1877 / 61 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 12 Mar 1877 18:00:01 GMT) scan diff

e Debatte über den Etat fortgesetzt. Es sprachen die bgg. Dr. Lucius (Erfurt), Dr. Nieper, Bezanson, von Kleist⸗ Retzow und Rickert. Hierauf wurde eine Anzahl von Kapi— teln, welche Mehrforderungen enthalten auf den Antrag verschiedener Abgeordneten an die Budgetkommission verwiesen. Es folgte die erste Berathung des von den Abgg. Richter (Hagen) und Genossen vorgelegten Gesetzentwurses wegen Ab⸗ aͤnderung des Gesetzes vom 23. Mai 1873, betreffend die Gründung und Verwaltung des Reichs⸗-Invaliden⸗ fonds, und des Gesetzes, betreffend den nach dem Ge— setz vom 8. Juli 1872 einstweilen reservirten Theil der französischen Kriegskostenentschädigung vom 8. Juli 1573. Außer dem Antragsteller sprachen hierzu die Abgg. von Kleist⸗ Retzow und Dr. Lasker. Darauf wurde die Vorlage an die Budgetkommission, und bei Schluß des Blattes die Rechnun⸗ gen der Kasse der Ober⸗-Rechnungskammer bezüglich desjenigen Theils, welcher die Reichsverwaltung betrifft, an die Rech— nungskommission überwiesen.

Bei der Berathung der Justizgesetze hatte der Reichstag in seiner letzten Session folgende Resolutionen angenommen:

J. den Reichskanzler aufzufordern, mit thunlichster Be⸗ schleunigung dem Reichstag den Entwurf einer Militär⸗ Strafprozeßordnung vorzulegen, in welcher das Militär⸗ Strafverfahren mit den wesentlichen Formen des ordentlichen Strafprozesses umgeben wird; 2) den Reichskanzler aufzufor⸗ dern, dem Reichstag mit thunlichster Beschleunigung einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen unter Festhaltung der im Strafgesetzbuche über die Freiheitsstrafen enthaltenen Bestimmungen die Vollstreckung der Freiheitsstrafen in An— sehung der Gefängnißeinrichtung, der Verpflegung, Beschaͤftigung und Behandlung der Straͤflinge gesetzlich gleich— mäßig für das Deutsche Reich geregelt wird.

II. Den Reichskanzler zu ersuchen, womöglich noch vor dem Inkrafttreten der Konkursordnung die einheitliche Regelung des in §. 17 des Entwurfs des Einführungsgesetzes behandelten Gegenstandes im Wege der Reichsgesetzgebung herbeizuführen.

Hierauf ist dem Reichstag Seitens des Reichskanzlers folgende Benachrichtigung zugegangen:

Zu J. 1) Die erforderlichen Schritte behufs Fertigstellung des Entwurfs einer deutschen Militärstrafprozeßordnung sind eingeleitet.

Zu 2. Die vorläufige Aufstellung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend den Vollzug der Freiheitsstrafen, ist be⸗ reits erfolgt. Eine alsbaldige Vorlegung desselben kann je— doch noch nicht in Aussicht genommen werden, da die Vorbe— rathung noch längere Zeit in Anspruch nehmen wird.

Zu 1. Das Reichs-Justiz-UImt ist zur Erörterung der Frage, ob die reichsgesetzliche Regelung des Gegenstandes bei der gegenwärtigen Lage der Arbeiten der Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs in Angriff zu nehmen sei, mit den verbündeten Regierungen in Korrespondenz getreten.

In Sachen Greifswald wider Gristow hat das Bundesamt für das Heimathwesen durch Erkenntniß vom 20. Januar 1877 entschieden, daß der gewöhnliche Aufenthalt eines Arbeiters am Orte seiner Arbeitsthätigkeit begründet ist, wenn das Arbeitsverhältniß, ohne gerade ein festes, für lange Zeit eingegangenes zu sein, doch von längerer Dauer war, und das Verweilen am Arbeitsorte auch außer— halb der Arbeitstunden mit sich brachte.

In den deutschen Münzstätten sind bis zum 3. März 1877 geprägt worden an Goldmünzen: 1,097,700, 280 Doppelkronen, 337,530,830 S6 Kronen; hiervon auf Privat— rechnung: 171,423,459 6; an Silbermünzen: 71,653,095 (6 5 ⸗Markstücke, S2, 229,776 S6 2-Markstücke, 143,512,165 S6 1⸗Mark— stücke, 55, 523, 250 6 50 8 504 Pfennigstücke, 35, 17, 922 ( 80 3 20 Pfennigstücke; an Nickelmünzen: 23,502,530 6 70 3 104fennigstücke, 11, 657,813 ½ . 75 3 5-Pfennigstücke; an Kupfermünzen: 6,106,867 S 34 3 24Pfennigstücke, 3, 377,119 13 1 Pfennigstücke. Gesammtausprägung an Gold— münzen: 1,435, 230,610 6; an Silbermünzen: 388,536,219 6 30 F; an Nickelmünzen: Z5, 160,344 S 45 J; an Kupfer⸗ münzen: 9,483,986 S6 47 4.

Nach einem Reskript des Finanz-Ministers vom 6. Fe— bruar d. J. sind nur sechs Vereinen der Gustav-Adolf-Stif— tung und zwar dem Schlesischen Hauptvereine, dem Preußischen Hauptvereine, dem Lokalvereine in Berlin, dem Lokalvereine in Danzig, dem Vereine in Frankfurt a. M. und dem Ost— friesischen Vereine die Rechte juristischer Personen verliehen worden und sind deshalb diesen Vereinen zufallende Legate und Erbschaften von der Steuer freigelassen.

Der Centralvorstand der Gustap⸗-Adolf⸗-Stiftung und die oben nicht bezeichneten Vereine der Stiftung haben die staat— liche Anerkennung als milde Stiftung bisher nicht nachge— wiesen. Sofern daher in letztwilligen Verfügungen einem Erben, Vermächtnißnehmer ꝛc. die Verwendung von Erbschafts— theilen zu Zwecken eines nicht mit dem Rechte juristischer Personen versehenen Gustav⸗Adolf-Vereins bezw. die Aushändigung von Erbschaftstheilen an die den betreffenden Verein bildende Ge— sellschaft, auferlegt ist, muß in Gemäßheit des 8. 8 des Erb— schaftssteuergesetzes vom 30. Mai 1873 die Entrichtung der Erbschaftssteuer gefordert werden, welche mit Rücksicht auf die gemeinnützigen Zwecke des Vereins auf den Betrag von 4 pCt. beschränkt bleibt.

Reisende, welche zollpflichtige, nicht zum Handel bestimmte Waaren mit sich führen, sind, nach einem Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 4. Mai 1876, verpflichtet, entweder die Waaren bei der Zollstelle anzumelden oder sich bei derselben zur Revision zu stellen. ;

P. war am 26. Dezember 1875 Vormittags mit dem Eisenbahnzuge von seinem Wohnort B. über die niederländische Grenze in der Richtung noch V. gefahren und wurde, als er Nachmittags von dort zurückkehrend, an der diesseitigen Grenz— station ausstieg und bereits das Zollrevistonszimmer unbehel— ligt passirt hakte, von einem Zollbeamten im Besitze eines ganz neuen Ueberrocks betroffen, den er am Vormittag nicht bei sich geführt hatte. Da er einen Zollausweis über den Rock nicht vorlegen konnte, wurde derselbe in Beschlag genommen und P. wegen Einschwärzung verfolgt. Die , , . sprachen ihn frei, weil es sich um einen nicht zum Handel be⸗ stimmten zollpflichtigen Gegenstand eines Reisenden gehandelt und P. weder Anstalten zur Verheimlichung desselben geiroffen, noch etwa auf eine bei der Abfertigungs⸗ oder Revisionsstelle an ihn gerichtete Frage in Abrede gestellt habe, den Rock in V. angekauft zu haben. Das Ober⸗Tribunal hat dieses Er⸗ kenntniß kassirt, die Sache aber in die zwerte Instanz zurück— verwiesen, damit zunächst noch festgestellt werde, ob, die in dem

angegriffenen Urtheil nicht ausdrücklich erörterte Zollpflichtig⸗ keit des fraglichen Rockes vorausgesetzt, in dem Verhalten des Beschuldigten im Uebrigen die Merkmale einer Hinterziehung der Eingangsabgabe im Sinne der 85. 135 und 136 des Vereinszollgesetzes zu erkennen sind.

Die unbefugte Führung des Titels „Pfarrer“ seitens eines amtsentsetzten Pfarrers der protestantischen Landes⸗ kirche ist nach einem Erkenntnisse des Ober⸗Tribunals vom 14. Februar 1877 auf Grund des 5. 360 Nr. 8 wegen unbefugter Annahme eines Titels zu bestrafen.

Der Bundesraths-Bevollmächtigte, Bürger⸗ meister der Freien Hansestadt Bremen, Gildemeister, ist hier eingetroffen.

Der General⸗Lieutenant von Rauch J., Commandeur der 9. Division ist mit Urlaub von Glogau hier eingetroffen, ebenso der General Lieutenant von Colom b, Kommandant von Cassel, von Cassel. .

Der Thierarzt 1. Klasse Arndt zu Morbach ist zum w Kreisthierarzt des Kreises Berncastel ernannt worden.

Bayern. München, 8. März. Der König hat seinen General⸗Adjutanten, den Vorstand der Militär⸗ fonds Verwaltung, General-Lieutenant Karl Spruner von Mertz, von dem ihm provisorisch übertragenen Präsidialgeschäst des General⸗Auditoriats enthoben, und den General ⸗Lieutenant Max Grafen von Tattenbach, bisher à la suite der Armee, unter Enthebung von seiner Funktion im Kriegs-Ministerium (ad latus des Kriegs⸗ Ministers) jedoch mit Belassung in der Stelle als Inspecteur der Militärbildungsanstalt, zum Präsidenten des General— Auditoriats der Armee ernannt. Mit der Aufhebung der Funktion des dem Kriegs⸗-Minister beigegebenen Generals tritt nunmehr die in der Allerhöchsten Entschließung vom 2. März 1876 vorgesehene Wirksamkeit der Kriegsministerial⸗ abtheilung vollständig ins Leben und wurde in dieser Be⸗ ziehung vom Königlichen Kriegs⸗Ministerium die entsprechende Anordnung heut erlassen. Durch Königliche Entschließung wird für Feststellung der militärgerichtlichen Zuständigkeit auf allgemeiner Grundlage der nunmehrigen Landwehr-⸗Bezirks⸗ eintheilung des Königreichs eine neue Eintheilung in Kommandanturbezirke genehmigt und dieselbe heute publizirt.

Baden. Karlsruhe, 9. März. Die „Karlsr. Ztg.“ bringt heute folgenden von Männern aus allen politischen Parteien unterzeichneten

Aufruf an das badische Vol k!

Am 24. April d. J. werden es 25 Jahre, seit unser geliebter Großherzog die Regierung seines Landes angetreten hat. Es muß der innige Wunsch jedes getreuen Badeners sein, daß das Gedächtniß dieses Tages auch für künftige Zeiten und in einer Weise gewahrt bleibe, wie es dem edlen und hohen Sinne unseres Landesfürsten entspricht. In Vertretung der Mitglieder beider Kammern und der Mehrzahl der Gemeinden des Landes fordern die Unterzeichneten ihre Mitbürger zu Beiträgen auf, welche als Gabe des Landes am Tage der Festfeier Sr. Königlichen. Hoheit em Großherzog zur Berfügung gestellt würden, um daraus unter mem auf das Festereigniß hin⸗ weisenden Namen eine dem Ekffentlichen Wohle dienende Stiftung zu errichten. Wir wenden uns an die Vorstände sämmtlicher Ge⸗ meinden des Landes mit der Bitte, alsbald zur Bildung von Orts ausschüssen zu schreiten, um die Sammlung zu bewerkstelligen und das Ergebniß derselben spätestens bis zun 10. April an den Orts ausschuß ihrer Amtsstadt abzuliefern.

10. März. Ueber das Befinden des . Wil⸗ helm veröffentlicht die „Karlsr. Ztg.“ heute folgendes drittes Bulletin: Das Fieber ist noch Schwankungen unterworfen, die typhösen Symptome erhalten sich maßvoll, sind aber immer noch nicht bewältigt; immerhin ist der Verlauf der Krankheit ein verhältnißmäßig günstiger. Der Großherzog und die ö haben am 8. Abends Neapel verlassen, gedachten den 5. in Florenz zu übernachten und den Rückweg in die Heimath über Genf zu nehmen. Ihre Königlichen Ho⸗— heiten hoffen Sonntag, den 11. März, Nachts in Karlsruhe einzutreffen. Der Großherzog beabsichtigte, sich nach Palermo an das Krankenlager seines Bruders, des Prinzen Wilhelm, zu begeben, sah sich aber veranlaßt, darauf zu verzichten, da Medizinal-Rath Dr. Schenk wegen der für den hohen Kran⸗ ken absolut gebotenen Ruhe von Palermo aus Sr. König— lichen Hoheit entschieden abgerathen hatte, dieses Vorhaben auszuführen.

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 10. März. Unter dem Vorsitze des Kaisers hat gestern hier ein Ministerrath stattgefunden, in welchem der Text des neuen Bankstatuts entgültig festgestellt wurde. Die Kaiserin trifft heute von Gödöllö in Göding ein.

(W. T. B.) Das Abgeordnetenhaus beschloß in sei⸗ ner heutigen Sitzung, in die Spezialdebatte über die Anträge auf Revision des Preßgesetzes einzutreten, und nahm nach den Anträgen des Ausschusses die bezüglichen beiden Gesetzent— würfe, betreffend die Abänderung der Strafprozeßord— nung und des Preßgesetzes an. Bei der Berathung der letzteren Vorlage wurden die ss. 5, G und 7, welche die Auf— hebung der Zeitungskautionen und die eventuelle Straflosig— keit des Verlegers, des Druckers und des Verbreiters einer Druckschrift betreffen, abgelehnt. Der „Politischen Korrespon⸗ denz“ zufolge sind die Ssterferien des Reichsrathes für die Zeit vom 25. d. bis zum 19. April in Aussicht genom⸗ men. Die Landtage werden auf den 4. Apr zu einer kurzen Session einberufen.

Die Führer der ultramontanen Partei veröffentlichen im „Vaterland“ einen Aufruf an die Katholiken Oesterreichs zur Betheiligung an dem allgemeinen österreichischen Ka— tholikentag, der hier vom 16. bis 19. April stattfinden . 6 Schule, Presse, Kunst und soziales Leben verhan⸗ eln soll.

Prag, 109. März. Das „, Prager Abendblatt“ meldet, daß die böhmischen Landtagsersatzwahlen für den 7. und 9. April ausgeschrieben wurden.

Pest . 9. März. Die „Pester Korrespondenz“ ist ermäch⸗ tigt, die Mittheilung eines ungarischen Blattes, wonach die bevorstehende Reise des Finanz⸗Ministers Szell nach Wien auch den Zweck haben werde, wegen einer größeren Finanz—⸗ operation mit Geldkräften zu konferiren und den auf die zweite 40 Millionen⸗Rentenanleihe empfangenen Vorschuß von 20 Millionen zu regeln, als vollkommen unwahr und jeder Begründung entbehrend zu bezeichnen. Der Finanz—

Minister hat weder von der Rothschild⸗ Gruppe, noch von einem anderen Konsortium Vorschuß genommen.

10. Marz. (B. T. B.) Der Ministerrath hat gestern den Beschluß gefaßt, die Session des Reichstags in nächster Woche zu schließen, unmittelbar darauf aber die neue Session zu eröffnen und noch vor den Osterferien die ständigen Kommissionen 3 zu lassen, damit sogleich nach den Ferien über die Ausgleichsvorlagen verhandelt wer⸗ den kann. Der Gesetzentwurf, betreffend die Friedensgerichte wird von der Tagesordnung abgesetzt.

Schweiz. Bern, 9. März. (N. Zürch. Ztg.) Die gan heutige Sitzung des Nationalrathes wurde noch beanspru von den Berathungen über den Rest des Militärsteuer⸗ gesetzes und über eine Anzahl von Wiedererwägungs⸗ anträgen. In der Schlußabstimmung wurde das ganze Gesetz unter Namensaufruf mit 57 gegen 35 Stimmen angenom⸗ men. Im Ständerath wurden bei Berathung des Ge⸗ ö betreffend die politischen Rechte der Nieder⸗ gelassenen und Aufenthalter, die Gründe des Aus⸗ , m. vom Stimmrecht debattirt. Der Ständerath beschloß

urch ein gerichtlich motivirtes Urtheil wegen Konkurses eine

Aufhebung des Stimmrechts bis zu zehn Jahren, ausnahms⸗ weise für völlig Unverschuldete gar keine zuzulassen, wegen Almosengenießens aber während deren Dauer. Er stellte den Kantonen das Fallenlassen dieser beiden Beschränkungen frei. In der Schlußabstimmung wurde von den Ultramon⸗ tanen und den radikalen Westschweizern mit 22 gegen 7 Stimmen das ganze Gesetz verworfen.

Großbritannien und Irland. London, 10. März. (E. C.) Heute Mittag findet eine Ministerberathung

statt. Das britische Kanalgeschwader wird in der

nächsten Woche in Cadiz sein und zu Ehren des Königs Alfonso eine glänzende Revue veranstaltzn. Der König wird an einem Bankette theilnehmen, bei welchem der britische Ge⸗ sandte Mr. Layard den Vorsitz führt Der neue Gouver⸗ neur der Kapkolonie, Sir Bartle Frere, hat gestern mit dem Dampfer „Balmoral Castle“ England verlassen.

Frankreich. Paris, 10. März. (Köln. Ztg.) Die Rechte der Deputirtenkammer hat in der letzten Sitzung gelegentlich der vom Grafen Chambord er⸗ lassenen Ansprache folgende Resolution angenommen: „Die Rechte der Kammer in ihrer letzten Vereinigung bekräf⸗ tigt von Neuem den Beschluß, ihre Energie zu verdoppeln in der Vertheidigung ihrer religiösen und politischen Grund⸗ sätze auf dem sozialen Gebiete. Das Manifest des Grafen Chambord war in vielen Gemeinden des südlichen Frankreichs durch Maueranschlag bekannt gemacht worden; die Po⸗ lizei ließ die Maueranschläge abreißen. Der Minister der öffentlichen Arbeiten, Christophle, hat in der Eisenbahnkommission erklärt, daß er im Prinzip den von Hrn. Targs vorgelegten Gesetzentwurf annehme. Dieser beantragt die Anwendung des Zurückkaufs der Eisenbahnen, die von den ersten Konzessionären nicht mehr in Betrieb gesetzt worden, zum wirklichen Preise, nach Abzug der vom Staate bewilligten Zuschüsse; Konzentrirung aller Linien von großem Betriebe unter einer solchez. Verwaltung, daß keine Konkurrenz zwischen den vom Staate unterstützten Linien entsteht; Einführung von Reglements, die dem Staate die fortwährende Ausübung seiner Autorität in Tarif⸗ und Verkehrsfragen gewährleisten und den Interessirten die Mittel eben, ihre Beschwerden offiziell der Regierung zugehen zu assen; unbedingten Vorbehalt für den Staat, zu jeder Zeit und ohne die durch Kontrakte gesicherte finanzielle Lage anzu⸗ tasten, den Bau neuer Linien anzuordnen, um sie mit dem Eisenbahnnetz der Region zu vereinigen; für den Fall die Eisenbahngesellschaft Orleans nicht auf dieser Grundlage unterhandeln wollte, ein siebentes großes west- und südwest— liches Eisenbahnnetz mit Staatsbetrieb zu bilden.

10. März. (W. T. B.) Der russische Botschafter in London, Graf Schuwaloff, ist heute Morgen nach London zurückgereist.

Versailles, 10. März. (W. T. B.) Der Senat hat den Kandidaten der bonapartistischen Partei, Dupuy de Löme, mit 142 Stimmen zu seinem ständigen Mitgliede ge⸗ wählt. Der Gegenkandidat André von der germäßigt⸗-repu⸗ blikanischen Partei erhielt 140 Stimmen.

Spanien. Nach einem Telegramm des „Standard“ vom 8. d. M. aus Madrid ist der König auf den balearischen Inseln angekommen. Die britische Flotte wird am Sonntag nach Cadix gehen, der britische Gesandte Layard ebenfalls.

Italien. Rom, 10. März. (W. T. B.) In der Depu⸗ tirtenkammer, welche die Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend den obligatorischen. Elementarunter⸗ richt, fortsetzte, wurden vom Minister⸗Präsidenten Ge⸗ setzvorlagen wegen Abänderung der Gesetze, betreffend die Besteuerung des . Kapitalvermögens und die Mahlsteuer, sowie wegen Reorganisation der Grundsteuer eingebracht. Der Kardinal Ferrieri ist an Stelle des Kardinals Bonaparte zum Camerlengo des heiligen Kollegs ernannt worden, die Ernennung wird in ae, am nächsten Montag stattfindenden Konsistorium verkündet werden.

Das „Univers“ empfängt aus Rom den Text eines päpstlichen Erlasses, in welchem die neue Eidesformel vorgeschrieben wird, deren sich fortan die Erzbischöfe, Bischöfe, Kanoniker, Benefiziaten, die Oberen der Klöster, kurz alle die⸗ jenigen Personen zu bedienen haben, welche bisher nach der Formel Pius' VII. vereidigt wurden. Veranlassung zur Auf⸗ stellung der neuen Eidesformel hat dem Vatikan der Umstand geboten, daß seit der Berufung des vatikanischen Konzils und vor seiner Vertagung zwei dogmatische Grundsätze zur Ver⸗ öffentlichung gelangt sind, auf welche in dem Glaubens⸗ bekenntniß ausdrücklich Bezug genommen werden soll. Der Papst befiehlt daher nach Anhörung der Kardinals-Kongrega⸗ tion, daß in der vorgenannten Horne nach den Worten Ppraecipue a sacrosancta Tridentina Synodo“ eingeschaltet werde: „et ah ecumenico Conecilio Vaticano tradita, definita ac decla- rata, praesertim de Romani Pontificis Primatu et infallibik magisterio“, womit auf das Primats⸗ und Unfehlbarkeilsdogma Bezug genommen wird. Aus Anlaß seines fünfzig⸗ jährigen Bischofsjubiläums hat der Papst, der „Köln. Ztg.“ 43 einen allgemeinen Ablaß gewährt.

Griechenland. . 10. März. (W. T. B.) Das neue Kabinet hat sich konstituirt. Deligeorgis hat das Präsidium und das Portefeuille des Ministers des Auswär⸗ tigen und provisorisch auch dasjenige des Ministers des Innern übernommen. Levides ist Finanz-Minister, Antonopulos

Die Verkündigung des Finanz⸗Ministeriums war

dn A. Mauromichalis Kriegs⸗Minister, Zochios . Minister, Kanwahis (Rangabis?) Unterrichts⸗ nister.

Türkei. Konstantinopel, 2. März. Der „Pol. Korr.“ wird von hier u. A. geschrieben: Gestern wurden die aus der Bevölkerung gewählten vierzig sogenannten Dele⸗ girten (Wahlmanner) von dem Stadtpräfekten zur Wahl der zehn Deputirten einberufen, welche die Stadt Stambul und ihre Bannmeile in die Kammer zu entsenden hat. Der Wahlakt dauerte dem Vernehmen 3 drei Stunden. Die gewählten fünf Mohammedaner sind der Scheich Osman ESfffendi, Superior eines Klosters tanzender Derwische; Jussuf Pascha, Finanz⸗Minister; Ahmed Wefyk Effendi, welcher jüngst vom Sultan zum Präsidenten der Deputirtenkammer ernannt wurde; Ahmed Hilmi Effendi, Mitglied des Uebersetzungs⸗ Bureau der Hohen Pforte; Hassan Fehmi Effendi, Adwokat. Die gewählten fünf Nichtmohamedaner sind: Vassilaki⸗ Sarakioty Bey (Grieche); Abraham er Effendi C Israelit); DOhannes Effendi Allah⸗Verdi (katholischer Armenier); Servztschen Effendi, Doktor der Medizin (gregorianischer Ar⸗ menier), Sebouh Effendi Maksud (gregorianischer Armenier).

Aus Kon stantinopel, 2. März, wird der „Kömn. Ztg.“ u. A. geschrieben; In den Kreisen der türkischen Be⸗ amtenwelt griff vor einigen Tagen die freudigste Erregung Platz, als der Entschluß des Finanz-Ministeriums offiziell be⸗ kannt wurde, die rückständigen e . für den Monat Ja⸗ nuar auszuzahlen, weil man dabei von der Voraussetzung ausging, daß bei dieser Gelegenheit auch die noch im Rück⸗ stande befindlichen Bezüge für die Monate September bis einschließlich Dezember zur Anweisung gelangen . jedo im strengsten Sinne buchstäblich agufzufassen; die Gehälter für Januar wurden zwar bezahlt, die Rückstände indessen in Anbe⸗ tracht der schlechten Zeiten noch weiter ad calendas graecas ver— wiefen. Es wurde jedoch das feierliche Versprechen hinzu⸗ gefügt, daß die 6 r von jetzt ab , pünktlich erfolgen sollen. In der vorigen Woche sind fün junge Ungarn angeblich Studenten hier eingetroffen, um in türkische Dienste zu treten. Im Gegensatze zu dem während der letzten Jahre befolgten Brauch, wonach die Pforte ähnliche Gesuche von Europäern stets abgeschlagen hat, ist dem Wunsche der stammperwandten Magyaren sofort und in entgegenkommendster Weise entsprochen worden, indem alle als Mühlasims (Lieutenants) in die Armee eingestellt worden sind.

Aus Konstantinopel erhält der Golos“ vom 6. d. M. über die Friedensverhandlungen mit Montenegro eine felegraphische Korrespondenz folgenden Inhaltes: „Mit den montenegrinischen Delegirten will die Sache einstweilen noch nicht ins Reine kommen. Bozo Petrowits und Stanko Ra⸗ donits haben laut ihrer Instruktionen auf der ersten Privat— konferenz mit Savfet Pascha, welche am Sonntag, den. 5. d., stattfand, alle Vorschläge zurückgewiesen, welche nicht mit dem auf der Konstantinopler Konferenz ausgearbeiteten Pro— gramme übereinstimmen. Wir wünschen den Frieden, sagte Radonits, und find bereit, ihn zu schließen, aber nur unter Bedingungen, welche von den Bevollmächtigten der euro⸗ päischen Mächte für Montenegro als nothwendig erkannt sind. In Folge dessen stellen die montenegrinischen Delegirten zwei . als unumgängliche Bedingung des Friedensvertrages auf: die Erwerbung eines Seehafens und eine Grenzverbesse⸗ rung. Sich auf die Erfolge ihrer Waffen berufend, erklären die Montenegriner, daß sie nicht deswegen nach Konstantinopel gekommen seien, um einen für das siegreiche Heer erniedri⸗ genden Frieden zu unterzeichnen. Da die montenegrinischen Delegirten unnachgiebig ind, so wird Savfet Pascha wahr⸗ scheinlich seine ursprünglichen Vorschläge abändern müssen. Jedenfalls ist man hier überzeugt, daß die Sache in Ordnung kommen wird und daß die Friedensbedingungen gegen Mitte März unterzeichnet fein werden. Die Pforte wüunscht mit Montenegro Frieden in kürzester Zeit zu schließen, was es auch kosten möge. Aus dem Libanon und von der Insel Kreta sind sehr unerfreuliche Nachrichten für die Pforte ein getroffen. Die Libanon-Bewohner und die Kretenser haben sich geweigert, ihre Deputirten ins Parlament zu schicken; die Weigerung ist durch den Wunsch motivirt worden, sich dem Sinne der Kon⸗ stitution gemäß nicht mit allen übrigen Osmanen auf einen Fuß zu stellen und dadurch der Privilegien verlustig zu gehen, deren der Libanon und Kreta theilhaftig sind. Auf Kreta hat der neuernannte Moukhtar Pascha befohlen, Zwangswahlen auszuführen, welche Unordnungen hervor⸗ gerufen haben, da die Einwohner Widerstand leisteten und damit fortfahren.

In dem zu Konstantinopel erscheinenden Bassiret“ finden sich Angaben über den gegenwärtigen Stand der Donau-Armee. Diesen zufolge wären die Garnisonen und die Bewaffnung der Forts von Silistria, Schumla und Varna komplet. Außerdem steht Achmed Ejub Pascha in täg⸗ licher Verbindung mit den Kommandanten der verschiedenen festen Plätze an der Donau, um alle noch vorhandenen Lücken auszufuͤllen. Es wurde beschlossen, ein verschanztes Lager in der Umgebung von Widdin mit einem Bestande von 40,000 Mann zu bilden. Im Falle eines Krieges gegen Rußland glaubt man, daß Widdin von der russische Armee als einer der Uebergangspunkte über die Donau ausersehen werden wird; darum legt auch der türkische Gene⸗ ralstab einen großen Werth auf die Verstärkung dieses Platzes. Aus demselben Grunde werden auch die strategischen Punkte in der Dobrudscha⸗Ebene befestigt, denn man setzt voraus, daß auch dort die russische Armee einen Uebergang in der Gegend von Tultscha versuchen könnte. Die kürzlich von Konstantinopel nach Varna geschickten Kruppkanonen sind in den verschiedenen Festungen längs der Donau vertheilt wor⸗ den. Kalafat gegenüber wurde eine Sternbatterie aufgeführt, da die russische Armee, wenn sie über den 4 in Rumänien einrückt, bei Kalafat über die onau setzen könnte. Zu diesem Zwecke wurde durch den

Generalstab von Widdin eine große Anzahl von Schaluppen zum

Transport der türkischen Soldaten vereinigt, Die gegenwärtig in Wibdin zusammengezogenen Truppen haben einen Effektiv⸗ bestand von 71 Linien⸗Bataillonen, 12 Schwadronen Kavallerie und 12 Batterien. Dieses Armeecorps bildet zwei starke Divisionen, um gleichzeitig gegen den von Außen kommenden

eind und nach dem Innern operiren zu können. Außerdem ehen Abtheilungen von je fünf Bataillonen zwischen Rust⸗ chuk, Palanka und Lom, um die Verbindungen zwischen den

verschiedenen Armeecorps an der Donau und dem von Widdin, dessen Stärke gegenwärtig über 60, 00 Mann beträgt, offen zu erhalten.

Der Zusammentritt des türkischen Parlaments“ erfolgt bekanntlich am 13. d. M. Das W. „Fremdenbl.“ glaubt „nach ganz verläßlichen Mittheilungen“, die demselben aus der türkischen Hauptstadt zugehen, annehmen zu dürfen, daß kurz nach Zusammentritt des Parlaments eine Inter⸗ pellation an die Kaiserliche Regierung in dem Sinne ge⸗ richtet werden wird, ob und inwieweit ihr eine Fortdauer des gegenwärtigen Zustandes des bewaffneten Friedens zulässig oder wünschenswerth erscheine, und ob und inwieweit es ihr zulässig erschienen sei, etwas für die Beseitigung dieses . standes zu thun. Mit anderen Worten, der Kaiserlichen Regierung wird nahegelegt, sich über die Entwaffnungs— frage und damit über die Frage von Krieg oder Frieden zu äußern. Wie man demselben Blatte ferner mittheilt, hat die Pforte den bisherigen Leiter ihres Preßbureaus, Blaque Bey, seines hohen Postens enthoben und ihn (derselbe ist Katholik) dafür zum Mitgliede des Staatsrathes ernannt. An seine Stelle wurde nun Madschid Bey, ein Neffe Fuad Paschas, der einmal Leiter des Preßbureaus schon war und bis jetzt den Posten eines Vize⸗Gouverneurs (Mutessarif) von Tultscha bekleidete, zum zweiten Male mit der Leitung dieses Bureaus betraut.

Die „Ag. gen. russe“ vom S8. ist in der Lage, die Nachricht, die Pforte solle die Demobilisirung der russischen Süd-Armee verlangt haben, für voll— kommen unrichtig (inexacte) zu erklären. Nicht nur habe dieselbe einen solchen Schritt nicht gethan, sondern sie pro⸗ testire auch gegen die Absicht, die man ihr zugeschrieben, ihn zu thun. Die „Ag. gen. russe“ vom 6. d. M. versendet fol⸗

endes Telegramm: „Die Montenegriner bestehen auf dem

,,. der Konferenz und glauben sich durch dasselbe gebunden. Die Pforte weigert sich, so viel zuzugestehen. Nichtsdestoweniger kann man Angesichts der ganzen Sachlage und bei dem vorhandenen Wunsche nach einer Lösung auf eine Ausgleichung dieser Schwierigkeiten hoffen.“ Die „Agence“ warnt das Publikum vor Ge⸗ rüchten, die ohne Zweifel durch die Spekulation in Umlauf gesetzt seien. Sie wiederholt nochmals, daß sich nichts in der Haltung Rußlands verändert hat, welches fest und gemäßigt bleibt, gestützt auf eine Armee von 500,000 Mann, welche in den südlichen Provinzen konzentrit sind, und nur ein einziges Ziel verfolgt: dasjenige der entschiedenen, thatsächlichen und garantirten Verbesserung des Loses der christlichen Bevölke⸗ rungen. Aber dieses Ziel muß erreicht werden. „Die russische Regierung wirs mit Ruhe und gutem Willen alle Kombinationen diskutiren, welche ihr dazu angethan scheinen, dieses Ziel sicherzustellen. Dieser Wunsch steht nicht im Wider— spruche mit den Anschauungen Europas, und da der Wunsch fur Aufrechthaltung des Friedens allgemein ist, so steht zu hoffen, daß man auch zu einem friedlichen und befriedigenden Resultate kommen wird.“

Die Führer der Begs in Bosnien haben, wie man der „Pol. Korr.“ aus Brod vom 6. d. schreibt, ein Mani⸗ fest erlassen, aus welchem der Berichterstatter folgende Probe hervorhebt:

„‚Alles verläuft gut und ordnungfmäßig. Die Herrschaft der Türken über die Rajah ist neuerdings befestigt worden. Der Sultan, der Bruder der Sonne, der Vetter des Mondes und Kaiser aller Kaiser, hat allen Königen des Abendlandes erklärt, daß er den Recht⸗ gläubigen das Herrscher⸗Privilegium über die mit dem Schwerte unterworfene Rajah nicht nehmen werde. Also wisset, in Bosnien bat Niemand als wir zu befehlen und die Rajah muß uns gehorchen, .. ihren seit Monaten bethätigten Ungehorsam muß sie bestraft werden.

Die Insurgenten sammeln sich im Kozara- und Vutsjak-Gebirge; sie sollen mit modernen Waffen ausgerüstet und von einem militärisch befähigten Anführer geleitet sein.

Paris, 9. März. Die „France“ bringt folgende Mittheilung: „Der Sekretär des Generals Ignatieff er⸗ sucht uns, zu erklären, er habe in Berlin blos den Redacteur der Bürger-Zeitung gesprochen, der 5 aber Aeußerungen zuschreibe, die er nie gemacht habe; folglich seien die Berichte der „Neuen Freien Presse“, des „Standard“ und der ball Mall Gazette“ reine Erfindung,“ Der „Temps“ schreibt, Ignatieff habe bei seiner Mission durchaus kein festes Pro⸗ gramm erhalken, sondern solle blos die Unterzeichnung eines Protokolls betreiben, welches die Pforte an alle diejenigen Reformen mahne, die von der Konferenz verlangt wurden; diefes Protokoll solle blos die Bestätigung der von den Be⸗ vollmächtigten ausgesprochenen Wünsche enthalten, aber kei⸗ nerlei Drohung gegen die Türkei; von der Vernichtung des Friedens von 1866 sei durchaus nicht die Rede.

Aus Belgrad, 6. März, meldet die „Pol. Korr.“

Heute erschien das erwartete, auch formell die Kriegsepoche ab— schließende fürstliche Manifest und noch heute beginnt die beidersei⸗ tige Räumung der gegenseitig besetzt gehaltenen Positionen. Die serbischen Bataillone haben Befehl erhalten, das türkische Gebiet bis zum 8. März vollständig zu räumen; die türkischen Kommandanten hingegen haben die Obersten Horvatovies und Leschjanin avisirt, daß sie am 8. März die Städte Alexinatz und Saitschar verlassen werden. Bis Sonntag, den 11. März, wird Alles zum alten status quo ante zurückgekehrt fein leider nur nicht die ökonomischen Zustände. Die Kreise Alexinatz, Saitschar und Knjazevatz haben unter den Kriegser⸗ eignissen furchtbar gelitten. Alexinatz ist nahebei ganz vom Erdboden ver⸗ schwunden, während Saitschar und Knjazevatz größtentheils abgebrannt sind. Es find bei js 555 Menschen obdach und brodlös geworden. Die erste Sorge der Regierung muß sein, die erwähnten Städte und über 200 zerstörte Dörfer wieder aufbauen zu helfen. Wie verlautet, dürfte eine Spezialkommission, aus Staatsräthen und Administra⸗ tionsbeamten gebildet, an Ort und. Stelle abgehen, um die Total⸗ höhe der durch die kriegerischen Ereignisse verursachten Schäden fest⸗ zustellen und gleichzeittg den Impuls zu den unumgänglich nothwen⸗ digen Vorarbeiten zu geben. Die Fürstliche Regierung trägt. sich mit dem Plane, Mitte August die Skupschtina zu einer ordentlichen Session einzuberufen. Derselben sollen sehr wichtige Vorlagen unter⸗ Freitet werden. Vor Assem würde das Parlament eine Anleihe in der Höhe von 24 Millionen Fres. zu votiren haben, die zur Hebung der 5konomischen Verhältnisse des Landes verwendet werden sollen. Zur Bedeckung dieser Schuld wird die Staate ⸗Hypothekar⸗ bank allẽe jene Hypotheken geben, auf welchen dieselbe intabulirt ist. Diese Deckung würde eine Höhe von ungefähr 8 Millionen Franes repräsentiren, die Anleihe würde also mehr als genügend gesichert sein. Sodann würde die Skupschtina die Aufgabe haben, weitgehende Reformen auf dem Gebiete der Verwaltung zu sanktioniren, die zum

wecke der Entlastung des Budgets vorgenommen werden müssen. Schon aus diesem 3 der en e n, geht hervor, daß eine Vergrößerung des sfehenden Heeres nicht bea sichtigt werden könne. Das Milizfystem wird beibehalten werden, nur soll die Organisation der Miliz eine gänzliche Umgestaltung erfahren. Vorläufig dürfte aber dieser Gegenstand kaum auf die Tagesordnung gesetzt werden. Dagegen wird eine Reduktion des stehenden Heeres auf die Hälfte seines jetzigen Standes unmittelbar erfolgen. Von den bis jetzt zur Erhaltung der Truppen benöthigten 13 Millionen Piastern würden 50 ,o er part werden. Man wird eben ganz und voll die finanzielle Regenerirugg des Landes anstreben. Mit der Bildung eines neuen Kabinets dürfte

es kaum so leicht gehen, namentlich nicht vor dem Zusammentritte der Skupschtina. Die meisten regierungsfähigen Mitglieder der jung⸗ konservativen Partei sind bekanntlich unter der Anklage, als hätten sie verfassungswidrig regiert. Die Skupschtina wird nun diese An⸗ klage zu prüfen und ein Endurtheil abzugeben haben. Erst nach der erfolgten Freisprechung der Herren Zumie, F. Christic, Mijatevis und der anderen Mitglieder der Kabinetie Marinovic, Zumis und Stefanovis dürfte die konservative Partei ans Ruder gelangen. Daß aber eine Freisprechung erfolgen werde, ist mehr als wahrscheinlich, da die tendenziösen Anklagen, innerlich haltlos, vor jedem Tribunale zusammenfallen müßen. Die Regierung wird nächste Woche den ständigen Kapukehaija (Vertreter) für Konstantinopel ernennen. Da der letzte Vertreter Serbiens bei der Pforte, Ma⸗ gazinovis, sich weigert, diesen Posten wieder zu übernehmen, so dürfte der Friedensunterhändler Philipp Christis wohl bleibend mit der Vertretung Serbiens in Konstantinopel betraut werden. Die regie⸗ rende liberale Partei verfügt über wenige für diplomatische Funktionen qualifizirte Persönlichkeiten. Die Konservativen verweigern aber vor⸗ läufig ihre Dienste.

Briefe aus Mekka, welche in Konstantinopolitani⸗ schen Blättern mitgetheilt werden, melden, daß eine erste Sammlung zur Bestreitung der Kriegskosten, die in den heiligen Städten veranstaltet wurde, 126,930 Piaster eintrug, Diese Summe stieg bis zu den Kurban⸗Beiramfesten auf 445,660 Piaster, worunter 25,000 Piaster als Erlös der Felle der an dem großen Opfertage geschlachteten Hammel, 22,500 Piaster als Beitrag der von der Insel Java gekommenen ihr und 63,083 Piaster von der dortigen Garnison. Die Gesammtzahl der Mekkapilger belief sich dieses Jahr auf etwa 200,000; meistens waren es Gläubige aus der Halbinfel Arabien selbst. Ungefähr 41,000 landeten in Yanbo und Djeddah, die aus Java, Indien, Tunesien und Aegypten kamen. Sehr wenige Pilger waren aus Europa und den islamitischen Staaten Central-Asiens gekommen.

Rumänien. Bukarest, 9. März. Im Senate ent— wickelte Apostoleanu eine Interpellation, worin er ver⸗ langt, doß die Regierung die Akten über die Mission Ioan Ghika's nach London und Rosetti's nach Paris, welche sich auf die Handelskonventionen beziehen, sowie die Akten über die Mission Demeter Bratiano's nach Konstanti— nopel, welche sich auf das rumänische Memorandum und den Protest bei der Pforte beziehen, vorlege. Der Mi⸗. nister des Aeußern antwortete, daß ihm die Zeit noch nicht passend scheine, um diese Akten zu veröffentlichen. Der Senat beschloß, die Frage später zu verhandeln und zu be— urtheilen, jedoch wird die Diskussion heute sortgesetzt. Der österreichisch⸗ungarische General-Konsul von Zwiedinek soll heute hier eintreffen.

Dänemark. Kopenhagen, 8. März. (H. N.) Im Landsthing ist das vom Folkething zurückgelangte militä— rische Strafgesetz mit 45 gegen 2 Stimmen an einen Ausschuß verwiesen worden. Die militärischen Sachkundigen des Things stimmten mit denen des Folkethings in Betreff der Nothwendigkeit einiger strenger, schnell wirkender Straf⸗ mittel zur Aufrechthaltung der Disziplin im Heere und in der Flotte überein und wollten dem Kriegs⸗Minister in seinen vermeintlich unbedenklichen humaneren Ansichten nicht folgen. General Haffner hielt indessen auch seinen Standpunkt fest, und erklärte u. A.: Die Aufrechthaltung der Disziplin sei nicht so sehr abhängig von den Bestimmungen des Straf⸗ gesetzes, als von der Haltung und dem ganzen Betragen, die die Befehlshaber ihren Untergebenen gegenüber zeigten. Den Einwendungen, daß es unmöglich sei, Heer und Flotte unter einem Strafgesetz zu vereinigen, trat der Minister mit dem Ausspruche entgegen, daß das doch in Deutschland der Fall sei; auf deutschen Kriegsschiffen sei die Disziplin musterhaft bei mildem Strafgesetz. Es wurde ihm dagegen von dem Abg. Brock erwidert, daß die lange Dienstzeit in der deutschen Marine dabei in Betracht komme, während hier im Lande bei kürzerer Dienstzeit die Aufrechthaltung der Disziplin bei dem gegenwärtigen Zeitgeiste nicht geringe Schwierigkeiten habe.

Amerika. Washington, 10. März. (W. T. B.) Die Kommission des Senats hat beantragt, der Ernennung von Schurz, zum Sekretär des Innern, von De vens, zum GeneralStaatsanwalt, von Macrary, zum Sekretär des Krieges und von Thompson, zum Sekretär der Marine, die Bestätigung zu ertheilen. Der Präsident Hayes hat eine aus Farbigen bestehende Deputation vo n Bür⸗ gern Südearolinas, die zum Theil der dortigen Staats- repräsentanz angehören, empfangen und dabei erklärt, er wuͤnsche den Unterschied der Racen vollständig verschwinden zu machen und die Anwendung von Waffengewalt würde un⸗ vermeidlich sein, wenn die Demokraten im Süden die Nechte ihrer politischen Gegner nicht achten sollten. Zum Schluß schlug der Präsident vor, daß vorläufig der status quo in Carolina aufrecht erhalten werde, er wolle die. Verhältnisse erst eingehend erwägen, ehe er sich zu einem aktiven Handeln entschließe. . J

(W. T. B.) Der Senat hat fast einstimmig der Ernennung der vom Präsidenten vorgeschlagenen Kabinets⸗ mitglieder die Bestätigung ertheilt. Der Schatz⸗ Sekretär Morrill hat weitere 16 Millionen Bonds zur Ein⸗ lösung einberufen. .

Asien. Aus Teheran wird der „Wiener Abendpost u. A. Folgendes geschrieben: .

Am 6. Januar d. J. begannen die zur Feier des 30 jãhri⸗ gen Regierungs⸗-Jubiläums Sr. Majestät des. Schahs von Persien angesagten dreitägigen Festlichkeiten bei Hofe mit cinem Diner, welches den Mudschtehid und Mollahs, das ist dem hohen schütischen Klerus, der Hauptstadt Teheran gegeben wurde. Am nächsten Tage, dem 7. Januar, brachte das diplomatische Corps in einer Kollektiv⸗Audien; dem Schah in den neu restaurirten Appartements der Burg seine Glückwünsche dar, wobei Mr. Thomson das Wort führte. Denselben Abend fand in dem Königlichen Palais dem diplomatischen Corps zu Ehren ein großes Diner auf Befebl des Schah statt. Dleses Festmahl war dadurch denkwürdig, daß der Schah zum ersten Male nach Tische sich den ver— , Jaäͤsten zeigte und eine Art Cercle abhielt. Der Schah etonte im Gespräche, daß es das erste nach europäischer Sitte ab⸗ gehaltene sei. Er bedauerte dessen Mangelhaftigkeit, die jedoch, weil eg eben der erste Versuch sei, nachgesehen werden möge. Schließlich drückte er den Wunsch und die Hoffnung aus, von nun an das di plomatische Corps öfter in ähnlicher Weise um sich versammelt ju schen. Hierauf ließ er sich mit jedem der Herren Diplomaten in ein kurzes Gefpräch ein. Das persönliche Grscheinen des Schah. bei dem Feste erregte bei den Perserg sowohl als auch den Eurohzäern nicht geringes Uufsehen und Befriedigung; der nächstfolgende 4 . der dritte des Festes, galt den noch nicht eingeladen gewesener. Civil⸗ und Militärkörpern der Hauptstadt und endete mit einer alugemeinen Illumingtion der zur Burg führenden Hauptstraßen und Bazars, sowie mit einem großen Feuerwerke. Das dreißigste Anniversarium der Thronbesteigung des Schah wurde gleichzeitig in allen Theilen

des Reiches gefeiert.