Sachsen. Dresden, 27. Mai. Die Erste Kam⸗ mer verhandelte in ihrer heutigen Sitzung über das Kö⸗ nigliche Dekret, betreffend den Ankauf der Chemnitz⸗Aue⸗Adorfer Eisenbahn durch den Staat. Die zweite Deputation beantragte, den Kauf unter den zwischen Regierung und Gesellschaft ver= einbarten Kaufbedingungen unter der Voraussetzung zu geneh⸗ migen, daß die von der Gesellschaft gestellte FKaution, und da⸗ fern diese nicht ausreichen sollte, die Kaufgelder insoweit nicht eher ausgezahlt werden, als bis der Nachweis geliefert ist, daß die Geselischaft allen aus der Expropriation entstandenen Verpflich⸗ tungen vollständig nachgekommen ist. Ein Gegenantrag des Frei⸗ herrn v. Ferber ging dahin, den Kauf nur unter der Be⸗ dingung zu genehmigen, daß der Kaufpreis der für die außer⸗
halb der Strecke Aue⸗Jägersgrün gelegenen Strecken auf
600 000 S pro Meile zu ermäßigen und den Aktionären außerdem
Rentenanwartscheine zu gewähren seien, durch welche denselben nach Ablauf von 10 Jahren vom Abschlusse des Vertrages an
die Zahlung einer jährlichen, nach Höhe des Durchschnitts⸗ reinertrages der Bahn pro Jahr, nach Abzug der Zinsen des
Kapitals, beziehentlich der Rente, welche den Aktien gegenwärtig gewährt wird, festzustellenden Rente zugesichert wird. Der An—⸗
trag Ferber wurde mit 23 gegen 10 Stimmen abgelehnt und der Deputationsantrag gegen 9 Stimmen angenommen.
Württemberg. Stuttgart, 27. Mai. des Gesetzentwurfs, betreffend die Bildung eines
Staats⸗Ministeriums, in der Sitzung der Abgeordneten kammer vom 24. d. M. leitete der Minister v. Mißt nacht mit
folgenden Worten ein:
Zufolge hohen Befehls Sr. Majestät des Königs vom gestrigen ch im Namen der übrigen Minister, den Ent— wurf eines Gesetzes, betreffend die Bildung eines Staats⸗Ministeriums,
Tage habe ich, zuglei
einzubringen die Ehre.
Dem Hause ist bekannt, daß die Regierung in Erfüllung früherer insbesondere bei Eröffnung des Landtags im März 1875 gemachter
Zusagen , ,, ausgearbeitet hat, 1) über die Verwaltungs- Rechtspflege, 2) über die Aufhebung des Geheimen Raths, Organisirung eines Staats-Ministeriums und Bildung eines Staatsraths, 3) über die Entscheidung von Kompetenzkonflikten. Diese im Zusammenhang unter sich ftehenden Gesetzesentwürfe befinden sich derzeit im Stadium der Begutachtung durch den Geheimen Rath. Mit der Berathung des umfangreichsten und maßgebenden Entwurfs über die Verwal⸗ tungsrechtspflege hat der Geheime Rath begonnen.
Daß in gegenwärtiger Session, wenn dieselbe nicht zu tief in den Sommer sich erstrecken soll, das Gesetz über die Verwaltungs⸗ rechtspflege nicht erledigt werden kann, dessen wird man sich überzeugt halten müssen.
Ea beabsichtigen nun aber die Minister nicht, das ganze Gesetz⸗ gebungswerk für den nächsten Landtag zurückzustellen. Ihre Absicht geht vielmehr dahin, die begonnene Berathung im Geh. Rath zu Ende zu führen und den Entwurf über die Verwaltungsrechtspflege im Laufe des Monats Juni einzubringen, sei es kei der noch versammelten Kammer der Abgeordneten, sei es bei dem ständischen Ausschuß. Es wird dann die von der Kammer etwa noch zu beauftragende Kommission den Gesetzentwurf bis zum Herbst vielleicht vorzubereiten in der Lage sein.
Würde eine Berathung im Plenum im Herbste fich als thunlich er— weisen, so wäre es die Absicht der Minister, bei Sr. Majestät dem Könige pie Einberusung der Stände versammlung zu diesem Behufe für 3—4 Wochen im Monat Oktober in Antrag fn bringen.
Daß der gegenwärtige Landtag das ganze Gesetzgebungswerk, die drei konnexen Entwürfe, noch zur Verabschiedung bringen sollte, ist unwahrscheinlich, und wäre es fen st der Fall, so würde zwischen der Verabschiedung und der Einführung der Reform noch ein nicht un erheblicher Zeitraum in der Mitte liegen.
Es mußte sich deshalb der Gedanke nahe legen, mit einem vor—
säufigen Gesetzentwurfe über die Bildung eines Staats-Ministeriums Ich hatte schon früher Anlaß, des Näheren aus-
sofort vorzugehen. zuführen, wie insbesondere die Behandlung der Reichsangelegenheiten die Organistrung eines Staats, Ministeriumz als nothwendig und dringlich erscheinen läßt. Wir sehen im Herbst und Winter einer zweimaligen Berufung des Reichstages entgegen, und der mit Wahrnehmung der Reichsangelegenheiten vorzugzweise befaßte. Minister findet es nachgerade über das zulässige Maß der Verantwortlichkeit und über seine Kräfte hinaus- gehend, ohne Organistrung des Diensteö und Heranziehung aus— reichender Unterstuͤtzung der schwierigen Aufabe, bei welcher die In teressen des Landes tief berührt sind, zu genügen. Eine solche Unter⸗ stützung könnte dem Staagts-Ministerium jetzt schon durch Uebertragung Der Funktionen von Fäthen des Staatz Ministeriumz an Mit— glieder des Geheimen Rathes neben und unbeschadet ihrer Stellung im Geheimen Rathskolleginm gewährt werden. So⸗ dann würde, die Bildung eines Staats. Ministeriums ermög- lichen, demselben den Verkehr mit ben Ständen zuzuweisen und die begutachtende Thätigkeit des Geheimen Rathes auf Wesent liches, die Begutachtung von Verfassungsgesetzen und von anderen be— sonders wichtigen Oder sonst geeigneten Angelegenheiten, sowie aller ven der Krone dem Geheimen Rathe besonders zugewiesenen Gegen— stände zu fixiren. Wir glauben in dieser der endgültigen Entschei⸗ dung über die verschiedenen Funktionen des Geheimen Raths micht präfudizirenden Regelung einen Fortschritt erblicken zu durfen, und unterbreiten Ihrer Zustimmung folgenden kurzen Gesetzesentwurf.
Entwurf eines Verfassungsgesetzes, betreffend die Bildun eines Staats Ministeriums. Karl, von Gottes hen König 9 Württemberg.
Nach Anhörung Unseres Geheimen Rathes und unter Zu— stimmung Unserer getreuen Stände verordnen und verfügen Wir, was folgt:
Art. J. Es wird ein Staatz, Ministerium gebildet, dessen Mit glieder die Minister oder Chefs der r, ,,,, ., sind.
Die bestehende Zahl dieser Departements kann mir durch ein Gesetz geändert werden.
Art. 2. Die Minister und Departementschefz werden von dem Könige nach eigener freier Entschließung ernannt und entlassen.
Die Ansprüche der Minister auf eine Pension im Falle der Ent lassung sind durch das Gesetz geregelt. Für die nicht als Minister angestellten Deygrtement sche fs bleiben die gesetzlichen Bestim mungen in Betreff, der Pensions ansprüche derjenigen Mitglieder des Ge Heinien Raths auch fernerhin in Kraft, welche nicht Minister sind.
Art, 3. Der Varsitz im Staats⸗Ministerium wird, woferne nicht Der König an einer Berathung Theil nimmt, von einem durch Kö vig— liche Entschließung aus der Zahl der Minister oder Departemen lö⸗ Chefs ernannten Präsidenten geführt.
Dem, Präsidenten des Staats. Ministeriumz kommt die Leitung der Geschäfte und die Dienstaufsicht über das demfelben zur Dienst⸗ leistung beigegebene ersonal zu.
Art; 4. Kein Mitglied des Staats ⸗Ministeriums kann, außer dem Falle, wenn der Gegenstand dasselbe persönlich angeht, von der Theilnahme an den Verathungen ausgeschlossen werden.
Art. 5. Dem Staatsé-Ministerium sind zur Bearbeitung der 3 und zur Theilnahme an den Berathungen ständige Räthe Die Funktionen von Räthen des Staats- Ministeriums versehen bis auf Weiteres Mitglieder des Geheimen 5 Eine . Stimme kommt ihnen im Staats. Ministerium nicht zu.
Art. 6. Der Geschäftstreis des Staatg, Minifterkums umfaßt die Berathung aller wichtigen Angelegenheiten, namentlich solcher, welche auf die Staatsverlassung, auf die Organisation der Behörden und die Ab= änderung der Territorialeintheilung, auf die Staatsverwaltung im All.
Die Vorlage
ar ! und die Normen derselben oder auf die allgemeinen Ver—⸗ ältnisse des Staats zu den Religionsgesellschaften sich beziehen, wie
auch der Gegenstände der Gesetzzebung und allgemeiner Verordnungen, soweit es sich von deren Erlassung, Abänderung oder authentischen Erklärung handelt, ferner aller wichtigeren Verhältnisse zu anderen Staaten. Alle dein Könige . Vorschläge der Minister
in solchen Angelegenheiten mü in dem Staats. Ministerium zur Berathung vorgetragen und . essen Gutachten beäleitet an den König gebracht werden. — 2 .
Außerdem gehören in den chäftskreis des Staats- Ministeriums als berathender Behörde alle ständischen Angelegenheiten, alle Ange⸗ legenheiten, welche die Beziehungen zum Deutschen Reiche betreffen, sowie alle diejenigen Gegenstände, welche demselben von dem Könige zur Berathung besonders aufgetragen worden.
Art. 7. Anträge auf Abänderung der Verfassung und der Ver— fassungsgesetze, sowie andere Anträge in besonders wichtigen oder sonst gecigneten Angelegenheiten unterliegen weiterhin der Begutachtung durch den Geheimen Rath. Derselbe hat außerdem alles zu berathen, was ihm von dem Könige besonders aufgetragen wird. Bei solchen Berathungen des Geheimen Raths führt, wofern nicht der König an einer Be- . Theil nimmt, der Präsident des Staats, Minifteriums den
orsitz.
Bie Gutachten des Geheimen Rathes werden dem König durch das Staats⸗Ministerium vorgelegt. .
Art. 8. Die in den 85. 38, 126 und 160 Abs. 2. und 4 der Verfassungsurkunde bezeichneten Zuständigkeiten des Geheimen Raths gehen auf das Staats ⸗Ministerium über.
Dasselbe tritt bezüglich der Anwendung des 5. 172 Abs. 2 der Verfassungsurkunde an die Stelle des Geheimen Raths.
Art. 9. Die 88. 38, 54, 66, 58, 59 Ziff 1 u. 4, 126, 1660 Abs. 2 u. 4, 172 Ab. 2 der Verfassungzurkunde sind nach Maßgabe der Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes abgeändert.
Unsere sämmtlichen Ministerien sind mit der Vollziehung dieses Gesetzes beauftragt.
Gegeben.
Der Entwurf wurde auf Vorschlag des Präsidenten an die
verstärkte staatsrechtliche Kommission verwiesen.
Baden. Karlsruhe, 26. Mai. Bei Berathung des außerordentlichen Budgets des Justiz⸗Ministeriums in der Zweiten Kammer kam auch die Absicht der Regierung zur Sprache, das künftige oberste Gericht des Landes von Mann⸗ heim nach Karlsruhe zu verlegen. Nach der Gerichts verfassung des Deutschen Reiches wird nämlich das jetzt bestehende Ober⸗ Hofgericht wegfallen und das Reichsgericht die höchste zuständige Instanz für die Verhandlung und Entscheidung über die im Ent⸗ wurfe der Gerichtsverfassung näher bezeichneten Rechtsmittel in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiken und in Strafsachen bilden. Für Baden wäre ein Ober⸗Landesgericht zu errichten, das im Wesent⸗ lichen an die Stelle der bei den fünf Kreis- und Hofgerichten bestehenden Appellationssenate tritt. Für das Ober⸗Landesgericht sind die jetzigen Räume des Ober⸗Hofgerichts in Mannheim un⸗ genügend, und außerdem empfiehlt es sich im Interesse der Recht⸗ suchenden, den Sitz des Gerichtshofes zweiter Instanz möglichst in die Mitte des Landes zu legen; und so wurde Karlsruhe hierzu beflimmt. — Der frühere Leiter des otthard⸗Bahnbaues, der jetzige Abgeordnete Gerwig, hat in der Kammer bezüglich der Berathung der badischen Wutach⸗Thalbahn (von Stühlingen nach Donau⸗Eschingen), deren Rentabilität wesentlich vom Betrieb der Gotthard⸗Bahn abhängen wird, über den Stand dieser letz⸗ teren geäußert, daß es ein großer Irrthum sei, an— zunehmen, die dortigen Arbeiten würden unterbrochen, im Gegentheil werde die Durchbohrung der Alpen noch vor dem gestellten Termin (J. Oktober 1880) zu Stande kommen. Die Garantie hierfür liege in der Ehre der Schweiz und in der Energie des Bundesraths. Die jetzige Gesellschaft werde für den Bau allerdings nicht mehr viel leisten, dagegen werde aber z. 3. eine neue Cxundlage gesucht und auch gefunden werden.
HSessen. Mainz, 25. Mai. Das Bezirksgericht verhandelte gestern, wie das „Frankf. Journ.“ mittheilt, gegen den Bischof v. Ketteler in zwei Anklagen wegen Zuwiderhandlung gegen die Art. 1, 4 und 7 des Gesetzes vom 23. April 1875, betr. die Vorbildung und Anfstellung der Geistlichen. Die Anklagen betrafen die Besetzung der Pfarrei zu Castel und die der Dekanats⸗ stelle zu Heppenheim. Der Bischof war in Begleitung einiger Mitglieder des Domkapitels erschienen. Bezüglich des ersteren von dem Ober⸗Appellhofe zur Anklage verwiesenen Falles bestritt der Bischof die Uebertragung des Amtes an den mitangeklag⸗ ten Kaplan Schaider. Es sei dieses weder durch ihn, noch in seinem Auftrag durch einen Dritten, auch nicht „geistig“ geschehen, sondern die Pastorirung der Pfarrei in geistlicher Be⸗ ziehung sei nur eine einfache Fortsetzung der Jenem vor Erlaß der Gesetze übertragenen Funktionen zu betrachten; eine Absicht zur Umgehung des Gesetzes habe er nicht gehabt. Im zweiten Falle beftritt er die Eigenschaft des Dekanats verwalters als eines Kirchen⸗ beamten im Sinne des Gesetzes. Das gleiche System hatte die Vertheidigung (Dr. Dumont) angenommen. Die Staats behörde hielt dagegen beide Anklagen in allen Punkten aufrecht, betonte die prononzirte Haltung des Bischofs gegen die berührten Ge⸗ setze, und beantragte wegen des ersten Reats 400 MS und ent⸗ sprechende Verfügung für den Fall der Uneinbringlichkeit, für das zweite Reat 750 6 Geldbuße oder 50 Tage Gefängniß; gegen Kaplan Schaider, der in irriger Annahme gehandelt zu haben scheint, erfolgte kein Antrag. Das Gericht vertagte den Spruch des Urtheils in die Sitzung vom 2. Juni. Der klerikale Anhang im Auditorium zog sich für einen lauten Beifall, den er der Ver⸗ theidigungsrede schenkte, eine ernste Rüge des Präsidenten zu. — Zu der am Sonniag nach Pfingsten, 11. k. M., hier stattfinden⸗ den Versammlung der Altkatholiken des Rhein⸗ und Maingaues und der Pfalz haben ihr Erscheinen Bischof Rein⸗ kens, Professor J. Friedrich und Professor Dr. Knoodt bereits zugesagt. Dieselben werden in der am Nachmittag jenes Tages im Akademiesaal des ehemaligen Kurfürstlichen Schlosses anbe⸗ raumten öffentlichen Sitzung des katholischen Reformvereins Vor⸗ träge halten. Der Versammlung geht ein feierlicher Gottesdienst in der neu hergerichteten Kirche voraus, den Pfarrer Steinwachs von Offenbach celebriren wird.
Anhalt. Dessau, 26. Mai. (St. A.) Die Her⸗ zoögin und der Erbprinz schreiten in der Rekonvaleszenz fort.
Bei dem Prinzen Friedrich zeigten sich heute keine Verschlim⸗ merungen. Fieber und Delirium sind zwar noch vorhanden, haben fich jedoch nicht verstärkt. Der Schwächezustand ist nicht größer geworden.
Bamburg, 23. Mai. Die venezolanischen Zeitun⸗ gem beschäftigen sich neuerdings wieder vielfach mit der Ein⸗ wanderung. Es ist dort jetzt, abgesehen von der Ackerbau treibemnden Klasse, auf welche nach wie vor der Hauptwerth ge⸗ legt ward, auch auf Einführung von Dienstboten abgesehen, wobei man u. A. auch Deutschland im Auge hat.
Um Die Einwanderung von Ackerbauern zu fördern, hat, wie aus Venezuela gemeldet wird, die dortige Regierung am 28. März d. J. ein Dekret erlassen, worin die von den kanari⸗ schen Inseln Rommenden als die zur Förderung des Ackerbaues Geeignetsten bezeichnet, und die Einwanderungskommisstonen
ermächtigt werden, in den Einwanderer⸗Depots alle von den ge⸗ nannten Inseln kommenden Leute, „welche der Lvohlthaten der Einwanderer theilhaftig zu werden wünschen, aufzunehmen, auch wenn die vorgeschriebenen Formalitäten nicht erfüllt sind.
Deutsche und Italiener sind bisher nur in sehr geringer Anzahl nach Venezuela gekommen. Dagegen verlautet von dort, daß die franzöfische und spanische Einwanderung wieder im Zu⸗ nehmen begriffen sei — wohl eine Folge der Bemühungen des, wie bekannt, in Paris befindlichen Unternehmers Seijas.
Oesterreichungarn. Wien, 2. Mai. Der deutsche Botschafter Graf zu Stolberg-Wernigerode hat sich, begleitet von dem Botschaftssekretär v. Bülow, gestern von Wien nach Pest begeben; ebenso der französische Botschafter Graf de Vogus, der großbritannische Botschafter Sir Andrew Buchanan und der russische Boischafter Novikoff.
— Das Darlehen, welches Graf Lonyay als Finanz⸗ Minister der Fiumaner Schiffsgesellschaft im Jahre 1869 gewährt hatte, scheint sich, schreibt die „Presse,!“ zu einer hoch⸗ politischen Staatsaffaire entwickeln zu wollen. Der Sachverhalt ist der folgende: Der Staatssäckel hat bei jenem Geschäft 96,000 Fl. eingebüßt, Graf Lonyay aber hat vor der Schlußrechnungs⸗ Kommisston, die ihn bezüglich seiner Antheilnahme an der An⸗ gelegenheit vernahm, darzuthun gesucht, daß er das Darlehen nur gegen genügende Sicherstellung bewilligt und daß, so lange er Finanz⸗Minister gewesen, die Forderung des Staates auch ausreichende Bedeckung gefunden habe; die Kommisston gab sich jedoch mit den Aufschlüssen Lonyay's nicht zufrieden, sondern zitirte auch Lonyay's Nachfolger, Kerkapolyi, und beschloß auf Grund der Aussagen des Letztern, welchen gemäß es Lonyay bezüglich der Sicherung der Staatsansprüche an der nöthigen Vor⸗ und Umsicht fehlen ließ, im Hause die Verweigerung des Absulutoriums zu beantragen. In Folge dessen spielt nun Lonyay das Prävenire, indem er in einer in den Pester Blättern veröffentlichten Erklärung ausgeinander⸗ setzz, daß er sowohl für die Bedeckung des Darlehens als auch für die Einbringlichkeit derselben ausreichend vorgesorgt hatte und an deren Schluß er selbst eine parlamen⸗ tarische Untersuchung im Sinne des 5. 32 des Gesetzartikels 8 vom Jahre 1848 verlangt. Dieser Paragraph zählt die Fälle auf, in welchen ein Minister zur Verantwortung feen werden kann. Lonyay wünscht daher selbst, daß in aller Form des Gesetzes ein Ministerverantwortlichkeits⸗Prozeß und zwar auf Grund des Punktes 6 jenes Paragraphen, ein⸗ geleitet werde, laut welchem Minister „wegen eines Unterschleifes oder einer ungesetzlichen Verwendung der ihnen anvertrauten Summen“ zur Verantwortung zu ziehen sind. Lonyay beruft sich in derselben Erklärung darauf, daß ihm bezüglich der frag⸗ lichen Angelegenheit das Absolutorium bereits einmal bewilligt worden sei und weist direkt darauf hin, daß nicht er, sondern sein Nachfolger sich Versäumnisse zu Schulden kommen ließ. Lonyay beruft fich zudem auch noch auf mehrere hervorragende Persönlichkeiten, unter diesen auch auf Minister Trefort, die im Jahre 1869 solidarische Haftung für die Verwendung des Dar⸗ lehens übernommen haben; es scheint somit, daß Lonyay die Bedenlklichkeiten der Schlußkommission auf persönliche Animost⸗ täten zurückführt.
Pest, 27. Mai. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der ungarischen Delegation erwiderte Graf Andrassy auf eine bezügliche Interpellation, er habe dem österreichischen General⸗Konsul in Belgrad die Weisung ertheilt, gegen das von der serbischen Regierung verfügte Moratorium Verwahrung einzulegen, wenn dasselbe auch für die auswärtigen Schulden Geltung haben sollte. Auf eine Interpellation, betreffend die Au s⸗ schließung der österreichisch⸗ungarischen Papiere von der Lombardirung durch die Deutsche Reichsbank, erwiderte Graf Andrassy, er habe in dieser Angelegenheit offiziös Schritte bei der deutschen Reichsregierung gethan, dieselbe habe auch ihre Unterstützung versprochen. Jedoch falle diese Angelegenheit in den autonomen Wirkungskreis der Direktion der Deutschen Reichs⸗ bank und sei ein Zwang Seitens der Regierung nicht möglich. Sobald die obwaltenden Hindernisse verschwunden sein würden, werde auch dieser Uebelstand schnell beseitigt werden. Beide Antworten des Grafen Andrassy wurden von der Dele⸗ gation zur Kenntniß genommen. Auf eine Interpellation des Deputirten 3sedenyi in der orientalischen Angelegenheit verlangte Graf Andrassy Zeit zur genaueren Erwägung derselben und erklärte, daß er bei dem gegenwärtigen Stande der Dinge kaum auf so viele Fragen werde antworten können.
Belgien. Brüssel, 26. Mai. In der heutigen Senats⸗ sitzung richtete Hr. Casier, Senator für Gent, eine Art von Interpellation an das Ministerium, worin er die Nachtheile, welche für Gent aus der Verwerfung des Vertrages wegen Terneuzen Seitens der Repräsentantenkammer erwüchsen, her⸗ vorhob, das Verfahren des Ministeriums belobte und fragte, was dasselbe nun zu thun gedenke. Der Finanz⸗Minister antwortete er bedauere die Abstimmung der Kammer um so mehr, als diese Niederlage die erste war, welche das Ministerium in seiner bereits fünfjährigen Verwaltungsp riode erlitten habe. Er habe das Amendement der Antwerpener De⸗ putirten nicht annehmen können, weil dasselbe einen schlimmen Präcedenzfall geschaffen haben würde; indessen solle Antwerpen alle Konzessionen erlangen, die es wegen der Konkurrenz des Hafens von Terneuzen wünschen könne, Gent werde feinen Kanal erhalten und alle Interessen sollen befriedigt werden. Er habe der niederländischen Regierung bereits gemeldet, daß er neue Unterhandlungen anzuknüpfen gedenke. Der Führer der Rechten im Senate, Herr d'Anethan, hielt dann eine für das Ministerium so wie die antwerpener Deputirten anerkennende Rede, und damit war die Sache erledigt. Der Senat genehmigte darauf die Kündigung des Handelsvertrages mit Italien und die Verwendung von 36 Millionen Franes für öffent⸗ liche Arbeiten, worauf der Minister des Innern das Königliche Dekret verlas, wodurch die legislative Session von 1875 — 1876 ge⸗ schlossen wird. — Inzwischen hat gestern in Antwerpen eine große Freuden⸗Demonstration stattgefunden; es wurde dem Bürgermeister de Wael ein feierlicher Fackelzug gebracht, an wel⸗ chem sich alle liberalen Vereine und Gesellschaften, viele Tau⸗ sende von Personen, betheiligten. — Die klerikale Partei läßt in Antwerpen eine Druckschrift vertheilen, worin das Ver⸗ halten der klerikalen Deputirten von Antwerpen gerechtfertigt und gerühmt wird. ⸗
SGroßbritannien und Irland. London, 27. Mai. Die gestrige amtliche „Gazette“ enthält die Ankündigung, daß der Herzog von Cumberland (König Georg von Hannover) zum General, und Prinz Ernst August von Cumberland (Kron⸗ prinz von Hannover) zum Oberst in der Armee ernannt worden ist.
— Aus der Sitzung des Unterhauses ist hervorzu⸗ . daß die Schiffahrtsvorlage nach kurzer einleitender esprechung zur dritten Lesung gelangte. Es wurden bei dieser Gelegenheit der Regierung von verschiedenen Seiten her Aeuße⸗ rungen der Anerkennung zu Theil für die billige Unparteilich⸗ keit, mit welcher sie das Gleichgewicht zwischen den streitenden Einflüfsen behauptet habe. Auch kam die Ueberzeugung zum Ausdruck, daß die Vorlage allen bei der Schiffahrt Interessirten zum großen Vortheile gereichen werde.
— Die Abfahrt des Panzerschiffes „Sultan“ hat sich um zwei Tage verzögert, soll aber jetzt erfolgen. Seine Ver⸗ haltungsmaßregeln erhält es in Malta von dem Geschwader⸗ Chef. Das Panzerschiff Monarch“ ist am Mittwoch Gib ral⸗ tar angelaufen. — Von Bewegungen in der Flotte sind weiter zu verzeichnen: Das Thurmschiff „Hotspur“ wird in Dienst gestellt und ist sofort seetüchtig zu machen. Das Panzer⸗ schiff „Achilles“ wird nächsten Montag gedockt. Vorräthe für Malta sind bereits unterwegs.
— Von der Westküste von Afrika wird der „E. C.“ ge⸗ meldet: In Sherbro wurden am 4. d. M. in Gegenwart des britischen Gouverneur⸗Lieutenants und mehreren Negerfürsten zwei Häuptlinge und ein Oberkrieger hingerichtet, die im vergangenen November einen Einfall in britisches Gebiet geleitet hatten, wobei mehrere britische Unterthanen getödtet wurden. —
— Ueber die Unruhen auf der malaischen Halbinsel und den darauf bezüglichen Depeschenwechsel zwischen dem Kolonial⸗ Ministerium und dem Gouverneur Sir William Jervois giebt ein eben veröffentlichtes, 300 Seiten starkes Blaubuch weitere Aufschlüsse. Die Gefechtsberichte machen den Haupttheil desselben aus. Aus den amtlichen Depeschen geht hervor, was schon bei Ausbruch der Unruhen versichert wurde, daß die zu derselben führende Annexionspolitik des Gouverneurs von Singapore die Billigung des Kolonial-Ministers von Anfang an nicht gefunden hat und die Proklamationen, welche die Ermordung des britischen Resi⸗ . in Perak zur Folge hatten, ohne sein Wissen erlassen wurden.
Frankreich. Paris, 27. Mai. Der Marschall⸗Prä⸗ sident hat vorgestern den außerordentlichen Gesandten und be⸗ voll mächtigten Minister der Republik Peru, Herrn Pedro Galvez empfangen und aus seinen Händen das Abberufungs⸗ schreiben desselben entgegengenommen. — Das „Journ. off.“ meldet heut die Ernennung von 29 Maires und 42 Ad⸗ junkten.
— Der Minister de Maresre ist nach Arras gereist, um die dortige landwirthschaftliche Ausstellung zu besuchen. Bei dem Diner hat der Minister eine Rede gehalten, aus welcher die Blätter einzelne Stellen mit großer Befriedigung citiren, wie sie denn überhaupt der ganzen Rede volle Anerkennung zollen. Der Minister sagte u. A.: „Was uns jetzt vor allen Dingen beschäftigt, ist das Wohlergehen des Landes, das Be⸗ dürfniß nach Frieden, Ordnung und Sicherheit Diesen Gedanken führte er durch und zeigte, wie der Marschall⸗-Präsi⸗ dent, die Regierung und die Kammern jetzt gemeinsam auf dies Ziel hinar beiten. Mit einstimmigem Beifall wurde diese Rede aufgenommen.
— Die allgemeine Budgetkommission hat gestern die Prüfung der Einnahmen begonnen. Verschiedene Ansichten wurden aufgestellt, Gambetta trat ihnen entgegen und schlug endlich der Kommission für ihre Arbeiten vor, zwei Berichte zu erstatten, einen über das gegenwärtige Budget, wie es aufgestellt ist, ohne die Posten wesentlich zu ändern, und einen zweiten, welcher der Kammerlegislative Beschlüsse betreffs der im Finanzwesen des Landes einzuführenden Reformen vorlegen sollte; diese Reformen würden dann dem Budgetprojekt für 1878 zur Grund⸗ lage dienen. — Die Kommission hat diese Vorschläge an⸗ genommen.
— Der Ausschuß für die Wahl des Grafen de Mun vernahm gestern Bethmond, den Präsidenten des mit der Unter— suchung im Morbihan betrauten Unter-Ausschusses. Die Unter⸗ suchung stieß bei der Geistlichkeit auf große Hindernisse; unge— achtet dessen gelang es aber doch, die Umtriebe derselben, sowie des mit ihr verbündeten Provinzialadels festzustellen. Einen Beschluß faßte der Ausschuß gestern nicht. — Der Ausschuß für die Angelegenheit Rouviers berieth gestern ebenfalls und beschloß, ungeachtet des Widerstandes eines Theils seiner Mit— glieder, eine Gegenuntersuchung zu veranstalten.
— Die „Sent. du midi“ meldet: „L'Hérolne“ ist am 13. Mai im Piräus und am 14. in Salonichi angekommen; „La Gauloise“ das Flaggenschiff des Contre⸗Admiral Jaures, „la Couronne“ und „le Desaix“ sind am 14. im Piräus vor Anker gegangen; der „Chäteau⸗Renaud“ hat, von Smyrna kommend, am 13. vor Salonichi geankert; „der Gladiateur“ lag am 15. vor Cavalla, auf der Reise nach dem Bosporus, vor Anker. — In Toulon wird die Panzerfregatte „Savoie“ aus gerüstet; auch von der Ausrüstung der Fregatten ‚Magnanime⸗ und „Marengo“ ist die Rede.
— Der Minister des Innern, de Mareéàre, hat, wie der „K. Z.“ telegraphirt wird, der Deputirtenkammer den Gesetz⸗ entwurf vorgelegt, wodurch der Wittwe Ricards als National⸗ dank eine jährliche Pension von 6000 Frs. geboten wird.
— Wie die „Agence Havas“ vom 28. d. M. erfährt, hat, in Erwartung einer endgültigen Entschließung Großbritanniens und in der Hoffnung auf den noch erfolgenden Beitritt dieser Macht, bis jetzt eine offizielle Mittheilung der Berliner Kon—⸗ ferenzvorschläge an die Pforte noch nicht stattgefunden. Dieselbe fügt hinzu, in Pariser politischen Kreisen halte man an der Hoffnung fest, daß Großbritannien die einzelnen Punkte des Memorandums, die dasselbe modifizirt zu sehen wünsche, angeben und daß sich eine Uebereinstimmung aller Mächte, die den Pariser Vertrag unterzeichneten, über ein gemeinsames Vorgehen im Oriente erzielen lassen werde.
— Aus Algier wird geschrieben: „Drei französische katho⸗ lische Missionäre, welche von dieser Stadt nach Tombuktu aufgebrochen sind, unterwegs ermordet worden, und zwar nach allen Nachrichten von den Tuaregs. Der Fall ist ernst und traurig — war aber, wie das „Journ. des Deb.“ bemerkt, vorherzusehen. Seit 1850, wo General Hautpoul Kriegs Minister war, hatte die Geisilichkeit, unterstützt vom päpst⸗ lichen Nuntius, um die Ermächtigung gebeten, Missionäre in die algerischen Tribus zu schicken. Das Gesuch wurde abgelehnt, der Minister, der Generalgouverneur, alle militärischen Ober⸗ und Unterbefehlshaber Algeriens waren dagegen, weil es eine gefährliche Aufregung hervorbringen würde. Als aber 1865 ein Erzbischof von Algier ernannt worden, aͤnderte sich die Lage, die Geist⸗ lichkeit trat mit größerem Gewicht auf, wenn auch die Ueberzeugung der weltlichen Behörden sich nicht geändert; der damalige Gene⸗ ralgouverneur, Marschall Mae Mahon widerstand den Be⸗ mühungen des Erzbischofs. Derselbe grün dete daher nur einige Hospize für muselmännische Wittwen, Waisen und Greise mit
dem Versprechen, sich von jeder religiösen Pression fern halten zu wollen. Zugleich aber schickte er einen Theil der Waisen nach Frankreich; hier wurde ein Seminar gegründet, um arabische Priester zu bilden. Zugleich stiftete der Erzbischof mit päpst⸗ lichem Breve ein Missionshaus bei Algier, nicht um den Al⸗ geriern, sondern den Bewohnern von Central⸗Afrika das Evan⸗ gelium zu bringen. Die erste Expedition dieser Misstonäre hat nun die jetzige beklagenswerthe Katastrophe herbeigeführt.
— 28. Mai. (W. T. B.) Der Zustand Casimir Périers ist hoffnungslos.
Spanien. Madrid, 29. Mai. (W. T. B.) Der Ministerpräsident Canovas hat den Delegirten der Gläubiger der spanischen Schuld gegenüber erklärt, daß die Lage des Staatsschatzes die Regierung genöthigt habe, den Gläubigern Opfer aufzulegen; derselbe hat indeß gleichzeitige Reformen in Aussicht geßlellt, die diese Opfer verringern sollen, ohne einen Nachtheil für den Staatsschatz herbeizuführen. — Dem „Cronista“ zufolge hat in dem Arsenal von Cartagena eine Feuersbrunst stattgefunden, durch welche die Maschinen⸗ werkstätte zerftört wurde.
— Das Pariser Journal „Estafette“ thut einer Nachricht Erwähnung, wonach in Tolosa unter dem Rufe: Es lebe die Republik, hoch die Fueros! eine unruhige Bewegungz statt—⸗ gefunden haben soll.
San Sebastian, 27. Mai. (W. T. B.) Durch einen Erlaß des General Quesada wird in den baskischen Pro— vinzen und Navarra der Belagerungszustand erklärt; zugleich wird das Kriegsgesetz in Kraft gesetzt.
Italien. Rom, 27. Mai. (W. T. B.) In der heutigen Sißzung der Deputirtenkammer bestätigte der Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Melegari, in Beantwortung einer bezüglichen Interpellation die Erhebung der Gesandt⸗ schaften in Paris und St. Petersburg zum Range von Botschaften und fügte hinzu, daß die italienische Regierung dem in der Berliner Konferenz vereinbarten Memorandum beigetreten sei. Sodann erklärte der Minister, er glaube nicht, daß die Ablehnung der englischen Regierung, dem Memo⸗ randum beizutreten, die Aktion der anderen Mächte behindern werde, er hoffe vielmehr, daß die englische Regierung bei der Pforte ihren Einfluß dahin geltend machen werde, daß letztere die in Berlin beschlossenen Vorschläge annehme.
— 28. Mai. (W. T. B.) In einer gestern sftattgehabten Versammlung von Deputirten, welche dem Centrum angehören, sprach man sich für eine Ablehnung der Ba⸗— seler Konvention aus, beschloß indeß, die definitioe Ent— schließung bis dahin zu verschieben, wo die Abänderungen be— kannt sein würden, über welche Correnti mit dem Bankhause Rothschild unterhandeln soll.
Griechenland. Die Regierung hat zum Schutze ihrer Landesangehörigen nach Salonichi 5 Kriegsschiffe gesandt, von denen die „Salamini“ und „König Georg“ Panzerfregat— ten sind.
Türkei. Konstantinopel, 28. Mai. (W. T. B.) Der Ober⸗Kommandirende in Bulgarien meldet der Pforte telegraphisch vom 25. d. M., die bulgarischen Insurgenten seien vollständig vernichtet, die militärischen Operationen seien beendet, die gefangen genommenen Personen würden abgeurtheilt, die Bevölkerung der aufständischen Dörfer kehre unter die Bot— mäßigkeit der Behörden zurück. — Khalil Scherif Pascha ist zum Minister ohne Portefeuille, Souseya Pascha zum Gouverneur von Angora ernannt, Derwisch Pascha nach Janina entsenset worden. Die meisten ehemaligen Minister befinden sich hier und nehmen an den Berathungen des Mi⸗— nisterraths Theil.
— Nach Nachrichten aus Bosnien über Ragusa vom 24. d. haben die Insurgenten unter Golub einen Angriff auf Bilajj gemacht, und diesen Ort, nachdem sie ca. 350 Tür- ken getödtet und gegen 1000 Schafe, 400 Ochsen und 60 Pferde davon getrieben hatten, in Asche gelegt. An dem nämlichen Tage wurden die Ortschaften Klisa und Zelinowatz von den Infurgenten unter Marinovich in Brand gesteckt. Der Verlust der Türken wird auf 150 Mann angegeben.
— Die letztvorhergehenden Kämpfe in Rord⸗Bosnien werden von der „Pol. Correspondenz“ wie folgt dargestellt: Am 18. d. M. hat eine Reihe außergewöhnlicher Kämpfe begonnen. Ali Pascha sammelte alle seine Kräfte und marschirte am 18. nach dem Grmetz⸗-Gebirge, das von den Insurgenten so befestigt wurde, daß diese Positionen selbst in türkischen Kreisen für uneinnehmbar gehalten wurden. Die Rizams (zwei Alajasz und Redifs (vier Tabors) schlugen sich am 19. mit großer Bravour; eine Schanze nach der anderen fiel in ihre Hände und nur der Abend verhinderte die gänzliche Ver— nichtung der Insurgenten, in deren Lager eine unbeschreibliche Verwirrung herrschte, da man nicht wußte, was man mit den Weibern und Kindern anfangen solle, zumal ihre Zahl im ge⸗ nannten Gebirge sich auf mehr als 2000 Personen beläuft. Es war aber einem Boten möglich, in die Gegend von Risovac zu gelangen, wo man den Insurgentenführer Bandalun vermuthete, welcher 2000 Mann unter seinen Befehlen hat.
Von dem Unglücke benachrichtigt, eilte dieser in Eilmärschen gegen Grmetz und fiel unvermuthet Ali Pascha in der Flanke an. Dieser unvermuthete Angriff brachte die Türken zum Weichen und zum Rückzuge. Ali Pascha, der Sieger vom 19., wurde am 20. besiegt und verlor wenigstens bei 200 Mann. Die Zahl der Verluste an beiden Tagen ist sehr groß, doch bis jetzt ziffer⸗ mäßig nicht konstatirt. Die Insurgenten von Grmetz führen rasch abermals ihre Vertheidigungswerke auf.
— Ueber di Insurrektion in Bulgarien meldet dieselbe Korrespondenz aus Sophia unterm 18; Die sogenannte Sredjna Gora ist in allen Theilen insurgirt. Die zwei wichtigsten Städte dieses Distriktes: Panadjurischte mit 12,009 Einwohnern und Korischtiza mit 8090 Einwohnern, sind von den Insurgenten be⸗ festigt und stark besetzt worden. Die letztere Stadt ist 19 Stunden Weges von Philippopel entfernt und der größere Gebietstheil zwischen diesen beiden Orten ist in den Händen der Insurgenten. Ueberdies ist es positiv, daß der von Bulgaren bewohnte Theil des Tatar⸗Bazardjiker Bezirkes, welcher 79 bulgarische Dörfer umfaßt, zu den Waffen gegriffen hat. . .
Diese Thatsache erklärt die vorgestern eingetretene vollstän⸗ dige Unterbrechung der Verbindung zwischen Tatar⸗Bazardjik und Philoppopel. Der Berkovitzer Bezirk ist in der Hand der Aufstaͤndischen. Zwischen der Morava, Nisch und Sophia be⸗ findet sich ein Distrikt, den die Bulgaren „Sucha Planina“ (die trockene Hochebene) nennen. Diesen Distrikt hat der bekannte Ilija . Endlich ist der Aufftand zu beiden Seiten der Straße, welche von Drinopel nach Rustschuk führt, stark bedroht.
Ueber die letzten Kämpfe wurden folgende Einzelnheiten be⸗ richtet. Am 16. Mai rückte Oberst Hassan Bey gegen Otlu⸗öi
(nahe bei Avrat⸗Alan) vor und lieferte den in der Organisation begriffen gewesenen Insurgenten ein Treffen. Die Türken waren etwa 6500 Mann stark, während die Insurgenten ihnen an Zahl weit überlegen waren. Doch war weder ihre Organisation noch auch ihre Ausrüstung vollendet. In Folge dessen wurden sie trotz ihrer bedeutenden Ueberzahl von den Türken in einem vier—⸗ stündigen Treffen geschlagen und mußten den Rückzug ins Ge⸗ birge antreten, wobei es nicht ohne große Unordnung ablief. Bei dieser Affaire fielen den Türken Waffen und Munition in ansehnlicher Menge in die Hände.
Ein zweiter Kampf fand bei Trnowa im Balkan statt. Wolowski war mit der Organisation einer Schaar von 900 Mann aus dem Pleyner Kreise beschäftigt. Da wurde er von einem Tabor regulärer Türken, die von 10090 Tscherkessen ver⸗ stärkt wurden, überrascht und geschlagen. Die Türken erbeute⸗ ten die Lagerzelte der Insurgenten und nahmen ihnen auch 120 Gefangene ab. Der Rest der Insurgenten flüchtete sich ins Gebirge.
Adil Pascha hatte den Befehl, Aprat⸗Alan zu nehmen, wo bei 10,000 Insurgenten sich verschanzt haben. Er griff am 18. Mai früh diesen Ort an, wurde aber mit großem Verluste zurückgeschlagen. Bis zur Stunde sind die Insurgenten noch immer Herren des befestigten Ortes. Adil Pascha verfügte über 12,000 Mann. In den nächsten Tagen dürfte der Kampf um Avprat⸗ Alan von neuem entbrennen, da Abdul Kerim Pascha um jeden Preis diese Stadt in seine Gewalt bringen will.
Salonichi, 28. Mai. (W. T. B.) Gestern ist in der Untersuchung wegen des Konsulmordes gegen 11 An⸗ geschuldigte das Urtheil gesprochen worden. Gegen 2 wurde auf Todesstrafe, gegen 8 auf Zwangsarbeit und gegen 1 auf drei Jahre Kerker erkannt. Heute beginnt die Aburtheilung der der Anstiftung des Tumultes Bezichtigten.
— Aus Serbien und Montenegro liegen folgende Aeußerungen der Regierungsblätter vor: Der amtliche montenegrinische „Glas Czernagorea“ erklärt: „Die Türkei bereitet sich an unserer Grenze zum Kriege vor. Wir können eine solche Manifestation nicht ruhig hinnehmen, man weiß, daß Montenegro Alles gethan hat, um den Frieden zu erhalten. Die Großmächte, welche diese unsere Bemühungen kennen, wandten uns ihre Zuneigung zu. Da aber die Pforte herausfordernde Schritte thut, so können wir nicht weiter müßig bleiben, und dieses um so weniger, als der diplomatischen Be⸗ mühung, den Aufstand zu beseitigen und eine Pazifikation herbeizuführen, keine Erfolge entgegenwinken. Wir stehen am Scheidewege, gerade so wie es mit Serbien der Fall ist. Auf diesem Punkte können wir aber nicht lange verweilen, selbst dann nicht, wenn wir es wünschten.“
Das serbische Regierungsblatt, Istock“, das Organ der Omladina, äußert: „Die Existenz Serbiens steht auf dem Spiele. Ver⸗ säumt es auch die jetzige Gelegenheit, so wird es an der Schwind⸗ sucht sterben. Indessen bürgt uns der präzise Beschluß der Skupschtina dafür, daß Serbien auf der Bahn der National⸗ politik beharren wird. Die Rüstungen sind vollendet. Wie wir bestimmt hören, wird man dieser Tage zum letzten Mittel, das den Krieg ermöglichen soll, schreiten, zur Zwangsanleihe.“
Rußland und Polen. St. Petersburg, 27. Mai. Der „St. Pet. Herold“ meldet: Die Panzerfregatte „Pe⸗ tropawlowsk“ und der Klipper „Kreuzer“ werden unter dem Kommando des Stabs⸗Chefs, Ober-Commandeur des Kronstädter Hafens, Contre-Admiral von der Suite Sr. Ma⸗ jestät M. J. Federowskij ins Mittelmeer abgehen, von wo der Contre⸗Admiral nach Uebergabe der Fahrzeuge an die Ab⸗ theilung des sog. griechischen Geschwaders auf dem Landwege nach Kronstadt zurückkehren wird.
Amerika. (A. A. C.) Aus Washington wird gemeldet: Das Kabinet beschloß weitere Schritte zum Schutz der Berg⸗ leute in den Schwarzen Hügeln gegen die Einfälle der Sioux zu thun. Einem Gerücht zufolge haben die Indianer jüngst 11 Weiße aus einer Anzahl von 22 getödtet. — General Schenck hat an den Ansschuß ein Schreiben gerichtet, worin er bemerkt, er könne sich nicht erinnern, dem Obersten Chesebrough eine Depesche gesandt zu haben, worin er beauftragt wurde, 2000 Aktien der Emma⸗ Mine für seine (des Generals) Rechnung zu verkaufen, aber er glaubt, daß es damit seine Richtigkeit haben mag. Er räumt ein, daß Oberst Chesebrough sich nach London begab, autorisirt, für ihn zu agiren, aber nicht 2000 Aktien der Emma⸗ Mine zu verkaufen. Der Ausschuß hat nunmehr seinen Bericht über die ganze Angelegenheit erstattet. Nach genauer Prüfung der Aussagen aller während der Untersuchung vernommenen Zeugen folgert der Ausschuß, daß General Schenck, ab⸗ gesehen davon, daß er ein Direktor der Compagnie wurde, in Aktien der Emma⸗ Mine nicht allein in Gemeinschaft mit Mr. Park und Mr. Wordhull, sei⸗ nem Sekretär, sondera auch auf eigene Rechnung in einer Weise spekulirte, die dazu angethan war, den Namen und Rang eines amerikanischen Gesaͤndten in Mißkredit zu bringen. Der Aus⸗ schuß findet demnach, erstens: daß es fuͤr Geueral Schenck unge⸗ hörig war, ein Direktor der Compagnie zu werden, zweitens: daß seine Beziehungen zu den Verkäufern der Mine derartige waren, um seine Motive zu verdächtigen und seine Handlungsweise ungünstiger Kritik auszusetzen. Aber der Ausschuß spricht ihn von jedem Betruge oder jeder betrügerischen Absicht in Verbindung mit der Compagnie oder den Verkäufern der Mine frei. Drittens findet der Llusschuß, daß das Spekuliren in den Aktien der Mine un⸗ vereinbar mit seiner Stellung als Gesandter der Vereinigten Staaten am Hofe von St. James war. Schließlich empfiehlt der Ausschuß dem Repräsentantenhause, eine Resolution anzu⸗ nehmen, welche General Schencks Handlungsweise, indem er ein Direktor der Emma⸗Mine⸗Compagnie wurde, sowie seine Opera⸗ tionen in Verbindung mit den Aktien und Verkäufern der Mine als übelberathen, unglücklich und unverträglich mit seiner Stel⸗ lung als ein Gesandter der Vereinigten Staaten mißbilligt.
— Der Bankausschuß hat günstig über Mr. Randalls Gesetzvorlage berichtet, welche zur Prägung von weiteren 25 Millionen Silberdollars ermächtigt. — Das Repräsen⸗ tantenhaus hat die Diskussion der Tarifvorlage begonnen. Mr. Morrison empfahl die Wiedereinführung der Zölle auf Thee und Kaffee.
Nr. 21 des „Central⸗Blatts für das Deutsche Reich“ herausgegeben im Reichskanzler ⸗Amt, hat folgenden Inhalt: Allge— meine Verwaltungs sachen: Verweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet. — Finanzwesen: Goldankäufe Seitens der Reichsbank; — Nachweisung der Einnahmen an Zöllen und gemeinschaftlichen Verbrauchsteuern, sowie anderer Einnabmen im Deutschen Reich für die Zeit vom 1. Januar bis zum Schlusse des Monats April 1876.