1877 / 10 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 12 Jan 1877 18:00:01 GMT) scan diff

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Um den Wirkungsbereich der Königlichen Schutz pocken⸗ Impfanstalten in Uebereinstimmung zu bringen, habe ich eine

Instruktion erlassen, welche den Vorstehern dieser Anstalten bei Ausführung der damit verbundenen Geschäfte zur Richt⸗ schnur dienen soll.

Ew. Excellenz übersende ich in der Anlage ein Exemplar dieser Instruktion mit dem ergebensten Ersuchen, dieselbe dem Vorsteher der Königlichen Impfanstalt der dortigen Provinz zur Kenntnißnahme und Nachachtung gefälligst zugehen zu lassen.

Betreffs der Anträge auf Lymphübersendung von Seiten der Impfärzte bemerke ich ebenmäßig noch Folgendes: ;

Es kommt nicht selten vor, daß die Impfärzte, welche sich an die Königlichen Impfanstalten wenden, durch unleserliche Angabe ihres Namens und Wohnortes zu zeitraubenden Rück⸗ fragen Veranlassung geben. Zur Vermeidung dieser Weite⸗ rungen ist es nothwendig, daß der Name des Impfarztes und seines Wohnortes in, dein Requisitionsschreiben leserlich ge⸗ schrieben, auch bei kleinern Städten und Ortschaften der Kreis, in welchem der requirirende Impfarzt wohnt, namhaft gemacht und gleichzeitig bemerkt wird, ob letzterer dem öffentlichen Impfgeschäfte vorsteht oder die erbetene Lymphe zu Privat⸗ impfungen benutzen will. ö ln, ,

Um überhaupt die Ansprüche der öffentlichen Impfãärzte an die Königlichen Impfanstalten zu regeln, sind dieselben wiederholt auf die Verpflichtung aufmerksam zu machen, für die geeignete Fortpflanzung und Vermehrung der Schutz pocken⸗ lymphe selbst Sorge zu tragen, nachdem das öffentliche Impf⸗ geschäft mittels der aus den Königlichen Impfanstalten be⸗ zogenen Schutzpockenlymphe ordnungsmäßig eingeleitet ist.

Ew. Excellenz wollen die Regierungen gefälligst anweisen, die Impfärzte von Vorstehendem in geeigneter Weise in Kennt⸗ niß zu setzen.

Berlin, den 28. Dezember 1876. .

Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal— Angelegenheiten. In Vertretung: Sydow. An den Königlichen Ober⸗-Präsidenten.

Instruktion für die Königlichen Schutzpocken— Imp fan st alten. .

1) Jede Königliche Schutzpocken⸗Impfanstalt ressortirt von dem betreffenden Königlichen Sber⸗Präsidium und erstreckt ihre Wirksamkeit hauptsächlich auf den Umfang der Provinz, in welcher sie errichtet ist.

2) Zweck der Anstalt ist: die Obrigkeiten, bezw. die Impf⸗ ärzte oder Militärärzte der Provinz für die Einleitung des bf⸗ fentlichen Impfgeschäftes, bez. der Truppenimpfungen mit dem erforderlichen Bedarf an Schutzpockenlymphe unentgelt⸗ lich zu versehen. Nöthigenfalls sind auf Wunsch baldigst Nachsendungen der Lymphe zu machen.

3) Beim Ausbruch von Pockenepidemien muß die Anstalt in der Lage sein, zu jeder Zeit außerordentliche LEymph⸗Ueber⸗ sendungen zu bewirken. Die Anstalt ist daher verpflichtet, ste ts einen Vorrath von Schutzpockenlymphe bereit zu halten.

4) Soweit es sich mit der ursprünglichen Bestimmung der Ansialt ohne Störung ihrer ordnungsmäßigen Wirksamkeit vereinigen läßt, kann auch an die Impfärzte der Provinz behufs Ausübung von Privatimpfungen oder an die mit dem öffentlichen Impfgeschäfte betrauten Impfärzte anderer Pro— vinzen Schutzpockenlymphe unentgeltlich abgegeben werden.

Die UÜebersendung der Lymphe erfolgt unfrankirt als portopflichtige Dienstsache, bezw. unter dem Rubrum: „Mili⸗ taria“ unter Anwendung des Siegels der Anstalt.

5) Falls eine Impfanstalt für einen andern Bundesstaat, in welchem sich ein derartiges Institut nicht befindet, thätig ist, oder falls unter der in Nr. 4 gedachten Bedingung auswärti⸗ gen Aerzten und Regierungen Schutzpockenlymphe überlassen worden ist, kann bei deren Uebersendung die Erstattung der baaren Auslagen verlangt werden.

6) Ueber die Lymphversendung wird ein Journal mit folgenden Kolonnen geführt: 1) Laufende Nummer; 2) Name uns Stand des Empfaͤngers; 3) Wohnort desselben; 4) Datum der Absendung; 5) Herkunft der Lymphe; 6) Beschaffenheit der Lymphe: 3. pure unvermischte, b. mit Glycerin vermischte humanisirte Lymphe, é. regenerirte oder d. originäre Kuh— pockenlymphe; ) Zahl der Portionen; 8) Bemerkungen z. B. Über die Art und Weise der Uebersendung.

7) Um den Ursprung der für die Uebersendung anzu— sammelnden Lymphe nachzuweisen, ist ein Journal derart zu führen, daß aus demselben ersichtlich ist, von welchem Kinde

der von welchen Kindern die Lymphe entnommen ist,

8) Die Impfungen in der Impfanstalt geschehen das ganze Jahr hindurch wenigstens einmal wöchentlich.

9) Am Ende des Monats Januar reicht der Vorsteher der Anstalt durch Vermittelung des Königlichen Ober⸗Prä⸗ sidiums beim Königlichen Ministerium der geistlichen, Unter⸗ richts und Medizinal⸗-Angelegenheiten einen Jahresbericht ein, welcher Auskunft giebt: 1) über die Zahl der im vorhergehenden Jahre zur Uebersendung an die Impfärzte gelangten Röhrchen, Stäbchen oder Glasplatten; 2) über die Beschaffenheit der übersandten Lymphe mit Unterscheidung von a,. purer, unver—⸗ mischter, b. mit Glycerin vermischter humanisirter Lymphe, c. regenerirter oder d. originärer Kuhpockenlymphe; 3) über die besonderen, beim Impfgeschäfte gemachten Beobachtungen und Erfahrungen.

Berlin, den 28. Dezember 1876.

Der Minister der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗ Angelegenheiten. In Vertretung: Sydow.

Justiz⸗Ministerium.

Dem Rechtsanwalt und Notar Dr. Michel s in Ober⸗ hausen ist die Verlegung seines Wohnsitzes nach Duisburg gestattet worden.

Der Kreisrichter von Gersdorff in Carolath ist zum sechtsanwalt bei dem Kreisgericht in Perleberg und zugleich um Notar im Departement des Kammergerichts mit Anwei⸗ 66 seines Wohnsitzes in Havelberg; und

der Kreisrichter Fenner in Bochum zum Rechts⸗ anwalt bei dem Kreisgericht in Dortmund und zugleich zum Notar im Departement des Appellationsgerichts zu Hamm, mit Anweisung seines Wohnsitzes in Schwerte, ernannt worden.

Angekommen: Se. Excellenz der Appellationsgerichts⸗

Chef ⸗Präͤsident, Kron⸗Syndikus und Mitglied des Herrenhauses, Wirklicher Geheime Rath, Dr. jur. Graf Rittberg aus Glogau.

Um die Auffindung der, nach 8. 6 des Gesetzes 2 den Markenschutz vom 30. November 1874, im Reichs⸗An⸗ zeiger“ veröffentlichten Zeichen zu erleichtern, wer zen dieselben von Anfang d. J. an versuchsweise wöchentlich nur einmal und zwar Freitags im Reichs⸗Anzeiger“

(Handelsregister⸗Beilage) bekannt gemacht. Jede Publikation

erhält eine besondere, fortlaufende Nummer.

In der heutigen Handelsregister Beilage wird Nr. 2 der ZeichenregisterBekanntmachungen veröffentlicht. Die Redaktion des Deutfchen Reichs- und Königlich

Preußischen Staats-⸗Anzeigers“.

Aichtamtliches. Deutsches Ne ich.

Preußen. Berlin, 12. Januar. Se. Majestät der Kaiser und König wohnten heute dem Eröffnungs⸗ Gottesdienste im Dom bei und eröffneten demnächst den Land⸗ tag der preußischen Monarchie.

Gestern, bei der musikalischen Soirée im Königlichen Palais, fand das Concert unter Leitung des Ober⸗Kapell— meisters Taubert und unter Mitwirkung der Damen Lehmann und Brandt und der Herren Betz, Ernst und Rehfeldt statt.

Heute wohnte Ihre Majestat die Kaiserin⸗Königin dem Gottesdienste im Dom vor Eröffnung des Landtages bei. Im Königlichen Palais fand ein größeres Diner statt.

Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz nahm gestern Vormittags die Meldung des Oberst-Lieutenants Pohlmann, Commandeurs des 5. Ost⸗ preußischen Infanterie⸗ Regiments Nr. 41, und des Majors Fürsten zu Sayn-Wittgenstein vom 2. Hessischen Husaren⸗-Regi⸗ ment Nr. 14 entgegen.

Abends 9 Ühr besuchten Ihre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kron— prinzessin die Soirse bei Ihren Majestäten.

Se. Majestät der Kaiser und König haben der hiesigen Stadtverordneten⸗Versammlung auf die beim Jahres— wechsel Allerhöchstdenselben dargebrachten Glückwünsche nach— stehendes Dankschreiben zugehen lassen:

Mit vieler Befriedigung habe Ich die Mir von den Stadt- verordneten Meiner Haupt- und Residenzstadt Berlin beim Jahres⸗ wechsel dargebrachten Glückwünsche empfangen. Indem Ich die⸗ selben dankend erwiedere, bedauere Ich auf das Lebhafteste, daß der seit geraumer Zeit auf den wirthschaftlichen Verhält— nissen laftende Druck noch immer in theilweise ungeschwãchter Weise anhält. Dem gegenüber habe Ich es gern gesehen, daß in Ihrer Adresse Besonnenheit und Fleiß, ernste Arbeit und ausdauernder Muth als die Mittel zur Ueberwindung der Schwierigkeiten bezeichnet sind. Es ist die Aufgabe jedes Einzelnen, in seinem Kreise auf die immer weitere Ausbreitung dieser Tugenden, denen der allseits zurückkehrende Sinn für gediegene Lebens verhältnisse sich fördernd anschließt, hinzuwirken. Je fester auf solcher gesunder Grundlage sich neue wirthschaftliche Zustände aufbauen, desto sicherer wird nach Beseitigung der gegenwärtigen Krisis der Wiederkehr der—⸗ selben vorgebeugt werden. Ich vertraue gern den kommunalen Ver⸗ tretern Berlins, daß sie im Interesse des eigenen Gemeinwesens ihren Einfluß nach dieser Richtung hin zur Anwendung werden zu bringen wissen.

Berlin, den 6. Januar 1877.

Wilhelm. An die Stadtverordneten zu Berlin.

Die heutige (1.) Sitzung des Herrenhauses er— öffnete der bisherige erste Vize⸗Praͤsident Staats⸗Minister a. D. v. Bernuth auf Grund des 5§. 1 der Geschäftsordnung um 14 Uhr mit der Mittheilung, daß der seitherige Präsident Graf zu Stolberg⸗Wernigerode nicht anwesend sei. Er schug vor, nach altem Brauch die Thätigkeit mit einem dreimaligen Hoch auf Se. Majestät den König zu beginnen. Das Haus stimmte, sich erhebend, begeistert in diesen Ruf ein. Demnächst ernannte der Präsident zu provisorischen Schrift⸗ führern die Herren Theune, Dietze, Dr. Dernburg und Graf von Ziethen⸗-Schwerin. Ein zur Vorlesung gelangendes Schreiben des Ministers des Innern vom 11. d. M. theilt die Personal veränderungen mit, welche seit dem 15. Februar v. J. vorgekommen sind. Neu in das Haus eingetreten sind die Herren Heinrich VII. Prinz Reuß, Prinz zu Sayn⸗Wittgen⸗ stein Sayn, Graf Königsmarck, Graf von Borcke, Prof. Pr. Röoepell, v. Simpson⸗Georgenburg, Frhr. von Zedlitz⸗Leipe und Bürgermeister Dötsch, welche der Präsident als neue Mitarbeiter begrüßte. Seit der letzten Session sind die Herren: Graf v. d. Gröben⸗Neudörfchen, Graf v. Potworowski, Dr. Rupstein, Frhr. v. Münchhausen⸗Straußfurt, v. Lepel und Graf zu Logau⸗ Altendorf gestorben. Das Haus ehrte das Andenken der Verstor⸗ benen durch Erheben von den Plätzen. Der Namensaufruf ergab die Anwesenheit von 90 Mitgliedern. Das Haus war fomit beschlußfähig und schritt. zur Wahl seines Präsidenten. 39 derselben wurden 94 Stimm⸗ zettel abgegeben. Es erhielten Stimmen: Herzog von Ratibor, 53, Graf zur Lippe 24, Prinz Reuß 15 und Fürst Hohenlohe sowie Graf Otto zu Stolberg⸗Wernigerode je eine Stimme.‘ Da der Herzog von Ratibor nicht anwesend war, so wurde er sofort telegraphisch von dem Wahlresultat in Kennt⸗ niß gesetzi. Es folgte bei Schluß des Blattes die Wahl des ersten Vize⸗Präsidenten.

Die heutige (1) Sitzung des Hau ses der Abge⸗ ordneten, welcher am Minsstertische der Minister für die land⸗ wirthschaftlichen Angelegenheiten Dr. Friedenthal e,, eröffnete um 1 Uhr der Alterspräsident bg. v. Bonin, der zu Schriftführern die Abgg. Ur. Frhr. v. d. Goltz, Sachse, Grütering und Dr. Lutteroth berief. Nachdem die ersammlung begeistert in ein drei⸗ faches von dem Alterspräsidenten ausgebrachtes Hoch auf Se. Majestät den Kaiser und König eingestimmt hatte, er⸗ mächtigte das Haus das provisorische Bureau, die Verloosung in die Abtheilungen behufs Vornahme der Wahlprüfungen nach dem Schluß der Plenarsitzung zu bewirken. Es sind bis jetzt 321 Mitglieder beim Buregu des Hauses angemeldet. Schluß 11 Uhr. Nächste Sitzung Montag 2 Uhr.

Der Minister der geistlichen 2c. An elegenheiten hat sich in einem Erlaß vom 17. November v. J. damit einver⸗ standen erklärt, daß ein Provinzial⸗Schulkollegiüm zu der

ern,, solche Bewerberinnen zugelassen hat, welche zwar nicht bei Beginn der Prüfung das 15. Lebens⸗ jahr zurückgelegt haben, dieses Alter aber vor derm Schlusse der Prüfung erreichen.

Nach 5. 36 Theil II. Titel 12 A. L. R. sind nur die Gutsherrschaften, auf deren Gute sich die Schule be⸗ findet, zur unentgeltlichen Verabfolgung von Baumate⸗ riallen verpflichtet. Nur diese Gutsherrschaften stehen nach einem Restripte des Ministers der geistlichen 2. Angelegen⸗ in vom 7. Dezember v. J. in Folge der ihnen auferlegten peziellen Verpflichtungen der Regel nach der Schulgemeinde ae, . und können zu den Hausvätern der auf ihrem Gute efindlichen Schule nicht gerechnet werden. Weder aus diesem 8. 36 noch auch aus dem 8. 33 a. a. D. läßt sich indessen die Folgerung herleiten, daß die Gutsherren überhaupt nicht den in den 58. 29, 34 a. a4. D. erwähnten Hausvätern und Ein⸗ wohnern zugezählt werden können. Indem in Folge der Ein⸗ richtung besonderer konfessioneller Schul verbände die Möglich⸗ keit gegeben ist, daß sich über denselben Bezirk verschiedene Schulverbände je nach dem Glaubensbekenntniß der Einwohner erstrecken, kann auch der Fall eintreten, daß Gutsherren zu der einen Schule im Verhältnisse der Gutsherrschaft stehen und in Folge ihres Glaubensbekenntnisses der anderen sich über ihr Gut erstreckenden Schule als Hausväter im Sinne des §. 29. a. a. D. angehören.

Baden. Karlsruhe, 10. Januar. (Köln. Ztg.) In Vollzug des auf dem letzten Landtag zu Stande gekom⸗ menen Pfarrdotagtionsgesetzes haben die evangelischen Pfarrer die Aufbesserung noch auf Weihnachten ausbezahlt er⸗ halten, und zwar für das Jahr vom 1, stovember 1875 bis dahin 1876. Von 386 eine selbständige Seelsorge ausübenden protestantischen Geistlichen des Landes sind 287 aufgebessert worden. Was die katholische Kirche betrifft, so ist nur für den altkatholischen Theil derselben, und zwar vom Bischof Rein⸗ kens, die vom Gesetz geforderte schristliche Erklärung wegen Be⸗ folgung der Staatsgesetze abgegeben worden; es sind egg die den Vollzug des Gesetzes vorbereitenden Arbeiten . no nicht völlig zum Abschluß gelangt. Für den die vatikanischen Dekrete anerkennenden Theil der katholischen Kirche hat das erzbischöfliche Kapitelvikariat zu Freiburg, indem es die Aus⸗ stellung des Reverses verweigerte, auf die Gewährungen des Dotationsgesetzes förmlich Verzicht geleistet. Für diesen Theil kommen daher nur die für einen derartigen Fall vorgesehenen dauernden Bestimmungen in 8. 14 des Gesetzes (bezüglich des Pfründeeinkommens) in Anwendung. Auch die Regelung der Gebühren für Versehung erledigter katholischer Pfründen ist bereits ersolgt.

Hessen. Darmst adt, 9. Januar. Der regierende Fürst zu Lippe und dessen Gemahlin sind heute Abend nach Frank⸗ furt weitergereist. Bei Berathung der Gesetzvorlage wegen Regelung des finanziellen Verhältnisses zwischen dem Staate und der evangelischen Kirche des Landes hatte die Erste Kam⸗ mer heschlossen, die Regierung zu ersuchen, „die Doppelstellung, in welcher sich das Ober⸗-Konsistorium, namentlich in Betreff der Verwaltung des kirchlichen Vermögens befindet, bei der in Aussicht gestellten Regelung dadurch zu beseitigen, daß die Verwaltung des kirchlichen Vermögens selbständig den kirchlichen Behörden überlassen bleibe.“ Der Finanz⸗Ausschuß der Zweiten Kammer erklärt sich, wie das „Frankf. Journ.“ mittheilt, gegen dieses Ersuchen, indem im AÄusschuß nie eine Meinungsverschiedenheit darüber bestanden habe, daß die Ver⸗ waltung des kirchlichen Vermögens nicht ohne staatliche Auf⸗ sicht den kirchlichen Behörden überlassen werden dürfe.

Reuß j. L. Gera, 10. Januar. Der Erbprinz ist von dem Herzoge von Sach sen⸗Altenburg unter die Großkreuze

des Ernestinischen Haus-Ordens aufgenommen worden.

Lippe. Detmold, 11. Januar. Der Fürst und die Fürstin sind von der nach Süddeutschland unternommenen Reise am gestrigen Abend wieder hierher zurückgekehrt.

Elsaß⸗Lothringen. Den „Hamb. Nachr.“ wird aus Metz unter dem 9. Januar u. A. geschrie ben:

„Die Nachricht von der Amtsenkhebung des bisherigen Bürgermeisters Bezanson, welche demselben am 2. x. M. in schonendster Weise mitgetheilt wurde, ist in der ungenauen Form, in der sie zuerst ein hiesiges Preßorgan brachte, in die ganze deutsche und auswärtige Presse übergegangen. Von einer Nichtbestätigung des gewählten Buͤrgermeisters kann im vorliegenden Fall gar keine Rede sein. Nach den hier zu Recht bestehenden Gesetzen ernennt für die Bezirks⸗, reiz, und Käntonshauptstädte, sowie für Gemeinden, welche über 3690 Einwohner haben, der Kaiser den Bürgenmeister und dessen Beigeordneten. Wenn nun auch gewöhnlich diese mit der Gemeinde⸗ Verwaltung betrauten Personen aus der Mitte der gewählten Ge⸗ me inderäthe ernannt worden, so steht indeß dem Kaiser das Recht zu, auch außerhalb des Gemeinderaths geeignete Personen zu di esen Aemtern zu berufen. Von diesem Rechte hat, nachdem die Amtsperiode des bisherigen Büůrgermeisters abgelaufen war, die Regierung diesmal Gebrauch gemacht, und daß sie dazu nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet war, wird Niemand, der mit den hiesigen Verhältnissen nur einigermaßen vertraut ist, bestreiten. Unmöglich konnte die Regierung die Verwaltung einer durch ihre Lage und ihre Eigenschaft als äußerste Grenzfestung so wichtigen Stadt in den Händen einer Person lassen, die, wenn auch viell eicht nicht die Seele, so doch die äußere Spitze der Protestpartei war und deren deutschfeindliche Gesinnung sich bei hunderten ben Anlässen kundgab. Ein Blatt unserer Nachbarstadt Nang ist sogar auch offen genug, seine Verwunderung darüber auszudrücken, daß die deutsche Regierung erst jetzt diesen Germanisirungsakt vor= nimmt, da doch Jeder die durchaus französischen Gesinnungen des Herrn Bezanson kennt. 2 der offiziellen Mittheilung der von der Regierung getroffenen aßregel hat der Gemeinderath am vorigen Sonnabend eine lange und bewegte Sitzung gehalten, um über die von diefer Versammlung anzunehmende Daltung zu be⸗ schließen. Das Ergebniß der langen Debatten war der Beschluß zegen' die Cinfetzung eines deutschen Beamten als Bürgermeisterei⸗ Verwalter zu protestiren und die Antwort der Regierung auf diese Vorstellung abzuwarten. Dann erst will die Versammlung sich darüber schlüssig machen, ob sie ihr Mandat niederlegen oder auch unter der neuen Verwaltung im Amt bleiben soll.“

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 16. Januar. Die nãchste ch des Äbgesrdnetenhauses des österreichi⸗ schen Reichsrathes findet am 22. d. M. statt.

Das „Fremdenbl.“ schreibt heute: „Es liegt noch immer kein Anzeichen vor, aus dem sich schließen ließe, daß die starre Unbeweglichkeit, welche den derzeitigen Stand der Bankfra ge charakterisirt, bald aufhören und energischen Verständigungsversuchen weichen soll. Das hindert nicht, daß bald in der einen, bald in der andern Reichshälfte von einem Ministerrathe die Rede ist, welcher sich dringend mit der Bank⸗

frage befaßt haben soll. Das wird denn auch wieder von ben beiden Ministerrathssitzungen behauptet, welche zuletzt in der ungarischen Hauptstadt abgehalten wurden. Zei alledem kommt aber die Bankfrage, wenigstens äußerlich genommen, nicht vom Fleck und die Zeit des Wiederbeginnes der parla⸗ mentarischen Thätigkeit rückt in beiden Reichshälften heran.“

Schweiz. Bern, 11. Januar. (Köln. tg.) Zum Bischof von Chur wurde vom dortigen Domkapitel Weih⸗ bischof Willi, seither Koadjutor, gewählt. Im Kanton Zug ist die Neuwahl des Kantonsraths am ?. d. M. der Mehrheit nach wieder konservativ⸗ ultramontan ausge⸗ fallen. Die Neuwahl des Tessiner Großen Rathes ist vom dortigen Staatsrath jetzt auf Sonntag, den 21. Januar, anberaumt worden. Der Staatsrath hat dem Bundesrath über die von ihm an diesem Tage getroffenen Maßregeln für Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung Bericht zu er⸗ statten.

Frankreich. Paris, 10. Januar. (Köln. Itg.) Gestern und heute früh hatte der Minister des Innern Unter— redungen mit den Personen, die bestimmt sind, in Kurzem in die Verwaltung eingestellt und namentlich zu Unterpräfekten ernannt zu werden. Die bevorstehende Unterpräfekten⸗ Bewegung soll 28 Absetzungen enthalten. Der Minister der öffentlichen Arbeiten, Christ op hle, der eine Reise nach den Jiederlanden unternommen hatte, ist gestern zurückgekehrt. Das Amtsblatt bringt eine Note, aus der hervorgeht, der Zweck dieser Reise sei hauptsächlich das Studium der beiden in den Niederlanden nebeneinander bestehenden Systeme des Baues und des Betriebes der Eisenbahnen gewesen. Der Minister war von Herrn Schlemmer, Direktor der Eisenbahnen im Mini⸗ sterium, Herrn Solacroup, Direktor der Linie Orleans, und mehreren Ingenieuren begleitet. Der General Chanzy traf gestern in Paris ein. „Union meldet, daß das kath o⸗ lische Institut von Lille, „als katholische Universität der geistlichen Provinz Cambrai, durch päpstliches Breve kanonisch aufgerichtet und durch die französische Regierung anerkannt“, am 18. Januar, am Feste von Petri Stuhlfeier, feierlich er⸗ öffnet werden wird.

Der „Siêcle“ schreibt: „Es kann in der Linken Meinungsverschiedenheiten über die Art der Lösung dieser oder jener Frage geben, aber die drei Fraktionen, welche die⸗ selbe bilden, wissen, daß die große Lösung, welche ihnen bbliegt, die der Gründung und Dauer des republikanischen Regierungssystems in Frankreich, ganz von ihrer Einigung und Eintracht abhängk; und zur Zerbrechung des Bündels bedürfte es etwas anderes als die hinterlistigen Allianz⸗ vorschläge, welche die Geschickten der Partei vielleicht dieser oder jener Fraktion zu stellen gedenken. Die republikanische Partei wird am Vorabend der Ernennung der Gemeinde⸗ und der Generalräthe sich nicht in der Kammer schwächen und damit einer Gefahr der Schwächung im Land aussetzen. Nichts wird daher ein Einvernehmen stören dessen Erhaltung

den' Prinzipien und den Interessen des gegenwärtigen Kabinets entspricht und die reaktionären Blätter, welche sich bereits nach der Arena neigen um die Republikaner sich gegenseitig zer⸗ fleischen zu sehen werden das Vergnügen eines solchen Anblicks nicht erhalten.“ /

= 12. Januar. (W. T. B) Der Ju stiz⸗Min iffẽt Martel ist von seiner Krankheit nunmehr wiederher⸗ gestellt und hat die Leitung seines Ministeriums über⸗ nommen.

Versailles, 11. Januar. Der Senat hat den Aus⸗ lieferungsvertrag mit England genehmigt und sich dann auf unbestimmte Zeit vertagt. Der Deputirtenkam⸗ mer wurde vom Finanz⸗-Minister das Budget pro 1878 vorgelegt.

Italien. (Köln. Ztg.) Am 8. Januar starb der im Jahre 1814 geborene Graf Luigi Mastai, ein Sohn des Grafen Gabriel Mastai, Bruders des Papstes Pius L.

Türkei. Konstantinopel, 11. Janua⸗. (W. T. B.) Auch die heutige Sitzung der Konferenz ist resultatlos verlaufen. Die FDivergenzen zwischen den Vertretern der Mächte und denen der Pforte beziehen sich namentlich darauf, daß die Türkei dabei beharrt, jede Intervention der Mächte bei der Ernennung der General-Gouyerneure, sowie die Ein⸗ setzung einer internationalen Kommission zurückzuweisen. Die Vertreter der sechs Mächte befanden sich während der ganzen Debatte im vollsten Einvernehmen. Die nächste Sitzung sindet am Montag statt und verlautet, daß die Vextreter der Mächte in derselben eine endgültige Antwort der Pforte mit Entschiedenheit verlangen würden.

Wie das „W. Fremdenbl.“ unterm 10 vernimmt, hat der Marquis v. Salisbury auf telegraphischem Wege für sich und seine Familie Appartements in einem Hotel in Mentone bestellt.

—— Die „Wien. Ahendpost“ vom 10. schreibt: Wir haben rst kürzlich hervorgehoben, daß die letzten Meldungen aus Konstantinopel die Möglichkeit einer friedlichen Ver⸗ ständigung in den Vordergrund treten lassen, und können heute konstattren, daß der Verlauf der am 8. d. M. abgehal⸗ tenen Konferenzfitzung auch in den uns heute vorliegenden Blättern als ein den Friedenshoffnungen günstiger betrachtet wird. In diesem Sinne wird z. B. aus Paris der „Indẽe⸗ pendance belge“ unter dem 8. d. M. telegraphisch gemeldet: „Die im Ministerium des Aeußern, so wie bei den Botschaf⸗ ten Rußlands und der Türkei eingeholten Informationen stellen alle eine, wenn auch nicht sofortige, doch in nicht ferner Zeit bevorstehende friedliche Lösung der orientalischen Krisis in Aussicht.“

Die frühere und gegenwärtige Thätigkeit der russi⸗ schen Politik in Sachen der Konferenz wird von dem Brüsseler „Nord“ folgendermaßen charakterisirt: „Es ist ebenso ungenau wie ungerecht, zu glauben, daß die russische Diplo— malie von vornherein auf die von ihr vorhergesehene Wei⸗ gerung der Türkei spekulirt habe, um, vollständig von der öffentlichen Meinung gerechtfertigt, Krieg führen zu kön⸗ nen. Dieser Macchiavellismus würde nothwendigerweise einen von Anbeginn an feststehenden kriegerischen jweck voraus— setzen lassen. Weit natürlicher aber erklärt sich für uns die gegenwärtige Zurückhaltung Rußlands aus der Absicht, ge⸗ meinsam mit Europa die Vermittelungsversuche bis ans Ende anzustellen, und, wenn schließlich doch der Krieg nicht vermie— den werden kann, aus dem Entschluß, diesen Krieg bis zu dem Augenblicke zu vertagen, da es Jedermann und nament⸗ lich dem russischen Volke feibst augenscheinlich wird, daß seine

gestatten.“ .

Weiter neröffentl icht der Nord“ einen Brief aus St. Petersburg, welcher die Anschauungen der dortigen politischen Kreise also zusammenfaßt: Rußland dürfe sich von der Uebereinstimmung und der gemeinsamen Aktion mit den Großmächten nicht trennen, müsse die in Konstantinopel ver⸗ folgte Aufgabe als eine europäische Aufgabe betrachten. Man erkenne zwar in St. Petersburg, daß das Werk der Konferenz scheitern könne; aber selbst in diesem Falle, selbst bei einem endgültigen Widerstande der Türkei, werde die russische Re⸗ 6 nicht sofort einen äußersten Entschluß fassen: sie habe einerseits die Lasten des Krieges abzuwägen und anderer⸗ seits sich zu fragen, ob es selbst unter letzterem Gesichtspunkte nicht besser wäre, endlich einmal dem drückenden Unbehagen, welches der ewig kritische Stand im Drient bereite, ein Ende zu machen; aber wenn sie diesen letzteren Entschluß fassen würde, so würde sie es zu der ihr gelegenen Stunde und unter Zuratheziehung vor Allem der Interessen des Landes thun. Der „Nord“ begleitet diese Darstellung mit fol⸗ genden Bemerkungen: „Diese Erwägungen müssen den Stand der Geister in den politischen Kreisen St. Petersburgs richtig wiederspiegeln. Man begreift in der That, daß, wenn die

Reformarbeit der Konferenz durch immer neue Aenderungen

nahezu illusorisch werden muß, Rußland sich nicht gedrängt fühlt, sich zum bewaffneten Vorkämpfer eines Werkes aufzu⸗ werfen, welches in seinen Augen nicht mehr den Wirklichkeiten und Nothwendigkeiten der Lage entsprechen würde. Man würde also nicht zu befürchten haben, den Krieg ipso facto durch das Scheitern der Konferenz ausbrechen und den Streit die Verhältnisse einer diplomatischen Sanktion über— schreiten zu sehen. Das ist die in mehrfacher Hinsicht beruhi⸗ gende eine Seite. Aber es wäre unklug, darin etwas Weiteres zu. erblicken als einen Aufschub. Der passive Widerstand der Türkei kann nicht das letzte Wort der Lage sein, wie groß auch die Langmuth sein mag, die Dinge nicht zum Aeußersten zu treiben. Man darf nicht vergessen, daß der Krieg zu dieser Stunde virtuell besteht, daß der erneuerte. Waffen- stillstand am 1. März abläuft und daß sich die Pforte zu jener Zeit wieder im Zustande der Feindseligkeiten mit Ser— bien und Montenegro befinden wird. Es tritt da ein kriti— scher Verfallstag ein, der vielleicht stärker sein wird, als jeder Wille und jede Vorsicht. Auch wenn es gelänge, den Krieg auf unbestimmte Zeit zu vertagen, so wäre doch nichts schlim⸗ mer, als ein Flickwerk im Orient, nicht nur für die beson⸗ deren Interessen der Christen und Rußlands, sondern auch für die europäischen Interessen im Allgemeinen. Wäre nicht die durch Monate andauernde Gefahr, daß eine langwierige Krisis plötzlich zur Katastrophe führe, unvereinbar mit der Sicherheit der Finanzen, des Handels und der Industrie Europas?“

Ueber die an der Donau von Widdin an bis Tultscha konzentrirten kürkischen Streitkräfte erfährt ein Konstan⸗ tinopler Korrespondent der „A. A. Ztg.“ folgende Einzelheiten: in Rustschuk stehen 20,006 Mann; in Schumla 25,000; in Widdin 260,906; in Tutrakan S000; in Silistrig 15,9090; in Tultscha 260,000; in der Drobudscha 30, 000 in Nikopoli 6000; in Pleyne 40090; in Gabrova 6600; in Tirnova 4000; in Sistov 2500; in Lom Palanka 3060; in Rahova 2000; in Varna 20,000; im Ganzen also 185,500 Mann. Das W. „Fremdenbl.“ bemerkt hierzu: „Wir halten diese Ziffern für weitaus zu hoch gegriffen.“

Ueber das seiner Zeit auf der Konferenz diskutirte

Projekt einer künftigen Organisation Bulgariens schreibt

ein „Kenner der dortigen Verhältnisse“ dem „W. Fremdenbl.“ zufolge: „Jener Theil der europäischen Türkei, welcher in das FProkrustesbett der zwei Vilajets von Bulgarien eingezwängt werden soll, bildet vier volkswirthschaftliche Gruppen. Der erste Theil, ist das Land zwischen der Balkankette und der Donau, das gegenwärtige Do nau-Vilajet, welches gegen die Donau im Norden als seinem natürlichen Ausgangspunkt gravitirt. Der zweite oder nordwestliche Theil von den, Quellen der bulgari⸗ schen Morawa im Karadagh bis Nisch gravitirt nordwärts

in der Richtung von Serbienz und wenn einst die.

Eisenbahnlinie zwischen Liskuv und Nisch bis Belgrad vollendet ist, muß er noch mehr als jetzt in dieser Richtung streben. dritte oder südwestliche Theil von der Wasserscheide Bardar gegen Süden, ebenso

dopekette, gravitiren voll⸗

wo sich

keine Beziehungen.

leichte Kommunikationen.

Südosten, von den Südabhängen des

gravitirt gänzlich gegen Adrianopel und Konstantinope

Der „A. Allg. Ztg.“ wird über eine in Fon stanu⸗ tinopel stattgehabte Geldpanik von dort unterm 30. Dezember Folgendes berichtet:

Die Nachricht von der Einpackung der Effekten der russischen Botschaft ist richtig gewesen, und man legt dies als den Anfang des Krieges aus. Auf einmal Vormittags brach eine Geldpanik unter der Bevölkerung aus und wollte Jeder sich des Papiergeldes entledigen. Dieses, welches gegen Goldlire (100 Piaster am Mittwoch 1243, am Donnerstag 1535 P. im Course stand, wurde noch mehr ent⸗ werthet, und man wollte es nicht anders als mit 147, dann 150 bis 155 P. annehmen. Im gewöhnlichen Verkehr wurden die Zettel von 5 P., die bis jetzt den Zwangscours gegen das hier bestehende Kupfergeld (Bukir) von 65 P. besaßen, mit Mühe um 4, böchstens 5 P. angenommen; ja man verweigerte sogar die Annahme desselben, sich mit dem Mangel an Kupfer⸗Scheidemünze entschuldigend. Schnell verbreitete sich diese Nachricht in allen Vierteln von Galata und Pera und ein Jeder eilte Einkäufe in Papiergeld zu machen, was nicht so leicht ging. Am ärgsten ist es bei den Bäckern zugegangen, die in Folge des Sinkens des Papiergeldes ihre Brodpreise von 24 auf 3 P. fur halbweißes und von 3 auf 5 P. für weißes Weizenbrot erhöhten. Der Pöbel belagerte viele Brotgewölbe, verlangte ungestüm den Ver⸗ fauf zu früheren Preisen und das absolute Wechseln des Papiergeldes, welches mit dem Mangel an Kleinmünze entschuldigt wurde. Es kam zu Tumulten, Auftritten. Mißhandlungen 2c. die nach dem Cour⸗ rier d Orient“ in den Vierteln von Galata, Pera, Tataola, Jenytschair ꝛc. die bedeutendsten waren. Dort giebt es genug ein⸗ gebrochene Thüren, zerschlagene er e, geplünderten Brodvor⸗ rath, verwundete Personen und miß jandelte Bäcker. Dasselbe Jour⸗ nal versichert, daß es in anderen Quartieren, als Kassimpasche, Tur⸗ limpasche, Beschiktasch, Pandakli ꝛc. nicht besser zuging. Ich sah felbst am Nachmittag, wie die Leute einen weiten Weg machen mußten, oft eine halbe Stunde, um ein offenes Brodgewölbe zu finden. Dasselbe thaten auch die Tabaksverkäufer, indem sie am liebsten die Läden sperrten, um dem absoluten Drängen zur Annahme und zum Wechseln des Papiergeldes zu entgehen. Die Inter⸗

vention der Munizipalbehörden beschränkte sich daranf, die Leute zum

friedlichen Auseinand ergehen zi bewegen, indem man ihnen vorstellte⸗ daß der Bäcker keine Scheidemünze habe und nachdem der Courg des Papiergeldes gefallen, er nicht verhalten werden könne, diese Noten nach ihrem Zwangscourg, anzunehmen und das Brod zu demselben Preise zu verkaufen. Erst gegen Abend legte sich die Aufregung;

eute verschwand sie allmählich, nur die einzige Spur zurücklassend.

daß das Brod und andere Lebensmittel wenigstens um ein Viertel des Preises gestiegen sind. 3 Betreffs der zwischen Rumänien und der Türkei über die Bedeutung zweier Artikel in der türkischen Verfassung, die von dem Gebiete und der Einwohnerschaft der Turkei handeln, entstandenen Differenz, welche auch in den ru mäni⸗ schen Kammern zu lebhaften Verhandlungen geführt hat, ist, wie den Times. berichtet wird, alle Hoffnung vorhanden, diese Differenz friedlich beigelegt zu sehen, da die Pforte der rumänischen Regierung bereits habe erkären lassen, der Wortlaitt der betreffenden Artikel solle, wenn er auch nicht ganz korrekt wäre, kein Grund zu Besorgnissen für Numänien sein, da sie selber niemals beabsichtigen konnte, durch einen Akt der inne⸗ ren Politik in irgend einer Weise die Stellung zu alteriren, welche Rumänien durch völkerrechtliche Verträge besitze. Dieser Erklärung der Pforte meint der Korrespondent der „Times“ komme gerade noch zur rechten Zeit; es würden zwar noch einige Erörterungen über deren Form erfolgen, aber im Wesentlichen sei die Türkei bereit, Alles zu thun, um die in Rumänien entstandene Aufregung zu beschwichtigen, und es sei zu hoffen, daß eine beide Theile befriedigende Form dafür werde gefunden werden. .

Als Gegenstück zu den Sympathien, schreibt das W. „Fremdenbl.“ vom 160, welche die Christen der asiatischen Türkei den Russen entgegenbringen dürften, melden kaukasische Zei⸗ tungen von mohamedanischen Emissären, welche die Bergvölker fanatisiren sollen. Es werden deren sogar vier mit Namen genannt; unter ihnen auch der Sohn Schamyls. Was jene Völker eigentlich beabsichtigen, indem sie sich gegen Rußland erheben, ist nicht einzusehen. Man läßt ihnen ihren Glauben, sie genießen eine Menge von Privilegien, die ihnen die Ober⸗ herrschaft der Türkei oder die Herrschaft eines Stamm⸗ gberhauptes niemals gewähren wird und kann. Doch der Religionsfanatismus ist blind und läßt sich mit Gründen der Vernunft nicht dämpfen.

Ru stschuk, 3. Januar. Der „Pol. Korr. wird von hier geschrieben: Der Ober ⸗Kommandant Ter türkischen Denau⸗Armee Achmed Eiub. Pascha gönnt sich keine Rast und Ruhe. Kaum ift er von der Inspizixung des befestigten Lagers von Schumla und der um Varna konzentrirten Truppen zurückgekehrt, so ist er schon wieder daran mit seinem Generalstabe eine neue Inspektionsteur vorzunehmen. Gestern ist er bereits mit seinem Gefolge abgereist und geht es zu⸗ nächst nach Widdin. In der Suite Achmed Ejubs befinden sich die Generale Aziz und Rifaat Pascha. Am dritten Bairamstage besich⸗ tigte Achmed Ejub die hiesige Festung und ihre Außenwerke. Er ordnete neue Verstärkungsarbeiten an. In Widdin wird Achmed Siub mehrere Tage verweilen, da es prosektirt ist, außerhalb dieser Festung ein befestigtes Lager für eine Division zu errichten. Wie man hört, geht die Reierung mit der Absicht um, für den Fall. des Ausbruches eines Krieges mit Rußland die bulgarische Bevölkerung gus den Festungen Widdin, Rustschuk und Tultscha auf Regierungskosten zur Ueberfiedlung in das Innere des Vilajets zu veranlaffen. In den nächsten Tagen werden die Wahlen ins Parla—⸗ ment im ganzen Vilajet vorgenommen werden. Ibrahim Pascha, der Adlatus des Vali Rifaat Pascha, und der Chef der Korrespon⸗ denz des Vilgjets Achmed Bey sind ausersehen, die Wahlen zu leiten und zu überwachen. Die genannten Regierungskommissäre begeben sich nächstens zu diefem Zwecke nach den verschiedenen Sandschakats und Kasas. Man bezweifelt Fier sehr, daß die Bevölkerung sich in lebhafter Weise an den Wahlen betheiligen werde. Die Begeisterung unter den Bulgaren für die offiziell Konstituzia Osmanska. benannte Verfassung sst böchft zweifelhaft. Zur apathischen Aufnahme, welcher die tür⸗ kische Verfassung bei den Bulgaren begegnet, trägt wohl die Agitation des bulgarischen Comités in Bukarest nicht wenig bei. Das neueste Produkt dieser Agitation ist ein an die bulgarische Nation erlassenes Manifest, in welchem als das Minimum der von der Pforte zu erringenden Konzessionen eine Autonomie bezeichnet wird, wie sie Serbien 1818 erlangt hat. Dieses Manifest ist stark im Vilajet verbreitet und findet großen Anklang. In hiesigen offi⸗ ziellen tüͤrkischen Kreisen sucht man der Agitation und Mißstimmung durch Lanzirung des Gerächtes entgegenzuwirken, daß schon in der allernächsten Zeit ein Christ zum Generalgouverneur des Donau⸗Vilajets ernannt werden dürfte. Auch die Kajmakamgte sollen mit Christen besetzt und ihnen mohammedanische Assistenten beigegeben werden. Die Bulgaren begegnen aber diesen mit großer Positivität auftretenden Gerüchten mit Mißtrauen und vermuthen, daß es höchstens dazu kommen könnte, einen Armenier zum Vali zu ernennen. Die dem türkischen Staatsdienste sich widmenden Armenier genießen aber zum großen Theile nicht des günstigsten Rufes. Man beschuldigt sie ge⸗ meiniglich aller Fehler der türkischen Beamten, ohne daß sie die Vorzüge dieser letzteren besitzen.

Rumänien. Bukarest. Der „Pol. Korr.“ gehen von hier folgende Zeilen zu: „Bisher ist seitens öster⸗ reichischer Israeliten keinerlei Reklamation hier erhöben worden. Unter den Israeliten, welche von dem Distrikts-Präfekten angewiesen wurden, einzelne Ruralgemein⸗ den zu verlassen, weil sie ihren Steuerpflichten nicht

entsprochen haben, sind höchstens drei bis vier österreichischungarische Staatsbürger. Der österreichisch⸗ ungarische Konsularleiter, Ritter von Bosizio, hat sich, obschon ihm keinerlei Reklamation zugegangen ist, sofort bei der hiesigen Regierung verwendet, die ihrerseits all—⸗ sogleich jede exekutive Maßregel gegen die Israeliten des Di⸗ strikts Waschlui suspendirte und eine Enquéete⸗Kommission, mit dem früheren Polizei⸗Präfekten Pake an der Spitze, an Ort und Stelle entfendet hat. Auch das österreichisch-ungarische General-Konfulat wird einen Delegirten dahin entsenden. Daß aber thätliche Mißhandlungen vorgekommen seien, oder den Juden ihre Habe weggenommen worden wäre, ist gänz⸗ lich unwahr.“

Rußland und Polen. St, Petersburg, 10.. Januar. Um die andauernd in der ausländischer Presse über den angeblich so ungünstigen Cesundheitszustan d bei ber aktiven Südarmee verbreiteten Angaben auf ihr en richtigen Werth zurückzuführen, konstatirt die Pol. Kor r.“ nach offiziellen Ziffern, daß laut Rapporten, die bis zum Heu tigen Tage hier eingelangt sind, die Gesanmtzahl der Kranken bei der Südarmee 1451 beträgt, was H, z3 Proz. der, Ge⸗ sammtstärke gleichkommt. Epidemische Krankheiten sirld gar nicht vorhanden und ist das Krankenprvzent bei den eänzelnen Divisionen durchschnittlich unter Eins

= 12. Januar. (W. T. B) Das Budget Für das Jahr 1877 ist folgendermaßen normirt: Die Ein ahmen sind veranschlagt auf 570, 78,ů 0909, die Ausgaben auf 568,770, 000 Rubel. Die diesjährigen Einnahmepositionen sind gegen die vorjaͤhrigen bei dem Budget für die Post und die Telegraphen um 2 Millionen und bei dein Ertrage der Zuckersteuer um j Million höher angesetzt, während die Zollerträgnisse pra