1876 / 173 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 25 Jul 1876 18:00:01 GMT) scan diff

Heiligthum des Asklepios, unweit westlich von dem durch Strack aus—⸗ gegrabenen Theater. Man hat nicht nur die Grundmauern gefunden, sondern auch eine ganze Anzahl von Skulpturen, namentlich Votio⸗ steine mit Reliefs und Inschriften, die sich auf den Heilgott nebst Hygieia und Machaen beziehen. Auch eine Bau Inschrift ist gefunden gus dem Jahre des Diokles (287 v. Chr.). Die Fortsetzung dieser Ausgrabung verspricht noch mannigfache Ausbeute für Kunst und Topographie. In Tanagra findet man jetzt Terrakotten des alter⸗ thümlichsten Stils, weibliche Fdole mit einem Modius auf dem Kopfe, schwarz und roth bemalt auf gelbem Grunde.

. Bisher waren in der mit der Königlichen Charits in Ver— bindung stehenden chirurgischen Klinik und in der propä de u- tischen Klinik für innere Krankheiten neben den dirigirenden Aerzten (Geheimen Medizinal⸗ Rath Piofessor Dr. Bardeleben und dem verstorbenen Geheimen Meyizinal Rath Professor Pr. Traube) ie zwei Militär-AUssistenten beschäßstigt, die neben der Unterstützung der dirigiren den Aerzte in der medizinischen Praxis auch für die wissen⸗ schaftlichen Zwecke der Kliniken verwendet wurden, indem sie die sich darbietenden neuen Krankheiterscheinungen oder erfolgreiche neue medizinische Operationen zu wssenschaftlichen Abhandlungen ver— arbeiteten. Da jedoch die praktische Thätigkeit dieser Assiftenzãrzte ihnen wenig Zeit für die wissen chaftliche Ausbeutung der in ihrer Praxis hervortretenden neuen Erscheinungen gewährt, fo sind nunmehr sowohl für die chirurgische als auch für die propädeutische Klinik je ein wissenschaftlicher Civil⸗Assistent mit einem Jahresgehalt von 150 Thlrn. angestellt worden, der als solcher ausschließkich die oben beschriebenen Zwecke zu verfolgen hat. Bei der propädeutischen Klinik ist als wissenschaftlicher Civil -Assistent Herr Dr. Fränkel und bei der chirurgischen Klinik Herr Stabarzt Kochler angeflellt worden.

Von dem sogenannten Kompetenzgesetz wird, sobald dasselbe die Allerhöchste Sanktion erhalten haben wird, in Verbindung mit der Kreiserdnung, der Provinzialordnung und dem Gesetz, betreffend die Verfassung der Veiwaltungsgerichte ꝛc. vom 3. Jul d. J. der Königliche Geh. Regierungs, und vortragende Rath im Ministerium des Innein, v. Brauchitsch, eine Ausgabe veronstalten, welche die hetreffenden Gesetze mit Erläuterungen und Tabellen über die Zuständigkeit der Behörden, Instruktionen und Iegulative enthal ˖ ten wied. Der Preis dieses Handbuchs, für welcheg vorläufig der Titel Organisationsgesetze der inneren Verwaltung für die Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Schlesjien und Sachsen gewählt ist, und welches voraussichtlich im September d. J. erscheinen wird, soll höchstens 6 „, bei Partien noch weniger betragen, um das Werk den Behörden und dem Publi⸗

kum möglichst zugänglich zu machen. Den Verlag hat Carl Hey— manns Verlag (Dr. Otto Loewenstein) hierselbst übernommen.

Gewerbe und Handel.

Zu Hertslets Coupon⸗Warner werden demnächst Nach⸗ träge erscheinen, auf welche man beim Verfaffer, Mauerftraße 55, mit 3 Æ abonniren kann.

Aus dem in der Generglversammlung der Schw eizerischen West hahn en vorgetragenen Geschäftsbericht pro 18355 wird Folgen. des mitgetheilt; Es haben die Einnahmen 12,158, 989 Fr, die Aus. gaben dagegen 11,028,934 Fr. betrazen. Der Reingewinn beziffert sich sonach auf 1 130,955 Fr. Hierzu der Vortrag aus der Jahres. rechnung pro 1874 ergiebt einen verfügbaren Betrag von 1B 694 043 Fr. Hiervon ab die Entnahmen für Reserven und Amortssatlos bleibt ein Rest von 440 900 Fr., der die Verzinsung der privilegirten Aktien mit 5 o ermöglicht und überdies 90 000 Fr. auf neue Rechnung vorzutragen gestattet. Die Versammlung genehmigte die Jahres rechnung und wählte die ausscheidenden Zensoren und Ad⸗ ministratoren. wieder. Ferner genehmigte die Versammlung die Aufkündigung des mit dem Comptoir d Eszcompte in Paris bezüglich einer Krediteröffnung in Höhe von 16 Millionen abge⸗ schlofsenen Vertrages. Die Direktion machte ferner Mittheilung über das Projekt einer Fusion mit der Jougne-Gesellschaft und der Sim— plonbahngesellschaft. Diese Frage wird in der zum 10. August ein- berufenen außerordentlichen Gen ralversammlung der Aktionäre end. gültig erledigt werden. Endlich machte die Verwaltung die Ver— sammlung noch mit ihrer Absicht bekannt, die hypothekarische Anleihe von 1859 im Betrage von 6 Millionen in eine gewöhnliche Obliga⸗ tionenanleihe zu konvertiren.

Paris, 23. Juli. (Köln. Ztg) Die Anleihe der Stadt Parigz ist 54 Mal überzeichnet. Die „Liberté veroffentlicht eine offizielle Depesche aus Tunis, worin die Nachricht von einer neuen tunesischen Anleihe als falsch bezeichnet wird.

London, 24 Juli. (W. T. B. Die Otto manische Bank macht bekannt, daß in Folge einer von der ägyptischen Regierung in dem Meeting für die Ziehung der Bonds der Anleihe von 15873 erhobenen Vorstellung diefe Ziehung nicht stattgefunden hat.

Verkehrs⸗Anstalten.

Der bleibende Ausschuß des Deutschen Handels tagesßs, welcher sich in seinen Aprilsitzungen mit der Frage der für Deutsch⸗ land zweckmäßigsten Eisenbahnpolitik beschäftigt hat, fordert, wie der „Berl. Akt.. mittheilt, nunmehr die Mitglieder des Handelstages (Kaufmannschaften und Handelskammern) direkt auf, sich darüber

guszusprechen, oh der von dem deutschen Reichskanzler eingeschlagene Weg, die großen dentschen Eifenbahnen thatsaͤchlich zu einem einheitlichen Ganzen zu vereinigen, den Interessen des deutschen Handels und der deutschen Industrie entspreche.

Heute wird die zu den elsaß⸗lothringischen Eisenbahnen gehörige, 57.2 Kilometer lange (bayerische Grenz 5 Eisenbahnftrecke . burg ⸗Lauterburg dem a gemeinen Verkehr übergeben. Diefe Bischheim, Wanzenau, Gambsheim,

Bahn hat folgende Stationen: Herligheim,. Drusenheim. Sesenheim, Roeschwopg, Selz, Mothern und Lauterburg. Diese Bahnftrecke hat bei Straßburg Änschluß an die Linie Straßburg Avricourt und bei Lauterburg an die zur Pfäaͤl— zischen Eisenbahn gehörige Strecke Lauterbach Germersheim, deren Eröffnung gleichzeitig bevorsteht.

DW Der Erbauer der Rigi⸗ und mehrerer anderer Bergbahnen, Hr. Olivier Z3schokke in Aarau, hat ein Memorial für Rekon⸗ struirung des Gotthardbahnunternehme ns ausgearbeitet und

dem Schweizer Bundesrath eingereicht, in welchem die Anwendung ö auf den Steil⸗Rampen mit Trajektschiffahrt

des Zahnschienensystems auf den beiderseitigen Seen vorgeschlagen wird. Darin gelangt Hr.

Zschokke zum Schluß, daß mit den vorhandenen Mitteln und ohne Beeinträchtigung des zu erwartenden Verkehrs, der Zweck der Gott= ö

hardbahn erreicht werden könne.

Aus dem Wolffschen Telegraphen-Bureau.

München, Dienstag, 25. Juli, Vormittags. Die Abge⸗ ordnetenkammer berieth in ihrer heutigen Sitzung den Gesetz⸗ entwurf, be reffend den Kredit für die außerordentliche Bedürfnisse des Heeres. Die einzelnen Positionen desselben wurden ohne erhebliche Debatte, meist nach den Anträgen des Ausschusses angenommen, nur bei der Position, betreffend die Verbesserung der Kaser—⸗ nirungsverhältnisse der Mannschaften wurde die Forderung der Regierung im Betrage von 396, 900 M statt der vom Aus? schuß beantragten Summe von 100, 000 S genehmigt. Die im Ganzen bewilligte Summe beträgt 12,190, 073 6, die Forderung der Regierung betrug 16,257, 8500 S6. Im Laufe der Debatte erklärte der Kriegs⸗Minister, die Sachverstãndigen⸗Kommission hahe nach angestellter Prüfung das aptirte Werdergewehr für vollkommen kriegsbrauchbar erklärt. Cats. len

Berlin, den 25. Juli 1876.

München, 22. Juli. Die Jury für die Gruppe D. dis Pro⸗ gramms der Kunst⸗ und Kunst⸗Gewerbe⸗Ausstellung (be⸗ stchend aus Ober ⸗Baurath Leins als Vorsitzender, E. Ewald, C. Weißbach, E. Lange, A. Thiersch, Fr. Miller und Dr. Alb. Ilg als Schriftführer) hat, dem Corr. v. u. f. D.“ zufolge, 42 Anstalten und Schulen zur Auszeichnung mit Preisen vorgeschlagen. Außerdem empfiehlt die Jury nachstehcnden Behörden eine Praͤmiirung 1. Klasse, zu verleihen: Kaiferthunm Desterresch: dem K. K. Kriegs⸗Ministerium für die Förderung des österreichischen Museums und der Kunstgewerbeschule in Wien, dem K. K. Handels⸗ Ministerium für Fie Gründung, Eihaltang und Förderung der zahl⸗ reichen gewerblichen Fachschulen. Württemberg: dem K. Kultus. Ministerium der. K. Centrasstelle. Die Anzahl der Nersten PVreise beträgt im Ganzen 7, der zweiten 5 der dritten 13 und der vierten 21, in Summa 16. Nach den Ländern entfallen auf Oesterreich 18; Württemberg 17, Bayein 6, Sachsen und Preußen se 2 und Baden j. In Bayern erhalten folgen ze Unterrichts anstalten Prämien: Distrikts,, Schnitz, Zeichen⸗ und Modellirschule Werdenfels in Partenkirchen dle treffliche Durchbildung der figuralen Schnitzereien und die dabei gehandhabte tüchtige Technik Prämie 1V., Frauenarbeiferschule in München . mie 1II., Königliche Kunftgewerbeschule in München J., Stickschule, weibliche Industrieschule des Frl. M. Iörres in München III., Frauen⸗ arbeiterschule des Cisterzien Vereins des Frauenklosters Seligenthal in Landshut V., Ksnigliche Kunstgewerbeschul in Nürnberg III. Köͤnig⸗ reich Sachsen; K. Akademie der kildenden Künste in ** K. Kunstgewerbeschule in Dresden J. Preußen: Gew *r schaf wel ze] schule in Breslau I, Unterrichts anstalt deß den! her. rbliche Zeichnen Muscums in Berlin J. Baden: Kunstecg. r schen Geéwerbe—⸗ lichen Landesgewerbehalle in Karls, en erheschule der. Großherzog für Holzschnitzerei in Hallein Keianruhe II. Oesterreich: Fachschule Holzschnitzerei in Haerhante é, Fachschule für Glasindustrie und Verbindung wößern. Ra lil, Fachzeichnen und Modellirschulen in höhere Kein nk einer Lehrwerkstätte für Tischler 2c. in Eles 19. schnitzer⸗ z eint stickereischule in Wien III., Lehrwerkstätte für .

. Marmorhearbeitung in Taufers III., K. K.

a, und 9 z M Gffzewerbschule des K. K. Isterreichischen Museums in

zu Zęeöten 1, Fachschule für Holjschnitzerel in Gmünd (Kärnthen) IV., Sachschule für

Tischlerei und. Drechslerei in Königs berg 19. Fachzeichnen und Modellirschule in Verbindung mit Lehr werkstätten für Tischlerei ze. in Grulich III., Fachzeichnen, Modelliren und Malerschule für Porzellanindustrie in Karlsbad IV., Fachschule ür Holzschnitzerei und Marmorbe nbeitung in Hallstadt (für die rf fl! technische Ausführung von Marmorgefäßer IV., Fach= zeichnen und Modellirschule in Wallachisch, Meseritsch III, Fachschul⸗ für Goldschmiedkunst und verwandte Gewerbe in Prag IV., FƷachʒei onen und Modellirschule in Wallern IV., Fachzeichnenschule für Holz—⸗ schnitzerei und Silberfiligran⸗Arbeit in orting d'Ampezzo 5, Ate⸗ lier und Spitzenschule des Frauenerwerb⸗Vereins in Wien für die stylvolle achahmung alter Spitzenarbeiten III. Württemberg: Frguengrbeitsschule in Reutlingen für die ausgeführten Toiletten und Stickarbeiten I.. Weberschule in Heidenheim IV., Klosterpensionat, Fortbildung und Industrieschule in Bonlanden a. A. Leutkirch JV. Gravir, und Ciselir- Schule in Schwähbisch Gmünd III., gewerbliche Fortbildungsschule in Schwäbisch⸗ Gmünd III., gewerbliche Fort⸗ bildungsschule Reutlingen IV, gewerbliche Fortbildungsschule in Heil⸗ hronn 1, weibliche Fortbilpungsschule in Stuttgart ill., städrische Gewerbeschule in Stuttgart III., gewerbliche Forthildungsschule in Schwähisch⸗Hall IV., gewerbliche Fertbildungsschule in Biberach füuͤr die sorgfältige Durchbildung der Modellirarbeiten IV., Forthilzungs⸗ schule in Rottweil III, gewerbliche Fortbildungsschule in Ehingen 4 D. für die Aufnahmen kunstgewerblicher Mustergegenstände und den Vor⸗ bereitungs Unterricht für Eylograpze II., gewerbliche Fortbildungs⸗ schule in Rottenhurg für die Pflege des figuralen Zeichnens IV, Kgl. Kunstgewerbeschule in Stutigarl Il. 9

Die Prämie J. hestehi in einer silbernen, theilweise vergoldeten Medaille, Prämie II. in einer versilberten, ,, III. in einer bron⸗ zenen Medaille und Prämie IV. in einem ( rendiplom.

Bei manchen Anstalten ergab sich die tothwendigkeit, von der Auszeichnung der Schule nach ihrer Gesammtleistung, welche theil⸗ weise ö aufwies, zwar abzustehen, nichts destoweniger aber dem Institute den Grad der Anerkennung nicht zu versagen, welchen es in Folge trefflicher Ausbildung und Obsorge des einen oder anderen Zweiges ihrer Aufgabe verdient. In diesen . hat die Jury ihr Uitheil durch Zusaz einiger Bemerkungen he onders motivirt. Der- artige Bemerkungen wird das Direktorlum den Prämiirten zur Kennt— niß bringen.

Unter allen in Berlin bestehenden Krankenhäusern ist das Au gust a- Hospital schon seit längerer Zeit das besuchtefte. Ob leich in der jetzigen Jahreszeit, wenn nicht gerade Epidemien herr⸗ e die Krankenhäufer am wenigsten von Kranken aufgesucht wer= deng so ist doch zur Zeit das Augusta-Hospital vollständig besetzt. Dasselbe Anuthält 164 Betten, wovon 103 Betten angenblicklich benußt werden. Die Gründe für diese bemerkenswerthe Thatsgche liegen in der Oꝛrganisation dieser durch die Mildthätigkeit von Privatpersonen entstandenen und erhaltenen und der ganz speziellen Fürforge Ihrer Ma⸗

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jestät der Kaiserin-Königin sich erfreuenden Anstalt. Die Ein— richtungen dieses Instituts sind zum Theil eigenthümlich er Natur und ver⸗ dienen schon deshalb eine nähere Beachtung. Bas Augusta Hospital besteht aus einem unmittelbar unter der Aufsicht der Hofpitalschwest ern stehenden allgemeinem . und aus einem sogen. Asyl, wo selbst Krankenpflegerinnen erangebildet und besser situirte Kranke in besonderen Räumlichkeiten von den Pflegerin⸗ nen verpflegt werden. Dem allgemeinen Krankenhause ift als Oberin unmittelbar vorgesetzt ein Fräulein v. Arni m, welche von acht Schwest ern in der Krankenpflege unterftützt wirk. Dem Asyle ist eine der Schwestern, Frl. v. , vorgesetzt. Wirkliche Hospitalschwester des Augusta · Hospitals kann nur diejenige Dame werden f welche zuvor ein Jahr lang in demselben als Probeschwester thätig ge⸗ wesen ist. Die Annahme als Pisbeschwester erfolgt durch Beschluß des Kuratoriums auf Grund der von diesem jedesmal einzuholenden Allerhöchsten Genehmigung der Kaiserin. Nach Ablauf eines Jahres kann die Probeschwester, wenn sie den Ansprüchen genügt hat, mit Genehmigung der Kaiserin durch das KuratoriLum zur wirklichen hospitalschwester berufen werden. Der Dienst kann einer Schwester nur mit Genehmigung der Kaiserin gekündigt werden, während es der Schwester fressteht, nach dreijähriger Bienftzeit den Dienst zu quittiren. Die Krankenpflege in der allgemeinen Krankenanstalt, wo größtentheils Personen der ärmeren Stande verpflegt werden, wird . den Schwestern ausgeübt. Dic selben sind zu rar n 60 Ir Anahr ee (]

,, kleidung rr 3 haben sie auch für die gehörige Lagerung, Be⸗ e r 24 Reinhaltung der Kranken zu sorgen, ihnen die Medizin, Chelfen und Getränke zu reichen, bei Operationen und Wunder- bänden zu asststiren u dergl. m. Doch sind den Schwestern eine entsprechende Anzahl gemietheter Wärter uud Wärterinnen zur Hülfe beigegeben, Im Asyl; dagegen, wo besser situirte Kranke verpflegt werden, liegt die Pflege ausschließlich in den än zen der daselbst herangebildeten und angestellten Pflegerinnen. Alle Schwestern tragen innerhalb und außerhalh des Hauses die von der Kaiserin ihnen verliehene Kleidung bestehend aus einem blauwollenen Kleide und einem darüber bängenden baumwollenen Kragen. Sie dürfen nur mit Erlaubniß der Oberin das Hospital verlassen; Besuche, welche sie empfangen, unterliegen der Kontrole der Oberin. In der Hauskapelle wird an Sonn- und Festtagen erangelischer Gottesdienst mit Liturgie und Predigt gehalten, woran sowohl die Schwestern als auch die ührigen Hausgenossen und evangetische Rekon valescenten theilnehmen, ohne daß jedoch hierbei irgend welcher Zwang gusgeüht wird. Da das Augusta Heospital Kranke sedes religiösen Be— kenginisses aufnimmt, so ist ausdrücklich in dem Ende vorigen Jahres erlassenen Statut bestimmt, daß den nicht evangelischen Kranken auf Verlangen der Zuspruch eines Geistlichen ihres Bekenntnisses zu Theil wird. „Eine ungehörige Cinwirkung auf die religiösen An— schauungen der Kranken darf in keiner Weise stattfinden. Das Krankenhaus nimmt Personen, welche mit ansteckenden Krankheiten behaftet sind, nicht gern auf, besonders sind Pocken⸗, Syphilis⸗ und Gemüthékcgnke gänzlich gusgeschlossen. Das Kuratorium des Vospitals ist gebildet durch die Herren: Geheimen Regierun 16 Rath Spinola, Direktor der Königlichen Charité, als technischen Kurator, Regierungs Rath Haß, als administrativen Kurgtor und Konsul v d. Heydt, als Kassenkuralor. Die dirigirenden Aerzte der Anstalt sind Professor Dr. Senator und Dr. Küster.

Ueber die furchtbare Feuersbrunst, welche letzten Mittwoch das im badischen Schwarzwald gelegene Dorf Todtnau in Asche legte, entnehmen wir den „Basler Nachrichtenꝰ folgende Schilderung eines Augenzeugen: -

Das Dorf liegt an zwei Straßen, wischen welchen von dem be— nachbarten Feldberg her die Wiese durchfließt; das Ganze ist von Bergen umgeben. An der Straße nach Zell und an der Wiese liegt Eingangs des Thales die Papierfabrik Jtegler ⸗‚ Thoma. ier brach 121 Uhr Mittatzs, während die Leute des Hauses beim Mittagessen waren, das Feuer aus und theilte sich dem Dorfe, durch den Wind begünstigt, in so rascher und so umfangreicher Weise mit, daß bis Nachmittags 3 Uhr Häuser in Asche lagen. Zwischen der Fabrik und den andern Fabriketablissementß des Dorfe liegt eine große Wiese, diese Entfernung bewirkte, daß diese Fabriken unversehit . wurden; der auß. dem rechten Ufer der Wiese gelegene Dorftheil ist abgebrannt, der auf dem linken Ufer gelegene verschont geblieben. Die an der Querstraße wischen der Zeller⸗ und Freiburgerstraße gelegenen drei Gasthaͤuser Jm. abgebrannt, drei Bierhrguereien, alle Pinten und Krämersäden, alle Bäckereien, von den Metzgereien existirt noch eine; endlich das Post. und Telegraphengebände, das Rathhgus, das Pfarrhaus und die Kirche, Es stehen auf dem rechten Wiesenufer nur noch die Baumwollspinnerei und Färberei von Meinrad Thoma's Söhne, die Bürstenfabrik ven Eduard Faller, die Baumwollweherei von Will⸗ mann und die Weberei von Wolf. 248 Familen sind obdachlos. Verluste an Menschenleben sind keine zu beklagen, Wäre das Feuer

ur Nachtzeit ausgebrochen, so hätte ein entsetzliches Unglück die olge sein müssen. Allein anch in diesem Umfange ist das Unglück groß und appellirt an die allgemeine Mildherzigkeit.

Stockholm, 20. Jull. Gelegentlich der Aerztezusammenkunft wurde auch die Frage wegen Einführung des Impfzwanges in den skandinavischen Ländern diskutirt. Sämmtliche Redner gaben ihrer Ueberzeugung Ausdruck, daß die Vaccination den größten Nutzen mit sich geführt und daß diese Methode unbedingt als das beste bekannte Schutzmittel gegen Pocken angesehen werden muß,

weshalb auch die richtige Handhabung des Impfens mit aller Strenge .

zu überwachen sei.

Theater.

Das National-⸗Theater liefert den der verdorbene Geschmack des Publikums die Schuld an der jctzigen Lage der Privat⸗Thegter trägt. Es hat gezeigt, daß wenn man dem

Publikum Gutes bietet, dasselbe nicht fern bleibt, während es sich von

der Geschmacklesigkeit und der Gemeinheit abwendet. Das Nationagi— Theater hat sich von Beiden frei gehalten, so lange es unter seiner jetzigen tüchtigen Direktion steht und gehört darum zu den wenigen privasen Thratern, welche die Thür nicht zu schließen nöthig hatten. Es ist das Einzige, welches nächst dem Königlichen Schauspielhause die klassische Tragödie und das gute Schauspiel pflegt. Dis Stücke, welche das Repertoir der Bühne bilden, haben steizß ihr Publikum gefunden, soweit es der Jahreszeit nach möglich gewesen. Burch den Besuch der berühmten Gäͤste des Wiener Kaiferlichen Hofburg Thea ters aber, welche jetzẽ wieder dort wirken, ift das Intertsse

Frich Feftefßert worden. Die beiden Auffihrungen der, Räub er⸗

Terhedn n

fanden vor ausverkauftem Hause statt; Hrn. Lewäins ky's vollendete Leistung als Franz Moor, die typisch für, alle Nachfolger geworden und die hier noch von früher in ehrender Erinnecung ist, hat seitdem an psychologischer Wahrheit und Vertiefung bedeutend gewonnen; Frau Lewinsky -Precheisen als Amalie mit ihrer echten Leidenschaft⸗ lichkeit und Hr. Hallenstein, der glücklich das übertriebene Pathos des Karl Moor zu mäßigen und eine rein menschliche Figur zu schaf⸗ fen wußte, ernteten einen Beifall, der sich in unzähligen Hervorruf en kokumentirtte. Das Charakterbild: ‚Verlorne Ehre“, mit dem die Gäfte am Montag hervortraten, ist an sich nur wenig werth (es soll von dem unbekannten Bohrmann Riegen nach dem ebenso unbekannten Enrico. Monteecorboli gedichtet sein), ist aber in der That nur eine modernisirte Bearbeitung der bekannten „beiden Galeerensklaven“, worin der alte Devrient eine Glanzrolle hatte. Diesmal ist ste, dem Hrn. Lewinsky zugefallen, der den verkommenen, erbärmlichen, aber doch in seiner Liebe zu seinem Kinde noch menschlichen Sträf⸗ ling mit vollendeter Meisterschaft zeichnete, ebensowohl in seinem frechen Benehmen, als in dem Durchbruch seiner Liebe, und in seiner Um⸗ kehr, seiner Reue üher das, was er eben gethan, wahr und tief er— greifend. Seine und seiner Mitgenossen Leistungen allein konnten diese m Chagrakterbild? Interesse erwedken. Hr. Hallenstein gab den zweiten Sträfling, den früheren Genossen des ersten, der aber eigent · lich unschuldig in das Gefängniß gerathen, und nun seit zehn Jahren eine geachtete, glückliche Stellung im Leben einnimmt und sich als ein ehrenwerther, trefflicher Mensch erweist. Der Künstler gab diesen Charakter frei und edel und zeichn ete die Angst vor Entdeckung, seinen Abscheu und endlich das Mitleid mit seinem früheren Genossen und seine eigene Qual mit erschütternder Wahrheit. Seine Gattin wurde durch Fr. Lewinsky in der vollen glücklichen Heiterkeit dieses reinen Charakters und in der strengen Redlichkeit und Ehrenhaft igkeit desselben, die bis zur Grausamkeit konsequent ist und doch endlich durch die höhere Liebe bestegt wird, ganz vorzüglich dargestellt; die lange Erklärungsscene mit ihrem Gatten, in der ste nur zuzuhören hat, gestaltete sie durch ihr stummes Spiel zu einem Meisterstück der Schauspielkunst. Die anderen Mitwirkenden genügten meist. Am Mittwoch schließen die fremden Künstler leider ihr intere ssantes Gastspiel bereits, und zwar mit Hebbels, Marie Magdalena“.

Wie das „Journal de St. Petersbourg“ mittheilt, ist Frau Pauline Lucca für die nächste Wintersaison für die italienische Oper der beiden russischen Hauptstädte jetzt fest engagirt, da ste die Bedirngungen angenommen hat, die ihr angeboten waren.

Aus Baden, 20. Juli, wird dem „Schwäb. Merkur“ geschrie⸗ ben: Gestern Abend gaben hier die Mitglieder des Berliner (Kö⸗ niglichen) Domchors mit Hrn. Hoforganist Barner von Karls ruhe ein Kirchenkonzert in der hiesigen evang. Kirche, das sich eines sehr starken Besuches erfreute. Herr Barner eröffnete das Kon⸗ zert mit der großen Bach schen Toccata, warauf die Herren des Ber— liner Domchors mehrere Chöre alter italienischer Meister a capella mit größter Korrektheit und Feinheit vortrugen. Ueberraschend war

anz geen ers das Pianissimo in einigen Chören, welches lang ange⸗

halben Tönen einer feinen Orgelstimme glich. Dazwischen wurden Tenor⸗ und Baßarien mit Orgelbegleitung von Mitgliedern des Dem⸗ chors gesungen. Zum Schluß splelte Herr Barner das Händelsche G-moll-(Konzert mit bekannter Fertigkeit, wobei er eine außergewõhn · liche Gewandtheit in der Registrirung kund gab. Wie wir hören, werden die Berliner Herren nun in der Schweiz, Bayern ze. noch mehrere Konzerte geben.

Redacteur: F. Prehm.

Berlin:

Vier Beilagen leinschließlich Börsen ˖ Beilage).

Beweis, daß nicht

dürfen kirchliche Erlasse,

Verlag der Grvedinon (Ke ssel). Diuck: W. El zner⸗

Staat und Kirche. XVII. (Vgl. Nr. 168 d. Bl)

Die kirchenpolitischen Gesetze in Hessen und Württemberg finden in dem Sendschreiben eines Württembergers an die Katholiken in Hessen“) eine vergleichende Besprechung. Der Verfasser stellt den über diese Gesetze in Hessen hier und da auftauchenden Miß⸗ verständnissen, dem Versuch, die katholische Kirche als durch ste geschädigt, die heutige christliche Religion bedroht, die Ka— tholiken verfolgt zu schildern, das Blühen der katholischen Kirche in Württemberg gegenüber, wo die gleichen Gesetze schon seit 1862 und theilweise schon seit früher gelten, wo insbesondere der Staat schon feit 58 Jahren die Er⸗ & gung der künftigen Kleriker in der Hand hat.

die württembergische und hessische also auch preu ßische und österreichische Gesetzgebung nicht durchweg neu“ ist, wird betreffs des Gesetzez über bie Anstellung der BGeistlichen durch den Hinweis auf Kaiser Heinrich II. gest. 024, heilig gesprochen 1146 dargethan, der bei Freigebung einer geistlichen Wahl ausdrücklich bestimmte: „Aber unter Vorbehalt der zustimmung des Königs und Kaisers“. Das Gesetz über den Amtsmißbrauch findet seinen Vorläufer in dem von Kaiser Rudolf Il. ausgegangenen und vom Reichs kammergericht be⸗ stätigten Verbot der Exkommunikation von? Bauern mit bürgerlicher Wirkung, sowie in dem Befehl des Reichs kammergerichts vom Jahre 1677 an den Erzbischof von Cöln, eine Exkommunikation „als Eingriff, Mißbrauch, Konfusion und Zerrüttung der weltlichen und ordentlichen Juris⸗ diktion ! gänzlich zu unterlassen.

1) Rücksichtlich des hessischen Gesetzes über die recht⸗ liche Stellung der Kirchen- und Religions gesell⸗ schaften im Staat weist der Verfasser nach, daß schon nach der württembergischen Verfassungsurkunde von 1519 den Könige das oherhoheitliche Schutz- und Aufsichtsrecht über die Kirchen gebührt, während die Anordnungen in Betreff der inneren kirchlichen Angelegenheiten der verfassungs mäßigen Autonomie einer jeden Kirche unterworfen bleiben. (Vergl. den sächfischen Gesetzentwurf dieses Jahres). Schon nach der Kö⸗ niglichen Verordnung von 1830 stehen die Geistlichen gleich den Laien unter der staatlichen Gerichtsbarkeit. Bischöflich e Dekrete haben in Württemberg die Prozessionen außer⸗ halb der Kirche, die Benutzung gekleideter Bilder, die Bittgänge theils beschränkt, theils ganz untersagt. Dem ent⸗ sprechend ist das hessische Gesetz. Das Placet wird durch das hessische Gesetz aufgehoben. Alle kirchlichen Verordnungen müssen in Hessen gleichzeitig mit der Verkündigung der Staatsregierung mitgetheilt werden, können aber kn Bezug auf bürgerliche oder staatsbürgerliche⸗ Verhältnisse rechtliche Geltung nicht in Anspruch nehmen oder in Vollzug gesetzt wer⸗ den, bevor fie die Genehinigung des Staats erhalten haben. In Württemberg dagegen besteht das Plaeet seit 1865 noch jetzt. Dort be⸗ : die zu etwas verbinden follen, was nicht ganz in dem eigenthümlichen Wirkungskreise der Kirche liegt und „welche in staatliche oder bürgerliche Verhältnisse ein⸗ kee, zu ihrer Veröffentlichung der landesherrlichen Er⸗ aubniß.

2 In Betreff des Gesetzes über Mißbrauch der geist⸗ lichen Amtsgewalt fragt der Verfasser des Sendbriefs, ob ein „Freund der echten individuellen politischen Frei⸗ heit“ es billigen könne, wenn Geistliche die ihnen zustehende Amtsgewalt zur Beschränkung des politischen Wahlrechts, des Sehorsams gegen die Gesetze, des Rechts der Beschwerdeführung beim Staate (recursus ab aàpusu) anwenden, ob es zu wün⸗ schen sei, daß die Strafmittel selbst über das rein religiöse Ge⸗ biet hinausgehen, ob es geduldet werden könne, daß Geistliche, statt das Evangelium zu lehren, Po⸗ litik treiben. Nur hiergegen sei das hessische Gesetz gerichtet. Der Strafbeflimmungen aber werde man ati h sowenig in Hessen als in Württemberg bedürfen, wenn ie Geistlichen sich ihrem heiligen Amt ganz hingeben. „Richt dadurch sagte der damalige heffische Minister⸗Prãäsident Hofmann am 3. Oktober 1874 in der Zwelten Kammer der Land stände, „wollen wir die Macht der Geistlichen brechen, daß die Religion im Volke durch die Zerstörung des Glaubens beseitigt wird. Davon ist die Regierung weit entfernt.“

Daß aber bei dem unbehinderten Delegationsrecht des Papstes die nach dem Gesetz nur durch deutsche kirchliche Behörden erfolgende Ausübung der kirchlichen Dis ʒiplinar⸗ ewalt gegen Geiftliche „das sichtbare Haupt von dem körper der Kirche nicht trennt“, daß dag Erforderniß eines geordneten prozessualischen Verfahrens bei der Bestrafung, Absetzung oder Versetzung der Geist⸗ lichen sowle das Recht der Beschwerdeführung beim Staat keine Schädigung der Kirche, keinen Nachtheil für die Priester herbei⸗ führt, dies sei in Württemberg von jeher erkannt, und diefe Er⸗ fahrung werde auch in Hessen nicht ausbleiben.

3 Das Gesetz über Vorbildung und Anstel lung der Geistlichen hebt zunächst die nach der tridentinischen Be⸗ stimmung eingerichteten Knaben⸗Seminarien für Hessen auf und stellt für die Heranbildung und Anstellung der Geistlichen im Wesentlichen dieselben Bedingungen, wie das preußische Gesetz vom 11. Mai 1873 und das württembergische. „Der Bischof wird dadurch keineswegs genzthigt, irgend einen, den er nicht will, zum Briester zu weihen; er könnie nur verhindert werden, einen solchen einzusetzen, der bürgerlich oder politisch bes cholten wäre, oder die Den kgesetz ., die Seelenlehre, Geschichte der Philosophie, Weltgeschichte und Literatur nicht verstünde.“ Die durch das hessische Gesetz angeordnete Anzeige derjenigen Person, die ein bestimmtes kirchliches Amt erhalten soll, an daͤs Minifterium des Innern macht der jetzige Papst in einem Erlaß an den Bischof von Röoltenburg dein lctzteren selbst zur Pflicht? (22. Juni 1857 Schon daraus läßt sich schließen, daß „die Existenz der

r,, nicht bedroht ist.“

Das Gesetz, betreffend die religiösen Orden und zrdengshnlichen Kongregationen läßl in Hesfen nur noch die weiblichen Orden und Kongregationen, welche sich dem Unter⸗ richt widmen und, Privatunterrichtsanstalten besltzen, sowie solche, welche sich ausschließlich der Krankenpflege widmen, bestehen.

) Darmstadt 1876, Arnold Berg tr äßer.

Erste Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

6 HI7J.

Berlin, Dienstag, den 25. Juli

Das württembergische Gesetz von 1862 macht die Einfüh⸗ rung neuer Orden und Kongregationen und die Gründung neuer Niederlassungen von der, stetè widerruflichen, Genehmigung der Staatsregierung abhängig und bestimmt ausdrücklich, daß die Gelübde der Ordensmitglieder von der Staatsgewalt als widerruflich behandelt werden.

5s) Das Gesetz über das Besteuerungsrecht der Kirchen- und Religionsgesellschaften reget die Thãtig⸗ teit der kirchlichen und politischen Gemeinde bei der Feststellung und Grhebung der in Fällen des Bedürfnisses gestatteten „Umlagen“. ;

In Württemberg besteht ein solches Gesetz bisher nicht. Die Besteuerung der Kirchengenossen ist noch eine freiwillige. Da⸗ gegen ist der Staat an der Aufsicht über die Verwaltung des an sich den allgemeinen Landesgesetzen unterworfenen Kirchen⸗ vermögens betheiligt.

Vom türkischen Kriegsschauplatze. (Vergl. Nr. 1194121 des Reichs ⸗Anz.) 1

Seit unserer letzten bis Mitte Magi reichenden zusammenhängen— den Uebersicht der kriezerischen Ereignisse auf der Balkan ⸗Halbinsel sind Serbien und Mentenegro aus ihrer abwartenden Haltung zur Aktion übergegangen, und nehmen wir beim Eintritt dieser neuen wichtigen Epoche zunächst Veranlassung, die Situation, wie ste vor dem Ausbruch der Feindseligkeiten bestand, kurz zu rekapituliren.

Die Insurgenten in der Herzegowina sowohl wie in Bosnien y auch nach dem Ende April unternommenen, nur zum Theil erfolgreichen Zuge Moutthar Paschas nach Niksie ihre Gucrilla— kämpfe mit wechselndem Glück fort, und gelang es speziell am 25. Mai MC. Insurgenten, die von Gaezko nach Bilek marschirender Truppen Moukhtar Paschas nach achtstündigem mörderischen Kampfe nach Gaczko zurüͤckzuwerfen. Da es dem Paschg jedoch geglückt war, be—⸗ deutende Truppenmgssen, wie es heißt 25,000 Mann, bei Gaczko zu erneue⸗ tem Vorstoß gegen Niksi zu konzenkriren, und es den der Hauptzahl nach in Banani stehenden Infurgenten an Lebensmitteln und Patronen gebrach, so konnten sich dieselben nur auf kleine Unternehmungen beschränken, und mußten sie die Hoffnung, Niksie durch Hunger in ihre Hand zu bekommen, aufgeben. Die Festung wurze denn auch thatsächlich Mitte Juni verproviantirt, ohne daß die Insurgenten dieseß Unternehmen zu hindern versuchten.

An eine Nachgiebigkeit von ihrer Seite war deshalb je— doch nicht zu denken, vielmehr stellten sie, vermuthlich in Voraussicht baldiger Unterstützung von Serbien und Monte— negro, allen türkischen Versprechungen und Waffenstillstands⸗ anerbietungen stets weitergehende Forderungen entgegen. In Bosnien vermochten sich sogar die türkischen Garnisonen der Äufständischen kaum zu erwehren. Weniger Schwierigkeiten hatte die Pforte mit der Bewältigung des Aufstandes in Bulgarien, hauptsächlich deshalb, weil die im Centrum des Gebiets liegenden aufständischen Siftrikte von verschiedenen Seiten von den türkischen Truppen umfaßt wurden, und es leichter war, Verstärkungen hierher zu schaffen, als nach den von den übrigen türkischen Territorien fast abgeschnittenen Proxinzen Bosnien und Herzegowina. Der Aufstand in Bulgarien konnte sich somit nicht ausbreiten, und wurde, obwohl er nie ganz zum Erlöschen kam, auf die unzugänglichsten Theile des Balkan be“ schränkt; während die in großer Zahl zur Verwendung gebrachten Baschi⸗Bezuls und Tscherkessen dieselben sind seit etwa 19 Jahren zur Verstärkung des muhamedanischen Elementz in Bulgarien ange⸗ siedelt in den übrigen Distrikten eine strenge Polizei ausübten,

So war die Lage, als nach der Katastrophe vom 30. Rai Sul. tan Murad V. auf den Thron gelangte und eine neue Aera der Re—= formen verhieß. Die Insurgenten in Bosnien und der Herzegowina erklärten auf die ihnen geftellten Anerbietungen, daß hre AÄn— sprüche auf volle Unabhängigkeit durch den Thronwechfel in keiner Weise alterirt seien, und daß sie den von dem neuen Regime unter der Bedingung der Unterwerfung und der freien n gn von Niksie angebotenen zweimonatlichen Waffenstillstand nicht an— nähmen. Da die neue Regierung jedoch über Klek und Alt= Serbien immer mehr Kruppen nach den insurgirten Gebieten schaffte, so wäre es ihr wahrscheinlich gelungen, den Aufstand nicht nur in Bulgarien, sordern nach und nach auch in Bosnien und der Herze⸗ gowina zu ersticken. ̃

Der Schwerpunkt der Frage lag jedoch allein in der Haltung Serbiens und Montenegreotz. Da die Pforte befürchtete, daß diese beiden, den Aufständischen stammverwandten Va⸗ sallenländer den Aufstand nicht nur, moralisch, fondern auch inateriell unterstützten und den Aufständischen die meinschaftlichem Handeln reichen könnten, so war es natuͤr⸗ lich, daß die türkische Heeresleitung der Bewachung der ser⸗= bischen und montenegrischen Grenze eine fast größere Aufmerksam-= keit zuwendete, als der Bewältigung des Aufstandes an und für sich. Sie stellte bald nach Beginn des Aufstandes gegen Serbien starke Qbservationẽ corps an der Timokgrenze, bei Widdin, bei Nisch und bei Nopibazar auf, verstärkte die Truppen in. Botnien durch Aufbietung der Spahis und Baschi⸗Bozuks belegte die Plätze Serajewo, K und Zwornik mit größeren Garnisonen und nahm auch gegen Montenegro bei Skutari und Pod- gorizza Stellung. Mit diesen Thatsachen in unmittelbarer Wechfel⸗ wirkung standen die gesteigerten militärischen Maßnahmen Serbienz und Montenegros, von denen namentlich das erstere sich seit Mo—⸗ naten zu so umfassenden und die Vollskraft so anspannenden Rüftungen veranlaßt sah, daß es, um diese Laft nicht länger zu tragen, wohl oder übel eine Entscheidung suchen zu müffen

laubte. Die serbische Armee, deren Gesammtstärke ohne Frei⸗ 3 auf l20 000 - 140 000 Mann mit sehr starker Artillerie Gö0 Beschütze) zu beziffern sein dürfte, und deren normale Organifation in sechs territcriale Divistonen oder Voiwodieen den sirategischen Auf⸗ marsch an den Grenzlinien ehr erleichtert, stand Ende Juni folgen. dermaßen dislozirt. Am rechten Uer der Drina unterhalb Zwornik und gestitzt auf Losnitza und Schabaz befand sich unter Ranko Alimpicg eiue. Dipiston, mit Freischaaren in der Gesammtstärke von 15— 0,000 Mann. Dieses Corps war dazu be⸗ stimmt, nach Bosnien zur Verbindung mit den dortigen Insurgenten überzugehen, zu welchem Behufe es mit einer hinlaͤnglichen Anzahl von Ponton ausgerũ stet war. Weiter südwärts stand die fogenannte West⸗ morawg Armee unter General Zach, bestehend gus der Dipision von Tschatschak (auch Tschaschk) und mehreren Freiwilligen ˖ Legionen, Alles in Allem etwa 20, 000 Mann zählend. Die Aufgabe dieses Detachements sollte es sein, den Feind an der Gewinnung des Westmorawathals, durch welches die Straße von Serajewo nach Nisch, sowie die Route von Novibazar nach Norden führt, zu hindern, andererseits einer von Montenegro und der Herzegowina nordostwärts vorrückenden Armee über die Engpässe von All- Serbien (Hauptftadt Novibazar), die Hand zu reichen. Die Nähe der montenegrinischen und serbischen Grenze hier im Südwesten legt eine derartige stra⸗ tegische Kombination, welche Bosnien und die Herzegowina von Ter übrigen Türkei fast ganz isoliren würde, sehr nahe, doch läßt die Nähe einer türkischen Armee hei Novibazar die Forcirung der Gebirgsübergänge als sehr schwierig erscheinen. Wir kommen zur Südarmee. Die Achillesferse der Defenstvkraft Serbiens gegenüber

Hand zu ge⸗

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der Türkei bildet entschieden das Thal der Ost⸗ oder Bulgarischen Morawa und ihres rechten Nehenflusses, der Niffawa, und zwar deshalb, weil durch dasselbe die große Heerstraße von Sophia, der Porta Trajana, Philippopel, Adrianopel und Konst imtinopel in das Herz des gie fun führt. Auf dieses bereits mehrfach in der Kriegsgeschichte zur Bedeutung gelangte Thor, welches durch die starke Festung Nisch geschützt ist, hatte man denn auch sowohl von serbischer als fürki⸗ scher Seite das Hauptaugenmerk gerichtet.

Die serbische Sudarmee, deren Hauptquartier sich zu Anfang in Alexinatz am rechten Ufer der Morawa befand und deren Verschan⸗ zungen sich weit uber das linke Ufer erstrecken, ist aus den besten ser⸗ bischen Truppen zusammengesetzt, ste besteht aus drei Divisionen, jede zu 3 Brigaden, und enthält als Kern die auf kaum 4000 Mann zu ver⸗ anschlagende stehende Armee. Ihre Gesammtstarke wird auf 50 000 Mann angegeben, und hat sie den durch seine Thaten in Turkestan be⸗ kannten, ehemalig russischen General Tschernae ff als Führer.

Nach Osten hin bildet der Timokfluß bis zur Donau die Grenze und, unterstützt durch die ihn begleitenden Gebirgszüge, eine vortreff⸗ liche Vertheidigungslinie, die nur im Norden gegen Widdin einen stärkeren Schutz erfordert. .

Es sind denn auch hier serhischerseits bedeutende Verschanzungen angelegt und ein aus der Timok-⸗Diviston (Hauptquartier Sattschar) bestehendes, von Oberst Leshjanin befehl igtes Dbfervations. Corps auf⸗ geftellt worden, dessen Stärke sich auf 2), 05 Mann () belaufen soll. An seiner längs der Bonau und Save fortlaufenden Nordgrenze ist Serbien seitens der Türkei einem Angriff nur durch die türkische Donauflottille ausgesetzt. Es ist dadurch in die günstige Lage versetzt das Gros seiner sich stets durch Zuzug von Freiwilligen verstärkenden Streitkräfte in seiner Süd, und Südostgienze verwenden zu können, vorausgesetzt, daß es der Timok. und Brinaarmee gelingt, den Feind von einem konzentri⸗ schen Vorstoß gegen die nur schwach besetzte Landes hauptstadt Bel⸗ grad abzuhalten.

Ueber die Stärke und Stellung der türkischen Streitkräfte geben die „Corr. Orientale“ und die „Pol. Correspondenz“ folgende durch neuere Mittheilungen vervollständigte Nachrichten. Das Ob— servationscorps in der Herzegowina und in Bosnien, dessen Hauptmacht unter ö Pascha und Selim Pascha in Mostar und, Serajewo steht, zählt 32,000 Mann, die Truppen an der serbischen Grenze bei Novihazar, Nisch und Widdin zählen jetzt zusammen 100, 00, während bei Skutari und Podgorizza 11,530 Mann standen. Mit einer auf 20,900 zu veranschlagenden Reserve würde sich somit eine Gesammtzahl von 163,520 Kombattanten ergeben, welche in neuester Zeit durch Zuzüge noch verstärkt fein dürfte. In strategischer Hinsicht waren Serben und Türken bei Beginn der Operationen im Osten und Süden annähernd gleichmäßig i. es sei denn, daß, wie es fast den Anschein hat, der Äufstand in Bulga— rien in neue Flammen ausbricht und die Verbindung der Armee von Nisch mit ihrer Operationsbasis hindert. Die Zahl der bulgarischen Insurgenten wird auf 20 000 angegeben. Eigenihümlich komplizirt ist jedoch die Sachlage im Südwesten des Kriegsschauplatzes. Montene⸗ gro, das etwa 15 20,000 Kämpfer aufzustellen vermag, und einen Theil seiner Armee mit den in Banjani lagernden auf etwa S000 Mann angegebenen herzegowinischen Insurgenten vereinigen sollte, sieht sich an seiner Ostgrenze von den bei Skutart und Podgorizza stehenden tüuͤr⸗ kischen Truppen bedroht. Es ist daher, wenn es feine Armee nach der Herzegowina einrücken läßt und nicht eine verhältnißmäßig be⸗ deutende Streitmacht im Lande zurückbehält, der Gefahr ausgesetzt, dafselbe von den Türken besetzt zu sehen. Andererfeits befinden sich die türkischen Truppen in Bosnien und der Herzegowina, wenn die Vereinigung ihrer Gegner gelingt, von Norden, Süden und Osten her angegriffen und könnten nur durch den inzwischen gesperrten Hafen von Klek Nachschub erlangen.

„Die Operatisn en, deren Beginn von Seiten der verbündeten Fürstenthümer erst am 5. und 6. Juli vorgesehen war, wurden durch die von der türkischen Armee bei Nisch gezeigten Neigung zur Offenstve einigermaßen beschleunigt. Nachdem schon vorher fowohl von serbischer als türkischer Seite irreguläre Truppen das feindliche Gebiet betreten hatten und Fürst Milan am 29. Juni zur Südarmee nach Deligrad auf⸗ gebrochen war, fanden vom 2.—3. Juli fast gleichzeitig Vor stöße der Serben im Nordwesten, Südosten und Nordosten statt, die jedoch, ohne den genügenden Nachdruck ausgeführt, nur als gewaltseme Rekognoszirungen zu bezeichnen sind. General Alimpics über⸗ schritt am 2. Juli dig Drina gegenüber Bielina, drang bis zu dieser unweit des Stromes gelegenen Stadt vor und scheint sich derselben bemächtigt zu haben. An demselben Tage um 4 Uhr Morgens drangen Truppen der Südarm ee unter Oberst Jovanowie bei Supowaz am linken Morawa ⸗Ufer über die Grenze und besetzten die Orischaften Dudulajea, auch Dudulie genannt, und Secaniza am linken, sowie Topolnica am rechten Morawa -Üfer, unweit der Grenze gelegen.

Am 3. Juli griff General Tschernajeff, der vom Thal des oberen Timok aus von den Türken unbemerkt südwärts vorgedrungen war, das stark von Attillerie vertheidigte türkische Lager auf der Ba—⸗ bing Glava, einem Höherzuge östlich von Nisch, parallel der Nissawa, an, und trieb, serbischen Nachrichten zufolge, die türkischen Truppen nach mörderischem Kampfe in die Festung. Mit mehr Glück scheinen die Türken im äußersten Nordosten operirt zu haben. Die ferbischen Truppen, welche von Zafecar, auch Saitschar, aus die Grenze passirt hatten, wurden dom Feinde bis Iswor, (östlich des Timoh , ,,. und büßten einige Verschanzungen ein, aus denen die Türken jedoch am 4. Juli wieder vertrieben sein sollen. Gleichzeitig wurde aus Monte⸗ ne gro gemeldet, daß die Tschernagorzen unter Fürst Nikita behufs Vereinigung mit den herzegowinischen Insurgenten in Banjani bei Grahowo die Grenze überschritten und auch bei Podgorizza ven Türken ein unentschiedenes Feuergefecht geliefert hätten, wobei es sich um die Einnahme der Posttion von Medun, in der Nähe von Pod— gorizza, handelte, die inzwischen erfolgt ist.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Zürich. (N. Zürch. Ztg) Nach einläßlicher Diskussion, in welcher es sich indessen nicht um die grundsätzliche Frage, sondern nur um die Modalitäten der Ausführung handelte, beschloß der Senat der Hochschule, bei den Behörden einen Zusatz zur Univer⸗ sätätsordnung folgenden Inhalts zu beantragen: Abgesehen von Ehrenpromotionen wird die Doktorwürde durch eine schriftliche und mündliche Prüfung vor der Fakultät und eine selbständige wis⸗ senschaftliche Abhandlung erlangt. Den Yromotiongordnungen der einzelnen Fakultäten bleibt es überlassen, solchen Kandidaten, welche gewisse in der Promotionsordnung namhaft zu machende Prüfunggz⸗ ausweise bereits besitzen, Erleichterungen der Prüfung zu er- möglichen, die jedech nie bis zum gänzlichen Wegfall der⸗ elben gehen dürfen, und zu deren Eintritt in jedem Einzelfalle ein ki r gn, erforderlich ist. Aus einer in der Senatssitzung vorgelegten statistischen Uebersicht ergab sich, daß im Laufe der letzten fünf Schuljahre im Ganzen 152 Doktorpromotionen ftattgefunden habenz darunter waren 19 Ehrenpromotionen (8 in der i n,. a akultät J. Sektion, je lin der medizinischen und in der philo⸗ ophischen Fakultät II. Sektion), 84 Promotionen in abzentia (l in der juristischen Fakultät, 19 in der philosophischen Fakultat 1. Sektion und 64 in der philosophischen Fakultät 15. Sektion), und 58 Promotionen auf Grundlage einer vor der Fakultät bestandenen Prüfung (5 in der juristischen, 5l in der medizinsschen Fakultät, je in jeder der beiden Sektionen der philosophischen Fakultät.