Die verschiedenen Folgerungen, welche von einem Theile der periodischen Presse aus dem Umstande, daß der preußische Ju stiz⸗Minister in der letzten Woche an den Reichstags⸗ verhandlungen nicht Theil genommen hat, gezogen werden, sind fämmtlich unbegründet. Die Lage der Geschäfte des Ministeriums, welches seiner Leitung anvertraut ist, im 1 Grade erschwert durch die Erkrankung zweier vortragenden
äthe und insbesondere durch die lebensgefaährliche Erkrankun
des Ministerial⸗Direktors, nöthigte den Minister, dem regel⸗ mäßigen Dienste eine lebhaftere Theilnahme zu widmen, nöthigte ihn sogar, eine Reihe von Denkschriften, welche wich⸗ tige . der Gerichtsverfassung bezielen, persönlich auszu—⸗ arbeilen.“ Der Minister durfte mit gutem Grunde annehmen, daß eine angestrengte Thätigkeit in letzterer Richtung dem Interesse, welches die großen Justizgesetze beanspruchen, weit sörderlicher sein werde, als fortgesetzte Angriffe gegen die Anträge der Reichs-Justizkommission, über deren gänzliche Erfolglosigkeit in zweiter Lesung Niemand zweifelhaft sein kann. (Wie uns nachträglich mitgetheilt wird, ist der Direktor im Justiz-Ministerium. Wirkliche Geheime Ober⸗ Justiz⸗Rath Wentzel, heute Mittag 123 Uhr gestorben. D. Red.)
— Das Kaiserliche Zoll⸗ und Steuer⸗Rechnungsbureau hat die provisorische Abrechnung zwischen dem Deutschen Reiche, QGesterreich (wegen der dem deutschen Jollgebiete angeschlossenen Gemeinde Jungholz) und Luxem⸗ burg über die gemeinschaftlichen Einnahmen an Zöllen, Rübenzuckersteuer, Salzsteuer und Tabaks⸗ steuer für das 1. bis 3. Quartal 1876 aufgestellt. Da⸗ nach belief sich der Brutto⸗Ertrag der vorgedachten Abgaben⸗ zweige auf rund 128,617,532 M6 (1875: 122,647, 26 M); hiervon gehen ab an Erhebungs- und Verwaltungskosten 2c. g, lo, 700 e (1875: 9, 464,547 ι, so daß sich der zur Thei⸗ lung zu stellende Reinertrag auf 118,706,832 6 (1875: 113,182,579 S6) beläuft, von welchen 117,719,634 6½ im deutschen Zollgebiete und 987,198 S in Lutgemburg verein⸗ nahmt worden sind. Der Antheil nach dem Verhältniß der Bevölkerung berechnet sich für das deutsche, Zollgebiet (40,491,928 Köpfe) auf 118,129,937 6, für die österreichische Geineinde Jungholz (217 Köpfe) auf 633 6 und für Luxem⸗ burg (197,528 Köpfe) auf 576,52 66, so daß letzteres von seinen Einnahmen an das deutsche Zollgebiet bez. Desterreich 410,936 M herauszuzahlen hat. — Bezüglich der einzelnen Abgabenzweige ist zu bemerken, daß die Zölle eine Brutto⸗ Einnahme von S8, 404,100 S (1875: 89, 563, 267 M) geliefert haben; hiervon ab an Erhebungs- und Verwaltungskosten S, 567, 8637 S (1875: 8,724,020 ιτ,, bleiben zur Theilung 79, 836,268 M (1875: 86,839, 247 υι), von welchen 78, 867,436 MS im deutschen Zollgebiete und gös, 832 6 in Luxemburg erhoben worden sind. — Der Brutto⸗Ertrag der Rü ben⸗ zuckersteuer war 17,185,178 6 (1875: 19030, 067 6), von welcher an Beaussichtigungskosten der Rübenzuckerfabriken 1,037,436 S (1875: 455,443 M6) abgehen, so daß sich die Netto Cinnahme auf 16,47, 742 6 (i835: g, 7d 624 6 stellt. Hiervon sind 16,137,332 66 im deutschen Zollgebiete und 10,410 M in Luxemburg zur Erhebung gekommen. — Die Solleinnahme an Salzsteuer hat 2,468,958 S6 (1875: 22,689,698 S6) betragen; hiervon ab die Verwaltungsausgaben mit 196,441 S6 (1875: i97, 94 M), bleiben zur Theilung 22,272,517 6. (1875: 22,492,603 ½) und sind hiervon 22,261,945 M im deutschen Zollgebiete und 10,572 6 in Luxemburg . worden. — Die Steuer vom in⸗ ländischen Tabaksbau endlich ergab 559,296 6 gegen 364,094 M im Vorjahre. — Werden hiervon die Erhebungs— 2c. Kosten mit 108,991 1M (1875: 87, 989 M) in Abzug ge— bracht, so verbleibt ein Netto⸗Ertrag von 450,305 Mb . 276,105 6). Im deutschen Zollgebiete betrug die erhobene Tabakssteuer 452,921 S6, wovon jedoch für Luxemburg 2616 A6 gezahlte Ausfuhrvergütungen in Abzug gebracht sind.
— Das „Centralblatt f. d. D. R.“ veröffentlicht ein Er⸗ kenntniß des Reichs⸗Ober-Handelsgerichts in der Pro⸗ zeßsache der Kaiserlichen Ober⸗Postdirektion in Schwerin, als Vertreterin des Reichsfiskus, Beklagten, jetzt Appellantin, wider die Wittwe und Kinder des verstorbenen Postdirektors Reichardt, Kläger, jetzt Appellaten, wegen Zahlung des Ster be— quartals und der Gnaden guartale; vom 7. Oktober 1876. (Zur Auslegung des Artikels 18 der Verfassung des Deutschen Reichs und des 5§. 7 des Reichs⸗Beamtengesetzes.) Die Wittwe und Kinder des im Mai 1874 verstorbenen Post⸗ Direktors Reichardt zu Hagenow, welcher bis 1868 Großher⸗ zoglich mecklenburgischer Postbeamter, dann in den Dienst des Norddeutschen Bundes und später in den des Deutschen Rei⸗ ches getreten war, forderten auf Grund des mecklenburgischen Gesetzes vom 28. März 1770, des Artikels 18 der Verfassung des Deutschen Reichs und des 8.7 des i, n,, außer dem Sterbequartale zwei Gnaden quartale. Die Kaiser⸗ liche Ober⸗-Postdirektion zu Schwerin hat die Anwendbarkeit des Gesetzes vom 28. März 1770 verneint, ihre Entschließung ist durch Erlaß des Reichskanzlers vom 7. Oktober 1874 ge⸗ billigt worden und haben deshalh die Wittwe und Erben den Rechtsweg betreten. Die Großherzogliche Justizkanzlei zu Schwerin hat ihren Anspruch für begründet befunden und das Reichs⸗Ober⸗Handelsgericht auf eingelegte Appellation das Urtheil bestäti t. Das genannte Blatt druckt die Gründe dieser Entscheidung ausführlich ab.
— In den deutschen Münzstätten sind bis zum 25. No⸗ vember 1876 geprägt worden: an Goldmünzen 1,095,471, 900 Doppelkronen, 335,081,000 MS Kronen; hiervon auf Privat⸗ rechnung: 171,345,164 MS; an Silbermünzen: 70,854,090 (6 5⸗Markstücke, 66, 971,802 66 2⸗Markstücke, 143,512,165 16 1⸗Mark⸗ stücke, 45,262, 488 S 00 3 50 Pfennigstücke, 34,831, 835 Me 60 20Pfennigstücke; an Nickelmünzen: 23,502,530 M06 70 3 10 Pfennigstücke, 11,646, 48 0 75 3 5 Pfennigstücke; an Kupfermünzen: 5, 942,529 S6 54 3 24fennigstücke, 3, 376, 357 MS 13 3 14fennigstücke. Gesammtausprägung an Gold⸗ münzen: 13430, 552,900 V6; an Silbermünzen: 361,432,380 M 60 8; an Nickelmünzen: 35,149,279 AMS 45 8; an Kupfer⸗
münzen: 9,318,886 M 67 4.
— Bekanntlich sind die Ober-Präsidenten der Pro vinzen . Chef⸗Präsidenten der am Ort ihres Aufent⸗ halts befindlichen Regierungen, an welchen außerdem aber noch ein Regierungs⸗-Vize⸗Präsident fungirt. In Betreff der Wahrnehmung der durch die Provinzialordnung und das Tompetenzgesetz den Regierungs- Präsidenten zugewiesenen
unktionen ist indeß für die am Sitz eines Ober⸗Präsidenten
efindlichen Regierungen durch Ministerial⸗-Erlaß bestimmt
enten der Regierungsabtheilung des Innern geführt werden
. — * für die Verordnung war die Erwägung, aß durch die Provinzialordnung der Regierungs⸗Präsident einerseits und der Ober⸗Präsident andererseits als verschiedene Instanzen bezeichnet werden, deren gleichzeitige . mung . ist. sect ist aus gleichem Grunde urch Ver⸗ fügung der Minister des Innern und der Finanzen bestimmt worden, daß auch in Fällen, in welchen den Negierungs⸗ Präsidien durch die neuere Gesetzgebung und die Verordnung wegen Ausübung der Staats aufsicht über das Vermögen der katholischen Kirchengemeinden und gegenüber der evangelischen Landeskirche in den d , n ge⸗ setzliche Funktionen überwiesen sind, die Ausübung an die Regierüngs⸗Vize⸗Präsidenten resp. Abtheilungs⸗-Diri—⸗ genten übergehen cl, wenn die Regierung sich am Sitze des Aber ⸗Präsidenten befindet. Außer in diesen durch die neue Gesetzgebung speziell vorgesehenen Fällen tritt in den Prä⸗ sidialgeschäften und im Vorsitz bei den Regierungen keine Ver⸗ änderung ein.
E — Die von den General⸗-Depositorien der Ge⸗ richte auf Hypothek ausgeliehenen Gelder sind be— kanntlich durch das Gesetz vom 19. Juli v. Is. in das Eigen⸗ thum des Staates übergegangen und werden von den Regie⸗ rungen, für Berlin von der Königlichen Ministerial⸗, Militär⸗ und Bau⸗Kommission als Theile des Hinterlegungsfonds verwaltet. Nachdem die Abtretung solcher ö talien, soweit sie nicht für den Hinterlegungsfonds reservirt geistliche und Schul⸗Institute jetzt genehmigt worden, daß die Ver— äußerung von Hypotheken der gedachten Art ferner— hin auch an andere öffentliche Institute und Korpora⸗ tionen stattfinden kann. Da diese Hypotheken zu 5 Prozent ausgeliehen sind und pupillarische Sicherheit gewähren, somit als sichere Kapitalsanlage zu betrachten sind, so wird manchen Vorständen öffentlicher Korporationen und Institute diese ünstige Gelegenheit zur sicheren Anlegung ihrer Vermögens— a i erwünscht sein. . . .
Die bezüglichen Anträge sind an die Königliche Ministe⸗ rial⸗, Militär⸗ und Bau⸗Kommission hierselbst, Niederwallstraße Nr. 39, zu richten.
— Kirchliche und religiöse Angelegenheiten sind nach einem Erkenntniß des Ober⸗-Tribunals vom 1. No— vember d. J. im Sinne des preußischen Staatsrechts grund⸗— sätzlich als öffentliche zu erachten, und kirchliche und religibse Versammlungen von Vereinen, welche keine Korpo⸗ rationsrechte haben. müssen daher stets vor ihrem Beginn bei der Ortspolizeibehörde angemeldet werden. „Die Verordnung vom 29. Juni 1849“, führt das Erkenntniß des Ober⸗ Tribunals aus, „auf welcher diejenige vom 11. März 1850 beruht, gab alle kirchlichen und religiösen Vereine und deren Versammlungen von den Bestimmungen der §§. 1 und 2 (betreffend die vorhergehende Anzeige bei der Ortspolizeibehörde) frei. Erst durch die Verhandlungen der Landtagskammern wurde diese Befreiung auf Vereine beschränkt, welche Korpo⸗ rationsrechte haben. Der Bericht der Kommission der Zweiten Kammer, welcher diese Aenderung zuerst in An⸗ regung brachte, hebt ausdrücklich als e . hervor, „daß religiöse und kirchliche Vereine sich mit öffentlichen An⸗ gelegenheiten befassen, ja sogar eine Einwirkung auf öffent— ö, ,, in Anspruch nehmen, daß gerade in religiöbsen Vereinen viel gefährlicher Stoff vorhanden sein könne, daß die Stifter derselben gewöhnlich besonders befähigt sind, auf Geist und Gemüth einzuwirken, daß oft solche Ver— eine den kirchlichen Zweck nur zum Schein verfolgen, und der Staatsbehörde die Möglichkeit gewährt werden müͤsse, von den Tendenzen derselben Kenntniß zu nehmen und darüber zu wachen, daß in solchen nichts geschehe, was dem Staatszwecke entgegentrete.“ Diese Auffassung wurde von der Zweiten Kammer getheilt und auch von der Ersten Kammer, ungeachtet dagegen erhobenen Widerspruchs zu Gunsten solcher kirchlich— religiösen Vereine, welche nur das eigene innere religiöse Leben betreffen, die Aufrechthaltung der seitherigen unbe⸗ schränkten Befreiung nicht beschlossen. Ueber die Absicht des Gesetzes, daß kirchliche und religiöse Angelegenheiten grund⸗ sätzlich als öffentliche erscheinen, daher, wenn erstere als Zweck des Vereins oder der Versammlung feststehen, es einer Nach⸗ weisung der Eigenschaft als öffentliche Angelegenheit nicht ,,, kann deshalb ein gegründeter Zweifel nicht wohl obwalten.“ .
— Am 29. November fand hierselbst eine von etwa 120 Beamten der verschiedensten Ressorts und Kategorien besuchte Versammlung statt, in welcher die Betheiligung an dem in Hannover begründeten Preußischen Beamtenverein er⸗ wogen und diskutirt wurde. Der Professor der Mathematik am Polytechnikum zu Hannover, Dr. Grelle, war anwesend und hielt einen Vortrag über die besonderen Vortheile, welche der Preußische Beamtenverein seinen Mitgliedern hinsichtlich der Lebensversicherung darbietet. Die Idee des Beamtenver⸗ eins fand allgemeinen Anklang und man wählte ein Co⸗ mité, welches die Aufgabe lösen soll, für die Zwecke des Vereins in Berlin und der Umgegend 4 zu sein, für das Bekanntwerden des Vereins in Beamten⸗ kreisen Sorge zu tragen und Versicherungen bei dem Vereine, sowie die Gewährung von Darlehnen Seitens des letzteren unter Beleihung der Policen zu vermitteln. In dem Comité, welchem die Befugniß, sich durch Kooptation zu ergänzen, bei⸗ 3. wurde, sollen 1 alle Ressorts und größeren Be⸗
werden, bisher nur an
erfolgt ist, ist
örden Berlins durch mindestens ein Mitglied vertreten sein.
ieses Lokalcomits wird sich in diesen Tagen konstituiren und sodann unverzüglich seine 5 beginnen. Einst⸗ weilen erbot sich das e glb des Verwaltungsraths, Regie⸗ rungs⸗Rath Bosse (Lützowplatz 3), jede gewünschte Auskunft über den Verein zu ertheilen und die Statuten desselben auf Erfordern kostenfrei zu übersenden. — Auch in Hamburg, Magdeburg, Cöln und anderen großen Städten sind ähnliche . des Preußischen Beamtenvereins in der Bildung egriffen.
— Die Bundesrathsbevollmächtigten, Großherzoglich hes⸗ sischer Geheimer Finanz⸗Rath Müller und Fürstlich reußischer Regierungs-Rath von Geldern⸗Crispendorf, sind hier angekommen.
— Der General⸗Lieutenant von Manteuffel, bisher General ⸗Major und Commandeur der 34. Infanterie⸗Brigade (Großherzoglich mecklenburgischen), ist aus Anlaß seiner Be⸗ förderung zum General⸗Lieutenant unter Ernennung zum Commandeur der 6. Division von Brandenburg a. zur
worden, daß der Vorsitz im Bezirksrath durch den ,. Vize⸗Präsidenten, und in dessen Perhinderung durch ben Diri⸗
Abstattung persönlicher Meldungen hier eingetroffen.
2 — Der General Lieutenant von Ramm, Inspecteur der 4. Feld⸗Artillerie⸗Inspektion, ist nach beendigtem Urlaub wieder abgereist.
Gumbinnen, 22. November. Die Konstituirung des Bezirksraths (5. 67 ff. der Provinzialordnung vom 29. Juni 1875) hat am heutigen Tage stattgefunden. Derselbe besteht aus den a. Mitgliedern: Regierungs⸗Präsident Graf von Westarp als 1 Regierungs⸗Rath Bayer als ernanntem Mitgliede, Rechtsanwalt Geßner zu Heydekrug, Gutsbesitzer Kaeswurm⸗Puspern, Gutsbesitzer Dirichlet⸗ Kl. Bretschkehmen, Gutsbesitzer Wegmann⸗Reußen als gewählten Mitgliedern; h. Stellvertretern: Regierungs⸗Rath Fritze, Stell⸗ vertreter des ernannten Mitgliedes, Gutsbesitzer Reimer⸗Schille⸗ ningken, Stadtverordneten ⸗Vorsteher Zenthöfer-Gumbinnen, Gutsbefitzer Jantzon-Stagutschen, Gutsbesitzer Eckert-Czer⸗
wonken.
Mecklenburg. Malchin, 28. November. (H. 5 In der heutigen Landtagssitzung wurden Landräthe un Provisoren der verschiedenen Klöster aus dem Adel gewählt und danach auch die KlosterLokal⸗Comités aus der Ritter— und Landschaft designirt. Dann bestimmte die Ritterscha vom eingeborenen und rezipirten Adel den 6. Dezember als Termin, bis zu welchem Gesuche um Agnition und Rezeption in den eingeborenen mecklenburgischen Adel auf dem gegen— wärtigen Landtage angenommen werden sollen.
Lübeck, 30. November. (H. N.) Der Bürgerschaft wird in ihrer nächsten Versammlung das Stagtsbudget für 1877 zur Mitgenehmigung vorgelegt werden. Der Ent⸗ wurf desselben veranschlagt die Gesammteinnahmen zu 2,652, 488 S, und die Gesammtausgaben zu 2,600,354 (6, so daß für „unvorhergesehene Ausgaben“ noch 52, 093 S6 zur Verfügung bleiben.
Bremen, 1. Dezember. (Wes. Ztg.) Von der Werft der Aktiengesellschaft ‚„Weser“ läuft morgen das dritte dort erbaute Panzerkanonen boot ab.
Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 1. Dezember. Gestern Vormittag hat ein Ministerrath stattgefunden, welcher si mit der Bankfrage beschäftigt hat. Das Ministerium ist bereits — wie die „N. fr. Presse“ hervorhebt * von der Audienz in Kenntniß gesetzt, welche der Ministerpräsident von Tisza vorgestern in Gödöllö bei dem Kaiser gehabt hat. Wie das genannte Blatt hinzufügt, soll , n. noch vor der Budgetdebatte darüber entschieden sein, ob die Regierung eine neue Bankvorlage einzubringen in der Lage sein wird oder nicht.
— (W. T. B.) Abgeordnetenhaus. Vom Han⸗
dels⸗Minister wurden Gesetzvorlagen einge⸗ bracht über die Eröffnung eines Spezialkredits pro 1877 zum Bau von Staatseisenbahnen, mit einem Gebahrungs— nachweis über die im Bau befindlichen Staatseisenbahnen, ferner über die Regelung des Verhältnisses derjenigen garan⸗ tirten Bahnen, welche ein Betriebsdefizit haben oder mit er— heblichen , , . belastet sind, über die Abänderung der Verträge mit der Südbahn, über den Ankauf der Braunau⸗ Straßwalchener Bahn durch den Staat und endlich über Ge⸗ währung eines Staatsvorschusses an die Prag⸗Duxer Bahn zum Zweck des Ausbaues der Linie Der e en . Der Minister legte die Gesichtspunkte dar, von denen die Regierung bei Abfassung der Vorlage ausgegangen sei und bat das Haus zu erwägen, ob es nicht besser sei, die Bahnen in den Betrie des Staates zu nehmen, wobei die Aktionäre statt Aktien arantirte Staatspapiere erhalten würden. Sobald das Haus ich hierüber ausgesprochen habe, werde die Regierung den fraglichen Plan in großen Zügen vorlegen. Der gegenwartige Augenblick sei zwar wohl nicht sehr dazu geeignet, aber die Eisenbahnangelegenheit sei so dringend, daß damit nicht ge⸗ wartet werden könne. Zum Schluß empfahl der Minister die Vorlagen nochmals der wohlwollenden Prüfung des Hauses. Die Rede des Ministers wurde sehr beifällig aufgenommen.
— (W. T. B.) Der Kernpunkt der heute vom Han⸗ dels-Minister gemachten Eisenbhahnvorlagen ist die Ermächtigung der Regierung zur Deckung des Betriebsdefizits, wogegen der Staat befugt sein soll, bei allen garantirten Bahnen, die den Staatsschatz stark belasten, den Betrieb jeder— zeit selbst zu übernehmen oder einer anderen Bahnverwaltung zu übergeben. Die Regierung wird ferner ermächtigt, solche Linien, die in verkehrspolitischer Beziehung wichtig erscheinen, und den Staatsschatz überlasten, dergestalt anzukaufen, daß sie die Prioritätenschuld übernimmt und für die Aktien 4proz. Eisenbahnstaatstitel gewährt.
— Die Minister Lasser und v. Pretis-Cagnodo sind heute nach Pest abgereist. .
— Ein Korrespondent der „Köln. Itg.“ schreibt a us dem südlichen Oesterre ich: „Wenn verschiedene Zeitungen die Nachricht erhalten, daß in Oesterreich bisher zwei Armee⸗ Corps mobil gemacht wurden, so ist dies ganz entschieden falsch. Es ist in der yr e when Armee bisher keine Com⸗ pagnie, geschweige denn ein lee-Corps auf den Kriegsfuß gebracht, und nur einzelne Truppentheile, welche in Dalmatien und längs der serbischen und bosnischen Grenze jetzt in Kan⸗ tonnirungen kee haben des sehr beschwerlichen Wach⸗ und Patrouillendienstes wegen einen verstärkten ,, er⸗ halten. Daß aber jetzt in der österreichischen Armeeverwal⸗ tung eine äußerst rege Thätigkeit herrscht und man viele ö Maßregeln trifft, um die Armee in kürzester Frist mobil machen zu können, wenn die politischen Ereignisse dies wirklich erfordern sollten, ist ebenfalls eine entschiedene Thatsache. Besonders auf Beschaffung der erforderlichen Zahl wirklich kriegstüchtiger Linien- und als nöthige Ergänzung derselben brauchbarer Reserve⸗Offiziere wird die größte Sorg⸗ h verwendet und haben deshalb in letzter Zeit sehr viele
ensionirungen, Versetzungen, Beförderungen, Ernennungen von Kadetten zu Unter⸗-Lieutenants und Revisionen der Listen der Reserve⸗-Offiziere stattgefunden; ebenso sind umfassende Maßregeln zur schleunigsten Einberufung der beurlaubten Eldeenn getroffen worden, wenn dies wirklich erforderlich ein sollte.“
Pest, 30. November. „Ellenör“ erklärt, die ungarische Regierung habe keinen Irrthum bezüglich der Bank⸗ 3 begangen, auch nicht einen verzeihlichen, wie „Lloyd“ meinte. Es liege ein von allen beiderseitigen Ministern unterfertigtes Protokoll vor, worin die Grund⸗ ', ,, des Bankstatuts konform mit den von Tisjza er Partei gegebenen Erklärungen enthalten sind. Mithin
existire eine schriftliche Verpflichtung zur Durchführung der
dualistischen Bankgestaltung. Die österreichische Regierung habe bisher hier weder mündlich noch schriftlich eine hieran rüttelnde Aeußerung abgegeben. Das Elaborat sei unter dem Vorsitz Sr. Majestät vereinbart worden und so sehr das Werk des österreichischen Finanz-Ministeriums, daß noch kein ungarischer Text existirt. Der Lloyd“ sagt: „Ungarn wird in eine abermalige Vertagung der Ban kfrage nimmermehr willigen; diese müsse sofort im Zusammenhange mit den übrigen Partien des Ausgleichs erledigt werden.“ „Wir aben“ — so erklärt der Lloyd“ — „nicht das Bedürfniß, das infällige österreichische Ministerium zu stützen oder noch änger jenes Bankregiment zu ertragen, dem wir seit neun Jahren auf Gnade und Ungnade , . sind.“
— 1. Dezember. (W. T. ö Abgeordnetenhaus. Minister⸗Präsident Tisza beantwortete die in der Ban kfrage an die Regierung gerichtete Interpellation dahin, daß die ungarische Regierung an den mit der österreichischen Regierung hierüber vereinbarten Grundprinzipien festhalte, daß alle Ausgleichsgesetze zu gleicher Zeit sanktionirt werden sollten. Die ungarische Regierung werde sich bei der öster⸗ reichischen vorerst eine Gewähr darüber verschaffen, ob dieselbe auf der nämlichen Basis stehe und nach der Antwort ihr wei⸗ teres Verfahren feststellen. Die ungarische Regierung werde
die Realisirung der vereinbarten Prinzipien ruhig, objektiv.
und bestimmt anstreben. Das Haus nahm die Antwort des Minister⸗Präsidenten zur Kenntniß; gegen den bezüglichen Be⸗ schluß stimmten nur die äußerste Linke und die unab ängige liberale Partei.
Schweiz. Lausanne, 30. November. (N. Zürch. Ztg.) In der gestrigen Sitzung des waadtländischen Großen Rat netz wurde eine Motion vorgelegt, der zufolge der Staatsrath eingeladen werden soll, noch in ,,,, . Session über die Frage einer Revision der Verfassung von 1861 Bericht zu erstatten. Der Große Rath wird sich morgen mit dieser Motion beschäftigen. Jetzt ist derselbe in die Diskussion des Budgets und der Steuer pro 1877 ein— getreten.
Großbritannien und Irland. Lon don, 30. November. (Engl. Korr.) Die Minister Lord Beaconsfield und Lord Carnarvon wurden heute in Windsor von der Königin empfan⸗ gen. — Sir Bartle Frere ist an Stelle des zu Neujahr ab— tretenden Sir Henry Barkly zum Gouverneur des Kaps der Guten Hoffnung ernannt worden. Derselbe wird seinen Posten vermuthlich Ende Februar antreten. — Oberst Joung—⸗ husband, Obervorsteher der Geschützfabriken in Woolwich, ist von Spezzia, wo er den Versuchen mit dem 100⸗Ton⸗Geschütz beigewohnt hat, nach Woolwich zurückgekehrt. — In Ports⸗ mouth haben 500 Arbeiter der Schiffswerft Kündi— gung erhalten. Als Ursache wird die im vergangenen Jahre durch Arbeiten außer der Zeit entstandene Ueberschreitung der Kostenanschläge genannt. Augenblicklich sind auf der Werft keins neuen Schiffe im bau. — Kapitän Pollard vom Schiffe „Tenedos“ ist gestern vom Kriegsgerichte in Ply⸗ mouth des Versehens, sein Schiff durch Nachlässigkeit in Gefahr gebracht zu haben, schuldig befunden worden, von der zweiten Anklage jedoch, mit Willen und Wissen unrichtige Angaben gemacht zu haben, freigesprochen worden. Das Ur— theil des Kriegsgerichtes lautete auf Entlassung von seinem Schiffe. — Der Admiral Sir Thomas Symonds in Devon⸗ port hat sich dafür ausgesprochen, daß zum Zwecke der Küsten— e, sn die Scilly⸗Inseln eine Marine station werden.
Frankreich. Paris, 30. November. Der „Moni— teur“ erklärt der Mehrheit der Deputirtenkammer, sie wolle aus den Ministern „gefügige Werkzeuge ihres Willens machen“; folgerichtig führe diese Lehre dahin, daß die Ver— antwortlichkeit der Minister aufgehoben und die Zügel der Regierung von den Ausschüssen ergriffen würden. — Die „Korr. Havas“ bringt folgende Mittheilung; „Die Angelegen⸗ heit der Aufhebung des vom ehemaligen Präfekten Ducros in Lyon auf die Civilbeerdigungen bezüglichen Erlasse ist allgemein nicht richtig dargestellt worden. Hr. Welche, der
egenwärtige Präfekt, wurde nach Paris berufen, um mit dem ee e nr der Republik und dem Minister des Innern dar⸗ über zu berathen. Die Nothwendigkeit, die Erlasse des Hrn. Ducros abzuschaffen, wurde anerkannt, und beschlossen, sie auf folgende Art zu beseitigen: der. Rhone⸗Präfekt soll nächstens in seiner Eigenschaft als Maire von Lyon eine Gemeinde— verordnung erlassen, die im Allgemeinen das Regle⸗ ment der Begräbnisse und der Begräbnißstätten einer Re⸗ vision unterwirft. Es soll zwischen religiösen und rein bürgerlichen Begräbnissen kein Unterschied gemacht werden und dieselben dem nämlichen Reglement unterliegen.“ — Nachdem diese Angelegenheit erledigt ist, verkündigt eine Note, die allen Blättern zugegangen ist, das Ministerium wolle die Krisis vermeiden und gedenke etwanige Kreditverweigerungen nicht als Grund zur Entlassung anzusehen. — Die Kom⸗ mission für die Frage der Civilbeerdigungen mit mili— tärischen Ehren hat den Beschluß , der Kammer eine Resolution vorzulegen, welche ausspricht: „Die Minister sollen dafür sorgen, daß Jeder mit den ihm zukommenden Ehren begraben werde, ohne Unterschied der Kulte und der religiösen Ansichten.“ Der Kriegs⸗Minister hat, dem Verneh⸗ men der „Köln. tg zufolge, im Ministerrathe erklärt, daß er . esolution nicht annehmen werde. — Heute fand die Aufnahme des Kunsthistorikers Charles Blanc in die Akademie statt; Hr. Thiers, welcher der Feier beiwohnte, wurde mit Beifallsbezeugungen empfangen. = Die Freisprechung des „Figaro“ in .. Prozeß wegen Beleidigung des Staates ünd der Armee wurde in Versailles viel 1 — Die „France“ behauptet, eine große An⸗ zahl von Deputirten wolllen einen Gesetzentwurf wegen Abschaffung der Unabsetzbarkeit der Richter einbringen.
— 1. Dezember. (W. T. B.) Heute hat bei dem De⸗ putirten Cochery eine Versammlung von Delegirten der drei Gruppen der Linken des Senats und der De— putirtenkammer stattgefunden, in welcher beschlossen wurde, den Konseils⸗Präsidenten Dufaure aufzufordern, von seinem Posten zurückzutzreten und an seiner Stelle Jules Si⸗ mon als . r,, die übrigen Mi⸗ nister aber in ihren Stellungen zu belassen. In parlamen⸗ tarischen Kreisen hält man indessen den Erfolg dieser Kombi⸗ nation für zweifelhaft, da man die Ansicht des Marschall⸗ Präsidenten Mac Mahon kennt, welcher die Demission Du⸗ faure's als eine Demission des gesammten Kabinets be⸗
trachtet. Ver sailles, 1. Dezember. (W. T. B.) Der Senat
hat den von der Deputirtenkammer beschlossenen Gesetzent⸗!
*.
wurf, betreffend die Einstellung der gerichtlichen Ver⸗ fol gung von solchen, die am Kom mune-Aufstand Theil genommen haben, abgelehnt.
Spanien. Madrid, 30. November. Im Senat bean⸗ tragte Conche eine eingehende Klarstellung der Lage der Dinge auf Cuba. — Der „A. A. C.“ wird aus Cuba gemeldet: „Während der Nacht des 22. September griffen 500 Insurgenten unter der Führung Vin⸗ cente Garcia's den Ort Las Tunas auf, drei Seiten an. Ein Theil der spanischen Truppen wurde in dem Fort überrumpelt und zu Gefangenen gemacht. In der durch den Ueberfall erzeugten Verwirrung wurde der Gouverneur von seinen eigenen Soldaten getödtet. Nach der Einnahme des Forts richteten die Insurgenten die Kanone auf das Ge— richtsgebäude und schossen 54 Personen nieder. Dann be⸗ mächtigten sie sich der Stadt, zogen aber, nachdem sie sich alles zugeeignet, was sie brauchten, von dannen. Im Distrikt Puerto Principe nimmt der Nothstand zu und die Ein⸗—⸗ wohner sprechen wieder von dessen wahrscheinlicher Räumung Seitens der Spanier.“
Italien. Rom, 28. November. Die Abgeordneten—⸗ kammer schritt in ihrer Sitzung vom Sonnabend zur Wahl der allgemeinen Budgetkommission und fuhr hierauf in der Prüfung der Wahlen fort, so daß 339 von den nicht be⸗ strittenen legalisirt worden sind. Der Conseils-Präsident überreichte der Kammer folgende Gesetzentwürfe: 1) das Einnahme⸗ und Ausgabebudget ö 1877, 2) die Abände⸗ k und die neuen Organici (Verzeichniß der etatsmäßigen Stellen) des Verwaltungspersonals, 3) die Rechenschaftsablage der Jahre 1873 und 1874, 4 einen Gesetzentwurf für die Legalisirung von Königlichen, neue Ausgaben anordnenden Dekreten, und beantragte die Dringlichkeit für die Prüfung des nächstjähkrigen Budgets. Der Minister des Innern legte der Kammer einen Bericht über die Arbeit der Straf—⸗ , im Jahre 1875 vor. Der Justiz-Minister
rachte die folgenden Gesetzentwürfe ein: 1) das neue Straf— gesetzbuch, ) über die Verantwortlichkeit der Beamten, 3) über die Kompetenzkonflekte, 4) über die Aufhebung des Personal— arrests für Schulden, 5) über die Mißbräuche der Religions— diener und 6) über die Aufhebung des Art. 49 des Gesetzes über das Geschwornengericht, welcher die Veröffentlichung der Debatten der Schwurgerichte vor der Urtheilsverkündigung ver— bietet. In einer Ver sammlung der Majorität, welche am 25. auf Einladung des Minister-Präsidenten zusammentrat, theilte Hr. Depretis mit, unter den ferneren Gesetzent— wür fen, die noch in dieser Session vorgelegt werden sollen, befinde sich ein solcher über die Dezentralisation in der Ver⸗ waltung und über die Reformen in Finanzsachen und so weit sie die Gemeinden und die Provinzen betreffen, ein anderer über den Eisenbahnbetrieb und eine letzte Vorlage über die Handelsverträge. Hr. Depretis wies überdies auf einige in die Verwaltung einzuführende Reformen und verschiedene an— dere Gesetzentwürfe von sekundärer Bedeutung hin und endigte mit der Erklärung, daß er und seine Kollegen wünschen, be— ständig in Uebereinstimmung mit der Kammermehrheit vorzugehen, daß sie aber auch der Meinung seien, daß der Führer der Partei nur der Präsident des Ministerraths sein könne und kein Anderer. — Der Justiz-Minister Mancini hat den Entwurf des neuen Strafgesetzbuchs an alle richterlichen Behörden des Königreichs, an die Anwaltskammern, an die juristi⸗ schen Fakultäten der Universitäten und an die bedeutendsten Irrenärzte vertheilen lassen und ihre Gutachten eingefordert. — Der Kardinal Simeoni wird Madrid am 4. oder 5. Dezember verlassen und erst am 10. oder 12. in Rom an⸗ langen. — Eine tees m lig; Depesche meldet, daß am 22. d. M. der Baron Cavalchini Garofoli, Gesandter Italiens beim brasilianischen Hofe in Rio Janeiro, ver— schieden ist. Derselbe war im Jahre 1846 in den diploma—⸗ tischen Dienst getreten. — Monsignor Roncetti, Nuntius in Brasilien, hat, den „Ital. Nachr.“ zufolge, an den Vatikan eine Denkschrift über die Schwierigkeiten ein— gereicht die er in jenem Lande zu bekämpfen hat. Die Schwierigkeiten wüchsen immer mehr und trotz des guten Willens der Regierung sei seine Mission nahe daran zu scheitern „wegen der Feindseligkeiten der Frei⸗ maurer, welche die Lage beherrschen.“ Der Nuntius setzt alle seine Hoffnungen auf die Rückkehr des Kaisers.
Türkei. Kon stantinopel, 24. November. (Pol. Korr.) Die Kriegsvorbereitungen nehmen die größten Dimensionen an. Augenblicklich wird der Armee von Erzerum die größte Aufmerksamkeit zugewendet. Man strengt sich sichtlich an, den Effektivbestand, der dortigen Streitmacht auf 150,900 Mann zu bringen, wobei allerdings 15 bis 20,000 Mann irregulärer Kurden und Tscherkessen mit zu rechnen kommen. Diese Armee soll entweder Suleiman Pascha oder Arif Pascha zum Ober⸗Kommandanten erhalten. Divisions⸗General Suleiman Pascha ist General-Direktor der Militärschulen, hat aber im Kriege gegen Serbien neben Hafiz Pascha das wesentlichste Verdienst um die Eroberung von Alexinatz. Arif Pascha hin⸗ gegen führte unter Derwisch Pascha ein Kommando bei der albanesischen Armee in Podgorizza gegen Montenegro. Beide werden als die fähigsten unter den , . Divisions⸗ Generalen betrachtet. Zum Generalstabs⸗Chef der Armee von Erzerum ist Brigade⸗General i Pascha designirt. Derselbe ist unter dem Namen Oberst Kolmans bekannt und hat schon im Krimkriege unter Williams Pascha die Festung Kars gegen die Russen vertheidigt. Die Transportschiffe der türkischen Kriegs⸗ marine befördern unaufhörlich Truppen und Munition nach , von wo aus die weitere Beförderung nach Erzerum erfolgt. Von der Armee in der Herzegowina und Albanien werden bedeutende Theile nach Schumla gezogen. Die ägyp⸗ tische Division, welche unter Mehemed Ali 1 in Bosnien operirte, wird r n heute und morgen hier erwartet, wo sie überwintern soll, wenn nicht früher die Nothwendigkeit eintritt, sie gleichfalls nach Schumla zu . Die Aus⸗ hebung der Redifs des letzten Aufgebotes liefert 150 Bataillone, von welchen 30 auf. die . von Syrien und Aleppo und 25 auf jene von Aidin und Brussa, der Rest aber auf die anderen Provinzen der asiatischen Türkei entfallen.
— Dem W. ö wird gemeldet: Kabouly Pascha, türkischer Botschafter am affe Hofe, hat aus ie d ber been seine Demission eingereicht und wurde dieselbe vom Sultan auch angenommen. Sein Posten wurde nun . Pascha, . türkischen Botschafter am Wiener Hofe, angeboten; derselbe weigert sich jedoch noch, und zwar ebenfalls aus Gesundheitsrücksichten nach St. Petersburg
zu gehen. Belgrad, 25. November. Die serbische Regierung hat
neuerdings Nachrichten über die Grausamkeiten erhalten,
welche die türkische Armee bei Einnahme von Alexinatz ausgeübt hat und hiervon die Vertreter der Schutzmächte in Kenntniß gesetzt.
Es war den Bewohnern von Alexinatz auferlegt worden, die Stadt, welche von der türkischen Armee am 19. Oktober besetzt werden sollte, vorher zu verlassen. Einige Familien hatten jedoch, wegen Mangel an Transportmitteln oder Krankheitshalber, diesem Befehl nicht rechtzeitig Folge leisten können und zogen erst am 19. aus der Stadt. Auf diese Unglücklichen eröffnete die türkische Kavallerie eine förmliche Jagd. Die Berichte nennen eine große Anzahl von Männern und Frauen mit Namen, welche hierbei den Tod fanden. Im Ganzen sind über fünfzig Personen von der türkischen Reiterei ermordet worden, zum größten Theil Frauen und Kinder. ö
— 29. November. Einer telegraphischen Meldung zufolge legten die meisten der deutschen Arbeiter in den Waffenfabriken zu Kragujewatz die Arbeit nieder, nachdem ihnen die kontraktlichen Zusicherungen nicht einge⸗ halten wurden. Ein Versuch, dieselben durch Ausrücken von Militär zur Wiederaufnahme der Arbeit zu zwingen, scheiterte an der entschlossenen Haltung der Arbeiter. Dieselben kamen nach Belgrad.
London, 39. November. Die „Engl. Korr“ theilt das Programm der Nationalkonferenz über die orienta—⸗ lische Frage mit, deren erstes großes Londoner Meeting auf den 8. . anberaumt ist und der sich mit jedem Tage mehr Namen von gutem Klange anschließen. Der Schlußsatz dieses Programms lautet:
„Vor Allem ist es Englands Pflicht, abzustehen von der Ermuthigung der Lenker der Türkei, sich den Forderungen, welche die Konferenz an sie stellen wird, zu widersetzen. Mö⸗ gen sie einsehen, daß keine Hülfe von England kommen kann welche ihnen ermöglicht, dem Zugeständnisse jeder für Aus⸗ führung dieser Reformen nothwendigen Sicherheit sich zu ent⸗ ziehen. Der verderblichste Mißgriff von allen würde es sein, England durch Abmachungen zu binden, welche die Herrscher der Türkei berechtigen könnten, auf unsere Hülfe zu zählen. Ein Krieg zur Unterstützung der Unverletzlichkeit und Unab⸗ , des türkischen Reiches würde den Interessen Eng— ands schädlich, im Widerspruch gegen die Wünsche des eng— lischen Volkes und eine Beleidigung der Welt sein.“
— Der neulich zum Rektor der Universität Aberdeen er— wählte frühere UnterrichtsMinister Forster wurde am Montag, 26. November, auch zum Ehrenbürger der Stadt er— nannt und besprach in seiner Dankrede an die Abgesandten der Stadt auch die orientalische Frage. Er hält es für Regelung derselben unumgänglich nothwendig, daß ein Ein— vernehmen Rußlands und Englands zu Stande komme. Ein ausbrechender Krieg könne ungeheure Dimensionen annehmen. Das große Hinderniß eines herzlichen Zusammengehens beider Länder liege in dem, was er für einen unbegründeten Arg— wohn gegen Rußland halte. Derselbe finde Nahrung in dem nie geschriebenen Testamente Peters des Großen, dem Krim⸗ kriege ꝛc. bis herab zu Kaiser Alexanders letzter Rede. Er wolle nur erwähnen, daß Berechtigung zum Zweifel an Rußlands Versprechungen neuerdings aus der Khiwa⸗ Affaire hergeleitet würden. Die Leute, die so viel darüber schrieben, wußten aber nicht einmal, daß Khiwa von den Russen, wie seinerzeit Paris von den Deutschen, nur als Pfand besetzt gehalten würde. Sollten die grundlosen Ver⸗ dächtigungen der russischen Regierung allerdings noch ferner fortgehen, so werde es nicht zu verwundern sein, wenn Ruß⸗ land sie zulggt beim Worte nähme und Khiwa wirklich be— halte. Der Redner vertheidigte dann den Kaiser Alexander und sprach seine Ueberzeugung aus, daß mit der Zeit Freiheit eben so gut in Rußland wie im westlichen Europa herrschen werde. Auf die Rede des Kaisers übergehend, . er demselben volle Berechtigung für seinen Ausspruch zu, daß er, falls seine Bemühungen für seine Glaubens⸗ genossen fruchtlos bleiben sollten, unabhängig handeln wolle. Mißtrauen gegen Rußland wäre nur dann gerechtfertigt, wenn es die Konferenz verhindert oder irgend welche Maß⸗ regeln vorgeschlagen hätte, welche ihr Fehlschlagen mit Gewalt nach sich ziehen müßte. Das sei aber nicht der Fall. Die Gefahr eines Mißlingens der Konferenz rühre allein von der Türkei her, von deren Weigerung, die nöthigen Garantien zu gewähren. Und die Hauntgefaht, daß die Türkei hartnäckig bleibe, liege darin, daß sie glaube, England werde sie in ihrer Weigerung unterstützen. Wenn deshalb die Pforte zu der Ueberzeugung gebracht werden könnte, daß England ie nicht unterstützen werde, so würde sie n,, wenn auch zögernd, nachgeben. Schließlich sprach Forster noch seine Zustimmung zu einem Kriege aus, der für Aufrechterhaltung des anglo⸗indischen Reiches nothwendig werden sollte. .
Paris, 30. November. Der „Temps“ behauptet zu wissen: Die Ministerkrise in Konstantinopel hat den Zweck, den jeder Konzession zur Verhütung des Krieges feind⸗ lich gesinnten Großvezir zu stürzen; H gal Pascha und des⸗ sen . welche dabei vom Sultan unterstützt werden, wünschen größere Zugeständnisse zu machen, welche die Ver⸗ meidung des Krieges möglich machen könnten.
Rom, 1. Dezember. (W. T. B.) Der Marquis v. Saris⸗ bury ist heute von hier wieder ab gereist. Das Journal „Diritto“ fügt der bezüglichen Meldung hinzu, der , . Melegari und der englische Delegirte zur Konstantinopeler , enz hätten bei ihren Besprechungen beiderseits die Ueber ung zu erlangen vermocht, daß die Absichten Italiens
ands unter den gegenwärtigen Verhältnissen lediglich eine
und En
. , ,, des europäischen Friedens dur auf ernster und dauerhafter Grundlage erfolgende Pazifikation erichtet seien. Die ver⸗ alisbury habe im All⸗
der insurgirten türkischen Provinzen söhnliche Sprache des Marquis v. e gemeinen einen seh befriedigenden Eindruck gemacht. W. T. B) Der „Liberta“ uf g.
Marquis v. Salisbury während
Aufenthalts erklärt, er, gehe mit den Absichten nach Konstantin opel und hoffe auf ein prakti⸗ . Ergebniß der Konferenz. Das Blatt bemerkt weiter, er englische Delegirte habe keine Spezialmission für die ita⸗ lienische Regierung und derselben keinen besonderen Vorschlag u machen gehabt; derselbe habe erklärt, der Hauptzweck seiner eise habe darin bestanden, von den Ansichten der verschie⸗ denen Regierungen Kenntniß zu nehmen, und die Regie⸗ rungen über die Ansichten Englands zu unterrichten. — Die Opinione“ schreibt: Man n,. daß die Erklärungen des Marquis v. Salisbury den Kabineten gegenüber die
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hat der eines hiesigen versöhnlichsten
3 eines Krieges von Seiten Englands ausschlössen. Man ehe einen russisch⸗türkischen Krieg voraus, da die Türkei die
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