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Evangelische Ober⸗Kirchenrath hat auf diesen Beschluß folgenden Bescheid erlassen: ‚Was den gewählten Publikations- modus, Bekanntmachung an die Gemeindevertretung, bezw. in Gemeinden, ohne solche an eine berufene Gemeindeversammlung, anlangt, so erkennen wir an, daß derselbe nach der Seite der Staatsgesetzgebung zu keinem Bedenken Anlaß giebt. Eine andere Frage ist es, ob diese nament⸗ liche Bekanntmachung eines Disziplinirten vom kirch⸗
lichen Standpunkte aus zu billigen ist. Diese Frage können
wir kaum hinsichtlich derjenigen Fälle, in denen die Ent⸗ zächung des passiven und aktiven Wahlrechts als Zucht mittel angewendet ist, bejahen; indessen besteht immerhin ein selbst⸗ verständliches Interesse der Gemeinde daran, diejenigen Mit⸗ glieder, welche vom Wahlrecht ausgeschlossen sind, zu kennen, und wir würden daher einen in diesen Grenzen sich bewegenden Beschluß nicht beanstanden. Was dagegen die Ausschließung von der Pathenschaft, noch mehr die vom heiligen Abendmahl anlangt, so stellt sich die öffentliche Bekanntmachung dieser Akte mit Namensnennung nur als eine Straferschwerung der empfind⸗ lichsten Beschaffenheit dar. Da wir nicht billigen können, daß jede Uzebung der Disziplin in dieser Weise geschärft wird, so sehen wir Uns außer Stande, den hierauf gerichteten Beschluß zu bestätigen.“
— Gegen den Inhalt einer öffentlichen Urkunde und über dessen Gegentheil kann sowohl nach preußischem als auch nach französischem Rechte im Prozesse vom Verklagten der Eid angetragen werden. Erkenntniß des Ober⸗Tribunals IV. Senats vom 6. April 1876.
— Der zum gKaiserlichen General⸗Konsul für Rumãnien ernannte Legations-Rath von Alvensleben ist in Bukarest eingetroffen und hat die Geschäfte übernommen.
— Der General-Fefßmarschall Herwarth⸗ von Bitten⸗ feld ist nach Bonn zurückgekehrt.
— Der General der Infanterie von Stosch, A la suite des See-Bataillons und Chef der Kaiserlichen Admiralität und Staats-Minister, hat sich mit Urlaub nach Oestrich am Rhein begeben.
— Der General-Lieutenant und Remonte⸗Inspecteur von Rauch ist von seiner Dienstreise zur Musterung der Remonten in den Depots, hierher zurückgekehrt.
— Die 455 Kilometer lange Theilstrecke Niederjelters⸗ Cam berg der Hessischen Ludwigs⸗Eisenbahn ist am 15. Mai d. J. dem Betriebe für Personen- und Güterverkehr übergeben worden.
Lauenburg. Ratzeburg, 2. Juni. In der heutigen Sitzung nahm der Landtag den Gesetzentwurf wegen Einver⸗ leibung des Herzogthums Lauenburg in die preußische Monarchie einstimmig an. ö.
Bayern. München, 1. Juni. Der König hat von Schloß Berg aus den Minister v. Pfeufer an seinem ge⸗ strigen Doppeljubelfeste durch nachftehendes Telegramm ausge⸗ zeichnen: „Ich nehme an dem Fest Ihrer silbernen Hochzeit, zu welchem sich die Feier der Vollendung von 25 Jahren verdienst⸗ reichen amtlichen Wirkens gesellt, aufrichtigen Antheil und ver⸗ binde mit dem wärmsten Glücks⸗ und Segenswunsche für Ihr und der Ihrigen Wohl die Versicherung Meines vollsten Ver⸗ trauens. Ludwig.“
— In der heutigen Sitzung der Ab geordnetenkammer wurde der Etat der Bank mit einer Steuereinnahme von 350,000 S6 für jedes Jahr der 13. Finanzperiode eingesetzt und der Etat des Finanz⸗Ministeriums nach den Ausschußbeschlüssen genehraigt, die beantragte Zulage⸗Erhöhung für die Kanzlisten beim Ministerium und bei den Kreis⸗Finanzkammern jedoch mit 63 gegen 60 Stimmen abgelehnt.
— In der VI. Abtheilung der Kammer der Abgeordneten wurde gestern der vom Abgeordneten Schels verfaßte Bericht über die beanstandeten Sulzbacher Wahlen berathen und genehmigt.
Württemberg. Stuttgart, 31. Mai. Die Abge⸗ ordnetenkammer bewilligte heute 50,000 M als weiteren Staatsbeitrag zu den Kosten der Erbauung einer zweiten katholischen Kirche in Stuttgart. Die Kommisßon hatte nur die Bewilligung von 34,000 M beantragt, welche das Finanz⸗Ministerium zur Verfügung Jestellt hatte.
Baden. Karlsruhe, 2. Juni. (W. T. B.) Die Zweite Kammer ging in ihrer heutigen Sitzung über den Antrag der Ultramontanen auf Einführung direkter Land⸗ tagswahlen und Aufhebung des Unterschiedes zwischen Stadt und Land zur Tagesordnung über. Der Initiativantrag von Lamey auf Aenderung der Wahlordnung wurde angenommen. Die Kammer vertagte sich bis zum 12. d. M.
Mecklenburg. Neu⸗Strelitz, 2. Juni. Gestern ist die Herzogin Karoline zu Mecklenburg nach längerer Krank⸗ heit im 56. Lebensjahre verstorben. Dieselbe, eine Tochter des i860 verstorbenen Großherzogs Georg und der Großherzogin Marie, war am 10. Januar 1821 geboren; sie wurde am 10. Januar 1841 dem damaligen Kronprinzen, nachherigen Könige Friedrich VII. von Dänemark vermählt. Nach ihrer am 30. Seplember 1846 erfolgten Scheidung von demselben lebte sie meistens in Neu⸗Strelitz.
Sachsen⸗Coburg⸗ Gotha. Gotha, 2. Juni. Der Landtag hiesigen Herzogthums ist heute vertagt worden, nach⸗ dem er zur Verlegung und Tieferlegung der Chaussee zwischen Bahnhof und Stadt Friedrichroda 24060 66 aus der Staats—⸗ kasse bewilligt, die Verwendung von 63,800 S6 aus Domänen⸗ mitteln zum Bau eines Restaurationsgebäudes auf dem Fried⸗ richrodaer Bahnhof aber zur Zeit abgelehnt hatte. =
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 1. Juni. Der Kaiser hat sich gestern von Pest ins Lager nach P.⸗Csaba begeben.
— 7. Juni. (W. T. R. Wie die „Presse“ meldet, nehmen die Verhandlungen des itätsenischen Deputirten Correnti mit dem Bankhause Rothschild wegen Abänderung der Baseler Konvention ihren fortgesetzten Verlauf, unbegründet sei aber, daß es bereits zu einem Abschlusse gekommen sei und daß das Bankhaus Rothschild Zugeständnisse gemacht habe.
— 3. Juni. (W. T. B.) Wie hiesigen Zeitungen tele⸗ graphisch gemeldet wird, ist der frühere österreichische Bot⸗ schafter in Paris Graf Apponyi, in Venedig gestorben.
Pest, 1. Juni. Der Reichstag dürste bis gegen Mitte Juni beisammen bleiben und dann drei Monate lang feiern.
— Im Unt erhause legte heute Pechy den Gesetzentwurf, betreffend den Ausbau der Hermannstadt⸗Tömöser Grenzbahn vor. Das Haus nahm die Arrondirungsvorlage als Grundlage der Spezialdebatte an.
— 2. Juni. (W. T. B) Die Delegationen haben bezüglich sümmtlicher Vorlagen eine Uebereinstimmung erzielt. In der Sitzung der österreichischen Delegationen sprach Graf Andrassy den aufrichtigen Dank und die Anerkennung des Kaisers für den patriotischen Eifer und die Opferwilligkeit aus, welche die Delegation während der Session bewiesen habe. Zugleich dankte der Minifter auch im Namen des gesammten Ministeriums, worauf Rechbauer die Schlußrede hielt und die Session geschlossen wurde.
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Schweiz. Bern, 31. Mai. Die wieder halten Storungen bei altkatholischen Begräbnißfeierlichkeiten haben zu folgender Verordnung des Regierungs rathes geführt:
Art. 1. Die kirchliche Feier des Begräbnisses in den katholischen Gemeinden des Kantons bleibt in dem Sinne den Hinterlassenen des Verstorbenen überlassen, daß es denselben freifteht, gottesdienstliche Feierlichkeiten nach den Gebräuchen und durch Geistliche der betreffen⸗ den Konfessionen oder Religionsgenossenschaften zu erhalten. Ausge⸗ schlossen hiervon und untersagt ist die Begleitung öffentlicher Be gräbnißprozessionen durch Geistliche in Amtstracht und in Ausübung kirchlicher Ceremonien. .
Art. 2. Der Gebrauch der öffentlichen Kirchenglocken während des Begräbnisses ist da, wo derselbe gewünscht und örtliche Uebung ift, den Angehörigen aller Konfesstonen und Religionsgenossenschaften ebenfalls zu gestatten. .
Art. 3. Die Ortepolizei hat für Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung bei den genannten Feierlichkeiten zu wachen und namentlich zur Verhütung von Störungen dafür zu . daß nicht Beerdigungen von Gliedern verschiedener Konfessionen und Religions genossenschaften zur nämlichen Zeit stattfinden. ;
Art. 4. Widerhandlungen gegen Vorschriften dieser Verordnung von Seiten der Geistlichen, Gemeindebehörden oder Gemeinde⸗ bediensteten werden, sofern nicht ein schweres Vergehen vorliegt, mit Geldbuße bis zu Fr. 200 bestraft. Im Rückfall ist die früher aus— gesprochene Buße angemessen zu erhöhen. J J
Are 5. Diese Verordnung tritt provisorisch sofort in Kraft.
Ecrsßbritannien und Irland. London, 1. Juni. Das Parlament hat Ferien. Die Blätter sprechen sich über die orientalischen Angelegenheiten sehr zurückhaltend und vorsichtig aus, indessen hoffen fie meist auf eine Wendung zum Besseren. ;
— In der Abendsitzung des Unterhauses vom 31. Mai bildete die Wahlreform den Hauptgegenstand der Erörterung. Die E. C.“ meldet darüber: .
Bekanntlich kam die Reformakte von 1868 nur den städtischen Bezirken zu Gute. Seitdem haben die Fortschritismänner auf dem linken Flügel der liberalen Partei sich von Jahr zu Jahr mit ge— ringerem Erfolge bemüht, das Unterhaus und das Land für den Vor— schlag zu begeistern, daß auch den ländlichen Bezirken die Ermäßigung der Bedingungen zur Ausübung des Wablrechts zugestanden werde Die Führer der Ministeriellen, wie der Opposition hatten in letzter Zeit eingewandt, ein solcher Vorschlag sei unvollständig, wenn man ihn nicht mit einem Plane zur Neueintheilung der Wahlbezirke ergänze. Dem entsprechend trat nunmehr Hr. Trevelyan, dere begabte Wortführer der Fortschrittsmänner, der jüngst erst als Biograph seines Oheims Macaulay verdiente Anerkennung auf anderem Gebiete geerntet hat, mit zwei Resolutionen hervor: Die erste erklärt Gleich stellung der Wahlberechtigung in städtischen und ländlichen Bezirken, die zweite Neueintheilung der Wahlbezirke für wünschenswerth. Es ist bemerkenswerth, daß Hr. Trevelyan seine balbstündige Rede über den Gegenstand vor einem aus etwa 16 Mitgliedern bestehenden Hause hielt. Auf der ministeriellen Seite saßzßen 4 Personen. Auf der ersten Bank der Opposition erschienen die ehemaligen liberalen Minister Bright, Lowe und Forster. Die Reden, welche im Laufe der Erörterung für und gegen die Resolutionen gehalten wurden, zeugten nicht minder von der in Sachen der Wahlreform herrschenden lethargisch ruhigen Stimmung, als die geringe Theilnahme an der Debatte, Außerdem trat auch recht augenfällig der Mangel an Eingkeit in den Reihen der Liberalen zu Tage. Nachdem Hr. Trevelyan die bekannten Argumente zu Gunsten seiner Vorschläge vorgebracht, sekundirte ihm Professor Fawcett. Von der ministeritllen Seite erklärte darauf Hr. Dalrymple die Nothwendigkeit einer Veränderung in den heutigen Verhältnissen für nicht erwiesen und Sir Charles Dilke, der bekannte radikale Baronet, sowie Hr. Burt, der eine von den beiden als Klassenvertreter in das Unterhaus gesandten Arbeitern, äußerten sich zu Gunsten der Resolutionen. Sir Walter Barttelot war der nächste Gegner, der von zer ministeriellen Seite den Resolutionen erstand. Wirkliches Interesse erlangte die Debatte erst, als dieser Redner geendet hatte, und Hr. Lowe von der ersten Oppositionsbank aus, wie in den bewegten Zeiten vor etwa M Jahren, vor Ausdehnung der Wahlberechtigung warnte, weil der Charakter und die Tüchtigkeit der Gesetzgebung darunter leiden müssen. Wie in jenen Tagen erhob sich auch jetzt Hr. John Bright, um die Argumente zu entkräften, welche nach seiner Erklärung aus der Periode vor dem Jahre 1832 herrührten. Er deutete auf die Erfahrungen, welche man mit der Reformakte von 1868 gemacht, als ebenso viele Beweise dafür, daß die Befürchtungen seiner weiland Kollegen in der Abministration Gladsione grundlos seien, druckte dem heutigen Premier seine Anerkennung aus, weil er die letzte Re— formakte durchgesetzt und bat ihn, auch den weiteren Schritt zu thun und die ländliche Bevölkerung derselben Wohlthat theilhaftig zu machen. Eine besondere Resolution über Neueintheilung der Wahl size hielt der Redner für unerwünscht. weil er dieselbe als eine natürliche Folge der Erweiterung des Wahlrechts als überflüssig erachtete. Der Premier verweilte mit Nachdruck in seiner Entgegnung auf dem Mangel an Uebereinstimmung auf Seiten der Gegner, und bediente sich auch hinsichtlich der Argumente Trevelyans für die beiden Resolutionen praktischer Einwände: Er ver— misse wirkliche Pläne über die Art und Weise, wie man die vorgeschlagenen großen Veränderungen durchführen könne, setzte er im Wesentlichen auseinander. Schließlich nahm Hö. Trevelyan noch zu einem scharfen ngris auf Lowe das Wort und zog darauf die zweite Resolution ein. Die erste, welche auch den Hauptftoff zur Er⸗ oͤrterung geliefert hatte, kam sodann zur Ab stimm ung und wurde mit 165 gegen 264 Stimmen ,
— Aus Zanzibar wird gemeldet, daß das an der Oftküste Afrikas zur Unterdrückung des Sllavenhandels stationirte britische Kriegs schiff „London“ ein scharfes Rencontre mit einem Sklaven⸗ schiffe hatte. Die arabische Mannschaft feuerte auf das Boot, welches das Sklavenschiff kaperte, doch wurde keiner der britischen Matrosen getödtet oder verwundet. Durch die Wegnahme des Schiffes erhielten 300 Sklaven ihre Freiheit. Die arabische Mannschaft wurde in Zanzibar eingekerkert.
Frankreich. Paris, 1. Juni. Das amtliche Blatt pu⸗ blizirt heut wiederum die Ernennung von 2 MNaires und 3 Adjun kten. — Außerdem bringt dasselbe das Dekret vom 18. März 1873, welches die Waffen- und Kriegs muni— tion-Aus fuhr nach Spanien verbietet, wieder in Erinnerung.
— Die franzöfische Regierung hat heute die offizielle Anzeige von der Threnbesteigung des Sultans Murad erhalten. Sadik Pascha wird, wie der „Köln. Ztg.“ geschrieben wird, am Sonnabend bereits seine Beglaubigungsfchreiben dem Präsidenten der Republik überreichen. — Was die orien⸗ talische Angelegenheit selbst betrifft, so sagt der ‚Moniteur“, das französische Kabinet sei darin mit den Großmächten im Einverständnisse, daß keine Schwierigkeiten gegen die Folgen der Ereignisse in Konstantinopel zu 3 sesen. Durch die Be⸗ gebenheiten selbst sei die türkische Regierung augenblicklich gün⸗ stiger gestellt, um die Lage schätzen und die Schwierigkeiten der⸗
selben lösen zu können. Die neue Regierung würde die eifrige Unterstützung Frankreichs finden, wenn sie ihren Antritt durch freiwillige Erklärungen und Verpflichtungen bezeichnen wollte, die den Wünschen Europas entgegenkommen und den Aufstand entwaffnen würden. Der „Moniteur“ erklärt außerdem, man nehme in den Regierungekreisen an, daß die friedliche Revolution in Konstantinopel fern davon, den Unterhandlungen für die Er⸗ haltung des Friedens zu schaden, im Gegentheil dazu verhelfen werde, dieselben schneller zum Ziele zu führen.
— Die klerikalen Blätter setzen ihre Angriffe gegen den Gesetzentwurf des Herrn Waddington fort. Das Inter⸗ esse für und wider das Gesetz ist in allen Kreisen rege ge⸗ worden. Das Geschick des Gesetzes scheint in der Deputirten⸗ Kammer wohl gesichert, aber nicht im Senat.
— Die Kommission, welche mit der Prüfung der Auto⸗ risations forderung zur gerichtlichen Verfolgung Rouviers be⸗
auftragt war, hat ihren Bericht, in dem sie sich für die Ver⸗
folgung als im eigenen Interesse Rouviers liegend ausspricht, ertheilt.
— 2. Juni. (W. T. B.) Der „Messager de Paris“ ver⸗ öffentlicht einen mit Gegenvorschlägen verbundenen Protest, den das Comité zum Schutze von französischen Gläubigern der spanischen Schuld gegen das vom spanischen Finanz-Minister Salaverria aufgestellte Finanzprojekt erhoben hat.
— (W. T. B.) Bei der am 1. d. M. vom Kriegs⸗Minister de Cissey bei der Kammer eingebrachten Gesetz vorlage, be⸗ treffend die Bewilligung eines Kredits von 260 Mill. Franes zum Umbau der Grenzbefestigung und zu Beschaffung von Kriegsmaterial handelt es sich lediglich um Ausführung von solchen Arbeiten und Anschaffungen, welche schon vor längerer Zeit die Nationalversammlung beschlossen hatte.
Türkei. Konstantinopel, 2. Juni. (W. T. B.) Mahnud Damad Pascha ift zum Handels-Mi nist en ernannt worden.
— Der, Telegrammen aus Konstantinopel, zum Großvezier designirte Mithad Pascha war General⸗ Gouverneur der Donauprovinz (Bulgarien) und hatte sich in dieser Stellung als hervorragende Verwaltungskraft und uneri. iüdlicher Reorganisator bewährt. Am 1. August 1872 wurde er an Mahmud Paschas Stelle Großvezier, wsrüber die öffentliche Meinung sich damals sehr befriedigt zeigte. Man stellte aber zu große Anforderungen an ihn, der Reorganisator der Donauprovinz sollte mit einem Male das ganze Reich gleich⸗ sam neugestalten, überdies war er zu lange Zeit von Konstan⸗ tinopel entfernt gewesen; es gingen ihm so die einem ottomani⸗ schen Staatsmanne unentbehrlichen Verbindungen mit der Haupt⸗ stadt ab. Er verlor das Reichssiegel, ohne seine Absichten ver⸗ wirklichen zu können und mußte schon am 19. Oktober 1872 dem Mehemed Ruschdie Pascha weichen.
Der als zukünftiger Minister des Aeußern genannte Halil Scherif Pascha ist ein Aegypter, d. h. in Aegypten geboren, aber von einer jener Familien stammend, die mit dem vizeköniglichen Hause verwandt und wie dieses Ottomanen sind.
nach
Als begabter Diplomat hatte er sich in Paris, St. Petersburg
und Wien hervorgethan. Halil Pascha war bereits früher Mi⸗ nister des Aeußeren, mußte aber im Jahre 1873 dieses Porte⸗ feuille an Mehmed Raschid Pascha abtreten.
Der Kriegs-⸗Minister Hussein Apni Pascha ist im Jahre 1820 im damaligen Sandjak von Sparta geboren. Sein Vater war Pachter. Kaum fünfzehnjährig, ward er nach Kon⸗ stantinopel gesandt und fand dort Aufnahme in der Militär⸗ schule. Im Jahre 1841 wurde er Lieutenant. Bis zum Jahre 1851, wo er bei Ausbruch des Krimfeldzuges als Oberst⸗Lieutenant nach Schumla und bald darauf als Generalstabs⸗Chef einer Di⸗ vision nach Widdin beordert wurde, vollzieht sich seine Laufbahn in den Militärschulen als Schüler und als Lehrer. Die Vertheidigungs⸗ arbeiten bei Kalafat und Silistria im orientalischen Krieg waren zum Theil das Werk des jungen Obersten, der sich hier und im Gefecht bei Tsetate auszeichnete. Nach Beendigung des Donau⸗ feldzuges wurde der General Hussein Pascha Generalstabs⸗Chef der Armee in Kleinafien. Der englische General Williams be⸗ stand auf der Nothwendigkeit, Kars zu vertheidigen; Hussein hingegen erklärte Kars für strategisch unhaltbar und stimmte für die Linie Erzerum⸗Soghanlu. Der Einfluß des britischen Botschafters Lord Redeliffe entschied in dem Meinungsstreit für die Ansicht des englischen Generals, und Hussein wurde nach Stambul abberufen. Kars fiel. Hierauf fun⸗ girte er als Generalstabs⸗Chef Omar Paschas in der Krim und während dessen Expedition in Mingrelien. Nach dem Pariser Frieden wurde er zum Kommissar bei zwei Grenz⸗ regulirungen ernannt: bei der türkisch⸗russischen und später bei der bosnisch⸗montenegrinischen. Dann übernahm er die oberste Leitung der Militärschulen, in die er neues Leben brachte. Den Feldzug gegen die Montenegriner machte er als Divisions general mit, worauf er als Präsident des Kriegsrathes und als Ver⸗ walter des Kriegs⸗Ministeriums nach Konstantinopel zurück⸗ berufen wurde. Anläßlich des kretensischen Aufstandes begab er sich, mit der obersten Militär-! und Civilmacht bekleidet, nach Kreta und erwarb sich dort große Verdienste um die Pazifikation der Insel. Im Jahre 1869 übernahm er unter dem Großvezier Aali Pascha das Kriegs⸗Ministerium, mußte aber 1871 zurücktreten, als nach des Letztern Tode Mahmud Pascha Großvezier wurde. Nach dessen Fall wurde Hussein abermals Friegs⸗Minister und entfaltete nunmehr seine verdienstvolle Thä⸗ tigkeit durch Verbesserung des Systems der Tuppenaushebung und des Dienstes, der militärischen Strafgerichtsbarkeit, die Er⸗ richtung eines obersten Medizinalrathes, die Gehaltsregelung und Gründung eines Pensionsfonds für die Militärbeamten, wie durch die moralische und technische Ausbildung der Truppen und des Offizier⸗Corps. Husseins Ansehen im Staate war ss gestiegen, daß ihm, als der Großvezier Ruschdie Pascha Schir⸗ wani⸗Zade zurücktrat, am 13. Januar 1874 das Großvezierat unter Beibehaltung des Kriegs⸗Ministeriums übertragen wurde.
Auch in dieser Stellung erfüllte er die auf ihn gesetzten Er⸗ wartungen. Man rühmte seinen praktischen Sinn in der obersten Leitung. Am 25. April 1875 mußte Hussein jedoch zurücktreten, da durch den Konflikt mit Oesterreich⸗Ungarn in der Frage des Eisenbahnanschlusses seine Stellung erschüttert war. Er wurde General⸗Statthalter in Smyrna. Bon da durch Abdul Aziz vor Kurzem wieder ins Kriegs -Ministerium berufen, wird er jetzt mit Mithad Pascha zusammen als Haupturheber der jüngsten großen Bewegung genannt.
Der vom Sultan zu seinem ersten Sekretär ernannte Abdullah Bey ist der Sohn Essads des Aelteren, früheren Chefs des Kassationshofes, Jurist von Profession. Derselbe ist = , 35 Jahre alt, gilt für einen arbeitsamen, femgebildeten
ann und einen Kenner der kürkischen und französischen Literatur.
— Aus Zarg wird unter dem 30. Mai gemeldet: Zimonie operirt gegen die Straße nach Mostar, Soeica in der Richtung nach Livo, Pavlovie vertheidigte den Dugapaß, Mussie bewacht
die Trebinjestraße. Mukhtar Pascha kehrte nach dem Lager in Gacko zurück. .
Serajewo, 22. Mai. Das Amtsblatt der bosnischen Vilajets⸗Regierung, Bosna“, publizirte in seiner Nummer 516 cinen Erlaß des Großveziers, wonach die vorjährige Ver⸗ fügung aufgehoben wüd, daß die Herzegowina ein selbft ; stãndiges Vilajet zu bilden habe. Fortan habe dieses Territo rium, wie ehedem, einen Theil des bosnischen Vilajets zu bilden. Gleichzeitig wurde der außerordentliche Pforten⸗Kommissär Ali ascha zum Vali von Albanien mit der Residenz in Skutari ernannt. Die hier residirenden Konsular⸗Re⸗ prãsentanten der fremden Mächte haben, der Pol. Corr.“ zufolge, gegen diese administrative Neuerung re⸗ monstrirt. Auf telegraphische Berichterstattung nach Kon⸗ stantinopel kam gestern von dort die Ordre, die Erhebung der Herzegowina zu einem selbständigen Vilajet aber— mals im Amtsblatte zu publiziren, was auch heute geschah. Ali Pascha verbleibt demnach auf seinem Posten. Die Pol. Corr. mel⸗ det weiter: ‚Der Mangel an Truppen hindert die Regierung, eine ausgiebige Aktion in der Krajna zu eröffnen. Auf dringen -e Vorstellungen Ferik Paschas ließ der Seraskier die bei Novi⸗ Bazar und Prizerend aufgestellten Truppen, etwa 60990 Redifs und 3000 Baschi⸗Bozuks, nach Bosnien dirigiren. Aber schon auf dem Marsche wurden die Truppen von einer Kontreordre erreicht und kehrten in ihre früheren Stationen zurück. Dieser Gegenbefehl wird mit der Entwicklung der Dinge in Serbien molivirt. Man befürchtet einen Einbruch in Altserbien.“
— (W. T. B.) Die Wiener „Presse“ berichtet aus Bel⸗ grad, da Fürst Nikita das von Risties angebotene Schutz⸗ und Trutzbündniß zurückwies, so beeilte sich die serbische Regie⸗ rung, eine Anerkennungsadresse an den Sultan Murad abzusenden.
— Dem französischen Journal Univers“ vom 2. Wini geht die Nachricht zu, daß eine Anzahl Christen im Libanon von türkischen Baschiboschuks niedergemacht worden sei.
Rumänien. Bukarest, 2. Juni. (W. T. B.) Gestern sind die Ratifikationsurkunden des zwischen Oesterreich⸗ Ungarn und Rumänien abgeschlossenen Handelsvertrags ausgetauscht worden.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 1. Juni. Aus dem bereits telegraphisch erwähnten Artikel des Journal de St. Petersbourg“ über die Vorgänge in der Türkei theilen wir folgende Stelle in der Uebersetzung mit:
„Das Ereigniß in Konftiantinopel ruft eine Renge von Fragen hervor, welche wir nicht zu formuliren und daher auch nicht zu beantworten haben. Den Thatsachen kommt es zu, uns darüber aufzuklären, ob die Türkei durch die eben voll zogene Revolution gewonnen haben wird. Man stellt den neuen Souverän mit Eigenschaften begabt hin, welche seinem Vorgänger gefehlt haben. Man erzählt, daß er aus seiner europäischen Reise großen Nutzen gezogen habe, die er vor eini⸗ gen Jahren im Gefolge des Souveraͤns, dessen Stelle er heute einnimmt, unternommen. Jedenfalls bedarf er bedeutender ESigen⸗ schaften, um auf der Höhe der Mission zu sein, welche ihm in einem Moment übertragen wird, wo sein Reich von Schwierig⸗ keiten überfluthet ist, welche der Vorgang kaum vermindern kann, durch welchen Murad⸗Khan auf den Thron gelangt ist.
Als gewiß aber ist indessen der Umstand anzusehen, daß
die Sorge Europas, eine Virschlimmerung der orientalischen Krifis zu verhindern, nicht fehlen wird. Die Eintracht der Mächte wird morgen dieselbe sein, wie fie es gestern gewesen: fest und unerschütterlich in dem Wunsche von der türkischen Regie⸗ rung — welche sie auch sein mag — die Ausführung der Re⸗ form en, welche zur Pacifikation der aufständischen Provinzen, sowie zur Verhütung neuer Erhebungen für nothwendig be⸗ funden, zu verlangen. Möge der neue Souverän sich bereit zeigen, den Präpositionen der Mächte entgegenzukommen; möge er keine Zeit verlieren durch seine Handlungen seine Hingabe an die Uuninteressirten Bemühungen Europas zu beweisen — damit wird er sich seine Aufgabe leichter machen; im ersten Moment wird er damit einen Theil der Schwierigkeiten, von denen er umgeben ist, beseitigen und zu gleicher Zeit den Be⸗ weis liefern, daß er nicht das Werk eines religiösen oder natio⸗ nalen Fanatismus ist, welcher unserer Zeit fremd, und sich zum Werkzeug desselben auch nicht hergeben werde.“ .
Dänemark. Kopenhagen, 1. Juni. Das Folkethin nahm in seiner gestrigen Sitzung den Gesetzentwurf, betreffend die Gewährung eines Staatsdarlehns an die Kommune St. Croix in dritter Lesung einstimmig an. Der Vorsitzende machte alsdann die Mittheilung, daß der Befestigungsaus⸗ schuß an den folgenden Tagen, mit Ausnahme der Feiertage, Sitzungen halten werde, und daß dessen Bericht wohl am Dienstag nach Pfingsten zu erwarten sei. Unter dieser Voraus setzung beraumte er die nächste Sitzung auf Donnerstag, den 8. Juni, an, und setzte auf deren Tagesordnung die zweite Lesung des Gesetzentwurfes, betreffend die Bewilligung von 2 Millionen Kronen zur Anschaffung von neuen Feld⸗ geschützen. — König Georg von Griechenland befindet sich jetzt in guter Besserung und werden deshalb keine Bulletins mehr ausgegeben. .
Amerika. 1. Juni. Die New-Horker Zeitungen vom 31. Mai veröffentlichen Nachrichten aus Guatemala, welche melden, daß der Krieg mit San Salvador zu Ende ist und daß der Friedensschluß erfolgte, nachdem der Präsident Letztgenannter Republik von Guatemala abgesetzt worden. Der
Krieg war in Folge des Bestrebens von Salvador und Guate⸗ mala, die Ruhe in der Republik Honduras wiederherzu⸗ stellen, entstanden. Bereits im März d. J. waren die Präfidenten von San Salvador und Guatemala über⸗ eingekommen, Senor Soto zur Pr sidentschaft von Hon⸗ duras zu verhelfen und wollte jede der zwei Republiken zu diesem Zwecke 1000 Mann ins Feld stellen. Gonzales, früherer Präsident von Salvador, war mit diesem Arrangement nicht einverftanden und fiel mit seiner Armee, deren General en chef er war, in Guatemala ein, wurde aber vom Präsidenten Barrios nicht nur zurückgeworfen sondern bis auf sein eigenes Gebiet verfolgt und in zwei blutigen Schlachten geschlagen. Auch der Präsident Medina von Honduras hatte dem Staate San Sal⸗ vador den Krieg erklärt.
Ecuador. Der neue Präsident Borrero verweigert, der „A. A. C.“ zufolge, die Abänderung der von seinem Vor⸗ gänger, Garcia Moreno, oktroyirten Verfassung.
— Aus Buenos Ayres wird dem Reuterschen Bureau unterm 30. April berichtet: Die Campana⸗Eisenbahn wurde am 22. ds. dem öffentlichen Verkehr übergeben. Der Kongreß wird nächste Woche eröffnet. Man erwartet allgemein, das Haus werde sich hauptsaͤchlich mit der Verminderung der Verwaltungs⸗ ausgaben beschäftigen. Die Spezial⸗Session der Provinzial⸗ Legislatur ist soeben geschlossen worden, nachdem die Provinzial⸗ Ausgaben um etwa 40 Millionen Papierdollars reduzirt worden. Das Provinzialbudget weist ein Defizit von 16,000 Pfd. Sterl. auf.
Nr. 22 des Central⸗Blatts für das Deutsche Reich“ berausgegeben im Reichskanzler ⸗Amt, hat folgenden Inhalt: Allge= meine Verwaltungssachen: Verweisung von Ausländern aus dem
Reichsgebiet. — Finanzwesen: Bekanntmachung, betseffend den Um⸗ *
tausch beschädigter oder unbrauchbar gewordener Reichskassenscheine. Goldankäufe Seitens der Reichsbank. — Münzwesen: Uebersicht über die Ausprägung von Reichsmünzen. — Zoll und Steuerwesen: Be . kanntmachung, betreffend die neuen Schuldverschreihungen der Prä—- mienameihe der Stadt Lüttich vom Jahre 1853. Errichtung einer Steuerstelle. — Marine und Schiffahrt: Abänderung des Verzeich- nisses der Strandämter 2c. Beginn von Seeschiffer⸗ 2c. Prüfungen. — Militärwesen: Zurückziehung der einem Inftitute provisorisch er⸗ theilten Genehmigung zur Ausstellung gültiger Zeugnisse über die wissenschaftliche Befähigung für den einjãährig freiwilligen Militär dienst. — Eisenbahnwesen; Anwendung und Konstruktion englischer Weichen. Eröffnung der Strecke Penig Rochlitz — Post⸗ und Tele grapkenwesen: Packetverkehr mit Ostindien. Erscheinen einer Post⸗ und Eisenbahnkarte vom Deutschen Reich. Briefsendungen nach der Levante. Postdampfschiffverbindungen mit Dänemark und Schwedmn. — Heimatbwesen: 2 Erkenntnisse des Bundesamts für das Heimath⸗ wesen. — Konsulatwesen: Exequatur - Ertheilungen,
— Das 5. Beiheft zum Militär-Wochenblatt (Jahrg, 1876) bat folgenden Inhalt: Die Kriegführung am Mississippi 1862 — 63. — Die dänische Landesvertheidigungsfrage 1876. — Zur Artillerie · Taktik.
— Die Nr. 10 des Marine⸗Verordnungs⸗Blatts“ hat folgenden Juhalt: Reise⸗Kompetenzen der zur Probedienstleistung Kommandirten. — Zurückversetzung bei Abgang von der Marine— Akademie. — Eßgeräth der Mannschaften auf in Dienst gestellten Schiffen. — Erläuterung zu den §5. 1 und 14 des Reglements über das Bekleidungswesen der Matrosen⸗ 2c. Divisionen u. s. w. vom 27. Dezember 1873. — Zollfreie Einfuhr von Verproviantirnngs— Gegenständen 2c für S. M. Schiffe und deren Offinere in St. Thomas, — Berichtigung der Bestimmungen über das Scheibenschießen bei den Matrosen Divisionen ꝛc. — Auswahl der untersuchungsführenden Offiziere. — Schiffsröcke. — Strafvollstreckungs⸗Reglement für die Kaiserliche Marine. — Einbehaltung und Abfübrung der aus dem Verkehr zu ziehenden Landes⸗-Kupfermünzen. — Die Behandlung der bei den Reichs und Landeskassen eingehenden nachgemachten, ver⸗ fälschten oder nicht mehr umlaufsfähigen Reichsmünzen. — Zugehörig⸗ keit resp. Klassifizirung S. M. Torpedo Dampfer „Zieten' und ‚Ulan“ resp. S. M. S. „Elbe“. — Verabreichung nur weißer Decken- und Kopfpolsterbezüge in den Friedens -⸗Lazarethen. — Zusatz zu den Be—⸗ stimmungen über die Uebungs Munition der Marinetheile 1. vom 31. März 1876. — Behandlung der bei den Reichskassen eingehenden nachgemachten 2c. Reichsmünzen, sowie Einbehaltung und Abführung der aus dem Verkehr zu ziehenden Landesmünien. — Zusatz zum In haltsverzeichniß der Schiffsbücher⸗Kisten. — Personal⸗Veränderungen. Benachrichtigungen.
Vereinswesen.
schläge zur n ; wesen unter den Schiffsmannschaften.
hoher See und über die Strandungsordnung enthalten ist.
Mühwaltung unterzogen, ein kleines Büchelchen „Seemann in Noth“ auszuarbeiten, in welchem eine kurze Darstellung der Rettunge mittel, des Gebrauchs derselben und der gesetzlichen Bestimmungen über Noth⸗ und Lootsensignale, über den Zusammenstoß von ö . e.
on der Wichtigkeit der Kenntniß dieser Gegenstände für den Seemann durch drungen, bewilligte die Generalverfammlung einstimmig die Mittel, um dieses Rath⸗ und Hülfsbüchlein e, . an sämmtliche durch deutsche Seemanngzämter anzumusternden Mannschaften zu vertheilen. Auf Antrag der Berliner Delegirten wurde einstimmig Berlin als Ort der naͤchsten Jahresversammlung gewählt.
Statistische Nachrichten. .
Münch en, 1. Juni. An der hiesigen Universität sind für
das laufende Sommersemester 863 Bayern und 273 Nichtbavern, im
Ganzen 1136 Studirende — über 100 mehr als im gleichen Semester des vorigen Jahres — inskribirt.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Die Ausstellung Dreberscher Werke im oberen Stockwerk der National⸗Galerie ist kürzlich um zwei neue Oelgemälde bereichert worden. Beide sind Landschaften und nach italienischen Mo⸗ tiven gemalt. Das eine Bild, von mittlerer Größe, zeigt im Vorder⸗ grunde einen im prachtvollen Laubwald ruhenden Philosophen, den Wasser⸗ spiegel eines kleinen Bergsee und bläulich angehauchte Felsberge, deren Kontouren sich scharf vom Horizont abheben. Das andere, bedeutend größere Gemälde ist ein Stimmungsbild aus der römischen Campagna. Auch hier sehen wir in der Ferne Aqua Claudia und Monte Cavo, im Vordergrunde herrliche Baumgruppen und als Staffage ruhende Landleute.
— Von dem Werke ‚Neunundsechszig Jahre am preußi⸗ schen Hofe“ aus den Rückerinnetungen der Haushofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voß ist bei Bentley in London eine englische Uebersetzung erschienen.
— Die „Société des Arts de Geneve“ in Genf feierte am 1. Juni ihr 1090 jähriges Jubiläum. Die Gesellschaft hat den Zweck, Kunst und Wissenschaft zu pflegen und besonders deren prak— tische Verwerthung zu fördern. 23
Land⸗ und Forstwirthschaft. Der Verein nassauischer Land⸗ und Forstwirthe hält in diesem Jahre am 19. d. M. seine Generalversammlung in Hachen⸗ burg, wo am 19. und 20. d. M. auch das landwirthschaftliche Fest
stattfindet. Sewerbe und Sandel.
Aus der Bilanz der Continental⸗Pferde⸗Eisenbahn⸗ Gesellschaft pro 1875 theilen wir folgende Daten mit: Der Besitz in Dresden steht insgesammt mit rot. 1,144,000 S, der Besitz in Hannover mit rot. 1,367, 000 MÆ in Rechnung. Unter den Passivis der Gesellschaft fungiren eine Schuld (an die gewerbliche Baubank) von rot. 990 9000 S6 und diverse Kreditoren mit 4500 M, wogegen unter den Aktivis: Banquier⸗Guthaben, Kautions⸗Effekten, Kassa und Vorräthe mit rot. 138,000 Se zu Buche stehen. Die Resultate pro 1875 ergeben folgende Zahlen. Spezialverwaltung Dresden: Ausgaben fuͤr Fourage und Gehalte 2c. und sämmtliche Abschreibungen rot. 6,500 (S6, ferner für Abschreibung auf 10 gefallene Pferde und Amortisation auf den Pferdebestand 22,500 M, in Summa 299,000 S; dagegen Einnahmen 260, 000 , Verlust in Dresden also 39,000 SH. Spezial-Verwaltung Hannover: Ausgaben wie in Dretden und sämmtliche Abschreibungen 166 500 4; dagegen Einnahmen 186,000 M64. Gewinn in Hannover 19,500 . Aus der Uebersicht der Einnahmen und Ausgaben der Spezial⸗Ver⸗ waltungen in Hannover und Dresden ergiebt sich ein Verlust von 19,500 16, welcher sich abzüglich Zinseneinnahmen auf rund 17, 0900 . stellt, und da hierzu für Kosten der Centr alverwaltung in Berlin (9000 M und Coursverluft (1500 M) noch 10,500 „S kommen, so ergiebt die Bilanz einen Verlust von insgesammt: 27,500 M pro 1875.
— Die Potsdamer Holzfaktorei auf Aktien (früher Gebr. Saran) vertheilt für das Geschäftsjahr 1875 an ihre Ak— tionäre eine Dividende von 5356/9. Der im vorigen Jahre an Waa⸗ ren erzielte Gewinn betrug 260,123 6; hierzu Gewinn⸗Ueberschuß aus 1874 mit 3839 M und Eingarg als verloren berrachteter Posten mit 2890 MS erçiebt insgesammt 266,852 M Dagegen wurden ver⸗ wendet für Gehälter, Rei sekoften. Fourage, Provisionen ꝛc. 67,954 6, für Arbeitslöhne in Potsdam, Golm und Neuendorf 70,0926 AS, für Zinsenzahlung 12,46 „M, sowie zu Abschreibungen insgesammt 180785 M Es verbleibt ein Reingewinn von 92940 M, wovon 92,176 S zur Bezahlung der Dividende herangezogen und 764 40 auf neue Rechnung vorgetragen werden.
Brieg, 2. Juni. Anf dem gestrigen Wollmarkt waren circa 50 Centner gewaschene Wolle von Rustikalbesitzern zum Verkauf ge⸗ bracht und hiervon 15 Centner von auswärtigen und die übrige Wolle von hiesigen Kaufleuten und Tuchfabrikanten gekauft wurden. Der mindeste Preis pro Centner stellte sich auf 144 6 und der höchste auf 168 S6 Dominialwolle war nicht zum Verkauf gestellt.
— Nach dem Geschäftsbericht der Nienburger Eisen⸗ gießerei und Maschinenfabrik ver 1375 stellte sich der Rein⸗ gewinn der Gesellschaft auf 32815 „S6. Derselbe ist verrechnet wie folgt: 4 ½ Dividende (gegen 56,96) 24,000 M, zum Reservefonds 4060 Mn, Tantiemen 4836 6, Vortrag 9 „n. Die Abschreibungen betragen 22, 903 A
Pest, 2. Juni. (W. T. B.) Nach dem Rechnungsabschlusse der ungarischen Nordostbahn betragen die Einnahmen im ver⸗ flossenen Geschäftsjahre 2,726,220 Fl. und die Ausgaben 1,913,888 Fl. Im Vorjahre betrugen die Einnahmen 2307,463 Fl., die Ausgaben 1,7 15,097 Fl. Es wurde ein Reinüberschuß von 812332 Fl. erzielt. Die Ausgaben im verflossenen Geschäftsjahre waren gleich 70 ( der Einnahmen, wahrend die Ausgaben des Vorjahres beinahe 75 00 der Einnahmen erreichten. Die Aktiven betragen zu⸗ sammen 77,274 019 Fl., darunter figuriren das Baukonto mit 58, 869,346 Fl., die Bestände in Baar und in Effekten mit 2. 187,201 Fl., die Debitoren mit 5,862,584 Fl, die Gebäude mit 986,732 Fl., die Vorräthe mit 680,468 Fl. und die Staatsgarantie mit 8,657,488 Fl. Unter den Passiven, welche zusammen 77,274,019 Fl. betragen, werden aufgeführt die Aktien mit 20 756,000 Fl, die Prioritäten mit 31, 134,500 Fl, die Thaleranleihe mit 4,389 550 Fl., die 5 proz. Goldanleihe mit 5,500, 9090 Fl., die Anleihe bei der Uniosbank mit 505,729 Fl., die Rückstäönde mit 1,‚228,.633 Fl., die Kreditoren, worunter sich die Wechselschulden mit 2 291,466 Fl. befinden, mit 5,181,992 Fl., die Reserven mit 319508 Fl. und vom Staate 8.248. 657 Fl.
Berlin, den 3. Juni 1876.
Zum 100jährigen Jubiläum des Königlichen Kadette⸗u
hauses zu Culm am 1. Juni d. J.
Im Jahre 1774 regte nach der Erwerbung Westpreußens der damalige Ober⸗Präfident von Domhardt beim König Friedrich JJ. den Plan an, für den armen polnischen Adel in Culm eine „Adelige Kadettenschule“ zu errichten. König Friedrich befahl auch im Frühjahr 1775 den Bau dieser neuen Ansialt sofort zu beginnen. Am 1. Juni 1776 konnte bereits die neue Kadettenschule unter dem Direktor Hauptman von Clebowski mit 58 Zöglingen aus meist polnischen adeligen Familien, für die ein Etat von 899 Thlrn. sestgefezt war, eröffnet werden. Schon im Juli inspizirte der König die neue Anstalt und sprach sich sehr befriedigt aus. 1787 wurde der Etat der Anstalt durch Friedrich Wilhelm II. um 40 Kadetten, je 20 protestantischen und je 20 katholischen erhöht. Das Alter der aufzunehmenden Zöglinge war 8-10 Jahre, während im Anfange selbst das 12. Lebensjahr gestattet war. Die Unterrichts gegenstände umfaßten haupt⸗ sächlich Religion, Lesen, Schreiben und Rechnen; in der franzöischen Sprache, in Geschichte, Mythologie, Geographie
und Naturlehre wurden nur die unterwiesen, die der deutschen Sprache vollkommen mächtig waren. Im Jahre 1804 hatte das Kadettenhaus sich des Besuches Königs Friedrich Wilhelm III. zu erfreuen. .
Im Februar 1807 traten 14 Kadetten in ein polnisches Bataillon der französischen Armee ein und kam das Kadetten⸗ haus im Frieden zu Tilsit mit dem Culmer Lande unter pol⸗ nisch · sächsische Herrschaft. Ende 1807 waren in Culm nur noch 78 Zöglinge, 26 Polen und 52 aus Ostpreußen und Danzig, die dahin zurückgesandt werden sollten. Die Uniform der Kadetten wurde eine andere, die polnische Sprache allgemein eingeführt und die Anstalt ihres adeligen Charakters entkleidet. Im März 1808 wurden 265 preußische Kadetten aus der Anstalt enilassen, von denen 15 und unter diesen der jetzige General⸗ Feldmarschall von Steinmetz nach Stolp ins Kadettenhaus kamen. Der Etat der Anstalt betrug zuerst 80 arme Zöglinge und 24 Pensionäre, zuletzt nur noch im Ganzen 50. Als im Juni 1815 die preußische Regie⸗ rung wieder von dem Culmer Lande Besitz nahm, waren nur 38 Kadetten in der Atstalt; im Februar 1816 wurde dieselbe durch Königliche Kabinets⸗-Ordre zu einer Voranstalt nach dem Muster derjenigen in Potsdam bestimmt. Der Etat
wurde auf 120 Faadetten in zwei gleich starken Compagnien festgesetzt. In diesem Jahre wurde auch der jetzige General⸗ Feldmarschall Graf von Roon als Kadet aufgenommen und betrug im April 1817 die Anzahl, der Kadetten 890. 1819 wurde das dem Kadettenhause seit seiner Stiftung bei⸗ gelegte Prädikat „adelig“ aufgehoben. Unter dem Direktorat des Majors, späteren Obersten von Woyna wurden die Kaderten⸗ gebäude erweitert, wallständig restaurirt und auch eine Kapelle erbaut, während bereits seit 18223 ein evangelischer Geist⸗ licher angestellt worden war. 1841 nahm Oberst von Woyna seinen Abschied und wurde Major von Erckert sein Nachfolger. 1844 inspizirte König Friedrich Wil⸗ helm Iv. die Anstalt. 1850 wurde die Organisation der Kadettenhäuser weiter durchgeführt, indem der Lehr⸗ plan der Klassen der BVoranstalten dem der entsprechenden Klassen einer Realschule gleichgestellt wurde. Die Zahl der Zöglinge des Instituts sollte theils aus Königli— chen Kadetten, theils aus Pensionären bestehen. Völ⸗ lige Freistellen gab es nicht mehr und wurden jährliche Erziehungsbeiträge von 30, 60 oder 190 Thalern ge⸗ zahlt. Zur Aufnahme in die etatsmäßigen Stellen wurden be⸗ rechtigt: die Söhne der vor dem Feinde gebliebenen oder durch