Majestät der König hat in die erbetene Entlassung nicht ge⸗ willigt, vielmehr dem Minister in zwei jehr gnädigen Hand⸗ schrelben unter dem Ausdruck des vollsten Vertrauens den Aller⸗ höchsten Willen zu erkennen gegeben, daß derselbe im Amte ver⸗ bleibe. Unabhängig hiervon ist das Königliche Handschreiben an das Gesammt⸗Staats⸗Ministerium.“
— 12. August. Se. Majestät der König hat dem von hier abberufenen Gesandten Spaniens, Don J. Llorente, das Großkreuz des Verdienst⸗ Ordens vom h. Michael verliehen. Das Abberufungsschreiben des Gesandten wurde auf Grund König⸗ licher Vollmacht von dem Staats⸗Minister des Königlichen Haäuses und des Aeußern schon in voriger Woche entgegen⸗ genommen.
Fachsen. Dresden, 11. August. Ihre Masjestäten der König und die Königin sind heute mit ihrem Gefolge von der am 2. Juli angetretenen Reise nach der Schweiz, zunächst von München (über Hof und Chemnitz) kommend, in bestem Wohlsein zurückgekehrt.
Baden. Karlsruhe, 10. August. Der „Staats⸗-Anzeiger“ bringt die von dem vormaligen Großherzoglichen Kriegs⸗ Ministerium unterm 10. Mai 1871 mit dem Königlich preu⸗ ßischen Kriegs ⸗Ministerium , Vereinbarung über die Rechtsverhältnisse der Großherzoglichen Militärwittwen⸗ kasfe, welche seiner Zeit die Genehmigung der beiden Regie⸗ rungen erhalten hat, nachträg ich zur öffentlichen Kenntniß. Es kam die bisherige Nichtveröffentlichung dieser Vereinbarung ge⸗ legentlich eines bezüglichen Gesetzentwurfs auf dem letzten Land⸗ tage zur Sprache; sie wurde daher in dem betreffenden Kom⸗ missionabericht der Ersten Kammer zuerst abgedruckt. — Die diesjährige ordentliche Sitzung der Central kommission für die RKheinschiffahrt wird den 16. d. M. in Mannheim er⸗ öffnet werden.
— 11. August. Heute reisen der Großherzog und die Großherzogin sowie der Erbgroßherzog nach Bay⸗ reuth ab.
Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Schloß Wilhelms⸗ thal, 12. August. Se. Königliche Hoheit der Großherzog ist heute Morgen nach Bayreuth abgerei t.
Schwarzburg⸗Sondershausen. Sondershausen, 12. August. Der Fürst und die Prinzessin Elisabeth sind heute Mittag auf mehrere Wochen verreist. Das nächste Reise⸗ ziel ist Bayreuth; von da begeben sich dieselben nach Gastein.
Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 11. August. Die „Wiener Zig.“ schreibt: Zahlreiche Vereine, Korporationen und einzelne Perfönlichkeiten haben ihre Absicht zu er⸗ kennen gegeben, den 21. d. M. als den 18. Geburtstag Sr. Kasserlichen und Königlichen Hoheit des Durchlauch⸗ tigsten Herrn Erzherzogs Kronprinzen Rudolf festlich zu begehen, und dies besonders im Hinweise darauf daß mit diesem Tage die Großjährigkeit Sr. Kaiserlichen und Königlichen Ho⸗ heit eintrete. Mit Freuden ergreifen wir wieder diese Gelegenheit, Akt zu nehmen von der gewohnten Loyalität, von der pittät vollen Liebe, mit welcher die Völker Oesterreichs an allen Ereignissen, welche das Allerhöchste Kaiserhaus berühren, den innigsten An⸗ theil nehmen; wir halten es aber nicht für überflüssig, hier zu erwähnen, daß Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der durch⸗ lauchtigste Herr Erzherzog Kronprinz Rudolf nach dem österreichischen Hausgesetze bereits mit seinem 16. Geburtstage in die Großjährigkeit eingetreten ist.“
— Der Kronprinz und die Kronprinzessin von Italien haben heute Nachmittags mit dem Schnellguge der Sübbahn Wien nach fünftägigem Aufenthalte verlassen.
— Mit Bezug auf die von der „Pol. Corr.“ nach einem Telegramme aus Agram gemeldete Verletzung östexrreichi⸗ schen Gebietes, gehen nunmehr dem genannten Blatte in authentischer Weise die folgenden näheren Daten zu:
Eine Bande von etwa 100 Insurgenten, welche den Türken Schafe rauben wollten, wurde am 7. d. M., 5 Uhr Nachmit⸗ tags, von 300 bewaffneten Türken bei Bielek⸗Boto, ober⸗ halb Staroselo angegriffen und auf österreichisches Gebiet zurückgeworfen, bei welchem Anlasse das Gefecht beiderseits einige Zeit auf österreichischen Boden fortgesetzt wurde. Die Ortschaften Staroselo und Djelevina wurden von den Türken angegriffen und angezündet, in Folge dessen meh⸗ rere Häuser niedergebrannt sind. Die Einwohner der beiden Ortschaften flüchteten nach Tobusko. Am selben Tage wu de noch eine K. K. Infanterie⸗Kompagnie von Tobusko nach Sta⸗ roselo entsendet und zogen sich bei deren Anmarsche die auf österreichischem Gebiete kampirenden bewaffneten Türken ohne Weiteres auf türkisches Gebiet zurück.
— Der ungarische Landesvertheidigungsminister Bela Szende ist gestern hier eingetroffen und vom Kaiser in besonderer Audienz empfangen worden, um über die Er⸗ gebnisse der Inspektions-Rundfahrt in der ehemaligen Militärgrenze, von der der Minister vor Kurzem zurückkehrte, Bericht zu erstatten.
— 12. August. Wie das „Fremdenbl.“ vernimmt, finden zwischen der Pforte und dem Heiligen Stuhl gegenwärtig Unter⸗ handlungen zum Zweck der Regelung der Verhältnisse der Katholiken des Orients statt. Behufs Regelung dieser Verhãltnisse soll der Heilige Stuhl eine zwischen ihm und der Regierung des Sultans zu vereinbarende Cirkumskriptions⸗ bulle erlassen.
Pest, 11. August. Der „Pester Lloyd“ bestätigt die Fr ei⸗ lassung des Generals Stratimirovie, bemerkt jedoch, die Freilassung sei über Beschluß des Neusatzer Gerichtshofes nur deshalb erfolgt, weil die gegen den genannten Serbenführer ein⸗ geleitete Untersuchung abgeschlossen ift, keineswegs aber, weil er für vollständig unschuldig befunden wurde. Im Sinne des Freilassungsbeschlusses des genannten Gerichtshofes darf sich 46 ohne gerichtliche Erlaubniß nicht von Neusatz ent⸗ ernen.
— ñI12. August. Graf Melchior Lonyay dürfte, wie der „Wien. 3.‘ von hier telegraphirt wird, das Zentaer Ab⸗ geordnetenmandat dennoch annehmen, um als Mitglied des Abgeordnetenhauses Gelegenheit zu haben, anläßlich der Ver—⸗ handlung über den Schlußrechnungs⸗Kyommissionsbericht für das Jahr 1874 die der Schiffwerfte gegebenen Darlehen zu recht⸗ fertigen. Bekanntlich hat die Koinmission beschlossen, dem Reichstage die Verweigerung des Absolutoriums zu beantragen. Der von dem Kommissionsmitgliede Georg Nagy ausgearbeitete 1. gelangt in den ersten Sitzungen der Herbstsession zur
orlage.
Agram, 11. August. In der heutigen stark besuchten Land tagssitzung beantwortete Derencin im Namen der Re⸗
gierung die Interpellation Subotie im Wesentlichen wie folgt: Von privater verläßlicher Seite kam der Regierung die Anzeige zu, daß einige Pakraczer Individuen dem staatsrechtlichen Verhaͤltnisse Kroatienæ feindliche Kundgebungen öffentlich mach⸗ ten, die serbische Einwohnerschaft gegen Andersgläubige hetzen und behufs Ausführung ihrer staatsfeindlichen Absichten die in Pakracz und Umgebung internirten bosnischen Flüchtlinge als Werkzeuge gebrauchen wollten. Die Regierung hat den Pakraczer Vizegespan, der ein Verwandter der hauptgravirten Persönlichkeit ist, abberufen, einen Regierungskommissär ent⸗ sende und die Angelegenheit der Ober⸗Staatsanwaltschaft über⸗ geben, welche den Essegger Staatsanwalt delegirte. Zur Beruhi⸗ gung der Bevölkerung wurde bewaffnete Macht dahingeschickt, nachdem unter den Flüchtlingen eine außerordentliche Bewe⸗ ung wahrgenommen wurde. Die Pakraczer Bevölkerung ö diese Maßregeln freudig aufgenommen. Die Ange⸗ legenheit ruht in Händen des Gerichtes und könne die Re⸗ gierung den Lauf des Verfahrens nicht beeinflussen. Die Bello⸗ varer Verhaftungen hängen hiermit nicht zusammen und erfolg⸗ ten dieselben nicht in Folge einer Weisung der Regierung. Das Haus nahm die Antwort einstimmig zur Kenntniß. Subotic felbst war in der Sitzung nicht anwesend.
— 12. Auguft. In der heutigen Landtagssitzung wurde nach vier unbedeutenden Interpellationen der Gesetz⸗ entwurf über die Hauskommission an den Ausschuß zurückge⸗ wiesen und hierauf der Landtag bis zum 28. d. vertagt.
Großbritannien und Irland. London, 12. August Die Königin, welche mit dem Prinzen Leopold und der Prinzessin Beatriee am Dienstag Abend nach Schottland abreist, wird am Mittwoch Morgen Edinburgh erreichen, im Holyrood Palace residiren und das Den kmal des Prinzen Albert einweihen. Am Donnerstag Abend wird Ihre Majestät dann nach Balmoral abreisen. Prinzessin Louise hat gestern mit ihrem Gemahl, dem Marquis de Lorne, London verlassen und eine Reise nach dem Kontinent angetreten.
— Lord und Lady Odo Russell speisten am 12. bei der Königin in Osborne.
— [W. T. B.) Der Premier⸗Minister Disrgeli, jetzt ESarlof Beaconsfield, ist an Stelle des Sarl of Mal mes⸗ burn, der in Folge andauernder Kränklichkeit sein Amt niedergelegt hat, zum Lord-Siegelbewahrer ernannt worden. — Die Regierung hat in Betreff des flüchtigen Sklaven gegenüber zu beobachtenden Verfahrens ein neues Cirkular erlassen, daß jedoch keinerlei bestimmte Vorschriften enthält, sondern nur im Allge⸗ meinen ausspricht, daß sich die Befehlshaber englischer Schiffe bei der Aufnahme von Flüchtlingen, sei es auf offenem Meere oder in den Küftengewässern eines bestimmten Landes, durch Erwägungen und Gründe der Menschlichkeit leite lassen sollen.
— (C. C.) In der gestrigen Sitzung des Unterhauses wird von Ashley wiederum die Frage bezüglich der Grau⸗ samkeiten in Bulgarien zur Sprache gebracht.
Derselbe beklagt sich über den Mangel an rascher und energischer Handlungsweise Seitens der Regierung und ihrer Vertreter in der Türkei. Nachdem er seine Verwunderung darüber ausgedrückt, daß Morde, Verstümmelungen und andere Schandthaten ohne Kenntniß der englischen Regierung in einer christlichen Provinz hätten begangen werden können, die nur vier Tagereisen von London entfernt sei, führt er aus, daß die Bulgaren ein harmloses und ruhiges Volk seien. Er frägt, weshalb die Regierung nach dem ersten Berichte über diese Grausamkeiten sich durch bie englische Botschaft nicht in Verbindung mit der Pforte gesetzt und Schritte ge— than habe, welche des Charakters und der Macht Englands würdig scien. Das Betragen Gir Heary Eliots sei apathisch und theil⸗ . gözesen und Mr. Vupuis, der hritise Vize Konsul in
drianopel, habe die änßerste Unfähigkeit bewiesen. Wenn es der Regierung mit der. Mißbilligung der Gräuelthaten Ernst sei, müsse sie Sir Henry Elliot abberufen und an seiner Stelle einen enerzi⸗ scheren Minister, der besser mit den Türken umzugehen verstehe, zum Botschafter ernennen. Mr. Forsyth vertheidigt die Re—⸗ gierung gegen die Angriffe des Vorredners, spricht aber im ükzrigen die Ansicht aus, daß die Türkei an Stärke gewinnen würde, wenn sie ihre enropäischen Provinzen verliere. Mr. Forster spricht seine Genugthuunng darüber aus, daß die Interpellation der Regierung Gelegenheit zur weiteren Erläuterung ihrer Stellung in dieser Angelegenheit gewährt habe. Er fürchtet, daß die Regierung durch Sir Henmy Elliot irregeführt worden sei. Die Sympathien des Letzteren schienen vollständig auf Seiten der Türken zu se n. — Mr. Bourke, Unterstaats ekretär des Auswärtigen, zögert nicht, zu ertlä ren, daß die Lage Serbiens in diesem Augenblick das Mitgefühl jed er christlichen Nation erregen müsse. Wie auch der Krieg aus lau fen möge, der Zustand der serbischen Christen könne niemals den Nationen Europa gleichgültig bleiben. Auf die Ausfüh⸗ rungen Mr Ashley's eingehend, erklärte dann Mr. Bourke, daß eine schwächere Schlußfolgerung als die seine wohl voch niemals gezogen worden sei, denn die ganze Verwicklung der Regierung mit den orientalischen Angelegenheiten beruhe auf der Mißbilligung des Ber ULner Memorandums und der Absendung der Flotte nach der Besika— Bai. Die nächste Ursache letzterer Maßregel sei allerdings der Schutz der Christen in der Türkei gewesen. Mögen die Berichte über die Gräuel ühertrieben sein oder nicht, zweifellos hätten sie in solchem Umfange stattgefunden, daß die Entrüstung des Hauses und des Lan⸗ des gerechtfertigt sei. Sir Henry Elliot habe nicht mehr thun können, als er gethan. Die gegenwärtige Lage der Türkei gehe nicht blos England, sondern alle europaͤsschen Mächte an. Denn alle seien einstimmig der Ansicht, daß der territoriale Status quo aufrecht erhalten werden müsse. Nachdem er noch dem werthvollen Beistande, den die Spezialkorrespondenten Londoner Blätter durch ihre Berichte vom Kriegsschauplatze der Regierung geleistet, An 1kennung gezollt hatte, thrilte Redner mit, daß mit Zustimmung des Sultang ein her vorragender britischer Offizier (Sir Arnold Kembal) zur Begleitung der türkischen Armee abgesandt sei. Nacht em Mr. Jenkins und Sir W. Hareourt die Regierung angegriffen, nimmt der Premier Minister das Wort.
Er sagt:: Mr. Ashley habe seinen Angriffen die Ferm eines bestimmten Antrages geben müssen. Er habe wissen müssen, daß er (Disrgeli) selbst keiner Her us forderung
ausgewichen sein würde. Die Regierung habe kein Zeugniß davon, daß irgend eine Wahrheit in den übertriebenen Berichten bon dem Umkommen von 30,960 Personen sei. Sir Hemp Elliot habe in Umständen von großer, Schwierigkeit eine Einsicht, einen Muth und eine Ruhe bewiesen, die höchst wohlthätig auf die Politik eingewirkt habe. Hinsichtlich der Verantwortlich it, welche auf der Regierung laste, bemerkt Disrgeli, daß ikr nicht mehr Verantwortlichkeit, als den anderen Unterzeichnern des Pariser Vertrages zufalle. Aber da die Recierung nicht geneigt gewesen sei, einen Versuch mitzumachen, die Türken aus Europa zu vertreiben, habe man behauptet, sie leihe der türkischen Regierung ihre moralische Unterstützung, so daß geglaubt worden sei, die Pforte sei ihr ganz n,, Freund welchen sie unter allen Umständen zu unterstützen verpflichtet sei. England sei nur Theilnehmer eines Breibundes, in welchem sich nicht nur gesammt, sondern auch einzeln Frankreich, Oesterreich und Eng land zur Aufrechterhaltung der polinschen und territorialen Unver- letzlichkeit der Türkei verpflichtet. Die Regierung habe den Anschluß an die Berliner Note verweigert, weil sie überzeugt gewesen, daß im Falle der Annahme binnen Kurzem eine Einmischung hätte erfolgen müssen. Wenn die Türkei sich unfähig zeigte, die Ordnung herzu- stellen, würde weder England noch irgend eine der and eren Mächte vor der Erfüllung der ihnen dann obliegenden hohen politischen und
moralischen Pflicht zurülschrecken. Man dürfe aber nicht zu schnell
aus der gegenwärtigen Lage auf die Unfähigkeit der Türkei schließen. Diejenigen, so endet der Redner, „welche annehmen, daß England die Türkei aus blindem Aberglauben und Mangel an Sympathie mit den höchsten Bestrebungen der Menschlichkeit aufrecht erhält, find im Irrthum. Uasere Pflicht in diesem kritischen Augenblick ist es, das englische Reich aufrecht zu erhalten und nie werden wir einem Schritte zustimmen, welcher, wenn er auch für den, Augenblick ver. hältnißmäßige Ruhe und ein falsches Gedeihen erzielen mag, das Bestehen des englichen Reiches aufs Spiel setzt?“. (Beifall) Die Regierung hat wieder eine Reihe von Schriftstücken ausgegeben, welche sich auf die von den Türken theils wirklich
begangenen, theils ihnen nur zur Last gelegten Grausamkeiten
beziehen. Dieselben erstrecken sich faft bis auf die Gegenwart, denn die letzte Depesche ist vom 9. August datirt. Der Schriftwechsel beginnt mit einem Telegramm Lord
Derbys an den Vize⸗-Konsul Dupuis in Adrianopel, vom
14. Juli, worin letzterer beauftragt wird, sich nach Philippopel zu begeben und mit eigenen Augen sich von dem Sachverhalt zu überzeugen. Am 21. Juli telegraphirt. Dupuis, von den irregulären Truppen schlimme Gewaltthaten began⸗ gen worden seien, doch nicht in solchem Maße, wie es in den stark übertreibenden Schilderungen dargestellt worden; die Menne der
Getödteten erreiche nicht dle Ziffer 15,000. Am 14. Juli schreibt Sir H. Elliot an Earl Derby, er fordere immer aufs Neue Beendi⸗
gung der Gewaltthaten und legt einen Bericht des von ihm ab⸗ gesandten Herrn Sandison ein. Dieser schreibt (am 11 aus
Therapia an Sir H. Elliot, Midhat Pascha habe versichert, die regelmäßigen Truppen seien gar nicht zu tadeln, die Irregulären hätten geplündert, aber nicht in der angege— denen Art. Weiber und Mädchen seien nicht verkauft, wohl sei viel Vieh weggetrieben, das werde aber jetzt zurück⸗ erstattet. Die Baschibozuks seien zu scheiden in die von der Regierung verwandten Theile und die, welche aus Furcht vor den Drohungen der Bulgaren zur Selbstvertheidigung gegriffen hätten. Deren Ausschreitungen zu hemmen, habe die Regierung weder Macht noch Gelegenheit. Grausamkeiten hätten die Bulgaren angefangen, ein Türke sei von ihnen geröstet wor⸗ den. Unter den zerstörten Dörfern seien auch viele mohameda⸗ nische. Frauen und Mädchen Gewalt anzuthun, liege nicht im Charakter der Türken. Herr Sandison legt den Brief eines römisch⸗katholischen Herrn, der mit Wiener Zeitungen in. Ver⸗ bindung steht, bei. Der Brief war am 27. Juli von Philippo⸗ pel aus an Savfet Pascha geschickt, und erklärt, Bulgaren hätten die Ermordung mohamedanischer Männer, Frauen und Kinder beabsichtigt gehabt. Sie selbst hätten ihre Dörfer verbrannt. Seit dem neuen Ministerium gäbe es keine Unordnungen mehr. Der beklagenswerthe Zustand des Landes rühre, von dem Aufstand her u. A. m. — Am 17. Juli schreibt der türkische Minister des Auswärtigen an den Botschafter Mu⸗ surus Pascha nach London, daß die Erzählungen in eng⸗ lischen Zeitungen von unbegründeten Angaben und Lügen wimmeln. Die Baschibozuks, Einwohner des vom Aufstande bedrohten Landes, hätten fich und das Ihrige nur vertheidigt. Mord und Pluͤnderung seien auf beiden Seiten begangen worden, aber die Thatsachen seien übertrieben. Die Empörer hätten ein allgemeines Blutbad der Mohamedaner beabsichtigt gehabt, so wie die Verbrennung Adrianopels und Philippopels. In einem Dorfe seien nicht 000 Einwohner ermordet, sondern nur 90 bei dem Kampfe ge⸗ tödtet. Die türkische Regierung habe neuerdings durch Kiani Pascha noch strenge Strafen vollziehen lassen. Am 19. Juli telegraphirt Sir H. Elliot, daß der Großvezier strengen Befehl gegen die Aus⸗ schreitungen der Baschibozuks erlassen habe; am selben Tage erhält Derby die Nachricht, daß Faring nach Philippopel ab⸗ gegangen sei. Am 23. meldet Sir H. Elliot an Lord Derby, der Großvezier habe ihm strenge Maßregeln versprochen, mehrere Baschibozuls seien gehängt worden, ein Theil der Dörfer sei von den Aufständischen verbrannt worden, auch hätten letztere den Plan gehabt, die Mohamedaner in der Bulgarei auszurot— ten. Lord Odo Russell bestätigt inzwischen (am 20.) dem Lord Derby die Vorfälle in der Bulgarei, gestützt auf Berichte, welche der deutschen Regierung zugegangen sind.
Am 8. August schrieb Lord Derby in folgender Weise an Sir Henry Elliot:
Sir! Die Nachrichten von den in der Bulgarei begangenen Grausamkeiten werden fortdauernd auf das lebhafteste besprochen und mannigfach angezweifelt. Sie können das Entsetzen, welches jene Nachrichten hierselbst bei der Regierung und dem Volke hervorgerufen haben, kaum stark genug betonen Ich bitte Ew. Excellenz, mir dem ⸗ nächst zu berichten, ob die Unruhen in der Bulgzarei nach der Unter⸗ drückung des Aufstandes noch angehlten haben und welcher Art die dabei vorgekommenen Ausschreitungen waren, sowie ferner, ob keine Gefahr für deren Erneuerung vorliegt. Ich bin ꝛc. (23) Derby.
Am folgenden Tage kelegraphirte der Unter⸗Staatssekretär im Auswärtigen Amte:
Sir! Es erscheint wahrscheinlich, daß die Einnahme Saitschars zu der Besetzung einer großen Strecke serbischen Gebietes durch die Türken binführen werde. Ich bitte demgemäß Ew. Excellenz, bei der Pforte aufs Eindringlichste dahin zu wirken, daß die einmarschirenden fürkischen Truppen unter strenger Kontrole gehalten daß die nicht be⸗ waffnete Bevölkerung geschont und eine Erneuerung der bulgarischen Graͤuelscenen aufs nergischste vermieden werde. Ew. Excellenz mögen n . daß die Erneuerung eines solchen Schauspiels der Türkei mehr schaden werde, als eine verlorene Schlacht; daß der nicht mehr zu dämpfende Unwille Europas alsdann unfehlbar eine von der Pforte nicht erwünschte Einmischung herbeiführen werde.
Am 9. August liefen folgende zwei Telegramme von Sir Henry Elliot ein:
Ich have bei der Pforte ganz eutschieden dahin gewirkt, daß man die noch n, . gehaltenen Bulgaren in Freiheit setze. Der Grohßh⸗ vezitr versprach es mir; nur müsse mit einigen Individuen, welche die Anstifter der Unruhen gewesen seien, eine Ausnahme gemacht werden.
; - Therapia, 9. August 1876.
. a unmöglich, in Betreff der bulgarischen Grausamkeiten eine schärfere Sprache zu führen als ich dies schen gethan. Die Pforte bleibt bei ihrer Versicherung, daß jene Gräuelihaten weder von regulären Truppen noch von Baschibozukz, sondern von der über alles Maß erregten muselmännischen Bevölkerung begangen worden seien, welche sich von den Rebellen mit gänzlicher Auzrottung bedroht sahen. Der Zeitpun kt der Niederwerfung dieses Aufstandes kann nicht genau festgestellt werden, da starke Rebellenschaaren sich noch in den Gebirgen herumtrieben, als der Aufstand in der Ebene längst gedämpft war. Einige dieser Banden halten sich wahrscheinlich auch setzt noch in den Gebirgen auf. Seit mehreren Wochen ist mir kein Fall von ähnlichen Ausschreitungen, wie die früheren, mehr zu Ohren gekommen. So lange man in diesem Zustande der Aufregung, der Erbitterung und der Gesetzlosigk it verbleibt, können ähnliche Scenen sich immer wieder ereignen; doch glaube ich nicht, daß dies in der Bulgarei abermals der Fall sein werde, falls sich nicht die chriftliche Bevölkerung noch einmal gegen die mohamedanische Bevölkerung er. heben und jene zur Gegenwehr zwingen sollte. Trotz aller Anstren- gungen der Regierung werden wir auch fernerhin noch viel von den Ausschreitungen zu hören bekommen, welche zumal die Freiwilligen sich auf dem Marsch zum Kriegsschauplatz zu erlauben pflegen.
— JA. A. C) In Sheerneß wurde dieser Tage eine neue Schraubenkorve tte, die, Osprey“, von Stapel gelassen, wo⸗
daß
durch die englische Ilotte um ein weiteres Kriegsschiff vermehrt wird. Das Fahrzeug ist 170 Fuß lang, 36 Fuß breit, 15 Fuß ghz Zoll tief, hat einen Tiefgang von 13 resp. 16 Fuß und eine Tragkraft von 1124 Tons. Die Armirung besteht aus sechs Geschützen.
Frankreich. Paris, 12. August. Der Senat hieit heute zwei Sitzungen. In der ersten am Morgen abgehaltenen wurde die Wahl eines neuen Mitgliedes vorgenommen. Bei Ankündigung des Wahlergebnisses ergab sich, daß von 273 gültigen Stimmen 161 auf den Minister Du⸗ faure, 169 auf den Legitimisten Chesnelong, 2 auf Chabaud⸗Latour, 1 auf Ehevreul gefallen sind. Bei Eröffnung der zweiten Sitzung am Nachmittage bestieg der Minister Dufaure als Conseils⸗Präsident die Rednerbühne und las folgendes Dekret vor:
„Der Präfident der Republik verordnet in Anbetracht des Art. 2 der Verfassung über die Beziehungen der Staats⸗ gewalten: Art. J. Die gewöhnliche Session von 1876 des Se⸗ nates und der Deputirienkammer ist und bleibt geschlossen. Art. 2. Gegenwärtiges Dekret wird in den Senat gebracht durch den Siegelbewahrer Justiz⸗-Minister Conseils⸗Präsidenten, und in die Kammer durch den Kriegs-Minister. Paris, 12. Au- gust 1876.“
Hierauf erhob sich der Präsident des Senates, Herzog von Audkffret⸗Pasguler, und sprach: Es ist kein Gesetzentwurf⸗ mehr auf der Tagesordnung. Die Session ist aufgehoben.
Die Deputirtenkammer erledigte in ihrer Sitzung die Berathung des Budgets der schönen Künste, Der Präsident der Kammer verlas alsdann ein Schreiben des Ministers Dufaure, der, nachdem er zum Senator auf Lebens⸗ zeit gewählt, anzeigt, daß er seine Entlassung als Deputirter nehme. Jo ly legt den Bericht über die Wahl in Avignon auf den Tisch des Hauses. In demselben wird die Nichtigkeitserklã⸗ rung der Wahl des Grafen Demaine und die Sendung der
Untersuchungsakten an die Minister der Justiz und des Innern
beantragt. Guyot-Montpayroux fragt den Minister des Innern, wann die nächsten Gemeinderathswahlen stattfinden sollen. Der Minister Marcere antwortet, daß dem Gesetze ge⸗ mäß die Gemeinderathswahlen im Jahre 1877 stattfinden müssen. Es wird hierauf durch den Minister das Dekret vorgelesen, welches den Schluß der ordentlichen Session von 1876 anordnet. Nachdem das Protokoll der heutigen Sitzung verlesen und gut— geheißen, trennten sich die Deputirten.
Das „Journ. off. veröffentlicht einen Erlaß des Kriegs⸗ Ministerium s, betreffend die Einberufung der Reservisten der Klassen von 1868 und 69 zu vierwöchentlichen Uebungen. Die Tage, an welchen die betreffenden Reservisten sich bei ihren resp. Armee⸗Corps zu stellen haben, sind folgende: Beim 7., 8. 12.R, 13., 14, 15, 17. und 18. Armee⸗Corps am 21. August; beim J., 2., 3, 4., 5., 6. und 9. Ar mee⸗ Corps und der Pariser Armee am 1. September; beim 10. und 11. Armee⸗Corps am 15. September und beim 16. Arme e⸗Corps am 25. September.
Italien. Der Politischen Korrespon denz“ vom 12. August wird àus Rom berichtet, daß der Maronitenchef Jussuff Karam aus dem Libanon daselbst eingetroffen sei. Dem Ver⸗ nehmen nach hätte derselbe die offizielle Mission, Verhandlungen mit dem Vatikan über die Angelegenheiten der Katholiken im türkisch en Reiche anzuknüpfen.
Türkei. Konstantinopel, 12. August. (W. T. B.) Die türkische Regierung hat ihren Vertretern im Auslande folgende Mitt heilung zugehen lassen: Die serbischen Agenten sind im Auftrage ihrer Regierung bemüht, im Aus⸗ lande den Glauben zu verbreiten, daß die Kaiserlichen Truppen muthwillig die serbischen Dö fer in Brand stecken, und gehen sogar soweit, zu behaupten, daß die cirkassi⸗ schen Hülfstruppen mit Petroleum gefüllte Gesäße auf ben Kampfplatz bringen, um die Zerstörungen besser ausführen zu koͤnnen. Diese doppelte lächerliche Anklage, deren angeblicher Thaibestand nicht einmal nachgewiesen ist, wird hier⸗ durch für durchaus unbegruͤndet erklärt. Wenn einige serbische Dörfer von dem Feuer erreicht worden sind, so ist dies nur in der Hitze des Gefechtes selbst und durch einen unglücklichen Zu⸗ fall gefchehen; dagegen sind seit dem Beginn der Feindseligkeiten etwa) 60 Dörfer auf türkischem Gebiete, welche sowohl von Christen als von Muhamedanern bewohnt waren, durch die Serben eingeäschert worden.
— Dagegen meldet ein Telegramm des ‚W. T. B.“ aus St. Petersburg vom 14. August: Die offiziel len Klagen Serbiens über die Grau samkeiten der Türken werden durch Mittheilungen von Personen be stätigt, welche unter dem rothen Kreuze für die Verwundeten in Serbien thätig sind.
Trotz des Vorrückens der Türken bleibt die Sttmmung in Serbien eine muthvolle und vertrauende. Man macht sich auf das Aeußerste gefaßt, selbst auf eine Belagerung Belgrads und eine Wegnahme desselben. Der in Organisation befindliche Guerillakampf gegen die Türken wird erst darlegen, welche Er⸗ bitterung im Lande herrscht.
Die wiederkehrenden Nachrichten von Vermittelungen der Mächte, sowie die neuerdings von der Berliner „Post“ ge⸗ brachte Mittheilung, daß zwischen Wien und St. Petersburg seit dem 10. d. lelegraphische Verhandlungen zum Zwecke des gemeinsamen Schutzes Serbiens gegen die Türken stattfinden, werden an informirter Stelle als absolut unrichtig be⸗ zeichnet
— 13. August. Ueber die Amne stie, welche, wie bereits gemeldet, der Sultan in Bulgarien gewährt hat, liegt fol⸗ gende offizielle Mittheilung ver: Se. Kaiserliche Ma⸗ sestät der Sultan, bewogen durch die Gefühle väterlicher Für⸗ sorge und hoher Milde, hat geruht, eine volle und ganze Am⸗ nestie allen bei dem bulgarischen Aufstande Kompromittirten zu gewähren, deren Prozeß noch nicht zu Ende geführt ist. Aus genommen von diefer Gunst sind alle bereits Verurtheilten, sowie diejenigen, welche unter der Anklage, die Führer und Ur⸗ heber des Aufstandes zu sein, in Untersuchung sind. Alle An⸗ deren, welche sich wegen dieser Angelegenheit in S ft befinden, sollen sofort gegen eine entsprechende Kaution in Freiheit ge⸗ fetzt werden. Gegen Niemanden soll in dieser Angelegenheit eine weitere Untersuchung stattfinden noch eine Haft voll⸗ streckt werden. Alle gerichtlichen Verfolgungen auf Grund der m Rede stehenden Ereignisse sollen aufhören. Gleichzeitig wer⸗ den alle mit der Uniersuchung in diesen Prozessen betrauten außerordentlichen Gerichte beseitigt werden, und sollen die Ur⸗ theilssprüche, betreffend solche Individuen, welche zu den oben erwähnten Ausnahmekategorien gehören, den ordentlichen Gerich⸗ ten überwiesen werden.“
— Einer Korrespondenz der „Allg. Ztg.“ 3. August, entnehmen wir Folgendes:
In Folge von Exzzesfen, welche eine Baschibozuts in den Dörfern Hassköi,
aus Pera, vom
Bande von Jeni Mahale
und Hadschi Elias (Bezirk Philippopel) begangen hat, ward diese entwaffnet und wurden die Schuldigen ver⸗ haftet. Von diesen wurden die zwei Führer, Hadschi Morat und Abdulkadir, bereits in Folge standrechtlichen Spruches durch den Strang hingerichtet. Die üntersuchung gegen die übrigen wird fortgesetzf. Der Unter-Gouverneur von Hassköi, Veli Gddin Effendi, wurde wegen mangelnder Energie abgesetzt und vor Gericht gestellt, desgleichen der Mufth. Es wird bemerkt, daß die Plünderung in den genannten Srten ebensowohl in christ= lichen als muselmanischen Häusern stattfand, daß aber dabei kein Menschenleben zu beklagen ist. Die vorgefundenen Gegenstände wurden zurückgestellt. — Aus Bulgarien wird berichtet, daß die Bulgaren von Belgradschik, welche von den Serben be⸗ waffnet worden waren, zurückgekehrt sind und ihre Waffen den Behörden übergeben haben. — Beim Dorfe Dere Köi näch st Ismid hat man ein sehr reichliches Kohlenlager entdeckt. — An Papiergeld sollen unter Aufsicht und Leitung der osmanischen Bank 2 Millionen Psund ausgegeben werden, während 1 Million in Reserve bleibt. — Die freiwillige Beisteuer zu Kriegszwecken dürfte bis jetzt 10 Millionen Piaster erreicht haben.
— Vom Kriegsschauplatze gramme vor:
Wien, 12. August. (W. T. B. Wie der „Politischen Korrespondenz“ aus Belgrad vom heutigen Tage gemeldet wird, hat das Oberkommando beschlossen, das M orawathal ohne entscheidende Schlacht nicht aufzugeben. Die Opera⸗ tionen der türkischen Truppen unter Osman Pasch a sind vor der Hand auf Paratschin gerichtet, doch scheint das Morawathal ihr Hauptziel zu sein. — Ejuh Pascha steht am Eingang der Defileen von Banja; Banja selbst wird befestigt. — Teschjanin steht mit seinem Gros unweit Brestowatz.— In Negotin organisiren die Türken eine Donauuferpolizei. Der Ort soll von den Nizams geplündert worden sein. — Saitschar ist fast zur Hälfte niedergebrannt.
Belgrad, 13. August. (W. T. B.) Von der Drina⸗ Armee wird hierher gemeldet: Zwei Bataillone unter der Füh⸗ rung von Czinies und Javanovics haben bei einer Rekognos— irung die tüͤrkischen Pofüionen unterhalb Belina genommen.
je Serben wurden dann von den türkischen Truppen über⸗ fallen, schlugen fie aber nach einem dreizehnstündigen Kampfe gänzlich zurück. Während des Kampfes wurde Jan ig beschossen. Die serbischen Beobachtungstruppen standen bei Belina.
London, 13. August. (W. T. B.) Dem „Reuterschen Bureau“ wird aus Semlin vom gestrigen Tage gemeldet: Die Nachricht von dem jüngsten Siege der Türken bei Javor bestätigt sich. Die Verluste sind auf beiden Seiten sehr groß. Die Details über die Schlacht fehlen indeß noch. Demnächst wird eine neue Schlacht bei Banja erwartet. Im Wider⸗ spruche hiermit wird demselben Bureau aus Belgrad be⸗ richtet: Am Donnerstag ist ein türkisches Bataillon, welches versuchte, die serbischen Linien bei Javor zu durchbrechen, voll⸗ ständig geschlagen und beinahe gänzlich vernichtet worden. Die Position der Serben bei Javor ist intakt geblieben. —Ranko Alimpies bewahrt seine Offensivstellungen an der Drina. — Banja ist stark befestigt und von den Truppen des Generals Tschernajeff besetzt. Die serbische Abtheilung unter Becker behauptet die Gebirg⸗ züge zwischen dem Timok und der Morawa. Negotin und Kladova sind nicht in den Händen der Türken. — Fürst Milan wird sich in einigen Tagen zur Inspizirung der in Bosnien stehenden Armee be⸗ geben. — Eirca 30 000 Bulgaren, Greise, Weiber und Kin⸗ der, haben sich über Pirot und Nisch nach Serbien geflüchtet.
— Aus Belgrad wird telegraphirt:
Belgrad, 13. August. (W. T. B.) Fürst Milan ist gestern Abend vom Kriegsschauplatze hier eingetroffen.
Belgrad, 14. August. (W. T. B.) Die Fürstin von Serbien ist heute von einem Prinzen entbunden worden.
est, 12. August. Aus Belgrad wird vom heutigen Tage gemeldet: Fürst Milan wird morgen hier eintreffen; er will Frieden schließen, während da Ministerium den Kampf fortsetzen möchte. Das Hauptquartier ist nach Tschuprija verlegt. Türkische Truppen dringen auf der Heerstraße über Posarovatz nach Semendria vor und könnten binnen Wochenfrist vor Belgrad stehen.
— Vom 13. 8d. M. meldet „H. T. B.“ aus Belgrad: Das Ministerium gab m gestrigen Ministerrathe seine De⸗ mifsion, weil Fürst Milan den Frieden will, die Regierung aber die Fortführung des Kampfes für nothwendig hält. Risties las ein ausfürliches Exposé Tschernajeffs vor, nach welchem nichts zu einem nachtheiligen Friedensschluß berechtigt. Der Fürst hat noch keinen Entschluß gefaßt.
London, 13. August. (W. T. B) Aus Belgrad wird hierher gemeldet, daß zahlreiche Zuzüge von Freiwilligen aus anderen Ländern zur serbischen Armee stattfinden. — Garibaldi hat einen Brief an den serbischen Kriegs⸗Minister gerichtet, in welchem er anzeigt, daß er den Vorsitz in dem Tomitè übernommen hase, welches sich in Mailand zur Unter⸗ stützung der verwundeten Serben und Montenegriner ge⸗ bildet hat.
St. Petersburg, 12. August. (W. T. B.) Der „Inter⸗ nationalen Telegraphen-Agentur“ wird aus Belgrad von gestern Abend gemeldet, daß die Johanniter unter Führung Kellars aus London heute in Belgrad eingetroffen seien, gleich⸗ zeitig auch der zweite Theil des russischen Sanitätszuges, welcher von der Fürftin Schachowskaja nach Belgrad geleitet worden sei. Aerzte und Offiziere strömten jetzt aus allen Lãn⸗ dern zu, die Freiwilligen würden in Legionen eingetheilt, die Natalialeglon sei heute nach dem Kriegsschauplaͤtze abgerückt. Der Archimandrit Ducie sei schwer verwundet, ebenso General Zach, der sich einer Amputation werde unterwerfen müssen.
— Unter dem Titel: „Letzte Nachrichten aus Serbien“ ver⸗ öffentlicht die Pol. Korr.“ aus Belgrad vom 12. August das nachfolgende Telegramm: !
Alimpics erhielt den Befehl, nach Zurücklassung eines Corps zur Bewachung der Drinagrenze, die eiligst bei Lesch⸗ nitza befestigt wird, mit dem Gros seiner Truppen nach dem Innern zu marschiren. Das Ziel seines Matsches ist nicht be⸗ fannt. Oberst Ezolak Anties zog sich vorlaufig auf Iva⸗ nitza zurück. Es verlautet, ie Ibar⸗Division soll auf das bedrohte Kru sewatz sich zurückziehen. Vorgestern nahmen die Türken Kladowo und rücken auf sehr unwegsamen Bergpfaden gegen Gornje⸗Milanovac vor.
Im Kriegs⸗Ministerium neigt man. sich der Ueber⸗ zeugung zu, die türkische Armee werde konzentrisch gegen Belgrad dorrücken? Man befestigt daher die Stadt in einem Umkreise von 11 Meilen. Auf der Linie von Rakovitza bis Vischnitza
liegen folgende Tele⸗
werden Schanzen aufgeworfen Mokri⸗Lug, welches auf einer Anhöhe liegt und die Aleksinac⸗Paracin⸗ Cuprija⸗Semendria⸗
Straße beherrscht, wird befestigt und mit Redouten versehen. Alle großen Geschütze, welche im Kragujewatzer Arsenale liegen, werden nach Belgrad geschafft. Kriegs⸗Minister Oberst Nikolits überwacht persönlich die Arbeiten, zu deren rascher Vollziehung die gesammte männliche Bevölkerung des Vratscharer Bezirkes aufgeboten wurde. Der Minister des Innern schloß Verträge mit' Lieferanten ab, die in der kürzesten Zeit Belgrad mit großen Quantitäten Mehl, Schlachtvieh und anderem Proviant versehen müssen. Man will sich, wie es scheint, in Belgrad so lange wie möglich vertheidigen.
Die Fürstin äußerte heute ihren festen Entschluß in Bel⸗ grad zu bleiben und alle Gefahren mit der Bevölkerung zu sheilen. Gestern ist das Memoire üher die von den Türken ver⸗ übten Graufamkeiten den Vertretern der Großmächte übergeben worden. Der Fürst befindet sich im Momente in Deligrad. Zwischen Banja und Aletsinatz wird eine große Schlacht erwar⸗ tet. Tschernajeff ist beim Corps Horvatovich heute eingetroffen.
Obeist Despolovich veröffentlichte ein Manifest des Für sten Milan, welcher die Führung der bosnischen Insurgenten dem genannten Obersten überträgt und alle Bosniaken auffordert, dem „Fürstlichen Statthalter (Namestyk) zu gehorchen. Die Tuͤrken vernichteten ihre Besestigungen in Grakowo (in Bosnien) und zogen sich nach Ljewno zurück, wo ein großes Armee⸗ Corps aus Baschibozuks in der Bildung begriffen ist.
— Aus Belgrad schreibi man der „Pol. Corr.“ unter dem 9. August;
„Zu spät sieht man hier ein, daß die ferbische Heeres⸗ organisation eine solche ist, die eigentlich auf einen Erfolg zu hoffen, gar nie berechtigt hat. Das stehende Heer hatte bis setzt nie einen stärkeren Stand als 5000 Mann und da die In⸗ stüution der allgemeinen Wehrpflicht in Serbien noch sehr jung ist, so konnte bis jstzt nur eine geringe Zahl zu wirklichen Sol⸗ daten herangebildet werden. Die Wiliz hatte, mit Ausnahme des Brigadekommandanten, keine geschulten und gebildeten Offi⸗ ziere. Einfache Bauern waren mit der Offizierscharge bekleidet. Erst in den letzten Jahren begann man die Milizofsiziere zu einem theoretischen Unterrichté heranzuziehen, bei der kurzen Dauer der Kurse konnte jedoch nicht leicht etwas Ordentliches gelernt werden. Die Kavallerie wurde ganz vernachlässigt. Gewöhnlich bildet diese Waffengattung 1 bis 19 der gesammten Armee; im serbischen Volksheere repräsentirt die Kavallerie nur 1199 der Gesammt⸗ stärke. Aus diesem Grunde war der Eelaireurdienst schlecht or⸗ ganisirt, was große Nachtheile brachte. Auch den Man⸗ gel einer raschen Kommunikation empfindet man sehr schmerzlich. Hätte man eine Eisenbahn zwischen Knja⸗ zewatz⸗Saitschar und Alexinatz gehabt, das Timok⸗ Thal wäre noch jetzt in serbischen Händen. Endlich macht man auch die ungeheuere Grenzausdehnung gegen die Turkei für den unglücklichen Verlauf des Krieges verantwortlich. Man mußte die geringen Kräfte zersplittern und wurde so unfähig, auf irgend welchem Punkte etwas Entscheiden des unternehmen zu können. Alle diese Gründe sollen nächstens in einem öffent⸗ lichen Aktenstücke, das die serbische Kriegsleitung zur Recht⸗ fertigung der mißlungenen Campagne vorbereitet, ihren Platz finden.
Es war ein verhängnißvoller Irrthum, anzunehmen, daß Alt-Serbien jetzt von lürkischen Truppen entblößt sei, da an⸗ geblich Derwisch Pascha dem Moukhtar Pascha zu Hülfe eile. Diese falsche Rachricht bewog die Kriegsleitung, den größten Theil der Ibar-Armee, deren ursprünglicher Zweck doch als verfehlt und unausführbar betrachtet wird, nach dem Morawa⸗ Thal zu beordern. Derwisch, der gar nicht daran dachte, die wichtigen strategischen Punkie Novibazar und Sienika aufzugeben, sowie die einzige Straße aus Rumelien nach Bosnien über Mitro⸗ viea gefährden zu lassen, griff den Oberst Tscholak Antits mit überlegener Macht an und trieb ihn bis zu den Javorer Schanzen zurück. Gestern griff der im Gebirgskriege sehr be⸗ wanderte Derwisch die Serben in ihren Verschanzungen an und nahm dieselben im Sturm. Tscholak⸗Antits soll in der Särke von 6000 Mann dem Derwisch, der über 9590 Mann Redifs und Nizams verfügte, gegenüber gestanden sein. Die Verluste an Mannschaft sollen bedeutend sein. Nun zog sich Antits auf serbischen Boden zurück und zwar soll er von Derwisch verfolgt werden. Die Einwohner aus den nahen Dörfern wie der Stadt Ivanica sind schon geflern geflohen. Hiermit, haben die tür⸗ kischen Generale von allen Seiten sich den Eingang nach Ser⸗ bien eröffnet. .
Es scheint, daß man sich hier einem Irrthume in Betreff der Stärke der türkischen Armee hingab. Man glaubte, die Armee Abdul Kerim Paschas könne auf allen Punkten kaum 0 bis S0, 000 Mann betragen. Jetzt stellt sich heraus. daß Ejub Pascha (die Irregulären eingerechnet) über 37 000 Mann, Ssman Pascha über 31 000 Mann verfügen, bei Nisch 18,000, bei Jankowa⸗Klissura 15,900 und in Alt-⸗Serbien 12, 909 Mann stehen. Die Gesammtstärke der türkischen Armee übersteigt also 100, 000 Mann. Wiewohl die Strenkräfte Serbiens auf allen Punkten noch immer groß sind und jedenfalls den türkischen an Zahl nicht beträchtlich nachstehen dürften, so ist doch die Qualität des Materials eine andere. Sobald die Redouten und Schanzen ihre Dienste versagen, kann die junge ungeübte Armee beim besten Willen mit den oft im Feuer erprobten Türken es nicht aufnehmen.“
Rußland und Polen. St. Peters burg, 11. August. Die Abreise der dänischen und griechischem Majestäten nach wioskau erfolgt am Sonnabend, den 12. August und zwar am Nachmittage.
— Der russische Botschafter bei der Pforte, General⸗Adju⸗ tant Ig natjew hat sich gestern nach Kijew begeben.
— (Pol. Kerr.) Von der persisch⸗türkischen Grenze laufen beunruhigende Nachrichten über die zunehmenden Räube⸗ reien und Grenzverletzungen der dort im Atrekgebiet nomadi⸗ sirenden Turkmanen ein. Es ist in Folge dessen die Garnison in dem russischen befestigten Fort Aschar⸗Ade am Kaspischen Meer verstãrkt worden. Die persische Regierung hat zwar gegenwärtig eine militãrische Expedition gegen diese ihr eigentlich unterworfenen Turk⸗ manen unternommen, ihre Truppen sind aber bei einem Zusammen stoß mit einer gleich starken Turkmanenhorde geschlagen worden. Diese räuberischen Horden sind in Folge dessen wieder so übermüthig ge⸗ worden, daß sie ihre Einfälle nun nicht mehr allein auf per⸗ sisches, sondern auch auf russisches Gebiet ausdehnen, uneinge⸗ benk der Züchtigungen, die ihnen früher durch russische Truppen zu Theil geworden und welche bisher eine Zeit lang den russi⸗ schen Anstedlern Schutz verschafft hatten. Leider liegen die eigentlichen Sitze dieser Atrek⸗Turkmanen zwischen dem Atrek und Kara⸗Su, ein Gebiet, das gewissermaßen eine neutrale Zone zwischen Persien und Rußland bildet, ob⸗ gleich es auf der Karte zu Persien gerechnet wird. Wenn hier der Kara⸗Su, der ohnehin die natürliche Grenze bildet, auch
die politifche Grenze sein würde, wie Rußland das vor Abschluß