1877 / 17 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 20 Jan 1877 18:00:01 GMT) scan diff

großer Energie auf neue Unternehmungen wirft. Männer, die sich angelegen sein lassen, die wirthschaftliche Bewegung zu studiren und zu ergründen, müssen in diesem Augenblick, jene Eventualität vorausgesetzt, weit mehr Sorge davor baben, daß die Unternehmungslust nicht wieder in eine Art Schwindel ausartet, als wie sie zu befürchten haben, daß die Unternehmungslust noch lange zurückbleiben wird. Ich kann im Interesse unseres Landes nur wünschen, daß wir ruhig und besonnen vorgehen möchten, daß diese politischen Besorgnisse zerstreut werden mögen, und daß, wenn sie zerstreut sind, man sich nicht verleiten lasse zu übertriebenen Speku⸗ lationen sondern daß dann der Unternehmungsgeist den Anstoß und

en Sporn gebe zu einer kräftigen Entwicklung der soliden Industrie.

In der heutigen (5.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher am Ministertische der KriegsMi⸗ nister General der Infanterie v. Kameke und mehrere Regie⸗ rungskommissarien beiwohnten, theilte der Präsident mit, daß von dem Abg. Windthorst (Meppen) eine Interpellation, be⸗ treffend die Ueberschmemmungen in der Nogatniederung und Linderung der Noth der dadurch Betroffenen eingegangen ist. Die Uebersicht der Staatseinnahmen und Ausgaben des Jahres 18675 wurde auf Antrag des Abg. Dr. Hammacher der Rechnungskommission überwiesen. Es folgte die Be— rathung der Nachweisungen über die Resultate der Veran— lagung zur Klassensteuer und klassifizirten Einkommen⸗ steuer für das Jahr 1876. Der Abg. Rickert beantragte die Verweisung der Vorlage an die Budgetkommission, der Re— gierungskommissar, Geh. Ober⸗Finanz⸗Rath Rhode, wies die Angriffe des Abg. Roeckerath gegen das System der direkten Steuern im Allgemeinen, wie gegen die Veranlagung zur klassi⸗ fizirten Einkommensteuer insbesondere, zurück. Nachdem noch die Abgg. Dr. Nasse, v. Meyer und Dr. Jansen das Wort er⸗ griffen hatten, wurde die Vorlage der Budgetkommission über— wiesen. Dasselbe geschah mit dem Rechenschaftsbericht über die weitere Ausführung des Gesetzes vom 19. Dezember 1869, betreffend die Konsolidation preußischer Staatsanleihen. In erster und zweiter Berathung passirte hierauf ohne Debatte der Gesetzentwurf, betreffend die anzufertigenden und zum Verkauf zu stellenden Stempelsorten. Der Nachweis über die Verwendung des im Etat der Eisenbahnverwaltung pro 1875 unter Titel 78 der einmaligen und außerordentlichen Ausgaben ausgesetzten Dispositionsfonds von 900,000 S6 wurde auf Antrag des Abg. Berger an die Budgetkommission verwiesen. Auf Wunsch desselben Abgeordneten versprach der Regierungskommissar, Ministerial⸗Direktor Weishaupt, dem Hause einen Nachweis über den Fortgang der Eisenbahnbauten im Jahre 1875 baldigst vorzu— legen. In erster und zweiter Berathung wurden die Gesetzentwürfe, betreffend die Verpflichtung zum Halten der Gesetz-Sammlung und des Amtsblattes im Herzogthum Lauenburg und die Ein⸗ stellung der Erhebung der Meßabgabe in Frankfurt a. O. ge— nehmigt. Es folgte die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend eine anderweite Einrichtung des Zeughauses zu Berlin. Am Schlusse des Blattes hatte der Abg. Dr. v. Gerlach das Wort.

An der im nächsten Sommer in Amsterdam statt— findenden kun stgewerblichen Ausstellung können sich auch deutsche Industrielle in der Form der Bewerbung um 25 Geldpreise von 100 bis 1000 Fl. Holl. (ca. 170 bis 1700 Mark) betheiligen. Dem in Amsterdam gebildeten Comité sind für den preußischen Staat der Geh. Regierungs⸗Rath Lüders im Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten, und der erste Direktor des Deutschen Gewerbe⸗Mu⸗ seums in Berlin, Grunow, beigetreten. Programme sind von dem Ersteren zu erbitten und an ihn guch etwaige An— meldungen bis zum 31. Januar d. J. einzusenvden.

Die Einnahmen an Zöllen und gemeinschaft— lichen Verbrauchssteuern im Deutschen Reich haben für die Zeit vom 1. Januar bis zum Schlusse des Monats Dezember 18785 (im Vergleich mit der Einnahme in demselben Zeitraum des Vorjahrs) betragen: Zölle 120,591,459 (S (. 1445754 6), Rübenzuckersteuer 49,500,492 S6 ( L676,.205 6), Salzsteuer 33,585,902 M ( 274,B371 0, Tabakssteuer 83, 157 M (4 224,508 S), Branntweinsteuer 44, 92,278 6 ( 3,182,057 6), Uebergangsabgaben von Branntwein 127,331 60 ( 14818 6, Brausteuer 17405, 009 S6 ( 148,042 M6, Uebergangsabgaben von Bier S894, 703 6 ( 9118 6). Summa 267,941,341 (MM! C ö/ M3, 675 ).

Die in der heutigen Börsen-Beilage abgedruckte tabellarische Uebersicht der Wochen-Ausweise der deutschen Zettelbanken vom 15. Januar schließt mit folgenden summarischen Daten: der gesammte Kassenbestand betrug 721,028,000 (it, und war der Vorwoche gegenüber um 21,724,000 angewachsen, während der Wechselbestand mit 71,125,000 e eine Abnahme um 35,836,006 S, und die Lombardforderungen mit 91,455,009 S6 eine solche von 3,713,090 M nachweisen; ferner hat sich der Notenumlauf bei einem Betrage von 957,892,000 6 um 25,571,000 Ss ver— mindert, die täglich fälligen Verbindlichkeiten aber konstatiren mit 170,270, 000 eine Zunahme von 8, g02, 000 S, und die an eine Kündigungsfrist gebundenen Verbindlichkeiten mit 103,827,000 S eine solche von 663,000 M.

. Die Verordnung, vom 10. März 1874 über die Er⸗ gänzung des Offizier⸗-Corps der Kaiserlichen

Veränderungen erfahren. Die Ergänzung erfolgt fortan aus solchen jungen Männern, welche entweder als Kadetten ein⸗ treten oder als Matrosen zur Beförderung zugelassen werden. Matrosen der Kaiserlichen Marine, welche mit Aussicht auf Beförderung zum Offizier weiterdienen wollen, können, nach

dem sie sich geeignet gezeigt haben, von dem Comniandeur

der Matrosendivision hierzu der Admiralität in Vorschlag ge— bracht werden. Sie haben sich alsdann außer den sonst vor—

geschriebenen Papieren noch durch Zeugnisse der Komman⸗ eit innerhalb des va e, , n , ,, g. danten oder Schiffsführer über eine auf secgehenden Kriegs. Kirchtichen, Vermögens, ahermindesten; zur eit noch, nicht ohne

oder Handelsschiffen zurückgelegte Fahrt von 12 Monaten, dann über Führung, Kenntnisse und Leistungen auszuweisen. Für die Zulassung zur Eintrittsprüfung und die Ablegung dieser Prufung, welche nur vor dem vollendeten zwanzigsten Lebensjahre stattfinden kann, bleiben die getroffenen AÄnord⸗ nungen maßgebend. Diejenigen Matrosen, welche diesen Be⸗

schifft, und von da ab den Kadetten gleich behandelt.

des Hausirhandels nicht als eine selbständige gewerbliche Leistung im Sinne des 5. 59 der Gewerbe⸗Ordnung vom 21. Juni 1869, sondern lediglich als eine Modalität des

Waarenverkaufs anzusehen, welche letztere in dem Gewerbe—

tungen bezüglich ihrer Ab

Nach einem Spezialerlaß des Ministers des Innern sind ermächtigt, diese Nachricht für völlig grundlos zu erklären.“

vom 30. September v. J. ist das Ausspielen gering fügiger beweglicher Gegenstände bei Gelegenheit

Legitimationsscheine der betreffenden Person keine Aufnahme zu finden hat. Für die Zulassung jener Ausspielungen sind die Vorschriften der Allerhöchsten Ordre vom 2. November 1868 in ihrem ganzen Umfange nach wie vor maßgebend.

In Gemäßheit der S8. 18, 22 und 23 des Gesetzes vom 8. Juli 1875, betreffend die Ausführung der §5§. 5 und 6 des Gesetzes vom 30. April 1873 wegen der Dotation der Pro⸗ vinzial⸗ und Kreisverbände, sind die bereits vom 1. Januar 1876 ab in die Unterhaltung und das Eigenthum des Provinzial⸗ verbandes von Brandenburg und des Stadtkreises Berlin übergegangenen früheren Staats-Chausseen und chaussirten Straßen, mit allen Nutzungen und Pertinenzien, und zwar: insoweit dieselben zum Geschäftsbereich der Königlichen Regie— rungen zu Potsdam und Frankfurt a. O. gehörten, in die Verwaltung des Provinzialverbandes der Provinz Bran⸗ denburg, insoweit dieselben dagegen zum Geschäftsbereich der Königlichen Ministerial⸗Baukommission zu Berlin gehörten, in die Verwaltung der Stadt Berlin definitiv übergegangen.

Der Kaiserlich und Königlich österreichisch⸗ungarische Botschafter Graf Kärolyi ist nach Berlin zurückgekehrt und hat die Leitung der hiesigen österreichisch-ungarischen Botschaft wieder übernommen.

. Der General-Lieutenant von Hausmann, In— specteur der 1. Feld⸗Artillerie⸗Inspektion, ist mit kurzem Urlaub von Posen hier eingetroffen.

S. M. S. „Gazelle“ ist am 19. Januar er. Mittags von Sheerneß nach Plymouth in See gegangen.

Kiel, 17. Januar. (Kiel. 3.) Durch Kaiserliche Ordre vom 9. Januar d. J. ist die Streichung der Dampfkano— nenboote „Scorpion“ und „Tiger“ aus der Liste der Kriegsfahrzeuge befohlen worden. 31 a, CQ

Württemberg. Stuttgart, 17. Januar. Der „Staats⸗-Anzeiger für Württemberg“ konstatirk in einem die württembergischen Reichstagswahlen besprechenden Artikel, daß das Centrum gar keine Verstärkung errungen, die de mokratische Partei nur einen Sitz gewonnen habe und die fünf neuge— wählten Abgeordneten, falls sie überhaupt einer Fraktion bei treten sollten, der deutschen Reichspartei zuzuzählen seien. Weiter heißt es in dem bezüglichen Artikel: Gegenuͤber den von national— liberalen Blättern gebrachten Nachrichten darf auf das Bestimm— teste behauptet werden, daß das Unterliegen einiger vorgeschritte— ner nationalgesinnter Kandidaten den Wahlen weder einen antinationalen Charakter aufdrückt, noch einen Wechsel der Regierungspolitik bedeutet. Richtig ist allerdings die Ver⸗ schiebung des Stärkeverhältnisses innerhalb der nationalge— sinnten Parteien zu Gunsten der gemäßigteren Richtung. Keine Partei hat das ausschließliche Vorrecht, national zu heißen. Württembergs Volk und Regierung haben Beweise ihrer nationalen Gesinnung gegeben, welche die Befürchtung, daß sich eine Wandlung vollzogen habe, als grundlos er— scheinen lassen.

sch Hessen. Darmstadt, 13. Januar. Die „Darmst. Ztg.“ schreibt:

Gelegentlich der Berathung des von der Regierung vorgelegten Gesetzentwurfs in Betreff der Regelung des finanziellen Verhält⸗ nisses zwischen dem Staate und der evangelischen Kirche des Landes hat die Zweite Kammer das Ersuchen an die Regierung beschlossen: baldthunlichst dafür zu sorgen, soweit etwa nöthig durch eine Vor— lage noch an diesen Landtag; daß die Verwaltung des evan—⸗ gelischen Kirchenvermögens durch rein staatliche Be— hörden erfolgt, und damit die dermalige Doppelstellung des Ober⸗ Konsistoriums und seiner Mitglieder und Beamten überhaupt und namentlich auch in der Richtung beseitigt wird, daß diese Be—⸗ hörde mit ihren Mitgliedern und Beamten keinerlei staatliche Funktionen mehr zu verrichten, auch wegen solcher Funktionen einerlei besondere Ansprüche an den Staat und staatliche Institute und Einrichtungen mehr erheben kann. Die Erste Kammer ist, wie berichtet, diesem Beschluß nicht beigetreten, hat dagegen mit 20 gegen 4 Stimmen das Ersuchen an die Regierung beschlossen: die Doppel- stellung, in welcher sich das Ober⸗-Konsistorium, namentlich in Be⸗ treff der Verwaltung des kirchlichen Vermögens befindet, bei der in Aussicht gestellten Neuregelung dadurch zu beseitigen, daß die Verwal⸗ tnng des kirchlichen Vermögens selbständig den kirchlichen Behörden über⸗ lassen bleibe. Ueber die desfalls erfolgte Rekommunikation hat Namens des Finanzausschusses der Zweiten Kammer der Abg. Theobald weiteren Bericht erstattet, dem wir folgende Ausführung entnehmen: „In Gemäß⸗ heit der Verordnung, die Verwaltung des Kirchenvermögens be— treffend, vom 5. Juni 1832, ist nach den in dieser Verordnung gegebenen Vorschriften: I) das oberste Aufsichtsrecht und das Recht der oberen Leitung der Verwaltung der besonderen und all⸗ gemeinen kirchlichen Fonds, sowie der Kirchenpfründen durch das

Großherzogliche Ministerium des Innern auszuüben; 2) unter dieser obersten Leitung des Ministeriums des Innern die Aufsicht und Leitung der Verwaltung der evangelischen Fonds und Kirchen—⸗ pfründen dem Ober⸗Konsistorium und unter demselben den Kreis⸗ räthen, bejw. der Provinzial⸗Direktion in Mainz, und die Aufsicht

und Leitung der Verwaltung der katholischen Fonds und Kirchen—

Pfründen den Kreisräthen, bezw. der Provinzial-Direktion in Mainz übertragen, und endlich 3) die unmittelbare Verwaltung der Lokal Kirchen- und geistlichen Stiftungsfonds Sache der Kirchenvorstände. Während nun der Beschluß der Zweiten Kammer durchaus nicht irgend welche Aufgabe der staatlichen Aufsicht und Leitung der Verwaltung zum Ziel hatte, vielmehr nur bezweckte, dem Ober— Konsistorium, einer nach der Verfassung der evangelischen Kirche

Maxine hat durch Kaiserlichen Erlaß vom 98. d. M. folgende ein kirchlichen Behörde, die staatlichen Funktionen in Bezug auf

Aufsicht und Leitung der Verwaltung des Vermögens der evange— lischen Kirche abzunehmen und solche, wie das auch in Betreff der katholischen Fonds der Fall ist, rein staatlichen Behörden zu Äàber⸗ weisen, so daß die Anomalie einer gemeinschaftlichen Behörde für Kirche und Staat aufhört, geht dagegen der Beschluß der Ersten Kammer darauf hinaus, die staatliche Aufficht und Leitung der Ver⸗ waltung des Vermögens der evangelischen Kirche selbst ganz aufzu⸗— geben und diese Verwaltung selbständig den kirchlichen Behörden zu überlassen. Darüber war und ist niemals eine Meinungsverschieden⸗ heit innerhalb des Ausschusses gewesen, daß die Verwaltung des

*

staatliche Aufsicht und Leitung den kirchlichen Behörden überlassen werden dürfe. Der Ausschuß ist daher auch einstimmig der Ansicht, daß dem Beschluß der Ersten Kammer Seitens der Zweiten Kammer nicht beizutreten sei.“ = ö .

18. Januar. Die „Darmst, Ztg.“ schreibt: „In öffent⸗ lichen Blättern wird, wenn auch in verhüllter Form, die

l ĩ ) diesen Nachricht verbreitet, daß die Höchsten Herrschaften bei der dingungen entsprechen, werden auf dem Kadettenschiff einge— «

stattgehabten 3 die Angehörigen ihrer Hofhal— timmung beeinflußt hätten. Wir

20. Januar. (W. T. B.) Die Zweite Kammer ist auf den 30. d. M. einberufen worden.

Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 18. Januar. Die Gemahlin des Prinzen Heinrich II. Reuß, geb. Her⸗ zogin zu Sachsen, ist, wie die „Weim. Ztg.“ meldet, in der Nacht vom 15. auf den 16. von einem todten Prinzen ent⸗

bunden worden. Das Befinden der hohen Wöchnerin ist ver⸗ hältnißmäßig befriedigend. Die Großherzogliche Familie ist durch den Tod Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Carl von Preußen in tiesste Betrübniß versetzt worden. = Hof ist eine sechswöchentliche Trauer angeordnet worden.

Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Gotha, 17. Januar. Der gemeinschaftliche Landtag beider Herzogthümer Coburg und Gotha, welcher heute hier zusammentrat, bildete zunächst sein Bureau. Gewählt wurde zum Vorsitzenden Abg. Berlet, zu dessen Stellvertreter Abg. Muther, zum Schriftführer Abg. Forkel, zu dessen Stellvertreter Abg. Grosch. Der Staats⸗ Minister von Seebach begrüßte hierauf den gemeinschaftlichen Landtag mit einer Eröffnungsrede, welcher wir Folgendes entnehmen:

Mit dem Zustandekommen der großen Reichs justizgesetze einem Ereignisse, welches gewiß auch Sie, meine Herren, gleich der Staats⸗ regierung, als ein hoch bedeutsames für unsere nationale Entwickelung erkannt und daher freudig begrüßt haben werden ist jedoch inzwischen eine solche Veränderung der Sachlage eingetreten, daß die Staats⸗ regierung sich für verpflichtet erachten mußte, in reifliche Erwägung zu zi hen, ob sie sich nun noch darauf beschränken solle, die Auf⸗ hebung nur dieses einen Justizam. es zu beantragen, oder ob es sich nicht mehr empfehle, durch eine dem neuen Gerichtsverfassungsgesetze entsprechende durchgreifende Reorganisation unserer Justizbehörden erster Instanz alsbald zu einer theilweisen Ausführung dieses Gesetzes zu schreiten. Wie Ihnen bekannt, meine Herren, ist als spätester Termin der Einführung desselben der 1. Oktober 1879 bereits gesetzlich bestimmt und es liegt durchaus kein Grund vor, der zu dem Zweifel berechtigte, daß dieser Termin nicht werde eingehalten werden. Bis zu diesem Zeitpunkt muß also die Reorganifation unserer Justizbehörden jedenfalls erfolgt sein. Würde daher der Etat jetzt auf Grund der bestehenden Justizorganisation festgestellt, so müßte derselbe nach kurzer Zeit wieder in einer sehr wichtigen und tiefeingreifenden Beziehung umgestaltet werden. Schon aus diesem Grunde hält es die Staatsregierung für das Zweckmäßigere, wenn die Reform der Justizbehörden erster Instanz in der höheren Instanz ist dies zur Zeit unmöglich finanziell und für die Etatsfest⸗ stellung aber auch von geringerer Bedeutung alsbald vollzogen wird und die neue Organisation derselben gleichzeitig mit dem neuen Etat für die nächste Finanzperiode in Kraft tritt.

Noch mehr Gewicht aber glaubt die Staatsregierung auf ein zweites Moment legen zu müssen.

Mit dem Gerichtsverfassungsgesetz treten auch die drei anderen umfassenden Justizgesetze, die beiden Prozeßordnungen und die Kon⸗ kursordnung zugleich in Kraft und bei der gänzlichen Umgestaltung, welche das bisherige Verfahren, namentlich der Civilprojeß, durch diese Gesetze enthält, wird es für die richterlichen Beamten unter allen Umständen eine schwere Aufgabe sein, sich mit diesen großen Gesetzgebungswerken, neben ihren laufenden Geschäften, bis dahin vollständig vertraut zu machen, um bei dessen Anwendung stets das Rechte zu treffen. Diese Schwierigkeit würde aber ohne Zweifel noch bedeutend erhöht, wenn der richterliche Beamte zu demselben Zeitpunkte, wo für ihn die Pflicht eintritt, diese Gesetze zur Anwendung zu bringen, auch räumlich in neue, ihm gänzlich unbekannte oder doch wesentlich ver⸗ änderte Verhältnisse versetzt werden sollte.

Die Staatsregierung hält es daher, sowohl im Interesse der richterlichen Beamten, als auch im Interesse der Rechtspflege selbst, für dringend wünschenswerth, die nothwendige Reform sobald als möglich zur Durchführung zu bringen und bofft, daß Sie, meine Herren, diese Auffassung theilen und dem darauf gerichteten Gesetz⸗ entwurf Ihre Zustimmung nicht versagen werden.“

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 18. Januar. Der Kaiser und die Kaiserin werden kommenden Dienstag, den 23. d. M., in Wien eintreffen.

Der Ezas“ erörtert heute an leitender Stelle die Frage, wie sich die Abgeordneten aus Galizien gegenüber der Ausgleichsangelegenheit im Reichsrathe zu verhalten haben werden. Der „Czas“ wirft die Frage auf, indem er die Angelegenheit vom Standpunkte des Wohles der Gesammt— monarchie entschieden wissen will, welche Reichshälfte verhält⸗ nißmäßig und im Allgemeinen besser gestellt sei. Zweifellos sei es die ungarische. Die Vortheile hätten die Ungarn nur durch die Zwangslage erreicht, in welcher sich die Monarchie im Jahre 1866 befand und sie wollen auch die gegenwärtige gespannte Situation wie damals nur durch Trotz und Ausharren zu ihrem Gunsten ausbeuten. „Angesichts dieser Gefahr geziemt es Allen ohne Unterschied der Gesinnung gegen die ungarischen Prätensionen zu kämpfen. Unter den Ddeut— schen Abgeordneten ist bereits auch ein Widerstand bemerkbar, aber es ist nur zu fürchten, daß sie am Ende nicht wieder sagen: „Wir sind in einer Zwangslage.“ „Die Ungarn,“ meint weiter der „Czas“, werden es auf einen völligen Bruch nicht ankommen lassen. Wenn sie aber die Sache auf die Spitze treiben, wenn sie der Personal-Union zusteuern und allen Ernstes einen europäischen Staat spielen wollen, dann können wir sie von diesem wahnwitzigen Vorhaben auf unsere Kosten abhalten. Was könnte unsere Abgeordneten davon abhalten, sich den magyarischen Forderungen zu widersetzen? Das In⸗ teresse Galiziens gewiß nicht, höchstens nur der Umstand, daß die Gelegenheit da ware, die Regierung zu stürzen. Aber wer von uns weiß, ob an Stelle dieser eine bessere kommt?“

19. Januar. (W. T. B. Die „Wiener Zeitung“ veröffentlicht die Ernennung des Freiherrn v. Haymerle, bisherigen österreichischungarischen Gesandten im Haag, zum Botschafter bei dem Könige von Italien. Gleichzeitig ist demselben die Geheimrathswürde verliehen worden.

Pest, 18. Januar. Ellenör“ charaktiristrt die jetzige Bankfrage wie folgt: „Man spricht davon, die Regierung habe ihre Demission gegeben. Das ist bisher nicht geschehen. Man spricht von einer zurückweisenden Antwort der Krone. Auch das ist nicht geschehen. Die Regierung würde natürlich abdanken, wenn Letzteres geschähe; aber bisher, wir wieder— holen es, ist es nicht eingetreten. Die Regierung hält an ihrem Standpunkte fest, an der Zusammengehörigkeit aller Ausgleichsfragen, in der Bankfrage an den Mar⸗Stipulationen; wenn diese Oesterreich nicht acceptirt, verlangt sie die Ermäch—⸗ tigung für Errichtung der selbständigen Bank. Wenn sie diese Ermächtigung nicht erlangt, dann tritt sie zurück. Man spricht von einem Provisorium, einem Kompromiß. Beide sind unmöglich. Die mit der Erneuerung des Zollbündnisses zusammenhängenden Fragen sind unausführbar, weil die auswärtigen Vertraͤge ab⸗ gelaufen sind, und das Ausland es sonderbar fände, wenn wir neuerdings eine Verlängerung verlangten. In England hat die öffentliche Meinung ohnedies die bisherige Verlän⸗ gerung mißbilligt. In die Trennung der Bankfrage freilich würden die Oesterreicher willigen, aber uns ist sie unannehmbar, wenn wir 1. Alles preisgeben wollen. Wir wissen, der gegenwärtige Zeitpunkt ist uns ungünstig für die Lösung der Bankfrage; allein in der nächsten ukunst ist kein günstigerer

Zeitpunkt zu gewärtigen, sondern eher ein schlechterer, weil der Ablauf der Frist für das 153 Millionen⸗Anlehen benor⸗

steht. Möglich, daß die Oesterreicher gerade darauf spekuliren. Also von Lrobisortum oder Kompromiß ist keine Rede. Die mit einer Vertagung verbundene schwere Verantwortung kann die Regierung sich unmöglich aufladen.“

Schweiz. Bern, 16. Januar. Herr Nationalrath Bavier von Chur, der anläßlich des Tessiner Ver⸗ fassungs⸗Konflikts vom Bundesrath im vergangenen Jahr nach diesem Kanton entsandte eidgenössische Kommissar, hat sich behufs Ueberwachung der Neu wahl des dortigen Großen Raths, welche vom Staatsrath auf nächsten Sonntag, den 21. Januar anberaumt worden ist, gestern nach Lugano be⸗ geben. Die vom Staatsrath getroffenen Maßregeln sollen übrigens derart sein, daß eine ernstliche Störung der Ruhe und Ordnung am Tage der Wahl nicht zu befürchten sei.

Großbritannien und Irland. London, 18. Januar. Dem „Standard“ zufolge wäre ein Kriegsschiff nach La buan an der Nordostküste von Borneo beordert worden, da man auf der Insel Ruhestörungen befürchte. Die 80 Tonnen schwere Kanone wurde, wie die „A. A. C.“ meldet, gestern in der eigens für ihren Transport gebauten Barke „Magog von Woolwich nach Shoeburyneß gebracht, wo weitere Schieß⸗ versuche gegen eine 32 Zoll dicke gepanzerte Scheibe statt— finden sollen. ; K

(K. Ztg.) Aus Rouen wird der frühzeitige Tod des Erben einer der großen englischen Pairien gemeldet. Viscount Milton, 1859 geboren und 1865 bis 1872 Mit⸗ glied des Unterhauses, war der älteste Sohn des Earl Fitz William, des Hauptes der alten Familie Wentworth, und einer der einflußreichsten englischen Pairs auf liberaler Seite, mit bedeutendem Grundbesitz in der Grafschaft Yorkshire. Erbe des Lord Milton ist sein kaum fünfjähriger Sohn.

Das „Mil. ⸗Wochenbl.“ brachte kürzlich mehrere Artilel über die heutige Seemacht Großbritanniens. Darin heißt es: Wenn wir den Effektivbestand der englischen Flotte summiren, so finden wir, daß Großbritanniens Seemacht be— steht aus: 30 Panzerbreitschiffen mit 427 Kanonen, 144149 Mann; 13 Panzerthurmschiffen mit 49 Kanonen, 2894 Mann; 16 Fregatten mit 371 Kanonen, 7760 Mann; 26 Korvetten mit 460 Kanonen, 6800 Mann; 34 Schaluppen mit 215 Kanonen, 5200 Mann; 55 größeren Kanonenbooten (Gun— Vessels) mit 221 Kanonen, 46097 Mann; 20 Kanonenhooten zur Küstenvertheidigung mit 20 Kanonen, 5h90 Mann; ü Torpedoboot mit 30 Mann; zusammen 195 Schiffe mit 1703 Kanonen, 41,730 Mann. 7

Frankreich. Paris, 18. Januar. (K. Ztg.) Im heutigen Ministerrathe wurde die Ernennung des Contre—⸗ Admirals Roussin zum Unter⸗-Staatssekretär des Marine-Ministeriums beschlossen. Ferdinand Du val wird, dem Vernehmen nach, die Seineprãäfektur behalten, aber Decrais, der jetzige Präfekt der Gironde, die Polizeiprafektur von Paris erhalten. „Bien Public“ will wissen, Rouland, der Gouverneur der Bank von Frankreich, werde ersetzt werden. Der Maire nebst den 4 Beigeord⸗ neten in Saint Etienne haben ihren Rücktritt erklärt. Durch Dekret vom gestrigen Tage ist die Wahl in Avignon auf den 11. Februar ausgeschrieben. Die De⸗ putirtenkammer hat seiner Zeit die Wahl des von dem Prä— fekten aufgestellten Dudemaine verworfen. Es handelt sich also jetzt darum, ob die Wähler das Urtheil der Jammer be stätigen oder Dudemaine wieder wählen. „Siecle“ und HD publique Franzaise“ bekämpfen diese Wiederwahl; der „Mo⸗ niteur“ dagegen prophezeit nach Vaucluser Nachrichten, daß Dudemaine als Sieger hervorgehen werde. In Folge der Verminderung des Budgetpostens für Besoldu ng der kom⸗ mandirenden Generäle ist die Besoldung des Gouverneurs von Paris von 57,298 auf 46,709, die des Gouverneurs von Lyon von 41,801 auf 34907, die der Corps Kommandanten von 36,568 auf 31,397, die des Generalstabs-Chefs des Gouverneurs von Paris von 38,825 auf 33,589, die der Divisions-Generale in Frankreich von 27, 22 auf 25,277 und die der Divisions⸗-Generale zin Algerien von 36,743 auf

1,397 Fr. verringert worden. . . r C.) . Marine-Minister, Admiral Fau⸗ richon, nimmt auf unbestimmte Zeit Urlaub. Die Ge⸗ schäfte seines Ministeriums werden interimistisch von dem Handels-Minister Teisserene de Bort geführt, welchem der Eontre⸗Admiral Roussin als Unter-Staatssekretär an, die Seite gestellt wird. Der letztere hat während des Krieges der Zweigregierung von Tours und Bordeaux angehört. Der von dem Generalrathe des Seinedepartements in seiner letzten Session geäußerte „Wunsch“ nach einer unbedingten Amnestie ist von dem Präsidenten der Republik auf Antrag des Ministers des Inn ern für null und nichtig erklärt worden. Dagegen hat der Minister des Innern den Beschluß des Pariser e, ,, . die Summe, von 30,090 Frs. dem Eomiteé für die nothleidenden Familien der politischen Verurtheilten zu überweisen, unbeanstandet gelassen.

Spanien. Madrid, 15. Januar. Die heutige offizielle „Gaceta de Madrid“ veröffentlicht die Königlichen Dekrete, durch welche die Entlassung des früheren KLolonial⸗Ministers angenommen, der bisherige JustizMinister Martin de Herrera zu seinem Nachfolger bezeichnet, Herr Calderon y Collantes zum Justiz-Minister und Herr Manuel Silvela zum Minister der Auswärtigen Angelegenheiten eute ernannt wird. . k . 17. Januar. Der spanische Gesandte in Lissabon, de Castro, hat aus Gesundheitsrücksichten seine Entlassung egeben. . ö San Sebastian, 16. Januar. (K. Ztg.) Der Civil— Gouverneur der Provinz Guipuzcoa macht heute in einer Extranummer des „Boletin official“ eine Verfügung des Staats-Ministers bekannt, nach welcher vom 21. d, an die Rekrutenaushebungen in Spanien, einschließlich der baskischen Provinzen, stattfinden sollen. Nach Art. 5 des Gesetzes vom 21. Juli v. J. hat die Regierung das Recht, nachdem die Cortes das Kontingent des aktiven Heeres fest⸗ gestellt haben, den Deputationen der baskischen Provinzen zu erlauben, selbst die Mittel zu wählen, wie sie den auf sie fallenden Antheil an Soldaten stellen wollen. Die Regierung macht mit Vergnügen Gebrauch davon, da sie von dem leb⸗ haften Wunsch beseelt ist, die konstitutionelle Einheit der Monarchie in der am wenigsten drückenden und lästig fallenden Form einzuführen. Deshalb fürchtet sie nicht, daß man sich im Baskenlande weigern wird, die allen Spaniern durch die Gesetze auferlegten Lslichten zu erfüllen, zumal die⸗ jenigen zur Vertheidigung des Vaterlandes. Der Gouverneur wird angewiesen, in Gemeinschaft mit dem militärischen 8 ber⸗ Befehlshaber, der für diesen Fall mit außerordentlichen Voll⸗

machten versehen ist, die nöthigen, zur schnellen Ausführung des obigen Befehls erforderlichen Schritte zu thun. Außer den nach gewöhnlichem Rechte vom Militärdienst zu befreien⸗ den Personen sind nach 5§. 3 des Art. 5 des Gesetzes vom 21. Juli v. J. über die Aufhebung der Fueros noch diejeni⸗ gen ausgeschlossen, die selbst oder deren Väter während des letzten Bürgerkrieges mit den Waffen in der Hand die Rechte des rechtmäßigen Königs und der Nation aufrecht erhalten haben. Bei strenger Strafe ist den Bürgermeistern die un⸗ verzügliche Anfertigung der Listen der Aushebungspflichtigen anbefohlen. .

18. Januar. (K. Ztg.) In Folge der Weigerung des Bürgermeisters, die Rekrutenlisten anzufertigen, herrscht große Aufregung. Der Stadtrath hat abgedankt.

Italien. Rom, 19. Januar. (W. T. B.) Der Kron⸗ prinz Humbert und die Kronprinzessin Margaxethe haben aus Anlaß des Ablebens der Prinzessin Carl von Preußen eigenhändige Beileidschkreiben an den Prinzen Carl von Preußen gerichtet. oer Major Mainoni, der der Demarkationskommission in Serbien als Mitglied ange— hörte, ist von dort hierher zurückgekehrt, wird sich aber dem⸗ nächst auf seinen Posten als Militär-Attaché der diesseitigen Botschaft in Wien zurückbegeben. Die Deputirtenkam— mer hat heute die Generaldebatte über den Gesetzentwurf, be— treffend die Mißbräuche des Klerus, fortgesetzt.

. Der oben genannte Gesetzentwurf setzt, der „Köln. Ztg.“ zufolge, stufenweise gesteigerte Strafbestimmungen fest für „Kuͤltusdiener, die, ihr Amt mißbrauchend, das öffentliche Gewissen oder den Frieden der Familien stören“ ; für solche, die in Ausübung ihres Dienstes aufrührerische Reden helten oder Schriftstücke ähnlicher Tendenz verbreiten oder „die Aus⸗ übung der politischen Rechte zu verhindern suchen“, sowie die⸗ jenigen, welche derartige Schriften oder Reden verbreiten; ferner Kultusdiener, welche den Befehlen er Regierung ent⸗ gegen öffentliche Kultusakte vornehmen. Dazu kommen gan; neue Strafbestimmungen für Unterlassung von Anmeldungen, die sich auf das Exequatur beziehen, und die Erhöhung der gewöhnlichen Strafen für Vergehen anderer Art, namentlich durch die Presse, um einen Grad. Die Nechtshrechung über die drei erst genannten Kategorien wird den Schwurgerichten zugewiesen. ö . Der Kaiser und die Kaiserin von Brasilien sind am 13. d. aus Aegypten in Messina eingetroffen, von wo sie nach Palermo reisen, und ihr Absteigequartier in der Trinacria nehmen werden. Der dortige Aufenthalt wird ein kurzer sein; die Weiterreise geht dann nach Neapel und Rom

Türkei. Konstantinopel, 19. Januar. (W. T. B.) Mehemed Ruschdi Pascha ist dem Vernehmen nach zum Minister ohne Portefeuille ernannt .

Die „Times“ vom 16. d. M. schreiben: „Es ist mög—⸗ lich, daß es den türkischen Diplomaten, welche sich meisterhaft auf das Hinhalten verstehen, gelingt, die Botschafter noch zum Abwarten einer entscheidenden Antwort über den festgesetzten Tag hinaus zu bestimmen. Aber dem Anscheine nach besteht die Konferenz endlich doch darauf, daß ihre Forderungen binnen einer bestimmten Frist entweder angenommen oder ab⸗ gelehnt werden müssen. Wenn die Entscheidung ungünstig ausfallen sollte, so wird gewiß nicht der Mangel an Versöhn⸗ lichkeit und Nachgiebigkeit auf Seite der Botschafter daran Schuld sein. Dieselben haben beinahe, die Würde der Konferenz um des Friedens willen preisge⸗ geben. Mitunter schien es fast, als ob die Groß⸗ mächte die Bittsteller wären und die Türkei der Diktator. Die Garantiemächte hatten sicherlich einiges Recht, zu hoffen, daß die Pforte sich nach ihren Wünschen richten werde, und man erwartete, keine großen Schwierigkeiten aus dem Umstande erwachsen zu sehen, daß die Türkei dem Namen nach die Rechte einer unabhängigen Macht geltend machen konnte. Denn wenn ein Staat fremden Botschaftern und selbst Kon— suln bei der Ausübung der elementarsten Hoheitsrechte ver⸗ antwortlich ist, dann kann seine Unabhängigkeit nicht viel mehr als eine nominale sein. Nach diesem Grundsatze han— delten die Mächte, als sie eine fremde Armee nach Syrien zur Aufrechterhaltung der Ordnung entsendeten und zu gleich Kommissäre dahin schickten mit dem Auftrage, darauf zu sehen, daß die Urheber der dortigen Metze⸗ leien bestraft und Schutzwehren gegen die unausbleib⸗ lichen Folgen ungehemmter türkischer Mißregierung errichtet werden. Einige Mächte mögen erwartet haben, daß die Tür— kei sich in der gleichen Weise auch der gegenwärtigen Konfe— renz süge, andere, daß sie sich entschlossen zeigen werde, so⸗ wohl die realen als die nominalen Rechte eines gewöhnlichen unabhängigen Staates für sich in Anspruch zu nehmen. Auf alle Fälle ist das der Sinn der türkischen Prätensionen und die Mächte haben diesen Ansprüchen so weit nachgegeben, daß sie ihre ursprüngliche Forderungen fast zur Bedeutungslosig⸗ keit herabminderten. Sie haben sehr Vieles nachgelassen seit der Zeit, wo Rußland J die Besetzung Bulgariens oder das Einlaufen, der verbündeten. Flotten in den Bosporus, falls dies ausreichend scheine, vorschlug. Die „Times“ zählen nun die Zugeständnisse der Garantie—⸗ mächte auf und sagen dann zum Schlusse: „Es scheint, daß die Türken auch die gemäßigten Forderungen zurückweisen, auf welche die ersten Interventionspläne reduzirt worden sind. Die türkischen Minister können sagen, daß sie bei der gegen—⸗ wärtigen Stimmung der mohammedanischen Bevölkerung und Armee es nicht wagen dürfen, nur ein Stückchen osmanischer Souveränetät aufzugeben. Der Druck, mohammedanischen Glaubenseifers ließe sich vielleicht doch bei Seite lenken, wenn die Minister selber ein Verständniß für die Schäden zeigen würden, welche das türkische Reich zerstören. Allein Sayfet sprach in seinem Rundschreiben an die diplomatischen Vertreter der Pforte und in seiner Rede bei der ersten Versammlung der Konferenz, wie wenn die Türkei der meist verleumdete und verletzte Staat auf der Welt wäre. Seine Sprache mag zwar großentheils nur die Bedeutung der stereo⸗ typen Phrasen haben, welche die Pforte ihren diplomatischen Aktenstücken einzuverleiben pflegt, aber viele seiner Argumente und Schlußfolgerungen verrathen doch guch die Stärke einer Ueberzeugung. Ohne Zweifel glauben die Minister auch, daß, wenn die Türkei angegriffen werden sollte, sie doch wenigstens den Beistand der einen oder anderen Macht finden werde und ihr Leben durch eine andere Allianz werde fortfristen können. In wenigen Tagen werden wir erfahren, ob diese Rath⸗ schläge oder die Eingebungen der Vernunst die Pforte leiten werden.“ . . .

Der „Nord“ schildert die Haltung, welche die russische

Politik während der letzten Phase der Konferenzderhandlungen ö 3 5 or To- Mi 15 rel i5* eingehalten hat, in folgender Weise: „Wir haben kürzlich

erst die Juurnale, welche die Tendenzen Rußlands bearg⸗ wohnten, auf die bedeutungsvolle Erscheinung aufmerksam gemacht, daß das St. Petersburger Kabinet jedesmal, wenn es die Mächte geneigt sah, sich ihm be zugesellen oder ihm freie Hand zu lassen, seine Bewegung nicht beschleunigte, sondern verzögerte, und daß es nur dann entschieden vorging, wenn es auf Widerstand oder auf Ablehnung stieß. In diesem Sinne hat die russische Regierung seit Beginn der gegen⸗ wärtigen Krisis gehandelt und auch während der Konferenz ein gleiches Verhalten beobachtet, und bleibt damit sich nur selber konseguent. Aber hoffentlich wird sich Rußland auch bis zum Schlusse konsequent bleiben und weder in der einen, noch in der anderen Weise der türkischen Halsstarrigkeit das letzte Wort lassen.“

Die Vorbereitungen für die Wahlen in die

Deputirtenkamm er des „türkischen Parlaments“ begannen Zahlordnung für die Hauptstadt ist bereits

am 16. d. Die

veröffentlicht worden. Konstantinopel sammt seinen Vororten wurde in zehn Wahlbezirke eingetheilt. Die Zahl der Depu⸗ tirten ist auf zehn jestgesetzt. Die Bevölkerung jedes Wahl⸗ bezirkes wird zwei Wahlmänner wählen, die am 29. d. ins⸗ gesammt zur Wahl der zehn Deputirten zusammentreten wer⸗ den. ie Wahl wird mit absoluter Stimmenmajorität erfol⸗ gen. Die aktive Wahlfähigkeit hat jeder in Konstantinopel ansässige ottomanische Unterthan, welcher das 25. Lebensjahr vollendet ha

und einen bestim itz nachweist. Von der tenliste id, ihre

die Wähler gehal s Stimmen den offiziellen Kandida „Daily Telegraph“ mel Marquis of Salisbury habe zw tan kon ferirt, und Letzterer sei gene milderten Forderungen anzunehmen. liegt eine derartige Nachricht nicht vor. Rei eldet unterm 18. aus stantinopel: Tür ind Serbien haben eine Uebereinkun er enseiti Auslieferung der Kriegsgefangenen a ossen. Der „Morning Post“ wird aus Konstantinopel ge— schrieben, die englische Flotte habe Befehle, an dem näm— lichen Tage, an welchem Lord Salisbury von Konstanti— nopel abreist, die türkischen Gewässer zu verlassen. Der Korrespondent der „Times“ aus Pera tele— graphirt unterm 9. Januar unter Anderem: Als in der vor— letzten Sitzung der Konferenz die zwei ottomanischen Mit⸗ glieder einige Einwendungen gegen die europäischen Bevoll⸗ mächtigten erhoben hatten, wurde ihnen mit der Bemerkung erwidert, daß die i d e Forderung eine der in der ; nthaltenen Reformen sei, welche

en zu ge ö mit

ämmtliche ge⸗

* 4 * **

deren Quellen

Kon⸗

Andrassy'schen Note e die Pforte angenommen habe, worauf die beiden Türken Savfet Pascha, der Minister des Aeußern, und Edhem Pascha, der Botschafter in Berlin erklärten, daß sie die Andrassy⸗Note nie gelesen hätten.“

An der Raschka bei Novi⸗Bazar gab es vor drei bis vier Tagen Zusammenstöße zwischen den serbischen und den türlischen Wachtposten. Es hatte schon im Anfang des Waffenstillstandes ein Zusammenstoß an der Raschka statt⸗ gefunden, und deswegen wurde der türkische Kommandant sogleich abgesetzt. Gegenwärtig sollen, wie das W. „Fremden— blatt“ erfährt, wieder die Türken mit Gewalt die türkischen Dörfer, welche diesseits der Demarkationslinie liegen, den Serben genommen haben. Während aber dies näher bei Jankova Klissura stattfand, kam an der anderen Seite, näher bei Raschka, ein türkischer Oberst mit einer Abtheilung Kavallerie über die neutrale Zone zu den serbischen Positionen. Von den serbischen Freiwilligenschaaren umringt, mußte sich der Oberst (Miralaj) mit seiner Begleitung ergeben. Er wurde sammt seiner Begleitung als gefangen erklärt und nach Tschatschak gebracht, von wo aus man sich weitere Verhal⸗ tungsbefehle erbat. Das ist die vierte ernste Verletzung des Waffenstillstandes durch die Türken. Die Morawa-⸗Positionen haben sich bis jetzt am besten gehalten. Dort oben sollen die türkischen und serbischen Wachtposten in sehr guten Verhält— nissen zu einander leben. ö

In Salonichi wurde im Dezember v. J. ein Lichter⸗ boot des „Oesterr⸗Ungar. Lloyd“ von ägyptischen Soldaten mit Gewalt requirirt und die Flagge durch einen dieser Sol— daten vom Boote entfernt. Für diese Verletzung der österreichischungarischen Flagge ist nun wie der „P. Lloyd“ erfährt die Satisfaktion von Seite der Pforte vor Kurzem erfolgt, indem sowohl der Minister des Aeußern, Savfet Pascha, dem Grafen Zichy, als auch der Gouverneur von Salonichi dem österreichisch-ungarischen General-Konsul das lebhasteste Bedauern über den Vorfall ausdrückten.

Nisch, 10. Januar. Der „Pol. Korr. wird von hier geschrieben: „Während im Dezember die meisten Brigaden der türkischen Morawa⸗Armee ihren Weg aus Serbien nach dem Donau-Vilajet nahmen, bemerkt man seit einigen Tagen eine Truppenbewegung in der Richtung auf Alexinatz. Mehrere aus Adrianopel und Philippopel angelangte Kolonnen bezogen in der Konkurrenz unserer Stadt Kantonnements, welche hart an die serbische Grenze stoßen. In hiesigen türkischen Kreisen spricht man von einem Befehle des Großveziers, die Morawa⸗ Armee bis Ende dieses Monats auf 40,000 Mann zu bringen.

Die Pforte will offenbar Serbien zu einem raschen Frie— densschlusse veranlassen und sich zu diesem Zwecke der neuer— lichen Truppenkonzentrirung, als eines wirksamen Pressions⸗ mittels bedienen, zumal die serbischen Milizen kaum mehr fähig sein dürften, auch einer kleineren türkischen Armee als einer solchen von 40,9000 Mann die Stirne zu bieten. Der neuernannte Muschir Osman Pascha ist nach Rusischuk be— rufen worden, wo ihm, als den eventuellen Oberkommandanten der gegen Serbien aufgestellten Armee, Instruktionen von Achmed Ejub Pascha ertheilt werden sollen, ö .

Belgrad, i8. Januar. Der W. „Presse“ wird gemel⸗ det: Der offiziöse „Istok“ hat zu erscheinen aufgehört. Ge⸗ neral Dandeville hat mit den letzten russischen Freiwilligen Serbien verlassen. Die Stimmung der Bevölkerung ist sehr gedrückt; es sind wieder Gerüchte und Wünsche um einen Separatfrie den mit der Pforte in Umlauf.

Rumänien. Bukarest, 18. Januar. Man erwartet hier die Antwort der Pforte auf die letzte Note der rumäni⸗ schen Regierung vom 10. d. M.. Man hofft, wie der „Pol. Korr.“ berichtet wird, daß dieselbe befriedigend lauten werde.

Die Demission des Ministers der öffentlichen Arberten Demeter Stourdza ist endgültig angenommen. Der Minister des Innern Vernesco ist interimistisch mit der Führung des

ichen Arbeiten

Departements der öffentli betraut, In An⸗ ö ff ar olite 2 73183 8189 gelegenheit der Affäre der Israeliten von Vasloui hat die