1876 / 198 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 23 Aug 1876 18:00:01 GMT) scan diff

den Mr. Jurney eingebracht, die

genommen.

Das dem Parlamente zugegangene Blaubuch bis 17. Juli und enthalt 544 Aktenstücke.

Ein Antrag auf Errichtung eines irischen Par⸗ laments zur Verwaltung der inneren Angelegenheiten wurde nach langer Debatte mit 291 gegen 61 Stimmen abge⸗ lehnt. Auf an ihn gestellte Anfragen erklärte der Unter⸗ Staatssekretär Bourke, Rumänien habe der Regierung die Er⸗ höhung der Eingangszölle angezeigt, letztere werde das englische Interesse wahren und sei deshalb mit anderen Mächten in Mei⸗ nunggaustausch eingetreten. Ferner habe sie, wie die deutsche Regierung, wegen der in Kuba fremden Staatsangehörigen auf⸗ erlegten Kriegsabgabe Unterhandlungen begonnen. Zohnstone's Vorlage wegen Aufhebung der Gesetze, ansteckende Krankheiten betreffend, wurde mit 224 gegen io? Stimmen verworfen. Das Blaubuch über die letzten Unruhen von Barbadoes, vom 9. Mai bis 5. Juli reichend, wurde vorgelegt und vertheidigte der Unter⸗Staatssekretãr der Kolonien, Mr. Lowther, den Gouverneur gegen die erhobenen Anschuldigungen. In Betreff der in diesem Jahre zum ersten Male geschehenen Aufführung der Königin in der Offizierliste erklärte der Kriegs-Minister, daß dadurch in dem Verhältniß der Königin zur Armee nichts geändert sei.

In den letzten Tagen des Monats fand eine Versammlung zu Gunsten der Christen in der Türkei statt, an der zwanzig Parlamentsmitglieder Theil nahmen. Den Vorsitz in der Ver⸗ fammlung der Liga zur Unterflützung der Ehristen in der Türkei führte der Earl v. Shaftesbury. Die Versammlung faßte die Resolutionen: 1) zwar keine Intervention zu üben, aber auch die türkische Regierung weder moralisch noch materiell zu unterstützen, ) die fürkische Regierung aufzufordern, den Grausamkeiten der irregulären Truppen ein Ziel zu setzen und 3) jede Lösung für ungenügend zu erklären, welche nicht den insurgirten Provinzen die vollständigen Rechte einer Selbstregierung verleihe. Eine versuchsweise Mobilisirung zweier Armee⸗Corps wurde begonnen; die Rüstungen zur See dauerten fort.

In der Untersuchung über das Verhalten der Hafenbehörden von Dover und des Kapitäns des Schleppdampfers „Palmerston“ bei dem Strathelyde⸗Franconia⸗Fall wurde vom Admiralitäts⸗ Registrator das Urtheil gefällt, daß sie beide vollkommen ihre Schuldigkeit gethan hätten.

Die Blokade der Küsten von Dahomey wurde, da der Be⸗ fehlshaber des in Whydah stationirten französischen Kriegs⸗ schiffes gegen das Bombardement dieser Stadt protestirte, ver⸗ schoben, Ende des Monats jedoch eröffnet.

Zur Beurtheilung unseres Eisenbahntarifwesens. I

Der vom Reichseisenbahn⸗Amte ausgearbeitete erste Ent⸗ wurf zu einem Reichseisenbahn⸗Gesetze zählte bereits bald nach seinem Erscheinen zu den Todten. Ihm beziehungsweise den beigegebenen Motiven verdanken wir indessen eine sehr detaillirte und nicht uninteressante Darstellung der in Bezug auf das Tarifwesen bestehenden gesetzlichen und administrativen Vor⸗ schriften, die bisher im Wesentlichen eine Abänderung nicht erfahren haben und deshalb wohl geeignet erscheinen, über die Machtbefugnisse der Regierungen, wie der Eisenbahnen Auf⸗— klärung zu gewähren.

Sehen wir von der ausländischen Gesetzgebung einstweilen ab, so tritt uns von den deutschen Staaten zunächst das in

Bezug auf das Eisenbahnwesen durch die Reichsverfassung exi⸗

mirte Königreich Bayern entgegen. Hier bestanden für sämmt⸗ liche Eisen bahnstatuten s. g. Fundamentalbestimmungen und war in diesen festgesetzt, daß die Regulirung der Tarife in den ersten drei Jahren jährlich und nach deren Ablauf alle drei Jahre unter Genehmigung der Staatsregierung zu erfol⸗ gen habe.

Die Fundamentalbestimmungen wurden durch das Eisen⸗ bahngesetz vom 20. Juni 1855 modifizirt. Dieses unterstellte die Tarife für den Personen⸗ und Waarentransport sowie für die Nebengebühren der Genehmigung des Königlichen Staats⸗ Ministeriums, setzte fest, daß solche von drei zu drei Jahren einer Revision zu unterwerfen, bei der Festsetzung auf alle obwalten⸗ den Verhaͤltnisse, auf die Rentabilität der Bahn und auf die Tarife anderer, vorzugsweise der bayerischen Bahnen, Rüchsicht zu nehmen sei, und vindicirte der Staatsregierung ferner das Recht, von Amtswegen Verfügung zu treffen, wenn sich die konzessionirten Unternehmer mit den angrenzenden Eisenbahn⸗ verwaltungen in Betreff der wechselseitigen Verfehrsverhältnisse nicht sollten einigen können.

In den Konzessionsurkunden und Statuten der bayerischen Ostbahnen die nach dem Uebergange dieser Bahnen in den Besitz des Staates nur noch einen historischen Werth haben war der Staatsregierung Behufs Wahrung der Staatsinteressen die Beaufsichtigung und Ueberwachung des Ostbahnbetriebes, ins⸗ besondere die Genehmigung aller Tarife vorbehalten und durften in letzteren ohne Genehmigung der Regierung keinerlei Aende⸗ rungen vorgenommen werden. Die für die Staatsbahnen fest⸗ gesetzten Maximaltarife galten auch für die Ostbahnen als Maxi⸗ malsätze, die in keinem Falle überschritten werden durften. Im Falle einer außergewöhnlichen Theuerung der Nahrungsmittel war die Staatsregierung berechtigt, die zeitweili e Herabsetzung der Frachtpreise für Nahrungsgegenstände zu verlangen.

Für die Pfälzischen Bahnen war in den bezüglichen Konzessionsurk unden festgesetzt, daß sowohl der Transporttarif bei dem Selbstbetriebe, als auch der Tarif des Bahngeldes, wenn der Betrieb pachtweise einem Dritten überlassen werden sollte, in den ersten drei Jahren jährlich, sodann von drei zu drei Jahren zu reguliren, in dem einen wie in dem anderen Falle der Bestätigung durch den König zu unterwerfen sei, daß in beiden Fällen der Tarif als unüberschreitbares Maximum zu gelten habe und ohne vorherige Genehmigung keine Abänderung oder Modifikation vorgenommen werden, in dringenden Fällen und je nach den Verhaäͤltnissen des Verkehrs die Direktion jedoch ermächtigt sein sollte, in Benehmen mit dem Königlichen Kommissar und mit dessen Zustimmung Modifikationen in dem Güter und Kohlentransporttarif unterhalb der Maxima ein⸗ treten zu lassen.

Bei der im Jahre 1869 stattgehabten Verschmelzung der

Regierung solle sich mit Frankreich in Verbindung setzen, um die Türkei zur vollstän⸗ digen Innehaltung der Bedingungen der Anleihe von 1854 zu nöthigen, wurde von dem Äntragsteller, um die Regierung nicht zu drängen, wieder zurückgezogen. Ein Antrag des Erz⸗ bischofs von Canterbury auf Einsetzung eines Sonderaussschusses zur Untersuchung der herrschenden Unmäßigkeit wurde an⸗

über die orientalische Angelegenheit umfaßt die Zeit vom 30. Januar

gen dahin modiftzirt, bezw. ergänzt, daß die von der Staats⸗

regierung genehmigten Tarifmaxima zwar nicht überschritten

werden, die vereinigten Gesellschaften aber die Befugniß haben sollten, innerhalb der Tarifmaxima die Frachtsãtze den Interessen des Verkehrs entsprechend zu regeln.

Für die Staatsbahnen erfolgt in Bayern die Festsetzung der Maximaltarife durch das Etatsgesetz.

In den übrigen deutschen Staaten besteht außer in Preußen ein allgemeines Eisenbahngesetz nicht, und ist die Einwirkung der Staatsregitrungen auf die Festsetzung der Tarife lediglich durch Staatsverträge, durch Verträge mit den Unternehmern oder durch Konzessionen geregelt, denen theilweise die Festsetzun⸗ gen in Konzessionen für preußische Eisenbahnen zu Grunde liegen.

In dem preußischen Gesetze über die Eisenbahnunterneh⸗ mungen vom 3. November 1838 sind die bezüglichen Bestim⸗ mungen in den §§5. 26 bis 35 enthalten, von denen der §. 26 Folgendes vorschreibt:

Für die ersten drei Jahre nach dem auf die Eröffnung der Bahn folgenden 1. Januar wird vorbehaltlich der Bestimmungen des §. 45 (welcher den Anschluß neuer Bahnen betrifft) der Gesellschaft das Recht zugestanden, ohne Zulassung eines Kon⸗ kurrenten den Transportbetrieb allein zu unternehmen und die Preise sowohl für den Personen⸗ als für den Waarentransport nach ihrem Ermessen zu bestimmen.

Die Gesellschaft muß jedoch:

1) den angenommenen Tarif beim Beginn des Trans⸗ portbetriebes und die späteren Aenderungen sofort bei deren Eintritt, im Falle der Erhöhung aber tz Wochen vor An⸗ wendung derselben, der Regierung anzeigen und öffentlich bekannt machen, und

2) für die angesetzten Preise alle zur Fortschaffung aufgegebenen Waaren ohne Unterschies der Interessenten be⸗ fördern mit Ausnahme solcher Waaren, deren Transport auf der Bahn durch das Bahnreglement oder sonst poli⸗ zeilich für unzulässig erklärt ist.

Die §5§. 27 bis 31 enthalten Bestimmungen über Zu⸗ lassung anderer Transportunternehmer und für Berechnung des in solchen Fällen zulässigen Bahngeldes.

Der 5. 32 lautet:

Es bleibt der Gesellschaft überlassen, nachdem die Reguli⸗ rung des Bahngeldtarifs nach §§. 29 und 30 erfolgt ist, die Preise, welche sie für die Beförderung an Fuhrlohn neben dem Bahngelde erheben will, nach ihrem Ermessen anzusetzen, es dürfen solche jedoch nicht auf einen höheren Reinertrag als 10 Prozent des in dem Transportunternehmen angelegten Kapitals berechnet werden.

. Die Gesellschaft ist hierbei verpflichtet:

1) den Frachttarif, sowohl für den Waaren⸗ als auch für den Personentransport, welcher nachher ohne Zustimmung des Handels⸗Ministeriums nicht erhöht werden darf, sowie dem⸗ nächst die innerhalb der tarifmäßigen Sätze vorgenommenen Aenderungen und zwar im Falle einer Erhöhung früher ermäßigter Sätze 6 Wochen vor Anwendung derselben, der Regierung anzuzeigen und öffentlich bekannt zu machen, auch

2) für die angenommenen Sätze alle zur Fortschaffung auf⸗ gegebenen Waaren, deren Transport polizeilich zulässig ist, ohne Unterschied der Interessenten zu befördern.

Indem das Gesetz von der Voraussetzung ausging, daß nach Ablauf der drei ersten Betriebsjahre zum Transportbetriebe auf der Bahn außer der Eisenbahngesellschaft selbst auch andere gegen Entrichtung eines Bahngeldes zugelassen werden sollten, und demgemäß im §. 26 für die ersten drei Betriebs jahre, im F. 32 aber nur für diejenigen Tarife Vorschriften ertheilt, welche später neben dem Bahngelde zur Erhebung kommen sollten, ist gegenüber der Thatsache, daß die dem Gesetze zu Grunde liegende Voraussetzung niemals praktisch wurde, eine die Einwirkung selbst beeinträchtigende Unklarheit über die der Staatsregierung beiwohnenden Machtbefugnisse insofern hervor⸗ gerufen, als es zweifelhaft erschien, ob die Vorschriften im 5. 26 so lange, bis eine Bahngeldregulirung erfolgt sei, zur Anwen⸗ dung zu bringen, oder ob solche nach Ablauf der erßen drei Jahre als außer Wirksamkeit getreten anzusehen und im letz⸗ teren Falle, ob die Feßsetzungen im 5§. 32 ohne Weiteres oder erst nach Regulirung des Bahngeldes auch in Ermangelung eines Konkurrenzbetriebes durch andere Transportunternehmer anzuwenden seien. Diese Unklarheit wurde durch die praktische Hand⸗ habung der bezüglichen Vorschriften Seitens der Regierung nicht behoben, ihr sowie aus der durch Erfahrung geschöpften Erkenntniß von der Nothwendigkeit, das Publikum gegen die Willkür der Bahnverwaltungen zu schützen, entspringt indessen unzweifelhaft das Bestreben der Regierung, sich in den Konzesstonsurkunden und Statuten von dem Gesetze unabhängige und über die im §. 32 vorgesehenen hinausgehende Befugnisse vorzubehalten und auch ältere Gesellschaften gelegentlich der Erweiterung ihrer An⸗ lagen zu nöthigen, sich diesen zu unterwerfen. In welcher Weise dies geschehen, ist aus dem den Eingangs erwähnten Gesetz⸗ entwurf beigegebenen Auszuge aus den ertheilten Konzessionen zu ersehen und möge hier an einigen Beispielen gezeigt werden: Die Berlin ⸗Anhaltische Sisenbahn⸗Gesell⸗ schaft war nach der Konzessionsurkunde für die Strecke Berlin-Cöthen vom 2. September 1845 ledig⸗ lich den Bestimmungen des Gesetzes vom 3. November 1838 unterworfen. In den am 2. September 1845 für die Strecke Jüterbogk⸗Riesa und am 25. Juni 1856 für die Strecke von Wittenberg und Dessau über Bitterfeld nach Halle⸗Leipzig ertheilten Konzessionen wurde dem Staate „die Genehmigung des Frachttarifs sowohl für den Waaren⸗ als auch für den Personentransport sowie des Bahngeldtarifs und jeder Ab⸗ änderung dieser Tarife vorbehalten. Eine gleiche Bestimmung enthält die Konzession für die Strecke Wittenberg-⸗Falkenberg vom 11. September 1872, jedoch mit dem Zusatze insoweit die Abänderung der Tarife nicht allgemein dem Ermessen der Bahnverwaltungen überlassen ist oder wird.“ Außerdem sind darin aufgenommen: die Verpflichtung zur Einrichtung direkter Expeditionen und direkter Tarife für den Personen⸗ und Güterverkehr mit anderen in⸗ und ausländischen Bahnverwal⸗ tungen und zur Gestattung des Durchgehens der Transportmittel, eine Verpflichtung, die bereits in der Reichs verfassung Art. 44 Ausdruck gefunden hat und deren Aufnahme in die Konzessions⸗ urkunde nur durch die beigegebenen Bestimmungen über die Höhe der Entschädigung Bedeutung erhielt. Für das Durchgehen der Transportmittel sollen dieselben Vergütungssätze zur Anwendung kommen, welche der Gesellschaft in ihren anderen Verbandsver⸗ kehren gewährt würden.

Bei den direkten Tarifen mit andern Bahnverwaltungen muß die Gesellschaft auf Verlangen des Handels. Ministeriums sich jederzeit bereit finden, auf den zu ihrem Unternehmen gehö⸗

drei pfälzischen Eisenbahngesellschaften wurden diese Bestimmun⸗

Meile zuzugestehen, welcher für die gleichartigen Transportgegen⸗ stände, sei es in ihrem Binnenverkehr, sei es in einem durch⸗ gehenden Verkehre zwischen ihrer betreffenden Uebergangs station und denjenigen Stationen ihrer eigenen oder fremden Bahnen, nach und von welchen die Güter versandt werden, nach den je⸗ weiligen Tarifen fich ergiebt.

Sofern in einem solchen Falle der maßgebende Tarif aus einem Frachtsatze pro Meile und aus einer festen Expeditionz⸗ gebühr zusammengesetzt ist, sollen diese Tarifeinheiten auch für den neu zu regulirenden direkten Tarif mit der Maßgabe fest⸗ gehalten werden, daß die Expeditions gebühr für die Uebergangs⸗ station auf Verlangen des Handels⸗Ministeriums ganz außer Ansatz bleibt.

Diese Verpflichtungen sind der Gesellschaft jedoch nicht un⸗ bedingt auferlegt, sie sollen vielmehr nur eintreten, sobald die den zu errichtenden direkten Verkehr beantragenden Bahnver⸗ waltungen sich bereit gefunden haben, in demselben auf ihren von jenem Verkehr berührten Bahnstrecken keinen höheren Fracht⸗ satz pro Centner und Meile zu erheben, als den von der Berlin⸗ Anhalter Eisenbahn-⸗Gesellschaft für ihre Strecke zuzugestehen⸗ den. Eine weitere Abschwächung erfuhr die obige soviel wir haben erfahren können, wegen ihrer Verklau⸗ sulirung bisher niemals praktisch gewordene Verpflich⸗ tung durch die Festsetzung, daß, wenn die Berlin-Anhalter Gesellschaft zum Zwecke der Errichtung eines direkten Verkehrs das gleiche Zugeständniß von einer anderen Bahnverwaltung beanspruchen, diese aber sich weigern sollte, auf den vorge⸗ schlagenen direkten Verkehr überhaupt einzugehen oder jenes Zugeständniß in Betreff des Tarifsatzes zu machen, die Berlin⸗ Anhalter Gesellschaft an das ihrerseits für einen direkten Ver⸗ kehr, an welchem die sich weigerlich haltende Bahnverwaltung mitbetheiligt ist, gemachte frühere Zugeftändniß nicht mehr ge⸗ bunden sei.

Die Gesellschaft ist ferner gehalten, auf Verlangen des Handels⸗Ministeriums für den Transport der im Art. 45 der Reichsverfassung genannten Artikel bei größeren Entfernungen den Einpfennigtarif nebst einem nicht höher als 2 Thlr. pro 100 Centner zu bemessenden Expeditionszuschlag mit der Maß⸗ gabe in Anwendung zu bringen, daß die Expeditions gebühr in allen direkten Tarifen nur einmal und zwar zur Hälfte für die Abgangs- und zur anderen Hälfte für die Empfangsstation er⸗ hoben wird. Ein dahin gehendes Verlangen und diese Ein⸗ schränkung ist wiederum bezeichnend soll das Handels⸗ Ministerium indessen nur dann zu stellen befugt sein, wenn alle bei dem betreffenden Verkehre bethei⸗ ligten Verwaltungen für den ganzen Umfang ihrer Bahnnetze die volle Gegenseitigkeit und Gleich⸗ mäßigkeit zugestehen.

Bei Erweiterung des Unternehmens der Berlin⸗Ham⸗ burger Bahn sind die älteren Festsetzungen für die Stamm⸗ bahn unverändert geblieben und nur für die Zweigbahn Wittenberge⸗Dömitz⸗Lüneburg⸗Buchholz ist in der Konzession vom 16. Juni 1870 der preußischen Regierung die Genehmigung des Bahngeldtarifs und die erste Genehmigung des Frachttarifs, sowie demnächst jede Erhöhung des letzteren Tarifs vorbehalten und die Gesellschaft verpflichtet, auf Verlangen der drei be⸗ theiligten Regierungen für den Transport von Kohlen, Koks und event. der übrigen im Art. 45 der Reichsverfassung be⸗ zeichneten Gegenstände bei größeren Entfernungen den Ein⸗ pfennigtarif einzuführen.

Die der Gesellschaft ferner auferlegte Verpflichtung, jederzeit auf Verlangen der drei betheiligten Regierungen mit anderen in⸗ und auslandischen Bahnverwaltungen für die Beförderung von Personen und Gütern direkte Expeditionen und Tarife zu errichten und hierbei insbesondere auch in ein gegenseitiges Durchgehen der Trans⸗ portmittel zu willigen, ist gegenüber der Vorschrift im Art. 44 der Reichsverfassung ohne wesentliche Bedeutung, weil damit nicht wie bei der Anhaltischen Bahn Festsetzungen bezüg⸗ lich der Höhe der Tarifsätze verbunden sind. Nur in Betreff der Höhe der gegenseitigen Vergütungssätze für die durchgehenden Transportmittel, sowie der Art und Weise der Abrechnungen hat sich die Gesellschaft bei mangelnder gütlicher Verständigung mit den anderen Bahnverwaltungen den Festsetzungen der drei betheiligten Regierungen zu unterwerfen und wird hierdurch das öffentliche Interesse nicht weiter berührt.

Die Berlin⸗Stettiner Bahn war nach den Konzessionen vom 12. Oktober 1840 und 26. Januar 1844 für die Strecken Berlin⸗Stettin und Stettin⸗Stargard lediglich den Bestimmungen des Gesetzes vom 3. November 1838 unterworfen. Für die vom Staate mit Zinsgarantie ausgestatteten Zweigbahnen von Star⸗ gard nach Colberg und Danzig, sowie von Angermünde nach Stralsund mit Zweigbahnen von Züssow nach Wolgast und von Pasewalk nach Stettin hat sich die Regierung die Genehmigung des Bahngeld⸗ und des Frachttarifs mit der Maßgabe vor⸗ behalten, auf der vorpommerschen Bahnstrecke keine höheren als die Sätze des Tarifs der Ostbahn vom 26. Mai 1860 einzuführen und daß die Gesellschaft nicht verbunden ist, auf den hinter⸗ pommerschen Bahnstrecken einen niedrigeren Tarif als den für die Hauptbahn Berlin⸗Stettin bestehenden zur Anwendung zu bringen. Erst durch die Konzession für die Strecken Swine⸗ münde, Ducherow, Angermünde⸗Freienwalde⸗Wriezen⸗Frankfurt vom 11. Dezember 1872 wurde für die Regierung eine größere Einwirkung auch auf das Stammunternehmen gewonnen, indem in dieser Konzession dem Staate die Genehmigung des Bahn⸗ geldtarifs und des ersten für die neu zu erbauenden Bahnen aufzustellenden Frachttarifs, sowie sonstiger Abänderungen der Tarife für sämmtliche zum Berlin⸗Stettiner Unternehmen jetzt und künftig gehörenden Bahnstrecken, insoweit dieselbe nicht dem freien Ermessen der Gesellschaft überlassen werden sollte, vorbehalten und die Gesellschaft verpflichet wurde, für den Transport von Kehlen und Koks und event. der übrigen im Art. 45 der Reichsverfassung bezeichneten Gegen⸗ stände den Einpfennigtarif einzuführen, soweit und sobald dies von dem Minister für Handel ꝛc. verlangt werden sollte. Bezüglich der Einrichtung direkter Verkehre ist darin die gleiche Verpflichtung stipulirt, welche der Berlin⸗Anhaltischen Bahngesellschaft nach Vorstehendem obliegt. Sie weicht jedoch von der letzteren insofern ab, als sie nicht das Zugeständniß der anderen Bahnverwaltungen, für sich keine höheren Frachtsätze pro Centner und Meile zu beanspruchen, zur Voraussetzung hat, son⸗ dern durch die Bereitwilligkeit dieser anderen Bahnverwaltungen bedingt wird, ihren Tarif nach denselben Grundsätzen zu nor⸗ miren und somit für ihre in dem einzurichtenden durchgehenden Verkehre zu benutzende Strecke den niedrigsten Tarifeinheitssatz pro Centner und Meile zuzugestehen, welchen sie auf dDieser Strecke für gleichartige Transportgegenstände in ihrem Lokal⸗ resp. in einem anderen durchgehenden Verkehr erheben!

Die Breslau⸗Schweidnitz⸗Freiburger Bahn, welche nach der Konzession vom 10. Februar 1843 lediglich den Be⸗

renden Bahnen denjenigen ermäßigten Tarifsatz pro Centner und

stimmungen des Gesetzes vom 3. November 1838 unterworfen

war, übernahm bei Erweiterung des Unternehmens durch den Bau der Strecke Schweidnitz⸗Reichenbach in der Konzession vom 14. Februar 1853 die Verpflichtung, in die Tarife für den Personen⸗, Vieh⸗ und Güterverkehr ohne mini⸗ Fferielle Genehmigung keine Aenderungen vorzunehmen. Bei Fonzessionirung der Strecke Breslau-Raudten und Rothenburg⸗ Stettin⸗Swinemünde wurde dem Staate die Genehmigung des Bahngeldtarifs und des ersten für die neu zu erbauenden Bahnen aufzustellenden Frachttarifs sowie künftiger Abãänderun⸗ gen der Tarife für sämmtliche zum Unternehmen gehörende Bahnstrecken, insoweit dieselbe nicht dem freien Ermessen der Hesellschaft überlassen werden sollte, vorbehalten und die Gesell⸗ schaft in gleicher Weise wie die Berlin-Stettiner Bahn zur Ein⸗ führung des Einpfennigtarifs für die im Artikel 45 der Reichs verfassung bezeichneten Artikel, sowie ferner zur Einrichtung direkter Tarife für den Personen⸗ und Güterverkehr mit anderen Bahnen verpflichtet.

Die Coln? Mindener Eisenbahngesellschaft, deren Tarife und Tarifänderungen nach der Konzession vom 18. De⸗ zember 1843 der Zustimmung des Handels⸗-Ministeriums be⸗ durften, übernahm bei Erweiterung des Unternehmens in der Konzession vom 28. Mai 1866 die Verpflichtung zur Eingehung direkter Tarife mit anderen Bahnen und unter der bei Berlin⸗ Anhalt erwähnten Einschränkung zur Bewilligung des medrigsten Tarifeinheitssatzes. In Bezug auf die Expeditions⸗ gebühren wurde jedoch abweichend besti nmit, daß solche auf Ver⸗ langen des Handels⸗Ministeriums bei Transporten in vollen Zügen für die uͤebergangsstation außer Ansatz bleiben, bei sonstigen Transporten für Einzelgut drei Pfennige pro Centner und Meile und fuͤr Güter in Wagenladungen 15 Sgr. pre 100 Etr. nicht übersteigen sollten, von der Gesellschaft auch übernommen, in den dazu geeigneten Fällen auf Verlangen des Königlichen Handels-Ministeriums mit anschließenden Bahnen in Verhand⸗ lung zu treten, um die Belastung derselben Transporte mit mehrfachen Expeditionsgebühren oder anderen Uebergangsspesen zu vermeiden.

Für den Fall, daß wegen Mißwachses oder sonstiger außer⸗ ordentlicher Vorkommnisse für Getreide, Kartoffeln oder andere Produkte der Landwirthschaft eine zeitweise Frachtermäßigung auf der Westfälischen Staatsbahn angeordnet wird ist die Gesellschaft verpflichtet, diese Gegenstände während derselben Zeitfrist auch auf sämmtlichen zu igrem Unternehmen gehörigen Bahnen zu gleich günstigen Bedingungen, insbesondere zu gleich nedrigen Tarifeinheitssätzen zu befördern.

Bezüglich der Magdeburg⸗Halberstädter Bahn, welche nach der Konzession vom 14. Januar 1842 gleichfalls lediglich den Bestimmungen des Gesetzes vom 3. No cember 1838 unter- worfen war, wurde durch Konzession vom 13. April 1864 der Staatsregierung auf den dem Unternehmen hinzutretenden neuen Strecken die Genehmigung der Bahngeld⸗ und der Frachttarife, sowie jeder Abänderung derselben vorbehalten und ferner festgesetzt, daß auf der Stammbahn Magdeburg⸗Oschers⸗ leben Halberstadt und auf. der Strecke Salberstadt Thale Er⸗ höhungen der zeitigen Tarife ohne Genehmigung des Staates nicht flattfinden, auch solche Differential- Tarif ße, in denen das en,, 2 . ,,, ,

ung berechtigter preußischer Interessen erkenne, weder ue = n gr noch e eh en werden sollten, die Gesellschaft sich auch nicht entziehen dürfe, soweit das Handels⸗Ministerium es im Verkehrsinteresse für nöthia erachte, auf dessen Verlangen mit anderen in- ulid ausländischen Bahnverwaltungen für die Be⸗ förderung von Personen und Gütern direkte Expeditionen und Tarife zu errichten und hierbei auch in gegenseitiges Durchgehen der Transportmittel zu willigen. In Betreff der Höhe der Tarif⸗ sätze wurden keine Festsetzungen getroffen, sondern nur bezüglich ber = das öffentliche Juͤteresse nicht berührenden == Vergütungs⸗ sätze für die durchgehenden Transportmittel, sowie bezüglich der Art und Weise der Abrechnungen bei mangelnder gütlicher Ver⸗ ständigung mit den anderen Bahnverwaltungen die Gesellschaft den Anordnungen des Handels-Ministeriums unterworfen. In⸗ dessen die für die Bahnstrecken Berlin Lehrte und Salzwedel⸗ Uelzen am 12. Juni 1867 ertheilte Konzession beschrãnkt auch die Befugnisse der Gesellschaft in Bezug auf die Höhe der Tarife insofern, als darin bestimmt wurde, daß sie auf der Bahnstrecke Oschersleben⸗Magdeburg, soweit das Handels⸗ Ministerium es verlange, in dem durchgehenden Verkehre von und nach der Berlin⸗Potsdamer Eisenbahn pro Person und Meile und pro Centner und Meile keine höheren Tarif⸗ antheile in Anspruch nehmen dürfe, als sie für die Bahnstrecke Berlin⸗Lehrte im durchgehenden Verlehre je⸗ weilig erhebe und ferner, daß die Gesellschaft, falls von Magdeburg über Gardelegen nach Salzwedel, eine Eisen⸗ bahnverbindung hergestellt werden sollte, für den Ver⸗ kehr mit und über jene Bahn direkte Expeditionen und direkte Tarife zu errichien, auch gegen Vergütungssãtze welche in Ermangelung gütlicher Verständigung, vom Handels⸗-Ministerium festzusetzen, in gegenseitiges Durchgehen der Transportmittel zu willigen und in diesen direkten Tarifen für ihre Bahnstrecken Uelzen⸗Salzwedel pro Person und Meile und pro Centner und Meile keine höheren Frachtantheile u be⸗ anspruchen habe, als sie in dem gleichartigen Verlehre über diese Strecke Und weiter über Stendal von und nach Magdeburg und darüber hinaus jeweilig vereinnahme.

Andererseits wurde das Recht der Regierung zur Gench⸗ migung der Tarife 24. durch die Bestimmung beschränkt, daß die Sätze der ersten Tarife im durchgehenden Verkehre ohne Zu⸗ stimmung des Direktoriums nicht niedriger gestellt werden sollten, als die Ende des Jahres 1866 bestandenen der Berlin⸗ Potsdam⸗Magdeburger Bahn resp. im durchgehenden Verkehre von Berlin nach Uelzen nicht niedriger als die Ende 1866 be⸗ standenen der Berlin⸗Hamburger Bahn. .

Die Befugnisse der schon vor Erlaß des Gesetzes vom 3. November 1838 konzessionirten Rh einischen Gisenbahn⸗ Gesellfchaft wurden durch die derselben am 5. März 1856 zur Erweiterung ihres Unternehmens ertheilte Konzession ein⸗ geschränkt. In der lehteren wurde festgesetzt, daß der zeitige Tarif für das bestehende Unternehmen ohne Genehmigung des Handels- Ministeriums nicht erhöht. werden dürfe. Für die neu auszuführenden resp. zu erwerbenden Bahnstrecken sollte der beflehende Tarif der Cöln-Mindener Eisenbahn in der Art als Maximaltarif gelten, daß jede Erhöhung der Genehmigung des Handels⸗Minislers zu unterwerfen, innerhalb der Maximal⸗ säͤtze jedoch allgemein gültige Modifikationen ahne weitere Ge⸗ nehmigung' der? Gefellschaft? gesiattet seien, jedach weder Diffe⸗ rentialtarife zu Gunsten einzeiner Personen oder Orte eingeführt. noch die Säße so gestellt werden dürften, daß die Gesammitfracht eines Transportes fur größere Entfernungen geringer sei, als für kleinere.

richtung direkter Tarife mit anderen in- und ausländischen Bahn⸗ . sowie * und zwar unter der bei Berlin⸗Anhalt, Cöln⸗Minden erwähnten Beschränkung zur Bewilligung des niedrigften¶ Tarife inheitssatzes. Bezüglich, der Expeditlons⸗ gebühren war ähnlich wie bei Cöln⸗Minden festgesetzt baß folche für die Uebergangsftation bei. Transporten in vollen Zügen auf Verlangen des Handels⸗Ministeriums außer Ansatz zu lassen, bei sonstigen Transporten aber für Einzelgut 3 Pfg. pro Centner und füͤr Güter in Wagenladungen 15 Sgr. pro 100 Ctr. nicht überfsteigen dürfe. ö .

Für den Transport der im Art. 45 der Reichs ver fassung genannten Artikel ist die Gesellschaft gehalten, bei grö⸗ pßeren Entfernungen den Einpfennigtarif nebst einem nicht höher als 2 Thlr. pro 100 Ctr. zu bemessenden Expeditionszuschlage mit der Maßgabe in Anwendung zu bringen, daß die Expeditions⸗ gebühr in allen direkten Tarifen nur einmal und zwar zur Hälfte für die Abgangs⸗, zur anderen Hälfte für die Empfange station erhoben wird. Ein dahin gehendes Verlangen soll die Regie⸗= rung jedoch nur dann zu stellen befugt sein, wenn alle bei einem betreffenden Verkehre betheiligten Verwaltungen für den ganzen Umfang ihrer Bahnnetze die volle Gegenseitigkeit und Gleichmäßigkeit zugestehen.

4 3 lieh 9 e der Berlin⸗Anhaltischen Eisenbahn⸗ gesellschaft auferlegte Verpflichtung, welche wegen ihrer Ein⸗ schränkung ziemlich bedeutungslos ist und sich deshalb auch in anderen gleichzeitig oder später ertheilten Konzessionen nicht vor⸗ ndet. i In einer großen Anzahl von Konzessienen ist der Regie⸗ rung lediglich die Genehmigung des Bahngeld⸗ und des Fracht⸗ tarifs für den Personen⸗ und Güterverkehr, sowie jede Aende⸗ rung der Tarife vorbehalten. l .

Für die Alton a⸗Kieler Bahn stand der Regierung die Bestimmung der höchsten Sätze des Bahngeldes, sowie die Ge⸗ nehmigung zu jeder späteren Erhöhung desselben zu. In der derselben Gesellschaft am 13. März 1872 zum Bau der Strecke von Neumünster über Segeberg nach Oldesloe ertheilten Kon⸗ zession ist der Regierung die Genehmigung des Bahngeldtarifs und des Frachttarifs für den Personen- und Güterverkehr, sowie der Abänderung der Tarife, soweit diese nicht dem freien Ermes⸗ sen der Gesellschaft überlassen wird, vorbehalten und die Gesell⸗ schaft außerdem nur verpflichtet, auf Verlangen des Handels⸗ Ministers für den Transport von Kohlen und Koks und event. der übrigen im Artikel 45 der Verfassung bezeichneten Gegen⸗ stände den Einpfennigtarif einzuführen. Die Festsetzungen für das Stammunternehmen sind unverändert geblieben.

Auf den Schleswigschen Bahnen unterliegen die Maxi⸗ maltaxen für den Transport von Personen, Gütern und Vieh der Genehmigung der höchsten Verwaltungsbehõrde.

Schon dieser kurze Auszug aus verschiedenen Konzessions⸗ urkunden läßt erkennen, daß die preußische Regierung in Bezug auf das Tarifwesen zwar eine über die Bestimmungen des Ge⸗ setzes vom 3. November 1838 hinausgehende Einwirkung er⸗ langt hat, daß fie bei Erweiterung ihrer Machtbefugnisse aber

nicht nach einem bestimmten Plane verfahren, vielmehr durch die Verhältnisse des konkreten Falles veranlaßt ist, über das Maß der Einwirlung mit den Bahnverwaltungen zu paktiren und daß ihr in allen Fällen eine Berechtigung zur zwangswei⸗ sen Durchführung eines bestimmten Tariffhstems oder zur Be⸗ stimmung der Höhe der Frachtsätze fehlt.

Zur sozialen Frage. III.

Die Einrichtungen zum Besten der Fabrikarbeiter in Schlesien. *) (Vgl. Nr. 193 d. Bl.)

Wie in dem II. Artikel erwähnt, sind in Schlesien zahlreiche Einrichtungen getroffen, welche das Loes der Fabrikarbeiter erleichtern und ihnen manche Vortheile gewähren, die bei den Berechnungen ihrer Gesammt Einnahmen von ihnen nicht genugsam gewürdigt werden.

Es kommen hierbei zunächst in Beiracht:; 5

D Die unter staatlicher Aufsicht stehenden Hülfs⸗ kassen, deren in Schlesien im Jahre 1874 357 mit 64,388 (im Durchschnitt 180) Mitgliedern vorhanden waren. Das Kassenwesen ist in Schlesien sehr geordnet und in Oberschlesien am meiften Cen— tralisirt. Diesen Vorzug verdankt dieser Landestheil nächst dem Um- stande, daß der Fabtik⸗ und insbesondere der Hüttenbesitz sich vielfach in reich begüterten Händen befindet, bauptsachlich der Einrichtung der Knappschafiskassen, zu denen die Hüttenwerke sämmtlich geböꝛten, so laage dieselben unter Aufsicht der Bergbehörden standen. Nach Lösung dieses Verhältnisses und nach Austritt. der Arbeiter aus der Krappschaftskasse ift demnächst eine Anzahl gleich eingerichteter Kassen

anden. . 7 3 Durchschnitt kommen in Oberschlesien auf 1 Kasse 291 Arbester, im; Regierungsbezirk Breslau 249, Litgnitz 121. Die Bei. träge sind, den größeren Leistungen entsprechend, im Regierungsbezirk Oppeln weit böber (per Familie 20 M oder 235 o der Jahresaus⸗ gabe) als im Regierungsbezirk Breslau (11 M 1,43 60) und Lieg⸗

itz (13 A6 1,64 0sꝑ!. ö . . . 86 die . Carenzzeit als ein Zeichen größerer Ertwicke lung einer Kasse angesehen werden kann, so ergiebt sich, daß der Re⸗ gierungsbeziik Oppeln in dieser Beziehung fast auf gleicher Stufe mit den rheinischen Verhältnissen steht, .

3 Nicht unter staatlicher Aufsicht. stehende Spar- kassen, die nur für bestimmte Fabrikanlogen geschaffen sind, bestehen in Schlesien: J . , , Breslau 15 1579 Sparer, 325.397 S Vermögen,

ö Liegnitz 22 41826 500,279 , ö 71 112 jo daß,, . 607 Sparer, Js 2,594 M Vermögen.

F en mithin im Regierungsbezirk . . ; . an. auf 1 * 105 Sparer mit je 205 4 Vermögen, , 2 9 2 n 193 . Oppeln 1679 . ö Sparer mit je ö .

Den Industrien nach fallen auf Hiebereien uns Bru betrieb 1, Hit der 7 6 26. ckemische Fabriken 2 Fabrilen Fer Landwirthschaft 1, Mühlen 1, Papierfabriken 2, Cigarrenfabriken 2, senstige Industrien 2 Sparkassen. Daß dergleichen Kassen im Regierungbezirk Orpeln so wenig zahlreich vorhanden sind, erklãrt sich theils aus der dort vollkemmneren Organisation der Hülfe kassen, theils aus dem Mißtrauen der oberschlesischen Arbeiter gegen frei⸗

inige Einzahlungen. J ; 3 35 m, e für Wohnungen findet in Schlesten in sehr aus gedebnter Weise statt, sowohl durch die Beför⸗ derung des Erwerbe eigener Hauser durch die Arbeiter als auch durch die Beschaffung von Miethtwohnungen. Nament. lich wird hierfür in Overschlesien und ganz besonders vom

Oppeln

* 1

7 . Schlesien auf 1 Nasse 173

*) Die wirthschaftliche Lage der Fabrikarbeiter in Schlesien und die a. Besten derselben getroffenen Einrichtungen, mit Genehmigung

dez Ministeiz für Handel ꝛc, bearbeitet von Berg— Ls r en Eichung und Fabrik ·˖ Inspekter fur mit 20 lithographirten Tafeln. Bret lau, Maruschke &

Sr. Exccellenz Assessor Frief,

Schlesten 2c.

Durch die fernere Konzession vom 20. November 1871 über⸗ nahm alsdann die Gesellschaft auch die Verpflichtung zur Ein⸗

Berend 1876.

Staat viel gethan. Eine vom Berfasser gefertigte Zusammenstellung weist nach, daß an Wohnungen Seiteng der Arbeitgeber für ihre Fabrik- arbeiter beschafft sind: 1305 Häuser, 036 Miethswohnungen für Fa milien, 305 für Einzelne und 97 Schlafsäle mit 189 Schlafftellen. Hiervon treffen allein aut die Hüttenarbeiter, im Regierungsbezirk Bppeln 810 Häuser, 5990 Mieths wohnungen für Familien, 84 für Einzelne und 4 Schlafsäle mit 289 Schlafstellen. Es kommt bier auf noch nicht 5, im Regierungsbezirk Breslau dagegen erst auf 33, im Regierungsbezirk Liegnitz auf 12 Hütte narbeiter eine derartige Wohnung. Am nächstgünftigften stehen die Arbeiter der Glas und Porzellanfabriken, bei welchen im Durchschnitt auf 13 Arbeiter (Regierungsbezirk Liegnitz 8. Breslau 21, Oppeln 19 eine Wohnung fällt Ungünstig erweisen sich in dieser Beziehung die Verhãltnisse der Textilindustrie, in welcher zwar im Durchschnitt auf 32 eine Wohnung kommt, aber im Regierungsbezirk Liegnitz auf 582. in Oppeln gar keine, Breslau 15. Bei allen Induftriezweigen im Durchschnitt srffft eine Wohaung im Regierungsbezirk Breslau auf 21, Liegnitz auf 23, Oppeln auf 7, in Schlesien auf 12 Arbeiter. Schla fräle finden sich am meisten bei der Textilindustrie, wegen mangelnder Benutzung sind indefsen manche derselben wieder eingegangen. .

Die Preise diefer Wohnungen sind zwar mit denjenigen anderer Wehnurgen gleich, die ersteren sind aber entschieden besser. So er⸗ flärt es sich, daß der Arbeiter im Regierungsbtzirk Oppeln trotz der dort sehr kemerkbaren Fürsorge für Wohnunzen an Miethe nicht weniger zahlt, als seine Genossen in den beiden anderen Regierungs⸗ bezirken. Tie Benutzung der Wohnung läuft in den meisten Fällen mit der Albeit auf dem zugehörigen Werke ab, doch kommen vereinzelt auch besondere Kündigungsfriften vor.

Die Verpachtung von ÄAeckern fiadet in sehr auegedehnter Weise, namentlich in Sberschlesien statt. So verpachtet z. B. die Sberscklestsche Eisenbahnbedarf ⸗Aktiengesellschaft in Friedenshütte 32 Arbeitern 10 Hekt. Acker zum Preise von 161 46 pro Hekt. und Jahr und auf ihren anderen Hüttenwerken an 40 Arbeiter 3583 Hekt. zum Preise von 160 (6 pro Hekt. und Jahr. 148 Arbeiter wohnen zu Friedershütte in 17 der. Gesellschaft gehörigen Häusern zum Micktkhspreife von je 36 M jährlich. Auf den anderen Hütt-nwerken sind 345 Arbeiter in 117 Häusern der Gesellschaft zum Preise von je 12 4 jährlich eingemiethẽt. Die Schles. A. G. für Bergbau und Zinkhüttenbetrieb zu Lipine beschäftigt 1159 Ar eiter, ven welchen Z67 in Gesellschafts⸗, 453 in eigenen Häusern wohnen, die von den Arbeitern gegen Vorschüsse und Abschlagszablungen erbaut worden sind: 3739 Hekt. sind in 161 Parzellen für 3913 A pro Hekt. und Jahr an Arbeiter verpachtet, denen auch der von den Hüttengespann en gewonnene Dünger gegen mäßige Entschädigung überlassen wird. Graf Henckel von Donnersmarck gewährt seinen Arbeitern seit dem J. 1858 Plätze von w bis Morgen Legen Grundzins, die Baumaterialien zum Scelbftkostenpreise und zur Bestreitung der Auslagen ein baares Kapital bis 200 Thlr. Die Tilgung der Schuld geschieht durch 15jährige Amortisation mit 40 Zinsen. Der Grundzins rubt, so lange der Benefiziat herrschaftlicher Arbeiter bleibt. Nach diesem System sind Arbeiterkolonien ven 216 Häusern entstanden; für die Tauhra. und Georgshütte ist auch der Bau einer besonderen Trink⸗ wasserleitung in der Ausführung begriffen. ; .

) Von den Einrichtungen für Ernährung, billige Beschaffung von Lebensbedürfnissen aller Art, Kleider und Wäsch« sind zunächst die Volks küchen zu erwähnen, die jedoch nur geringen Anklang bei den Arbeitern finden. Die größte derartige Anstalt ist in der Reichenheimschen Fabrik zu Wüstegiers- dorf, welche aber, obwobl sie für 109 3 vorzügliche Kost liefert, von 1566 Arbeitern kaum 230 begutzen. Belie ter sind diejenigen Ein- richtungen, in denen nur die von den Arbeitern gelieferten Lebens mittel gekocht werden; die vollkommenste Küche dieser Art ist die der Herren Gruschwitz bei Neusalz. ; . .

Die Lieferung von Kleidungzsstücken ist bei den Arbeitern noch unbeliebter und beschränkt sich meist auf Schürzen, Pantoffeln, auch Respiraioren.

ö. zum Waschen für die Arbeiter, auch zum An- und Ab⸗ legen der Arbeitskleider sind vielfach vorhanden. .

Die Betheiligung der Arbeiter an Konsumpereinen it nur gering. Im Jahre 1874 waren nach dem Jahresbericht über die auf Selbstbülfe gegründeten deutschen Erwerbs und Wirthschafts ˖ genossenschaften in Schlesten nur 2666 männliche und 94 weibliche, zusammen 2760 Fabrikarbeiter, Bergarbeiter und Handwerks gesellen Mitglieder von ( 77) Konsumpereinen, die meisten in Waldenburg 516), Wüstegiersdorf (182) und Breslau (629). Jedech sind einige beion- ders günstig sttunte Vereine, wie derjenige zu Tillowitz, Laurahütte und Borsizwerk in jenem Jahresbericht nicht nachgewiesen.

Vereins ⸗Bäckereren und Schlächteveien werden an mehreren Orten unterhalten. Einzelne Fabrikbesitzer beziehen au KWaägren und Feuerungs material im Ganzen und lassen dal= selbe den Arbeitern zum Selb stkostenpreise J .

5) Für die Gesundheitspflege sind fast in sãmmtlichen größeren Fabriken Fabrikärzte angestellt. Besondere Apotheken sir d nicht vorhanden, doch weisen die Fabrikbesitzer die Arbeiter häufig an bestimmte öffentliche Apotheken und bezahlen die dort von ihnen ent- nommenen Arzeneien. Einzelne Fabriken besitzen desondere Kranten— häuser; die vorzüglichsten derartigen Einrichtungen sind diejenigen der Marienhütte bei Kotzenau und der Reichenheimschen Fabrit zu Wüfte⸗ giersdorf. Einige Fabrikbesitzer haben für ihre Arbeiter Freistellen in oͤseentlichen Krankenhäufern. Für arme Wöchner innen beseht in Rner Spmnerei zu Marklissa eine treffliche Einrichtung (Wollersche Stif · rung). Badeanstalten sind vielfach mit Fabriken verbunden, Turn⸗ vercine fiaden sich seltener. Das Hauptgewicht bei der Gejundheits= pflege liegt enischieden in den berens bestehenden Krantentassen.

6) Die katholischen Kirchen zu Antonienhätte, Ruda, Lipine u. A. sind wesentlich durch die Aufwendungen der Besitzer größerer in⸗ bustricller Anlagen Bberschlesiens cnist anden. Für erangelilch Ar⸗ beiter beftehen Bee säle mit besonderen Geistlichen zu Borsigwerk bei Bigcupitz, Königshuld in Oberschlesien, Burghammer in Nieder. schlesien, bei den Kummizschen Werken in Laaan und für die v. Deckersche Paxierfabrik zu Eichberz. In Oberschlefien werden hier und da auch an bestunmten Tagen gestiftete Predigten gehalten. .

7) Unter den Anstalten Jur Erziehung und Unterricht werden die Kleinkinderbewahranstalten, Kleintinderschulen und Kinder gärten, deren Zahl in der ganzen Provinz 12 nicht übersteigr, von ken Arbeitern wenig benutzt. Ein mustergültiges Waisenhaus be⸗ stehr' fei 1861 für die. mehrerwahnte Reichen heim che, Ʒa rit. Die Fabrikschulen finden bei den Arbeitern nur gzringen Anklang. In der Regel werden diele Schulen von den Werken allein unter⸗ Dalten, ausnahmsweise zahlen die Arbeiter ein en Beitraz von 10, 15 poder 20 3 pio Kind uad Woche. Am bäufigften sind Schulen, in welchen Mätchen auf Kosten der Arbeitgeber Unterricht in weiblichen Har barbeiten erhalten. Fortbiltdungsschuln fur nicht mehr schul · pflichtige junge Leute finden sich bei einzelnen größeren Werken, wie der Marienhütte zu Kotzenau, der Jolcphinenhütte zu Schreiherau, der Papierfabrik zu Eichberg, den Eisenhnttenwerken zu Königs- hütte u. A. Den Fabrikarbeitern in den Stadten ist vielfac Ge⸗ legenheit geboten, die aus Kommnnalmitteln errichteten Fortbildungt⸗

ustalten zu besuchen. ö .

ea 8) Zur nf ftigteit und Erholung dienen in erster Reihe Gesangvereine, daneben theatraliscke. Voꝛstellungen, Balle und Spaziergänge. Wenige Fabriken unterhalten eigene Musikcoꝛps. Bibliotheken, welche den Arbeitern fast durchgängig kostenfrei zu Gebote stehen, sind in nicht unbedeutender Anzahl. vor- handen. Sewohl zur Lektüre, wie für die Gesangoereing wer., en den Arbeitern in einzelnen Fabriken besendere Räume zur Verfügung gestellt. Auf der Antonienhütte zu Kotzenau wird gegenwartig ein besonderes Vereinshaug erbaut, in welchem auch das Aeltesten Kollegium der Arbeiter ein Sitzungszimmer erhalt. Dieses von den Arbeitern frei 2 , die Aufgabe, Zucht

1dnung unter den Arbeitern zu erhalten. ö

6 3 ö. Unfall waren in Sglesien im J. 1875 bei ö. A. lagen 47.885 Arbeiter versichert. Beschädigt wurden ven 1871/5 432 Ar beiter oder 9.6 auf je i000 Verstcherte; an dieselben wurden 94, 919

einmalige Entschädigung gezahlt.