1876 / 179 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 01 Aug 1876 18:00:01 GMT) scan diff

verließen die Höchsten Herrschaften die Ausstellung und fuhren dem k zu, woselbst ein zahlreiches uhr Höchstdieselben enthufiastisch empfing. Auf dem Perron hatten sich die Herren General-Lieutenant v. Zuchlinski, General. Major v. Busse als stellvertretender Kommandant, Oberst und Com⸗ mandeur des 40. Regiments v. Stremp. l, Ober Bürgermeister Dr. Becker, Bürgermeister Thewalt und Polizei⸗ Prãsident v. König ꝛc. eingefunden; nachdem die Kronprinzlichen Herrschaften Sich verabschiedet, setzte fich der Zug unter dem Hochrufen des Publikums in Bewegung.

Die Kom mission des Reichstags zur Vorberathung der Reichs ju stizgesetze hat jetzt die Zusammenstellungen ihrer Beschlüsse mit den Vorlagen veroffentlicht. Dieselben betreffen die Konkursordnung nebst Einführungsgesetz das Gerichtsver⸗ fassungsgesetz, die Civilprozeßordnung, die Strafprozeß ordnung, fämmtlich mit den Einführungsgesetzen.

Auf den Antrag des General⸗Postmeisters hat der Finanz⸗Minister anerkannt, daß Postbeamte, welche Wechsel behufs Herbeiführung der Annahme derselben durch die Acceptanten, in Ausübung ihrer amtlichen Pflicht den letzteren vorzulegen haben, als Theilnehmer am Umlaufe des Wechsels nicht angesehen und demgemäß im Falle einer Kontravention wegen des Stempels und der Strafe persönlich nicht in Anspruch genommen werden können.

In Folge des Gesetzes vom 19. Juli v. J. betreffend das Hinterlegungswesen, ist der Fiskus in den Besitz sehr be— deutender, depositalmäßig sicherer Hypothekenforderungen der ehe⸗ maligen General⸗Depositorien gelangt. Zur Erfüllung der dem Hinterlegungsfonds nach 5§. 96 der Vormundschaftsordnung vom 5. Juli v. J. obliegenden Aufgabe muß ein erheblicher Theil dieser Forderungen bis zum 1. Januar 1878 flüssig gemacht werden. Da die depositalmäßige Sicherheit dieser Kapitalien, welche theils 5, theils 4, Prozent Zinfen tragen, nach den

esetzlichen Bestimmungen geprüft ist, so bieten dieselben Gelegen⸗ 961 zu einer vorzüglichen Kapitalanlage für die kirch⸗ lichen und geistlichen Institute und milden Stiftun⸗ gen, insonderheit zur Anlegung der ihnen durch die Ausführung des Gesetzes vom 27. April 1872 zufallenden Ablösungskapitalien und Rentenabfindungen. Der Minister der geistlichen 2c. An⸗ gelegenheiten hat die Regierungen hierauf aufmerksam gemacht.

Nach einer im Einverständniß mit dem Justiz⸗Minister erlassenen Cirkularverfügung des Finanz-Ministers vom 13. Juli d. J. tritt die kürzere Verjährung des Gesetzes vom 31. März 1838 auch für die Werthstempel von mehr als 40 ein, sobald es sich um Nachzahlungen solcher Beträge han⸗ delt, welche gemäß §. 16 des Kostengesetzes vom 19. Mai 1851 zu gerichtlich aufgenommenen Verhandlungen als Gerichts kosten zu verrechnen und zu behandeln find, und welche von den Ge⸗ richten rechtzeitig hatten eingezogen werden sollen. Dagegen ist die kürzere Verjährung ausgeschlossen in denjenigen Fällen, in welchen der Stempel zwar von den Gerichten eingezogen wird, gesetzlich aber eigentlich von den Interessenten in natura zu ver⸗ wenden gewesen sein würde. Dies gilt beispielsweise von Werth⸗ stempel für Fideikommiß⸗Stiftungen, wenn die Urkunde nicht vom Gericht aufgenommen worden, oder für solche Verträge, welche außergerichtlich geschlossen sind, welche aber innerhalb der gesetzlichen 14 tägigen Frist dem Gerichte eingereicht werden.

Der Epangelische Ober⸗Kirchenrath wird mit Allerhöchster Genehmigung zur Abhülfe der dringendsten Noth⸗ stände der evangelischen Kirche in den Provinzen Brandenburg, Preußen, Pommern, Posen, Schlesien, Sachsen, Westfalen und Rheinland eine Kirchen kollekte am 1. Oktober d. J., sowie während der auf diesen Tag folgenden Zeit eine Haus kollekte in den evangelischen Haushaltungen durch kirchliche Organe abhalten lassen.

Der Königlich portugiesische Gesandte in St. Peters⸗ burg, Baron von Santos, ist heute früh aus Paris hier an⸗ gekommen und im Hotel Royal abgestiegen.

S. M. S. „Preußen“ ist nach stattgehabter Ueber⸗ führung am 15. Juli er. in Kiel außer Dienst gestellt.

Bayern. München, 30. Juli. Die diesjährigen Land⸗ rathsabschiede, deren definitive Feststellung vor der Verein— barung über das Staatsbudget nicht möglich war, werden nun sofort festgestellt und nach erlangter Königlicher Genehmigung in der kürzesten Zeit bekannt gegeben werden. Der Staats⸗ Minister v. Pfeufer hat heute einen vierwöchentlichen Urlaub angetreten. Für die Dauer desselben hat der Staatsrath v. Dillis das Portefeuille des Staats⸗Ministeriums des Innern übernommen.

Würzburg, 30. Juli. (Corr. v. u. f. D.) Die hiesigen Altkatholiken haben Kaplan Kopp in Mehring zu ihrem Seelsorger gewählt. Derselbe kann aber seine Stelle hier erst antreten, wenn Ersatz für ihn in Mehring gefunden ist.

Baden. Karlsruhe, 29. Juli. Am Montag, den 31. d. M., findet in der Fridolinskirche zu Säckingen, in Gegen⸗ wart des Bischofs Reinkens, eine Landesversammlung sämmt⸗ licher badischen altkatholischen Gemeinden vertreten durch geistliche und weltliche Delegirte zum Zweck der Her⸗ beiführung einer engeren Organisation der Gemeinden unter sich statt. Dabei wird die schon früher ange⸗ regte Frage der Ernennung eines Dekans, als Stellvertre⸗ ter des Bischofs ihre Lösung finden. Das rönisch—

katholijche Stadt⸗Pfarramt Meersburg verweigerte dem dort verstorbenen altlatholischen Postverwalter Schreiber das Grab⸗ geläute. Durch Vermittlung des Bezirksamts genehmigte das A Ninisterium das Geläute mit dem Anfügen, daß dassel be nöthigen⸗ fa'lls unter gemeinderäthlicher Einwilligung gemäß gesetzlicher Verordnung durch Gewalt zu erzwingen fei. Da der Ge⸗ mennderath dem ministeriellen Bescheid entsprach, so gab das Pfarramt vor Anwendung der Gewalt nach.

(Köln. 3.) Die national-liberale Partei der Zwetten Kammer hat nach der in den letzten Jahren beobachteten Uebung noch vor Schluß des Landtages über die Parteiorgani⸗ sation feir die beiden nächsten Jahre, d. h. bis zur Berufung des nãchsten Landtages, Beschluß gefaßt. Man verständigte sich dahin, daß die als landständischer Ausschuß erwählten Parteigenossen auch als engerer geschäftsführender Ausschuß der national libera⸗ len Partei in Baden“ wirken sollen. Zum Vorstand dieses ge⸗ schäfts führenden Ausschusses wurde einstimmig der Abg. Kiefer gewählt. Bei wichtigen und das ganze Land betreffenden Fra⸗ gen und Aufgaben soll zur Verhandlung und Be schließung als Parteizeriretung die Gesammtzahl der dem Landtage an⸗ gehörigen Parteigenossen berufen werden. Ferner wurde be⸗ schlossen, die Bawische Korrespondenz“ forthin als „offizienes“ Organ der Partei erscheinen zu lassen.

scheech Kavallerie⸗Manöver der Honveds stattfinden.

Heidelberg, 31. Juli. Der Kaiser und die Kaiserin von Brasilien sind mit Gefolge hier eingetroffen und im Hotel Schrieder abgestiegen.

Desterreich Ungarn. Wien, 29. Juli. Der in das Lager des Fürsten von Montenegro entsandte Generalstabs⸗ Oberst⸗Lieutenant Ritter v. Thömel hat nach seiner vorgestern erfolgten Ankunft dem Grafen Andrassy in längerer Audienz Bericht erstattet.

Pest, 30. Juli. Die mehrfach von hiesigen Blättern kol⸗ portirte Nachricht, eine große Anzahl von Abgeordneten habe Tisza ersucht, die schleunige Einberufung des Reichstages zu beantragen, wird jetzt, wie der „N. Fr. Pr. von hier tele⸗ graphirt wird, entschieden dementirt. Tisza ist weder schriftlich noch mündlich hiezu aufgesordert worden, noch liegt das Be⸗ dürfniß nach einer solchen Maßregel vor. Der Reichstag wird somit nicht vor dem 28. September eröffnet werden.

Der Finanz⸗Minister Szell tritt heute einen vierwöchent⸗ lichen Urlaub an. Während der letzten Tage hat er das Budget pro 1877 zusammengestellt, welches Anfangs Oktober dem Reichstage vorgelegt werden wird. Der Finanz⸗-Minister ver⸗ weilt einige Tage in Ratot, begiebt sich dann in ein ausländi⸗ sches Bad, und die letzte Woche seines Urlaubes wird er in Wien verbringen, wo die Verhandlungen mit der National- bank beginnen.

In Kaschau und Gyula beginnen am 25. August die Manöver der gemeinsamen und der Honved-Armee. Das Lager nächst Kaschau beziehen am 15. August eine Bri⸗ gade Infanterie, vier Escadronen Kavallerie; eine Brigade Fonved kommt am 25. August dahin. In Gyula , ö

ahr⸗ schrinkich wird der Kaiser den Schlußmanöpern in Gyula und Faschau beiwohnen; die Theilnahme des Erzherzogs Joseph wie des Honved⸗Ministers Szende an denselben ist gewiß. .

Der rumänische Handelsvertrag bestimmt, daß die Werthzölle in Gewichtezölle umgerechnet werden. Zur Durch⸗ führung dieser Rechnungsoperation wird eine gemischte Kom⸗ mission aus ungarischen, österreichischen und rumänischen Fach⸗ leuten demnächst zusammentreten. Für Ungarn ist Sektions⸗ Rath Matlekovich designirt.

Großbritannien und Irland. London, 31. Juli. (W. T. B.)) Im Oberhause lenkte Lord Stratheden die Aufmerksamkeit des Hauses auf die dem Parlamente vorgelegte diplomatische Korrespondenz in der orientalischen Frage und beantragte eine Resolution, wonach das Haus sich bereit erklären soll, alle zur Aufrecht⸗ erhaltung der Verträge von 1856 erforderlichen Maßregeln auf sich zu nehmen. Bei der darauf folgenden Debatte unterzog Lord Granville die Politik der Regierung einer eingehenden Kritik. Derselbe erklärte sich mit einer Politik der Nichtinter vention zwar einverstanden, sprach aber sein Bedauern darüber aus, daß die Regierung das Berliner Memorandum im Ganzen (en bloc) abgelehnt habe und fand, daß die von der Regierung verkündete Neutralität eine für die Türkei wohlwollende Neutralität sei. Der Staatssekretär Lord Derby sprach sich gegen den Antrag Lord Strathedens aus, ver⸗ theidigte den Ausstellungen Lord Granvilles gegenüber die von der Regierung befolgte Politik und wies die Beschuldigung zu⸗ rück, daß die Regierung eine für die Türkei wohlwollende Neutralität beobachte. Die künftige Politik der Regierung sei von dem Ergebnisse der militärischen Ereignisse und von der Möglichkeit abhängig, eine Kooperation der übrigen Mächte zu erlangen. Die Regierung werde es ihrerseits an Anstrengungen dafür nicht fehlen lassen, daß keine nicht durchaus noth⸗ wendige Veränderung eintrete, sie werde sich in Ver⸗ pflichtungen für große und weitgehende Projekte nicht einlassen und nur dasjenige thun, was eine zufriedenstellende und dauernde Lösung der gegenwärtigen Frage herbeiführen könne. Die orientalische Frage überhaupt anzuregen, sei leicht, dieselbe aber auch zu einem Abschluß zu führen, sei schwer. Die Regierung wünsche nicht, eine Gefahr zu laufen, wobei der europäische Friede gestört werden könne, ohne daß eine Noth⸗ wendigkeit dazu vorhanden sei. Lord Stratheden schlug darauf die Zurückziehung des Antrags vor, derselbe wurde mit⸗ zelst Akflamation abgelehnt.

W. T. B.) Im Unterhause erklärte der Unter⸗ Staatssekretär Bourke auf eine Anfrage Andersons, er habe noch keine offizielle Mittheilung über den Abschluß eines Han⸗ dels vertrages zwischen Frankreich und Amerika erhal— ten, durch welchen die Eingangszölle in Amerika für den Import französischer Waaren herabgesetzt werden sollen. Er halte es nicht für wahrscheinlich, daß der Kongreß die Abficht habe, einen derartigen Vertrag abzuschließen. Auf eine weitere Anfrage Forsters erklärte Bourke, der Großvezier habe die Nachricht, nach welcher die türkische Regierung beabsichtigen sollte, die an Griechenland grenzenden Provinzen mit Tscherkessen zu kolo⸗ nisiren, formell für unbegründet erklärt. Im welteren Verlaufe der Sitzung erwiderte der Unter⸗Staatssekretär Lowther auf eine Anfrage Wilmots, er sei nicht davon unterrichtet, daß ein Angriff auf die Haupstadt von Dahomen beabsichtigt sei.

1. August. (W. T. B.) In der gestrigen Sitzung des Unterhauses, in welcher die Orientfrage mit dem Antrag Bruce ebenfalls zur Berathung stand, brachte Forsyth einen Unterantrag ein, in welchem die Regierung aufgefordert wird, Schritte zu thun, um wirksame Garantien zur Sicher stel⸗ lung einer guten Verwaltung in den slavischen Provinzen der Türkei zu erlangen. Glad stone unterstützte den Antrag Forsyths und hob weiter hervor, daß man im Krimkriege und seinen Ergebnissen nach Mitteln zur Lösung der Schwierigkeiten suchen müsse. In Folge des Krimkrieges habe England das Recht zur Intervention und zu moralischen Demonstrationen erlangt. Rußland habe auf⸗ gehört, die Stellung eines Vertheidigers der Christen im Orient einzunehmen und wende seine Aufmerksamkeit dem Frieden und dem Fortschritte zu. Eine Wiederherstellung der früheren Suprematie der Pforte komme nicht in Frage, außer wenn die⸗ selbe in einer weniger absoluten Form aufrecht erhalten werden könne. Gladstone sprach sich ferner tadelnd darüber aus, daß sich die Regierung die Gelegenheit zur Ergreifung der Initiative betreffs einer Kollektivintervention hube entgehen lassen und daß dieselbe irrthümliche Ansichten über die Gründe habe aufkommen lassen, die zur Entsendung der eng lischen Flotte nach der Besika⸗Bai und zur Ablehnung des Berliner Memorandum s Veranlaffung gegeben hatten: Zum Schluß beto te Gladstone, daß man das Einverständniß der europäischen

Mächte wieder herzustellen suchen müsse.

Disraeli sprach zunächst sein Bedauern darüber aus, daß der Antrag nicht in präzisen Worten entweder Vertrauen zum Ministerium oder einen Tadel desselben ausdrücke und erklärte dann im Einzelnen: Nach dem Berichte des Konsuls Baring sei die Nachricht, daß 40 bulgarische Mädchen von den Türken gemordet worden seien, unbegründet. Was die Note des Grafen Andrassy anbelange, so habe England s. 3 gezögert, dieselbe zu acceptiren, weil die Regierung von der Ansicht ausgegangen sei, daß wenn irgend mõglich, der sta- tus quo in der Türkel aufrecht erhalten werden müsse. Aber als man gefunden habe, daß die Note fast nicht einmal über die von der Türkei selbst vorher gemach= ten Versprechungen hinausgehe und als die Türkei selbst die englische Regierung aufgefordert habe, die Note An⸗ dassy's zu acceptiren, habe die englische Regierung dieselbe angenommen, um im Einverständnisse mit den übrigen Mächten zu handeln. England sei Anfangs isolirt gewesen, weil es das Prinzip der Nichtintervention adoptirt habe, Eng⸗ land stehe aber nicht mehr isolirt, indem auch die übrigen 5 Mächte bieses Prinzip angenommen hätten. Das Berliner Memorandum schließe mit einem Ultimatum, dahin gehend, daß, wenn die in demselben ausgeführten Bedingungen nicht erfüllt werden sollten, vollständig abweichende Maßregeln getroffen werden würden. Eine Nichterfüllung der Zusicherungen, die die Türkei zu geben bereit war, würde eine Okkupation zur Folge gehabt haben und hierdurch würde der Krieg herbeigeführt worden sein. Was die Absendung der englischen Flotte in die türkischen Gewässer betreffe, so sei dieselbe nicht in drohender Absicht, sondern zum Schutze wichtiger Interessen Englands geschehen. Disraeli gestand ferner zu, daß Rußland und Oesterreich von Anfang an bemüht gewesen seien, die Unruhen in der Türkei zu beseitigen. Der Krieg in der Türkei sei in Folge von Machinationen geheimer Gesellschaften und revolutionärer Ko⸗ mités zum Ausbruch gekommen. Bis jetzt habe er keinen Grund finden können, der England zu einer Intervention Anlaß gebe, wenn aber die Gelegenheit dazu gekommen sei, werde England bereit sein, an einer Pazifikation der slavischen Provinzen theil⸗

zunehmen. Nachdem noch der Führer der Opposition, Lord Har⸗

tington, das Verhalten der Regierung einer Kritik unterzogen hatte, wurde der Antrag Bruce's und der Unterantrag Forsyths zurückgezogen.

Frankreich. Paris, 30. Juli. In der Sitzung der Deputirten kammer vom 29. Juli betonte in der Berathung des Unterrichtsbudgets der Unterrichts-Mi—⸗ nister die Nothwendigkeit, in dem vom Staate geleiteten Unterricht auch die Fakultäten der Theologie beizu— behalten; in allen Universitätskreisen bilde die theolo⸗ gische Fakultät den Ausgangspunkt, und man werde den Unter⸗ richt nicht dadurch heren, daß man die Vorlesungen beseitige, welche sich mit den erhabensten Gegenständen beschäftigen; er könne sich nicht leichtsinnig auf den Weg der Beschränkung der Fakultäten einlassen, denn dem Staate sei die Theologie zur Sign hen seiner Geistlichkeit nöthig; ohnehin seien diese Fakultäten die Zufluchtsstätten derjenigen geworden, welche den gallikanischen Ideen zugethan seien; wenn diese Fakultäten unterdrückt würden, werde man die Ausbildung der jungen Geist⸗ lichkeit ganz andern Einflüssen anheimgeben. So sei die theo⸗ logische Fakultät in Poitiers ausschließlich mit Ausländern be⸗ setzt und der Unterricht werde dort in lateinischer Sprache ertheilt; es sei aber keineswegs wünschenswerth, daß dieses System weiter um fich greife, da es eine Kluft zwischen dem theologischen Unterrichte und dem in anderen Wissenschaften grabe, zu einer beklagenswerthen Scheidung füh⸗ ren würde. Es stehe zu hoffen, daß die Politik Roms in einigen Jahren tiefe Umgestaltungen erfahren werde, und es sei daher um so nöthiger, daß man sich bemühe, den endgültigen Bund zwischen der Freiheit und der Religion vorzubereiten. Was Bordeaux anbetreffe, so dürfe man dem er n r,. von Bor⸗ deaux, einem der letzten Vertreter des Gallicanismus, nicht die Schmach anthun, die Fakultät zu beseitigen, die seinem Herzen theuer sei; die Kammer werde auch dem Dpfer Rechnung tragen, das Bordeauz der Ausbildung des höheren Unterrichts bringe. Ein Antrag Talandier und Genossen, welcher auf vollständige Unterdrückung der für die theologischen Fakultäten verlangten Kredite abzielt, wurde mit 428 gegen 63 Stimmen verworfen. Bert (Radikaler) beantragte die Aufhebung der theo⸗ logischen Fakultät in Rouen. Raoul Duval trat dagegen auf, aber die Aufhebung wurde mit 219 gegen 166 Stimmen be⸗

schlossen.

Der ‚„Republique Française' zufolge würde das „Journal officiel! nächsiens abermals eine Liste von Be⸗ gnadigungen zu Gunsten der wegen der Kommune Ver⸗ urtheilten bringen. Dieselbe würde 107 Namen enthalten und die letzte sein, die dieses Jahr erlassen werden soll. Der Be⸗ gnadigungs⸗Ausschuß wird sich erst einige Monate nach den Ferien wieder versammeln.

Nach dem „Moniteur“ werden sich die Kammern, wie man jetzt als gewiß annimmt, bis zum 8. oder 12. August vertagen, sobald sie mit dem Unterrichts- und Kriegsbudget fertig sind.

Die „Köln. Ztg.“ theilt zur Charakteristik des in den ultramontanen Blättern veröffentlichten offenen Schreibens des Erzbischofs von Paris, Msgr. Guibert, an den Conseils⸗Präsidenten über die Kultusdebatte in der Kammer folgende Stelle daraus mit:

„Man darf unbedenklich behaupten, daß die Mitglieder des Bud⸗ getausschusses, wenn sie die kirchlichen Einrichtungen mit solcher Strenge behandelten, durchaus den Vortheil des unlängst unter uns eingesetzten Regimes in den Wind schlagen. Jetzt, wo zum dritten Mal versucht wird, in Frankreich die republikanische Regierung zu be⸗ festigen, hätte die Klugheit lehren sollen, kein Mittel zu vernachlässigen, um das Gelingen eines schon zwei Mal gescheiterten Versuches zu sichern. Die Erfahrung lehrte uns aber, daß die vereinigte Republik, welche die Ueberlieferungen des Landes und die Schwierigkeiten gegen sich hat, die für ein solches Regime aus einer Masse von 36 Millionen Einwohner entftehen, sich nicht erhalten konnie, weil sie nicht die religiösen Ideen achten wollte, und es nicht verstand, die Uebergriffe der Freiheit im Zaum zu halten. Wäre es nicht noöͤthig, alle konser⸗ vativen Kräfte zu schonen und sich auf alle heilsamen Einflüsse zu be⸗ rufen, wenn dieser dritte Versuch nicht so erbärmlich wie die zwei vorhergehenden endigen soll? Kann man leugnen, daß die christliche Moral, der Geist des Evangeliums, die Gewohnheiten der Frömmig⸗ keit gegen Gott und die Barmherzigkeit gegen seinen Nächsten nicht der mächtigste Damm gegen die ungeregelten Leidenschaften sei, welche die Völker entehren und als nothwendiges Heilmittel detpetische Re⸗ gierungen hervorrufen? Verständen unsere Gesetzgeber ihre Mission, sie würden in der Wirkung der Religion ihren nützlichsten Bundes- genossen sehen.“ . 3

Das „Journal officiel“ veröffentlicht folgenden Ab⸗ schiedsbrief der Königin Isabella an den Marschall⸗ Präsidenten:

Kom mission seinen Bericht vor.

Parig, 27. Juli 1876. Herr Marschall! Ehe ich das schöne und gastfreunzliche Frankreich, die Wiege meiner Familie, verlasse, wo ich acht Jahre lang fortdauernde Beweise von Anfehen und Achtung erhielt, legt mir meine unveränderliche Dankbarkeit die Pflicht auf, da ich individuell nicht allen Franzosen danken kann, mich an Denjenigen zu wenden, der den Schicksalen dieses großmüthigen Volkes, dessen Wohlfahrt mich und meine Kinder so lebhaft intereffirt, vorsteht. Sie kennen, Herr Marschall, meine Gefühle, und Sie können nicht an dem Andenken zweifeln, daß ich von diesem theuren Lande, dem Asyl der, spanischen Monarchie während der Tage graufamer Revolution, mit mir nehme. Ich kehre in mein Vaterland zurück, wo ich meine Kinder sinden werde, aber ich bewahre hier das Haus, in dem ich glückliche Tag, verlebte. Fortan werde ich meine Tage zwischen unsern beiden Ländern fheilen. Ich ersuche Sie, Herr Marschall, urch das Amtsblatt Frankreich den Ausdruck meiner auf— richtigen Dankbarkeit mitzutheilen. Und glauben Sie, mein theurer Marschall, an meine dankbare und aufrichtige Freuntschaft.

. Isabella von Bourbon.

Versailles 31. Juli. (W. T. B.) Die Deputirten⸗ kammer hat in ihrer heutigen Sitzung die Berathung über den gesammten Unterrichtsetat beendigt und wird morgen in die Diskussion des Militäretagts eintreten. Der Senat hat heute zwei Nachtragskredite für das Jahr 1875 zum Militäretat und zum Etat des Ministeriums des Innern ange— nommen. Das linke Centrum im Senat hat dem Conseil— Präsidenten Dufaure die Kandidatur zum ständigen Mit⸗ gliede des Senats an Stelle Casimir Pereiers angeboten.

Italien. Rom, 27. Juli. (It. N.) Zur gestrigen Senatssitzung hatten sich nicht weniger als 216 Senaporen in Rom eingefunden, von denen viele wegen ihres hohen Alters und wegen der weiten Entfernung, in welcher sie von der Hauptstadt wohnen, den Senatssitzungen schon lange nicht mehr beigewohnt haben. Da der Präsident Graf Pasolini nicht zu— gegen war, so führte der Vize-Präsident Lula den Vorsitz. Nachdem das Protokoll verlesen und keine Einwendung da— gegen erhoben worden war, erhob sich der Minister-Präsident und sagte:

Ich muß dem Senate danken und im Namen der Regierung eine Bitte an ihn richten. Erlauben Sie mir, meine Herren Sena— teren, daß ich Ihnen im Namen der Regierung für Fie zablreiche Betheiligung an der heutigen Sitzung Dank sage. Viele von Ihnen haben Ihre Familien . und die Mühstligkeiten einer langen Reise ertragen müssen. ie Regierung ist Ihnen dankbar dafür. Sie haben einen neuen Beweis Ihres Patriotismus abgelegt. Sie haben durch Ihren Eifer bewiesen, wie hoch die liberalen Institu—⸗ tionen im Lande geschätzt werden, für die es keine größere Gefahr geben könnte, als die allgemeine Gleichgültigkeit. Ihre Gegenwart in so großer Anzahl beweist, daß diese Gefahr für die freien Insti⸗ tutionen unseres Landes nicht vorhanden ist. Meine Herren Sena— toren, die Männer, welche mit dem Vertrauen unseres erhabenen Souveräns beehrt, vor ihnen stehen, wünschen Ihre Unterstützung und Ihr Vertrauen zu erhalten; aber noch mehr wünschen sie es zu ver— dienen. Es können Momente eintreten, in denen die Unterstützung des Senats die Autorität der Regierung erhöht und ihr die Krest giebt, welche ste zur Vertheidigung der Landesinteressen nöthig hat. Das gegenwärtige Kabinet wünscht ihre Unterstützung und fühlt sich verpflichtet, einen Zweifel zu beseitigen. Dieser Zweifel erhebt sich gegen dasselbe nicht in Ihrer Brust, auch nicht in diesem Saale, sondern außerhalb desselben, wo die politische Atmosphäre nicht immer heiter ift. Man hat den Zweifel erhoben, meine Herren Senatoren, ob wohl die Königliche Regierung daran gedacht habe, einen, ich will nicht jagen Druck, aber etwas Aehnliches auf die vortrefflichen Männer, welche diese Versammlung bilden, auszuüben. Diesen Zweifel will die Königliche Regierung gänzlich beseitigt wissen. Meine Herren! Die Regierung erkennt eine souveräne Käörperschaft vor sich, welche gebildet wird von Männein, die unter ihren Mit⸗ bürgern hervorragen durch Geist, Gelehrsamkeit, Opfer, welche sie der Sache der Freiheit und des Landes gebracht und durch große Dienste, die sie dem Staate geleistet haben. Das Staatsgrundgesetz be— zeichnet ste und der König ernannte sie zum hohen Amte der Gesetz— gebung. Nun, meine Herren, habe ich nöthig, Ihnen zu erklären, daß das Kabinet himmelweit von der Idee entfernt ist, irgend welchen Druck, ja nur einen Schatten davon auf diese hohe Versammlung und auf die ausgezeichneten Männer, welche sie bilden, ausüben zu wollen? Dieser Druck, meine Herren, ist moralisch un⸗ möglich und wäre eben so unwirksam wie unehrerbietig. Ich hoffe, daß der Senat den Männern, welche gegenwärtig am Staatsruder sitzen, diese Gerechtigkeit widerfahren lassen werde. Wir erkennen und ehren in dieser Versammlung die erste Staatskor— poration. Niemand, meine Herren, hat das Recht, die Aufrichtigkeit dieser Erklärung in Zweifel zu ziehen. Ich erinnere mich, in den erften Jahren unserer nationalen Wiedergeburt im Saale des Senates die Stimme unseres erhabenen, von ganz Italien geliebten und ver ehrten Souveräns vernommen zu haben, die Stimme, welche uns eines Tages betheuert hat, daß kein Schmerzensruf vergeb— lich zu Ihm erhoben wird, die Stimme des eben so ehrlichen wie tapfern Fürsten, welcher im Vorgefühl der Zukunft Italiens die Hoffnung auf dieselbe lebendig hielt und sie mit vollem Erfolge gekrönt hat. Meine Herren, wir können nicht vergessen, und wenn wir es wollten, so würden die Königlichen Wappen, welche auf jsnen Sitzen glänzen, uns daran erinnern, daß kraft der Verfassung die Prinzen unserer erhabenen Dynastie Mitglieder des Senates und Ihre Gefährten am Werke der Gesetzgebung sind, die Prinzen jener Tynastie, welche mit sicherem Auge die Reife der Zeit zu erkennen verstand und die Verfassung gab, jener Tynastie, welche mit kriegerischer Hand das Ban ner Italiens erfaßte und auf die Schlachtfelder trug, jener Dynastie, welche dieses Banner in den schmerzlichtten und gefahrvollsten Tagen unserer Wiedergeburt in den legislativen Versammlungen in Turin und auf den Leichenthürmen von Superga hoch und ehne Furcht und Tadel hielt, jener Dynastie, meine Herren, weiche Ita— lien frei und einig in seiner Hauptstadt in die ewige Stadt Rom geführt hat. Nun, meine Herren, erlauben Sie mir es auszusprechen, daß selbst der entfernteste Verdacht von Unehrer— kietigkeit gegen den Senat des Königreichs Seitens der Königlichen Minifter die schwerste aber auch abgeschmackteste aller Anklagen wäre, die man gegen uns vorbringen könnte, der wir aber nichts als unsere Verachtung entgegenstellen würden. Und gerade wegen der Ehrerbietigkeit, die wir für Sie hegen, haben wir Ihnen eine Bitte vorzulegen. Wir bitten Sie, meine Herren Senatoren, nicht um Nebenfragen besorgt zu sein; wir bitten Sie, bei der Entscheidung, welche Sie treffen werden, auf keinen andern Rath zu hören und sich durch keine andere Rücksicht leiten zu lassen, als durch den Gedanken, der Sie trotz der ungünstigen Jahreszeit so zahlreich hier versammelt hat: Das Ansehen unserer Institutionen unangetastet zu erhalten. Vor allen wird Ihnen die Königliche Regierung dafür dankbar sein, aber auch das Land, dem Sie in Ihrer langen und glänzenden Laufbahn schon so viele und große Dienste erzeigt haben, wird Ihnen auch für diesen neuen Dienst er— kenntlich sein.

Die Rede des Minister⸗Präsidenten wurde häufig und von begeifrerten Beifallsrufen unterbrochen, und als er geendigt hatte drängten sich, viele Senatoren zu ihm, um ihm die Hand zu drücken; als über den Gesetzentwurf, betreffend die Errichtung zollfreier Depots (punti franchi), abgestimmt wurde, stimmten,

wie schon gemeldet, 114 Senatoren dafür und 102 dagegen.

28. Juli. Gestern Abend las der Senator Conforti sach dem „Bersagliere“„ der zur Wahlreform eingesetzten Die Königliche Kommisston genehmigte den Bericht und schloß damit ihre Thätigkeit ab. Der Bericht wird der Regierung und der Presse übergeben wer⸗

den. Er schlägt bekanntlich vor, das Aller der (alliven) Wähler

auf 21 Jahre und den Census auf 20 Lire herabzusetzen, oder auch das aktive Wahlrecht allen Bürgern zu geben, welche die vier Elementarschulkurse besucht haben.

Der zum Internuntius am Hofe von Rio de Ja⸗ neiro ernannte Msgr. Roncetti ist gesftern nach Bordeaux abgereist, um sich daselbst nach Brafilien einzuschiffen.

Der frühere Vertreter der rumänischen Re— gierung in Rom, Esarco, welcher in Folge des daselbst stattgefundenen Ministerwechsels seine Entlassung eingereicht hatte, die auch angenommen worden ist, hat Italien verlassen.

Zwischen Italien und Rumänien sind Unterhand⸗ lungen zum Abschluß eines Handelsvertrages eingeleitet worden.

29. Juli. Nach dem klerikalen Rome“ erwartet man im Vatikan die Ankmft einer sehr großen Pil gerkarawane aus Spanien. Die Zeit der Abreise von Madrid ist noch nicht festgesetzt.

Der „Italie“ zufolge wären die Beziehungen des päpftlichen Stuhls zur hohen Pforte, Dank der ge⸗ schickten Vermittelung des auf seinen Posten in Konstantinopel zurückgekehrten Patriarchen Hassun von Tag zu Tag enger.

30. Juli. Die Preßorgane sämmtlicher politischen Parteien beschäftigen sich angelegentlich mit einer Rede, die der Abgeordnete Bertani vor der äußersten Linken bei einem ihm zu Ehren in Reggio (Brescia) veranstalteten Bankett gehalten hat, weil er sich darin ganz unumwunden für die Ein— führung der Republik in Italien ausgesprochen und den Minister des Innern Nicotera stark kompromitirt hat. Da Bertani dem Minister Nicotera über das Bankett telegraphisch berichtet hatte, ohne ihm jedoch diesen Tgeil seiner Rede mitzu⸗ theilen, so ließ ihn der Minister urch seinen Kabinetschef für das dem Ministerium ausgesprochene Wohlwollen danken. Als aber die Rede des Abg. Bertani bekannt wurde, drückten alle Zeitungen der gemäßigt liberalen Partei ihre Verwunderung und Entrüstung darüber aus, daß ein Parlamentsmitglied sich so unumwunden für die Einführung der Republik in Italien erklären und den Namen eines Mitglieds der Regierung in diese Erklärung mit hineinziehen konnte. Der „Bersagliere“ tadelt deshalb den Abg. Bertani wegen seiner Rede, namentlich aber, weil er den Minister des Innern mit hineingezogen, falsch und ganz ungerecht beurtheilt und seine ohnehin schon schwierige Stellung noch verschlimmert habe. Er versichert, das Hr Nico⸗ tera durch die Rede sehr schmerzhaft berührt worden ist, und läßt durchblicken, daß der Minister des Innern weit entfernt mit den Republikanern einverstanden zu sein, den Präfekten die schärfsten Weisungen betreffs derselben habe zukommen lassen.

Türkei. Vom Kriegsschauplatze liegen heute folgende Telegramme vor:

Konstantinopel, 31. Juli. (W. T. B.) Hier eingegan⸗ gene Depeschen aus Nisch melden, daß die türkischen Trup— pen die Offensive ergriffen und die Serben zurückgedrängt haben. Sie bemächtigten sich der serbischen Verschanzungen bei Dervent (auf der Straße von Gramada nach Knjazevach, und drangen in der Richtung auf Guagussovatzi (Gurgusovac? oder mit anderem Namen Knjazevac, Stadt in Serbien am Timok, südlich von Saitschar) zu in Serbien ein. Aus Widdin wird ebenfalls gemeldet, daß die türkischen Truppen die Offensive ergriffen haben. Nach Nachrichten aus Pod⸗ gorizza wären die Montenegriner bei Antivari geschlagen worden. 400 in Philippopel eingekerkert gewesene Bul⸗ garen sind wieder in Freiheit gesetzt worden. T

Wien, 31. Juli. (W. T. B.) Der „Politischen Kor⸗ respondenz wird aus Belgrad gemeldet: Nachdem die Unter⸗ suchung wegen der am 5. d. stattgehabten Beschießung des Dampfers „Tisza“ durch die Serben geschlossen worden ist, wurde der hauptsächlich kompromittirte Kommandant der ser⸗ bischen Nationalmiliz, Peter Jokovic, Seitens des serbischen Kriegs-Ministeriums in Gegenwart einer Militärabtheilung seiner Charge enthoben und entlassen. Dieselbe Korrespon⸗ denz veröffentlicht einen ausführlichen Bericht über die Schlacht bei Vrbica. In demselben wird der Sieg der Montene⸗ griner als eine Folge einer leichtsinnigen Operation Moukhtar Paschas dargestellt. Moukhtar Pascha habe von seinem Corps 8 Bataillone gerettet. Er soll in Bilek von den Montenegrinern eingeschlossen sein.

Vrbica nicht zu verwechseln mit Vrba nördlich von Gaczko liegt 1119 österreichische Meilen nordöstlich von Bilek in sehr gebirgigem Terrain am Abhange des Troglawa⸗Somina und ist nur etwas über zwei Meilen von der montenegrinischen Grenze entfernt.

London, 31. Juli. (W. T. B.) Dem „Reuter schen Bureau“ wird aus Semlin unter dem heutigen Datum ge⸗ meldet: Gerüchtweise verlautet, daß die Türken ein bei Pan⸗ diralo (serbischer Grenzort an der Südgrenze nördlich von Ak— Palanka) stehendes serbisches Detachement geschlagen hätten und sich auf dem Vormarsche gegen Kujajevatz befänden. Die

ägyptischen Truppen in der Stärke von 3 Regimentern

Infanterie, 1 Regiment Kavallerie und zwei Batterien sind gegen Mitrovitza (südöstlich von Nowibazar im östlichen Theile der Herzegowina) dirigirt. Aus Saitchar liegen keine neueren Nach⸗ richten vor. Die Serben haben Sienitza eingeschlossen.

Ueber das letzte Tagesereigniß auf dem Kriegsschau⸗ platze, das Gefecht bei Vrbica, liegt eine weitere ergänzende Nachricht von montenegrinischer Seite vor. Wiewohl anzuneh⸗ men ist, daß Moukhtar Pascha geschlagen worden sei, so ist doch das bezügliche Telegramm nur mit Vorsicht aufzunehmen. Von den 16 Bataillonen der Türken sollen sich blos vier Bataillone, und auch die nur kaum, durch die Flucht gerettet haben. „Was dürfte wohl, sagt die „Presse“, mit den übrigen zwölf Bataillonen geschehen fein, nachdem doch nur 300 Nizams ge⸗ fangen genommen wurden? Sollte sich der Verlauf des Ge⸗ fechtes bei Vrbieag in der gemeldeten Form auch nur annä⸗ hernd bestätigen, so durfte das Schicksal Moukhtar Paschas und der ihm mailitärisch anvertrauten Provinz Herzegowina so ziemlich entschieden sein. Die Türken werden sich zwar auf Mostar zurückziehen können und einer Belagerung durch die Montenegriner gewärtig sein, allein weit nachhaltiger könnten sich die moralischen Konsequenzen des anderthalbstündi⸗ gen montenegrinischen Sieges gestalten. Jede entscheidende Nie⸗ derlage, welche die türkische Armee in Bosnien oder der Herze⸗ gowina erleidet, wird ermunternd auf die Haltung der Insur⸗ genten wirken, ganz abgesehen davon, daß die Pforte in jenen Provinzen nicht viel Truppen zu verlieren und zu ergänzen hat.“

Von dem serbischen Kriegsschauplatze liegen nur untergeordnete Mittheilungen vor. Ein Privattelegramm des Spezial⸗Berichterstatters der „Presse“ aus Belgrad, welcher sich in das Hauptquartier der Drina-⸗Armee begeben hatte, meldet, daß General Alimpies sich mit seinem Stabe am linken, also auf dem Drina⸗Ufer befinde und einen Angriff für die nächsten

Tage vorhabe. Ueber die Lage der Timok⸗Division liegt in einigen Blättern die immerhin interessante Mittheilung vor, daß fich die Serben in Bregova verschanzt haben und daß türkischerseits ein Angriff von Gru sova vorbereitet werde. Bregova liegt am rechten Timok⸗Ufer, also auf türki⸗ schem Boden; Grusova ist zwei Meilen davon, in der Rich- tung gegen Widdin, entfernt. Der seiner Zeit mehrfach gemel⸗ dete Angriff der serbischen Stadt Negotin und deren Einnahme durch die Türken, erweist sich sonach als unbegründet.

In einem Belgrader Brief des „Hamburger Cor⸗ respondenten wird unter Hinweis auf das erste Gefecht bei Gramada der Operationsplan Abdul Kerim Paschas auseinandergesetzt. Es heißt darin unter Anderm:

Die Streitkräfte, über welche Abdul Kerim Pascha an der Südgrenze Serbiens verfügt, haben eine ganz auffällige Schwenkung nach Often unternommen. Am rechten Üfer des Nissawaflusses, der in seinem weiteren Laufe bei Nisch vorüberfließt, breitet sich ein wilder und ungangbarer Gebirgszug aus, die Tori⸗Stara⸗Planina. Die südlichen Abhänge dieses Gebirgzuges reichen fast bis an das Ufer der Nissawa, die rördlichen stoßen schon an die serbische Grenze. Im Westen endet der Gebirgszug bei Nisch, im Osten, nachdem er eine sanfte Biegung südwärtz gemacht hat, in der Gegend ven Piret. Diese Tori. Stara-Planina liegt also ostwärtz von den serbischtürkischen Aufstellungen, und da der türkische Offensivstoß nach der allgemeinen Annahme im Weften erfolgen sollt', so dachte gar Niemand daran, daß diese Gebirgshöhen der Schauplatz militärischer Ereignisse werden könnten. Es ist aber anders . Die Türken schlugen sich. wie gesagt, plötzlich oftwärts, über— schritten die Tori Stara Planind und griffen die in großer Bestürzung herbeigeeilten Serben am Nordabhange des Ge— bicges bei Gramada an, einer kleinen Ortschaft, die schon unmittelbar an der Grenze und an der nach der serbischen Stadt Gurgusovac führenden Straße liegt. Dieser türkische Angriff wurde zwar für diesmal noch zurückgeschlagen, aber daß er überhaurt unter nemmen wurde, das zieht mit einem Male den Schleier von den Op rationen Kerim Paschas weg. Abdul Kerim Pascha will offenbar die Befestigungen deg Morawathales umgehen und sich in den südöstlichen Winkel von Serbien eindrängen, d. h. seine Truppen wie einen Keil zwischen das Armee Corps Tschernajeffs einerseits und das des Obersten Lieschanin am Timok andererseits schieben. Glückte ein nächfter Angtiff auf Gramada, so könnte Abdul Kerim Pascha in längstens drei Stunden das serbische Dorf Dea— nica und damit den Lauf es oberen Timok erreicht haben. Ein kurzer Tagemarsch brächte ihn nach Gurgusovae am gleichnamigen Flusse. Einmal hier, befände sich aber Abdul Kerim Pascha auf halbem Wege zwischen den Armee⸗Corps Tscherna⸗ jeffs und Ljeschaninz. Osman Paschas jüngste Offensive war so kombinirt, daß Ljeschanin gegen Negotin, also nach Norden, ab— gedrängt werden sollte. Zu welchem Zwecke, liegt auf der Hand. Ist Ljeschanin einmal gegen Norden abgedrängt, dann kann Osman Vascha gleichzeitig den mittleren Lauf des Timok, ungefähr bei Zajear, besetzen. Zajcar aber liegt kaum acht Wegstunden von Gurguseva entfernt, und es könnten sich also die Armeen Abdul Kerims und Osman Paschas im Thale des Timok selbst vereinigen. Weder Tschernajeff noch der weit von ihm abgedrängte Ljeschanin wären dann wohl im Stande, den Vormarsch der Türken gegen Belgrad zu hindern, und dies umsoweniger, wern gleichzeitig ein Offenstvstoß auch von Nordwesten, von Bjelina erfolgte.

Tschernajeff, berichtet der, Correspondent“ weiter, habe diesen Plan des türkischen Ober ⸗Feldherrn durchschaut und sei darum vor acht Tagen in aller Eile in das Hauptquartier des Fürsten Milan ge- kommen, um mit diesem die nöthigen Veränderungen in der Auf— stellung der serbischen Armee zu berathen.

Ein Belgrader Berichterstatter desselben Blattes schreibt über die serbischen Befestigungen von Deligrad und über den türkischen Offen sivplan u. A. Folgendes:

Es giebt in ganz Serbien keinen zweiten Punkt von so hoher strategische: Wichtigkeit, als es Deligrad ist, und dieser Wichtigkeit entsprechend haben die Serben auch den Platz befestigt. Eine türkische Armee, die von Nisch aus in Serbien eindringen wollte, muß unbe— dingt hier passiren. Aber auch zwei Seitenthäler münden, das eine unmittelbar bei Deligrad, das andere etwas oberhalb davon. Das erste ist das Thal der Striceviea. Wenn es Osman Pascha an der Ostgrenze gelänge, Zajcar zu nehmen, und wenn er dann den Lauf des Timok aufwärts marschirte bis nach Garguseva, so brauchte er sich hier nur rechtz zu wenden, und in einem halben Tagesmarsche wäre er in Slatina und in Oreson, beziehungsweise im eben genannten Thale der Stricevica, an dessen Ausgange er Deligrad bedrohen könnte. Das zweite Seitenthal mündet bei Stalat, zwei Stunden oberhalb von Deli grad. Es ist das Thal der Zapadnaja Morawa oder der serbischen Morawa, welches Mehemed Ali Pascha benützen könnte, wenn ihm von Nova Varos aus ein Vorstoß nach Serbien gelänge. Bei Deli⸗ grad also müßte es zur Entscheidungsschlacht kommen. Dꝛei Hügul⸗— ketten. die sich zur Dreieckform zusammendrängen, schließen den Platz ein Diese Hügel sind es, welche die Serben mit Befestigungen be— deckt haben Befestigungen, von welchen Fachmänner versichern, daß sie geradezu uneinnehmbar seien. In ihrer Gesammt— heit bilden die Befestigungen einen dreifachen Gürtel von Schanze, entsprechend der dreimal wiederholten Steigerung des Bodens. Die Schanzen sind mit 42 Kruppschen Kanonen bestückt, welche Projektile von 200 Kilogramm Ge— wicht zu schleudern vermögen, außerdem aber mit etwa 30 Kanonen kleineren Kalibers. Man mag mit welchem serbischen Offizier immer sprechen, jeder drückt die Ueberzeugung aus, daß die Türken nie und nimmer Über Delizrad werden hinauskommen, wenn sie nur von Süden her ins Land eindringen.

Andere Besorgnisse scheinen es übrigens noch zu sein, welche seit einigen Tagen unsere maßgebenden Kieise erfüllen. Verstehe ich gewisse Andeutungen recht, so befürchtet man, daß es gar richt in der Absicht der Türken liegen könne, den Eintritt von Süden her zu forciren, sondern da alle Operationen bei Nisch nur den Zweck hät- ten, die Armee Tschernajeffs dort festzuhalten, um mittlerweile um so ungehinderter im äußersten Osten und Westen des Landes zur Offensive überzugehen. Was einen türkischen Invastens— verjuch von Bjelina her betrifft, so muß man denjelben zwar fär ziemlich unwahrscheinlich halten; denn seitdem Achmed Moukttar Pascha aus Bosnien nach der Herzegowina zurückgekehrt ist, stehen dort lange nicht mehr türkische Truppen genug, als daß man vde— fürchten sollte, Ranko Alimpits werde über die Drina hinüber geworfen, sein Armee⸗Corps zerstreut werden. Anders steht es frei- lich mit den tärkischen Streitk äften im Osten. Dort verfügt Osman Pascha heute über nahezu 40 000 Mann, und man darf nicht ver— gessen, daß sein Armec-Corps in Bezug auf die Möglichkeit, sich aus= giebig und rasch zu verstärken, das bestsituirte ist. hat die Donau hinter sich, und diese können ihm die

sperren.

Amerika. Hayti. (A. A. C.) Aus Cape Haytien wird unterm 11. d. M. gemeldet, daß daselbst versucht wurde, eine revolutionäre Bewegung zu Gunsien des Generals Nord in Scene zu setzen, daß aber der Versuch fehlschlug. Ge— neral Nord, der für mehrere Tage eine Zuflucht im Hause des amerikanischen Konsuls fand, entkam schließlich an Bord des französischen Dampfers „Martinique“ nach Kingstown. Es ging ein Gerücht, daß ein Komplott exiftire, die Stadt in der Nacht des 11. in Brand zu stecken, aber man schenkte demselben keinen Glauben, noch empfanden die Kaufleute in Cape Haytlen irgend welche Unruhe. Es wurden mehrere wichtige Verkaf⸗ tungen vorgenommen, aber man glaubte, daß mit der Flucht des Generals Nord die Ordnung bald wieder hergestellt werden würde. Der Handel liegt in ganz Hayti darnieder.