1876 / 237 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 07 Oct 1876 18:00:01 GMT) scan diff

sowie der Ausschuß für Zoll- und Steuerwesen hielten heute Sitzungen.

Nach der im Reichs-Eisenbahn⸗Amte aufgestellten, in der heutigen Ersten Beilage veröffentlichten Nachweisung über die auf den Eisenbahnen Deutschlands excl. Bayerns vor⸗ gekommenen Unfälle waren im Monat August d. J. im Ganzen zu verzeichnen: . ö. ;

25 Entgleifungen und 16 Zusammenstöße fahrender Züge und zwar wurden hiervon 12 Jüge mit Personenbeförderung von je 10,933 Zügen dieser Gattung Einer und 29 Güterzüge resp. leerfahrende Lokomotiven betroffen; ferner 45 Entgleisungen und 24 Zusammenstöße beim Rangiren und 39 sonstige Betriebsereignisse (leberfahren von Fuhrwerken auf Wegeübergängen, Feuer im Zuge, Defekte an Maschinen und Wagen ꝛc.)

In Folge dieser Unfälle wurden: 1 Person (Bahnbeamter) getödtet, 18 Personen (3 Passagiere, 13 Beamte und 2 Bahn⸗ arbeiter) verletzt; 28 Thiere getödtet und 1 verletzt, sowie 34 Fahrzeuge erheblich und 154 unerheblich beschädigt.

Außer den vorstehend aufgeführten Verunglückungen von Personen kamen, größtentheils durch eigene Unvorsichtigkeit hervorgerufen, noch vor: 38 Tödtungen (2 Passagiere, 25 Bahnbedienstete und 11 fremde Personen), 76 Verletzungen (1 Passagier, 64 Bahnbedienstete und 11 fremde Personen) und 9 Tödtungen sowie 1 Verletzung bei beabsichtigtem Selbst⸗ mord.

Von den überhaupt beförderten Reisenden wurde von je 8,541,335 Einer getödtet und von 4,270,667 Einer verletzt; von den im Betriebsdienst thätig gewesenen Beamten wurde von je 9637 Einer getödtet Und von 2610 Einer verletzt.

Ein Vergleich mit demselben Monat im Vorjahre ergiebt unter Berücksichtigung ber in beiden Zeitabschnitten geför— derten Achskilometer und der im Betriebe gewesenen Geleis⸗ längen —, daß im Durchschnitt im August d. J. bei 18 Ver⸗ waltungen weniger, bei 14 Verwaltungen mehr und in Summa ca. 16 Prozent weniger Verunglückungen vorgekommen sind, als im August v. J.

Es ist darüber Beschwerde erhoben, daß bestellte Coupés in Eisencahnzügen vielfach nicht als solche durch ein äußeres Zeichen erkennbar gemacht werden. Den Seitens des Reichs-Eisenbahnamtes angestellten Erhebungen zu— folge sind in der That bei einzelnen Eisenbahnen derartige Bezeichnungen überhaupt nicht üblich, während bei anderen die bestellten Coupés mit äußerlich sichtbaren Plakaten ver⸗ sehen werden, welche die Aufschrift: „Bestellt“ oder „Reservirt“ oder „Gemiethet“ tragen. Das ö, . erachtet die Anbringung derartiger, in die Augen fallender Plakat⸗ Bezeichnungen in dem bezeichneten Falle für erforderlich und hat die Eisenbahnverwaltungen veranlaßt, diese Einrichtung, wo solche noch nicht besteht, daldie zu treffen. Dabei ist zur Herbeiführung der Gleichmäßigkeit die Bezeichnung „Bestellt“ als die gebräuchlichste empfohlen worden.

In den deutschen Münzstätten sind bis zum 30. September 1876 geprägt: an Goldmünzen 1,089,684 44046 Doppelkronen, 332,425,380 M Kronen; hiervon auf Privat⸗ rechnung: 171,345,164 MS; an Silbermünzen: 66,970,450 5⸗Markstücke, 35,537, 954.6 2⸗Markstücke, 143,512,165 S6 1⸗Mark⸗ stücke, 38, 584,50 S 3 50 Pfennigstücke, 32,875,083 80 8 20Pfennigstücke; an Nickelmünzen: 21,994,530 M6 70 Y 10Pfennigstücke, 11,187, 378 S6 60 * 5Pfennigstücke; an Kupfermünzen: 5,824,204 66 16 3 2 Pfennigstücke, 3, 332,498 M 97 3 1Pfennigstücke. Gesammtausprägung an Gold⸗ münzen: 1,422,199, 820 S½ς; an Silbermünzen: 317,480,002 46 80 ; an Nickelmünzen: 33,181,909 66 30 ; an Kupfer⸗ münzen: 9, 156,703 6 13 8.

Zur Ausführung des Gesetzes, betreffend die Ausgabe von Reichskassenscheinen, vom 30. April 1874, sind bis Ende September d. J. auf den definitiven Antheil an Reichs⸗ kassenscheinen (120,060,000 ½υe) 118,092,680 in Reichskassen⸗ scheinen und 70 S6 baar, auf den Maximalbetrag der Vor— nf (54,889, 941,72 MS) 53,637,303 6 angewiesen worden, o daß auf den definitiven Antheil noch 1,907, 250 46, auf den

Maximalbetrag der Vorschüsse 1,‚252,638,29 „S rückständig waren.

D

Das am 1. d. M. in Kraft getretene Gesetz vom 26. Juli d. J., betreffend die Zuständigkeit der Verwal— tungsbehörden und Verwaltungsgerichtsbehörden im Geltungsbereich der Provinzialorduung vom 29. Juni 1875 enthält besondere Vorschriften für die einem Land⸗ kreise angehörigen Städte mit mehr als 10,900 Einwoh— nern. Insbesondere treten die Magisträte dieser Städte für die in den 88. 123 und 128 des gedachten Gesetzes be— zeichneten Angelegenheiten an Stelle der Kreisausschüsse in Funktion. Mit Bezug auf diese Bestimmungen werden jetzt in den Amtsblättern die Verzeichnisse der betreffenden Städte veröffentlicht.

In einem Untersuchungsverfahren wegen Einzie hung falschen Geldes hat das Ober-Tribunal in . Sitzung vom 6. September d. J. die Frage entschieden, welches Gericht zur Verhandlung und Erkennung auf Ein⸗ ziehung falschen Geldes oder anderer Gegenstände, welche durch ein vorsätzliches Vergehen oder Verbrechen hervorgebracht, oder welche zur Begehung eines vorsätzlichen Verbrechens oder Ver— gehens gebraucht oder bestimmt sind (88. 40 ff. u. 152 Str. G. B.), befugt ist, wenn die Verfolgung oder die Verurthei— lung einer bestimmten Person nicht ausführbar ist. Nach dem Beschluß des Ober-Tribunals ist der An— trag auf Einziehung bei dem Gerichte zu stellen, welches für den Fall der Verfolgung einer bestimmten Person in contumäciam zuständig sein werde; „die all⸗ gemeinen regelmäßigen Kompetenzvorschriften, welche auf der Beschaffenheit und objektiven Strafbarkeit der That be— ruhen, finden auch bei dem ausschließlichen Einziehungsver— fahren Anwendung, für das Verfahren aber fallen die beson⸗ deren Formvorschriften hinweg, welche, wie die öffentliche Vor— ladung des Angeklagten und die Mitwirkung von Geschwo— renen, einen bestimmten der That Angeschuldigten, und die endgültige Feststellung einer Schuld wesentlich zur Voraus⸗ setzung haben, während hinsichtlich der Entscheidung der sich im Uebrigen aufwerfenden thatsächlichen Fragen die allgemeinen Grundsätze Platz greifen.“

S. M. S. „Friedrich Carl“ ist am 5. d. Mts. von Smyrna nach Salonichi in See gegangen.

Düsseldorf, 2. Oktober. (Rh. u. Rhur⸗3.) Die vor⸗ gestern hier abgehaltene Konferenz städtischer Ver⸗ treter, auf- welcher die Städte Aachen, Barmen, Eöln, Duis—

burg, Düsseldorf, Elberfeld, Essen und Lennep vertreten waren, faßte folgende Beschlüsse: 1) den betheiligten Städten zu empfehlen, die Verpflichtung zur Zahlung der ausgeschriebenen Provinzial Umlage nunmehr anzuerkennen; 2) den Aufbrin⸗ gungsmodus selbst den einzelnen Städten zu überlassen; 3) mit einer genauen Untersuchung aller die Provinzial⸗Umlage berührenden Gesichtspunkte und insonderheit folgender Fragen: a. empfiehlt sich für die Zukunft nicht ein anderer Vertheilungs⸗ modus der Provinzial⸗Umlage auf die einzelnen Kreise etwa auch unter Berücksichtigung der Seelenzahl derselben? P. ist nicht die Wiedereinführung der bisher üblichen Individual⸗ Umlage der Provinzialsteuer in Form von Zuschlägen zur Staatssteuer und deren direkte Einziehung durch die König⸗ lichen Steuerempfänger zweckmäßiger, als die neu eingesührte Kommunalsteuer? c. können die Kreise nicht wenigstens einen allgemeinen Nachweis des Bedürfnisses der Provinzial Umlage fordern? d. müssen nicht wegen Bemessung der Steuerkräfte der Gemeinden vor dem Ausschreiben der Provinzial-Umlage die Bezirksregierungen gehört oder wenigstens von der Höhe der Ausschreibung ena igt werden? e. bis zu welchem Jahrestermine muß die Provinzialumlage ausgeschrieben sein, um in den Etats der einzelnen Städte berücksichtigt werden zu können? u. s. w., eine besondere Kommission zu betrauen.

Bayern. München, 5. Oktober. (Allg. Ztg.). Der neuernannte Präsident des Königlichen Appellations⸗ gerichts hierselbst, Neichsrath v. Haubenschmied, ist in einer heute Vormittags abgehaltenen Plenarsitzung des Ge— richtshofes in feierlicher Weise in sein Amt eingeführt worden. Wie die preußische, so hat auch die Königlich bayerische Staatsregierung die Frage der Betheiligung an der 1878 in Paris stattfindenden internationalen Ausstellung den Handels- und Gewerbekammern des Landes zur alsbaldigen Begutachtung vorgelegt.

Sachsen. Dresden, 5. Oktober. Der Prinz und die Prinzessin Georg sind heute Vormittag von München hier eingetroffen und haben sich nach Hosterwitz begeben.

6. Oktober. (Dr. J.) Die evangelisch-luthe⸗ rische Landessynode berieth heute über den ihr von dem evangelischen Kirchenregimente vorgelegten Plan, nach welchem die Ephoralbezirke im Wesentlichen in Uebereinstimmung mit den amtshauptmannschastlich en Bezirken abgegrenzt und in

dessen Folge die Zahl der Superintendenturen von 36 auf 25

reduzirt werden soll. Die Synode erklärte auf Antrag des Superintendenten Dr. Otto, sie verkenne zwar nicht, daß durch die neue Behördenorganisation eine Modifikation der Ephoral⸗ bezirke nahe gelegt worden sei, könne sich aber bei der vorge— schlagenen auffälligen, zwischen 54 und 15 r . schwan⸗ kenden Ungleichheit des Umfanges der Bezirke und der unver— meidlichen Schwierigkeit für die Ephoren der größten Diözesen, ihrem Doppelamte vollständig gerecht zu werden, von der durch⸗ gängigen Zweckmäßigkeit des vorgelegten Planes nicht über⸗ zeugen, bitte daher, wenigstens die schon in der Vorlage als ungewöhnlich umfangreich bezeichneten Ephorien Borna, Grimma, Glauchau und Zwickau entsprechend zu reduziren und den demgemäß zu redigirenden Plan unter Zuziehung des Syno— dalausschusses fortzustellen.

Leipzig, an Qktober. In der gem em nf Sitzung des Rathes unb Stadtverordneten, zu welcher 50 Stadt⸗ verordnete und 23 Rathsmitglieder erschienen waren, wurde heute der Vize Bürgermeister Or. Georgi mit 71 Stimmen zum ersten Bürgermeister von Leipzig erwählt.

Hessen. Darm stadt, 4. Oktober. Die hiesige Handels⸗ kammer erklärte sich, wie das „Frankf. Journ.“ mittheilt, ö mit 9 gegen 3 Stimmen für das Prinzip der Reichs⸗ ahnen.

5. Oktober. Der Finanzausschuß der Ersten Kammer ist auf Montag, den 9. d. M., einberufen. Ge— genstand seiner Berathung wird der Entwurf des Finanz— gesetzes für die Jahre 1877 und 1878 sein. Dienstag, den 10. d. M., wird alsdann voraussichtlich die verfassungsmäßig vorgeschriebene gemeinschaftliche Sitzung der Finanzausschüsse beider Kammern in dieser Materie stattfinden. Ein Zusam— mentritt der Zweiten Kammer ist vorerst auf Montag, den 16. d. M, in Aussicht genommen. Außer finanziellen Fragen wird einen Hauptgegenstand der Berathung der An— trag des Abgeordneten Freiherrn Nordeck zur Rabenau auf Durchführung des Titels VII. der Reichsverfas— sung, das Eisenbahnwesen betreffend, bilden. Der hierüber Namens des vierten Ausschusses von dem Abgeord— neten Hirschhorn erstattete, sehr umfangreiche Bericht, hat bereits zu seinem größeren Theile die Presse verlassen und wird bis Mitte nächster Woche in den Händen der Abgeord— neten sein. Nach einer in verschiedenen Blättern gleich— lautend veröffentlichten Notiz soll das Ministerium der Justiz in einer Korrespondenz mit dem Handelsverein die Erklärung abgegeben haben, daß bezüglich der Frage der Errichtung von Handelsgerichten von ihm noch keine Stellung genommen worden sei. In Wahrheit ist einem Mitgliede des Handels— vereins auf eine an verschiedene Mitglieder der Ministerien gleichlautend gerichtete Anfrage, im Wesentlichen dahin gehend: ob das Justiz-Ministerium bereits eine die Handelsgerichte betreffende Vorlage an die Ständekammern ausgearbeitet habe? wie die „Darmst. Z.“ vernimmt, die Antwort ertheilt worden, daß für die Ausarbeitung einer solchen Vorlage vor defini— nitiver Erledigung der 3. Reichstage zur Berathung und

Beschlußfassung gegenwärtig vorliegenden Justizgesetze gar keine

Veranlassung gegeben sei.

Baden. Karlsruhe, 6. Oktober. (W. T. B.) Die Generalsynode hat Bluntschli zum Präsidenten, Doll zum Vize⸗Präsidenten gewählt. Seitens der Regierung gingen Vorlagen ein, betreffend die Diäten der Synodalmitglieder, das Einkommen der Pfarrer, die allgemeinen kirchlichen Aus⸗ gaben und die militär⸗-kirchlichen Verhältnisse, so wie ein Be—⸗ richt des ,,,, über das Kirchenvermögen und die Entwickelung der Landeskirche.

Bremen, 5. Oktober. (H. N.), Die Bürgerschaft beschäftigte sich gestern zuerst mit einem vom Senat vor— gelegten Gesetzentwurf wegen Pfandbarkeit unentbehrlicher Gegenstände, der einige Bestimmungen des Civilprozeßordnungs—⸗ Entwurfs für das Reich in sich aufgenommen hat. Die Vor⸗ lage wurde mit geringen Abänderungen gutgeheißen und soll am 1. Mai 1877 in Kraft treten. Ferner lag ein Bericht der Schuldeputation vor in Betreff der Uebernahme städti⸗ scher Kirchspiel schulen durch den Staat. Liebfrauen, St. Stephani und St. Pauli wünschen ihre Schulen zu be— halten; von den anderen Gemeinden sind zwei zu Opfern erbötig, um die Schullast los zu werden, die andern fordern

ihrerseits Entschädigingen. In Ganzen würde der Staat, wie die Anerbietungen der Kirchengemeinden stehen, etwa 115, 900 MS heraus zu bezahlen haben. Die Bürgerschaft be⸗ schloß, die Sache vorläufig durch eine einseitige Kommission von sieben Mitgliedern prüfen zu lassen. Diese soll zugleich in Erwägung ziehen, ob es sich empfehle, das Freischulwesen ren und dafür in den übrigen Schulen Freistellen zu affen.

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 5. Oktober. Man meldet aus Baden⸗Baden 4 Oktober; „Se. Majestät der Deutsche Kaiser und Ihre Majestät die Kaiserin Augusta haben bei der heute stattgefundenen Kaiserlichen Tafel aus Anlaß des Namensfestes Sr. Majestät des Kaisers Franz Joseph das Wohl Sr. Majestät ausgebracht.“

Der Gesetzentwurf über die Achtzig⸗Millionen⸗ Schuld wird, ungarischen Quellen zufolge, nicht nur die Modalität einer Lösung dieser Frage durch Deputationen und durch ein Schiedsgericht, sondern auch das Verhältniß und die Art und Weise des Beitrages vorsehen, welchen Ungarn zur Tilgung dieser Schuld zu leisten haben wird, wenn es einen Theil derselben übernähme oder durch Urtheil damit be— lastet würde.

Pest, 6. Oktober. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauses beantwortete der Minister⸗ irn. Tisza die bezüglich der Orientfrage ge— tellte Interpellation dahin, daß die ungarische Regierung mit der Basis, den Prinzipien und den Tendenzen der Politik des Grafen Andrassy einverstanden sei. Bezüglich der Frie⸗ densbedingungen seien die Verhandlungen noch im Zuge, er könne daher darüber nichts mittheilen, indeß könne er doch sagen, daß alle Garantiemächte ohne Ausnahme bezüglich der Friedensbedingungen einmüthig handelten, was die Gewähr oder mindestens die gegründete Aussicht biete, daß dieselben auch bei eventuellen späteren Verwickelungen in dieser Frage das, DOesterreich-⸗Ungarn gegenüber bisher bewahrte, Einvernehmen aufrecht erhalten würden. Ueber die russischen Zuzüge durch Rumänien permöge er keine Auskunft zu geben; die durch Ungarn nach Serbien gezogenen Russen hätten größtentheils den Vereinen des rothen Kreuzes angehört oder eien mit ordentlichen Pässen versehen gewesen. Ungarn gehe nur die Frage an, ob dasselbe nach dem bestehenden Völker— recht den Durchzug zu gestatten verpflichtet sei, sobald die Durchzügler die ungarische Grenze verlassen hätten, habe sich Ungarn um deren Thun und Lassen nicht mehr zu küm⸗ mern. Uebrigens habe Graf Andrassy die russische Regierung darüber verständigt, daß mit dem . Kreuze und mit dem Durchzuge Mißbrauch getrieben worden sei und die ungarische Regierung habe Ursache, zu glauben, daß in neuerer Zeit be— züglich des Mißbrauchs des rothen Kreuzes energische Verfü⸗ gungen getroffen worden seien. Er könne auf das Positivste behaupten, daß die russische Regierung in den letzten Tagen weitere Beurlaubungen verboten habe. Hinsichtlich der einige Tage hindurch an ungarischen Orten detinirt gewesenen und dann wieder auf freien Fuß gesetzten Russen wiederholte der Minister⸗Präsident seine bereits im Ausschusse abgegebenen Er⸗ klärungen. Ebenfalls mit voller Positivität erklärte Tisza, daß an der türkischen Grenze Mobilisirungen von Truppen in großem, beachtenswerthem Maße nicht vorgekommen seien. Hinsichtlich des von der serbischen Armee dem Fürsten von Serbien angebotenen Königstitels hätten sämmtliche Groß⸗ mächte ohne Ausnahme der serbischen Regierung zur Kenntniß gebracht, daß ihr Standpunkt fortan der status quo ante bellum bleiben werde, welcher einen König von Serbien nicht kenne. Nach dieser von den gesammten Großmächten überreichten offiziellen Aeußerung hätten sowohl der Fürst von Serbien, als auch dessen Kabinet erklärt, daß auch sie nur den status quo ante bellum wünschten. Tisza schloß: „Sowohl die Re⸗ gierung als das von derselben diesbezüglich auf das Bereit⸗ willigste unterstützte auswärtige Amt sind bestrebt, dem Vater— lande den Frieden zu erhalten, jedoch derartig, daß unsere , . heute nicht gefährdet werden und nicht der Keim ünftiger Gefahren gelegt werde (lebhafte Zustimmung), den Frieden zu wahren und zu erhalten im Einvernehmen mit den europäischen Mächten in der Weise, daß auch den Völkern der Türkei ein besseres Loos gesichert und dadurch dort das Vertrauen zu einer Stabilität der Ruhe erweckt werde.“ (Leb⸗ hafte Zustimmung.) Das Haus nahm die Antworten Tisza's zur Kenntniß.

(W. T. B.) Der Finanz⸗Minister hat heute dem Abgeordnetenhause das Budget pro 1877 vorgelegt. Die Ausgaben im Ordinarium sind ziemlich die nämlichen, wie im Jahre 1876; die vorgenommenen Reduktionen betra⸗ gen mit Berücksichtigung nothwendiger Mehrausgaben 4 Mil⸗ lionen. Die Bilanz stellt sich, wie folgt: Ausgaben 233 Mil⸗ lionen, Einnahmen 218 Millionen, mithin ist ein Defizit von 15 Millionen vorhanden, welches der Finanz-Minister ohne Anleihe durch Verwerthung von Eisenbahn-Obligationen, durch die Emission von Rente bis zur Höhe der jährlich zu amortisirenden Staatsschuldenguote und durch gemeinsame Aktiven decken will. Das Budget wurde vom Hause beifällig aufgenommen. .

7. Oktober. (W. T. B.) Die ungarische Regie⸗ rung hat die Theil nahme Ungarns an der Pariser Ausstellung im Ighre 1878 beschlossen. Zunächst sollen landwirthschaftliche, sowie Forst⸗ und Bergwerkserzeugnisse ausgestellt werden. Die Kosten für die Vorarbeiten sollen freiwillig durch den Großgrundbesitz aufgebracht werden. Von Seiten des Staates wird ein kleiner Zuschuß hierzu in Aus— sicht gestellt.

Agram, 4. Oktober. Der kroatische Landtag nimmt am 9. d. M. seine Thätigkeit wieder auf.

Schweiz. Bern, 3. Oktober. Der Bundesrgth. hat unterm 15. v. M. beschlossen, die durch Art. 2 der Militär⸗

organisation ausgesprochene Befreiung von der Wehr⸗

pflicht beziehe sich auf Personen ohne Unterschied, welche in einem gegebenen Zeitpunkte Beamte oder Angestellte der Post⸗ und Telegraphenverwaltung sind. Es sind demnach auch die⸗ jenigen Beamten und Angestellten der schweizerischen Post⸗ und Telegraphenverwaltung von der Wehrpflicht enthoben, welche die ihnen anvertraute Stelle nicht, selbst verwalten, sondern die betreffenden Geschäfte durch Familienangehörige oder Stellvertreter besorgen lassen. Das n Militär⸗ Departement giebt den Kantonen hiervon zu entsprechender Nachachtung Kenntniß.

Den internationalen Kongreß für Heilig⸗ haltung des Sonntags schloß am Sonntag Abend eine allgemeine sehr zahlreich besuchte Versammlung im Refor⸗

mationsgebäude zu Genf. Gestern ist Gambetta von Clarence, wo er auf der Villa seines Freundes Dubochet sich längere Zeit aufgehalten, nach Paris zurückgekehrt. Der Bischof Herzog wird, der „N. Zürch. Ztg.“ zufolge, dem⸗ nächst seine erste Firmelungsreise antreten.

Niederlande. Haag, 1. Oktober. Nach einem dem Kolonial⸗Ministerium zugekommenen Telegramme des General⸗ Gouverneurs von Niederländisch⸗Indien hat der General⸗ Major Wiggers van Kerchem am 18. September Folgendes aus Atchin gemeldet: Vom 13. bis zum 17. September waren die Truppen bei Passar Kurung⸗Tjut mit dem Baue von Brücken, mit Anlegung von Befestigungswerken und mit Herstellung der Kommunikation mit Lampeit beschäftigt. Eine Patrouille von 20 Mann unter dem Befehle des Kapitäns Nuysink war mit dem Feinde handgemein geworden, welcher in die Flucht ge⸗ trieben wurde und vierzehn Todte zurückließ. Kapitän Nuysink wurde, schwer verwundet, von dem Plänkler Kenkenbrink, obwohl dieser selbst verwundet war, aus dem Gefechte ge⸗ tragen; außer denselben wurden noch vier Mann der Patrouille verwundet. In Kotta Radja kamen viele Erkrankungen an Fieber vor; seit dem vorigen Berichte hatte an Cholera nur eine Erkrankung statt. Bei den agirenden Truppen war der Gesundheitszustand befriedigend, die Stimmung vorzüglich. Fortwährend war stürmisches Wetter und hestiger Regen.

Großbritannien und Irland. London, 5. Oktober. Die Königin wird mit der Prinzessin Beatrice und dem Prinzen Leopold Mitte November nach Windsor zurückkehren.

Der konservative Verein zu Ipswich hat eine Resolution gefaßt, in der dem Ministerium volles Ver— trauen ausgesprochen wird.

Der Herzog von Edinburg kam am Sonntag auf seinem Wege nach der Besika⸗Bay an Konstantinopel vorbei und ward an Bord des „Helicon“ vom britischen Botschafter be⸗ grüßt. Von englischen Schiffen befinden sich jetzt in der Besika-Bay folgende: „Helicon“, „Triumph“, „Swift— sure“, „Monarch“, „Sultan“, „Hotspur“, „Rupert“, „Re— search“, „Wye“, „Wizard“.

(EG. C.) Die beiden von Konstantinopel gekommenen bulgarischen Akßesandten Zancoff und Balacanow hatten bei Lord Derby eine Audienz und fanden eine sehr höfliche Aufnahme. Sie hatten vorher dem Minister eine Denkschrift, begleitet von einer Adresse an die Königin, eingereicht. In Erwiderung auf den Ausdruck ihrer Dank⸗ barkeit für das von England an einem Ausgleich der orienta⸗ lischen Frage genommene Interesse erklärte Lord Derby, daß die englische Regierung keine Anstrengungen scheuen werde, die Wiederholung der Schrecknisse unmöglich zu machen. Lord Derby versprach, die Adresse der Königin übermitteln zu wollen. Später überreichten die bulgarischen Abgesandten ihre Denkschrift auf der deutschen, französischen, österreichischen, russischen und italienischen Botschaft. Mit den Botschastern Rußlands und Italiens hatten sie eine persönliche Zusam—

menkunft.

In der „Times“ vom 28. September hatte ein Hr. Malcolm Mac Coll einen Brief veröffentlicht, der aussagt, daß er an der ersten türkischen Grenzstation zwischen Oester⸗ reich und Bosnien spitze, 20 Fuß hohe Pfähle gesehen habe, an welchen bosnische Aufständische gepfählt seien. In Bezug hierauf erläßt der türkische Botschafter Musurus in London in der gestrigen „Times“ eine Entgegnung, in der es heißt: „Obwohl die Abgeschmacktheit solcher Erzählung von selbst klar ist und sie ohne Zweifel der mißbrauchten Leichtgläubigkeit und einer optischen Täuschung des Schreibers anzurechnen ist, so eilte ich doch, dieselbe zur Kenntniß der zustehenden Behörde zu bringen, und bin nun ermächtigt, die ganze Geschichte in förmlichster und kategorischer Weise für falsch zu erklären. Ich bitte Sie demgemäß, mir gütig zu erlauben, durch Veröffentlichung des gegenwärtigen Briefes dies zu thun. Ihr ergebener Musurus.“

Mr. Baring, der zweite Sekretär der britischen Botschaft in Konstantinopel, ist im Auftrage des Botschafters Sir Henry Elliot nach Philippopel zurückgekehrt.

(Köln. Ztg.) Die Umbildung der nordwest— lichen Provinzen des englisch-indischen Reiches zu einer künftigen Grenzmark beschäftigt noch anhaltend die Regierungsbehörde hier und in Calcutta. Ueber die Ein— verleibung von Sind in die Punjabprovinz ist ein entgültiger Entschluß noch nicht gefaßt worden. Der Vizekönig, Lord Lytton, hat sich vielmehr die Entscheidung bis nach persön— licher Besichtigung .

6. Oktober. (W. T. B.) Der Rath des Vereins der Konservativen der hiesigen City hat in einer heute abgehaltenen Versammlung mehrere Anträge angenommen, worin dem Vertrauen zur Regierung Ausdruck gegeben und eine frühere Einberufung des Parlamentes für nicht erforderlich erklärt wird.

7. Oktober. (W. T. B.) Die chinesische Regie⸗ rung hat, wie der „Times“ aus Shanghai vom 5. d. gemel— det wird, am 17. v. Mts. die die Yunnan⸗Affaire regelnde Konvention ratifizirt und im Ämtsblatt ihr Bedauern über die Ermordung Margary's ausgesprochen. Die Kon— vention gesteht den Ausländern das Recht zu, das Innere Chinas unter dem Schutze der Regierung zu bereisen. Die Proklamation soll im Auslande bekannt gemacht werden. Ein Abgesandter der chinesischen Regierung wird sich mit ,. Rechtfertigungsschreiben derselben direkt nach England

egeben.

(W. T. B.) Das auswärtige Amt veröffentlicht eine Depesche Derby's an den englischen Botschafter in Konstantinopel, Elliot, betreffend die in Bulgarien vorgekommenen Gräuelthaten. In derselben spricht die Regierung ihr Bedauern darüber aus, daß durch den ein⸗ gegangenen amtlichen Bericht des Botschafters die gedachten Hand⸗ lungen, welche durch keinerlei politische Rücksichten gerechtfertigt seien, vollauf bestätigt werden. Zugleich wird Elliot angewiesen, dem Sultan das Ergebniß der Untersuchungen Barings, sowie die Namen der Urheber der Gräuelthaten mitzutheilen, deren Bestrafung zu verlangen und auf volle Enschädigung, sowie auf Garantien für die künftige Sicherheit der christ⸗ lichen Einwohner Bulgariens zu dringen. Außerdem wird in der Depesche die Ernennung eines energischen Spezial— Gouverneurs Bulgariens befürwortet, welcher, wenn auch nicht selber Christ, doch das Vertrauen der christlichen Bevölke⸗ rung genieße.

Frankreich. Paris, 5. Oktober. Das Herannahen der Wiedereröffnung der Kammersitzungen lenkt die Ausmerksamkeit auf die Gesetzentwürfe, welche die Regierung vorzu⸗ legen beabsichtigt. Der „Köln. Ztg.“ wird darüber geschrieben;

err de Marcẽre wird ein Gesetz über die Munizipalorgani— ation und deren Verhältnisse zu den Maires und Adjunkten einbringen. Bekanntlich wurde in der letzten Session das organische Gesetz über die Munizipalitäten aus parlamen⸗ tarischen Rücksichten in zwei Theile getrennt. Eine Spezial⸗ kommission der Deputirkenkammer wurde beauftragt, die Frage wegen der Munizipalwahlen und der Er⸗ nennung der Maires zu prüfen. Herr Dufaure wird seinen Gesetzentwurf über die Reformen in der Organisation des Richterstandes vorlegen. Hr. Leon Say wird eine Revision der Patentgesetzgebung vorschlagen. Das Projekt der Konversion der fünsprozentigen Rente in vierund⸗ einhalb⸗ oder dreiprozentige ist noch in Vorbereitung und die Vorlage derselben hängt von den äußeren zolitischen Umstän⸗ den ab. General Berthaut gedenkt über das Avancement in der Armee Vorschläge zu machen. Hr. Waddington bringt einen Vorschlag zur Regulirung der bestehenden Attributionen der akademischen Räthe und der Zusammensetzung derselben. Außerdem werden noch verschiedene Projekte in den verschie— denen Ministerien vorbereitet, aber sie sind untergeordneter Art und bieten vorerst kein Interesse.

Der Unterrichts Minister Waddington wird in den nächsten Tagen Paris verlassen und sich nach dem Süden begeben, wo er sich in mehreren Städten von den Bedürf⸗ nissen des Unterrichts überzeugen will. Er wird namentlich Bordeaux, Toulouse und Montpellier besuchen.

Wie die „Corr. Havas“ meldet, ist die Gründung von neuen rein katholischen Journalen im Werke, deren besondere Aufgabe darin bestehen würde, die Frage des Kon— gregations- oder Laienunterrichts zu behandeln.

5. Oktober. (Köln. Ztg.) Hr. Thiers wird acht Tage in Marseille bleiben, wo ihm ein glänzender Empfang von der Bevölkerung bereitet wurde. Von Marseille begiebt sich Hr. Thiers nach Cannes und Nizza, wo er bis zur Eröffnung der Kammersession verweilen wird. Die katholische Uni⸗ versität hat gegen die Spitäler einen Prozeß an— gestrengt, welche sich auf Weisung des Ministers weigern, den Vertrag wegen der Ueberlassung eines Theils des Spitals der h. Eugenie an ihre medizinische Fakultät anzutreten. Der engere Budgetausschuß nahm diesen Mittag seine Arbeiten wieder auf. Der „Moniteur“ erklärt, daß, wenn die Kammern vor dem 30. Oktober zusammentreten, der einzige Grund sei, daß die Kammern zwei Monate gebrauchen dürften, um über das Budget einig zu werden. Die orienta— lische Frage habe mit der früheren Einberufung der Kam— mern nichts zu schaffen.

Spanien. Madrid, 6. Oktober. (W. T. B.). Der frühere Justiz⸗Minister Alonso Martinez hat sich in Be— zug auf die Auslegung des Art. XI. der Verfassung (so— genannter Toleranzartikel) in einem den Protestanten durch— aus günstigen Sinne ausgesprochen.

Griechenland. (W. T. B.) Wie dem „Reuterschen Bureau“ in London aus Athen vom 6. Oktober gemeldet wird, haben in Patras, Zante, Nauplia und im Piraeus Kundgebungen zu Gunsten der in der Türkei lebenden Griechen stattgefunden. Man fordert militärische Vorbereitungen. Die Bewegung gewinnt an Ausdehnung. Der Gerichtshof hat die Anklage wegen Wahlumtriebe fallen lassen.

Türkei. Fanina, 23. September. Ueber die Stimmung in Thessalien berichtet die „Pol. Korr.“ von hier: Eine Stö⸗ rung der öffentlichen Ruhe in diesem Vilajet ist bis jetzt nicht vorgekommen. Nichtsdestoweniger gährt es unter der griechi⸗ schen Bevölkerung Thessaliens ziemlich stark. Diese Gährung ist aber weniger die Folge der zerrütteten politischen Verhält⸗ nisse des Reiches als des schroffen Auftretens der Behörden bei Eintreibung der Kontributionen für die Kriegsbe— dürfnisse der Regierung. Die griechische Bevölkerung wird in dieser Richtung außerordentlich und, fast möchte man sagen, schonungslos in Anspruch genommen. Ein Fall solcher behördlicher Pression hat sich erst in den letzten Tagen im Kaimakamate von Volb wieder ergeben, wo der dortige Kai⸗ makam Mufit Bey sich nach dem Bezirke von Zagora begah und in sechs Dörfern von den Vorstehern derselben durch Drohungen die Zahlung von 32, 900 Piastern für den Ankauf von Maulthieren erzwang. Dieses gewaltthätige Vorgehen der Regierungsorgane leistet der politischen Agitation, wenn auch gar keine Neigung zu einer solchen vorhanden wäre, großen Vorschub.

Der hiesige Vali Hussni Pascha lebt ohnehin in an⸗ dauernder Besorgniß über die Eventualitäten, welche auch hier zum Vorschein kommen könnten.“ Sein Mißtrauen manifestirt sich auch bereits in allerlei Maßregeln. So hat er eben erst jetzt den griechischen Erzbischof von Argyro⸗Castro (Erghery), Matteo Trinopoleos, hierher citirt, um ihn politisch zu inquiriren. Der genannte Erzbischof wird von den türkischen Behörden verdächtigt, geheime Beziehungen mit Persön⸗ lichkeiten zu unterhalten, welche als Mitglieder geheimer griechischer Aktions-Comitéès verschrieen sind. Auch soll er sich wiederholt durch die Protektion unliebsam bemerkbar gemacht haben, welche er Persönlichkeiten angedeihen ließ, die sich gegen die Regierung bei mehreren Anlässen widerspenstig ge— zeigt haben.

Die Thronbesteigung Abdul Hamids, hat die mahomeda⸗ nische und christliche Bevölkerung Thessaliens durchaus gleich⸗ gültig gelassen. Würden nicht einige fremde Konsulate hier wie in den anderen bedeutenderen Städten des Vilajets dem Ereignisse zu Ehren ihre Flaggen gehißt und ihre Residenzen durch mehrere Nächte beleuchtet haben, so würde von dem Ereignisse in Stambul gar Niemand hier Notiz genommen haben.

Wien, 6. Oktober. (W. T. B.) Der Vorschlag einer Konferenz der Mächte ist, wie aus hiesigen Regierungs⸗ kreisen verlautet, bis jetzt von keiner Seite formell gestellt und scheint lediglich französischen und englischen Staatsmännern vorzuschweben. ö ;

(W. T. B.) Der „Politischen Korrespondenz“ wird aus London gemeldet, daß die Pforte zu einer weiteren Verlängerung der Waffenruhe nur unter der, Bedin⸗ gung bereit sei, daß der auswärtige Zuzug nach Serbien guf⸗ höre, in der Erlangung einer diesbezüglichen bindenden Zusage Seitens Rußlands erblicke das britische Kabinet momentan die brennendste Schwierigkeit. Falls eine günstige Lö⸗ sung der Waffenstillstandsfrage erzielt werden sollte, so würde man sich mit dem Konferenzprojekte, für welches sich bei einigen Mächten eine günstige Stimmung zeigt, angele⸗ gerulicher befassen. Die Mission des Generals Sumaro⸗ koff nach Wien ist, wie die „Politische Korrespondenz! er⸗

fährt, den russischen Botschaftern durch eine Cirkulard epesche

der russischen Regierung mitgetheilt worden, ohne daß auf das Wesen des Obfektes der Mission näher eingegangen wird. Der genannten Korrespondenz geht aus St. Petersburg eben⸗ falls die telegraphische Mittheilung zu, daß General Ignatieff nach Livadiag zurückberusen sei, eben dahin sei auch der Groß⸗ fürst⸗Thronfolger plötzlich abgereist. Die Meldungen über eine Konferenz der Mächte seien verfrüht, zwischen den Groß⸗ mächten sei über die weiteren Schritte der Pforte gegenüber bereits ein Einvernehmen erzielt.

Wien, 7. Oktober. (W. T. B.) Das Projekt einer Flotten demonstration gilt als in Paris und London nicht konvenabel und wird in hiesigen politischen Kreisen für jetzt als beseitigt angesehen. Zunächst ist ein definitiver gemeinsamer Schritt der Mächte wahrscheinlich, um durch einen Druck auf die Türkei und Serbien einen Waffenstillstand von längerer Dauner herbeizuführen. Das „Fremdenblatt“ bestätigt die vor⸗ stehende Meldung und bemerkt weiter, es finde ein neuer⸗ licher Meinungsaustausch der Mächte statt und es sei aller Grund anzunehmen, daß kein einziger Staat Politik auf eigene Faust machen werde, selbst nicht Rußland. Das „Tageblatt“ meldet aus Cettinje, auf dem montenegrinisch⸗ türkischen Kriegsschauplatze herrsche Waffenruhe auf unbe— stimmte Dauer. Die Verproviantirung Moukhtar Paschas er⸗ folge unter Kontrolle der montenegrinischen Truppen.

London, 7. Oktober. (W. T. B.) Nach einer dem Reuterschen Bureau zugegangenen Meldung aus Bel⸗ grad vom 6. d. ist daselbst der Zwiespalt zwischen der liberalen Partei der Serben und der Militärpartei auf dem Punkte angelangt, daß man einen Ausbruch fürchtet. Die Partei, welche für die Proklamirung Milans zum Könige von Serbien ist, gewinnt in einzelnen Theilen des Landes mehr und mehr an Ausdehnung. Man glaubt, der erste Sieg der Serben über die Türken könnte eine allgemeine Manisestation der Bevölkerung zu Gunsten des Königsthums herbeiführen.

Vom türkisch-serbischen Kriegsschauplatz wird gemeldet:

Belgrad, 2. Oktober. Der Kampf vom 30. v. M., schreibt die Pol. Corr.“, hat nach den von der Armee ein⸗ langenden Detailberichten eine größere Bedeutung gehabt, als anfänglich geglaubt wurde. Es stellt sich aus dem Berichte des Chefs des Generalstabes der Morawa-Timok-Armee, Generals Komaroff, heraus, daß Abdul Kerim Pascha zwei Ziele ins Auge gefaßt hatte. Einmal wollte er dem Sbersten Horvatovies den Rückzug abschneiden, weiter trachtete er zwischen Alexinatz und Deligrad durchzu⸗ dringen und die Armee Tschernajeffs zu theilen, um sie entweder getheilt zu schlagen, oder doch in eine äußerst mißliche Position zu bringen. Tschernajeff warf dem Ejub Pascha das Gros seiner Kräfte entgegen und vereitelte die Absicht des Gegners. In Folge dessen blieben die Türken in ihren Positionen auf dem linken Morawa⸗Ufer stehen, wo sie sich sehr stark verschanzt haben. In militärischen Kreisen faßt man die Aufgabe, die sich Tschernajeff gestellt hat: die Türken aus diesen Stellungen zu vertreiben, als eine äußerst schwierige, wenn nicht unausführbare auf. Dagegen ist die serbische Stellung bei Djunis ebenfalls eine feste.

Während an der Morawa fast täglich Scharmützel vor⸗ fallen, herrscht am Timok Ruhe. Oberst Leschjanin hat dort das Kommando wieder übernommen. Seine Vorposten stehen dicht vor Saitschar. Sein Adlatus, Oberst-Lieutenant Horstig, hat die wallachischen Bataillone unter die serbischen vertheilt und die strengste Disziplin eingeführt. Auch ist die Timok— Division jetzt viel kampftüchtiger als vor acht Wochen. Trotz⸗ dem kommt es dort nicht zur Aktion. Da Tschernajeff keine besonderen Zwecke am Timok zu verfolgen scheint, konnte er auch eine Brigade und eine Batterie von der dortigen kom⸗ binirten Division an sich ziehen. Die geringe Stärke, in welcher sich im Timokthale beide Theile befinden, scheint dafür zu bürgen, daß dort keinerlei größere Operationen stattfinden dürften.

Die Schlacht vom 30. September hat große Opfer ge⸗ kostet. Die serbische Armee hatte über 700 Todte und 900 Verwundete.

Wiewohl der Krieg bereits an die dreizehn Wochen dauert und dem Lande sehr empfindliche Opfer auferlegt hat, so ist die Stimmung bei der Armee relativ eine sehr günstige. Die Milizen haben sich ziemlich aguerrirt und wirkt das Kanonen— fieber bei weitem nicht mehr so verheerend wie im Anfange. Stellungen der beiderseitigen Armeen auf dem serbischen Kriegsschauplatze schildert die Wiener „Presse“ vom 6.: .

Bis zum 4. d. M. haben sich die Stellungen der beiden Armeen nicht verändert, und so steht die türkische Armee noch immer am linken Morawa⸗Ufer von Teschiza bis Sresovaz mit hakenförmig, zurückgebogenem linken Flügel. Die türkischen Positionen sind von den serbischen umschlossen. Den linken türkischen Flügel be⸗ droht das Corps Horvatovies bei Djunisch in Flanke und Rücken. Von dort zieht sich die serbische Stellung über Witkowatz, Deligrad und Alexinatz bis Katun, also auf einem Umfange von etwa fünf Meilen. Scheint auch die Situation der türkischen Armee etwas bedroht, so hat sie doch den Ser⸗ ben gegenüber den Vortheil einer innigeren Konzentrirung. Die ümfassende Stellung der Serben ist nur dann zu recht⸗ fertigen, wenn deren Streitkräfte den Türken an Zahl bedeu⸗ tend überlegen sind, und wenn der Gefahr, zwischen Djunisch. und Witkowatz aufgerollt zu werden, durch taktische und forti⸗ fikatorische Maßregeln begegnet worden ist.

Nisch, 27. September. Der „Pol Corr. wird von der türkischen Armee geschrieben: Heute ist die zweite Division des zweiten Armee⸗Corps nach dem Morawathale abmarschirt- Die Soldaten des Garde- und zweiten Armee Corps vtachen sich nicht nur durch ihre Equipirung und stramme Haltung, sondern auch durch ihre physischen Vorzüge vortheilhaft be⸗ merkbar. Auch die Offiziere dieser Truppenkörper gehören zur Elite der ganzen Armee, und haben viele von ihnen mi⸗— litärische Studien in Wien, Berlin und Brüffel gemacht. Nach dem Abmarsche der erwähnten Division sind nur wenigs Truppen hier zurücgeblieben; es heißt aber, daß der Rest des sechsten Armee⸗Corps von Bagdad übermorgen hier eintreffen soll. Die Quartiere für diese Truppen sind nur für drei Tage bestellt worden, so daß auch diese Reserve unverweilt nach dem Kriegsschauplatze abrücken dürfte. Nach einer approximamnven Aufstellung dürste die Armee Abdul Kerim Paschas aus 120 Bataillonen, 26 Batterien und 8000 Mann Reitere; bestehen. Irreguläre sind dabei nicht mitgerechnet, da sich ihre Zahl theils durch Er⸗

Die

krankung in Folge der unge wohnten Strapazen, theils durch