des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Camphausen, der Minister des Innern, Graf zu Eulenburg und der Justiz⸗ k Dr. Leonhardt, sowie mehrere Regierungs⸗Kommissa⸗ rien bei.
Das Haus trat sofort in die Tagesordnung, deren einziger Gegenstand die Fortsetzung der Berathung des Stä dteord⸗ nungs-⸗Entwurfs war. Die Debatte begann bei §. 15, den die Kommission in folgender Fassung zur Annahme empfahl:
„Das Bürgerrecht (6. 19) steht jedem männlichen Gemeindeange— hörigen zu, der gleichzeitig
2. dem Deutschen Reiche angehört,
b. die bürgerlichen Ehrenrechte hesitzz;, ; ;
C. das vierundzwanzigste Lebensjahr zurückgelegt und seit zwei Jahren, ohne öffentliche Armenunterstützung zu beziehen in der Stadtgemeinde seinen Wohnsitz hat, und
d. zur tlafsifizirten Einkommensteuer oder zur Klassensteuer mit dem Stufenfatze von mindestens sechs Mark veranlagt ist. Wo der Besitz des Bürgerrechts bieher von der Veranlagung zu einem höheren Klassensteuerstufensatze abhängig war, kann derselbe mittelst ortsstatutarischer Bestimmung bis zum Betrage von zwölf Mark beibehalten werden.
Durch Ortsstatut kann bestimmt werden, daß das Bürger ⸗ recht auch solchen männlichen Gemeinde ⸗ Angehörigen zustehen soll, die im Stadtbezirke ein Wohnhaus als Eigenthümer oder Nieß= braucher besitzen, sofern bei ihnen die unter a. bis e. erwãhnten Erfordernisse zutreffen. ö
Das Erforderniß des zweijährigen Wohnfitzes kann auf An— trag der Betheiligten durch Geineindebeschluß erlassen werden.“
Hierzu beantragten:
1) Herr Becker (Dortmund): in dem ersten Alinea der Po⸗ sttion d. die Worte „mit dem Stufensatze von mindestens sechs Mark“ zu streichen;
2) Herr v. Kleist⸗Retzow, den zweiten Satz der Po⸗ sttion d. zu fassen: „der Besttz des Bürgerrechts kann mit orts⸗ statutarischer Bestimmung von einem Klassenfteuerstufensatz bis zum Betrage von 12 Mark abhängig gemacht werden.“
Zu diesem Antrage hatte Herr v. Kleist noch das Unter⸗ amendement gestellt, in seinem Antrage resp. in der Fassung des Kommisstonsantrages statt der Worte 12 66 zu setzen 18 6 An der Diskussion betheiligten sich die Herren Becker (Bortmund), Brüning, Dietze, v. Thaden, Gobbin, Bredt, Rasch, v. Kleist, v. Forckenbeck und Mepissen. Auch der Minister des Innern Graf zu Eulenburg fand sich veranlaßt, in die Debatte einzugreifen.
Bei der Abstimmung wurde der eventuelle Antrag von Kleist und der Antrag Becker (Dortmund) verworfen, der An⸗ trag des Hrn. v. Kleist zu Alinea 2 aber angenommen und mik diesem Antrage der §. 15 in der Fassung der Kommission mit 69 gegen 15 Stimmen angenommen.
Die §§. 16 bis 23 wurden bis zum Schlusse des Blatts ohne wesentliche Debatte nach den Anträgen der Kommisston genehmigt.
— Im weiteren Verlaufe der gestrigen Sitzung des Hauses der Abgeordneten gelangte die Petition des Reichstags⸗ abgeordneten Moritz Wiggers zur Berathung. Derselbe kittet
das Haus, seine bezüglich der Ausführung des projektirten Rostock-Berliner Schiffahrtskanal gestellten Anträge dem Handels ⸗Minister zur Berücksichtigung zu überweisen und denselben zu veranlassen, sich wegen des in Rede stehenden Kanalprojektes mit beiden mecklenburgischen ö dar⸗
über zu verständigen, in welcher Weise und unter welchen Vor⸗ aussetzungen das geplante Unternehmen durch Staatsmittel zu unterstützen sei.
Der Referent Abg. Berger beantragte Namens der Budget⸗ kommission die Petition der Königlichen Staatsregierung mit der Aufforderung zu überweisen, eine technische und wirthschaft⸗ liche Prüfung des Berlin⸗Rostocker Kanals vorzunehmen. Der Regierungskommissar Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Homeyer wies auf die Aussichtslosigkeit des erwähnten Projektes hin und empfahl den Uebergang zur Tagesordnung. Der Handels⸗ Minister Dr. Achenbach schloß sich diesem Wunsche an, indem er sich zwar nicht absolut ablehnend dem Projekte gegenüber ver⸗ hielt, jedoch mit Rücksicht auf die Schwierigkeit, eine ausreichende finanzielle Betheiligung der Interessentenkreise zu erreichen, die An⸗ gelegenheit bis zum Eintritt günstigerer Verhältnisse zu vertagen bat. Dann wurde die Petition nach dem Antrage der Kommission der Staatsregierung mit der Aufforderung überwiesen, eine technische und wirthschaftliche Prüfung des Projeltes zu veranlassen.
Der Gemeindevorstand zu Linden bei Hannover petitionirt, die Ortschaft Linden in die 1. Servisklasse zu versetzen. Das Hausbeschloß, „die Petition der Regierung mit dem Ersuchen zu überweifen, bei den Reichsbehörden dahin zu wirken, daß der Beschwerde der Petenten Abhülfe geschafft werde.“
Die Gemeindebehörden von Niederdorfelden, im Kreise Hanau, bitten um Verwendung beim Königlichen Finanz⸗ Ministerium, daß die in ihrer Gemarkung belegenen Domanial⸗ äcker der Gemeinde käuflich oder doch für längere Zeit zur Pacht überlassen würden. Der Regierungskommissar Geheimer Ober⸗Finanz⸗Rath Dreßler erklärte, daß der Finanz⸗Minister die Absicht hege, unter bestimmten Voraussetzungen die Domanialgrundstücke der Gemeinde in Pacht zu lassen, event. dieselben zu verkaufen. Auf Antrag des Abg. Osterrath beschloß das Haus hierauf Uebergang zur Tagesordnung.
KRommunalstãndische Ausschüsse und Deichbehörden in der Provinz Hannover beantragen die Freilassung der Deiche von der Grundsteuer prinzipaliter auf Grund der bestehenden Gesetze und eventuell deren Befreiung von der Grundsteuer im Wege der Gesetzgebung. Nach dem Antrage der Agrarkommission wurden öͤlese Petitionen der Regierung zur Berüclsichtigung überwiesen mit der Anheimgabe, die Freilassung sãmmtlicher Schutzdeiche von der Grundsteuer in Erwägung zu nehmen.
Eine Reihe von Petitionen bezweckt eine Abänderung des Gesetzes von 1869 wegen Einrichtung von Elementarlehrer⸗ Wittwen⸗ und Waisenkassen und zwar in der Richtung, daß der bisherige Minimalsatz der Pensionen erhöht werde. Nach dem Antrage des Abg. Kiesel beschioß das Haus, die Petitionen der Regierung als Material für die Unterrichts gesetzgebung mit der Aufforderung zu überweisen, in Erwägung zu nehmen, ob nicht bei dem Unierrichisgesetz zugleich eine Reviston des Elementar⸗ lehrer⸗Wittwen⸗ und Waisenpenftonsgesetzes vom 22. Dezember 1869 eintreten könne, insbesondere nach der Richtung hin, daß die Minimalsätze der Wittwenpenfton eine Erhöhung erfahren.
Die ftädtischen Behdrben von Posen, Stralsund, Branden— burg, Krotoschin und Elbing bitten, die auf dem Gesetze vom 11. März 1850 beruhende Verpflichtung der Stadtbehörden zur Vergütung des bei Tumulten verursachten materiellen Schadens, namentlich in solchen Fällen, in denen die Polizeiverwaltung nicht der Stadt selbst zusteht, zu modifiziren. Bas Haus be⸗ schloß, die Petitionen der Regierung zur Berücksichtigung dahin zu überweisen, 30 dieselbe dem Landtage baldmöglichst einen Gesetzentwurf vorlege, wodurch die Unzuträglichkeiten des Ge⸗ setzes vom 11. März 1850 beseitigt werden.
Eine Petition des Verbandes deutscher Müller und Mühlen⸗ interessenten wurde, soweit sie die Abschaffung der Mahl steuer im Wege der Gesetzgebung betrifft, der Staatsregierung zur Berücksichtigung überwiesen.
Die Petition des Justiz⸗Raths Romeis zu Wiesbaden um Beschleunigung der Unstrutregulirung von Brettleben bis Rebra, wurde durch üebergang zur Tagesordnung erledigt.
Eine große Änzahl von Mitgliedern des landwirthschaft⸗ lichen Vereins zu Tapiau bittet, bei der Regierung dahin zu wirken, daß I) den Deime und Pregel befahrenden Raddampfern die Konzession für genannte Wasserstrecke entzogen, wenigstens aber in Zukunft keine neue Konzefsion an Raddampfer ertheilt werde; Y) eventuell ein technisches Gutachten darüber eingeholt werde, ob Uferbefestigungsbauten irgend welcher Art daselbst möglich find, damit von Seiten des Staats die Sicherstellung der Ufer in Angriff genommen werden kann, wenn die sub 1 beantragte Maßregel sich als unzureichend erweisen sollte. Die Petition wurde der Regierung zur Erwägung überwiesen.
Bewohner der Provinz Schleswig⸗Holftein haben ein für sie günstiges gerichtliches Erkenntniß in Bezug auf die dort auf Grundstücken lastenden sogenannten stehenden Gefälle erstritten. Durch einen Formfehler ihrerseits ist von Seiten der Ver⸗ waltung dieses gerichtliche günstige Erkenntniß auf einen Theil ihrer Grundstücke nicht zur Ausführung gekommen. Sie bitten also, daß der durch die Lage der dortigen Gesetzgebung entschuldbare Irrthum ihnen nicht zum Nachtheil gereichen möge, vielmehr das abgegebene gerichtliche Erkenntniß auf ihr ganzes Besttzehum zur Anwendung komme. Die Kommission beantragte durch ihren Referenten Abg. Albrecht Uebergang zur Tagesord⸗ nung. Abg. Schütt wollte das Gefuch der Regierung zur Ab⸗ hülfe überweisen. Der Regierungskommissar Geheimer Ober⸗ Finanz⸗Rath Rhode bat, über die Petition zur Tagesordnung überzugehen.
Der Antrag der Kommission wurde angenommen.
Darauf vertagte sich das Haus um 45 Uhr.
— In der heutigen (2) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher am Ministertische der Handels⸗Minister Pr. Achenbach, der Minister für die landwirthschaftlichen Ange⸗ legenheiten Dr. Friedenthal und mehrere Regierungskommissarien beiwohnten, wurde ohne Debatte die Uebersicht über den Fortgang des Baues und die Ergebnisse des Betriebes der Staatseisenbahnen in den Zahren 1873 und 1874 genehmigt. Es folgte der Bericht der Budgetkommisston, betreffend die Ueberficht und den Fortgang der Staatseisenbahnbauten im Jahre 1875. Nach einem einleitenden Vorfrage des Re ; ferenten Abg. Berger (Witten) veranlaßte nur der Bahnhofsbau in Osnabrück und der eventuelle Anschluß der Bahn Osnabrück⸗ Hamm eine längere Debatte, an welcher sich außer dem Ministerial⸗Direktor Weishaupt die Abgg. Dr. Jammacher, Windi⸗ horst (Meppen), Kieschke, Miquel und Dr. Dohrn betheiligten. Im Uebrigen wurden an die einzelnen Positionen des Berichts nur kurze Bemerkungen verschiedener Abgeordneten geknüpft, welche vom Ministertische aus ihre Erwiderung fanden, und darauf nach einem Schlußworte des Referenten die Uebersicht für erledigt erklärt. Zu der allgemeinen Rechnung über den Staatshaushalt des Jahres 1873 nebst den dazu gehörigen Anlagen, einem Vorbericht und den Bemerkungen der Dber⸗ Rechnungskammer, sowie der Rechnung über die Fonds des ehemaligen Staatsschatzes für dasselbe Jahr wurbhen nach dem Antrage der Rechnungskommission, Namens welcher Abg. Strecker referirte, folgende Beschlüsse gefaßt.
J. zu erklären, daß der Vorbehalt 19 des Landtags bei Dechar⸗ girung der allgemeinen Rechnung für 1871 und der Beschluß 1. 1 des Landtags zur gleichen Rechnung für 1872 durch die Mitthei⸗ . 6h der Bemerkung Nr. 1' der Ober⸗Rechnungskammer er— edigt ist;
II. die Königliche Staatsregierung aufzufordern, dem Landtage in der nächsten Session den Entwurf zu einem Gesetz vorzulegen, durch welches in Anbetracht der eingetrẽtenen Unausführbarkeit der Bestimmung in Absatz 1 des 8. 2 des Gesetzes vom 11. Mãrz 1855 (Gesetz Samml. S. 269) die Verzinsung und Amortifation des der Meliorations⸗Sozietät der Booker Haide aus der Staats- . gewährten Barlehns von 108 000 Thlr. anderweit geordnet wird;
111. a. die in der Rechnung der Bureaukasse des Abgeordneten hauses für 1673 unter Kapitel 43 bei dem Ausgabetitel 4 zu Diäten und Fuhrkosten der Abgeordneten eingestellten Aus— gaben von zusammen 80 Thlr. 7 Sgr. 6 Pf. eisekosten and Biäten ür verstorbene Abgeordnete zu genehmigen; .
p. zu erklaren, daß in Zukunft für Abgeordnete über den Todestag derselben hinaus weder Diäten noch Reisekosten anzu⸗ weisen sind; ;
JV. a. zu e klaren, daß das Ahgeordnetenhaus mit der Anord⸗ nung des Herrn Finanz Ministers einverstanden ist, wonach Forst⸗ kassenrenbanten, welche ihre Besoldung in der Form von Tantidmen aus der Staatskasse beziehen, sofern sie ihr Amt als voll beschäfti⸗ gendes Hauptamt und nicht blos kommissarisch verwalten, Woh⸗ nungsgeldzuschuß erhalten; . 31
b' dle Königliche Staatsregierung aufzufordern, zur Besei⸗ tigung von Bedenken über diese Anordnung künftig im Etat der Forst verwaltung Kapitel 2 Titel 7 der Ausgabe eine die Besol⸗ dungeverhältniffe der Forstkassenrendanten erläuternde Bemerkung beizufügen; ;
HF. die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, der Ober⸗ Rechnungskammer die folgenden Beschluͤsse mitzutheilen:
Das Haus der Abgeordneten wünscht:
1) daß die Ober ⸗Rechnungskammer in ihren Bemerkungen zur nächsten allgemeinen Rechnung, dem Landtage die Gesichtspunkte mittheilt, von welchen ste bei Vornahme von Abänderungen in dem Verzeichniß der von ihrer regelmäßigen Prüfung ausgeschlossenen Rechnungen ausgeht; .
2) daß die Ober- Rechnungskammer auch künftig ihren Bemer- kungen in ähnlicher Weife, wie in diesem Jahre, eine summarische Zusammenstellung der sämmtlichen, von ihr aufgefundenen Ab⸗ Deichungen von Etatzggesetzen beifügt;
3) daß die Ober⸗Rechnungskammer in ihren Bemerkungen zur nächsten Rechnung darüber sich äußert: ;
a. worauf sie formell ihre Berechtigung gründet, die Ausglei⸗ chung der von ibr bei Revision der Rechnungen monirten Fonds⸗ verwechselungen von einem Jahre auf das andere anzuordnen;
b. in welcher Weise und nach welchen Grundsätzen bisher die Ausgleichung der Fond materiell ausgeführt worden ist;
Vi. bie in den Bemerkungen der Ober ⸗Rechnungskammer Nr. 667 und 66h) festgestell tn Etatgüberschreitun gen
a., in Kapitek 115 Titel 3 von 8 Thlr. 17 Sgr.,
b. in Kapitei j21 Titel 3 von 16 Thlr. 8 Sgr. 3 Pf., sowie die in den Bemerkungen der Ober ⸗Rechnungskammer Nr. 361, 436, 463, 582 und 5864 nachgewiesenen außeretats mäßigen Ausgaben:
1H in Kapitel 5 Titel 13— 16 von 66 Thlr. 12 Sgr. und 106 Thlr. 17 Sgr., ö
Y in Kapstel 66 Titel 17 von 2700 Thlr. 15 Sgr. 10 Pf.,
3) in Kapitel 76 Litel 10 von 128 Thlr.,
4) in Kapitel 99 Titel 2 ven 40 Thlr.
5s) in Kapitel 80 Titel 7 von 3655 Thlr. 21 Sgr. nachtz ich zu genehmigen; ; ;
VII. den Vorbehalt auszusprechen, daß die Königliche Staats ⸗
regierung bei Vorlegung der Rechnung für 1874 dem Landtage weitere Mittheilung macht, ob die in den Bemerkungen der Ober- Rechnungekammer Nr. 415 und 451 nachgewiesenen Auslagen für das Deutsche Reich der Preußischen Staatskasse erstattet sind;
PIII. den Vorbehalt auszusprechen, daß mit Rücksicht auf die Bemerkung der Ober- Rechnungskgmmer Rr. 432 die Königliche Staatzreglerung dem Landtage bei Vorlegung der allgemeinen Rech— nung füͤr 1874 darüber weitere Mittheilung macht, welche Zu schüsse an Kommunalverbände zur Unterhaltung von Wegen und Brücken bei der Königlichen Regierung zu Gumbinnen im Jahre 1873 ge— währt und wie dieselben verrechnet sind;
IE. den Vorbehalt auszusprechen, daß die von der preußischen Landeskommission für die Wiener Welt - Ausstel⸗ lung zum Ankaufe für kunstgewerbliche Sammlungen aus dem
Fonds der Handels., Gewerbe und. Bauverwaltung veraus= gabten 23,A500 Thlr. und die aus demselben Fonds zur Bestreitung der Kosten jener Kommission 1872 verausgabten 50 09090 Thlr. und 1873 verausgabten 109,000 Thlr. bei Gelegenheit der Rechnung für 1874 durch vollständige Spezialrechnung justifizirt werden;
X. den Vorbehalt auszusprechen, daß die Königliche Staattregierung dem Landtage bei Gelegenheit der Rechnung für I574 das Ergepniß der noch ausstehenden Ermittelungen über die in der Bemerkung der Ober Rechnungskammer Nr. 70 beanstandeten Zahlungen aus dem Patronats . Baufonds mittheilt;
XI. mit den vorstehend unter VII, VIII., IX., X. gemachten Vorbehalten die Entlastung der Königlichen Staatzregierung in Bezug auf die allgemeine Rechnung des Jahres 1873 sowie auf 6 ö des Staatsschatzes für dasselbe Jahr auszu⸗ prechen.
Beim Schluß des Blattes ging das Haus zur Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Bewilligung von Staatsmitteln zur Beseitigung der durch die Hochwasser im Frühlahr 1876 . Verheerungen und gemeingefährlichen Zustände
ber.
— Die oft unvermeidlichen Verspätungen der Eisen⸗ bahn-Personen⸗(Schnell⸗) Züge haben vielfach unlieb⸗ same Unterbrechungen der Reise durch Versäumung der Zug⸗ anschlüsse zur Folge. Um solche Fälle auf ein möglichst geringes Maß zu beschränken, sind für die Uebergangspunkte War te⸗ zeiten festgesetzt, deren Dauer sich nach den Betriebsverhält⸗ nissen der betheiligten Bahnen und nach der Bedeutung der Züge richtet. Haben Letztere eine große durchgehende Frequenz, die Anschlußzüge aber nur lokale Bedeutung, so ist die Warte⸗ zeit gewöhnlich kurz. Beispielsweise wartet der Frankfurt a. M.= Berliner Nachtschnellzug (ab Frankfurt 746 N. via Halle) in Fulda auf den Anschlußzug von Gießen nur fünf Minuten. Wo es aber irgend die Verhältnisse gestatten, namentlich wenn der Fall umgekehrt liegt, erstrecken sich die Wartezeiten bis zu einer halben Stunde und darüber.
Durchschnittlich betragen dieselben zehn bis zwanzig Mi⸗ nuten. 6
So ist die Wartezeit:
in Halle für den Personenzug 556 N. nach Magdeburg zu Gunsten des Frankfurt a. M. — Berliner Tagesschnell⸗ zuges (541 N. in Halle) auf zehn Minuten,
in Gießen für die Anschlußzüge der Oberhessischen und Cöln⸗ ö Bahn gegenseitig durchweg auf fünfzehn Mi⸗ nuten,
in Kreiensen für den gemischten Zug 3* N. nach Holz⸗ minden ꝛc., zu Gunsten des Schnellzuges von Cassel 66. Hannover 3c. (32 N. in Kreiensen) auf dreißig Mi⸗ nuten,
über die fahrplanmäßige Abfahrtszeit hinaus festgesetzt.
In besonders wichtigen Fällen wird der Anschluß stets abgewartet, oder der verspätete Zug als Extrazug nachbefördert.
Nur ausnahmsweise ist von Feststellung einer Wartezeit
abgesehen.
Das Reichs-Eisenbahnamt wendet dieser Einrichtung, welche gleichmäßig das Interesse der Reisenden wie der Eisen⸗ hahnen fördert, seine besondere Aufmerksamkeit zu.
— Der Finanz⸗Minister und der Kriegs⸗Minister haben unterm 18. v. M. die betreffenden Bestimmungen des Regu⸗ lativs über Ausbildung, Prüfung und Anstellung für die unteren Stellen des Forstdienstes dahin ge⸗ ändert, daß 1) diejenigen Jäger, welche die Jägerprüfung zwar bestanden und den Lehrbrief erhalten haben, aber unter die Zahl der zum Erdienen einer unbeschränkten Forstanstellungsberechti⸗ gung zuzulassenden Jäger nicht mehr haben aufgenommen werden können, nach dreijähriger, tadelfrei zurückgelegter Dienstzeit zum Dienste auf Erwerbung einer beschränkten. Forstanstellungs⸗ berechtigung zugelassen werden dürfen; 2) diese Jäger, sobald sie darum nachfuchen, nach Ablauf der dreijährigen Dienstzeit mittelst einer Verpflichtungsverhandlung dahin verpflichtet wer⸗ den, sich innerhalb ihrer gesetzlichen allgemeinen zwölfjährigen summarischen Dienstverpflichtung im stehenden Heere und der Reserve des Jäger⸗Corps auf zehn Jahre allen für die Reserve⸗ klasse A. J. bestehenden Verpflichtungen, mit Ausnahme der⸗ jenigen unterwerfen zu wollen, welche die Jägerklasse A. J. augs⸗ schließlich betreffen. Dadurch werden sie in die Jägerklasse A. II. aufgenommen.
— Um über die Zahl der bei der mikroskopischen Fleischbeschau trichinss oder finnig befundenen Schweine, sowie über die in den amerikanischen Speckseiten oder sonstigen Schweinefleischwaaren nachgewiesenen Trichinen regelmäßige Nachrichten zu erhalten, sind die Bezirksregierungen c. von dem Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten veranlaßt worden, im März eines jeden Jahres über das Ergebniß der diesfälligen, in dem vorhergegangenen Jahre stattgefundenen Untersuchungen zu berichlen und sich über etwaige besondere Umstände, welche dabei in sanitätspolizeilicher Beziehung in Betracht kommen sollten, zu äußern.
— Der hiesige peruanische Gesandte de Lavalle begiebt sich binnen Kurzem mit Urlaub in seine Heimath, um dort als Senator an den Sitzungen des National⸗Kongresses Theil zu nehmen. Während seiner Abwesenheit wird der Legations⸗ Sekretär Manuel Soyer y Lavalle als Geschäftsträger fungiren.
— Das deutsche Mittelmeergeschw ader ist laut Mel⸗ dung des ‚W. T. B.“ am 21. d. M., Abends 6 Uhr, von Malia in See gegangen. Am Vormittag nahmen der Go uver⸗ neur von Malta und die Civil, und Mllitärbehörden an einem ihnen zu Ehren in Erwiderung der während der Anwesenheit der deutschen Flotte in Malta veranfialteten Festlichkeiten ge⸗ gebenen Gabelfrühstück von 160 Gedecken an Bord Theil.
Bayern. München, 20, uni. Die Abgeordneten⸗ kammer berieth heute über den Gesetzentwurf, die pfälzischen Bahnen betreffend. Gegen den Entwurf sprachen die Abgg. Frhr. E. v. Hafenbrädl und Dr. Kurz. Es wurde jedoch schließ⸗ lich der Art. 1 in seinen beiden Absätzen angenommen und ist hiernach für ein Maximalkapital von 4670 000 M eine jähr⸗
liche Zinsengarantie von 41/9 Prozent bezüglich der pfälzischen Nordbahnlinien und eine gleiche für 3 6060, 9000 MS bezüglich einer Eisenbahn von Bergzabern zum Anschlusse an die Bahn von Landau nach Zweibrücken gewährleistet.
— Im Ausschuß für den Jörgschen Wahlgesetz⸗ entwurf wurde gestern Abends der an die Kammer zu erstattende Bericht genehmigt und erfolgte die Schlußabstim⸗ mung; der Entwurf, wie er aus der zweiten Lesung hervorging, wurde mit 7 (ultramontanen) gegen 6 (liberale) Stimmen an⸗ genommen. Hr. Abg. Lampert war wegen Unwohlseins nicht in der Sitzung, sonst würde sich Stimmengleichheit ergeben haben. — Nach dem dermaligen Stand der Arbeiten der Ab⸗ geordnetenkammer zu schließen, wird dieselbe die Budget⸗ berathung erst gegen Mitte des nächsten Monats zum vollstän⸗ digen Äbschlusse bringen können, und der Schluß des Landtags erst gegen Ende Juli möglich sein.
— Die auf die Beschlüsse der letzten protestantischen Generalsynode der Pfalz zu erlassende Entschließung hat die Genehmigung des Königs erhalten.
— Der Gesetzentwurf, betreffend die Vervollstän⸗ digung der bayerischen Staatseisenbahnen, lautet nun⸗ mehr nach den Beschlüssen des besonderen (XI.) Eisenbahn⸗ ausschusses folgendermaßen:
Art. 1. Ber Bedarf zur Vervollständigung der Staatzeisen⸗ bahnen wird I) für die Herstellung einer Bahn von Lohr in der Richtung nach Wertheim auf den Betrag von 19600009 „MS; Y für den Ausbau der Bahn von der Station Unterpeissenberg nach dem ärarialischen Kohlenwerk und für die Anlage einer vollständigen Station in Salz auf den Betrag von 308.000 „3 3) für die Herstellung einer Bahn von Dinkelsbühl nach Feuchtwangen auf den Betrag von! 1700090 „S; H für die Herstellung einer Bahn von Donauwörth nach Treucht⸗ lingen auf den Betrag von 12,506,009 Æ; 5) für die Herstellung einer Bahn von Unterpeissenberg nach Biessenhofen auf den Betrag von 14000, 000 S; 6) für die Verbindung der Dienstlokalitäten der Bauabtheilung der Generaldirektion der Königlichen Verkehrs Anstalten mit den von der vormaligen Aktiengesellschaft der bayerischen Ostbahnen erworbenen Verwaltungs gebäuden zu München auf den Be— trag von 257, 00 , zusammen auf den Maximalbetrag von 39,565, 000 M festgesetzt. ; ö
Die nachfolgenden 2 Artikel sind fast unverändert ange⸗ nommen worden.
— Ueber die Verhandlungen von Klerikalen und Sozialdemokraten wegen einer Koalition bei der türzlich vollzogenen Münchener Neuwahl. bekennt jetzt in Folge der von dem Sozialdemokratenführer Pröbstl in einer Versammlung ge⸗— machten Mittheilungen der „Volksfreund“ weiter Folgendes:
„Die Verhandlungen wurden ohne allen Auftrag und ohne jede Rücksprache mit der Vorstandschaft der Concordia“ (kath, Kasino) von Hrn. Abg. Dr. Rittler durch eine Konferenz mit einem Herrn im Expeditionslokale des . Zeitgeistez eingeleitet. Wir erfahren dies ganz zufällig am Akende desselben Tages durch Hrn. Dr. Rittler felbst, der uns erzählte, daß er diesem Herrn, dessen Namen er nicht kannte, ein Kompromiß angetragen habe auf der Grundlage, daß den Sozialdemokraten Ein Abgeordneter im Falle des Sieges gewährt werden solle. Diese Rücksprache Dr. Rittlers hatte eine Besprechung mit mehreren sozialdemokratischen Herren zur Folge, in welche ein⸗ zutreten wir uns nicht weigerten, weil wir nicht blos ihre Bedingun⸗ gen kennen lernen, sondern auch uns Siglschen Parteikreisen gegen . Über nicht blosstellen wollten, welche bei der Juliwahl uns den Vor— wurf gemacht hatten, nicht mit den Sozialdemokraten Fühlung
efucht zu haben. Die erste Bedingung der sozialdemokrati⸗ . Herren war die Gewährleistung eines Abgeordneten, und biese Bedingung konnte selbstverftändlich eingegangen werden, um so mehr, alz der Abg. Dr. Schauß selbst bei den Ausschußverhandlungen über das neue Wablgesetz es als wünschenswerth bezeichnete, daß auch die sozialdemokratische Partei in der Kammer vertreten sei. Die zweite Bedingung war, daß die zu erwäblenden Abgeordneten für das direkte Wahlrecht einzutreten sich verpflichten müßten, und zwar für das obligatorische Wahlrechr, beginnend mit dem 21. Le⸗ bensjahre. Der zweite Theil dieser Forderung wurde von uns sofort zurückgewiesen und als unmöglich bezeichnet, worauf er fallen gelassen wurde. Die Verhandlungen scheiterten an der dritten Bedingung, den Kasinosaal für 2 bis 3 sozialdemokratische Parteiversammlungen .. Sommer zu überlassen, worauf wir nicht eingehen zu können er—⸗
ãrten.
Daraus geht, wie der „Corr. v. u. f. D.“ bemerkt, zur Genüge hervor, daß Verhandlungen, und zwar nicht blos von Seiten des Abg. Rittler, wirklich stattgefunden haben und nur an der Nichteinigung über eine untergeordnete Bedingung ge⸗ scheitert sind.
Sachsen. Dresden, 21. Juni. Beide Kammern hielten heute Sitzungen ab. Die Erste Kammer nahm Berichte über die Resultate des Vereinigungsverfahrens entgegen, bezüglich des Ausgabebudgets des Departements des Kultus und öffentlichen Unterrichts, ferner bezüglich der Petition der Stadt Schandau, die Benennung des dorligen Bahnhofes betreffend, sowie über das Gesetz, die höheren Unterrichts anstalten betreffend. Die Kam⸗ mer trat hierbel den Deputationsvorschlägen allenthalben bei und beschloß weiter: der Königlichen Staatsregierung zu Erwägung zu empfehlen, ob es nicht zweckmäßig und thunlich sei, die für die Bibliothek und für die übrigen Sammlungen künftig zu bewilligenden Beträge direkt dem „Reservefonds der Königlichen Sammlungen“ zu überweisen, und die Abrechnung über Ein⸗ nahme und Ausgabe darüber mit diesem Reservefond gleichzeitig zu erstatten. Außerdem erledigte die Kammer eine Anzahl Petitionen.
Die Zweite Kammer genehmigte mehrere Positionen des Einnahmebudgets, zum Budget des Kultus und öffentlichen Unterrichts und zu den Gesetzentwürfen, hetreffend die Reorgani⸗ sation des Landeskulturraths, die höheren Unterrichts anstalten und bie Abänderung einiger Bestimmungen der revidirten Straf⸗ prozeßordnung, im Vereinigungsverfahren zwischen den Deyu⸗ tationen beider Kammern vereinbarten Vorschläge und nahm Vorträge entgegen über die abweichenden Beschlüsse der Ersten Kammer zu der Gebührentare für die Kostenberechnungen der Verwaltungsbehörden erster Instanz und zu dem Gesetzentwurf über die Schonzeit der Rebhühner. Bei beiden Vorlagen wur⸗ den die von der Deputation bez. von den Referenten gestellten Anträge, durch welche ein Theil der vorhandenen Differenzen erledigt wurde, angenommen.
Württemberg. Ulm. 19. Juni. Heute wurde von dem Könige die Revue der hiesigen Truppen auf dem Exerzierplatz der Friedrichsau abgehalten. Nach Beendigung derselben setzte Se. Majestät die Eifenbahnfahrt nach Friedrichs⸗ hafen fort. — Der neue ö . Gener al Graf Neidhardt von Gneisenau sst heute hier eingetroffen.
Lippe. Detmold,. 16. Juni. Durch den „Landtags⸗ Abschted“, welchen die Nr. 14 der „Gesetz Sammlung für das Fürstenthum Lippe“ enthält, verspricht der Fürst, dem Antrage getreuer Stände, den vorgelegten Gesetzen mit den vorgeschla⸗ . Abänderungen und Zusätzen seine Sanktion zu ertheilen.“
erselbe schließt: „Wir durfen die Hoffnung aussprechen, daß
nach nunmehriger Erledigung der bezüglich des Landtags⸗Wahl⸗ gesetzes obschwebenden langjährigen Streitfrage wieder ein ein⸗ trächtiges Zusammenwirken zwischen unserer Regierung un der Landesvertretung Statt finden und dadurch des Landes Wohl⸗ fahrt am besten gefördert werde. Womit wir denn, indem wir den außerordentlichen Landtag für geschlossen erklären, getreuen Ständen in Huld und Wohlwollen geneigt bleiben.“
Oe sterreich Ungarn. Wien, 21. Juni. (W. T. B.) Der Kaiser begiebt sich heute Abend nach Ischl. — Wie aus Pola gemeldet wird, sind die Panzerfregatte „Sala⸗ mander“ und die Korvette „Zrinyi“ nach Smyrna ab⸗ gegangen, wo das Admiralitätsschiff ‚„Custozza“ bereits ange⸗ kommen ißt. Die Korvette „Friedrich“ ist nach einer mehr als zweijährigen Reise in Pola eingelaufen.
— Den beiden niederösterreichischen Parteitagen, welche bisher — im Jahre 1871 in St. Pölten und 1874 in Krems — abgehalten wuaͤrden, wird, wie die „Pr.“ berichtet, in wenigen Tagen ein dritter Parteitag in Niederösterreich nach⸗ folgen. Derselbe ist nach Wie ner-Neustadt einberufen. Die Vorversammlung ist für den 24, die Hauptversammlung für den 25. d. bestimmt. In der ersteren wird die Festsetzung der Tagesordnung und die Wahl der Referenten erfolgen. Zur Besprechung dürften die Erneuerung des Ausgleichs mit Ungarn, die Feststellung des Privilegiums der Nationalbank und die Reform des Wehrgesetzes gelangen.
— Anläßlich der jängsten Meldungen über den Stand der Zollkonferenzen wurde von mexreren Seiten, namentlich von der „Budap Corr.“ behauptet, daß hezüglich des Zolles für Petroleum zwischen den beiderseitigen Regierungen wesent⸗ liche Differenzen sich ergaben, und daß Ungarn die Er⸗ höhung dieses Zolles in der von der österreichischen Re—⸗ gierung gewünschten Weise keineswegs zugestehen werde. Dem gegenüber verfichert „Hon“, daß eine Vereinbarung in Betreff dieses Zolles schon bestehe. Sie war bereits in den von den beiderseitigen Ministerien beschlossenen prinzipiellen Punktationen enthalten. Was die Höhe des Zolles anbelangt, so sei dieselbe viel bedeutender, als sie bisher angegeben wurde. An dieser Höhe könne höchstens in Folge eines seitens der einen oder der anderen Regierung vorgebrachten Antrages anderer Richtung eine Aenderung erfolgen, aber auch in dem Falle nicht im Rahmen der jetzt zwischen den Fachorganen im Zuge befind⸗ lichen Verhandlungen.
Linz, 20. Juni. Bekanntlich hat der hiefige Bischof Rü⸗ diger sich lange geweigert, die staatliche Subvention für den niederen Seelsorge-Klerus als statthaft anzuerkennen und den Priestern seiner Diözese die Annahme derselben zu er⸗ lauben. Wie die „N. Fr. Pr.“ mittheilt, hat er dem Papste die Frage zur Entscheidung vorgelegt, und dieser sich nun in einem vom 29. Mai datirten Breve für die Annahme der Subvention ausgesprochen.
Pest, 20. Juni. Der „Pester Lloyd“ dementirt die Wiener Correspondenz der „Augsb. Allg. Ztg.“, welche meldete, die jüngste Konfiskation der Neuen Freien Presse“ sei auf eine Reklamation des rusfischen Botschafters zurück⸗ zuführen und vom Auswärtigen Amte provocirt worden, als völlig unbegründet. Novikoff habe weder die Haltung der „Neuen Freien Presse! zum Gegenstand von Beschwerden oder Reklamationen gemacht, noch habe Graf Andrassy auf die auch von ihm nachträglich rückhaltlos gebilligte, im Gesetz gebotene Maßregel direkt oder indirekt einen Einfluß genommen.
Niederlande. Haag, 21. Juni. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Zweiten Kammer wurde von der Regierung mitgetheilt, daß sich England für die Abhaltung einer anderweiten Zuckerkonferenz in Paris ausgesprochen habe. Die niederländische Regierung habe dem zugestimmt, von Seiten der französischen Regierung sei jedoch ein bestimmter Zeitpunkt für Abhaltung der Konferenz noch nicht bestimmt wor⸗ den. — Der Gerichtshof in Middelburg hat heute das Urtheil in dem Prozesse gegen den dänischen Dampfer „Phoenix“ wegen des im vergangenen Jahre auf der Schelde stattgehabten Zusammenstoßes mit einem niederländischen Fahr⸗ zeuge gefällt. Durch dasselbe wird der dänische Dampfer zur Zahlung der von dem Eigenthümer des niederländischen Fahr⸗ zeuges verlangten Entschädigungssumme rerurtheilt.
— Wie aus einem amtlichen Verzeichnisse hervorgeht, sind, einer Korrespondenz der „Allg. Ztg.“ aus dem Haag zufolge, seit Verkündigung der Klostergesetze in Preußen nicht weniger als 28 Klöster von dort nach der niederländischen Provinz Limburg übergestedelt, welche somit in diesem Augenblick 67 Klöster, auf eine Bevölkerung von 230, 000 Pers., zählt.
Großbritaunien und Irland. London, 20. Juni. Der 39. Jahrestag der Thronbesteigung der Königin wird heute festlich begangen.
— Gestern wurde auch der amerikanische Fälscher, Charles Brent aus Kentucky, freigelassen, da in der Ausliefe⸗ rungsfrage eine Einigung zwischen England und den Vereinigten Staaten nicht erzielt worden ist.
— Die Panzerschiffe „Iron Duke“ und „Hector“ trennen sich vom Kanalgeschwader und kehren nach Eng— land zurück, wo sie als Küstenwachschiffe Verwendung finden. An ihrer Stelle sind die Panzerschiffe ‚Warrior“ und „Achilles“
auf sechs Wochen zum Kanalgeschwader beordert und werden
nach Ablauf dieser Zeit gleichfalls auf heimischen Stationen Verwendung finden.
— Aus der Kapst adt meldet eine bis zum 26. Mai reichende Post: Dem „Standard u. Mail“ zufolge protestirt Griqualand West gegen seine Vereinigung mit der Cap⸗Kolonie. Der Rath der Cap⸗Colonie hat eine Resolution angenommen, welche das Verhalten des Gouverneurs Barkly und der Regierung Moltenos in der Konferenzfrage tadelt. Dieser Beschluß wurde ohne Abstimmung erzielt, nur der General⸗Schatzmeister und Kapitän Murrison bekämpften denselben. Die Regierung hat ihr Pro- gramm bezüglich der Frage der Londoner Konferenz und der Ernennung eines ihrer Mitglieder zum General⸗Auditeur der öffentlichen Rechnungen noch nicht veröffentlicht. Dem Un ter⸗ hause liegen zwei Anträge vor. Einer derseiben tadelt die ge⸗ troffene Ernennung auf das heftigste.
— 21. Juni. (W. T. B.) Bei den heute vor dem Court for crown cases reserved fortgesetzten Verhandlungen in dem Prozesse gegen den Kapitän Keyn von der „Fran conia“ über die Frage der Kompetenz der englischen Gerichte setzte der General⸗Anwalt seine in der letzten Sitzung begonnenen Argumente fort, zu deren Unterstützung er die Ansichten der europäischen Juristen über die Kompetenz der Drei⸗Weilen⸗Zone anführte. Der BOberrichter verlangte dagegen den Beweis, daß irgend eine eivilisirte Regierung nach diesem Prinzipe gehandelt
führen. Nachdem hierauf noch die in Amerika über diese Frage herrschenden Ansichten angeführt waren, wurden die Verhand- lungen vertagt.
= 22. Juni. (W. T. B.) Der Befehlshaber des in den chinesischen Gewässern befindlichen englischen Ge⸗ schwaders, welcher in Gemeinschaft mit dem dortigen Ver⸗ treter der deutschen Regierung wegen der Plünderung des deutschen Schooners Anna“ mit der chinesischen Regierung ver⸗ handelte, hat nach einer Meldung des „Standard“ den Befehl erhalten, über die neuerdings stattgehabte Plünderung des englischen Schiffes „Tartar? die nöthigen Unter⸗ suchungen anzustellen.
Frankreich. Paris, 20. Juni. Die „Ag. Hav.“ meldet: Mehrere Blätter haben von Zwiespalt im gestern abgehaltenen Minister⸗Rath bezüglich der letzen Präfektorial⸗Bewegung ge⸗ sprochen. Alle diese Gerüchte sind durchaus unbegründet. Der Minister Rath war gestern gar nicht zusammengetreten. Auch weiß man, daß die letzte Präfektorialbewegung vor ihrer Veröffentlichung dem Minister⸗Rath vom Minister des Innern mitgetheilt worden ist
— Der Corsaire veröffentlicht einen Brief des
Kriegs-Ministers, in welchem es heißt: „Der „Corsaire“ behauptet, daß in der Schule von St. Eyr Spaltungen, Streitigkeiten und eine beständige Feindseligkeit zwischen den aus der Jesuitenschule der Rue des Postes und den aus den Universitätsanstalten hervorgegangenen Zöglingen bestehen. Dieses Blatt behauptet ferner, daß am Sonntag, 28. Mai, der General Hanrion, Gouverneur der Schule von St. CEyr, einem Diner bei den Jesuiten in Gesellschaft von 106 Zöglingen der Schule angewohnt habe. Alle diese Thatsachen sind vollständig falsch; in der Schule von St. Eyr besteht keine Feindseligkeit, keine Agitation, kein Streit unter den Zöglingen. Was den General Hanrion anbelangt, so konnte zu der Erzählung des „Corsaire“ die Anwesenheit desselben bei dem Diner Anlaß geben, welches die ehemaligen Zöglinge der Jesuitenschule St. Element zu Metz, unter denen sein Sohn war, am 28. Mai auf dem den Jesuiten angehörigen Schloß Athis gaben.“
Versailles, 20. Juni. In der heutigen Sitzung der Deputirten kammer brachte, nach der „Köln. Ztg.“, der Bona⸗ partist Cuneo Ornano einen Gesetzentwurf ein, welcher die Presse wieder unter die Gerichtsbarkeit der Geschworenen stellen soll; die verlangte Dringlichkeit für die Vorlage wurde jedoch nicht zugestanden. — Turquet legte seinen Bericht über die Wahl de Muns vor. Der Ausschuß konnte keine sehr eingehenden Nachrichten erlangen. Der Bericht führt jedoch Thatsachen zum Belege der Einmischung des Klerus an, der auf den Kanzeln für de Muns Wahl predigte, die Wähler am Wahltage überwachte, ihnen drohte, daß ihnen die Sakramente verweigert werden würden, wenn sie nicht zu Mun ständen, und nach der Wahl im Beichtstuhl fragte, für wen man gestimmt habe. Der Bericht führt sodann Beweise an für die Einmischung des Bischofs von Vannes und des Erzbischofs von Paris, welche sich gegen den Abbé Cadoret ausgesprochen. Nachdem der Bericht noch eine Reihe anderer gesetzwidriger Handlungen aufgeführt, beantragt er die Vernich⸗ tung von de Muns Wahl und schließt mit den Worten: „Es ist erwiesen, daß die Verwaltung eine lebhafte Propaganda zu Gunsten de Muns machte, daß der Klerus alle seine Pflichten mit Füßen getreten, die Kanzel in eine politische Tribüne ver⸗ wandelt und die Wähler mit Entziehung der Sakramente be⸗ droht hat. Guichard las den zweiten Bericht über die Wahl de Muns. Dieser zweite Bericht behandelt die rechtlichen und gesetzgeberischen Fragen, die bei dieser Wahl in Betracht kommen.
— Die Kammer hat die Vorlage, betreffend die 120⸗Mil⸗ lionen-Anleihe der Stadt Paris genehmigt, nachdem auch der Unter⸗Staatssekretär Faye sich dafür ausgesprochen, weil die Arbeiten, zu welchen die Anleihe dienen soll, nothwen⸗ dig seien um der Republik zu gestatten, die großen Friedensarbei⸗ ten zu eröffnen.
Der Moniteur erfährt, daß die Budget⸗Kommis⸗ sion beschlossen hat, zu beantragen, daß die Budgeiverhand⸗ lungen bis zum November vertagt werden.
— 21. Juni. (W. T. B.) Die Abtheilungen des Senates haben heute die Mitglieder für die Kommission gewählt zur Vorberathung des von dem Unterrichts⸗Minister eingebrachten Gesetzent wur fs, betreffend die Abänderung des Gefetzes über die Freiheit des höheren Unterrichts. 5 Mit⸗ glieder dieser Kommission find gegen den Entwurf und nur 3 für denselben.
Der Senat hat die Wahl Buffets für gültig erklärt und den Antrag des Senators Schoelcher, von der Linken, auf Abschaffung der Todesstrafe, abgelehnt.
Italien. Rom, 19. Juni. Der Senat votirte gestern nach viertägiger Verhandlung über den die Abs chaffung des religißsen Eides vor Gericht betreffenden Gesetz⸗ entwurf mit 71 gegen 41 Stimmen nachstehenden, vom früheren Siegelbewahrer Vigliani vorgeschlagenen und vom jetzigen Siegelbewahrer Mancini und der Kommisston genehmigten Berbesserungsantrag: „Zeugen und Sach⸗ verständige schwören, indem sie vor den Richtern stehen. und nachdem der Präsident des Gerichtshofs oder der Präter sie aufmerksam gemacht auf die moralische Bedeutung des Aktes, den sie zu vollziehen im Begriffe stehen, auf das religiöse Band, welches ste vor Gott verbindet, und auf die Strafen, welche in den betreffenden Artikeln des Strafgesetzbuchs auf Verschweigung e. er und auf falsches Zeugniß oder Urtheil ge etzt sind.
— Wie die „Voce della Verita“ mittheilt, beläuft sich die Zahl der hiesigen protestantischen Kirchen und Schulen, abgesehen von denen, welche im Bau und in der Gründung be⸗ briffen sind, auf zwölf, bezw. sechs.
— 21. Juni. (W. T. B.) Der Papst empfing heute in Gegenwart von 16 Kardinälen und mehrerer anderer Priester eine Anzahl deutscher Wallfahrer. In seiner Antwort auf die Anrede derselben sprach der Papst von den „Heimsuchungen und Verfolgungen der Kirche. und belobte die Standhaftigkeit der deutschen Bischöfe und Priester.
— 22. Juni. (W. T. B.) Die Berathung der auf die oberitalienischen Sisenbahnen bezüglichen Vorlage ist auf morgen festgesetzt Die Führer der Rechten wollen, wie das Journal „Diritto“ erfährt, im Einvernehmen mit dem Ministe⸗ rium die Betriebsfrage bei der Generaldebatte erörtern und haben fich vorbehaltlich ihrer Abstimmung gegen den auf den Betrieb bezüglichen Artikel 4 dahin geeinigt, den ,, anzu⸗ nehmen. Unter den von den Journalen namhaft gemachten De⸗ putirten, welche das Wort gegen die Boseler Konvention und ben Zufatzvertrag zu demselben nehmen wollen, werden guch
habe. Der General⸗Amnwalt konnte denselben indessen nicht! Minghetti und Sella aufgeführt.