1876 / 197 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 22 Aug 1876 18:00:01 GMT) scan diff

der Königlichen polytechnischen Schulen zu Hannover und Aachen vor dem 1. Oktober d. Is. bestandene Diplomprüfung der Maschinenbauführer⸗Prüfung nach den Vorschriften vom 27. Juni d. Is. gleichgestellt worden ist, bestimme ich weiter, daß bei den⸗ jenigen, welche die erstgedachte Prüfung abgelegt haben, von den im 5. 1 der obigen Borschriften bezüglich der Vorbildung für das akademische Studium aufgestellten Anforderungen abgesehen werden soll. In den Gesuchen, in welchen die Ernennung zum Maschinenbauführer auf Grund des erlangten Diploms beantragt wird, ist jedoch bei Einreichung des letzteren eine der Bestimmung in §. 3 Rr. der Vorschrifsen entsprechende Darstellung des Lebenslaufs zu geben. Das Vorstehende ist den Betheiligten in geeigneter Weise bekannt zu machen. Berlin, den 18. August 1876. Der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten. Dr. Achenbach.

An die Direktion der Königlichen 3 er.

Vorstehender Hoher Erlaß wird unter Bezugnahme auf unsere Bekanntmachung vom Z. d. Mts. hierdurch zur öffent⸗ lichen Kenntniß gebracht.

Berlin, den 21. August 1876.

Direktion der Königlichen Gewerbe⸗Akademie. J. V.: R. Großmann.

Ju st iz⸗Minifterium.

Der Staatsanwalts⸗Gehülfe Kroeger in Marienburg ist

zum Rechtsanwalt bei dem Kreisgericht in Flensburg und zu⸗

gleich zum Notar im Departement des Appellationsgerichts zu

Riel, mit Anweisung seines Wohnsitzes in Flensburg, ernannt worden.

Abgereist: Se. Excellenz der Ober⸗-Präsident, Wirkliche Geheime Rath von Jagow nach Dallmin in der Westpriegnitz.

X Topographische Spezialkarte der Umgegend von Berlin und Potsdam; Maßstab 1125000 der natürlichen Länge.

Von dieser Karte sind soeben erschienen:

die Sektionen: Beelitz und Wildenbruch.

Dieselben sind in Lithographie und mit illuminirten Gewässern ausgeführt und können nach vorgängiger Bestellung durch jede Buch- und Landkartenhandlung bezogen werden. Der General⸗Kommissions⸗ Debit ist der Simon Schroppschen Hof -Landkartenhandlung in Berlin übertragen worden. Preis pro Blatt 1 S 50 .

Berlin, den 18. Auguft 1876. Königliche Landes⸗Aufnahme. Kartographische Abtheilung.

eerz, Oberst und Abtheilungs⸗Chef.

Die heutige Nummer des Deutschen Reichs- und Königlich Preußischen Staats-Anzeigers enthält in der Central⸗Handels⸗Register⸗Beilage:

I) Nr. 158 der Tarif⸗ z. Veränderungen der deut- schen Eisenbahnen;

Y Uebersicht Rr. 34 der in der Zeit vom 14. bis inkl. 19. August im „Deutschen Reichs- und Kö⸗ niglich Preußischen Staats⸗Anzeiger“ (Central⸗Han⸗ dels egister) publizirten Konkursbekanntmachungen.

Aichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 22. August. Se. Majestät der Kaiser und König nahmen gestern die Meldung des kom⸗ mandirenden Generals des I. Armee⸗Corps, Generals von Barnekow, und den Vortrag des Civilkabinets entgegen. Des Morgens wohnten Se. Majestät dem Exerziren der Potsdamer Kavallerie⸗Regimenter bei.

Nach amtlicher Anzeige aus Salo nichi hat daselbst gestern, am 21. d. M., die feierliche Publikation des Urtheils gegen die türkischen Offiziere und Beamten, welche wegen ihres Verhaltens bei der Ermordung der Konsuln zur Rechenschaft gezogen worden waren, sodann der öffentliche Akt der Degra⸗ dation der Offiziere und der Salut für die deutsche und fran⸗ zösische Flagge flattgefunden. Zugegen waren der deutsche und französische Konsul, Vertreter der in Salonichi anwesenden fremden Friegsschiffe, der türkische Gouverneur, mehrere fremde Konsuln und Abtheilungen der türkischen Truppen.

Nach einer Verfügung des General⸗Postmeisters vom 16. d. Mts. tritt mit dem 1. Oktober d. J. eine neue An⸗ weisung zur Prüfung der Postbeamten im Telegra⸗ phendienste an Stelle der früheren Bestimmungen in Kraft. Die Anweisung verbreitet sich über die Ausbildung für den Apparatendienst, so wie über die vollständige Ausbildung für den Telegraphendienst bei einer vereinigten Verkehrsanstalt.

Auf dem Matthäikirchhofe hierselbst hat heute die feier⸗ liche Beerdigung des am 19. d. M. im 74. Lebens⸗ jahre verstorbenen Direktors im Ministerium des König— lichen Hauses, Wirklichen Geheimen Raths Heinrich Wilhelm Kaspar von Ohbstfelder, stattgefunden. Mit ihm ist ein um den Staat und die Krone hoch⸗ verdienter Beamter zu Grabe getragen worden. Von den An⸗ fangs bekleideten richterlichen Aemtern als Stadtrichter, Stadt⸗ gerichts⸗-Direktor und zuletzt Kammergerichts⸗Rath, zur Ver⸗ waltung und zwar zunächst als vortragender Rath im Finanz⸗Ministerium zu Anfang der vierziger Jahre berufen, fand der Verewigte bald den Uebergang zum Eintritt in das damals unter dem Fürsten Wittgenstein stehende Haus⸗ Ministerium, um demselben drei Decennien hindurch in den verschiedensten Stellungen anzugehören, auch einige Jahre die Geschäfte des Haus ⸗Minifters selbständig zu versehen. In diese Zeit fiel der Uebergang des Staates zur repräsentativen Regierungsform und zuletzt die Neubildung des Deutschen Reichs. Die Wahrnehmung der von diesen Ver⸗ änderungen mitberührten persönlichen und Vermögensinteressen des Königlichen Hauses ward die Lebensaufgabe des Verstorbenen für welche er seine große Erfahrung und das ihn auszeichnende Wissen auf dem Gebiete des Staats⸗, besonders des Verwaltungs⸗ und Privatfürstenrechts mit einem eisernen Fleiße und in selbstloser Hingabe bis zum letzten Athemzuge eingesetzt hat.

Ministerial⸗Direktor von Obftfelder ebensowohl rücksichtlich der Erhaltung und Vermehrung des Königlichen Hausvermögens, als der Fortbildung der Hausverfassung der Königlichen Familie große, an Allerhöchster Stelle stets anerkannte Verdienste erworben. In diesen Beruf ging sein Leben ganz und ohne Rest auf; in Treue und rastlofer Arbeit waren alle Kräfte seines Geistes aus⸗ schließlich den Amtspflichten und den Interessen der Krone ge⸗ widmet. Und so kann es als eine besondere Gunst der Vor⸗ sehung für ihn angesehen werden, daß er seines Amts hat bis zum Tode walten können.

Der Kaiserliche Botschafter in Paris, Fürst von Hohenlohe, ist von seinem Urlaube dorthin zurückgekehrt und hat die Geschäfte wieder übernommen.

Der Kaiserliche Botschafter in St. Petersburg, von Schweinitz, hat einen ihm bewilligten sechswöchentlichen Urlaub angetreten. Während seiner Abwesenheit fungirt der erste Bot⸗ schafts⸗Sekretär, Graf von Berchem, als interimistischer Ge⸗ schäftsträger.

S. M. S. „Freya“ ist behufs Abhaltung von Prohe⸗ fahrten und demnächstige Ueberführung nach Wilhelmshaven am 21. August er. in Kiel in Dienst gestellt.

Briefsendungen 2c. für S. M. Schiffe „Kaiser“ und „Deutschland? sind bis auf Weiteres nach Plymouth zu dirigiren.

Auf der Tagesordnung der gestrigen letzten Sitzung des

brandenburgischen Provinziallandtages stand aus⸗ schließlich die Berathung der Frage wegen Regelung des Landarmenwesens. Zur Zeit bestehen in der Provinz Bran denburg 6 Landarmenverbände und nach §. 128 der Provinzial⸗ ordnung ist eine Regelung der Verhältnisse zwischen den kom⸗ munalständischen Verbänden der Kurmark, Neumark und Nieder⸗ lausitz einerseits und dem Provinzialverbande von Brandenburg andererseits geboten und für den Fall, daß zwischen beiden Parteien eine Regelung nicht zu erzielen sei, eine Königliche Ver⸗ ordnung in Aussicht gestellt. Die zur Vorberathung dieser Frage niedergesetzte Landtagskommission hatte mehrere Anträge gestellt, zu welchen in der über vier Stunden dauern⸗ den Tiskufsion noch verschiedene Unteranträge gestellt wurden. Der Beschluß des Landtages wurde schließlich dahin formulirt: „I) die Landarmenverwaltung der kommunalständischen Verbände der Kurmark, der Neumark und der Niederlausitz geht mit dem 1. Januar 1878 auf den Provinzialverband von Brandenburg über, für welchen der Landesdirektor dieselbe von den einzelnen Landarmen⸗Direktionen übernimmt; 2) die Verwaltung des Landarmenwesens Seitens der Provinz erfolgt zunächst abge⸗ sondert in den Bezirken der kommunalständischen Landarmen⸗ verbände, deren jeder die ihm erwachsenden Kosten aufzu⸗ bringen hat; 3) der Proyinzialausschuß wird beauftragt, in Verhandlungen mit den kommunalständischen Verbänden resp. deren Kommissionen darüber einzutreten: a. welche den Zwecken der Landarmen⸗ ꝛc. Verwaltung gewidmeten Vermögensobjekte mit den bezüglichen Verpflichtungen von den kommunalstandischen Verbänden auf die Provinz übergehen sol⸗ len; b) ob und in welcher Weise für den Fall der Verschmel⸗ zung der bisherigen Landarmenbezirke ein Ausgleich herbeizu⸗ führen unter den kommunalständischen Verbänden, beziehungs⸗ weise den in denselben vereinigten Kreisen, mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der von den einzelnen Verbänden auf die Pro⸗ vinz zu übertragenden Vermögensobjekte, und mit Rücksicht auf die zu erwartenden Beschlüsse der Kommunallandtage dem Pro⸗ vinziallandtage wegen weiterer Regelung der provinziellen Land⸗ armenverwaltung Vorschläge zu machen; 4) der Provinzialaus⸗ schuß wird ferner beauftragt: wegen Uebernahme der Landarmen⸗ verwaltung im Kreise Cottbus und in den Städten Frankfurt a. O. und Potsdam dem Provinziallandtage Vorschläge zu machen‘. Damit waren die Arbeiten des Landtages nach sechstägiger Sitzung beendet. Der Königliche Saatskommissarius Wirkliche Geheimer Rath und Ober⸗Präsident v. Jagow ecklärte die Session für geschlossen und die Versammlung trennte sich mit einem dreifachen Hoch auf Se. Majestät den Kaiser und König. Sachsen. Dresden, 21. August. Ihre Majestäten der König und die Königin haben sich gestern Vormittag von Pillnitz (von Niedersedlitz aus mittelst Extrazugs) über Chemnitz in das Kantonnement bei Böhlen begeben, um einem von dem Offiziercorps daselbst veranstalteten Rennen beizuwohnen, und sind Abends von dort nach Pillnitz zurückgekehrt. Von Dresden bis Chemnitz befand sich auch der General-Feldmarschall Graf von Moltke in der Begleitung Ihrer Majestäten.

Württemberg. Stuttgart, 19. August. Zur Feier der Kapitulation von Sedan findet am Abend des 1. Septem⸗ ber Glockengeläute, Todtenfeier bei dem Kriegerdenkmale auf dem Friedhofe und Anzünden von Freudenfeuern statt. Am 2. Sep⸗ tember ist Festgottesdienst in allen Kirchen und Feier in den einzelnen Schulen.

Gessen. Mainz, 18. August. In ganz Rheinhessen wird der Sedantag als Schulfeier begangen werden. Auch die Idee einer planmäßigen Beleuchtung der Rheinhöhen wird 3 voriges Jahr, so auch diesmal wieder zur VerwirklichuUng ommen.

Anhalt. Dessau, 18. August. Ihre Hoheiten der Herzog und der Erbprinz sind soeben mit dem Vormittags⸗ zuge von Bayreuth hier wieder eingetroffen. Ihre Hoheit die Prinzessin Hilda, kürzlich von ihrem Aufenthalt in Neu⸗ strelitz zurückgekehrt, begiebt sich zu ihrer Schwester, der Prin⸗ zessin Wilhelm von Schaumburg, nach Ratiboriez in Böhmen.

Lübeck, 21. August. Das Programm für die Feier des 2. September ist jetzt endgültig festgestellt und wird sich dem⸗ jenigen des Jahres i875 im Ganzen anschließen, so daß am Abende des 1. September ein Fackelzug stattfindet, am 2. Sep⸗ tember Morgens 66 Uhr Reveille, 9 Uhr kirchliche Feier, 19 Uhr Zug nach den Gräbern der Gefallenen auf dem Kirchhofe, 117 Uhr Concert auf dem Markte, 12 Uhr Gesang und Rede daselbst und Abends Festlichkeiten in den vier Lokalen: Tivoli, Victoriatheater, Colosseum und Schützenhof.

Elsaß⸗Lothringen. Ueber die Berathungen des Kreig⸗ tages des Landkreises Metz sagt die „Ztg. f. L.“: „Der Kreistag hat sich durch die Ersatzwahlen, die dem Gesetze gemäß alle drei Jahre geschehen und in diesem Sommer stattgefunden haben, größtentheils aus den alten Mitgliedern ergänzt. Ebenso hat sich das Bureau in der alten Weise rekonstituirt. Sonach ist Hr. Hennequin, Bürgermeister von Cheminot, wieder Präsi⸗ dent, Hr. Inguel von Moulins Vize⸗Präsident, Hr. Regnier von Courcelles⸗Chaussy Schriftführer. Es wurde sogleich an eine durchaus sachliche Berathung der Vorlagen gegangen, jedoch

In dieser langjährigen unausgesetzten Thätigkeit hat fich der

gedacht zu haben, der noch der letzten Versammlung beigewohnt hatte und seiner Wirksamkeit durch einen unerwarteten Tod ent⸗ rissen ward. Die Vorschläge des Steuerdirektors über die Ver⸗ theilung der Steuerkontingente, namentlich hinsichtlich der ge⸗ sunkenen Miethwerthe, gaben der Versammlung Anlaß zu einigen Bemerkungen. Sehr eingehend und lebhaft waren die Debatten über den Unterhalt der Straßen. Schließlich kam noch die Ver⸗ legung des Friedensgerichts von Gorze nach Ars als ein Wunsch des größten Theils der Gemeinden des Cantons zur Sprache. „Ueberhaupt“, bemerkt die „Ztg. f. S.“, „haben die Mitglieder des Kreistages durch ihre bündige und durchaus sachgemäße Ge⸗ schäftsbehandlung wiederholt den Beweis geliefert, daß die zu nützlicher Betheiligung an den öffentlichen Geschäften geeigneten Maͤnner trotz Option und Abstention noch immer vorhanden sind und daß man bereits gelernt hat, auch ohne die Unversöhn⸗ lichen recht gut vorwärts zu kommen. Wenn dies schon in dem den französischen Einflüssen am meisten ausgesetzten Landkreis Metz zur Thatsache geworden ist, so kann man derselben Er⸗ scheinung für das ganze Reichsland sicher sein.“

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 20. August. Der Großfürst Michael Nikolajewitsch, dessen Gemahlin Groß⸗ fürstin Olga Feodorowna und die beiden Prinzen Nikolaus und Michael von Rußland sind heute Nachmittags hier ange⸗ kommen.

21. August. (W. T. B) Zur Begrüßung des Kaisers von Rußland in Warschau, dessen Eintreffen dort am 30. d. M. erwartet wird, wird der Kaiser Franz Josef den General der Kavallerie, Grafen Neipperg, dorthin entsenden.

Pest, 20. August. Das Amtsblatt publizirt die Enthebung des Sachsengrafen Moriz Corrad und die Ernennung des Abg. Friedrich Wächter zum Obergespan des Hermannstädter Komitats und zum Sachsengrafen. Das St. Stefansfest wurde heute unter außerordentlicher Betheiligung der Bevölke⸗ rung mit großer Feierlichkeit begangen. Der Minister⸗Präfi⸗ dent Tisza reist heute nach Ostende ab und dürfte drei Wochen wegbleiben.

Szegedin, 20. August. Heute Vormittag fand unter großer Theilnahme des hiesigen und fremden Publikums die Eröffnung der Landesausstellung statt.

Niederlande. Haag, 21. August. (W. T. B.) Wie die heutigen Abendblaͤtter melden, hat Kappeyne den ihm behufs Bildung eines neuen Kabinets vom König ertheilten Auftrag nicht angenommen.

Belgien. Brüssel, 21. August. (W. T. B.) Das Journah,Le Nord“ knüpft an die Bemerkung, daß eine von Italien ausgehende Mediation im Orient nun doch wahr⸗ scheinlicher werde, die Mittheilung, der englische Botschafter, Elliot, habe im Sinne einer Wiederherstellung des- Frie⸗ dens ernste Vorstellungen in Konstantinopel gemacht. Das Blatt meint, wenn dieses Vorgehen Englands wirksam sein solle, müsse dasselbe von der Zurückberufung der eng⸗ lischen Flotte aus der Besika⸗Ban begleitet sein, damit der Türkei über die Aenderung der englischen Politik kein Zweifel gelassen werde. Das Blatt fügt am Schlusse hinzu, mit Rück⸗ sicht auf die nation ale Bewegung in Rußland sei noth⸗ wendig, daß eine Mediation recht bald eintrete.

Frankreich. Paris, 20. August. Das „Journ. officiel“ veröffentlicht folgendes Circular des Ministers des In⸗ nern an die Präfekten:

ö Versailles, 18. August 1876.

Herr Präfekt! Der Kriegs Minister hat dem Artikel 435 des Gesetzes vom 27. Juli 1872 gemäß die Reservisten der Klasse von 1868 und 1869 der aktiven Armee unter die Fahnen gerufen, damit sie für die Dauer von 28 Tagen an den jährlichen Manövern Theil neh men. Wie einer meiner Vorgänger am 2. September 1875 bemerkte, ist die zeitweilige Einberufung der Reservisten, welche nur eine einfache Anwendung des Rekrutirungsgesetzes ist, eine normale Verbindlichkeit und giebt eben so wenig, wie die Verbindlichkeit des gewöhnlichen Dienstes, ein Recht auf Entschädigung. Die im ite Jahre gemachte Erfahrung hat übrigens auch bewiesen, daß, gewisse Falle ausgenom - men, die Ausführung des Artikels 45 den Familien keinen merk— lichen Nachtheil zufügt. Vor Allem liegt es auf der Hand, daß man sich mit den Unverheiratheten, welche für keine Familie zu sorgen haben, und mit denen, die persönliche Hülfsquellen besitzen, nicht zu beschäftigen braucht. Das Nämliche ist der Fall den Beamten der Staatsverwaltung gegenüber, denen ihr Gehalt unverkürzt aus⸗ bezahlt wird. I‚n Jahre 1875 wurde auch das von Privatverwal⸗ tung und der großen Industrie abhängige Personal in ähnlicher Weise schadlos gehalten, und man kann annehmen, daß dasselbe auch in diesem Jahre geschehen wird. Was die Arbeiter und Tagelöhner betrifft, die Familienväter sind, so muß die erste Anwendung des Gesetzes dieselben vorsichtig gemacht, und sie müssen im All⸗ gemeinen eine Summe erspart haben, die hinreicht, um wäh⸗ rend ihrer kurzen Abwesenheit das Auskommen ihrer Frauen und. Kinder zu sichern. Obwohl der . des Kriegs-⸗Ministers sich dieses Mal auf zwei Klassen erstreckt, i doch zu hoffen, daß die wirklichen Bedürfnisse die nicht übersteigen, welche bei der ersten Anwendung des Gesetzes festgestellt wurden. Der örtliche Beistand wird, wie ich nicht zweifle, bei den vorkom⸗ menden Ausnahmen nicht fehlen. Im vergangenen Jahre eröffneten in der That mehrere Departements besondere Kredite; andere verwandten einen Theil ihrer gewöhnlichen Unterstützungsgelder auf diese Ausgaben. Auch in Pripatkreisen ist man diesem Beispiele gefolgt; die großen Industriellen haben sich zu Gunsten ihrer Arbeiter, wenn auch nur zeitweilige, so doch große Opfer aufgelegt. Bei den Gemeinderäthen fanden die hülfsbeduͤrftigen Familien die wirksamste Unter= stützung; mehr als 200) Gemeinden beschlossen zu diesem Zwecke im voraus Kredite, welche zusammen mehr als 50 90. Fr. betrugen, von denen noch mehr als 20090 Fr. übrig sind. Die Gemeindeverwaltungen haben also ihre natũr⸗ liche Mission in vollem Maße erfüllt; ste begriffen, daß den Ge⸗ meinden vorzugsweise die Pflicht obliegt, die Familien, welche zu⸗ . ihrer Ernährer beraubt sind, zu unterstützen. Sie bewiesen zu gleicher Zeit, daß, weil Niemand bessere Kenntniß von der Lage und den Beduͤrfnissen eines Jeden haben kann, sie am besten in der Lage waren, auf nützliche und wirksame Weise in erforderlichen Fällen zu helfen. Ich habe die Ueberzeugung, Herr Präfekt, daß die Lokalver= sammlungen in diesem Jahre die nämlichen Gesinnungen kundgeben werden. Sie werden den Herren Bürgermeistern den Erlaß mit- theilen, durch welchen die Reservisten von 1868 und 1869 einberufen werden, und auf jede Weise das Zusammentreten der Gemeinderäthe erleichtern, welche über die bei dieser Gelegenheit zu ergreifenden Unterstützungsmaßregeln berathen wollen. Empfangen Sie, Herr Präfekt ꝛce. Der Minifter des Innern: E. de Marchre.

Der Marschall-Präsident Mac Mahon begiebt sich mit dem neuen Kriegs-Minister nach Chalons, um die Erfolge zu prüfen, welche durch die neue Bewaffnung und Instruktion bei den Truppen erzielt sind, und zu ermitteln, welche Verbesserungen etwa nothwendig sind.

Der Minister des Innern de Marcdre und der Bauten-Minister Christophle reisten gestern nach

nicht ohne vorher des Kreisdirektors Schmidt in ehrender Weise

Domfront (beide sind, wie das ‚J. des Deb.“ er⸗

sähnt, aus diesem Städtchen gebürtig ab, um dort einem landwirthschaftlichen Feste Theil zu nehmen. her Präfekt der Orne, sowie alle Behörden der Stadt, waren mwesend und der Präfelt sowohl wie der Maire hielten An⸗ prachen. Der Bauten⸗Minister Christophle, der Deputirter von Homfront ist, erwiderte einige Worte und äußerte schließlich: Als Mitglieder der Regierung sagen wir Ihnen: Sie können Fer sein, daß, so lange wir uns auf dem Vertrauensposten befinden, auf den wir gestellt sind, die Fahne der Republik hoch nd fest aufrecht gehalten werden wird.“ Diese Worte des Mi⸗ nisters wurden mit großem Jubel aufgenommen. Herr Marcẽere mückte hierauf seine Freude aus, fich in seiner Geburtsstadt zu hefinden, und dankte ihren Bewohnern für den warmen Empfang. An Abend war großer Ball; heute findet das Banket statt, wo die Minister größere Reden halten werden. (Vergl. das Telegramm).

Bernhard Du treil, Kabinetschef des Herzogs Decazes, Ministers des Auswärtigen, ist, wie der „Köln. Ztg.“ telegra⸗ graphirt wird, an Stelle seines verstorbenen Vaters mit. 189 gegen 139 Stimmen, welch letztere auf den republikanischen Fandidaten fielen, in Laval zum Senator gewählt worden. Nach Berichten aus Naney ist der republikanische Deputirte Claude von einem Blitzschlage getödtet worden.

Der „Moniteur“ vertheidigt heute die klexikale Rede, velche General Barry in Perpignan gehalten.

= Die Kardinal-Erzbischöfe Guibert (Paris) und Regnier (Cambrai) kommen in diejer Woche in Cambrai zu⸗ sammen, um über die katholischen Universitäten zu be⸗ rathen. Dem Vernehmen nach werden Geldsammlungen im großen Maststabe veranstaltet werden.

In Betreff der Spaltungen in der protestantischen girche Frankreichs, welche längere Zeit zu ruhen schienen, ss6 zu melden, daß das von der Majorität der Permanenz-⸗Kom⸗ misfion der Synode und der s. g. Friedenstiftungs⸗Kkommission aufgestellte Versöhnungs projekt nicht angenommen worden ist. Die Auffassungen beider, ihre Wünsche, namentlich in Bezug auf die „Glaubengserklärung“ und deren Anwendung, sind jetzt dem Justiz⸗ und Kultus⸗Minister Dufaure vorgelegt worden; der elbe dürfte aber, wie das „Journal des Debats meint, kaum eine Enischeidung treffen, ehe der Staatsrath über die Fragen, welche

die orthodozen und liberalen Protestanten der Prüfung desselben

rbreitet haben, entschieden haben wird.

‚h! * Grund des Art. 27 des Gesetzes vom 6. Novem⸗ her 1875, betreffend die Militärpflicht der in Algerien angesessenen Franzosen, hat der General⸗ Gouverneur ein Dekret erlassen, wonach das Territorium von Algerien in drei zerritoriale Kreise eingetheilt wird, wovon die Division von Algier den ersten, die von Oran den zweiten und die von Kon— santine den dritten bildet.

In Algerien ist das neue Gemeindegesetz schon

zur Ausführung gelangt. Der General⸗Gouverneur hat näm⸗ lich beschlossen, alle nicht aus den Gemeinderãthen genommenen Bürgermeister abzusetzen und die Gemeinderãthe zusammenzu⸗ berufen, damit sie nach dem neuen Gesetz die Bürgermeister elbst wählen. t . . August. (W. T. B.) Der Minister des In⸗ nern, Marcere, hat gestern bei einem Banket in Domfront eine Rede gehalten, in welcher er die politische Lage des Landes erßrterte und hervorhob, daß die Republik Frankreich die Ruhe, welche es verlange, wiedergegeben habe. Die Re⸗ publik bedrohe weder das Eigenthum noch die Religion. Be⸗ züglich der sozialen Frage bemerkte der Redner, daß er ihre Löfung von der Freiheit selbst erwarte, Am Schlusse betonte der Redner die Festigkeit der Ripublik und die Loyalität des Narschall⸗Präsidenten, welche ihre Sicherheit verbürge.

Italien. Rom, 18. August. tal. Nachr.) Hinsichtlich der Frage, ob die Deputirten kammer aufgelõst und Neu⸗ wahlen ausgeschrieben werden sollen, sind die Blätter der ministe riellen Partei getheilter Meinung. Die Radikalen rufen schon lange nach Neuwahlen, weil sie sich Verflärkung ihrer Partei davon versprechen, während die Gemäßigteren nichts davon wissen wollen. So bringt heute die Florentiner ‚Nazione“ das Organ der Toskanischen Deputirten, welche seit dem 18. Mär) mit der Linken stimmen, einen Artikel, der die Auflösung der Deputirten⸗ kammer und Veranstaltung von Neuwahlen ganz entschieden be⸗ lämpft. Die Krankheit des Ministers Maneini hat nach Berschten der „Liberta“ aus Quisisana, wo er den Sommer zu⸗

bringt, einen bedenklichen Charakter angenommen. Der Kom⸗

mandant der 33ꝑ. Infanterie⸗Brigade, General⸗Major d' Oncieu, und der Generaͤlstabs⸗Major Gola sind, nach dem „Esereito“, zu den großen österreich isch en Manövern kommanditt worden, welche vom 2. bis 9. September unter dem Kom⸗ mando des Erzherzogs Albrecht bei Rikolsburg stattfinden ollen.

ͤ 19. August. Die ‚„Opinione“ erklärt sich ganz entschieden gegen die Auflösung der Deputirtenkammer, zumal weder im Schooße des Ministeriums noch in der ministeriellen Parthei und Presse Uebereinstimmung hinsichtlich der Zweckmäßigkeit dieser Maßregel herrsche. Nachdem sie eine Reihe von Gründen dagegen angeführt hat, beruft sie sich schließlich auf den Artikel der ‚Nazione“ von Florenz, welcher die Meinung der toskanischen Deputirten ausspreche, welche seit dem 18. März mit der Linken stimmen.

Das „Diritto“ bestreitet die Behauptung der Dppofttionspreffe, daß die gegenwärtige Regierung vielen Camoristen, denen das frühere Ministerium Zwangsz⸗ aufenthalt auf den Inseln angewiesen hätte, die Rückkehr in ihre Heimath geftattet habe, und daß in Folge davon der Zu⸗ stand der öffentlichen Sicherheit schlimmer geworden sei.

Das Ministerium des Innern veröffentlicht nach⸗

stehende vergleichende Uebersicht von Verbrechen welche in den ersten Semestern der Jahre 1875 und 1876 verübt worden sind: J. Sem. 1875 8856 1876 948 Ermordungen, J. Sem. 1855 34, is76 748 Mordversuche, J. Sem. 1815 14534, 1876 15,305 Verwundungen, J. Sem. 1875 2707. 1816 2589 Percufstonen, J. Sem. 1875 1098, 1876. 982 Straßen- räuberelen, II Sem. 1875 233, 1876 314 Erpressungen, J. Sem. 1555 255599, 1876 25.613 gemeine Diebstähle, J. Sem. 1875 3654, 1876 2849 Felddiebstähle.

Türkei. Die heut eingegangenen Nummern der Tu rguie. vom 14. und 15. August enthalten u. A. auch einige Notizen über die Papiergeld-⸗Smifsion. Das Blatt will wissen, daß das Papiergeld in kürzester Frist, wohl noch in dieser Woche, in Cirkulation gesetzt werden solle. Der Finanz ⸗Minister wird damit anfangen, den Beamten vier Monate rückständigen Ge⸗ haltes auszuzahlen. Um aber dem event. Silberabfluß aus Konstantinopel in Folge dieser Cirkulation vorzubeugen, hat die Regierung, wie der Ittihad, versichert, eine gute Vorsichts⸗ . ergriffen. Ba nämlich das Papiergeld gleichzeitig in

der Provinz und in Konstantinopel in Umlauf gesetzt werden

wird, so wird der Finanz⸗Minister in jedes Vilayet für eine

bestimmte Summe davon schicken, deren Deckung in Silber

nach Konstantinopel gesandt werden soll. Dieses Baargeld

wird in Depot gegeben und in Konstantinopel selbst nur in dem

Fall in Umlauf gesetzt werden, wenn sich die Knappheit des

Silbers fühlbar macht. So hofft man sich gegen eine Even⸗ tualität zu schützen, welche die Entwerthung des Papiergeldes

zur Folge haben könnte. .

Ferner bringt die ‚Turquie“ das Schreiben, welches der Groß⸗Vezier durch Kadri⸗Bey am 31. Juli dem Gou ver—= neur von Creta hat zustellen lassen. Dasselbe enthält nach langer Einleitung, welche darlegt, warum die Pforte die ein⸗ seitigen Wünsche der christlichen Bevölkerung nicht habe anneh⸗ men können, die von der Pforte genehmigten legalen Forderungen, die von den christlichen und türkischen Depu⸗ uirten gemeinsam aufgestellt worden; nämlich:

1) Errichtung einer Bank, die zu Fonds die Kapitalien der Kasse der allgemeinen Rützlichkeit haben solle. Man wird versuchen, diese Kapitalien, welche zur Regelung der Privat- Schuld-⸗Frage dienen, zu vermehren.

2) Die Zinsen der Waisen ⸗Kassen sollen auf oh reduzirt werden. Das Statut der Waisen Kassen von Rethymo soll studirt, und wenn praktisch gefunden, auf der ganzen Insel adoptirt werden.

3) Eine Spezialkommission soll die Schulden der Pächter (Mul⸗ tezias), die aus den fiskalischen Registern gestrichen werden sollen, kontroliren; ebenfo die der als insolvent anerkannten Schuldner. Die besfer gestellten Multezims aber sollen gehalten sein zu bezahlen, nur foll ihnen der nöthige Aufschub bewilligt werden.

4) Die Zinsen des Viertels des Zehnten, der zur Kasse der all. gemeinen Nützlichkeit kommt, sollen an die Schulen nach Verhältniß ker Summe vertheilt werden, welche den beiden Gemeinden gehört.

53) Nach der Herstellung der verfallenen Moscheen soll der Ueber- schuß aus den Einnahmen der Vakufs für den öffentlichen Unterricht verwendet werden. .

6) Da einmal der obligatorische Unterricht der Kinder vorge— schrieben ist, so sollen die dazu nothwendigen Maßregeln ergriffen werden, wenn man es im Lande für nützlich hält.

7) Die Assembiée gensrale soll einen Entwurf eines Kommunal ; gesetzes vorbereiten, um ihn der Lokalbehörde zu unterbreiten.

83) Den Gründern von Fabriken oder Ackerbau oder Handels banken auf der Insel sollen die nothwendigen Privilegien ertheilt

erden. . 9) Jedes Gesuch betreffs der Errichtung von Buchdruckereien, literarischen Cirkeln und der Herausgabe ven Journalen soll in Be⸗ tracht gezogen werden. ;

1060 Man wird die nöthigen Feldwächter ernennen, um die Ver⸗ wüstungen der Felder zu verhindern, welche den Ackerbau stören und die Lendleute entmuthigen. . . .

11) Findlinge, gleichviel welcher Religion sie angehören, sollen, bis sie entwöhnt werden, auf Kosten der Munizipalität erzogen werden.

12) Man wird die nöthige Auskunft geben über das konfiszirte Vermögen der nach Griechenland ausgewanderten Kretenser, deren Einkünfte zur Bezahlung ihrer Schulden verwandt werden sollen.

13) Die Gerichtsvarhandlungen sollen, wie in den civilisirten Ländern, öffentlich sein, mit Ausnahme derer, wo die Oeffentlichkeit aus Gründen der Sitte ausgeschlofsen ist.

14) Als Offiziere in der Gensd'anmerie sollen Alle, welche die erforderliche Qualität besitzen ohne Urterschied zugelassen werden.

15) Da die Mehrzahl der Bewohner der Insel griechisch spricht, sollen in den verschiedenen Bureaus und Gerichtshöfen christliche und muselmanische Beamte angestellt werden.

Alle übrigen Forderungen, als: Verbesserung der Schulen, Reinigung und Erleuchtung der Häfen, Errichtung von Ackerbau⸗ Räihen, von Anstalten für Aussätzige, Verhinderung der Vieh diebstähle; Besserung der Straßen und Brücken, Einziehung der Summen, welche der Kasse der allgemeinen Nützlichkeit schuldig geblieben sind und ihre Darleihung an die Bauern, Ausgaben für den öffentlichen Unterricht nach Maßgabe der Angehörigen der beiden Religionen, einige Gesundheitsmaßregeln u. s. w. werden jetzt sorgsam geprüft. . ,

Dei Gouverneur hielt diese „so verschwenderisch ertheilten neuen Gunstbezeugungen“ für ganz genügend, um die Bevõl ke⸗ rung zu beruhigen. Letztere aber ist anderer Meinung.

Der heut eingegangenen „Correspondance orientale⸗ vom 15. August entnehmen wir folgende Mittheilungen:

Ueber die Angelegenheiten von Creta schreibt die „Corr.“: „Die auf die Forderungen der Cretenser ertheilte Ant⸗ wort ist endlich eingetroffen; die Pforte verwirft die Haupt⸗ vorschläge der Chriften betreffs des organischen Statuts, weil fie die Interessen der muselmanischen Bevölkerung beein⸗ trächtigten, und bestreitet den Deputirten selbst das vom vorigen Ministerium eingeräumte und anerkannte Recht, diese Frage zu siskutiren Endlich werden die Kompetenz und die Rechte der Versammlung so beschränkt, daß sie sich künftig nur mit der Entwickelung des Unterrichts, des Handels und der Industrie zu beschäftigen haben wird. Der Ministerrath hat nur einge⸗ willigt, einige Vorschläge von untergeordnetem Werth in Betracht zu ziehen, deren Annahme noch von einer wei⸗ teren Prüfung und der Sanktion der Centralregierung abhängen soll. Den Eindruck, den diese ganz verneinende Ant⸗ wort auf die Cretenser hervorgebracht, kann man sich leicht denken. Die Bemühungen Rebul Paschas und Kadri⸗Beys, um die christlichen Richter, die ihre Entlassung genommen, zu be⸗ stimmen, weiter zu fun ktioniren, haben kein Resultat gehabt, so daß es auf der Insel kaum noch Gerichte giebt; die Stimmung ist durch jene Abweisung verbittert und soll der Gouver⸗ neur schon Truppenverstärkungen erbeten haben.“ .

„Der Staatsrath wird eben vollstaͤndig reorganisirt. Es soll dabei die juridische Abtheilung für die gegen Staats⸗ beamie anzustrengende Prozesse eingerichtet werden; dem christlichen Element foll mehr Spielraum gegeben werden, so daß je im Verhältniß ihrer Wichtigkeit jede Gemeinde des Reichs dabei gleichmäßig vertreten sein soll. Zwei armenisch⸗ katholische Mitglieder sind ernannt, einer von der Partei der Haffunisten, der andere von den Anti⸗Hassunisten; das ist eine stillschweigende Anerkennung der offiziellen Existenz der ersteren, welche die Pforte bisher nur geduldet hatte, Es scheint, daß bei den unzähligen Schwierigkeiten, welche die Einsetzung einer Na⸗ tionalversammlung bietet die jetzt auch ad calendas graecas verschoben ist die Regierung die Attribute und die Zahl der Mitglieder des Staatsraths so zu vermehren beabsichtigt, daß dieser Einfluß und fogar das Uebergewicht in den Staatsange⸗ legenheiten erhält, was der Zweck seiner Einsetzung gewesen ist. Jetzt fucht Midhat Pascha, der Vorsitzende des Staatsraths, weil er seinen Konftitutionsplänen nicht freien Lauf lassen konnte, bis auf bessere Tage durch Reorganisation dieses Rathes den Staats⸗ interessen zu nützen, denen bisher eine Korporation fehlte, welche fie mit einer gewissen Unabhängigkeit vertheidigen konnte.

„Aus den Provinzen meldet eine Korrespondenz aus Van in Armenien von den Grausamkeiten und Sxzessen der Kurden unter den Armeniern. Der Erzpriester der Dibzese von Aktebar ist im vorigen Monat von einem Kurden⸗Bey getödtet

worden; zwei andere Geistliche derselben Diözese hatten das gleiche Loos; bis jetzt sind diese Verbrechen straflos geblieben

und leider sind überall die Behörden rechtlos und können nicht wirksam gegen solche Verbrechen auftreten. Die armenische Bevölkerung der Distrikte von Much, von Bajasid und von Van hat daher auch merklich abgenommen in Folge der Belästigungen und Räubereien der Kurden⸗Bens. Die Armenier, die dem ausgesetzt find, daß sie den geringen Er⸗ trag ihrer Arbeit fich rauben, ihre Kinder von den Kurden als Pfand für das von ihnen auferlegte Lösegeld sich entreißen fehen, wandern in großer Menge aus, nach Aegypten, Rußland, kurz, wo ihnen nur die Frucht ihrer Arbeit nicht geraubt wer⸗ den kann. So stand es auch in Erzerum vor der Ankunft Janich⸗Paschas. Diebstahl, Raub mit bewaffneter Hand, Mord waren an der Tagesordnung. Durch energische Anstrengungen hat aber dieser Beamte der Stadt und der Provinz Erzerum den Frieden und die Sicherheit wiedergegeben. .

Dag in türkischer Sprache in Konstantinopel erscheinende offiziöse Journal „Ittihad“ veröffentlicht unter dem Titel „Welche Haltung soll der Gerechtigkeit und dem Rechte gemäß die Pforte bezüglich Serbiens beobachten?“ einen Artikel, von welchem es selbst sagt, daß es keine per⸗ sönliche Meinung, sondern diejenige aller intelligenten Klassen der tuüͤrkischen Nation und daher auch der türkischen Regierung selbst ausdrücke. Auf die von mehreren englischen Blättern kundgegebene Ansicht sich stützend, daß vom internationalen Gesichtspunkt aus Serbien als Vasallenstaat sich durch den unternommenen Krieg, welcher eine Rebellion sei, außerhalb des Gesetzes gestellt habe, und somit Serbien, und insbesondere Fürst Milan, die Verantwortlichkeit tragen müssen, sagt „Ittihad“ Folgendes: Die Hohe Pforte kann das Fürstenthum Serbien aufheben. Einige Distrikte dieser Provinz werden, je nach den Bedürfnissen der geographischen Lage, mit den Gouvernements von Nisch, Widdin und Veni⸗Bazar vereinigt werden. Der Rest der Pro—= vinz kann als besonderes Vilajet unter der Bezeichnung „Bel⸗ grader Vilajet“ errichtet werden. Diese Zerstückelung aber wird ine Intervention Eurapas hervorrufen. Das ist möglich. Diese Intervention jedoch, wenn sie Recht und Gerechtigkeit zur Richtschnur hat, wird sich der Aufhebung der Privilegien und der Autonomie Serbiens nicht widersetzen können. Niemand wird sagen können, daß Serbien dieser Privilegien, von welchen es gegenüber der Türkei und ganz Europa einen so schlechten Ge⸗ rauch gemacht hat, würdig sei. Die Hohe Pforte kann garan⸗ tiren, daß Serbien besser regiert und die innere Ruhe dieser Provinz gesichert fein werde. Sie ist in der Lage ihr Versprechen zu halten. „Im Ganzen, schließt „Ittihad“, giebt es nur zwei Arten der Lösung für diese Frage: Umwandlung Serbiens in ein Vilajet oder, wenn die serbische Nation die Gnade des Siegers an⸗ sucht, die Wiederherstellung des alten Systems der Wojwoden⸗ regierung. „Ittihad⸗ sagt, er sei überzeugt, daß Europa sich demnächst den Anschauungen der Kaiserlichen Regierung an⸗ schließen werde.“

Die „Daily Rews“ bringt wiederum Berichte aus Bulgarien, denen zufolge die Gewaltthätigkeiten daselbst ungestört ihren Fortgang nähmen. Das Land sei im vollen Zustande der Anarchie, da die türkischen Behörden nichts zur Herstellung der Ordnung unternãhmen. Den Befehlen des Paschas von Philippopel werde nicht gehorcht. Vieh werde fortgetrieben, Weiber geschändet, Männer ermordet. Die Untersuchung unter Leitung Selim Effendi's sei nicht ernst gemeint, Die christlichen Mit⸗ glieder des Tribunals drohen ihr Amt niederzulegen, da der Vorsitzende mit allen Mitteln die christlichen Notabeln der Schuld überführen wolle. Ucber Vorgänge in Dutlukköi und Basardjik berichtet der Korrespondent Ünglaubliches. In ersterem Orte sollen 3000 Personen getödtet sein, Kinder auf Bajonnette ge⸗ spießt, durch die Straßen getragen, Leute lebendig verbrannt worden sein. In Basardjik wären 1000 Leute widerstandslos getödtet. Ein Sack voll menschlicher Köpfe sei aus Basardjik in Jambuli vor dem Hause des italienischen Konsuls ausgeleert und von Hunden aufgefressen worden.

Vom Kriegsschauplahe liegen folgende Tele⸗ gramme vor:

Nisch, 21. August. (H. T. B.) Das türkische Corps Achmed Ejub Paschas versuchte mit Umgehung der serbischen Stellungen bei Banja durch südliche Eil maͤrsche nach Serapzi (Rsavci?) durchzubrechen. wo die Offensive wieder aufgenom⸗ men worden ist. Die Wachsamkeit Tschernajeffs vereitelte jedoch diese Operation und wurden die Türken durch Oberst Protie zurückgeschlagen.

London, 21. August. (W. T. B.) Dem „Reuterschen Bureau“ wird aus Belgrad vom heutigen Tage gemeldet, daß daselbst Gerüchte über einen bevorstehenden Abschluß eines Waffenstillstandes umliefen. Wie dasselbe Büreau erfährt, soll Alimpies den Fürsten Milan um die Ermãchtigung er· sucht haben, wieder die . zu ergreifen. Der Für st

oll absch lägig geantwortet haben. . , , August. (W. T. B.) Nach hier einge⸗ gangenen Nachrichten ist gestern während des ganzen Tages in der Gegend von Alexinatz gekämpft worden. Man glaubt, daß die Gefechte für die Serben ungünstig gewesen sind.

Semlin, 21. August. (W. T. B.) Gestern Morgen er⸗

neuersen die Türken unier Abdul Kerim Pascha, in der Stärle von etwa 40000 Mann, ihre Angriffe auf die serbische Armee, die sich bei Teschnitza zwischen Supovatz und Alexinatz konzentrirt hatte. Die wiederholten Angriffe der Türken wurden jedoch abgeschlagen, ein Flügel, der serbischen Armee hatte sogar einen partiellen Erfolg und ging zur Offen⸗ sive über, ohne indeß die Verfolgung der Türken weit fortzu⸗ fetzen. Das Gefecht dauerte bis 6 Uhr Nachmittags. Heute früh begann der Kampf aufs Neue, die Serben haben sich bei Alexinatz, wo sich die Hauptstellung von Tschernajeffs Armee befindet, zusammengezogen, man erwartet eine größere Schlacht. Auch an der Drina 16 . die Türken, bis jetzt aber ohne Erfolg, die Offenstve ergriffen. . . * , 21. August. (W. T. B.) Die Regie⸗ rung meldet aus Niscch vom 20.: Die türkischen Truppen haben den in den Gebirgen bei Alexinatz konzentrirten ser⸗ bischen Truppen eine vollständige Niederlage bereitet und die Stellungen und Befestigungen. derselben genommen. Die Ver⸗ luste der Serben sind beträchtlich. . ; Der englische Botschaftssekretär Baring ist von seiner Reise nach Bulgarien zur Untersuchung der dort von den Türken begangenen Grausamkeiten hierher zurückgekehrt. Der englische Militärbevollmächtigte, General Kembell, hat sich in das türkische Hauptquartier nach Nisch be⸗ geben, der englische Admiral Drummond ist an Bord feines Admiralschiffes in der Besikabay zurückgekehrt.

Die Offensive der türkischen Hauptarmee, die

man seit dem Falle von Knjazewatz Tag für Tag durch mehr als zwei Wochen erwartete, hat am Sonnabend begonnen. Die

.

.