betrage von 190,764 000 S wei⸗ sen eine Vermehrung um 6131, 000 6 auf, während die an n Kündigungsfrijt gebundenen Verbindlichkeiten in Höhe von 162,093,000 66 sich um 732 000 S6 verringert haben.
Die Vorschriften der Generalsynodal⸗Ordnung Abschnitt VI machen für die nach der Kirchengemeinde⸗ u Hr n Ordnung vom 19 September 1873 in Funktion ftehenden Kreis—⸗ synoden eine Reorganisation rücksichtlich der gewählten Mit⸗· glieder erforderlich (6. 43 Nr. 3 das.). Diese betragen künftig die doppelte Anzahl der nach §. 43 Nr. 2 daf. als vollberech= tigte Mitglieder an der Kreissynode Theil nehmenden Geistlichen und zerfallen in zwei gleiche Hälften. Die eine Hälfte entspricht. dem Maße der Betheiligung, welche allen einzelnen Gemeinden des Synodal kreises durch ihre Geistlichen an der Kreissynode zukommt; es hat daher jede Gemeinde eben so viele Personen, als sie stimmberechtigte Geistliche in der Kreis synode hat, aus dem Bereiche ihrer derzeitigen oder früheren Aeltesten zu erwählen und als Synodalmitglieder zu entsenden. Die andere Hälfte, deren
aus den angesehenen, kirchlich verdienten und erfahrenen Män⸗ nern geistlichen oder weltlichen Standes, welche dem Synodal⸗ kreise angehören, zu erfolgen hat, soll von den an Scelenzahl stärkeren Gemeinden abgeordnet werden. 6 bedarf es für jede. Kreissynode, einer individuellen Feststellung, durch welche die einzelnen Gemeinden, die an der Wahl dieser Hälfte zu betheiligen find und die Zahl der ihnen beizulegenden Abgeordneten bestimmt werden. Nach Vor. schrift der Synodalordnung soll hierbei die Seelenzahl als An— halt dienen, so jedoch, daß neben dieser auch die örtlichen Ver⸗ häͤltnisse der Gemeinden und des Kreises Berücksichtigung finden. Es wird daher nach einem Cirkularerlaß des Svangelischen Ober⸗Kirchenraths nächst der Seelenzahl auch die durch die besonderen Umstände bedingte Bedeutung der einen oder anderen Gemeinde in Betracht zu ziehen und, was die Verhältnisse des Kreises anlangt, dahin zu streben sein, daß weder einer Gemeinde die Majorität sämmtlicher Synodalmitglieder zufällt, noch umgekehrt, wenn etwa in einem Kreise nur eine bedeutendere Gemeinde vorhanden ist, diese durch zu weit gehende Be⸗ theiligung kleinerer Gemeinden den letzteren gegenüber in eiu offenbares Abhängigkeitsverhältniß versetzt wird. Die Repar⸗ tition fällt für das erste Mal dem Königlichen Konsistorium, in seiner Verstärkung durch den Provinzialsynodal-Vorstand, nach gutachtlicher Anhörung der Kreissynodal⸗Vorstände zu. Die Konsistorien sind daher beauftragt worden, zunäͤchst die Seelen⸗ zahl der einzelnen Gemeinden festzustellen und nach den vorher besprochenen Gesichtspunkten über die Betheiligung derselben an der Wahl der zweiten Hälfte der gewählten Deputirten einen Plan zu entwerfen, der dann der gutachtlichen Beurtheilung der Kreissynodal⸗Vorstände mit Rücksicht auf die örtlichen Ver⸗ hältnisse zu übergeben ist. Nach Eingang dieser Gutachten hat dann die schließliche Feststellung der Vertheilung unter Zuziehung des Provinzialsynodal⸗Vorstands zu erfolgen.
Zugleich hat der Evangelische Ober⸗Kirchenrath die Auf⸗ merksamkeit der Konsistorien auf die Vorschrift im Schlußabsatz des §. 43 a. a. O., betreffend die Theilung größerer Diözesen gelenkt. Es sei unumgänglich, auf dem Wege der Theilung so viel als möglich dem Mißstande vorzubeugen, daß eine Kreissynode zu einem Personalbestande anwächst, der mit ihrem Geschäftskreis in keinem Verhältniß steht und die gedeihliche Führung ihrer Verhandlungen hindert. In dieser Be⸗ ziehung werde keine bestimmte Zahl bezeichnet, weil die konkreten Verhältnisse hierbei in erster Stelle in Betracht kommen müssen; wenn in der Regel ein Personalbestand der Synoden von gegen 50 Mitgliedern als der wünschenswerthe zu betrachten sei, so würden in einzelnen Fällen erhebliche Ueberschreitungen, wenn unvermeidlich, noch getragen werden können.
— Der Vorstand der Feldgemeinde G. hatte, ohne durch den Gemeindebeschluß ermächtigt zu sein, an einem Privat⸗ wege eine Warnungstafel aufstellen lassen, nach welcher alles, nicht „zu landwirthschaftlichen Zwecken“ dienende Fuhrwerk von der Benutzung des fraglichen Weges ausgeschlossen sei. Das Ober⸗Tribunal hat in der Sitzung vom 27. April d. J. dieses Verbot für wirkungslos erklärt, weil es als eine selbst⸗ verftändliche Voraussetzung des 5. 368 Nr. 9 des Reichs⸗Straf⸗ gesetzbuches betrachtet werden müsse, daß die einen Privatweg absperrende Warnungstafel von einer hierzu berechtigten Person aufgestellt sei, im vorliegenden Falle aber der ermächtigende Gemeindebeschluß fehle.
t 2 n.
— Der General⸗Felhmarschall Herwarth-⸗ von Bitten feld ist von Bonn hier eingetroffen und im British⸗Hotel ab⸗ gestiegen.
— Der General Lieutenant von Voigts ⸗Rhetz, la suite des Königs⸗Grenadier⸗Regiments (2. Westpreußisches) Nr. 7 und Commandeur der 20. Division, ist nach beendigtem Urlaub nach Hannover zurückgekehrt.
— Der Contre-Admiral Batsch, Chef des Stabes der Kaiserlichen Admiralität, hat sich nach Wilhelmshaven begeben, um dort das Kommando über das Mittelmeer -⸗Geschwader zu übernehmen.
— Der Kaiserlich russische General-⸗Adjutant Baron 2 ist gestern Abend aus St. Petersburg hier ein⸗ etroffen.
— S. M. S. „ Elisabeth“ ist am 18. d. Mts. Behufs Ueberführung nach Kiel, in Danzig in Dienst gestellt. ö. .S. M. Knbt. „Comet“ ist am 18. d. Mts. Nach⸗ mittags von Kiel nach dem Mittelmeer in See gegangen. S. M. Kbt. „Nautilus“ ist am 19. 8d. Mts. früh in Port Said eingetroffen und beabsichtigte noch an demselben Tage nach Konstantinopel in See zu gehen.
Hannover, 17. Mai. Die hannoversche Landes⸗ syno de nahm heute nach mehrwöchentlicher Vertagung ihre Berathungen wieder auf zur Erledigung des allein noch rück⸗ ständigen Gegenstandes, des Gesetzeniwurfs über kirchliche Trauungen. An der Spitze des Gesetzes steht der Satz: Die kirchliche Trauung hat die rechtsgültig geschlossene Ehe zur Vor— aussetzung. Der Antrag auf Streichung des Satzes wurde ge⸗ gen eine Minderheit von nur 6 Stimmen abgelehnt, und damit das Hauptbedenken wider den Entwurf beseitigt.
Bayern. München, 18. Mai. Die Bevölkerung Mün⸗ chens hat die ihr durch die dermalige Kammermehrheit auf⸗ gedrungene neue Landtagswahl heute vollzogen. Wenn Hr. Abg. Wülfert in der Kammersitzung vom 4. d. äußerte: „Wenn die hiesigen Wahlen kassirt werden, so wird München die rechte Ant⸗ wort geben“, so ist, wie die „Allg. Ztg.“ hervorhebt, diese Prophe⸗ zeiung heut im vollsten Maß in Erfüllung gegangen. „Die Zahl der liberalen Wahlsiege, die wir seit einer Reihe von Jahren bei den Reichstags⸗, wie bei den Landtags⸗ und Gemeindewahlen errungen haben, ist heut um einen neuen vermehrt worden. Bayerns Haupt⸗ und Residenzstadt hat ihre liberale Gesinnung von neuem glänzend bewährt. Nach vorläufiger Zusammenstellung wurden bei der heutigen Wahl 9950 libe⸗ rale und 4900 ultramontane Stimmen abgegeben, und wurden von 49 Wahlbezirken 249 liberale und von 7 Wahlbezirken 35 ultramontane Wahlmänner gewählt. Bei der letzten Wahl im Juli 1875 war das Ergebniß: 9812 liberale und 6878 ultra—⸗ montane Stimmen, und waren damals von 44 Wahlbezirken 228 liberale und von 12 Wahlbezirken 56 ultramontane Wahl⸗ männer gewählt. Das Ergebniß der heutigen Wahl ist demnach eine starke Niederlage der ultramontanen Partei, eine Niederlage wie sie dieselbe nicht erwartet hat. — Eine Nachschrift des Korrespondenten besagt, daß 10035. für Liberale, 5007 für
Ultramontane gestimmt haben. — Die „Südd. Pr.“ meldet: Die Nachricht einer hiefigen einer Seitens der Subkommission des
Wahl ohne Beschränkung auf derzeitige oder frühere Aelteste
Arbeiten ist vollständig unbegründet. Die Subkommission hat erst eine Sitzung gehalten und ist in derselben in ihrer Aufgabe, der Beendigung der Wahlkreiseintheilung, nicht weit gekommen. Weiteres verlautet zur Zeit nicht. — Ueber die Civillisten⸗ frage soll in einer Sitzung der liberalen Fraktion und einer Zusammenkunft der Führer beider Kammerparteien jetzt eine Einigung erfolgt sein.“
Der llerikale „Bayerische Kurier“ rügt die Angriffe der liberalen Presse auf das angestrebte Wahlbündniß der Klerikglen mit den Sozialdemokraten, bezeichnet aber nichtsdestoweniger ein Bündniß zwischen „der bayerisch-patrio⸗ tischen und sozialiftischen Partei als eine Unnatur, theoretisch verwerflich und zudem praktisch ohne Erfolg“.
= Zur Frage der Neubildung einer Mittel partei theilt eine hiesige Korrespondenz aus bester Quelle! Folgendes mit: Sofern die erwähnten Zeitungsnachrichten nämlich von einer Neubildung der ehemaligen, wesentlich ministeriellen Mittelpartei sprechen sollten, müßte dies entschieden dementirt werden. Es ist allerdings im Kreis von angesehenen und ein— flußreichen Personen der Stadt München, ebenso von solchen in den Provinzen, der Wunsch ausgedrückt worden, eine neue Mittelpartei ins Leben zu rufen, die mit der Zeit geeignet wäre, das Land aus der gegenwärtigen Parteimisere herauszubringen, und wieder bessere öffentliche Zustände, vor Allem aber Frieden unter den Konfessionen herzustellen. Es haben zu diesem Zwecke auch schon Besprechungen stattgefunden, und ist zu hoffen, daß in nicht zu ferner Zeit eine solche Partei, und zwar auf wirthschaftlich⸗ständischer Grundlage, auf den öffentlichen Kampfplatz treten werde.“
Sachsen. Dresden, 18. Mai. Da die Leipziger Bank ihre Noten zu 100 S6 aus dem Verkehre zurückzieht und nur noch bis Ende Juni d. Is. einlöst, sind sämmtliche Staatskassen angewiesen, dergleichen Noten nicht mehr anzu⸗ nehmen. Bei dieser Gelegenheit machen die Ministerien durch eine Bekanntmachung noch besonders darauf aufmerksam, daß von dem Papiergelde, welches nach der Verordnung sämmt⸗ licher Ministerien vom 8. Dezember v. Is., die Annahme von Papiergeld betreffend, unter 42. bei allen Staatskassen unbe⸗ schränkt anzunehmen ist, die Noten der land ständischen Bank zu Bautzen und die Kassenscheine der Leipzig⸗ Dresdner Eisenbahn⸗Esmpagnie nur innerhalb des Königreichs Sachsen zu Zahlungen verwendbar sind, dagegen zu Leistung von Zahlungen außerhalb Sachsens nicht, verwendet und daher auch nicht nach außersächsischen Orten in Zahlung gesendet werden dürfen. Zuwiderhandlungen gegen diese gesetz⸗ liche Bestimmung werden nach §. 56 des Bankgesetzes mit Geld⸗ strafen bis zu 150 6 bestraft.
— ID. J) Die Zweite Kam mer beschloß in ihrer heu⸗ tigen Sitzung zunächst ohne Debatte, der Staatsregierung die Ermächtigung zu ertheilen, eine mittelst Dekrets vom 29. März 1876 vorgelegte neue Gebührentage für die Kostenberechnungen der Verwaltungsbehörden erster Instanz unter Berücksichtigung
verschiedener von der Gesetzgebungsdeputation vorge⸗ schlagener Abänderungen auf dem Verordnungswege zu publiziren, diese Ermächtigung auch auf etwaige Er⸗
gänzungen und spätere Nachträge zu erstrecken, ferner die Staatsregierung zu ersuchen, in Erwägung zu ziehen, ob eine Revision der Gebührentage für Baupolizeisachen, insoweit selbige sich auf die Gebühren der Bausachverständigen bezieht, angezeigt erscheine, beziehentlich die Staatsregierung zur Vor⸗ nahme dieser Revision zu ermächtigen. Hierauf wurde die Be⸗ rathung des Gesetzentwurfs über die höheren Unterrichtsanstalten zu Ende geführt. Das Resultat derselben war allenthalben die Annahme der Deputationsanträge unter Ablehnung aller Amendements, unter welchen der Antrag des Abg Käuffer auf Verlängerung des Kursus der Realschulen J. Ordnung von 8 auf 9 Jahre eine längere Diskussion veranlaßte.
— Heute Vormittag kam mit dem Courierzuge aus Lindau der General⸗Feldmarschall Graf Moltke hier an, verweilte bis ö 31 dem böhmischen Bahnhofe und fuhr dann nach Görlitz
eiter.
Baden. Karlsruhe, 19. Mai. In der Zweiten Kammer wurde heute der Gesetzentwurf über die Ober⸗ Rechnungskammer durchberathen und in namentlicher Ab⸗ stimmung angenommen. Dagegen stimmte ein Mitglied; vier enthielten sich der Abstimmung, darunter die drei Minister.
. Sessen. Darm stadt, 18. Mai. Gestern traten die Tinanzausschüsse beider Kammern, unter Hinzuziehung der Regierung, behufs gemeinsamer Berathung des Sfaatsbudgets und der neuen Steuergesetze zusammen. Trotz der längeren Doppelsitzungen am Morgen und Nachmittag konnte das sehr reichhaltige Material nicht ganz erledigt werden; die Fortsetzung der Berathung findet nächsten Sonnabend statt. — Wie das »Frkf. J. erfährt, hat sich die aus Veranlassung der beabsich⸗ tigten Reichsgesetzsebung über das Patentwesen von der Großherzoglich hessischen Centralstelle für die Gewerbe ernannte Kommission bei Berathung der ersten und Hauptfrage, ob die Srtheilung von Patenten fernerhin überhaupt noch stattfinden solle, in bejahendem Sinne entschieden. Ueber die weiteren Fragen wird erst in folgenden Sitzungen berathen werden.
Oldenburg. Oldenburg, 17. Mai. Aus den gestri⸗ gen Landtagsverhandlungen ist Folgendes mitzutheilen: Bekanntlich hatte die altkatholische Gemeinschaft in Ober⸗ stein (Fürstenthum Birkenfeld) an den vorigen Landtag wieder⸗ holt eine Petition, betreffend Regulirung ihrer Rechtsverhält⸗ nisse gerichtet und gebeten, die Ordnung derfelben nach Muster des preußischen Gesetzes zu veranlassen. Der vorige Land⸗ tag hatte diese Petitionen der Staatsregierung zur Berück⸗ sichtigung empfohlen. Um über den Stand dieser Angelegenheit Auskunft zu erhalten, interpellirte gestern der Abg. Keller die Staatsregierung und erhielt zur Antwort, daß die Regierung diesen Gegenstand bereits in Erwägung genommen habe. Nach⸗ dem vom Landtage eine weitere Besprechung der Sache beschlof⸗ sen war, gelangte ein Antrag des Abg. Windmüller zur An⸗ nahme, dahin gehend, die Großherzogliche Staatsregierung zu ersuchen, dem nächsten Landtage eine sich auf das Rechtsver⸗ . der Altkatholiken beziehende Gesetzes vorlage zu
Sachsen Weimar⸗Eisenach. Weimar, 19. Mai. Das
Regierungsblatt“ veröffentlicht das Gese betreffend di Fischere n vom 6. d. Leer, 7 e, Elsaß⸗ Lothringen. Straßburg, 19. Mai. Der
Entwurf des Gesetzes, betreffend die Kreise, welchen die „Straßb. Ztg. veröffentlichte, ist gleich dem bereits e,. theilten über die Erweiterung der . des Landesaus⸗ schusses von weittragender Bedeutung. Das genante Blatt
Jorrespondenʒ von Wahlgesetzausschusses erfolgten Zustandebringung der
äußert sich über die erstere Vorlage folgendermaßen:
weiter.
Gleich jenem liegt ihm eine dezentralisirende Ten⸗ denz zu Grunde und, während durch die Erweiterung der Be⸗ fugnisse des Landesausschusses ein größeres Maß der Selbstän⸗ digkeit für das Reichsland erstrebt wird, sucht dieser Entwurf den Kreisen, seither nur Verwaltungsbezirken, eine kor porative Selbständig keit zu verleihen.
Die Stellung der Kreise wird, wenn das beabsichtigte Gesetz zur Ausführung gelangt, eine völlig veränderte und sie erscheinen in Zukunft als Vermögenssubjekte mit juristischer Persön⸗ lichkeit, deren Rechte und Befugnisse durch das Gesetz näher festgestellt werden.
Als die Vertretung des Kreises erscheint der Kreistag, der nicht nur über den Etat des Kreises zu berathen, sondern auch die Grundsätze festzustellen hat, nach welchen die Verwal⸗ tung des Kreisvermögens der Rreiseinrichtungen und Kreis— anstalten zu erfolgen hat und dessen mannigfache Wirksamkeit in dem Entwurfe hinlänglich bezeichnet ist.
Vielleicht bedeutungsvoller noch als der Kreistag erscheint die unter dem Namen Kreisausschuß zu bildende, von dem Kreistag zu wählende ständige Delegation. Der Kreis ausschuß führt nicht nur die Aufsicht über die Kreisanstalten, für welche fich der Kreistag selbst als ein zu schwerfälliger Apparat erweisen würde, sondern er steht auch als ständige Vertretung des Rtireises dem Kreisdirektor zur Seite. Diese ständige Wirksamkeit des Kreisausschusses begründet einen wesentlichen Unterschied gegenüber den bisherigen Einrichtungen, welchen eine unausgesetzt aktive Betheiligung des bürgerlichen Elementes an Verwaltung unbekaant ist. Der Kreisausschuß wird berufen sein, dauernd die Interessen des Kreises zu wahren, die dem Kreistage zur Beschlußfassung zu unterbreiten⸗ den Angelegenheiten vorzubereiten und die näheren Bestimmungen über die Ausfuhrung bereits gefaßter Beschluͤsse zu treffen.
Der Entwurf begründet also keineswegs eine Erweite⸗ rung der Befugnisse der Kreisdirektoren, wie in einem Straß burger Blatte vermuthet wurde, bevor derselbe zur Veröffent⸗ lichung gelangt war, sondern er enthält eine merkliche Sin⸗ schränkuüng derselben. Der Kreisdirektor erscheint dem Kreis⸗ ausschusse gegenüber, wie die Motive zu dem Gesetzentwurfe be⸗ merken, als Vorsitzender, als Träger der Initiative und er ver⸗ handelt nach dem Entwurfe „Namens des Ausschusses mit Be⸗ hörden und Privatpersonen, führt den Schriftwechsel und zeich⸗ net alle Schrifistücke für den Ausschuß.“
Es sst hier das bureaukratische Element mit der gewählten Körperschaft, soweit dieses thunlich, verschmolzen.
So hofft man, wie es in den Motiven heißt, „der berech⸗ tigten Forderung unserer Zeit, dem bürgerlichen Elemente ein größeres Maß der Thätigkeit und des Einflusses auf allen Ge⸗ bieten des öffentlichen Lebens zukommen zu lassen, Genüge zu thun“ und nach dem Vorgang Deutschlands, wo „fast überall kleinere koporative Gemeindeverbände gebildet werden, welche eine eifrige und segensreiche Thätigkeit entwickeln und nicht wenig beitragen zur Förderung geistiger Regsamkeit, politischer und wirthschaftlicher Bildung in den Kreisen des Bürgerstandes“, eine Institution zu schaffen, welche in hoffentlich segensreicher Weise beitragen wird zur Entwickelung des kommunalen und politischen Lebens in Elsaß-Lothringen.
Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 18. Mai. Die Kaiserin begiebt sich, wie die „Presse“ mittheilt, Ende dieses Monats nach Ischl und wird daselbst während des ganzen Sommers ver⸗ weilen. — Der Kronprinz und die Kronprinzessin von Däne⸗ mark sind gestern Abend hier angekommen,
— Man berichtet dem „Pester Llond“ von hier, Baron Koller sei derart leidend, daß sein Urlaub absolut unerläßlich wurde und daß er sich in der That vor die Alternative, längern Urlaub oder Demisston, gestellt sah. Die letztere wurde nicht angenommen, dagegen der erstere bewilligt, und so sucht Baron Koller jetzt in Baden Erholung und Heilung von einem Brust⸗ leiden, das ihn schon seit Langem peinigt und ihm seine auf⸗ reibende Thätigkeit in erhöhtem Maße erschwert.
Lemberg, 18. Mal. Großfürst Michael gelangte heute hier an und reiste nach kurzem Aufenthalt nach Stuttgart
—— In Snowidow (Buezaczer Kreis) verhafteten am 15. Gensd'armen auf gerichtlichen Befehl 11 Bauern, welche der gerichtlichen Vorladung, keine Folge leisteten. Ueber 200 zusammengerottete Dorfeinwohner, Männer und Weiber, woll⸗ zen mit Gewalt die Verhafteten befreien. Nach erfolg⸗ losfen Mahnungen ließ der Patrouilleführer mit dem Bajonnet vordringen, und als dies nicht half, Feuer geben. Zwei Bauern wurden getödtet und zwei schwer verwundet, worauf die Menge zerstob. Das Buezaczer Gericht entsendete eine Gerichts kommission und requirirte militärische Afsistenz aus Monasterzyska.
Pest, 18. Mai. Die Dissidenten-Partei hat sich definitiv kon stituirt. Zum Präsidenten wurde Földvarn zum Vize⸗Präsidenten Baron Banhidy gewählt. Die Dissidenten werden sich „unabhängige liberale Partei“ nennen.
— 19. Mai. (W. T. B.) Die Reichsrathsdelegation hat das Budget des gemeinsamen Finanz⸗Ministeriums nach den Anträgen des Ausschusses genehmigt, auch eine vom Ausschuß vorgeschlagene Resolution, in welcher das gemeinsame Minifterlum aufgefordert wird, bei der Aufstellung des Budgets pro 1878 auf die Verwendung der entbehrlichen Kapitalien des Militär⸗Stellvertreter⸗Fonds Bedacht zu nehmen, mit 23 gegen 21 Stimmen angenommen, obwohl der Reichs⸗-Minister bei der bezüglichen Debatte sich gegen diese Resolution ausgesprochen hatte. Auch der Etat für den obersten Rechnungshof und die Bedeckungspost der Zolleinnahmen wurden genehmigt.
Vom Budgeiausschuß der Reichsrathsdelegation ist das Ordinarium des Kriegsbudgets meist ohne Abänderung erledigt worden. Eine Resolution betreffs Reorganisation der Militärbildungsanstalten, namentlich des Offiziertöchterinstituts in Hernals im Sinne einer Gleichberechtigung der Konfessionen wurde angenommen. Auf eine Anfrage bezüglich der Angelegen⸗ heit des vormaligen Lieutenant Ertl erklärte der Vertreter der Regierung, FMX. Benedek, derselbe habe unter Vorspiegelung von Konnexionen mit hochgestellten Militärpersonen theils seine eigenen Kombinationen, theils unvollständige Auszüge aus mili⸗ tärischen Papieren zum Kaufe angeboten, für die Armee sei da⸗ durch aber weder ein Verlust, noch auch irgend eine Gefahr er⸗ wachsen.
Niederlande. Haag, 13. Mai. Die Zweite Kam⸗ mer hat sich in ihrer gestrigen Sitzung mit der bereits am 17. März v. J. bei derselben bon dem damaligen Kriegs⸗Minister Weitzel eingebrachten Novelle zum Milizgesetz beschäftigt.
werden verlangen, von 35 auf 25 Jahre herabzusetzen und die Stärke der jährlichen Aushebung zu erhöhen. Dieselbe beträgt jetzt 11500 Mann. Der Kriegs⸗Minister Weitzel verlangte diese Zahl aber auf 13,500 zu erhöhen und dessen Nachfolger Ender⸗ lein theilte diese Ansicht. Der nunmehrige Kriegs-Minister Klerck änderte die Vorlage aber dahin ab, daß das jährliche Kontingent 14000 Mann betragen solle. Bis jetzt jedoch hat der Entwurf keinen Vertheidiger in der gesetzgebenden Versammlung gefunden. Abgesehen noch von den Gegnern jeder Erhöhung des Kriegsbudgets, meinten die Vertheidiger der Ausbesserung der Armee: die mit Bezug auf die Stellvertreter beantragte Bestimmung werde nur eine Erhöhung der Summe zur Folge haben, um welche die Stellvertreter jetzt für die der Armee abholden Milttärpflichtigen zu erhalten sind. Mit Rück⸗ sicht auf die Erhöhung des Kontingents wurde geltend gemacht: dieselbe werde nicht ausreichen, um die Armee in den Stand zu setzen, den an diefelbe gestellten Anforderungen zu entsprechen, und namentlich um den moralischen Werth derselben zu erhöhen. Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht — eine Reform, welche durch das eifrige Bestreben des früheren Kriegs⸗ Ministers Grafen von Limburg-Stirum täglich an Boden gewinnt — fand ebenfalls verschledene energische Vertheidiger. — Ein aus Atchin vom General⸗Major Wiggers van Kerchem eingegangener telegraphischer Bericht meldet: daß der Feind am 22. AÄprit die Postenlinie bei Lamprit während der Nacht zu überrumpeln gesucht hatte. Die Transporte werden hin und wieder Seitens des Feindes angegriffen. Ferner berichtet General⸗Major Wiggers: „Die Truppen setzen den Straßenbau in Atchin eifrig fort. Die Cholera herrscht stark in der feindlichen Armee. Dagegen ist diese Krankheit aus dem diesseitigen Lager fast vollständig verschwunden und sind die sanitären Verhältnifse im Allgemeinen sehr befriedigend.“ Die amtliche „Java Courant“ bezeichnet die Unterwerfung des Radschah von Pedir als ein Ereigniß von sehr großer Bedeutung. Derselbe ist nicht nur der Schwiegervater des letzten Sultans von Atchin, sondern noch dazu einer der mäch⸗ ligsten und einflußreichsten Fürsten des Sultanats. Der Radschah hatte außerdem früher feierlichst erklärt: nur als Sieger oder todt zu den Seinen zurückkehren zu wollen. Die Unterzeichnung des Freundschaftsvertrags fand an Bord des Kriegsschiffes „Citadel von Antwerpen“ statt.
Belgien. Brüssel, 17. Mai. In den Sitzungen der Repräsentantenkammer von gestern und heute schilderte Herr Fröre in großen Zügen die Bestrebungen der Ul— tramontanen in Belgien und deren beständige Angriffe auf die konstitutionellen Freiheiten des Landes, die Uebergriffe der Bischöfe und der Gesstlichkeit und deren verderblichen Einfluß auf die Schulen; er that dar, wie in den öffentlichen Schulen der Religionsunterricht nur ein Deckmantel sei für die Verbrei⸗ tung verfassungsfeindlicher Lehren: Es ist, sagte der Redner, nur der politische Unterricht einer Partei gegen eine andere. Herr Jacobs, Mitglied der klerikalen Partei, antwortete darauf und suchte seinen Gegnern Widersprüche nachzuweisen, indem er auf die Verschiedenheit der im Laufe der Zeit von den Liberalen und den Progressisten aufgestellten Programme hinwies. Er brachte das Programm des liberalen Konvents von 1870 zur Sprache, welches seitdem fast gänzlich vergessen, aver von den Klerikalen fo lange als ein Schreckbild revolutionärster Art geschildert worden ist, bis es endlich selbst von Liberalen dafür gehalten wurde. Nun ist aber gerade dieses Programm, ausgegangen von einer Versammlung von Delegirten aller libe ralen Vereine des Landes, eben das, was auch noch heute von der ganzen liberalen Partei angestrebt wird, und so fand jeder Satz desselben, den der klerikale Redner vortrug, den lebhaftesten Beifall feiner Gegner. Gänzliche Trennung des Staates von den Kirchen und in Folge davon Revision des Schulgesetzes von 1842, Säkularisation des öffentlichen Unterrichts jeden Grades, Säkularisation der Begräbnißstätten, Abschaffung der geist⸗ lichen Vorrechte in Bezug auf den Militärdienst, Aus⸗ gleichung der militärischen Lasten und Verminderung derselben, so weit die Nothwendigkeit der Landes vertheidigung sie zuläßt: alle diese Punkte wurden mit lebhafter Zustimmung aufgenom⸗ men. So hat der klerikale Vorkämpfer der liberalen Partei in der Kammer die beste Gelegenheit gegeben, ihren Prinzipien angesichts der Wahlen nochmals vor dem ganzen Lande Aus⸗ druck zu geben. .
In der folgenden Sitzung schilderte Herr Vanhumbeeck unter dem lebhaftesten Beifall der Linken, wie die klerikalen Führer überall Haß und Zwietracht säen und das ganze Volk thatfächlich in zwei feindliche Lager zu theilen suchen; es würde endlich dahin kommen, daß zwischen den Bürgern desselben Staates das Gefühl der Zusammengehörigkeit völlig zerstört würde, und dem müsse man mit allen Mitteln entgegen⸗ wirken. Sein Gegenredner, Herr Woeste, suchte, wie es immer von klerikaler Seite geschieht, glauben zu machen, daß die An⸗ hänger des Papstes und die Gläubigen des Syllabus in Belgien dennoch treue Anhänger der Verfassung seien, ja, daß sie allein dem Lande eine Bürgschaft des Frie⸗ dens und der Sicherheit geben.
„Einen praktischen Erfolg, bemerkt die „Köln. Ztg.“, hatten diese Verhandlungen nicht und konnten ihn nicht haben, denn in der Kammer ist die Majorität der Klerikalen zu fest, als daß sie durch Reden erschü tert werden könnte. Sicher ist der Sieg ber Liberalen bei den Wahlen durchaus nicht, trotz aller Zuversicht, die ihre Organe kund geben; der Streit der vor⸗ geschrittenen Liberalen mit den Doktrinãren, obgleich augenblick⸗ lich beschwichtigt, hat schon zu viel beigetragen, die liberale Partei im Großen und Ganzen zu schwãchen.“
Großbritannien und Irland. London, 18. Mai. Der oͤsterreichisch- ungarische Botschafter Graf Beu st gab gestern ein Diner, bei welchem die Botschafter Deutschlands, Italiens und der Pforte, der brasilianische Gesandte und einige Mit⸗ glieder der hohen britischen Aristokratie mit ihren Damen zugegen waren. — Die Denkschrift zu Gunsten einer Amnestie für die gefangenen Fenier, welche im Unterhause zur Zeichnung auflag, ist dem Premier zugesandt worden. 1338 Parlamentsmitglleder haben Ddieselbe unterzeichnet, und morgen soll im Unterhause eine darauf bezügliche Frage an Disraeli gestellt werden. . ;
— Bie letzten Postnachrichten der „G. C.“ aus Barbados geben zwar noch keinen befriedigenden Aufschluß über die Ur⸗ fachen, durch welche die Unruhen auf der Insel hervorgerufen wurden, thun jedoch hinlänglich dar, daß die Ruhestörungen nicht so bedenklich waren, als die nach London eschickten Alarm⸗ telegramme befürchten ließen. Unzufriedenheit scheint schon lange auf der Insel geherrscht zu haben und die geringen Arbeits⸗
tionspolitik des Gouverneurs mußte beim Ausbruch Ker Unruhen nur den Vorwand abgeben. Betheiligt waren an denselben auf der ganzen Insel nur etwa 1000 Personen, der Auswurf der Negerbevölkerung und von diesen wurden in der Folge etwa 406 gefänglich eingezogen. Während der ganzen Dauer der Vorgänge kam kein einziger Weißer auf der Insel zu Schaden, wohl aber wurden bei Unterdrückung der Unruhen mehrere Neger erschossen und 17 — 18 derselben liegen verwundet im Spital zu Bridgetown. An beweglicher und unbeweglicher Habe wurde viel Schaden angerichtet, hauptsaächlich hatten es die Ruhestörer — Aufständische können fie nicht wohl genannt werden — auf die Batatenfelder abgesehen, eine große Anzahl derselben wurde geplündert. Ob der Gouverneur der Insel, Pope Hennessy, Schuld am Ausbruche der Unruhen trägt, die vom 15. — 30. April dauerten, muß sich erst heraus⸗ stellen; unleugbar aber ist, daß er sich von der Panik der weißen Bevölkerung, der alle Schrecken eines Negeraufstandes vor Augen standen, nicht hat fortreißen lassen und die schnelle Unterdrückung der Bewegung ist jedenfalls großentheils seiner Energie zu danken“.
= 20. Mai. (W. T. B.) Dem gestern in Guildhall zu Ehren des Prinzen von Wales stattgehabten Banket wohnten etwa 600 Personen bei, darunter außer den Mitgliedern der König⸗ lichen Familie die Botschafter von Deutschland, Frankreich, Oesterreich, Italien und der Türkei, die Minister, sowie viele Mitglieder des Ober- und Unterhauses. Auf die ihm überreichte Adresse antwortete der Prinz von Wales mit dem Ausdrucke seiner hohen Befriedigung über den ihm sowohl in Indien wie bei seiner Rückkehr in England gewordenen Empfang.
Frankreich. Paris, 18. Mai. Aus der Amnestie⸗ Debatte in der Deputirtenkammer ist die Rede Périns und die Antwort des Marine⸗Ministers hervorzuheben. Ersterer gab ein Bild von der Lage der Verurtheilten in Neu⸗Caledo⸗ nien, das zwar aus den besten Absichten, aber nicht aus den besten Quellen hervorgegangen schien. Er schilderte die Lage viel zu düster und der Minister rektifizirte diese Darstellung. Die Antwort des Ministers wurde von der Kammer günstig auf⸗ genommen. —
— Der Finanz-Minister Léon Say wird für die Wittwe des Ministers Ricard eine Pension im Betrag von 6000 Fr. in Vorschlag bringen.
— Die Königin Christina wird morgen nach Aranjuez und die Königin Isabella nach Santander und später nach Seyilla sich begeben, der Herzog von Montpensier wird nach Frankreich zurückkehren. .
— Gestern hat das Leichenbegängniß Michelets unter Betheiligung einer zahlreichen Menschenmenge stattgefun⸗ den; die Ordnung wurde in keiner Weise gestört, obwohl 30 — 40, 000 Personen, unter denen etwa 60900 Studenten, dem Sarge folgten. Die Regierung hatte zwar Vorsichtsmaßregeln getrof⸗ fen, doch fanden dieselben nirgends Anwendung. Am Grabe redeten die Herren Laboulaye, Havet, Challemel⸗Lacour und Guicheret. Daß die Feier aber so ruhig und geordnet verlief, ist eine Täuschung mehr für die Hoffnungen der klerikalen und reaktionären Blätter, welche dieselbe für einen öffentlichen Skan⸗ dal erklart hatten, der die traurigsten Folgen haben könnte.
— Die Blätter beschäftigen sich mit einer Erklärung des Erzbischofs Dupanloup. In Orleans erscheint nämlich jetzt ein „Journal der Vertheidigung der katholischen Interessen“, eine Art von‚Moniteur“ der klerikalen Partei. Zuerst hieß es nun, Hr. Dupanloup sei der Patron oder gar der HRedacteur dieses neuen Organes. Hr. Dupanloup hat jedoch einen Brief an den „Figaro“ gerichtet, in welchem er seine Be⸗ ziehung zu dem genannten Blatte vollständig in Abrede siellt, obgleich dasselbe auf seiner ersten Seite einen Artikel bringt, der nicht nur die Ideen, sondern selbst die Phrasen einer vor zwei Jahren von ihm herausgegebenen Brochure enthält.
— Ein eigenthümlicher Prozeß wurde dieser Tage ver⸗ handelt: eine Untersuchung wegen 4000 unterschlagener Seelen⸗ messen. Der „Köln. Itg.“ wird darüber mitgetheilt: „Bei den Pfarrkirchen der reicheren Stadttheile kommt es. oft vor, daß sie mehr Messen zu lesen haben, als ihre Geistlichen leisten können, und es ist dann Sitte, daß sie die überschüssigen Bestellungen an andere, weniger gut gestellte Kirchen abgeben. Diese erhalten das Geld der Gläubigen und ihre Priester lesen die Messen. Ein Pariser Brüderpaar faßte den Gedanken, die Uebermittlung dieser überzähligen Messen in Entreprise zu neh⸗ men. Sie gaben den Geistlichen, welche Messen zu vergeben hatten, kleine Geschenke und erhielten dafür den Auftrag die Lieferung an andere Geistliche zu vermitteln. Ihre Geschenke waren regelrecht prozentisch abgemessen. Ihr Geschäft blühte; sie geriethen aber auf den Gedanken, von 10 000 Messen, die sie zu übermitteln hatten, nur 6000 abzuliefern und 4000 in die Tasche zu stecken. Deswegen vor Gericht gestellt, wurden sie wegen ÜUnterschlagung verurtheilt, und so kam die ganze Handels⸗ praxis ans Licht.“ .
— Eine Fregatte von der Flotte des Admiral Jaures hat Befehl erhalten, von Salonichi nach Smyrna zu gehen.
Versailles, 19. Mai. In der heutigen Senatssitzung verlas Franelieu eine an den Minister des Innern gerichtete Eingabe, in welcher gegen eine Stelle des letzten von dem
inzwischen verstorbenen Minister Ricard erlassenen Eirkulars Verwahrung eingelegt wird. Nach seiner An⸗ sicht werden durch jene Stelle die Bestimmungen des
konftitutionellen Gesetzes verletze. Der Minister des Innern, Marckre, hob deu gegenüber hervor, daß der die Revision der Verfassung betreffende Verfassungsartikel so ausgelegt wer⸗ den müsse, daß er zu Modifikationen im freiheitlichen Sinne, nicht aber zu einer Umstoßung oder Veränderung der Form der Re⸗ gierung ermächtige. Franclieu erĩklärte, daß er in der Angelegen. heit eine Interpellation an die Regierung richten werde. — Im weiteren Verlaufe der Sitzung der Dep utirtenkammer brachte Naqu et von den Radikalen den Antrag ein, die Regie⸗ rung solle eine Kommission zur Untersuchung und Fest⸗ stellung der Finanzoperationen und der dermaligen Lage bes Ersédit fon cier ernennen und verlangte für die Beschluß⸗ fassung über seinen Antrag die Dringlichkeit. Der Finanz⸗ Minister erklärte sich gegen dieses Verlangen Naquets und hob namentlich hervor, daß das erforderliche Vertrauen aufhöre, wenn das Parlament eine Enquẽtekommission zur Prüfung der jeweiligen Lage von sinanziellen Instituten und Gefellschaften ins Leben rufe. Der Credit foncier sei zwar zu einem gewissen Maße der Ueberwachung durch die Regierung unterstellt, es fei aber unmöglich, zuzulassen, daß die Regierung sich in die Geschäftsführung selbst mische, die Aufgabe derselben beschränke sich darauf, die von ihr ernannten Direltoren ihrer Posten zu entheben, wenn dazu Grund vorhanden sei. Er habe sich mit den Finanzoperationen, um die es sich handle, bereits
Die Vorlage hat namentlich zum Zweck, das Altersmaximum derjenigen, welche als Stellvertreter in die Armee eingereiht zu
löhne der Plantägenarbeiier — in manchen Fällen nur 6—9 Pence per Woche — machen dies erklärlich. Die Konfödera—⸗
beschäftigt und könne versichern, daß die vom Crodit