nach Ausgabe des Blattes, durch welches die Verzeichnisse ver= öffehtlicht worden sind, bei dem Freisausschusse anzubringen. (8. 110 K. O.) Gegen die Beschlüsse (Entscheidungen) des Kreisausschusses findet innerhalb zehn Tagen die Klage bei dem Königlichen Bezirks Verwaltungegerichte statt, (8. 90 Nr. 2 des Gesetzes vom 3. Juli 1875.) Mit der Aufsiellung der Verzeichnisse der Wahlberechtigten ist sofort zu beginnen und Alles so weit vorzubereiten, daß es nach dem Eintreffen der Mittheilungen des statistischen Bureaus nur der Reyision des Verzeichnisses III. bedarf und die öffentliche Be⸗ kanntmachung nach Rr. 3 unmittelbar darauf erfolgen kann.
— Rücksichtlich der Zuständigkeit der Behörden bei Ent⸗ ziehung von Dien stmanns⸗-Konzessio nen hat der Mi⸗ nister des Innern der Landdrostei zu Hannover durch Erlaß vom 8. v. M. Folgendes eröffnet:
Der 8. 40 der Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 schreibt vor, daß bei Untersagungen des Betriebes der in 5. 37 erwähn⸗ ten Gewerbe das Verfahren nach Maßgabe der 58. 20 und 21 beobachtet werden soll. Diese Bestimmung greift auch dann Platz, wenn der Betrieb der fraglichen Gewerbe nach Maßgabe der dieserhalb getroffenen ortspolizellichen Regelung von einer Kon— zession abhängig ist, und demnach die Untersagung des Gewerbe⸗ betriebes in der Form einer Konzessionsentziehung erfolgt.
Aus der Anwendbarkeit der 8§§. 20 und 21 folgt aber nicht die Zuständigkeit der höheren Verwaltungsbehörde für das Verfahren in erster Instanz. Nach den für die Zu— ständigkeit der Aemter und Magistrate in der Provinz Hannover maßgebenden Bestimmungen find vielmehr die Enscheidungen in erster Instanz von dem Amte resp. von dem Magistrate zu erlassen.
Zwischen den Unternehmern von Dienstmanns-Instituten und den selbständigen Dienstmaͤnnern einerseits, und denjenigen Per⸗ sonen, welche nur als Dienstmänner in einem konzessionirten Institute angenommen sind, andererseits, besteht übrigens hin⸗ sichtlich der rechtlichen Behandlung ein Unterschied. Da die letzte⸗ ren nämlich nicht als selbständige Gewerbetreibende gelten können, so findet auf sie auch die Bestimmung des §. 40 der Gewerbe⸗ ordnung hinfichtlich des Verfahrens keine Anwendung und es kann ihnen daher — soweit die ortspolizeiliche Regelung nicht etwas Anderes vorgesehen hat — das Qualifikationsattest durch einfache, nur im gewöhnlichen Beschwerdewege anzufechtende polizeiliche Verfügung entzogen werden.
Diefer Auffassung entspricht die in Berlin in Droschken sachen beftehende Praxis, nach welcher den Droschken kutschern, welche nicht selbständige Gewerbetreibende find, der Fahrschein mittelst einfacher polizeilicher Verfügung entzogen wird, in Sachen der Fuhrherren dagegen auf dem im §. 20 ff. der Ge⸗ werbeordnung vorgeschriebenen Wege — wobei die untere Be⸗ hörde die erste Instanz bildet und der Rekurs an die nächst⸗ vorgesetzte Behörde geht — entschieden wird.
Ems, J. Juni. (W. T. B.) Der zum italienischen Bot⸗ schafter in Petersburg ernannte Ritter Nigra ist von Paris hier eingetroffen. Der schwedische Gesandte in Berlin, Baron Bildt, ist ebenfalls hier angekommen.
Bahern. München, 6. Juni. Der König hat die feierliche Eröffnung der Kunst⸗ und Kunstgewerbe⸗A Ausstellung im hiesigen Glaspalast am 14. d. M. genehmigt und mit seiner Stellvertretung bei diesem festlichen Akte den Prinzen Luitpold betraut. — Unter dem Vorfitze des Prinzen Luitpold wurde heute Mittags eine Sitzung des Staatsraths abgehalten. — Das „Gesetz⸗ und Verordnungsblatt“ publizirt heute das neue Gesetz in Betreff der Erhebung einer Gebühr für das Halten
von Hunden; dasselbe tritt mit dem 1. . Mts. in Wirksamkeit. — Vom Seniorat der Familie der Grafen v. Fugger ist an die Kammer der Reichsräthe eine die Kuratel über die Stiftun⸗ gen der gräflichen Familie betreffende Beschwerde wegen Ver⸗ letzung verfassungsmäßiger Rechte eingereicht worden. Herr Reichsrath Frhr v. Schrenck wird, wie die „Allg. Ztg.“ ver⸗ nimmt, als Referent in einem umfassenden Bericht beantragen, diese Beschwerde als unbegründet zu erklären.
Sachsen. Dresden, 7. Juni. Die Erste Kammer, welche heute ihre Sitzungen wieder aufnahm, bewilligte nach dem Vorgange der Zweiten Kammer 600,000 S zu planmäßiger Fortsetzung der Elbstromkorrektionsbauten.
Mecklenburg⸗Schwerin. Schwerin, 5. Juni. Vor⸗ gestern, Nachmittags 4 Uhr, fand die Taufe des neugebornen Prinzen in der Schloßkirche durch den Ober-Hofprediger Jahn statt. Der Täufling wurde abwechselnd von dem Großfürsten Wladimir, der Großfürstin Maria Paulowna und der Groß⸗ herzogin⸗Mutter während der heiligen Handlung gehalten und empfing die —Namen: Heinrich, Wladimir, Ernst, Albrecht. Als nach einem Gesange und der Rede des Ober⸗-Hofprtdigers der eigentliche Taufakt und die Namengebung stattfand, gab die Artillerie 101 Schüsse ab. — Am ersten Pfingsttage hielt die Großherzogin ihren Kirchgang. Während des vom Schloß⸗ chor nach der Predigt gesungenen Te Deum wurden abermals 101 Schüsse von der Artillerie abgegeben. Am Sonnabend wurde nach der Taufe eine Gratulations⸗Cour bei der Groß⸗ herzogin abgehalten und worauf ein Diner folgte.
Desterreich⸗òngarn. Wien, 6. Juni. Der Kaiser ift gestern nach Ischl abgereist. — Graf Andrassy ist vor⸗ gestern nach Wien zurückgekehrt.
— Die „Wien. Abdpost“ schreibt: „Der Tod des gewesenen Sultans Abdul⸗Aziz steht im Vordergrunde der politischen Ereignisse. Es ist zu hoffen, daß diese Katastrophe die Reihe der düsteren und aufregenden Vorgänge abschließen wird, deren Schauplatz Fonstantinopel in den juͤngsten Tagen gewesen. Nach den Versicherungen mehrerer Blätter hätte Sultan Murad V. den europäischen Mächten seine Thronbesteigung offiziell noti⸗ fizirt und es würde daher alsbald zur formellen Anerkennung von Seite der letzteren geschritten werden. Von den übrigen unzähligen Gerüchten, von denen nicht wenige an ein geflügeltes Wort des Fürsten Bismarck über die moderne Art der Verbrei⸗ tung von Sensationsnachrichten erinnern, glauben wir billig Um⸗ gang nehmen zu dürfen.“
— Die oͤsterreichischͤungarische Zoll⸗ und Han⸗ dels⸗Konferenz ist unter dem Vorfitze des Hof⸗ und Mini⸗ sterial · Raths Freiherrn v. Schwegel heute im Handels⸗Ministerium wieder zusammengetreten. Die Konferenz wird sich, zunächst mit der Beendigung der Revision des allgemeinen Zolltarifs auf der durch die Resultate der gemeinsamen Minister⸗Konferenzen über die Erneuerung des österreichisch⸗ungarischen Zoll⸗ und Handelsbündnisses gewonnenen Basis befassen, dabei aber auch
die bevorstehenden Verhandlungen mit den Vertrags⸗ staaten im Auge behalten.
— Die „Pol. Corr. meldet: Das Ministerium des Innern ordnete an, daß alle bestehenden Studentenyerbin dungen sich binnen 3 Monaten im Sinne des Vereinsgesetzes umzubilden oder aufzulösen haben und daß künftig entstehende derlei Ver⸗ bindungen sich nur nach dem Vereinsgesetze konstituiren dürfen.
Krakau, 6. Juni. Wie der Czas“ berichtet, haben die Delegirten Smolka und Chrzanowski die Petition der galizischen
Buchhändler wegen Aufhebung des russischen Bücher⸗
zolles dem ungarischen Finanz⸗Minister überreicht. Dieser er⸗ klärte, die ungarische Regierung werde nicht gegen die Zollauf⸗ hebung sein.
Schweiz. Basel, J. Juni. (W. T. B.) Bei der heute in der altkatholischen Nationalsynode vorgenommenen Wahl eines Bischofs erhielt der Professor Herzog in Bern 1I7 von 158 Stimmen und der Pfarrer Schruter in Rheinfelden 34 . Professor Herzog lehnte die Wahl ab.
— 8. Juni. aus Olten melden, hat Professor Herzog die Wahl zum schweizerischen Bischof nachträglich angenommen.
Großbritannien und Irland. London, 6. Juni. Vor einigen Tagen wurde hier zwischen den Kommissären Frankreichs und Großbritanniens eine Uebereinkunft für die Regelung der durch das Kanaltunnel-Projekt angeregten internationalen Fragen vereinbart.
— Das Kanalgeschwader, 6 Schiffe mit 89 Geschützen, bleibt einstweilen abwartend dienstbereit in Gibraltar. Gestern gingen dorthin 7000 Centner Munition. — Aus Chatham kommt heute der Köln. Ztg.“ die Meldung, daß das große Thurm⸗ und Widderschiff Rupert“ zum Dienst völlig fertiggestellt ist und jede Stunde nach dem Mittelmeer abgehen kann. An dem „Temeraire“ wird fleißig gearbeitet. Die AÄrbester sind jetzt mit Anbringung der zwölf großen Dampfkessel beschäftigt. Sechs sind bereits an Bord geschafft, die übrigen liegen völlig bereit neben dem Schiff. —
— J. Juni. (W. T. B.) Bei der hiesigen Admiralität eingegangenen Nachrichten zufolge sind die Panzerschiffe „Herkules“, „Deyvastation“, „Pallas? und „Invincible“ vom englischen Mittelmeergeschwader am 26. v. M. in der Besika—⸗ Bai angekommen. Die Panzerschiffe Triumph“ und „Research“ wurden am 27. v. Mts., letzteres von Salonichi, dort erwartet. Das Panzerschiff „Swiftsure“ bleibt bei Salonichi.
— 8. Juni. (W. T. B.) Nach einer Meldung der „Times“ hätten alle Pensionäre der Maxine unter 55 Jahren den Befehl erhalten, sich bereit zu halten, wieder aktiven Dienst zu thun. Denjenigen Marine⸗Pensionären, welche das 45. Lebensjahr noch nicht erreicht haben, soll zugleich die Erlaubniß ertheilt worden sein, in der Reserve zu dienen.
Frankreich. Par is, 6. Juni. Die Diskussion über den Waddingtonschen Gesetzentwurf wurde heut fortgesetzt; Naquet stellte einen Antrag auf Wiederherstellung der Ehescheidung; die Liberalen sind dafür, doch glaubt man nicht, daß der Antrag durchgehen werde, da er noch zu viel Wider⸗ stand, und nicht nur bei den Ultramontanen findet.
— Das „Journal des Debats“ bespricht heut in seinem Leitartikel die orient ische Frage und zwar in durchaus friedlichem Sinne und Fmießt mit der Aufforderung zu absoluter Offenheit und zum Ha eln ohne Rückhalt, Europa macht eine Krisis durch, aus well. c es nur durch Mäßigung, weise Ver⸗ einigung der Interefm urch die Einigkeit aller Mächte und durch Wahrheit hergusge angen kann.“
Ueber die Verheißungen, mit denen der neue Sultan seine Regierung angetreten, äußert sich das Blatt noch reservirt; die Auflösung des Harems sei das einzige Faktum von wirklicher Tragweite. Darin spreche sich das Prinzip der Ersparungen aus und liege das Unterpfand einer geregelten Verwaltung, die den Palastlaunen entzogen wäre. Wenigstens 40 Mill. Franes Ersparungen jährlich würden dadurch gemacht. Die Civilliste des letzten Sultans betrug nur 39 Mill. Fr., stieg aber meist auf das Doppelte. Man erinnere sich jener Depesche des Lord Redeliffe, nach welcher die Ausgaben des ersten Viertel⸗ jahres 75 Mill. Fr. betrugen. Dem gegenüber sind 40 Mill. Ersparnisse viel, und viel Nützliches lasse sich damit ausführen. Und eben eine geregelte Verwaltung werde erst dadurch möglich. Die Gouverneure der Provinz blieben nie länger als 6 oder 7 Monate in ihrem Amt, grade Zeit genug, um zu kommen, sich einzurichten, große Geschenke zu nehmen und dem Sultan und Großvezir zu machen, und dann weiter zu gehen, um an einem anderen Ort dieselbe Thätigkeit zu entwickeln. Nie hätten sie Zeit gehabt, ihre Verwaltungsbezirke kennen zu lernen, selbst wenn sie die Fähigkeit dazu besaßen, was bei der dortigen Favoriten⸗Herrschaft nur selten der Fall war. Die Gläubiger der Türkei hätten denn auch diese Veränderung mit Freuden aufgenommen.
— J. Juni. (W. T. B.) Der Graf von Paris hat sich nach England begeben, um die Ueberreste Louis Philipps und der Prinzen aus dem Hause Orleans nach Frankreich über⸗ zuführen. Dieselben sollen am Freitag in Dreur beigesetzt werden. — Die Nachricht von einem Rundschreiben des Herzogs Decazes an die Vertreter Frankreichs im Auslande in Betreff der orientalischen Frage wird von der „Agence Havas“ für unbegründet erklärt.
Versailles, 7. Juni. (W. T. B.) Die Deputirten⸗ kammer hat heute den Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung des Gesetzes über die Freiheit des höheren Unterrichts mit 388 gegen 128 Stimmen angenommen.
— Der Senat hat die Wahl eines ständigen Mitgliedes des Senats an Stelle des verstorbenen Ministers Ricard auf den 16. d. anberaumt und sodann den Antrag, nach welchem die Bureauz und Kommissionen des Senats stets in Versailles tagen sollen, mit 138 gegen 132 Stimmen an⸗ genommen. Dieser Antrag war gegen die Budget⸗Kommission gerichtet, welche unter dem Vorsitze Gambetta's in Paris zu⸗ sammengetreten war.
Italien. Kom, 3. Juni. (Ital. Nachr.) Morgen, am ersten Sonntag des Monats Juni, wird das Kon stitu⸗ tionsfe st in üblicher Weise gefeiert werden und der König die Truppen der hiesigen Garnison Revue passiren lassen. Ueber morgen reist Se. Majestät nach Turin ab, um, wenn ihn. Regentenpflichten nicht früher nach der Hauptstadt zurückrufen, bis zum Herbst im Aostathale zu verweilen. — Der Reiseplan der Kronprinzlichen Herrschaften ist vorläufig dahin entworfen worden, daß dieselben am 18. Juli von Mailand aufbrechen werden, um über München nach Dres⸗ den zu fahren, wo sich Ihre Königlichen Hoheiten bei Ihren Hohen Verwandten einige Tage aufzuhalten gedenken, um dem⸗
(W. T. B.) Wie die „Baseler Nachrichten
3. die Reise über Posen und Königsberg nach Rußland fort zusetzen.
— Der Vatikan gedenkt zur Hebung der Schwierigkeiten, welche wegen den armenischen Christen zwischen dem päpst= lichen Stuhle und der Hohen Pforte bestehen, durch den Kar⸗ dinal Franchi Unterhandlungen mit dem neuen Sultan ein⸗ leiten zu lassen.
Türkei. Konsflantinopel, J. Juni. (W. T. B) Gestern begaben sich die ersten Dragomans der Botschaf⸗ ten und Gesandtschaften von Frankreich, England, Ita— lien, Oesterreich, Rußland, Deutschland und Belgien in das Kaiserliche Palais, um anläßlich der Thronbesteigung Sultan Murads V. Aufwartung zu machen (complimenter). — Die Kaiserlichen Handschreiben, betreffend die Anzeige der Thronbesteigung, find, dem Vernehmen nach, nunmehr abge— gangen.
— 8. Juni, Waffenruhe und Untersuchung der Beschwerden der Insurgenten ist folgende Eirkularmittheilung an die Re⸗ präsentanten der hohen Pforte im Auslande ergangen: Auf Befehl Sr. Majestät des Sultans hat der Großvezier den Kom— missaren der Regierung in Bosnien und in der Herzegowina schrift⸗ lich mitgetheilt, daß Se. Majestät den Insurgenten eine ganze und vollstãndige Amnestie für die Zeit von 6 Wochen, vom Zeitpunkte der demnächst in diesen beiden Provinzen zu veröffentlichenden Proklamationen ab gerechnet, gewährt, daß ferner der Ober⸗Befehlshaber der türkischen Truppen während dieser Zeit alle militärischen Bewegungen einstellen und daß hiervon nur bezüglich der Verproviantirung von Niksic eine Aus⸗ nahme gemacht werden soll. Während dieser Zeit sollen die Infurgenten ruhig an ihre häuslichen Heerde zurückkehren und den Ortsbehörden sich unterwerfen können, welche letztere dies bezügliche Instruktion dahin erhalten haben, die Zurückkehrenden gut aufzunehmen und ihre Wünsche anzuhören.“
— Das Regierungsorgan, die „Tur quie', veröffentlicht die Anzeige von der Thronbesteigung Murads an dit europäischen Vertreter der Pforte. Dieselbe lautete:
„Nach dem einstimmigen Wunsche der gesammten Bevöl⸗ kerung ist heute Abdul Aziz Khan entthront und Se. Masje stät Sultan Murad V., der bisherige muthmaßliche Erbe des Kaiser— lichen Thrones, zum Kaiser der Türkei ausgerufen worden.
Gez.: Ruschdi.“
— Das Fetwa des Scheich⸗ül Islam, durch welches die Absetzung des vorigen Sultans sanktionirt wurde, lautet nach der Uebersetzung des Korrespondenten der „Allg. Ztg.“ wie folgt:
„Wenn Zeid, der Beherrscher der Gläubigen durch mangel— hafte Kenntnisse von Regierungssachen nichts versteht, das Staatsvermögen auf eine Weise, daß das Reich und die Nation es nicht ertragen können, zu selbstsüchtigen Zwecken verausgabt, die Angelegenheiten des Glaubens und des Staates in Verwirrung bringt, das Reich und die Nation dem Ver⸗ derben entgegenführt und sein Verbleiben dem Reiche und dem Volke Nachtheil bringt: ist seine Absetzung nothwendig?“
„Antwort: Ja.“
„Es schriebs der arme Hassan Cheirullah, dem Gott ver⸗ zeihen möge.“
(In der mohammedanischen Jurisprudenz sind Zeid und Amr fingirte Namen, wie in den römischen Rechtsgutachten Tiberius und Sempron us.)
— Der Thronbesteigungshat lautet:
„Mein erlauchter Vezier Mehemed Ruschdi Pascha. Durch die Gnade des Allerhoöchsten und durch die einstimmigen Wünsche aller Meiner Unterthanen habe Ich den Thron Meiner erhabenen Vor—⸗ fahren bestiegen. In Betracht Deiner Fähigkeit und Deines erprob— ten Eifers bestätige ich Dich in Deinem Amt als Großptzier, indem ich zugleich die übrigen Minister und Beamten in ihren Aemtern bestätige. ;
„Es ist allbekannt, daß die schwierige Lage, in welcher sich seit einiger Zeit die inneren und auswärtigen Angelegenheiten der Regie—⸗ rung befinden, im Publikum ein gewisses Mißtrauen erzeugt, dem be⸗ weglichen und unbeweglichen Vermögen Nachtheil gebracht und alle mögliche Besorgniß erweckt hat.
„Um vor allen Dingen diesem Zustande ein Ende zu machen, ist es unerläßlich einen Weg zu betreten, der die Ruhe, die Sicherheit, das moralische und materielle Wohlsein und das Glück des Landes und aller Meiner Unterthanen sichere.
„Dieser Zweck kann erreicht werden, wenn die Verwaltung des Reiches auf reiner ernsthaften und festen Grundlage beruht, auf welchen Zweck alle Meine Ideen und Absichten beständig gerichtet sind.
„Demnach soll unter Ausführung aller Vorschriften des heiligen Gesetzes die allgemeine Verwaltung des Reiches auf soliden Geseßzen beruhen, welche der Natur der Verhältnisse und den Eigenthümlich⸗ keiten der Bevölkerung angemessen find.
„Alle Meine Unterthanen ohne Unterschied sollen sich einer völ⸗ ligen Freiheit erfreuen.
„Meine Minister werden sich mit einander über den Modus und die festen Grundlagen eines sicheren und festen Prinzips berathen, welches den Fortschritt jeder Art herbeizuführen und eine völlige Uebereinstimmung der Beslrebungen im Sinne der Vaterlandsliebe und der Vertheidigung des Vaterlandes, der Regierung und der Na— tion zu erzielen geeignet ist.
„Die Minister werden Mir das Ergebniß ihrer Berathungen unterbreiten
„In Erwägung dieser Grundidee ist es erforderlich, die Organi⸗ sation des Staatsraths, des Justiz ⸗Ministerinms, des öffentlichen Unterrichts, der Finanzen und der übrigen Verwaltungszweige nach- einander vorzunehmen.
Eine der vornehmsten Ursachen, welche die Angelegenheiten des Stages verwirrt haben, ist die Finanzfrage. Es ist also unerläßlich die Finanzverwaltung zu garantiren, das heißt, sie einer strengen Kontrole zu unterwerfen und sie in ein System zu bringen, welches allgemeines Vertrauen einflößt, indem jede Ausgabe über die Ansätze des Budgets hinaus vermieden wird.
„Zur Unterstützung dieser Maßregel habe Ich beschlossen, Meine Civilliste um 60,000 Beutel zu vermindern, und dem Staatsschatze die Verwaltung und die Einkünfte der Kohlenbergwerke von Eregli sowie der , . Minen und einiger zu Meiner Cipvilliste gehörigen Fabriken, iu überlassen.
Man wird ferner dafür e, tragen, das Gleichgewicht der Finanzen zu erleichtern, indem auch in den andern Verwaltungszweigen Verbesserungen und Ersparungen jeder Art erzielt werden.
Es ist endlich Meine feste Absicht, die Beobachtung aller unserer mit den befreundeten Mächten abgeschlossenen Verttäge aufrecht zu erhalten und die zwischen Meiner Kaiserlichen Regierung und den anderen Staaten bestehenden Bande der Freundschaft und des guten Einvernehmens immer mehr zu befestigen.
Möge der Allmächtige Meine Bemühungen mit Erfolg krönen!
„Am 9. Dschemazi ül ewel 1293 (1. Juni 1876). .
— Der „Pol. Eorr.“ entnehmen wir noch folgende Details
über den Thronwechsel:
Ueber den Ursprung des Komplottes, welches den Thronwechsel herbeigeführt, kann jetzt mit Bestimmtheit, nur so viel us e . werden, daß dasselbe aus derselben Zeit darirt, in welcher die und gebungen und Demonstrationen der Softas organisirt wurden. Der Leiter der Verschwörung war Mihhat Pascha. Er weihte zunãchst
(W. T. B.) In Bezug auf Amnestie und
Hussein Arni in seine Pläne ein und nun erst, nachdem gr Diesen Dafuͤr gewonnen, machten sich beide daran, den Großvezier Mehemed Ruschdi Pascha als Dritten für ihren Bund zu gewinnen. Letzteres kostete keine geringe Mühe; es gelang aber schließlich doch. Die
Hauptfache bei dieser Verschwörung war, daß sie der Zustimmung
des Volkes im vorhinein sicher sein durfie. Darauf und auf die Schwierigkeiten der politischen Situation basirten die Verschworenen ihr Projekt. Dazu kam, daß Abdul⸗Aziz von irgend welchen Zuge— ständnissen absolut nichts wissen wollte. In den Plan der drei Hauptverschworenen waren die anderen Minister theils gar nicht, theils nur unvollständig eingeweiht. Der Anschlag hätte eigentlich erst am 30. Mai ausgeführt werden sollen. Ein unvorhergesehener
Zwischenfall beschleunigte den Entschluß der Verschwörer. Am
29. Mai nahmen der Großvezier und Hussein Avni Audienz beim Sultan. Sie verlangten von ihm, daß er einen Theil seines wäh— rend seiner fünfzehnjährigen Herrschaft gesammelten Vermögens dem Staatsschatze abtrete. Er verweigerte dies rundweg. Am Abende desselben Tages schickte er wiederholt nach Hussein Apni, um ihn zu frazen, welche Bestimmung die Truppen hätten, die auf zwei Schiffen den Bosporus unter seinen Fenstern passtrten. Hufsein Avni ließ sich mit sehr dringenden Geschäften entschuldigen, die ihn verhinder— ten, im Palais zu erscheinen. Er glaubte verraten zu sein und he⸗ gab sich in Eile zum Großvezier, wo beschlofsen wurde, daß ohne Verzug gehandelt werden müsse. In der That wurde das Palais des Sultans sofort cernitt, und zwar auf der Landseite von Truppen unter den. Befehlen Redif. Paschas, eines alten Soldaten, auf welchen man zählen durfte, während auf der Bosporusseite Matrosen verwendet wurden. Hussein Ayni Pascha begab sich persönlich ins Palais und ließ dort zunächst Murad Effendi zu sich bringen und ihn nach dem Sceraskierat führen, wo sie vom Großvezier und Midhat Pascha er= wartet wurden. Hier wurde Murad zum Sultan proklamirt und sein erster Souveränetätsakt war die Unterzeichnung des Jradé, welches Abdul ⸗ Aziz vorschrieb, Dolma⸗Bagdsche zu verlassen sich in das Palais von Top ⸗ Capu, welches er ihm als Räsidenz anwies, zu begeben. Dieses Irads wurde Abdul Aziz in seinem Schlafgemache von Redif Pascha überreicht, welcher mit Militär⸗ Mannschaft eintrat. Abdul. Aziz wollte Widerftand leisten und erst als Redif ihm erklärte, daß er, wenn er sich nicht füge, das Palais nicht lebend verlassen werde, ergab er sich in sein Schicksal. Gestern wurde Abdul⸗Aziz auf seine Bitte nach einem Flügel des Palais Tscheragan gebracht, welches Murad Effendi vor seiner Thronbestei- gung bewohnen sollte. Murad empfing inzwischen im Seraskierat die Huldigungen und nahm hierauf von Bolma⸗Bagdsche Besitz. ö
— Der „Vakit“, ein türkisches Blatt, erfährt, daß der neue Sultan dem Malieh den Befehl gegeben hat, vor Allem die Rückständ!e der Beamten-Gehälter aus dem persönlichen Vermögen des früheren Sultans zu bezahlen, welches an den Staat zurückgefallen ist.
— Aus dem Insurgentenlager im Risosatzgebirge 2 „D. A. C.“ unter dem 30. Mai u. A. folgen de Nachricht:
Am 20. Mai marschirte ein starkes Corps Bosniaken unter Trifun Bandalom nach dem Lager von Gerweetsch ab, um die Türken, welche die dort weilenden mehr als 6000 Köpfe zählenden wehrlesen Flüchtlinge (Greise, Weiber, Kinder) überfallen hatten, zu vertreiben. Pop Ninko Gak, welchem die Bewachung des Lagers mit einer aller ⸗ dings kleinen Schaar Insurgenten anvertraut, hatte sich vor den an— rückenden türkischen Streitkräften (5000 Redifi) unter Ali Pascha geflüchtet und so konnten die Osmanen mit verhältnißmäßig wenig Verlust die Schanzen besetzen. Es folgte dann ein entsetzliches Massacre. Nur eine kleine Tscheta (Abtheilung? Insurgenten behauptete die letzten Schanzen, und dorthin flüchtete Alles, sehnsũchtig Hülfe herbeiwünschend. In Eilmärschen war Bundatom gekommen, und einen ganzen Tag kämpfte er mit den Türken, dieselben zur regel losen Flucht draͤngend. Es gab nur Todte, keine Verwundete.
Die Noth der Flüchtlinge in jetzt groß; dieselben müssen in den 3 kampiren, die Lebensmittel sind knapp, Zufuhr nur schwer möglich.
In Risovatz und Gerraetsch befinden sich gegen 6000, Bewaff= nete unter den Aunfübrern Bundalom, Dukitsch, Davidovitsch und Poy Koran bei StonMajdaun, 600 unter Pero Ziokovitsch, in dem Paftirewogebirge gegen 1860 bis 2009 unter Milosch Roditsch, Morko Ijenadja und Janko Bajalitza, im Kozaragebirge 1609 unter Pane Rikolitsch und Despot, bei Priedor 809, bei Unnatz bis Petrovatz, und Kisutsch 400 unter Golub Babitsch, Azo Radosaoljewitsch, Ilija Bilbija und Pero Uzelatz; die Abtheilung von Hadjitsch und Peter Rarageorgewitsch 1260 Mann von Ljubing bis Buzim. Im Motaicagebirge stehen 400 Mann, welche die Aufgabe haben, die Gegend bis Bonjaluka zu insurgiren. Im Travniker Kreise steht die Schaar des Franziskaners Fra Franjo, außerdem eine Menge keeiner Abtheilungen in ganz Bosnien, von denen wenig Nachrichten ein saufen. — Am 4. Juni (22. Mai serbischen Datums) soll auch eine Schaar von 0b Freiwilligen, welche bei Schabatz in Serbien ein- exerciert wurde, über die Drina gehen und versuchen gegen Serajevo vorzudringen. w
Gefechte finden jeden Tag statt, welche meist günstig für die Insurgenten enden. Nur ist es schwer, Nachrichten aus dem Lande zu bringen, weil weder Posten noch Telegraphen existiren und die Türken auf den Kopf ihnen feindlicher Berichterstatter Prämien aus, setzen. Auf einen Waffenstillst and wollen die Insurgenten nicht eingehen, weil sie den Türken nicht trauen, auch die gut= Jahreszeit nicht unbenutzt vorübergehen lassen wollen. .
— Wie derselben Correspondenz aus Serajevo unter dem 31. Mai gemeldet wird, wäre das türkische Militär durch die fortwährenden Niederlagen, welche es von den Insurgenten erleidet, niedergesätimmt, die Unzufriedenheit im Wachsen und Re⸗ volten zu befürchten. „Die Verpflegung der Truppen ist elend, Sold ist seit 9 Monaten nicht gezahlt, und behaupten die Soldaten, daß die Juz- und Bimbachas den Sold in die eigene Tasche stecken, während diese ihrerseits die Paschas anklagen. Bei der Menge Verwundeter macht sich der Mangel an europãischen
geschulten Aerzten sehr fühlbar; die im medizinischen College von Stambul gebildeten jungen Aerzte erweisen sich als un⸗ brauchbar.“ .
— Aus Zara wird unterm 6. Juni telegraphirt: Für st Nikita berief die im Auslande weilenden Montenegriner zurück und verbot den Korrespondenten, über die Truppen⸗ bewegungen zu telegraphiren. — Die Insurgenten⸗Chefs der Herzegswina beschlossen, sich in keine Verhandlungen mit der Regierung Murads V. einzulassen.
— Äüus Belgrad wird unter dem 3. d. gemeldet, daß der letzte Einfall regulären türkischen Militärs in serbisches Gebiet (bei Uzizah, den Minister des Aeußeren zur Absendung einer Protestnote an die Pforte veranlaßt hat. — Dieser Tage be⸗ giebt sich der Fürst nach Zuprija in Begleitung des Generals Tschernajeff.
Rumänien. Bukarest, J. Juni. (W. T. B.) Das Amtsblatt publizirt den österreichisch⸗rumänischen Han⸗ dels vertrag.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 6. Juni. Der „Golos“ spricht sich über die or ientalische Frage fol⸗ gendermaßen aus: „Die Mäßigung, welche die Redaktion des Memorandums an die Pforte geleitet, ist ein sicherer Bürge da⸗ für, daß diese sich zweimal befinnen wird, ehe sie die Annahme offen verweigert. Und um so mehr, als das Berliner Memo— randum wohl nur einen Kommentar zur Andrassyschen Note bildet, einer Note, welche nicht anzunehmen die Pforte damals keinen triftigen Grund hatte. Diese Voraussetzung wäre nur dann unwahrscheinlich, wenn England offen die Partei der Türkei nähme und diese zum Widerstand antriebe. Aber es ist schwer anzunehmen, daß das Kabinet von St. James so weit gehen sollte.
Wir sehen außerdem, daß die französische Regierung Eng— lands Mitwirkung zum gemeinsamen Handeln im Orient zu erlangen sucht und noch nicht alle Hoffnung auf Erfolg verloren hat. In der That sind die Einwände, welche England dem Memorandum entgengenstellt, nicht unmöglich zu beseitigen. Eng—⸗ land weist z. B. auf die Schwierigkeit hin, einen Waffenstillstand unter Bedingungen zu bewilligen, welche es für die Türken für ungünstig hält; aber es verliert aus dem Auge, daß ein ähn⸗ licher Waffenstillstand für billig erachtet wurde zur Zeit der Ueber⸗ gabe der Andrassy'schen Note.
Außerdem findet England die Opfer übertrieben, welche sich die Türkei auferlegen müßte, um die Insurgenten für ihre Ver— luste zu entschädigen. Aber sollte es selbst da so schwer sein, fest⸗ zustellen, daß Recht und Gerechtigkeit aus diesen Opfern eine Pflicht für die Türkei machen? Denn hat nicht die Mißverwal⸗ tung der letztern all dies Unglück verschuldet?
England muß jedenfalls zugestehen, daß, was bis jetzt ge⸗ fehlt hat, die Mittel sind, welche die Ausführung der seit langer Zeit von der Pforte gemachten Versprechungen sichern, und sobald es einmal feststeht, daß ihre Integrität respektirt werden soll und daß man nur eine Reorganisation verlangt, welche für eine bessere Lage der Christen Garantie biete, sollte England durchaus in seiner isolirten Haltung den anderen Mächten gegenüber verharren wollen?
Die englische Presse und die öffentliche Meinung sind ein⸗ stimmig darin, anzuerkennen, daß die Pforte nur unter der Be⸗ dingung fortbestehen kann, daß sie ihre Verwaltungsmaximen von Grund aus ändert. Indem England so den jetzigen Zustand im Orient verurtheilt, muß es, wie uns scheint, damit zugleich stillschweigend die Leerheit der Versprechungen anerkennen, welche die türkische Regierung machen kann und von diesem Geständniß zur Forderung von Garantien für die Erfüllung diefer Versprechungen ist eben nur ein Schritt. Deshalb glauben wir schließlich, daß England, um mit sich selbst nicht in Widerspruch zu gerathen, willig oder nicht, von scinem Prinzip der Nichtintervention gegenüber einem Staate abgehen müsse, der nur zu geneigt ist, es zu mißbrauchen. Das englische Volk, das so viel Millionen Pfund für die Sache der Neger ⸗ Emanzipation in Afrika geopfert, ist ebenso empfang⸗ lich fär Sympathieen mit den Christen, die ein nicht weniger unglückliches Loos zu ertragen haben, als die von England be— freiten Sklaven.
Wir hoffen also gern, daß England seine Haltung ändern werde. Wir möchten gern das Zeichen davon in der Thatsache einer Absendung der englischen Flotte ins Mittelmeer erblicken, eine Absendung, die sicherlich nicht die Unterstützung einer soschlechten Sache zum Zweck haben kann, als die der Türkei ist, indem es sich dem Werke der Pazifizirung und Civilisirung entgegenstellt, das ganz Europa unternommen. Und von dem Augenblick an, wo die Integrität des türkischen Reiches nicht mehr in Frage tommt, kann diefe Flotte nur dazu berufen sein, die Interessen der englischen Angehörigen und ihr Leben in dem Fall zu sichern, wo es durch den türkischen Fanatismus in Gefahr kommen sollte. Die Zukunft wird die Hoffnungen zu beftãtigen oder zu widerlegen haben, welche wir heut aussprechen.“
Amerika. Washington, 6 Juni. Kabeldepeschen melden: Mr. Blaine, der frühere Sprecher, gegen welchen verschiedene Anklagen in Verbindung mit gewissen Bonds⸗ Trangaktionen erhoben worden, verlas heute im Repräsentanten⸗ hause seine eigenen Briefe, die, wie behauptet worden, ihn
kompromittirten, und er deshalb der Oeffentlichkeit vorzuent— halten wünsche.
— Aus Philadelphia wird der „Times“ gemeldet, daß der Senat die vom Repräsentantenhaus vorgenommene Herab⸗ setzung des Präsidentengehaltes von 56 090 Dollars auf 23 000 Dollars wieder gestrichen hat. — Die Vorlage, welche die Herstellung einer Münz⸗ und Rechnungseinheit zwi⸗ schen den Vereinigten Staaten und England vorschlägt, wurde im Senat diskutirt und es gelangten verschiedene Zusätze zur Annahme.
— Telegraphische Nachrichten der A. A. C.“ aus Ha⸗ vanna über New⸗Hork melden, daß Maximo Gomez an der Spitze von 1600 cubanischen Insurgenten in der Nacht des 275. Mai Eiepo de Avila angriff. Er wurde indeß von der 1400 Mann starken Garnison nach einem verzweifelten Kampfe
zurückgeschlagen, und büßte 390 Mann an Todten und 70 an
Verwundeten ein. Die Spanier sollen, wie es heißt, zwei Offi⸗ ziere verloren haben.
Reichstags ⸗Angelegenheiten.
Berlin, 8. Juni. Die Justiz-Kommission des Reichs⸗ tages setzte gesern ihre Berathungen der Strafprozeßordnung fort und gelangte vom 3. 58 derselben bis zum 5§. 831. Ein Antrag des Abg. Reichensperger, die Verweigerung eines Zenugnisses mit einer ge⸗ linderen Strafe zu belegen, als dies von der Kommission in erster Lesung geschehen, wurde abgelehnt. Der Kommissionsbeschluß in erster Lesung ist demnach aufrecht erhalten, wonach die Zeugnißver weigerung mit Geldstrafe bie zu 300 4A, event. mit Haftstrafe zu 6 Wochen bedroht ist. In Beziehung auf die Vorbereitung eines Sachverständigenurtheils über den Heisteszustame des Angeschuldigten wurde ein Antrag des Abg. Zinn auf Ersetzung des §. 71b. durch eine den höheren Schutz des Angeschuldigten bezweckenden Bestimmung ange⸗ nommen. Rach dem ÄUntrag des genannten Abgeordneten soll das Gericht zur Vorbereitung eines Gutachtens über den Geisteszustand des Angeschuldigten auf Antrag eines Sachverständigen und nach Anhörung des erforderlichen Falles amtlich zu bestellenden Vertheidi⸗ gers anordnen, daß der Angeschuldigte in eine Irrenanstalt gebracht und dort beobachtet werde. „Es findet sofortige Beschwerde statt, diefelbe hat aufschiebende Wirkung“ Zu 5§. 78, in welchem die Zu—⸗ ziehung eines Arztes zur gerichtlichen Todtenschau angeordnet ist, wurde auf Antrag des Abg. uttkamer die in der Bundesvorlage enthaltene Bestimmung wieder aufgenommen, nach welcher die Zu⸗ ziehung eines Arztes unterbleiben kann, wenn sie nach dem Ermessen des Richters entbehrlich ist.
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Gewerbe und Handel.
Dem Geschäftsbericht der Altenburg Zeitzer Eisenbahn pro 1575 entnehmen wir über die Betriebsergebnisse, daß im Jahre 1875 befördert wurden 189,936 Personen, gegen 188,133 im Jahre 1874, mithin 1875 mehr 16803 Persanen. Von den ausgegebenen Billets kommen 177,433 auf den Lokalverkehr, 19510 auf den ver— einigten Verkehr und 1993 auf den direkten Verkehr. Die Gesammt⸗ Einnahme aus dem Personen verkehr betrug S6 170 66. Ferner wurden befördert 4523581235 Kilo gleich S, 657,624 Ctr. Güter gegen g, ii6,393 Ctr. im Jahre 1874, mithin 1875, weniger 458,768 Centner. Von den beförderten Gütern fielen 64,517,180 Kilo auf den Lokalverkehr, 161.959, 610 Kilo auf den Uebergangsverkehr und 206,404,445 Kilo auf den direkten Verkehr. Die Gesammt⸗ einnahme aus dem Güterverkehr sammt Nebeneinnahmen betrug 642.277 M Wahrend gegen das Vorjahr der Lokalverkehr um 22, Yo, der direkte Verkehr um 192 stieg, fiel der Uebergangs verkehr um 29,5 6/sg. — Die Gesammteinnahme betrug 807, 68 (, die Gesammtausgabe 428,930 M, so daß 378,107 M oder nach Re⸗ fervirung von 000 „ noch nicht gedeckter Aus gaben für Mitbenutzung des Thü ringischen Perfonenbahnhofes in Zeitz, rro 1875 365, 107 S reine Einnahme verbleiben. Hiervon sollen 112A 9h52 dem Reserve und Erneuerungsfonds überwiesen werden, während für die verbleibenden 256,155 M und einschließlich 826 MM Vortrag vom Vorjahre, 256, 951 M, folgende Vertheilungsweise vorgesclagen wird: 10, 246 υς Tantisme dem Vorstande, 2561 60 desgleichen den Revi⸗ soren, 19,062 MS 6K (0 (18 M 75 3) Dividende den Prioritãts⸗ Stammaktien, 161 „S6 Vortrag auf nächstes Jahr.
. — Aus dem Rechnungsabschluß der Gößnitz Geraer Eisen⸗ bahn pro 1875 theilt die ‚B. B. Z. folgende Daten mit. Es be⸗ trugen die erzielten reinen Verkehrseinnahme n786, 757 oder 52,557 6 mehr als im Jahre 1874; es kamen 192,610 M auf den Personen und 594,147 4 auf den Güterverkehr. An außerordentlichen Einnahmen gingen ein 37,645 6. Die gesammten Betriebzeinnahmen stellten sich auf 824 403 S6, die Gesammt - Betriebsausgaben einschließlich des Bei⸗ trags zum Erneuerungsfonds und der Eisenbahnsteuer auf 522, 970 46, so daß 301,432 M Ueberschuß verblieb, wovon 300,813 S zur Ver⸗ theilung einer 5isichso Dividende an die Aktionäre verwendet unde 6ig S auf neue Rechnung vorgetragen werden sollen. Im Jahr 1874 betrug die Dividende 45 so.
Verkehrs⸗Anstalten.
Southampton, 7. Juni. Das Postdampfschif des Nord— deutschen Llovd Oder“, welches am 27. Mai von New⸗Jork ab⸗ gegangen war, ist gestern wohlbehalten hier angekommen und hat nach Landung der für Southampton bestimmten Passagiere, Post und Ladung, 11 Uhr Abends die Reise nach Bremen fortgesetzt. Die „Oder“ überbringt 276 Passagiere und volle Ladurg.
Liverpool, 7. Juni. (W. T. B.). Der Dampfer „Ca⸗ meroon“ ist von der afrikanischen Westküste hier eingetroffen.
Plymouth, 7. Juni. (W. T. B.) Der fällige Dampfer „Amerikan“ ist aus der Capstadt hier angekommen.
Berlin, den 8. Juni 1876.
Bei dem Verein für die deutsche Nordpolarfahrt sind in vergangener Woche von Dr. Finsch ausführliche Berichte über die von diesem Verein ausgesandte Forschungs expedition nach West sibirien eingelaufen? Die Expedition verließ Tijumen am 13. April. Die Reise ging aber Jaluterowsk, Ischim und Djukalinsk nach Omek, wo der Gouverneur der Expedition den licher Empfang bereitete. Es wurde eine Jagd auf Argali (Bergschafe) in den nahegelegenen Gebirgen veransfaltet. Die letzte Nachricht der Reisenden stammt aus einer Kirgifenjurte. Zunächst, sollte vor Semipalatinsk aus über Sergiopol ein Zug in die Gebirge nahe der chinesischen Grenze unternommen werden. In der zweiten Hälfte des Juni hofften Tie Reifenden in Barnaul einzutreffen und von da ihre Reise den Ob abwärts anzutreten. Von Seiten der russischen Behörden wurde ihnen die bereitwilligste Unterstützung und Hülfe zu Theil. Der Gouverneur in Semipalatinsk begab sich persönlich mit den Herren auf die Jagd und veranstaltete ihnen zu Etzren eine Kosakenparade. Die zur Erforschung der Mündung des. Db bestimmte Expedition brach am II. Mai von Moskau auf. Es ist die Absicht, daß beide Expeditionen im Herbst zusammen von der Obmündung zurückkehren.
Das hiesige Paul⸗Gerhardt: Stift beging am Freitag mit . Jahrestage gleichzeitig den 200 jährigen Todes tag Paul Gerhardt s in der Jakobikirche. Das bis auf den letzten Platz gefüllte Gotteshaus hatte zu Ehren des Tages beson— deren Schmuck angelegt. Nach dem Chor und Gemeindegesang des Gerhardt schen 16 ich meinem Gott nicht singen?“ hielt Prediger Disselhoff die Liturgie, dann folgte der Gemeindegesang „Befiehl Du
Deine Wege“ und die Festpredigt des Hofpredigers Dr. Kögel, die anknüpfend an den Text des 57. Psalms: Mein Herz ist bereit, Gott mein Herz ist bereit, daß ich singe und lobe“ in begeisterten Zügen ein lebens volles Bild des großen Kirchensängers gab, das die evange— lische Welt durch das ganze Kirchenjahr geleitet, ein Tröster und Be rather er Armen und Elenden, ein treuer, zuverlässiger Freund seines Voltez gewefen ist und für alle Zeiten bleiben wird. — Der Jahres. hericht gab in allgemeinen Umrissen eine Darstellung der Entstehung des Stlftez, das sich noch in den Anfängen seiner Entwickelung be⸗ findet., Leider hat das nene Stift, trotzdem ven allen Seiten Wohl—⸗ thäter für dasselbe erstehen, noch stark mit materiellen Sorgen zu kämpfen, deren höchfte die Verzinsung des übernommenen Stifts hauses in der Jakobi ⸗»Kirchstraße bildet. Unterstützende Gaben werden daher
gern angenommen
Schon vor mehreren Jahren ist das Projekt einer Ver— längerung der Zimmerstraße von der Wilhelm nach der Königgrätzerstraße in Anregung gekommen, von Seiten des Magistrats demfelben aber nicht näher getreten worden. Neuerdings ist die An elegenheit wieder aufgenommen, theils weil für die Grundstücke Wilhelmstraße Nr. 5 / 96, welche von der eventuellen Weiterführung der Jimmerstraßè betroffen würden, Baugesuche vorliegen, theils weil auf dem fiskalischen Terrain an der Königgrätzerstraße mit dem Bau des Gewerbe ·Museums und der Gewerbe · Akademie unter Berücksichtigung einer Zufahrtsstraße in Verlängerung der Zimmerstraße begonnen war. Der setztere Bau ist zwar wegen. der inzwischen eingetretenen Ver handlungen über die Errichtung einer technischen Hochschule wieder eingestellt, die vorliegenden Umstände, welche durch das Interesse des offentlichen Verkehrs noch vermehrt werden, haben es jedoch geboten
erscheinen lassen, eine solche Straßenverlängerung in Aussicht zu nehmen und mit Rücksicht auf die Bestimmungen des Gesetzes vom 2. Juli 1875, betreffend die Anlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Qrtschaften, die Feitsetzung einer Baufluchtlinte vorzubereiten. Der Magistrat hat der. Stadt- verordneten versammlung einen von der Baudeputation geneh · migten Plan mit dem Ersuchen vorgelegt, sich damit einverstanden zu erklären.
Zur Erläuterung der heute (unter „Türkei“ mitgetheilten Ant . wort des Scheich ul⸗Fslam und des. Thronbesteigungshat mag daran erinnert werden, daß die türkische Gesetzgebung in zwei Haupttheile zerfällt: daz religiöse Gesetz (Scheriat) und das politische Gesetz (Kauun). Das Scheriat, welches indessen auch mit vielen bürgerlichen Rechtévorschriften durchwebt ist, hat zu seinen Quellen den Koran, die Sunna oder xeligiöse Tradition, das Idschma i ümmet, d. i. die Erklärungen, Auslegungen und Entscheidungen der vier ersten Khalifen, und das Kazas oder die Sammlung gerichtlicher Entscheidungen der vier großen Imams Ebu, Hanifé, Maliki, Schafii und Hambeli. Im Anschlusse hieran ist die Rechtsdisziplin durch eine Menge Rechtegelehrter ausgebildet worden. Aus den Arbeiten derselben sind verschiedene Sammlungen hervorgegangen, welche ebenfalls als Rechte quelle benutzt werden. Die erste dieser Sammlungen führt den Namen Perlen (Düvar/ und ent⸗ hält Rechtssprüche und Auslegungen bis zum Jahre 1470; die zweite führt den Namen Mülteka ül buhur (Verbindung der Meere) und rührt von dem gelehrten Scheich ⸗ Ibrahim Halebi (gest. 1549) ber. Ursprünglich in arabischer Sprache verfaßt, wurde die letztere Samm- lang erst später in das Türkische übersetzt und im Jahre 1824 revi-