Ohne wesentliche Diskussion wurden diese beiden Anträge angenommen, und außerdem auf Antrag des Grafen zur Lippe die vom Abgeordnetenhause gestrichene Bestimmung der Re⸗ gierungsvorlage wieder hergestellt, nach welcher diejenigen Be⸗ amten, welche auf eigenen Antrag versetzt werden, Umzugs⸗ vergutigungen nicht erhalten sollen. Die übrigen Paragraphen wurden in Uebereinstimmung mit den Beschlüssen des Abgeord⸗ netenhauses angenommen.
Der folgende Gegenstand der Tagesordnung war die ein⸗ malige Schlußberathung über den siebenundzwanzigsten Bericht und den dazu gehörigen Nachtrag der Staatsschulden⸗ Kommission über die Verwaltung des Staatsschul— denwesens im Jahre 1874. Der Referent Herr von Rabe beantragte, zu beschließen: in Uebereinstimmung mit dem Hause der Abgeordneten der Königlichen Hauptverwaltung der Staats⸗ schulden über die aufgeführten Rechnungen die Decharge zu er⸗ theilen, und das Haus trat dem Antrage ohne Diskussion bei.
Es folgte die Schlußabstimmung über den Entwurf einer Städteordnung für die Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien, Sachsen, Westfalen, den Regie⸗ rungsbezirk Wiesbaden und die Rheinprovinz.
Bei der Abstimmung wurde der Antrag des Herrn von Kleist zu §. 15, allen Staͤdten zu gestatten, den Census bis auf 12 M6 zu erhöhen, welcher bei der zweiten Berathung ange⸗ nommen, aber nicht gedruckt vorlag, in nochmaliger Abstimmung mit 36 gegen 28 Stimmen abgelehnt, dafür die Fassung des Kommissionsantrages zu §. 15 und schließlich die übrigen Pa⸗ ragraphen des Gesetzes, sowie Titel und Ueberschrift desselben angenommen. (Schluß des Blattes.)
— In Folge der aus dem El saß eingegangenen Mit⸗ theilungen über den dort in Folge des Hochwasfers des Rheins in vielen Gemeinden eingetretenen Rothstand hat der Reichs⸗ kanzler Anlaß genommen, bei sämmtlichen deutschen Regierungen die Veranstaltung von Sammlungen für die nothleidenden Elsasser anzuregen. Der dem bezüglichen Schreiben beigefügte Entwurf eines Aufrufs lautet:
Ein Hochwasser des Rheins, wie dieses Jahrhundert es noch nicht gesehen, hat im Elsaß unsäglichen Schaden angerichtet. An zahlreichen Stellen sind die schützenden Dämme durchbrochen, frucht⸗ bare Fluren meilenweit unter Wasser gesetzt, große Strecken ver⸗ wüstet. Viele Ortschaften waren dem Schwall der Fluthen preis⸗ gegeben, Hunderte von Gebäuden sind zerstört und ihre Be⸗ wohner obdachlos. Auf Millionen ist der Schade zu schätzen, der an Häusern, Aeckern, Vieh und anderer Habe angerichtet ist. Er ist dadurch so groß geworden, daß die Katastrophe kurz vor der Erntezeit eintrat.
Zahlreiche Hülfscomités im Elsaß haben sich die Aufgabe gestellt, Unterstützungen für die überschwemmten Rhein⸗ gemeinden zu sammeln und zu vertheilen, und es sind ihnen aus dem Elsaß selbst, sowie aus Frankreich und dessen Hauptstadt, Beiträge zugeflossen. In der Ueber⸗ zeugung, daß es nur eines Hinweises bedarf, um auch die Bewohner zur Bethätigung ihres Mitgefühls mit den nothleidenden Landsleuten im Elsaß und zur Hülfe—⸗ leistung anzuregen, erklärt d.. unterzeichnete sich bereit, Beiträge zur Unterstügzung der Ueberschwemmten in Empfang zu nehmen und an den Herrn Ober⸗Präͤsidenten von Elsaß⸗Lothringen abzusenden.
— Das Programm des Kongresses, welcher gelegentlich der Internationalen Ausstellung für Gesundheitspflege und Rettungswesen in Brüssel vom 27. September bis 4. Oktober daselbst abgehalten werden soll und aus den drei Sektionen: 1) Gesundheitspflege, 2) Rettungswesen, 3) Sozial⸗ ökonomie bestehen wird, ist in der heutigen „Besonderen Beilage“ Nr. 28 abgedruckt.
— In den deutschen Münzstätten find bis zum 17. Juni 1876 geprägt: an Goldmünzen: 1,082, 085,960 Mv Doppelkronen, 323, 653, 680 M Kronen; hiervon auf Privat⸗ rechnung: 171,113,805 S; an Silbermünzen: 50,673,775 5⸗Markstücke, 12,458 S6 2⸗Markstücke, 139, 057,984 S½ 1⸗Mark⸗ stücke, 27, 534,275 S6 50 3 50⸗Pfennigstücke, 26,824,317 M 60 8 20⸗Pfennigstücke; an Nickelmünzen: 17,114,845 S6 40 8 10⸗Pfennigstücke, 9941, 124 S 95 3 5⸗Pfennigstücke; an Kupfermünzen: 5560, 664 6 82 J 2⸗-Pfennigstücke; 3067, 41941 49 8 1⸗Pfennigstücke. Gesammtausprägung: an Goldmünzen: 1,405,739, 640 ß; an Silbermünzen: 244,102, 820 ƽVU 10 3; an Nickelmünzen: 27, 055,970 M 35 8; an Fupfermünzen: 8, 628, 084 AM 31 8.
— Die Zeiteintheilung für die Herbstübungen des Garde-Corps pro 1876 ist, wie folgt, bestimmt worden: 5. August. Marsch der 3. und 4. Escadron des Regiments der Gardes du Corps und der 3. und 4. Escadron des 3. Garde⸗Ulanen⸗Regiments nach Potsdam und Umgegend. J. bis 22. August. Regiments⸗Uebungen des Regiments der Gardes du Corps bei Potsdam. J. bis 23. August. Regiments⸗ Uebungen des Garde⸗Kürassier⸗Regiments, des 1. und 2. Garde⸗ Dragoner⸗Regiments und 2. Garde⸗Ulanen⸗Regiments bei Berlin; des Garde⸗Husaren⸗Regiments, des 1. und 3. Garde⸗ Ulanen⸗ Regiments bei Potsdam. 12. bis 15. August. Marsch des Füsilier⸗ Bataillons 3. Garde⸗ Grenadier⸗Regiments Königin Elisabeth von Wriezen a. O. nach Spandau (inel. eines Ruhetages). 15. August. Eisenbahn⸗ transport des 3. Garde⸗Regiments zu Fuß und 4. Garde⸗Gre⸗ nadier⸗Regiments Königin von Hannover resp. Coblenz nach Pots dam resp. Berlin. 16. bis 22. August. Regimentsübungen des 4. Garde⸗Regiments zu Fuß und 3. Garde⸗Grenadier⸗Regi⸗ ments Königin Elisabeth bei Spandau. 17. bis 23. August. Regimentsübungen des 1. und 3. Garde⸗Regiments zu Fuß bei Potsdam; des 2. Garde⸗Regiments zu Fuß, des Kaiser Alexander Garde⸗Grenadier⸗Regiments Nr. J, des Kaiser Franz Garde⸗ Grenadier⸗ Regiments Nr. 2, des Garde⸗Füsilier⸗ Regiments und des . Garde⸗Grenadier⸗Regiments Königin bei Berlin. 23. August. Marsch des 4. Garde⸗Ftegiments zu Fuß und des 3. Garde⸗Fre⸗ nadier⸗Regiments Königin Elisabeth von Spandau nach Berlin. Marsch des Regiments der Gardes du Corps nach Berlin resp. Eharlottenburg und Umgegend. 24. August. Ruhetag. 36. bis 29. August. Brigade⸗Uebungen der 1. Garde⸗Infanterie— Brigade und der 2. Garde⸗Kavallerie⸗Brigade bei Potsdam; vom 28. August ab unter Theilnahme von Artillerie. 25. bis 30. August. rigade⸗ Uebungen der 2., 3. und 4. Garde⸗ Infanterie⸗Brigade, sowie der 1. und 3. Garde⸗Kavallerie⸗Bri⸗ gade bei Berlin; vom 29. August ab unter Theilnahme von Artillerie. 30. August. Marsch der 1. Garde⸗Infanterie⸗ Brigade, der 2. Garde⸗Kavallerie⸗ Brigade, sowie der zu genannten Brigaden kommandirten Batterien von Pots⸗ dam nach Berlin und Umgegend. 31. August. Ruhe— tag. 1. September. Große Parade bei Berlin. 2. bis 9. September. Uebungen in den Divisionen und zwar 3
Tage Feld⸗ und Vorpostendienst. Uebungen der kombinirten vier Garde⸗Infanterie⸗Brigaden in gemischten Detachements 2 Tage Feldmanöver der kombinirten Garde⸗Divisionen in je 2 Abtheilungen gegeneinander und 1 Tag Divisions⸗Mansver der kombinirten Garde⸗Divisionen mit markirtem oder suppo⸗ nirtem Feinde. 10. September. Ruhetag. 11. und 12. Sep⸗ tember. Feldmanöver der kombinirten Garde⸗Divisionen gegen⸗ einander. 13. September. Ruhetag. 14. September. Corps⸗ manöver vor Sr. Majestät dem Kaiser und Könige bei Groß⸗ Kreutz. 15. September. Märsche in die Gegend westlich Pots⸗ dam. 16. September. Märsche in die Gegend östlich Potsdam. I7. September. Ruhetag. 18. bis 20. September. Feldmanöver des Garde⸗ und III. Armee⸗Corps gegeneinander.
— Es ist Klage darüber geführt worden, daß Gemeinde⸗ vorstände, namentlich auf dem platten Lande, in der Erledi⸗ gung der an sie auf Grund des §. 46 des Reichsgesetzes vom 6. Februar 1875 gerichteten Requisitionen wegen Be⸗ kanntmachung von Aufgeboten häusig säumig seien und insbesondere die Aufgebote nicht sofort nach Ablauf der gesetz⸗ lichen Publikationsfrist an die betreffenden Standesbeamten zurück⸗ senden. In dieser Veranlassung macht der Ober⸗Präsident der Pro⸗ vinz Brandenburg zufolge Auftrags des Ministers des Innern die Gemeinde⸗ und Gutsvorsteher der Provinz in einer Amts⸗ blatt⸗Bekanntmachung darauf aufmerksam, daß aus derartigen Verzögerungen für die Betheiligten regelmäßig erhebliche Stö⸗ rungen und mitunter empfindliche Nachtheile entstehen und weist dieselben an, sich in Zukunft die pünktliche Erledigung der in Rede stehenden Requisition strenge zur Pflicht zu machen.
— Der Evangelische Ober⸗Kirchenrath hat in einem Cirkularerlaß vom IJ. d. Mts. die Bestellung eines Pfar⸗ rers zum Schiedsmann in Rücksicht dessen, daß eine gesetz⸗ liche Bestimmung nicht entgegensteht, prinzipiell für zulässig er⸗ achtet. Das Fungiren der Geistlichen als Schiedsmänner vom disziplinaren Standpunkt aus generell zu versagen, wie dies seiner Zeit durch das Ministerial⸗Reskript vom 3. September 1833 geschehen, sei gegenwärtig nicht angemessen, es werde daher nur im einzelnen Fall ein Geistlicher, welcher das ihm angetra—⸗ gene Amt des Schiedsmanns glaube übernehmen zu können, hierzu die Genehmigung seines vorgesetzten Konsistoriums nach⸗ zusuchen haben.
— Der Preußische Beamten-Verein hat seine Ge⸗
J eröffnet. (S. Bekanntmachung am Schlusse . Bl.)
— S. M. S. „Vietorig“ hatte am 18. Mai er. den Hafen von St. Thomas verlassen, ankerte am 20. dess. Mts. im Hafen von Hayti, verblieb daselbst bis zum 24, traf am 25. in Port-au⸗prince ein und ging am 28. Mai nach St. Thomas in See, woselbst es am 1. Juni er. eintraf.
Wiesbaden, 22. Juni. Mit dem 1. Juli cr. geht das gesammte Straßenbauwesen in den zum kommunalstaäͤndischen Verband Wiesbaden gehörigen Theilen des diesseitigen Regierungs⸗ bezirks in die Verwaltung des vorgenannten Verbandes über.
Bayern. München, 22. Juni. In der heutigen Sitzung der Abgeordneten kammer wurde die Berathung über den Gesetzentwurf, die Pfälzer Bahnen betreffend, fortgefahren. Die Zinsengarantie für 251, 000 V behufs Herstellun akustischer und optischer Signalrichtungen wurde gewähr⸗ leistet; ebenso ein jährlicher Zinsenertrag von 4 Prozent; „355.000 M für eine Bahn Zweibrücken⸗ Hornbach ⸗Bitsch; ein Antrag des Freiherrn Alois von Hafenbrädl, daß eine Zinsengarantie nur bis zur bayerischen Landesgrenze ge⸗ währt werde, wurde abgelehnt. Das Postulat für 6, 138 000 einen 416 prozentigen Zinsertrag zu gewährleisten, behufs einer Bahn Kaiserslautern⸗Lauterecken mit einer Abzweigung nach Otternberg wurde mit 71 gegen 70 Stimmen abgelehnt und der ganze Gesetzentwurf in dieser Fassung mit 81 gegen 60 Stim⸗ men angenommen; mit Ja stimmten 12 Ultramontane.
— Die „Allg. Ztg.“ hringt folgenden „Aus Bayern“ vom 21. Juni daticten Artikel: „Nachdem der Königliche Staate⸗ Minister des Innern bei Beginn des dermalen versammelten Landtags eine Interpellation des Abg. Jörg: ob die Königliche Staatsregierung ein Wahlgesetz vorzulegen gedenke, verneinend unter Hinweis darauf beantwortet hatte, daß bei dem gegen⸗ wärtigen Parteiverhältniß in der Kammer ein Zustandekommen dieses Gesetzes nicht zu erwarten sei, mußte wohl jeder Unbe— fangene die Anschauung des Ministers theilen. Gleichwohl hat der Abg. Jör g die Initiative ergreifen zu sollen geglaubt. Die bisherigen Ausschußverhandlungen belassen wohl keinen Zweifel darüber, daß das Wahlgesetz die nothwendige Mehrheit von zwei Drittheilen nicht erhalten wird, und jeder tiefer Blickende wird unter den gegenwärtigen Zuständen dieses Resultat mit Genugthuung im Interesse des Landes begrüßen. Gewiß ist ein Wahlgesetz von Nöthen, aber es darf nicht unter dem Terrorismus der sich heute die Mehrheit nennenden Fraktion geschaffen werden. Wenn Re⸗ gierung und Liberale den beschränkten Gesichtzpunkt einnehmen wollten, eine nicht zu große Mehrheit ultramontaner Gegner in der Kammer sich gegenuͤber anwachsen zu lassen, so könnten sie den Jörgschen Wahlgesetzentwurf gelten lassen, weil mit diesem die Ultramontanen doch nie eine Zweidrittelmehrheit erreichen würden, und weil in Bayern ein paar oder auch zehn Stimmen Mehrheit kein Grund zur Aenderung des Ministeriums sind. Wenn aber schon die dermalige Zweistimmenmehrheit bewiesen hat, daß sie von ihrem geringen Plus einen für das Land schäd⸗ lichen Gebrauch macht, wie dies in den jüngsten Tagen bei Beschlußfassung über verschiedene Petitionen — wir erinnern nur an die Petition der Stadt Kelheim — zu Tage getreten ist, so ist es Aufgabe der Regierung, zu Bestrebungen nach Fortbestand oder Erweiterung einer solchen Mehrheit ag ein Gesetz in keiner Weise die Hand zu bieten, und die Liberalen handeln nur im Interesse des Landes wenn sie ablehnend votiren, und sie mögen sich bei diesem ihrem Votum, ob auch dagegen geschrieen werden mag, vollständig beruhigen — das Land wird ihnen in seinem intelligenten Theile Dank dafür wissen. Dieses Niederstimmen der Intelligenz durch mindestens politisch ungebildete Mehr⸗ . deren Bestandtheile schon oft genug gekennzeichnet woör⸗ en sind, darf absolut nicht begünstigt werden; es muß endlich die Unterdrückung der Städte durch die Landbenölkerung, durch welche die intelligenten Klassen auf das empfind⸗ lichste berührt werden, aufhören, und ein solches Wahlgesetz, wie es heute gemacht werden soll, wäre der grellste Widerspruch ge⸗ gen die bayerische Verfassung, welche des ganzen Landes Wohl von der Kammer berathen ur) beschützt wissen will; eine Zu⸗ sammensetzung der Kanimer unter der Herrschaft des in Aussicht genommenen Wahlgesetzes wäre ein Hohn gegen die öffent⸗ liche Meinung, und das Kabinet stände faktsch unter der Laune und Willkür einer klerikalen Mehrheit. Wir hoffen, daß es dazu in Buyern nicht kommt; eine klerikale
überwiegende Kammermehrheit wäre Bayerns Untergang; was von dieser Seite in den letzten Jahren bis heute geleistet und versucht worden ist, bleibt wohl für Thron und Land unver⸗ gessen. Wir wollen die Klärung der Geister, das Reifen ge⸗ sunder Anschauungen im Volk abwarten, Recht und Wahrheit, Verstand und Bildung werden siegen. Des ganzen Landes Wohl“ — das muß die Parole der herrschenden Partei werden; . erwarten wir zu Bayerns Heil die Ablehnung des Wahl⸗ gesetzes.
— Der Bericht des besonderen X. Ausschusses zur Be⸗ rathung des Initiativantrages Dr. Jörgs, die Lan d tagswahlen betreffend, wurde heute ausgegeben. Der Aus⸗ schuß ging, so bemerkt der Bericht, bei seinen Berathungen und Beschlüssen davon aus, das zu erlassende Wahlgesetz in mög⸗ lichste Uebereinstimmung zu bringen mit dem Reichstagswahl⸗ gesetz und an der Vorlage des Initiativantrages soweit als thunlich festzuhalten, da in dem Initiativantrag nichts anderes enthalten sei, als das Elaborat des Ausschusses, welcher zur Berathung des im Jahre 18574 von der Staatsregierung vor⸗ gelegten Entwurfs eines neuen Landtagswahlgesetzes gewählt worden war. Es wurde ferner beschlossen, in den Gesetzestext nur die Namen der Wahlkreise, ihre Bestandtheile und die Ab⸗ geordnetenzahl aufzunehmen, dagegen die Bevölkerungsziffer in einer Beilage zum Ausschußbericht den einzelnen Wahlkreisen beizufügen.
— Vom Finanzausschusse der Kammer der Abge⸗ ordneten wird beantragt, den Etat für Reichszwecke in der beantragten Summe von 16,111,434 M für ein Jahr der Finanzperiode zu bewilligen. Von dieser Summe treffen 16,078,924 6 auf Matrikularbeiträge, um 59, 354 M mehr als im Vorjahre.
— Die „Allg. Ztg. erhält folgende Berichtigung: „Mehrere Blätter haben berichtet, daß dem Kronprinzen Rudolf von Oester⸗ reich das zweite Kürassier⸗Regiment verliehen worden sei. Diese Nachricht ist gänzlich unbegründet.“
Sachsen. Dresden, 23. Juni. Prinz Friedrich Au gu st hat sich heute in Begleitung des Hauptmanns Frhrn. v. Oer nach Reichenhall begeben. — Die Zweite Kammer beschloß in ihrer gestrigen Abendsitzung nach kurzer Diskussion, die Staats⸗ regierung zum Ankauf der Chemnitz-Komotauer Gisen⸗ bahn zu ermächtigen, dergestalt jedoch, daß die Ermächtigung erlischt, wenn ein Kaufsabschluß im Laufe des gegen⸗ wärtigen Jahres nicht zu Stande kommt. Auf eine An⸗ frage des Abg. Dr. Biedermann erklärte Staats⸗Minister Frhr. v. Friesen, daß der Landtag bis zum Schlusse des gegenwärtigen Monats werde verlängert werden. — In ihrer heutigen Sitzung beschloß die Kammer zunächst mit 42 gegen 18 Stimmen, bei ihrem früheren Beschlusse bezüglich des Religiongunterrichts der Dissidentenkinder — Reyision des F. 6 des Volksschulgesetzes — zu beharren, und acceptirte so⸗ dann den bezüglich des Antrags des Abg. Lehmann, die Form der Eidesleistungen betreffend, mit der Deputation der Ersten Kammer vereinbarten und in der Ersten Kammer bereits geneh⸗ migten Vermittelungsvorschlag.
Leipzig, 22. Juni. Die Stadtverordnetenver⸗ sammlung nahm in ihrer gestrigen Sitzung eine Zuschrift des Raths entgegen, melche sich auf die Schritte bezieht, die Seitens der Stadt während des im September zu erwartenden mehr⸗ tägigen Besuchs Ihrer Majestäten des Kaisers und des Königs von Sachsen gethan werden sollen, um Allerhöchst⸗ denselben einen würdigen Ausdruck der Gesinnungen treuer Er⸗ gebenheit, welche die Bürger beseelen, zu geben. Zur Vorberei⸗ tung der Empfangsfeierlichkeiten hat der Rath eine besondere Deputation gebildet, und ersuchte nun die Stadtverordneten, zu derselben einige ihrer Mitglieder abzuordnen, was durch den Wahlausschuß geschehen wird.
Württemberg. Stuttgart, 22. Juni. In ihrer heutigen Sitzung nahm die Kammer der Standesherren den Entwurf eines Verfassungsgesetzes hinsichtlich der Abände⸗ rung des X. Kapitels der Verfassungs- Urkunde über den Staatsgerichtshof in Berathung. Der Referent der staats⸗ rechtlichen Kommission, Freiherr v. Neurath, begründete ein⸗ gehend den einstimmigen Antrag der Kommission auf Ab—⸗ lehnung des Entwurfs. Dem Antrage der Kommission ent⸗ sprechend wurde die Vorlage einstimmig abgelehnt.
Baden. Karlsruhe, 22. Juni. In der heutigen Sitzung der Zweiten Kammer wurde bei der Schulgesetz⸗ Novelle der Kompromißantrag der Kommission wegen An⸗ stellung eines Lehrers für eine Konfessionsminderheit mit 43 Stimmen gegen 10 ultramontane Stimmen angenommen.
Hessen. Darmstadt, 22. Juni. Der Erzherzog Al⸗ brecht von Oesterreich, von Ems kommend, traf heute Vor⸗ mittag 9 Uhr zum Besuch des Großherzogs hier ein und begab sich, nachdem Höchstderselbe noch Besuche bei den Prinzen Carl und Ludwig gemacht, um 11 Uhr mit Wagen nach dem vin ig ahetg,
u genheim, 22. Juni. Der Erzherzog Albrecht von
Desterreich ist heute zum mehrtägigen Besuche auf Schloß Hei⸗
ligenberg eingetroffen. Der Herzog von Nassau stattete heute Sr. Majestät dem Kaiser von Rußland einen Besuch ab und kehrte nach eingenommenem Diner nach Rumpenheim zurück.
Desterreick⸗nugarn. Wien, 23. Juni. Die „Wien. 3. veröffentlicht heute den Wortlaut der Handels konvention zwischen der österreichisch⸗ungarischen Monarchie und Rumänien vom 22. Juli 1875. — In der Zollkonferenz wurde, wie die „N. Fr. Pr.“ mittheilt, in den letzten Sitzungen der Text des Zoll⸗ und Handelsvertrages vollständig festgesetzt. Schwierig⸗ keiten sind wenig aufgetaucht. Die Konferenz war ausschließlich damit beschäftigt, den Text möglichst klar zu fassen und ihn mit den faktischen Verhältnissen in Einklang zu bringen. Die Berathungen über die Bankfrage schreiten rüstig vorwärts und
sollen demnächst zwischen den Referenten der beiden Ministerien
vollkommen beendigt sein. Die Verhandlungen mit der National⸗ bank sollen Anfangs Juli beginnen. In der Frage der Ver⸗ zehrungssteuer ist man bisher am wenigsten vorgeschritten, was in der Regelung der Zucker⸗, Spiritus und Petroleum⸗ steuer seinen Grund hat. ;
Prag, 22. Juni. Die „Narodni listy“ veröffentlichen an der Spitze des Blattes eine Erklärung, worin sie die stattfin⸗ denden Ausgleichsversuche innerhalb des nationalen Lagers konstatiren und Namens der jungezechischen Partei die Bereitwilligkeit aussprechen, auf die bezüglichen Verhandlungen einzugehen und keine Bedingung an. welche das natio⸗ nale Interesse und das Wohl des Vaterlandes erheischt.
Brünn, 22. Juni. ei der gestrigen Reichsraths⸗ wahl im Städtewahlbezirke Znaim⸗Eibenschütz⸗Daischitz wurde
der verfassungstreue Kandidat Panowsky mit bedeuten⸗ der Majoritũät gewählt. Der föderalistische Kandidat Smetana erhielt kaum ein Viertel der abgegebenen Stimmen.
Pest, 22. Juni. Die Mehrzahl der hiesigen Blätter be⸗ spricht heute in mehr oder minder erregtem Tone die Nachrichten über die Umtriebe der Omladinisten im Süden des Landes. Sie stimmen insgesammt in der Forderung überein, daß die Regierung jene Vorgänge mit wachsamem Auge ver⸗ folgen und wo dies erforderlich, sofort mit aller Entschiedenheit einschreiten möge. Was die gesetzlichen Handhaben hierzu an⸗ belangt, so berichtet „Ellenör“, daß im Justiz⸗Ministerium nach⸗ geforscht wird, ob und welche Gesetze vorhanden sind, die zur Unterdrückung der Agitation angewendet werden können. Uebrigens meint er in Uebereinstimmung mit dem „P. Lloyd“, daß, wenn etwa auch ein auf die vorliegenden Fälle anwendbares geschrie⸗ benes Gesetz nicht existiren sollte, doch jedenfalls das Gesetz der öffentlichen Wohlfahrt und der Staatsraison existire, und daß die Regierung im Sinne dieser Gesetze für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung im Lande zu wirken habe. Wichtiger als energische Maßregeln — so erklärt die Mehrheit der Jour⸗ nale — seien indessen energische Persönlichkeiten; die Regierung möge sich daher insbesondere die geeignete Besetzung der betref⸗ fenden Obergespansstellen angelegen sein lassen.
Pest, 23. Juni. (W. T. B.) Die ungarische Regie⸗ rung wird, wie das Journal „Hon“ meldet, dem Zusatzver⸗ trag bezüglich der Südbahn nicht zustimmen, da sie die Verantwortung für die Konsequenzen desselben nicht übernehmen will; dagegen acceptirt dieselbe die Baseler Konvention und wird auf Grund derselben die zur Lestrennung des ungari— schen Südbahnnetzes erforderlichen Schritte einleiten.
Schweiz. Bern, 22. Juni. In Folge der in jüngster Zeit in der Schweiz durch Naturereignisse herbeigeführten schweren Unglücks⸗ fälle, hatten sich in der Presse zahlreiche Stimmen gegen die Murte⸗ ner Schlachtfeier erhoben und den Wunsch um Berschiebung oder Aufhebung desselben ausgesprochen. Dem gegenüber hat sich der Centralausschuß zu der Erklärung veranlaßt gesehen, daß es, so anerkennungswerth die Beweggründe auch wären, welche die erwähnten Kundgebungen hervorgerufen hätten, doch bei der Abhaltung des Festes sein Bewenden haben müsse, da die Vor⸗ bereitungen dazu bereits zu weit vorgeschritten wären und eine Einstellung derselben nur neue Opfer und Lasten nothwendig machen würde, ohne daß dadurch zur Linderung der Noth der Ueberschwemmten heigetragen werden werde. Es fei daher besser, man füge nicht Lasten zu Lasten, sondern lasse der Feier ihren Lauf, denke bei derselben aber auch der Ueberschwemmten.
Großbritaunien und Irlaud. London, 22. Juni. Der zwischen England und den Vereinigten Staaten von Nordamerika schwebenden Auslieferungsfrage, welche durch die Botschaft des Präsidenten Grant an den amerikanischen Kongreß in eine neue Phase getreten ist, widmet die heutige „Times“ ihren ersten Leitartikel. Es heißt darin u. A.: „Weder die Regierung der Vereinigten Staaten noch unsere eigene können es wagen, einen Auslieferungsver⸗ trag zwischen uns ein Ding der Vergangenheit werden zu lassen. Es mag bezweifelt werden, ob die Vereinigten Staaten oder wir selber mehr durch dessen Abwesenheit leiden würden; es ist gewiß, daß beide leiden würden und zwar sehr ernstlich. Deshalb follten keine Rücksichten der Empfindlichkeit oder der Spitzfindigkeit der schleunigen Unterhandlung eines neuen Auslieferungsver⸗ trages mit den Vereinigten Staaten störend in den Weg treten. Der Vertrag von 1842 muß als verschwunden betrachtet werden. Wir sahen das ein, sobald Winslow auf freien Fuß gesetzt wurde, und die Botschaft des Präsidenten Grant bestätigt die Meinung. Der Präsident hat allerdings einen Meinungsausdruck des Kongresses über den Gegenstand nachgesucht und feine Bot— schaft ist an den Ausschuß des Repräsentantenhauses über aus— wärtige Angelegenheiten verwiesen worden, aber es kann nicht bezweifelt werden, daß der Kongreß ihn ersuchen wird, Gesuche um die Auslieferung flüchtiger Verbrecher in Gemäßheit des Vertrages von 1842 weder zu stellen noch zu gewähren, bis irgend eine neue Verständigung mit der britischen Regierung erzielt worden ist. Es wird befriedigend sein, wenn die Erörte⸗ rung des Gegenstandes im Repräsentantenhause und im Senat J zu einer neuen Uebereinkunft zu gelangen, nicht erhöht.
Der, Daily Telegraph“ empfiehlt Festhalten an dem von der britischen Regierung bisher eingenommenen Stand-⸗punkte. „Lieber gar lein Vertrag, sagt das genannte Blatt, als daß Eng—⸗ land irgend einer Macht gegenüber sein seit undenklichen Zeiten bestehendes Recht aufgiebt, zu wissen, aus welchem Grunde und wegen welchen Vergehens der gemeinste Flüchtling ausgeliefert werden soll. Das ist ein Prinzip, welches die britische Altion in der Angelegengeit beherrscht und Lord Derby hat die ganze Nation hinter sich in der Politik, die er während der ganzen gegenwärtigen Verwickelungen beobachtet hat.“
— Aus Cape Coast Castle wird dem Reuterschen Bureau in London unter dem 27. v. M. gemeldet: „Seltdem Ihrer Majestät Schiff „Ariel“! von Whnydah abgesegelt ist, weigert sich der König von Dahomeny wieder, die Buße von 500 Oxford Palmöl, die ihm vom Commodore Hewett aufgelegt worden, zu entrichten, und hat den Cabocers befohlen, das Oel, welches fie bereits zu diesem Behufe mit Beschlag belegt, zurückzuerstatten. Gestern wurde in Whydah die Ankunft des französischen Admi⸗ rals erwartet.“
Frankreich. Paris, 22. Juni. Der Marschall⸗ Präsident hat bis jetzt ⁊00 politische Verurtheilte be⸗ gnadigt. Der ‚Moniteur“ bemerkt dazu, die Milde des Staats⸗ Oberhauptes werde dabei nicht stehen bleiben. — Die Verände⸗ rungen im Personal der Unter⸗Präfekturen sind bis zum 2. Juli aufgeschoben.
— Nach einem der „Köln. Ztg.“ zugegangenen Telegramme war die Vertheilung der Stimmen bei der Wahl des Ausschusses für das Gesetz Waddington in den Bureaus des Senats folgende: Anhänger des Gesetzes Waddington 127, Gegner 184; weiße Stimmzettel einer; abwesend waren 21 Se⸗ natoren, welche als Anhänger des Gesetzes, und 13 Senatoren, welche als Gegner desselben gelten. Laboulaye enthielt sich der Abstimmung. Es stehen also 148 Stimmen für und 147 gegen das Gesetz in Aussicht. Es fragt sich dann noch, auf welche Seite bei der öffentlichen Abstimmung der Senator mit dem weißen Stimmzettel und der Senator Laboulaye, der sich der Abstim⸗ mung enthielt, treten werden. Drei Senatorensitze sind durch Todesfälle erledigt.
Italien. Rom, 23. Juni. (W. T. B.) Die Depu⸗ tirten kamm er begann heute die Berathung der Eisenbahn— vorlage, die Debatte bewegte sich hauptsächlich um Art. 4, in welchem bestimmt ist, daß der Bahnbetrieb der Privatindustrie zu überlassen sei. Die Berathung wird morgen fortgesetzt.
— Den „Ital. Nachr.“ zufolge erwartet man dieser Tage einen Geistlichen aus Konstantinopel, welcher dem früheren Pa⸗ triarchen Hassan den Weg zur Rückkehr dahin bahnen und überhaupt gute Beziehungen zwischen der hohen Pforte und dem päpstlichen Stuhle wieder anknüpfen soll.
Türkei. Konstantinopel, 23. Juni. (W. T. B.) Die Pforte hat zur Verstärkung der Armee⸗Corps bei Nisch und Novibazar abermals Truppen abgesandt. — Der Groß vezier hat eine Proklamation an die Bulgaren erlassen und die Christen und die Muhamedaner zur Emigkeit aufgefordert. — Kiamil Pascha ist gestorben.
— Die Regierung ist zur Regelung der Staatsschuld nach Maßgabe des Irade vom 6. Oktober v. J. und zur Sicher- stellung der in demselben getroffenen Bestimmungen mit der Ottomanbank in Unterhandlung getreten. Rach der mit der Ottomanbank abzuschließenden bezüglichen Konvention sollen die für die Staatsschuld angewiesenen Staatseinkuͤnfte durch die Ottomanbank direkt vereinnahmt werden.
— Ueber die Ermordung der türkischen Minister bringt der „Standard“ folgende Darstellung seines Berichterstatters in Konstantinopel, die von Ahmed Kaiserli Pascha, dem eben⸗ falls verwundeten Marine⸗Minister, herrührt, und daher den vielfachen Komplottgerichten verschiedenster Art gegenüber beson⸗ dere Beachtung verdient:
Ein cirkassischer Offizier mit dem Rang ols Hauptmann oder Jüsbaschi hatte eine Zeit lang Adjutantendienste bei dem Prinzen Jussuf Ezzedin, dem ältesten Sohne des letzten Sultans, gethan. Er war jedoch ein so un⸗ verträglicher Gesell, und so sehr dem Trunke ergeben, daß ihn schon vor einigen Monaten Jussuf entlassen mußte, worauf er Befehl erhielt, sich bei seinem Regimente in Bagdad zu melden. Er gehorchte indessen dieser Weisung nicht, sondern trieb sich fortwährend in Konstantinopel umher, wo er als Hassan der Circassier eine bekannte Persönlichkeit war. Nach der Absetzung des letzten Sultans bestand Hussein Apni Pascha darauf, Hassan müsse angehalten werden, zu seinem Truppentheil zu stoßen. Damit dem weiland Adjutanten aber die Sache weniger bitter werde, verlieh man ihm den Charakter als Major. Auch jetzt weigerte sich Hassan noch, Konstantinopel zu verlassen, und die Folge war, daß er wegen Insubordination ver⸗— haftet wurde. Nachdem er einige Tage in Arrest gewesen war, ließ er dem Kriegs⸗Minister mittheilen, er wolle schon nach Bagdad gehen, wenn man ihn mit den nöthigen Geldern für die Reise ausstatte. Daraufhin gab man ihm denn in der That die Freiheit und die verlangten Reisegelder. Spät am Donner⸗ stag Abend nun erschien er im Hause Hussein Avni Pascha's und wünschte den Minister zu sprechen. Der Pascha, hieß es dort, sei bei Midhat zur Kabinetsberathung, und Hassan setzte alsbald nach Stambul über und begab sich zu Midhat Pascha's Wohnung. Den Dienern dort erklärte er, sein Auftrag sei, eine Botschaft des Sultans an Hussein Apni Pascha zu überbringen. Da er in Uniform war und man ihn als eine mit dem Hofhalt in Verbindung stehende Persönlichkeit kannte, so wurde dem Kriegs⸗Minister mitgetheilt, ein Bote des Sultans habe ihm eine Mittheilung auszurichten. Hussein Avni erwiderte, der Mann solle eintreten, und erhob sich gleichzeitig, um dem vermeintlichen Boten entgegen zu gehen. In der Ueberraschung erkannte er Hassan und fragte, was er denn wieder wolle. Die Antwort war ein Pistolenschuß. Der Minister stürzte, von der Kugel in der Stirn getroffen, sofort zu Boden, und Hassan brachte dem Lie⸗ genden noch zwei weitere Schußwunden bei. Raschid Pascha war mitterweile emporgefahren und stürzte zur Thüre, um Beistand herbeizurufen, allein ehe er noch an der Thüre anlangte, streckte ihn der Mörder mit einem weiteren Schusse nieder. Ahmed Kaiserli Pascha benutzte nun einen günstigen Augenblick, um Hassan in den Rücken zu fallen und ihn bei beiden Armen an den Ellbogen festzuhalten. Es ge⸗ lang jedoch dem Mörder, seinen Dolch zu ziehen und hinter sich und über die Schultern stoßend, Kaiserli an Ohr, Arm und Schulter zu verwunden und schließlich zu nöthigen, ihn loszulassen. In der Zwischenzeit hatte der Großvezier mit Midhat Pascha Hülfe herbeigerufen und schließlich waren eine Menge Personen be⸗ müht, den Mörder zu ergreifen und unschädlich zu machen. So⸗ bald derselbe aber die Hände wieder frei hatte, bediente er sich auch wieder seines Revolvers und so war er im Stande, noch zwei weitere Personen zu tödten und zwei andere zu verwunden, ehe man ihn zuletzt überwältigte. Die Einen behaupten, er habe gerufen, als thue ihm nur leid, daß er Midhat Pascha nicht auch getroffen habe, während andere von den Anwesenden er⸗ klären, er habe versichert, er wolle Midhat Pascha und dem Großvezier nichts anhaben. Indessen ging der ganze Vorfall so rasch vor sich und die Anwesenden waren so sehr verwirrt und erschrecken, daß klare Erinnerung überhaupt schwer wäre.
Das Bestreben, den Prinzen Jussuf Ezzedin mit der bluti⸗ gen That in Zusammenhang zu bringen, hält der Berichterstatter für durchaus grundlos.
— L us der Herzegowina wird der „Polit. Correspondenz“ vom 23. Juni gemeldet, daß Moukh tar Pascha demnächst eine andere Bestimmung erhalten werde. Vorläufig sei als sicher anzusehen, daß derselbe nicht in seinem bisherigen Hauptquartier Gaczko bleibe, zum Truppen⸗Küommandanten von Gaczko sei Ali Pascha ernannt. Das Ober⸗Kommando der bei Risch konzentrirten Armee werde Ham di Pascha übernehmen.
— Wie der „Pol. Korr.“ aus Belgrad gemeldet wird, war der Senator und Kultus⸗Minister zur Disposition, Philipp Christits, am 21. bereits auf der Reise nach Konsiantinopel begriffen. Was seine Mission betrifft, so zerfällt sie in zwei Theile. Der eine Theil betrifft die Reklamationen Ser— biens, welche durch die seit September vorigen Jahres vorgefallenen Ereignisse veranlaßt sind. Die fürstliche Regie⸗ rung weist ziffermäßig nach, wie viele Schäden dem Lande durch die Ueberfälle zugefügt wurden, welche Baschi⸗Bozuks, Tscherkessen ꝛ2ꝛc. auf serbischem Gebiete ausgeführt haben. In diese Rubrik der Reklamationen sind auch die „Adas“ (kleine Inseln) der Drina eingereiht, welcher sich bos⸗— nische Türken mit Waffengewalt bemächtigt haben. Der zweite Theil der Misston bezieht sich auf die Frage der serbischen Truppenaufstellung an der Grenze und der Modalitäten, unter welchen die normale Ordnung der Dinge wieder hergestellt werden könnte. Als erste Bedingung für letz⸗ tere Eventualität sollte Christits die Zurückziehung der türkischen Truppen von der bosnischen, bulgarischen und altserbischen Grenze bezeichnen. In dem Momente, in welchem die Verhältnisse an der turkischen Grenze jene Gestalt wieder annehmen werden, die sie vordem hatten, würde die serbische Miliz entlassen werd. n.
— Die „Politische Correspondenz“ schreibt: Die Berliner Meldung einiger Wiener Blätter, daß Fürst Gortschakoff angeregt habe, sich schon jetzt für den Fall, daß die einge— tretene Waffenruhe nicht zu dem erwarteten Resultate führen
sollte, zu verständigen, und daß diese Anregung vom Fürsten Bismarck und vom Grafen Andrassy abgelehnt worden sel, wird uns von gut unterrichteter Seite mit dem Beisatze als unbe⸗ gründet bezeichnet, daß eine derartige Anregung bis heute von keiner Seite erfolgt ist.
Numänien. Bu karest, 24. Juni. (W. T. B.) Durch ein Dekret des Fürsten sind die beiden Kammern . 2. Juli zu einer außerordentlichen Session einberufen worden.
Dänemark. Kopenhagen, 21. Juni. Der Aus⸗ schußbericht über den Gesetzentwurf, betreffend außerordentliche Veranstaltungen zur Beförderung des Vertheidigungswesens, kam in der gestrigen Sitzung des Folkethinges zur Vertheilung. Referent ist Bojsen. Der Bericht erklärt:
Die resultatlosen Verhandlungen zwischen den bisherigen Regie⸗
rungen und dem Folkethinge in den verflossenen 4 Jahren scheine die Aufgabe ihrer Lösung noch nicht um einen Schritt näher gebracht zu haben und nach dem Königlichen offenen Briefe vom 30. März d. J., wodurch das Folkething aufgelöst wurde, hätten die Neuwahlen in hervorragender Weise auf die Befestigungsfrage und die Bedingungen dafür Bezug genommen. Nach dem Ausfall der Wahlen konnte das Mini⸗ sterium kaum erwarten, daß das neue Folkerhing geneigter als das alte sein würde, von dem vom lttzteren in zwei Sessionen angenommenen Entwurf abzuweichen und sich dem des Ministeriums mehr zu nähern. Der jetzt vorgelegte Entwurf sei nichtsdestoweniger unverändert, er enthalte nur die Modi⸗ fikationen, worüber das Minifterium mit dem Landsthinge einig ge—⸗ worden sei. — Der Ausschuß habe es für seine Aufgabe erachtet, dem Thinge Aufklärung darüber zu verschaffen, inwieweit es über haupt . Zeit etwas nützen könne, eine Detailverhandlung über diese Sache wieder aufzunehmen, was nach der Auflösung des Folkethinges natürlicher Weise nur auf Grundlage des früheren Entwurfes des Folkethinges geschehen konnte, sowie der- selbe in seinen Grundzügen bei den Wahlen als von den Wählern gutgeheißen angesehen werden mußte. Dem Ausschusse mußte es des—= halb angelegen sein, bevor er mit seiner Arbeit fortfuhr, sich Auf⸗ klärung darüber zu verschaffen, wie weit das Ministerium noch die Erklärung festhalte, womit die letzte Sesston schloß, daß die Annahme det Folkethingsentwurfes gleichbedeutend mit der Ver⸗ werfung der Sache sei, oder wie weit das Ministerium jetzt geneigt sein könnte, auf den genannten Entwurf als Grundlage fuͤr die Verhandlungen einzugehen. Der Ausschuß richtete deshalb unterm 23. Mai ein Schreiben an den Konseils - Präsidenten, worin derselbe um Auskunft darüber ersuchte, wieweit das Mini- sterium, angesichts der letzten Wahlen, geneigt sein möchte, auf die künftige Behandlung der Sache im Reichstage auf Grundlage des in der letzten Session vom Folkethinge in dritter Lesung angenommenen Entwurfs einzugehen, sowohl was die Realität der Sache, die Höhe der Bewilligung und die Att und Weise der Be⸗ schaffung der Mittel petreffe; ferner bat der Ausschuß um Mittheilung alles dessen, was zur Aufklärung über die Stellung des Ministeriums zur Sache im Banzen genemmen dienen könnte. Auf dieses Schreiben erhielt der Ausschuß am folgenden Tage Antwort: „In Veranlassung des sehr geehrten Schreibens des Ausschusses vom 235. d. unterlafse ich nicht, mitzutheilen, daß das Minifterium sich nicht im Stande sieht, auf den in der vorigen Reichstagssession vom Folkethinge in dritter Lesunz angenomme⸗ nen, bei der schließlichen Abstimmung aber verworfenen Entwurf ein- zugehen, da es, soweit es die Realität der Sache betrifft, ebensow nig jetzt wie früher ez für ausreichend hält, die Vertheidigung Kopen⸗ hagens nach der Seeseite auf schwimmende Forts zu stützen, und es, soweit es die Art und Weise der Beschaffung der Mittel be⸗ trifft, es fernerweit für unzulässig erachtet, der Bevölkerung neue Steuern aufzuerlegen, so lange der jährliche Ueberschuß und die vor⸗ handenen die poniblen Mittel als vollkommen ausreichend zur Deckung der außerordentlichen Ausgahen, sowohl zum Vertheidigungs— wesen wie zu anderen nützlichen Veranstaltungen, z. B. die Entwickelung der Kemmunikationsmittel, angesehen werden müssen. Was schließlich die Höhe der Bewilligung betrifft, so will ich nur daran erinnern, daß der Unterschied zwischen dem in dem Gesetzentwurf der Regierung verlangten und dem im obengenannten Aenderungsentwurf angebotenen Beträge nur ca. 3 Millionen Kronen beträgt. — Wenn der geehrte Ausschuß mit der Bitte um Mitthei⸗ lung dessen schließt, was im Uebrigen zur Aufklärung über die Stellung des Ministeriums zur Sache im Ganzen genommen dienen kann, so 6 ich mich nicht im Stande, diesem in so großer Allgemeinheit ausge⸗ prochenen Verlangen nachzukommen, weil nicht einmal vom Aus- schusse angedeutet ist, in Betreff welcher Pu kte man nähere Aufklärung wünschen möchte; ich muß hieran gleichzeitig die Bemerkung knüpfen, daß ferneren Auslassungen des Mmisteriums im gegenwärtigen Stadium der Sache selbstverständlich nicht die Bedeutung beigelegt werden kann, daß die endliche Entscheidung der Angtlegenheit durch eine fortgesetze Verhandlung zwischen der Regierung und den beiden Abtheilungen des Reichstages dadurch vorgegriffen wird“.
Der Ausschuß fand diese Antwort, was die eigentlichen Streitfragen betrifft, genügend deutlich, indem die Befestigung Kopenhagen nach der Seeseite durch neue feste Forts und der Widerstand gegen die Steuer auf Einkommen und Vermögen mit gleicher Stärke wie früher festgchalten wird. In Betreff des hervorgehobenen geringen Unter- schiebes von 3 Millionen Kronen zwischen den Summen. des Re— gierungs, und des Folkethings Entwurfes erbat sich der Ausschuß aber in drei bestimmten Fragen Auskunft: ob das Ministerium 33 Mill. Kronen zur vollstandigen Durchfübrung der außerordentlichen , für ausreichend hält; ob das Ministerium alle nicht im Entwurfe aufgenommenen Veranstaltunzen definitiv auf⸗ giebt; und im bejahenden Falle, ob das Mwisterium die näheren Gründe angeben will, welche dafür sprechen, daß der Betrag von 33 Mil. Kronen auf die im Gesetzentwurfe vorgeschlagene Weise am besten an⸗ gewendet sein wird. Die hierauf vom Conseilspräsidenten eingegangene Antwort hält die Majorität des Ausschusses für verneinend, so daß das Ministerium fortgesetzt die beantragte Bewilligung von 53 Mili. Kronen als zur Erreichung des Zweckes für ungenügend erachtet; aher auch über die zweckmäßigste Verwendung dieser Summe hat das Mi⸗ nisterium kein Gutachten ihrer Sachoerständigen eingeholt. — Von der Minorität des Ausschusses ist gleichfalls ein Entwurf ausge—⸗ arbeitet worden, welcher dem Ministerium übersandt, von diesem aber als ungeeignet zur Grundlage vor Verhandlungen zurückgewiesen ist
Der Bericht des Ausschusses schließt: Ungeachtet die Majorität einem Ministerium gegenüber, welches in einem so auffälligen Grade wie das gegenwärtige eine so deutliche Kundgebung des Willens der Be⸗ völkerung, wie sie bei den Folkethingswablen am 25. Arril stattfand, igvoriren zu knnen und zu müssen glaubt, eine einfache Verweigerung des Uebergangs zur zweiten Lesung für die vassendste Antwort bält, so findet man es doch am xrichtigsten durch einen Beschluß des Thinges bestätig; zu erhalten, 6 es die Auffassung der Majorität von der Bedeutung der neuen Folkethings⸗ wahlen hinsichtlich dieser Frage ist, daß die überwiegende Majorität der Wäbler sich dem vom Folkethinge früher vorgelegten Entwurf in seinen Grundzügen angeschlossen hat. In Folge dessen be⸗ antragt die Majoritãät, die Verhandlung über die vorliegende Sache durch die Annahme folgender Tagesordnung zu schließen:
„Jadem das Folkething ausspricht, daß es villig ist, einen Betrag ven ea. 30 Mill, Kronen zu bewilligen, zu Wege gebracht durch eine Steuer auf Einnahme und Vermögen, zur Bi hf e. eines zwecdienlichen Vertheidigungsplan es, der Kopenhagens Befesti⸗ gung durch neue feste Werke ausschließt und einen militärischen Stütz. punkt in Zütland mit aufnimmt, — geht das Thing zur Tagetz— ordnung über.“
23. Juni. (W. T. B) In der heutigen Sitzung des Folkething gelangte die bereits gemeldete, von der Majorität der Kommiffion bezüglich der Wehrvorlage