Höhe jene Tarifzuschläge seiner Zeit motivirten, nicht unbeträcht⸗ lich vermindert sind. ;
Hat das Reichs⸗Eisenbahnamt sich auch angelegen sein lassen, sich durch fortgesetzte statistische Erhebungen, bezüglich deren auf die Anlagen verwiesen wird, über die Sachlage thun⸗ lichst orientirt zu halten, so ist dasselbe doch nicht in der Lage, zu übersehen, ob und in welchem Umfange zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Eisenbahnen die Fortdauer der Erhöhung der vor dem 1. August 1874 in Kraft gewesenen Frachttarife noch geboten ist.
Wie seiner Zeit das Maß der Erhöhung innerhalb der durch den Beschluß des Bundesraths gesteckten Grenzen der Abwägung und Genehmigung der Landesaufsichtsbehörden anheimfiel, so wird diesen auch jetzt die Kognition über den un⸗ erläßlichen Umfang der erlaubten interimistischen Erhöhung zu überlassen sein.
Das Reichs-Eisenbahnamt kann jedoch nur dem lebhaften Wunsche Ausdruck geben, daß die Tariferhöhung möglichst re⸗ dressirt werde, und deshalb nur empfehlen, an die betheiligten Landesregierungen das Ersuchen zu richten, in Bezug hierauf das Erforderliche zu veranlassen.
Hiernach resumirt das Reichs ⸗Eisenbahnamt seine Auf⸗ fassung dahin:
1) daß die von der Kommission in ihrem Schlußgutachten skizzirten Grundzüge eines einheitlichen Tarifsystems an und für sich zwar als geeignet zu erachten, die erstrebte Einheit auf dem Tarifgebiete zu vermitteln, daß dieselben jedoch für die Formu⸗ lirung praktisch zu verwerthender Vorschläge eine genügende Basis nicht gewähren, weil wesentliche Punkte, insbesondere „betreffs der Zahl der Klassen für Stückgut, der Zahl der Spezialtarife, der Anwendung der Sätze der allgemeinen und der Spezial⸗ wagenladungsklassen — ob auf Sendungen für je Einen Wagen oder bei Aufgabe bestimmter Mengen —, der Zulassung von Ausnahmetarifen neben den Klassen des Tarifschemas“ offen geblieben sind, weil ferner die Zahl der Klassen für Stückgut, die Zahl der Spezialklassen, die Nothwendigkeit von Ausnahme⸗ tarifen, sowie die demnächstige Einreihung der Transport⸗ artikel in die Spezialtarise durch die Höhe der Frachtsätze, insbesondere des Satzes der allgemeinen Wagenladungsklasse für offene Wagen von 200 Centner und der Frachtunterschiede in den Sätzen für 100 Ctr. und 200 Ctr., sowie für offene und bedeckte Wagen bedingt wird, diese aber unentschieden ge⸗ lassen ist;
2) daß unter solchen Verhältnissen, sowie in Rücksicht auf die gegenwärtige allgemeine wirthschaftliche Lage Deutschlands es sich widerräͤth, über ein in seinen Grundzügen skizzirtes Tarifsystem Beschluß zu fassen und dessen Durchführung unter der Autorität des Reichs, sei es anzuordnen, sei es auch nur zu empfehlen, bevor nicht die Wirkung eines solchen Systems auf den allgemeinen Verkehr, sowie auf die Erträgnisse der Eisenbahnen genügend klar gestellt worden, und daß des⸗ halb vorab wegen der Ergänzung der von der Kommission em⸗ pfohlenen Grundzüge eines Tarifsystems zur Klarstellung des praktischen Effektes desselben durch Festsetzung der Maximal⸗ einheitssätze bezw. der prozentualen Verhältnisse in den Sätzen der einzelnen Klassen unter Rücksichtnahme auf den Einpfennig⸗ tarif des Artikel 45 der Reichsverfassung wie durch Erledigung der unter J. bezeichneten, sonst noch offen gebliebenen Punkte, sei es im Wege der Beschlußnahme des Bundegraths, falls derselbe hierzu sich befugt erachtet, sei es in dem allerdings wenig aus⸗ sichts vollen Wege der freien Vereinbarung der Eisenbahn⸗ verwaltungen unter sich, sei es eventuell im Wege der Gesetz⸗ gebung das Erforderliche zu veranlassen; und
3) daß der Bundesrath sich für thunlichste Aufhebung der provisorischen Frachtzuschläge aussprechen und die Landes⸗ regierungen ersuchen wolle, in Bezug hierauf das Erforderliche in die Wege zu leiten, soweit solches die Betriebs⸗ und Finanz⸗ verhältnisse der betreffenden Bahnen zulassen.
— Für diejenigen Fälle, in denen die Frage zur Entscheidung steht, ob die gegen ein in Verwaltungsstreitsachen ergangenes Endurtheil eingelegte Berufung (Revision) überhaupt zulässig, und insbesondere rechtzeitig angemeldet und gerechtfertigt ist, hat das Königliche Ober-Verwaltungsgericht den Bezirks⸗ ö folgende Grundsätze zur Nachachtung mit⸗ getheilt:
Die Prüfung des Gerichtes erster Instanz, bei welchem das Rechtsmittel der Berufung oder Revision anzumelden und zu rechtfertigen ist, hat sich ausschließlich auf die Wahrung der gesetzlichen Frist zur Anmeldung zu beschränken. Für den Be⸗ scheid, durch welchen das Gericht erster Instanz eines jener Rechts— mittel wegen Fristversäumung zurückweist, ist eine besondere Form nicht vorgeschrieben, und derselbe hat nicht die Eigenschaft eines in Gemäßheit des 37 des Gesetzes vom 3. Juli v. J. ergehenden Bescheides. Dasselbe gilt von der Entscheidung, welche in der Berufunge⸗ (Revisions⸗) Instanz auf eine gegen einen solchen Bescheid der ersten Instanz gemäß Absatz 4 des 5. 55. cit. ge⸗ führte Beschwerde ergeht.
Hat dagegen das Gericht erster Instanz auf das bei diesem eingelegte Rechtsmittel der Berufung oder Revision, indem das⸗ selbe die Frist zur Anmeldung für gewahrt erachtet, das weitere Verfahren eingeleitet, so kann der angerufene Richter auch dann nicht, wenn er jene Frist für versäumt erachtete, das Rechtsmittel durch eine einfache Verfügung zurückweisen, vielmehr muß dies entweder durch einen in Gemäßheit des 5. 37 cit. ergehenden förmlichen Bescheid oder durch Erkenntniß geschehen. Die An⸗ fechtung dieses Bescheides (Erkenntnisses) regelt sich nach den be⸗ züglichen allgemeinen Bestimmungen des Gesetzes.
Hat dagegen ein Kreisausschuß das Rechtsmittel der Be⸗ rufung wegen Versäumniß der Frist zur Anmeldung gemäß dem Alinea 4 des 5§. 55 cit. zurückgewiesen, und ist dieser Be⸗ scheid von dem Berufungsgericht auf die Beschwerde des Be⸗ rufungsklägers aufrecht , worden, so findet hiergegen eine weitere Beschwerde nicht statt. Letzteres ergiebt sich daraus, daß der §. 55 cit. eine Ausnahme von der allgemeinen Regel des 5. 4 eod. nicht bestimmt hat.
— Unter einem Koadjutor“ oder, Kooperator“ in einer katholischen Diözese oder Pfarre ist rechtlich ein Hülfsgeist⸗ licher zu verstehen, welcher den Bischof oder Pfarrer zu unter⸗ kihn hat und dessen Funktionen, wenn nicht in einzelnem Falle ie Bestallung auch über den Tod des zu vertretenden Pfarrer erfolgt ist, mit dem Tode des Pfarrers resp. Bischofs erlischt. Die vor Emanation der Maigesetze angestellten Koadsutoren oder Kooperatoren bedürfen daher nunmehr nach dem Tode des Bischofs oder Pfarrers, an dessen Seite sie gesetzt sind, zur fer— neren Ausübung ihrer geistlichen Thätigkeit der staatlichen Genehmigung. Erkenntniß des Ober⸗Tribunals vom 18. Mai d. J.
— Der General ⸗Lieutenant von Wartenberg, Comman⸗ deur des Kadetten⸗Corps, hat sich zur Inspizirung des Kadetten⸗
hauses zu Wahlstatt dorthin begeben, ebenso der General⸗ Lieutenant von Dannenberg, Tommandeur der 2. Garde⸗ Infanterie⸗Division, zur Musterung und Inspizirung des 4. Garde⸗Grenadier⸗Regiments Königin, nach Coblenz. — Der General⸗Lieutenant von Ramm, Inspecteur der 4. Feld⸗ Artillerie⸗Inspektion, ist aus Anlaß seiner kürzlich erfolgten Be⸗ förderung zum General⸗Lieutenant zur Abstattung persönlicher Meldungen von Coblenz hier eingetroffen.
— Se. Durchlaucht der Fürst Bruno zu Isenburg⸗ Büdingen ist gestern Abend nach Büdingen zurückgekehrt. Bayern. München, J. Juni. In der heutigen Sitzung der Abgeordneten kammer wurde der Etat der Stgats⸗ schuld mit 38,074,430 MSV festgesetzt und hierbei der Wunsch auf Konvertirung der Schuld in Reichswährung ausgesprochen. Nach dem Bericht des Finanzausschusses stellte sich die allge⸗ meine Staatsschuld Ende 1375 auf 97,949,993 Fl. und wird Ende 1876 auf 965,207,018 Fl. gemindert sein. Die Eisenbahn⸗ schuld betrug Ende 1875 347,092,417 Fl. und wird sich bis Schluß 1876 auf 381,067,167 Fl. erhöhen. Die Grund⸗ rentenablösungsschuld bezifferte sich Ende 1375 auf 102,598, 1251. und wird Ende 1376 auf 102,186, 125 Fl. fich vermindern. Der Gesammtaufwand für Verzinsung der Staatsschuld nach Abzug der eigenen Einnahmen für diesen Zweck beträgt 33,780,996 h und der für Schuldentilgung 3,781,515 6, demnach ist das volle Erforderniß für Verzinsung und Tilgung jährlich 37,562, 513 . — Der Antrag auf Erbauung einer Gisenbahn von Aschaffen⸗ burg nach Gelnhausen wurde dem allgemeinen Eisenbahnausschuß übergeben.
— 9. Juni. (W. T. B.) Die Abgeordneten kammer genehmigte in ihrer heutigen Sitzung einstimmig den Etat des Königlichen Hauses und Hofes nach den Ausschuß⸗ anträgen. Die Civilliste des Königs wurde damit auf 4,231,044 M festgesetzt, also um 201,475 M1 erhöht.
Sachsen. Dresden, 8. Juni. (Dresd. 3.) Die Zweite Kammer nahm in ihrer gestrigen Abendsitzung eine Anzahl Berichte ihrer Finanzdeputation (Abth. A) Über abweichende Beschlüsse der Ersten Kammer zu mehreren Abtheilungen des Budgets entgegen und stimmte den Deputationsanträgen allent⸗ halben bei. Die bezüglich des Gesetzes über die Landesimmo— biliar⸗Brandversicherungsanstalt im Vereinigungsverfahren verein⸗ barten, von der Ersten Kammer bereits genehmigten Anträge wurden angenommen, worauf Staats ⸗Minister v. Nostitz⸗Wallwitz, ebenso wie früher in der Ersten Kammer, dem Wunsche der Königlichen Staatsregierung Ausdruck gab, daß die Kammer, die von ihr in den ständischen Ausschuß für die gedachte Anstalt zu vollziehenden Wahlen unerwartet der Promulgation des Gesetzes vornehmen möge. Die bezüglich des Gesetzentwurfes über das Mobiliar⸗ und Privatversicherungswesen vorhandenen Differenzen wurden durch Beitritt zu den jenseitigen Beschlüssen erledigt. Hierauf genehmigte die Kammer die §§. 30— 335 des Gesetzentwurfes über die höheren Unterrichtsanstalten mit einigen Abän⸗ derungen der von der Ersten Kammer gefaßten Be⸗ schlüsse und hierauf einstimmig das ganze Gesetz. Die zu Vollendung der Elbstromkorrektion und Regulirung der Elb⸗ ufer innerhalb Dresdens unter Pos. 15 des außerordentlichen Budgets geforderten 600 000 „M wurden bewilligt, ebenso nach kurzer Debatte weiter geforderte 3,000, 000 MS zur Fortführung der Dresdener Militärbauten. Zum Schluß wurde der Gesetz⸗ entwurf, betreffend Abänderung einiger Bestimmungen der revi⸗ dirten Strafprozeß'ordnung in der von der Ersten Kammer be— schlossenen Fassung mit einem vom Abg. Dr. Schaffrath bean⸗ tragten Zusatze genehmigt.
In ihrer heutigen Sitzung erledigte die Kammer mehrere bezüglich des Etats des Ministeriums des Innern mit der Ersten Kammer bestehende Differenzen durch Beitritt zu den jenseitigen Beschlüssen, während in anderen Punkten die diesseitigen Be⸗ schlüsse aufrecht erhalten wurden, und trat sodann ein in die Berathung derjenigen Petitionen, welche sich auf Herstellung von Eisenbahnen auf Staatskosten, sowie um Errichtung bez. Erweiterung von Stationsanlagen beziehen. Zur Aus—⸗ führung in der jetzigen Finanzperiode als normalspurige Se⸗ kundärbahn wurde empfohlen die Linie Pirna⸗Berggießhübel, zur Ausführung in der nächsten Periode, ebenfalls als normal⸗ spurige Sekundärbahn, die Linie Geithain⸗Lausigk-⸗Liebertwolkwitz⸗ Leipzig. Zur Erwägung wurden der Regierung empfohlen Petitionen um Ausführung der Linie Großbauchlitz⸗Dahlen bez. . zur Kenntnißnahme solche um Erbauung der Müglitz⸗ thalbahn.
Sessen. Darm t adt, 7. Juni. Die Großherzogliche Re⸗ gierung hat an die Zweite Kammer einen Gesetzentwurf ge— langen lassen, wonach das Finanzgesetz jür das zweite Se⸗ mester dieses Jahres prorogirt werden soll. Zur Berathung dieses Gesetzes im Finanzausschuß ist eine Sitzung auf den 12. d. M. vor der ersten Plenarversammlung anberaumt. Da es, dem Frkf. J.“ zufolge, unmöglich erscheint, noch in diesem Monat das neue Finanzgesetz durch die beiden Kammern zu bringen, so unterliege die Annahme des Entwurfs wohl keinem Anstand.
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 8. Juni. Der Kaiser hat mit Allerhöchster Entschließung vom 1. d. M. die auf den Abt von St. Peter, Dr. Albert Eder, gefallene Wahl des Metropolitankapitels zum Erzbischofe von Salzburg ge⸗ nehmigt. — Die heutige „Wien. 3.“ publizirt die Ernennungen für den Verwaltungsgerichts hof. Zum Präsidenten des neuen Gerichtshofes wurde der bisherige Sektions⸗Chef im Ministerium des Innern, Freiherr von Staehlin, zum Staats⸗ präsidenten der bisherige Sektions⸗Chef im Finanz⸗Ministerium, Dr. Fierlinger, ernannt.
— Die Verhandlungen der österreichisch⸗ungarischen Zollkonferenz nehmen, wie gemeldet wird, einen derart be⸗ friedigenden Fortgang, daß die Dauer derselben eine kürzere sein dürfte, als ursprünglich angenommen wurde. Eine desto längere Berathungsfrist prognostizirt man der detaillirten Fest⸗ stellung der übrigen Ausgleich svorlagen, nementlich der Bankfrage, bezüglich welcher noch eine ganze Reihe von Einzelbestimmungen zu regeln ist.
Pest, 7. Juni. Das Amtsblatt veröffentlicht den wegen Umrechnung in Brutto verzögerten Staats kassenausweis vom ersten Quartal 1876 mit folgendem Ergebnisse: Gin⸗ nahmen 4,298,254 Fl. (?, also um 295.5636 weniger als im ersten Quartale 1875, wobei jedoch die Einnahmen aus den neuen Steuern noch nicht fühlbar sind und trotz der schlechten Zeiten die direkten Steuern eine Zunahme zeigen. Ausgaben 73,053,274 Fl., demnach um 4,602,430 Fl. mehr als im ersten Quartale 1875, wobei jedoch 5,077,881 Fl. theils als Nach⸗ zahlungen pro 1875, theils als Vorauszahlungen für das zweite Quartal figuriren.
l — Die General⸗Kongregation des Pester Comi⸗ tates beschloß heute, nach einer sehr regen zweitägigen Debatte, an den Reichstag eine Petition zu richten, dahin gehend, daß derselbe die Regierung auffordern möge, bestrebt zu sein, einen besseren Ausgleich zu erwirken und, wo nöthig, auch durch Errichtung eines selbständigen Zollgebietes die Landes⸗ interessen zu wahren.
— Der „Hon“ meldet aus Wien, daß die Zollkonferenz außer der detaillirten Ausarbeitung des Zolltarifs auch den definitiven Tezt des Zoll⸗ und Handelsbündnisses redigiren soll; ferner wird die Konferenz ein übereinstimmendes Vorgehen beider Regierungen bei der Erneuerung der gekündigten Handelsvertraͤge mit England, Frankreich und Italien fixiren. In der ersten Sitzung wurden die Posten: Kolonialwaaren und Südfrüchte erledigt; als Verhandlungs⸗Substrat dient der im vorigen September postenweise festgestellte aber nicht definitiv redigirte Tarif.
Schweiz. Olten, 8. Juni. (W. T. B.) Der Professor Herzog von Bern ist heute Mittag feierlich zum altkatholischen Bischof proklamirt worden. Die Seitens Basels gestellten Reform⸗ anträge in Betreff der Aufhebung des Cölibats und des Beichtzwanges wurden prinzipiell unverändert, jedoch in theilweise neuer Fassung angenommen, und erfolgte darauf der Schluß der altkatholischen Nationalsynode.
Niederlande. Haag, 3. Juni. Die Zweite Kammer der Generalstaaten hat soeben ein weiteres zwischen dem Staat und der katholischen Kirche bestehendes Band gelöst. Ein französisches Dekret vom 30. Dezember 1809 setzte nämlich die sogenannten fabriques d'sglise ein. Das nunmehr mit 36 gegen 29 Sitnmen angenommene Gesetz überweist dagegen den dazu durch die kirchliche Macht bezeichneten Behörden die Verwaltung der kirchlichen Güter. Kraft des betreffenden Dekrets hatte die gemeindliche Behörde den Spitzen der Geistlichkeit Wohnungen unentgeltlich zu verschaffen oder denselben eine entsprechende Ent⸗ schädigung zu leisten. Damit aber diese Verhältnisse nicht mit einem Schlage umgestoßen werden, enthält das neue Gesetz die Uebergangsbestimmung: „Diese Unterstützungen müssen noch während einer zehnjährigen Frist in Kraft bleiben.“
— Die amtliche Zeitung brachte kürzlich die Mittheilung aus Atschin: der Befehlshaber habe drei Kolonnen augrücken lassen, um den Feind aus den 9 Mukim zu vertreiben und die 15 Mukim von den 22 Mukim abzuschließen. Das Kolonial⸗ Amt zeigt nun an, daß diese Operationen gelungen sind, ohne daß die Kolonial⸗Armee Verluste zu verzeichnen hatte oder er⸗ heblichem Widerstand begegnete. Zu gleicher Zeit sind auch briefliche, bis zum 22. April I. J. reichende, Nachrichten aus Batavia eingelaufen. Die darin enthaltenen Mit⸗ theilungen über die Operationen in Atschin sind aber längst durch die amtlichen Drahtberichte überholt. Nur geht aus dem „Bataviaasch Handelsblad“ hervor, daß einige Mann⸗ schaften, welche beauftragt waren, nach der irdischen Hülle des früher in Atschin verstorbenen italienischen Generals Bixio zu forschen, von einer Bande Atschinesen überfallen und größten⸗ theils niedergemetzelt wurden. Die Soldaten hatten bereits den Kessel, in welchem die Leiche früher zur Erde bestattet wurde, nebst einigen Menschenknochen, aufgefunden. Ein Bataillon rückte unmittelbar nach den 6 Mukim aus, in welchen der An⸗ fall ftattfand, der auf Rechnung von Marodeuren gestellt wird.
Belgien. Brüssel, 5. Juni. Zu den Wahlen, welche am 13. in den Provinzen Antwerpen, Brabant, West⸗Flandern, Namur und Luxemburg stattfinden sollen, wird eifrig gerüstet. Das Verhältniß der Parteien stellt sich statistisch folgender⸗ maßen dar: die 124 Mitglieder der Abgeordnetenkammer vertheilen sich gegenwärtig in 69 Klerikale und 55 Liberale, die ministe⸗ rielle Mehrheit beträgt also nur 14 Stimmen. Die Wahl. umfaßt 63 Abgeordnete, wovon 43 Ministerielle und 20 Oppo⸗ nenten. — Die Rückkehr des Königs aus London, sowie die des Grafen und der Gräfin von Flandern aus Paris, wird im Laufe dieser Woche erwartet.
Großbritannien und Irland. London, 7. Juni. Der König der Belgier reiste gestern von hier nach Schottland ab, um der Königin zu Balm oral einen Besuch abzustatten.
— Der telegraphisch bereits erwähnte Artikel der „Times“ über die Haltung Großbritanniens in der orientalischen Frage lautet in seinen Schlußsätzen wie folgt:
„Die europäischen Nationen, selbst diejenigen, welche auf Rußlands aggressive Politik als die größte Gefahr sehen, schrecken vor dem Gedanken zurück, sich durch die Aufrecht⸗ haltung einer solchen Herrschaft zu kompromittiren, wie sie bis zu unseren Tagen in der Türkei waltet. Europa ist sich bewußt, daß selbst, wenn die gegenwärtigen Gefahren durch die Diplomatie vermieden werden können, die ganze Ange⸗ legenheit wahrscheinlich in wenigen Jahren wieder auftauchen wird mit noch geringerer Wahrscheinlichkeit für die Aufrechthal⸗ tung türkischer Unabhängigkeit. In dem englischen Volke hat sich in den letzten Tagen ein sehr ernstes Gefühl entwickelt, der Entschluß steht fest, daß Rußland nicht ungestraft den Vertrag von 1856 zerreißen und seine durch den Krimkrieg unterbrochene Eroberungspolitik wieder aufnehmen soll; aber auf der anderen Seite existirt eine tiefe Ueberzeugung, daß uns kein selbstsüch⸗ tiges Interesse, keine sogenannten staatsmännischen Traditionen dazu bringen dürfen, über die Grundsätze der Gerechtigkeit und Menschlichkeit hinwegzusehen. Ideen werden schließlich immer über Interessen den Sieg davontragen, und wenn Ruß⸗ land mit all seinem Ehrgeiz der Vorkämpfer der Christen in ihrem Streben nach Freiheit und Civilisation ist, so muß es jeder Macht gegenüber, die ihren eigenen Vortheil in die Unterdrückung und Erniedrigung von Millionen von Menschen setzt, als ein furchtbarer Gegner erscheinen. Eine Regierung, welche dieses Gefühl der Pforte nicht mittheilt, würde nur sehr unvollkommen das englische oder französische oder italienische Volk repräsentiren. Wir unter⸗ stellen daher, daß diese Ueberzeugung zum Ausdruck kommen wird und daß die Regierung des neuen Sultans wird verstän⸗ digt werden, eine radikalere Umwandlung, als sie irgend bis jetzt vorgenommen wurde, sei die einzige Aussicht auf Rettung. Die letzte Revolution hat einen Aufschub gegeben, der vielleicht niemals sich wiederholen wird.“
— Das Kanalgeschwader ist in Gibraltar angekommen und wird vorläufig dort in Reserve bleiben, um sich nöthigen⸗ falls sofort mit dem Mittelmeergeschwader vereinigen zu können. Es besteht aus den Panzerschiffen Minotaur“ (das Flaggen⸗ schiff des kommandirenden Contre ⸗Admirals Beauchamp Sey⸗ mour), Resistance“, Iron Duke“, „Hektor“ und „Black Prince“ und dem Avisodampfer „Helicon“. Das Panzerschiff „Achilles“, welches gegenwärtig noch zu Devonport im Dock liegt, wird in den nächsten Tagen seetüchtig sein und baldigst zum Kanalgeschwader stoßen.
Auch der gewaltige „Thunderer! geht der Vollendung seiner
Tonnen schweren Geschütze bestimmt,
Ausrüstung rasch entgegen. Dreihundert und fünfzig Tonnen Muni⸗ sson wurden gestern zu Woolwich nach Gibraltar und Malta verschifft. Dieselbe ist hauptsächlich für die großen 18 und 25 mit denen die Mittelmeer⸗ festungen in letzter Zeit armirt worden find.
— Großbritanniens Staatseinnahmen vom 1. April bis 3. Juni d. J. betrugen amtlichen Ausweisen zufolge 13 889,499 Pfd. Sterl. gegen 14003, 097 Pfd. Sterl. in dem enisprechenden Zeitraum des vorhergehenden Finanzjahres. Die Ausgaben in der angegebenen Zeit beliefen sich auf 13,709, 352 Pfd. Sterl. gegen 14,083,189 Pfd. Sterl. in 1875. Das Gut⸗ haben des Staatsschatzes in der Bank von England betrug am 3. Juni 4. 802,935 Pfd. Sterl.
— Der „Times“ wird aus Rangun gemeldet, daß die Herren Grosvenor, Baber und Davenport am Montag von Mandalay in Rangun angekommen sind, um sofort nach Simla weiterzureisen und dem Vizekönig Bericht über ihre Expedition zu erstatten. .
— 8. Juni. (W. T. B.) Die in dem Mausoleum der Familie Srleans in Wegbridge beigesetzt gewesenen 10 Särge mit den Ueberresten Louis Philipps und seiner FJamilienangehörigen wurden heute, Vormittag vom Grafen von Paris nach Honfleur übergeführt.
Frankreich. Paris, 7. Juni. Das amtliche Blatt ver⸗
öffentlicht heut wieder die Ernennung von 5 Maires und
10 Adjunkten. .
— Der Großfürst und die Großfürstin Michael von Rußland sind, von Ems kommend, hier eingetroffen.
— Betreffs der Ueberführung der Königlichen Säxnge schreibt die ‚Ag. Hav.“: „Der König Ludwig Philipp und die Königin Marie Amalie, die auf fremder Erde gestorben, hatten oft den Wunsch ausgedrückt, in Frankreich beerdigt zu werden, mitten unter den Ihrigen, in der Trauerkapelle von Dreux, wo sie bei ihren Lebzeiten ihre Grabstätten hatten errichten lassen. fil ichen Reste des Königs und der Königin, der Herzogin von Orleans, der Herzogin von Aumale und des Prinzen von Condé, die gleichfalls im Exil gestorben und in England in den Gewölben der Katholischen Kirche von Weybridge beigesetzt sind, werden gleichfalls nach Dreuz zurückgebracht werden. Der Graf von Paris hat sich nach England be⸗ geben, um die Leichen seiner Verwandten zu ihrer letzten RKuhestätte zu begleiten. Die nöthige Erlaubniß ist vom Mar- schall⸗Präsidenten erbeten und sofort ertheilt worden. Die Ab⸗ sicht der Prinzen von Orleans ist, daß die Erfüllung dieser frommen Familienpflicht einen durchaus privaten Charakter be⸗ halte; sie haben daher auch ihre ältesten und treueßten Freunde gebeten, ihnen allein die Erfüllung der Pflicht zu überlassen. Die Ausschiffung wicd des Abends stattfinden; der Trauerzug wird in Dreuz ankommen, wo zwei getrennte Ceremonien statt⸗ sinden werden, die durch die Verschiedenheit der Religion nöthig geworden, da die Herzogin von Orleans protestantisch war. Niemand wird zur Feier zugelassen werden“. ;
Versailles, 8. Juni. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Deputirtenkamm er wurde der Antrag Naquets auf Aufhebung des s. 3. auf den Antrag Dufaure's beschlofsenen Hesetzentwurfs, betreffend die Jury, abgelehnt. Zu der gegen den Deputirten Rou vier wegen Vergehens gegen die Sittlichkeit beantragten gerichtlichen Verfolgung wurde die Genehmigung ertheilt, nachdem Rouvier selbst sich für die Ertheilung der Genehmigung ausgesprochen hatte.
Italien. Rom, 5. Juni. Der „Diritto“ bringt folgenden Artikel: „Die Ereignisse, welche sich im Driente entwickeln, ändern nichts an der Politik Ita— liens, welches nach wie vor ein Element der Ordnung bleiben wird, da die Regierung sich die Aufgabe gestellt hat, zur bestmöglichen, friedlichen Lösung der schwebenden Fragen nach Kräften mitzuwirken. Natürlich hat Italien, um seinen Worten im Völkerrathe Gewicht zu geben und um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein, wie alle anderen Staaten nach dem deutsch⸗französischen Kriege gethan haben, auch sene Vertheidigungskräfte in Bereitschaft zu setzen ge— sucht. Heute zählt die italienijche Armee bereits 435,909 Mann, welche bereits ein bis fünf Jahre gedient haben, 340 009 erster und gö, 000 zweiter Kategorie. Rechnet man dazu noch 000 Mann, welche bereits seit 6 Monaten einexerzirt werden, so haben wir 325,000 Mann erster Kategorie, ungerechnet 265,000 Mann zweiter Kategorie von 50 Tagen Dienstzeit, welche als Ersatzmannschaften dienen sollen, und alle diejenigen, welche noch gar nicht exerziert haben. Italien kann daher mit Abzug der Truppen, welche für den Dienst im Innern bestimmt sind, ein Heer von 300, 006 mit einer Ergänzungsmannschaft von 185,000 in erster Linie aufstellen und mit Abzug aller, die bei der Einberufung verloren gehen, ein Heer von S5, 900 Mann mit 80 000 Ersatzmannschaften in zweiter Linie, zusammen 50000 Mann. Am Ende der zweiten Woche, vom Tage der Fonzentrirung und Mobilmachung an gerechnet, die bei unserer Heeres verfassung zusammenfallen, werden die 300, 900 Mann in erster Linie in großen taktischen Massen und mit allem Kriegs⸗ material versehen, kampfbereit dastehen. Die Infanterie dieses Heeres ist durchgängig mit dem neuen Vetterli. Hinterlader kleinen Kalibers bewaffnet. Die leichten Batterien der Feld⸗Artillerie haben alle die neuen 7 Centi. und 5 Millimeter ⸗Hinterlader und die schweren bekommen von? Monaten an die ganz neuen 8 Centi⸗ und Millimeter⸗Hinterlader von Krupp. Die ganze Kavallerie ist neu bewaffnet und zwar die eine Hälfte mit Lanzen und den neuen Chamelot⸗-Delvigne⸗Rotationspiftolen und die andere mit Säbeln und neuen Vetterli⸗Kearabinern, die von hinten geladen werden. Für den Fall, der hoffentlich nicht sobald eintreten wird, daß Italien ein Expeditions⸗ Corps stellen müßte, lann es 100—– 150000 Mann binnen 14 Tagen, mit allem Kriegsmaterial versehen, zu diesem Zwecke aufbringen. Obgleich unsere, durch ganz neue Gesetze erst eingeführte heeresreorganisation noch nicht ganz fertig ist und unsere Vertheidigungsmaßregeln noch nicht ganz durchgeführt sind, so Können wir immerhin fagen, daß wir durch keine Er⸗ eignisse mehr überrascht werden können, und daß Italien mit jtößter Beruhigung zur Erhaltung des Friedens mit eintreten ann. Was aber die Flotte betrifft, so hat Italien gegenwärtig 14 Panzerschiffe, von denen 6 bereits ausgerüstet sind, welche das per⸗ manente Mittelmeergeschwader bilden, binnen 24 Stunden ausge⸗ rüstet werden können und 4 erst einiger Reparaturen bedürfen. Ferner hat Italien 7 Kanonenboote: 3 außerhalb des Mittelmeeres, 2 im Mittelmeere und 2 zur Ausrüstung fertige; ferner 9 hölzerne Feegatten oder Korvetten, 2 außer dem Mittelmeer, 3 im Mittelmeer, 2, die binnen 24 Stunden und noch 2, die auch in sehr kurzer Zeit ausgerüstet werden könnten; ferner 6 Aviso⸗ dampfer, von denen? 3 ausgerüstet sind, 1 in 24 Stunden fertig gestellt werden kann und 2 in etwas längerer Zeit;
Dieser Wunsch geht seiner Erfüllung entgegen; die
ferner 6 Transyportschiffe, von denen die 3 größten ausgerüstet, s
1 auf einer Mission im Ausland, und 2 zur Ausrüstung fertig daliegen; ferner 18 kleinere Kriegsschiffe, von denen eines im Auslande, 3 im Mittelländischen Meere und 14 zur Ausrüstung fertig daliegen. Die Bemannung der Flotte besteht aus 8115 Mann, von denen 7483 auf Schiffen im Mittelmeer, 632 auf solchen auf fremden Meeren sind. Die Bewaffnung zählt 490 Feuerschlünde, 130 schweren und 360 weniger schweren Kalibers.
— Napoletanische Zeitungen berichten, daß das Panzer⸗ geschwader sich im Meerbusen von Tarent sammeln wird, um unter dem Kommando des Admirals De Vien nach der Dal⸗ matischen Küste zu fahren. Einige Zeitungen fügen noch hinzu, daß das Geschwader, welches dieser Tage nach dem La Plata⸗ Strom auslaufen sollte, um die seit zwei Jahren dort stationirten Schiffe abzulösen, Befehl erhalten hat, bis auf Weiteres hier zu bleiben, und daß auch die in den südamerikanischen Gewässern stationirten Kriegsschiffe zur Rückkehr aufgefordert worden sind.
— Der Mailänder „Sole“ meldet: Am 22. des vorigen Monats unterzeichneten der Chef des Auswärtigen Amtes und der diplomatische Vertreter der Niederlande am italienischen Hofe ein Protokoll, wonach der am 24. November 1864 zwischen Italien und den Niederlanden abgeschlossene Handels— vertrag bis auf weitere Bestimmung fortgelten soll, und am nämlichen Tage wurde vom Chef des Auswärtigen Amtes und dem Botschafter Ihrer Majeftät der Königin von Großbritannien ein Protokoll unterzeichnet, wonach der am 6. August 1863 abgeschlossene britisch⸗italienische Handels⸗ und Schiffahrtsvertrag bis zum 30. April 1877 prolongirt worden ist.
— 8. Juni. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Deputirtenkamm er interpellirte der Deputirte Massari die Re⸗ gierung wegen der Gerüchte über außerordentliche Küstungen Italiens. Der Minister⸗Präsident Depretis erklärte in Beant⸗ wortung der Interpellation, daß diese Gerüchte unbegründet seien. Die Regierung habe, abgesehen von der durch die Ereignisse in Salonichi veranlaßten Absendung einer Schiffsdivision in die türkischen Gewässer, keinerlei andere Maßregeln wegen Erhöhung der Streitkräfte zu Lande oder zu Wasser getroffen. Depretis fügte hinzu, Niemand habe ein Recht zu dem Verdachte, daß das Ministerium eine Abenteuerpolitik treiben wolle, gleichwie Niemand ein Recht habe, eine Friedens⸗ politik um jeden Preis zu erwarten. Die Regierung werde nur mit Rücksicht auf die Interessen des Landes handeln. Italien bedürfe des Friedens und die Regierung werde danach trachten, den Frieden zu erhalten. — Der Arbeits⸗Minister, Zanardelli, gab in Beantwortung einer Anfrage des Deputirten Bertani nähere Llufschlüsse uber die geschäftliche und wirthschaftliche Lage der Gotthardbahngesellschaft und erklärte dabei, die bei dem Bahnunternehmen interessirten Regierungen hätten keinerlei Vorschläge gemacht. Das italienische Kabinet werde aber vor dem Eingehen irgend welcher neuen Verpflichtungen alle nur möglichen Garantien für alle dabei zu wahrenden Interessen und für den Ausbau des festgestellten Netzes ver⸗ langen.
Türkei. Konstantinopel, 8. Juni. (W. T. B.) Der Scheik-ul⸗-Islam hat in einem Erlaß den Softas das Tragen von Waffen und alle Zusammenrottungen auf öffent⸗ licher Straße untersagt.
— Die Regierung hat einen Befehl an die Insurgen⸗ ten und die in Oesterreich sich aufhaltenden Flüchtlinge gerichtet, der in Sergjewo in serbischer Sprache gedruckt worden ist, und
nach der „D. A. C.“ in deutscher Uebersetzung wie folgt lautet:
„Se. Majestät, unser Durchlauchtigfter und Gnädigster Kaiser und Herr erließ den Befehl, Euch Seine Kaiserliche Gnade und Sein Mitleid kundzugeben, um die Unruhen zu beseitigen, welche in Eurer Heimath wüthen, und alle diejenigen Seiner Unter—⸗ thanen vom Rnin zu retten, welche sich durch falsche und lügnerische Versprechungen von Aufwieglern betrügen ließen. Euch allen ist es bekannt, wie von Seite der Kaiserlichen Regierung zu Anfang dieser Unruhen Privilegien ertheilt wurden, und wie man gerecht vorging, damit weder das Vaterland noch ein Einzelner von Euch Schaden erleide. Doch Allez vergebens, da jenen, welche die Erfüllung ihrer Wünsche in dem Unglück ihres Vaterlandes suchen, und diejenigen unter Euch, welche den Worten solcher Leute glaubten und folgten, der milden Art und Weise, wie die Kaiserliche Regierung vorging, eine andere Deutung und Antwort mit den Waffen gab. Dieses erst gab dem Reiche, das die Ordnung herstellen wollte, die Pflicht, zu strafen und zu züchtigen. . ö. .
Ihr habt gesehen ünd erfahren, in wie weit die Ausübung dieser Pflicht seit mehr als sechs Monaten her die Ursache von Blutvergießen joar und sahet, daß die Abstcht Jener, die Euch zum Aufstand ver= leiteten, nicht die Ruhe Eures Vaterlandes ist, sondern daß sie Euch nur ins Elend fteßen, um ihre eigenen Interessen zu erreichen Ihr aber, getrennt von Eurer Famllie und Eurem Hause, selbst von Eurem Vaterlande, kommt zu Mühsal und Schaden. ;
Unser ruhmreicher Kaiser, in seinem Kaiserlichen Herzen gerührt von diesen Zuständen, nach ausgeführter Gnade heißt hiermit gut, daß auch Ihr vollkommen an den Verordnungen des gerech— ten Fermanz betheiligt werdet, welche sicher genügen, sowohl Euer Vaterland, als auch alle Einwohner desselben zufrieden zustellen, den Schaden gut zu machen, welchen die Unruhen im Ge⸗ folge hatten und noch . wichtige und hauptsächliche Ver⸗ besserungen, die Euer Vaterland erheischt, zu vollenden, um so nicht nur Eure gesetzlichen Interessen, sondern auch Fortschritt zu erlangen. Allen denen unter Euch, welche innerhalb vier Wochen von dem Tage der Veröffentlichung dieses Befehles an gerechnet, die Waffen nieder ⸗ legen und sich unterwerfen, wird die Schuld des Unzehorsams ver⸗ zichen und wird Keiner bedauern, sich die Privilegien zugänglich zu machen, welche Euer Ansiedeln, sowie das Eurer Familien erleichtern, sobald Ihr nur in Euer Vaterland zurückkehrt. 9
Es ist zu erwarten, daß Viele von Euch diesen Ausfluß höchster Kaiserlicher Gnade würdig schätzen, und wenn es auch Solche giebt, welchen das Retz des Fanatismus noch nicht von den Augzen gefallen so werden doch auch diese ihr Unrecht einsehen und auf den rechten Weg kommen. — Sollten sich aber solche Leute finden, welche es nicht ver= stehen, für so viele Kaiserlicht Gnade dankbar zu sein, und welche auch weiter standhaft in Ungehorsam verbleiben, dann wird die Kai⸗ serllche Armee ihre Pazifikation fortsetzen. Demnach werdet Ihr auf⸗ richtig ermahnt, und etz wird Euch kundgethan, daß es für Euch nolhwendig ist, Eurem gesetzlichen Kaiser Gehorsam zu erweisen, da⸗ mit der Schaden, welcher über Euer Haupt kam, gutgemacht wird, und Ihr der Ruhe des Vaterlandes dient.“
— Die „Politische Korrespondenz“ signalisirt in einem aus Belgrad vom 6. d. datirten Schreiben einen Um schwung der ferbischen Politik zu Gunsten des Friedens.
— Die Wiener „Presse“ und die „Deutsche Zeitung“ brin⸗ gen die südslavischer Quelle entstammende Meldung aus Zara, daß der Fürst von Montenegro sich weigere, die Regierung Sultan Murads anzuerkennen und daß derselbe seinen Agenten aus Konstantinopel abberufen habe. Ferner wird behauptet, Moukhtar Pascha (ein natürlicher Sohn des entthronten Sultans Abdul⸗Aziz) habe sich geweigert, die militãrischen Be⸗ wegungen nach Nikfie hin fortzusetzen. Eine Bestätigung die⸗ ser Nachrichten ist abzuwarten.
Amerika. Washington, 7. Juni. (G. C.) Der Sprecher des amerikanischen Repräsentantenhauses, Herr Kerr, hat die gegen ihn vorgebrachte Anschuldigung, als habe er ein Lieutenants⸗Patent verkauft, widerlegt und der Bericht des Aus⸗ schusses im Repräsentantenhaus wird dem entsprechend ausfallen. Wahrscheinlich wird Herr Kerr aus Gesundheitsrücksichten binnen Kurzem sein Amt niederlegen.
— 8. Juni. (W. T. B.) Die Einnahmen des am 30. d. M. zu Ende gehenden Finanzjahres dürften nach einer halbamtlichen Mittheilung etwa um 11 Millionen, die Ausgaben etwa um 5 Millionen hinter den budgetmäßigen Ziffern zurückbleiben.
— Die Kepublik Chili hat den Frauen das poli⸗ tische Stimmrecht verliehen. Sie ist der erste Staat, welcher sich zu diesem Schritt verstrht. Für beide Geschlechter ist das einzige Erforderniß, um stimmberechtigt zu sein, daß der oder die Betreffende im Besitze der Volljährigkeit, so wie der Fähig- keit zu lesen und zu schreiben ist.
Die Nr. 43 des „Bmtsblatts der Deutschen Reich s⸗ Post⸗ und Telegraphenverwaltung“ hat folgenden Inhalt: Verfügungen: Vom 3. Juni: Kassen. und Rechnungswesen bei den Verkehrsanstalten. Vom 1. Juni: Fahrpostverkehr mit Großbri⸗ tannien und Irland. Vom 2. Juni: Taxmaterial für Postagenturen. Vom 2. Juni: Verbot des Verkaufs der Freimarken zu 2 6
— Nr. II des Archivs fũr Post und Tele graphie (Beiheft zum Amtsblatt der Deutschen Reichs Post und Telegraphenverwal— tung) hat folgenden Inhalt: J. Aktenstücke und Aufsätze: Störungen des Telegraphenbetriebes durch den Bruch der Eisenbahnbrüce bei Riesa und durch Zerreißen des Elbkabels bei Schandau im Febri 1876. Zur Geschichte des Nürnberger Postbotenwesens. Zu Charakteristik des kleinstaatlichen Postwesens im vorigen Jahrhundert. Die Fortführung der St. Gotthardbahn. Entwickelung der Biele— felder Leinenindustrie. Der Hafen von Liverpool. — II. Kleine Mittheilungen: Das Poststammbuch. Zum Gerichtsstande der Post— verwaltung. Poft und Telegraphie in Brastlien. Die nenesten Ent deckungsreisen in Neu⸗Guineag. — III. Zeitschriften⸗Ueberschau.
— Nr. 21 des „Justiz⸗Ministerial⸗ Blattes“ hat folgen⸗ den Inhalt: Allgemeine Verfügung vom 6. Juni 1876, ketreffend die Behandlung nachgemachter und verfälschter, sowie beschädigter und unbrauchbar gewordener Reichs kassenscheine.
Neichstags⸗Angelegenheiten.
Berlin, 9. Juni. In der gestrigen Sitzung der Justizkom⸗ mifsion des Deutschen Reichstages wurden die Abjschnüte der Stiafprozeß Ordnung über Beschlagnahme, Durch suchung und Untersuchung shaft bis §. 110 berathen. Im 5§. 8s wurde auf den Antrag des Abg. Miquel der Abs. 3, nach welchem die Zwangshaft gegen Personen, welche Beweisstücke im Gewahrsam haben und ihre Herausgabe verweigern, aufhört, wenn der Gegenftand bei einer Durchsuchung gefunden wird oder anderweit an die Behörde gelangt — gestrichen. Eine sehr eingehende Diskussion entspann sich über die Frage, welcher Behörde die Anordnung von Beschlagnahmen und Durchsuchungen zusteht. Die Kommission hatte in erster Lesung unter Abänderung der Bundesvorlage beschlossen, daß die An— ordnung von Beschlagnahmen und Durchsuchungen dem Richter zusteht, bei Gefahr im Verzuge auch der Staatsanwaltschaft und den Beamten der gerichtlichen Polizei. Ein Antrag auf Wieder herstellung der Bundesvotlage, nach welcher die Beschlagnahme und Durchsuchung auch den Polizei und Sicherheitsbeamten zusteht, wurde abgelehnt. Andererseitz wurde mit Rücksicht auf die Behörden Organisation die Schwierigkeit des Kommissionsbeschlusses anerkannt und deshalb auf Antrag des Abg. Gneist an Stelle der Kom— misstonsbeschlüsse in erster Lesung angenommen, daß die Anordnung von Beschlagnahmen und Durchsuchungen dem Richter, bei Gefahr im Verzuge auch der Staatsanwaltschaft und den ihr untergeord— neten Beamten des Polizei⸗ und Sicherheittdienstes zusteht. Die Beschlagnahme von Briefen und anderen Postsendungen, sowie von Telegrammen ist nach dem Kommissionsbeschluß in erster Lesung (§. 90, 2), entgezen der Bundesvorlage, unbedingt unzuläͤssig, wenn die Untersuchung nur eine Uebertretung betrifft. Ein Antrag des Abg. Pruckmann auf Streichung dieser Bestimmung wurde abgelehnt, dagegen ein Antrag des Abg. Hauck auf Beschrãn⸗ kung der Unzulaͤssigkeit auf verschlossene Postbriefe und auf Tele⸗ gramme angenommen. In Beziehung auf die Durchsuchung einer Wohnung wurde 8. 966, 2 folgendermaßen formulirt: „Wenn eine Durchsuchung der Wohnung, der Geschäftsräume oder des befriedeten Besitzihums ohne Beisein des Richters stattfiadet, so sind, wenn dies möglich, ein Gemeindebeamter oder zwei Mitglieder der Gemeinde, in deren Bezirk die Durchsuchung erfolgt, zuzuziehen. Die als Ge— meindemitglieder zuzuziehenden Personen dürfen nicht Polizei⸗ oder Sicherheitsbeamte sein. In Beziehung auf die Durch— sicht der Papiere des von der Durchsuchung Betroffenen (8. 99) wurde der Antrgg des Abg. Herz angenommen, wonach vie— selbe dem Richter überall zusteht; andere Personen sind nur mit Ge— nehmigung des Inhabers zur Durchsicht befugt. .
Nach dem Abschnitt über Beschlagnahme gelangte die Kom⸗ mission zur Berathung des Abschnittes über Verhaftung und vor— läufige Feftnabme. Nach der Bundesvorlage kann der Ungeschul— digte in Untersuchungshaft genommen werden, wenn gegen ihn hin—⸗ reichende Verdachtegründe vorliegen 1c, während die Kommission in erster Lesung beschlossen hatte, daß die Festnahme nur erfolgen dürfe, wean dringende Verdachtsgründe gegen den Angeschuldigten vorhanden sind. Gegenüber der Erklärung der Bundeskommissare für Wiederherstellnng der Bundesvorlage hielt die Kommission ihren Beschluß in 1. Lesung aufrecht. Dagegen wurde im Weiteren ein der Bundesvorlage sich annähernder Antrag des Abg. Struckmann genehmigt und demzufolge dem 5§. 101 folgende Faffung gegeben; „Der Angeschuldigte darf nur dann in Untersuchungshaft genommen werden, wenn dringende Verdachtsgründe gegen ihn vorhanden sind, und entweder er der Flucht verdaͤchtig ist oder Thatsachen vorliegen, aus denen zu schli⸗ßen ist, daß er Spuren der, That her= nichten oder daß er Zeugen oder Mitschuldige zu einer salscken Aussage oder Zeugen dazu verleiten werde, sich der Zeugn: pflicht zu entziehen. Diese Thatsachen sind offenkundig zu machen; Den „105, 1 wurde folgende Fassung gegeben. „Der. Verhast in, soweit möglich, von Anderen gesondert, und keinenfalls wider seinen Wilken in demselben Raume nit Strafgefangenen, der. wahrt werden.“ Im Uebrigen wurde 58. 195 nach den Veschlůßen in erster Lesung, welche die Unannehmlichkeiten der Untersuchungẽhaft möglichst za mildern bezwecken, von Neuem genehmigt.
Landtags ⸗ Angelegenheiten.
Dem Hause der Abgeordneten liegen nach dem soeben aus · gegebenen Verzeichniß folgende noch nicht erledigte Vor⸗ ,. erm gg vorlagen. ) Uebersicht von den Sta atseinnahmen und Ausgaben des Jahres 1874. 2) Uebersicht über den Fortgang des Baaez und die Ergebnisse des Betriebes der Staatzeisenbahnen in den Jähren 1375 und 1874. In der Bud zetkommission) 3) Entwurf einer Wegeordnung. In der XII. Kommisston für den Gesetzentwurf über die Zuftändigkeit der Verwaltungs- und Verwaltungsgerichlsben rden.)
„ Üebersicht über die Verwaltung der fiskglischen Berzwerke, Hätten
und Salinen im preußischen Staate im Jahre 1874. Kommissions⸗ bericht. 5) Uebersicht üher den Fortgang und Stand der Staate
Eifenbahnbauten im Jahre 1875, (In der Budgetkonnnisston) 6) Allgemeine Rechnung über den Staatshanehalt dez Jahres 1855.