montenegrinische. Defensive an der Tagesordnung stehen und ein Angriff erst eingeleitet werden, wenn einmal die Schar⸗ mützel zwischen den Türken und Miriditen zu einem greif⸗ baren Resultate geführt haben. Schon seit einigen Tagen werden ununterbrochen Zusammenstöße zwischen den Truppen Derwisch Paschas und den Miriditen gemeldet, doch nur unter Angabe ganz fiktiver Ortsnamen, die selbst auf den besten Karten nicht aufzufinden sind. Jedenfalls scheint zwischen Skutari und Droschi etwas Ernstliches vorzugehen und Der⸗ wisch Pascha seinem Rufe, zu unrechter Zeit und an gefähr⸗ licher Stelle die Dinge durcheinander bringen zu können, genügt zu haben. Die Miriditen werden ihm ebenso gefähr⸗ liche Gegner als die Montenegriner sein.
Rumänien. Bukarest, 16. April. (W. T. B.) Der Minister des Auswärtigen, Cogolniceanu, hat an die diplomatischen Agenten Rumäniens im Auslande ein Rund⸗ schreiben' versandt, worin erklärt wird, die Politik Ru⸗ mäniens werde darauf gerichtet sein, keinerlei nationales In⸗ teresse zu verletzen, den Frieden zu erhalten und strikte Neutralität zu beobachten. — Nach Beendigung der Neu⸗ wahlen zum Senat sollen alsbald die Kammern einberufen werden.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 16. April. (W. T. B) Der Minister des Innern, General Timascheff, welcher in Folge eines Todesfalls in seiner Familie zeitweilig durch seinen Adjunkten, den Fürsten Lobanoff, vertreten worden war, hat die Geschäfte seines Ressorts wieder übernommen.
— Am 11.23. März starb, wie man dem „St. Pet. Herold“ schreibt, in Tiflis der Chef der Rußland unter⸗ worfenen Kurden, General-Major Dshafar⸗-Aga⸗Ali⸗Beg Schammadin⸗Aga⸗Ogly.
Schweden und Norwegen. Christiania, 12. April. Nach zweitägigen Debatten ist die „Staatsrathssache“ übereinstimmend mit dem privaten Vorschlage, wie bereits mit⸗ getheilt, mit einer großen Majorität erledigt worden. Wäh⸗ rend das „Aftenbladet“ und das „Dagbladet“ sich über den Ausgang der Angelegenheit freuen, und die Sanktion wie eine nochwendige Folge derselben betrachten, räth das „Mor⸗ genbladet“ auf das Entschiedenste von einer Sanktionirung des Storthingsbeschlusses ab.
Dänemark. Kopenhagen, 15. April. Man schreibt den „Hamb. Nachr.“: „Inimer neue Adressen an den König bezeugen, daß das loyale Gefühl in weiten Kreisen mit einer Stärke erwacht ist, wie man es vorher kaum hätte erwarten sollen, und es ist daher ganz vergeblich, wenn die Linkenorgane sich bemühen, diese Thatsache als sogengnntes „Adressenfieber“ lächerlich zu machen. In einer neuen Adresse aus Stilleröd, welche sofort zahlreiche Unterschriften fand, wird unbedingtes Vertrauen zum Ministerium ausgesprochen, und das provisorische Finanzgesetz als eine traurige, aber un⸗ abweisliche Nothwendigkeit bezeichnet. Daß die Linkenorgane bemüht sind, das Gegentheil darzuthun, kann nicht Wunder nehmen, wird indessen außer den Kreisen der Anhänger keine Wirkung machen.“
Statistische Nachrichten.
Mort alitäts-⸗Statistik und Gesundheitsverhält— nisse. Gemäß den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund⸗ heitsamts find bis zu der am 7. April er. beendeten vierzehnten Jahreswoche von je 1009 Bewohnern auf den Jahresdurchschnitt be⸗ rechnet, gestorben: in Berlin 245, in Breslau 255, in Königs⸗ berg 355, in Cöln 24,8, in Hannover 23,3, in Stettin 2658, in Altona 2468s, in München 303, in Nürnberg 245, in Augsburg 49,2, in Dresden 223, in Leipzig 24, in Stuttgart 23,, in. Braun⸗ schweig 33, , in Karlsruhe 27M, in Hamburg 2455, in Wien 35, in Budapest 445, in Prag 41,“, in Basel 27,5, in Brüssel 241, in Paris 3255, in Amsterdam 3Le, in Rotterdam 31, im Haag 24,3, in Kopenhagen 307, in Stockholm 28M, in Christiania 16, in Warschau 26a, in Lissabon 36,, in Neapel 400, in Turin 271, in London 28,, in Glasgow 29,n, in Liverpool 273, in Dublin
31, in Edinburgh 263, in Alexandria (Aegypten) 33,5, in New⸗NYork 24,0, in Philadelphia 13, in Boston 224, in San Franzisko Wa, in Calcutta 25,6, in Madras 1325, in Bombar 41.
Bei xvorherrschenden Westwinden und mäßigen Regenniederschlägen in der ersten Hälfte der Berichtswoche stieg die Luftwärme rasch auf eine für die Jahreszeit ungewöhnliche Höhe und hielt sich auf der⸗ selben auch während der zweiten Wochenhälfte, während südliche und im nördlichen Deutschland südöstliche Windströmungen stattfanden. Der Luftdruck zeigte anfangs eine abwärts gehende, später eine stei⸗ gende Bewegung und die Luftfeuchtigkeit sank in einzelnen Gegenden auf einen ungewöhnlich niedrigen Stand. Die mildere Temperatur der Berichtswoche übte auf die Gesundheitsverhältnisse im Allgemeinen einen günstigen Einfluß aus. Die allgemeine Sterblichkeitsverhältnißzahl in Deutschland sank um 2 0K, von 28,7 der Vorwoche auf 26,7 (auf lo)09 Bewohner und aufs Jahr gerechnet). Die Abnahme betrifft zu⸗ meist die Altersklassen von 2 = 20 Jahren, in einigen Gruppen (in der oberrheinischen Niederung und im sächsisch⸗märkischen Tieflande) das Greisenalter — während das Säuglingsalter im Ganzen eine Zu⸗ nahme erfuhr (mit Ausnahme des mitteldeutschen Gebirgslandes). Die Abnahme der Sterblichkeit zeigt sich in fast allen Gruppen Deutschlands (am bedeutendsten in der oberrheinischen Niederung), nur das Oder⸗ und Warthegzebiet, sowie das süddeutsche Hochland zeigen eine unerhebliche Zunahme. Die Infektionskrankheiten erschei⸗ nen im Allgemeinen in nicht wesentlicher Veränderung gegen die Vor— woche. Das Scharlachfieber ist im mitteldeutschen Gebirgslande und am Niederrhein, die Diphtherie in der letzteren Region seltener. Tryphöse Fieber haben nur in Obschlesien zugenommen, sonst erscheinen sie in deutschen Städten, ebenso in Paris und London seltener als in der Vorwoche; in Wien ist die Epidemie als erloschen zu betrachten. Apoplexien und entzündliche Prozesse der Athmungs⸗ organe sind in Deutschland sehr erheblich vermindert; in Berlin star⸗ ben nur die Hälfte der Zahl der vorigen Woche, auch Wien, London und Paris weisen kleinere Ziffern von Todesfällen auf. Dagegen ist die Sahl der an Keuchhusten gestorbenen Kinder am Rhein und in England größer. Auch die Darmkatarrhe mit tödtlichen Ausgängen waren zahlreicher. Die Zahl der Pocken⸗Todesfälle ist fast uberall kleiner als in der vorigen Woche, nur in Indien (Madras) treten sie mit großer Heftigkeit auf. während die Cholera milder zu verlau— fen scheint Aus Rio de Janeiro werden aus den letzten Wochen des Februar 10 Todesfälle an gelbem Fieber gemeldet.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Leipzig, 15. April. Der außerordentliche Professor der Philo—
sophie an der hiesigen Universität, Dr. Schuster, ist nach kurzer Krankheit verstorben. An sterdam, 13. April. In vielen Orten des Landes bilden sich Kommissionen zur Beförderung einer nieder ländischen Nord— polfahrt und zugleich zur Errichtung eines Gedenkzeichens an die denkwürdige Ueberwinterung der holländischen Expedition nach Nova Semlja unter Heemskerk und Barentsz im Jahre 1596.
— Unter dem Titel: ‚Preußens Volksvertretung in der Zweiten Kammer und im Hause der Abgeordneten“ giebt der Rendant bei dem Hause der Abgeordneten, Rechnungs⸗Rath Lauter, auf Subfkription ein Namensregister sämmtlicher Mitglieder der früheren Zweiten Kammer beziehungsweise des Hauses der Ab— geordneten heraus. Dasselbe reicht von der 1. Legislatur⸗Periode im Jahre 1849 an bis einschließlich zu dem Wahlergebniß für die J3. Periode, Session 1877, und ist in alphabetischer Reihenfolge angefertigt. Auch Stand und Wohnort, und wo es zu ermitteln war, die Vornamen nebst Geburtstag und Jahr der Abgeordneten, die Bezeichnung der Session, während welcher sie dem Hause an— gehörten, ferner die Fraktion, der sie sich angeschlossen und endlich Notizen über etwaige anderweite parlamentarische Wirksamkeit (Mitgliedschaft im vereinigten Landtage, der preußischen und Frankfurter Nationalversammlung, des Erfurter Parlaments, des Landtags in einem der 1866 einverleibten Lande, des Reichs— tages 2c.) sind angegeben. Hierzu als Ergänzung dient ein Nachweis der nach den einzelnen Provinzen und Regierungsbezirken geordneten Wahlkreise, woraus die Wahlergebnisse in jedem Wahl⸗ bezirke während der Zeit von 1849 bis 1877 hervorgehen. Außerdem ist in der Einleitung eine Zusammenstellung der Daten für die Ur— und Abgeordnetenwahlen, die Eröffnung, Schließung und bezw. Auf— lösung des Abgeordnetenhauses, ein Verzeichniß der in Funktion ge— wesenen Alterspräsidenten, ferner eine genaue, aktenmäßige Dar— legung des Resultates der Wahlen des Präsidiums und der Schrxift— führer unter Angabe der Stimmenzahl, die Namen der Mitglieder des Staats-Ministeriums seit 1848 und ein kurzer Ueberblick über die Parteibildungen in den einzelnen Legislaturperioden gegeben.
— Von der Civilprozeßordnung für das Deutsche Reich, erläutert von JF. Struckmann und Koch (Berlin, Verlag von J. Guttentag 1877) welche vor Kurzem von uns besprochen wurde, sind nunmehr die 2. und 3. Lieferung er⸗
schienen. Dieselben enthalten: das zweite Buch: — Verfahren in erster Instanz vor den Land⸗ und Amtgerichten — das dritte Buch: — Rechtsmittel — das vierte Buch; — Wiederaufnahme des Ver⸗ fahrens — das fünfte Buch: — Urkunden und Wechselprozeß — das sechste Buch: — Ehe und Entmündigungssachen — und den Anfang des siebenten Buchs; — Mahnverfahren. Der reichhaltige Stoff ist mit gleicher Ausführlichkeit behandelt wie im ersten Hefte.
— Von Brebms Thierleben, dessen wir schon wiederholt in anerkennender Weise gedacht haben, sind so eben in geschmackvoller Aus. stattung im Verlage des Bibliographischen Instituts zu Leipzig Heft 1—5 des 9. Bandes in 2. Auflage erschienen. Derselbe bildet die 4. Abtheilung des ganzen Werkes und handelt von den Gliederthieren als Insekten (Käfern Bienen, Wespen, Ameisen). Die vorliegenden Hefte zeigen dieselben Vorzüge, die wir bei den frü— beren schon lobend anerkannt. Auch in diesen wird das Hauptgewicht auf das Leben des Thieres gelegt, dies Leben durch ein— gehende Beobachtungen und Forschungen ergründet und klar in einer Sprache dargelegt, welche, bei aller wissenschaftlichen Bestimmtheit, doch zugleich populär ist. Auch hier sind außer zahlreichen im Texte abgedruckten Abbildungen jedem Hefte noch besondere Bildertafeln mit größeren Darstellungen beigegeben. Die Abbildungen sind duich⸗ aus naturgetreu und geradezu musterhaft.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
e = Paris, 15. April, (Fr. C.) Auf Betreiben Leverriers werden in großartigem Maßstabe Versuche ausgeführt werden, lum zu er⸗ mitteln, inwiefern durch Rauch dem schädlichen Einflusse des Nachtfrostes auf die Weinberge vorgebeugt werden könne.
Gewerbe und Handel.
Breslau, 11. April. Die „Schlesische Presse“ schreibt: Die Klagen über den Nothstand in Oberschlesien dauern fort. Wir wollen nicht leugnen, daß die Verhältnisse in Oberschlesien durchaus nicht günstig liegen, müssen aber die sich gerade jetzt häufenden Klagen als übertrieben betrachten. Es fehlt in den industriellen Etablisse⸗ ments durchaus nicht an Arbeit, von den ansässigen tüchtigen und brauchbaren Arbeitern ist Niemand entlassen worden, für die aus⸗ wärtigen Arbeiter ist durch Eisenbahn⸗ und Wegebauten Beschäftigung geschaffen worden. Die Typhusepidemie ist im Abnehmen.“
— Nach dem Geschäftsbericht der Frankfurter Wechsler⸗ bank beziffert sich der Gesammtumsatz in 1876 auf 197,521,417 Auf Kassakonto betrugen die Umsätze im Eingang 32,396,166 6, im Ausgang 32092, 80 „6, und es verblieb mithin am 31. Dezember 1876 ein Kassavorrath von 303,385 S6. Nachdem in Folge vorge⸗ nommener definitiver Abschreibungen der Saldo des Spezial⸗-Reserve⸗ kontos auf 53,873 „ reduzirt worden war, wurden demselben zu Lasten der diesjährigen Gewinn- und Verlustrechnung von Neuem S0, 581 ½ überschrieben, wodurch dasselbe am 31. Dezember 1875 mit 134,455 66 in den Passiven figurirt. Der Gewinn- und Verlust— rechnung zufolge verbleibt, nach den vorgenommenen Abschreibungen und abzüglich sämmtlicher Unkosten, ein Nettosaldo von 4451 „6, welcher auf neue Rechnung vorgetragen werden soll.
Wien, 17. April. (W. T. B.) Die Generalversammlung der 5sterreichisch⸗französischen Staatsbahn ist zum 18. k. M. ausgeschrieben. Die Aktien der Aktionäre, die an der Versammlung theilnehmen wollen, müssen bis zum 4. Mai deponirt werden. Zur Tagesordnung der Generalversammlung gehört außer den gewöhnlichen Berathungsgegenständen die Fusion mit der Brünn-⸗Rossitz—
Bahn. Verkehrs⸗Anstalten.
Von dem Nöri gschen Gütertarifbuch, von welchem seit dem letzten (VIII.) Jahrgange 1871 weitere Ausgaben nicht er⸗ scheinen konnten, ist unter Redaktion des seitherigen Herausgebers eine Neubearbeitung in Vorbereitung begriffen. Es ist, nach dem vorliegenden Prospekte der Verlagshandlung von Hugo Voigt (vor— mals E. Schotte C Co.) in Berlin und Leipzig, eine Sammlung von verschiedenen, für sich jedoch völlig selbständigen Tarifheften, welche unmittelbar nach der Durchführung des neuen Tarifsystems auf den Eisenbahnen Deutschlands erscheinen werden. Zunächst sind für alle größeren deutschen Plätze besondere Tarifhefte in Aussicht genommen, jedoch wird beabsichtigt, bei genügender Betheiligung auch für kleinere, in dem Prospekte namhaft gemachte Handels⸗ und Ver⸗ kehrsplätze besondere Tarifhefte erscheinen zu lassen. Der Preis eines Heftes für je eine Stadt wird sich auf 324 4 stellen.
FReT Tr. d Uri. L. T. B Der Damp fer . Spa mm; von der National⸗Dampfschiffs⸗-Compapnie (C. Messingsche Linie) ist heute hier eingetroffen.
Berlin, 17. April 1877.
In der Königlichen Gärtner-Lehranstalt zu Sans⸗ souci bei Pots dam fand am 27. März er. unter Leitung des Direktors der Anstalt — Hofgarten⸗Direktor Jühlke — die Ab⸗ gangsprüfung statt. Der Minister für die landwirthschaftlichen An⸗ gelegenheiten Dr. Friedenthal war durch anderweitige Geschäfte verhindert, der Prüfung beizuwohnen.
Von 17 Eleven wurden 8entlassen, die von dem Vor— sitzenden des Kuratoriums Geheimen Ober⸗Regierungs⸗Rath Hey⸗ der unter Hinweisung auf ihren künftigen praktischen Lebensberuf und Seitens des Garten-Direktors Jühlke mit einer Ermunterung zum Fortschritt auf der gewonnenen Grundlage und mit einem Rück⸗— blick auf den Erfolg des Unterrichts ihre Zeugnisse erhielten.
Die in den Zwischenpausen ausgelegten Arbeiten von Zeich— nungen an Garten-Plänen, Blumen, Früchten zc. perspektivischen Zeichnungen u. dgl. gaben einen erfreulichen Beweis von den Erfol⸗ gen des Fleißes, der Sorgfalt und Mühe der Lehrer, und berech—⸗ figten zu der Hoffung des Fortschreitens der Schüler auf der betre⸗ tenen Bahn.
Die Frequenz der Anstalt hat sich für den nächsten Kursus durch den erheblichen Zugang von 20 Eleven mit dem Zeugniß der Se⸗ cunda und Ober -Secunda bis auf 29 vermehrt, und da in der Anstalt selbst nur 24 Eleven wohnen können, so haben 5 außerhalb der Anstalt am Wildpark Wohnung nehmen müssen.
Die erste Klasse in der Königlichen Landesbaumschule unter Leitung des Königlichen Garten-Inspektors Wrede zählt 6 Eleven, so daß die Anstalt im Ganzen 35 Schüler aus allen Theilen des Vaterlandes und aus Rußland und Amexika, zählt. Nach den Sta⸗ tuten der Anstalt muß der eintretende Eleve eine zweijährige prak⸗ tische Lehrzeit in der Gärtnerei und die Reife für Secunda nach⸗ weisen; die Mehrzahl der eingetretenen Eleven besitzt das Zeugniß zur Berechtigung des einjährigen freiwilligen Militärdienstes.
Die große Frühjahrsausstellung des Vereins der Gartenfreunde Berlins ist, wie wir bereits kurz gemeldet, am Sonnabend, den 14, in der Reitbahn des Kriegs⸗Ministeriums er⸗ öffnet worden und währt bis zum 18. d. M. incl. Die diesjährige Ausstellung steht an Geschmack des Arrangements und an Schönheit der ausgestellten Pflanzen keiner ihrer Vorgängerinnen nach. Die gesammte Anordnung, anlehnend an den gegebenen Raum, ist der früherer Jahre ähnlich. Am Eingange außerhalb stehen, riesigen Schildwachen gleich, zwei Prachtexemplare von Lorbeerbäumen. ie beiden Ecken links und rechts von der Eingangethür füllen wirkungsvoll zusammengestellte Gruppen von hochragenden Baumpflanzen, unter denen auf jeder Seite je eine prachtvolle hochstämmige rothe Camelie in voller Blüthe auffällt. Unter den Zweigen dieser Baumgruppen breiten sich reiche Sortiments von Azalien, kn den verschiedensten er, ee vom zartesten Weiß bis zum feurigsten Roth, aus. Auf Stellagen und Tabletten längs den Wänden stehen in gewissen Ab⸗ ständen hochstämmige Kronenbäume von Myrthen; den Zwischenraum
füllen geschmackvoll arrangirte Hyancinthen- und Cameliengruppen. Eine Kollektien von Aepfeln unterbricht an der linken Seite die Blumengesellschaft und bringt eine bunte Abwechselung in das Ganze. Dann folgt auf dieser Seite eine Kollektion von sehenswerthen weißen rosafarbigen, großblumigen und dichtblumigen Primeln. An Camelien, die an Farbenpracht mit den Palien wetteifern, steigt man zur Terrasse an der hintern Wand der Reitbahn empor, die durch eine massige Gruppe hochstämmiger Topf⸗ gewächse grün verkleidet ist, von der sich wirkungsvoll die reichste Azaliengruppe der Ausstellung abhebt. In der Mitte dieser Gruppe erheben sich, von Blumen und kleineren Pflanzen umgeben, die Büsten Ihrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin. Vor der Kaisergruppe trägt ein mächtiger Blumentisch üppig entwickelte Farren und eine neue Azalienart, die sogenannte Azalea mollis. Links und rechts von diesem Blumentisch stehen Caladien, eine Blattpflanzengruppe, in der fich besonders die aus den Wintergärten der hochseligen Prinzessin Carl stammende Rapis flabelli formis auszeichnet. Das Pargquet bildet auch dieses Mal den am meisten geschmückten Theil. Dasselbe ist, wie in früheren Jahren, in zwei durch einen Gang ge— trennte, ungefähr gleich große Flächen getheilt, welche mit frischem Rasen ausgelegt sind. Gleich beim Eingange in der Mitte des Rasenplatzes findet man eine R, die durch die Größe und Farbe der Blüthen Aufmerksamkeit erregt. Links hiervon bemerkt man doppelt gefüllte Primeln und eben solche Veilchen, deren bescheidene Blüthen lieblichen Duft aushauchen. Ueber der Cinerariengruppe (Aschenpflanze) steht eine Gruppe saftiger Succulenten (Fettpflanzen). Die linke Seite bildet eine Gruppe Ericas, auf der rechten ragen Rhododendron mit ihren strahlenden Blüthenkronen stolz über alle anderen empor. Aus der zweiten Rasenfläche erhebt sich dicht unter der Rückwand⸗Terrasse eine Schneeball, gefüllten Pfirsich, Azalien und Palmen tragende Felsgruppe, über welche ein kleiner Gebirgsbach herabrieselt. Vor diesem künstlichen Bache breitet eine Auswahl von Caladien ihre schön entwickelten Blätter aus. In der Mitte des hinteren Rasenstückes steht das seltenste Exemplar der Ausstellung, eine Beschoneria tubiflora mit ihren großen Blättern und reichen Blüthenknospen. Die schöne Pflanze kommt nur selten in unserm Klima zum Blühen. Im Vordergrunde am Wege fällt hier ferner eine Kollektion peredelter Zwergtannen in Töpfen durch ihr sattes Grün auf. Eine Sammlung schöner Echeverien oder dickblätteriger Pflanzen sind nach den verschiedenen Abstufungen ihres Grün wirkungsvoll geordnet und der Beachtung zu empfehlen. — Im Hofe bilden die verschiedenen Hülfsmittel der Gärtnerei in der größten Vollständig⸗ keit von Blumentöpfen bis zu Maschinen eine sehenswerthe Aus⸗ stellung für sich. — Ueber die Preisvertheilung haben wir schon am Tage der Ausstellung berichtet. —Zu erwähnen ist noch, daß wenige Stunden nach der Gröffnung Ihre Majestät die Kaiserin und Ihre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kron— prinzessin die Ausstellung mit hrem Besuche beehrten.
Den vierten Vortrag in der Aegintha“, Verein der Vogel⸗ freunde von Berlin, hält Hr. Alexander Bau über Freileben, Nest und Eier der einheimischen insektenfressenden Vögel, am Donnerstag, den 19. d. Mts., Abends 8 Uhr, in Happoldts Hotel, Grünstraße 1. Beitrittserklärungen sind an den Vorsitzenden. Dr. Karl Ruß in 5 oder an den Kaufmann E. Dulitz, Oranienstraße 140, zu richten.
Straßburg, 13. April. Gegenwärtig sind auch die Arbeiten zur Abtragung der äußeren Wälle vor dem Fischerthor im vollen Gange; die Anlage einer neuen Straße daselbst ist bereits in Angriff genommen, welche später in die Esplanadenstraße münden soll und die Grenze der neuen Universität bilden wird. Die östlich vom Fischerthor projektirte Universitätsanlage wird sich fast parallel der Nikolaus⸗Kaserne, in gleicher Höhe mit ihr anfangend hinziehen, und dieselbe nach der Esplanade hin noch um ein Be⸗ trächtliches überragen. Ganz an die Westseite der Stadt kommt der neue Centralbahnhof, und zwar unmittelbar in einen Theil des Terrains der Belagerung von 1870 zwischen dem alten Kronen⸗ berger Thor und der Lünette Pat vor dem alten Weißthurmthor. Die neue Wallstraße, sowie alle übrigen die Eisenbahn sonst schnei⸗ denden Straßen sollen als Wege⸗Unterführungen angelegt werden, so daß die gesammte Anlage des Centralbahnhofes auf eine die an— grenzenden Straßen überhöhende plateauartige Anschüttung zu liegen kommen wird.
In Prag wird am 16. Mai eine Wel tausstellung von Zeitungen und Handschriften “ eröffnet werden, die einen Monat dauern wird. In der Zeitschriftensammlung finden sich, wie die „Bohemia“ meldet, Exemplare aus allen Staaten Europas, (aus Deutschland allein 1615). Aus Amerika ist dem Comits schon vor längerer Zeit die seinerzeit auf der Weltausstellung in Philadelphia aufgelegte Riesensammlung aller amerikanischen Zeitungen zugesagt worden. Durch den Kaiserlich⸗ Königlichen Ministerresidenten von Schäffer in Jeddo und den Kaiserlich⸗Königlichen Konsul in Shanghai Ritter von Boleslaweki wurden auch Sammlungen aller in China. Japan und Siam erscheinenden Zeitungen zugesagt. Die Autographensammlung enthält weit über 2060 einzelne Nummern.
Der gestrigen Vorstellung der Meistersinger von Nürn⸗ berg“ im Königlichen Opernhause wohnte Se. Majestät der Kaiser von Brasilien bei.
Redacteur: F. Prehm.
Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner. Vier Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).
Berlin:
M
Srste Beilage
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗-Anzeiger. B
zerlin, Dienstag, den 17. April
2 ——
Aichtamtliches. Deutsches Reich.
Berlin, 17. April. Im weiteren Verlaufe der gestri⸗ gen Sitzung des Reichstages ergriff über die Anträge, bezüglich der Gewerbege setzgeb un g, der Bevollmächtigte
um Bundesrath, Präsident des Reichskanzler-⸗Amts, Staats— r iter Hofmann das Wort:
Meine Herren! Ich habe bereits in der Sitzung vom 12. vorigen Monats bei Beantwortung einer Interpellation, die von den Herren AÄAbgg. Günther und Richter (Meißen) gestellt war, Gelegenbeit ge—⸗ habt, mich über die Stellung kurz auszusprechen, welche die verbüuͤn⸗ Teten Regierungen in der Frage der Revision der Gewerbeordnung einnehmen Gestatten Sie mir, daß ich heute meine damaligen Mit theilungen noch einigermaßen ergänze, und mich zugleich über die Anträge, die heute auf der Tagesordnung stehen, ausspreche.
Im Allgemeinen kann ich die Stellung der verbündeten Regie⸗ rungen zu der Reform der Gewerbeordnung dahin präzisiren, daß fie, an der Grundlage der Gewerbeordnung, an dem Prinzip der Gewerbefreiheit, festhaltend, dazu bereit sind, die bessernde Hand überall da anjulegen, wo sich auf Grund der bisher gemachten Erfahrungen ein Bedürfniß zur Aenderung berausgestellt hat. Es jst das im Wesentlichen derselbe Standpunkt, den die verbündeten Regierungen eingenommen hahen, als der Entwurf der Gewerbe⸗ ordnung im Norddeutschen Reichstage vorgelegt wurde. Schon damals wurde erklärt, es handle sich einen Ausgang punkt für die gemeinsame Entwicklung der Gewerbegesetzgebung in Deutschland zu schaffen; dieser Ausgangspunkt Fönne nur slegen auf dem Boden der Gewerbefreiheit; die Gewerbe= ordnung aber sei nicht zu betrachten als ein für alle Zeit oder auch nur auf eine lange Reihe von Jahren ahgeschlossenes Werk, sondern es müsse der weiteren Entwicklung vorbehalten bleiben, die Gewerbe⸗ ordnung zu ergänzen und, wo es nothwendig ist, zu verbessern.
Meine Herren! Die Regierungen hahen auch bis jetzt keine Veranlaffung gehabt, dem Grundjatz der Gewerbefreiheit untreu zu werden. Denn so viele Klagen über die Folgen der Gewerbeordnung laut geworden sind, so richten sie sich doch im Wesentlichen nicht gegen die Gewerbefreibeit selbst oder gegen, solche Zustände, die als nothwendige Folgen der. Gewerhefreiheit zu betrachten sind. Vielmehr gehen die Klagen, die namentlich von felbständigen Gewerbtreibenden, ins besondere von den Vertretern des Handwerks Jahr für Jahr im Reichstage durch Petitionen geltend gemacht wurden, dahin, daß unter der Herrschaft der Gewerbefreiheit und Freizügigkeit gewisse Mißstände hervorgetreten seien, die jedoch keineswegs nothwendige Bestandtheile, wenn ich so fagen darf, des Systems der Gewerbefreiheit bilden. ;
Worüber wurde denn hauptsächlich geklagt? Darüber, daß die Verpflichtungen, welche, die Lehrlinge oder Gesellen oder Fabrikarbeiter gegen die Lehrherren oder Arbeitgeber einge⸗ gangen sind, nicht gehalten werden. Nun, meine Herren, glaube ich, daß man dem Prinzip der Gewerbefreiheit zu nahe tritt, wenn man es so auslegt, daß es die Verletzung ein⸗ gegangener Pflichten sanktionire. Ich meine, das liegt nicht im Be⸗ griff der Gewerbefreiheit, Diese giebt bestimmte Rechte, aber sie entbindet nicht davon, die Verpflichtungen zu erfüllen, in die man bezüglich der Arbeitsverhältnisse eingetreten ist. —
Ich kann deshalb auch dem . Vorredner darin nicht Recht geben, daß er meint, es habe in dem vor drei Jahren eingebrachten sogenannten Kontraktbruchgesetz eine Abweichung von dem Prinzip der Gewerbefreiheit gelegen. Denn es war damals die . nur die, ob die Verleßzung gewisser Pflichten, die an ich durch das Prinzip der Gewerbefreiheit nicht gedeckt wird, lediglich im Wege des Civilprozesses verfolgt werden soll, oder ob das öffentliche Interesse an der Einhaltung der Arbeitskontrakte so stark ist, , es sich rechtfertige, eine strafgesetz liche Sanktionirung gegen den Kon⸗ traktsbruch eintreten zu lassen. Das allein war die Frage, und ich glaube, es ist dabei das Prinzip der Gewerbefreiheit ganz außer dem Spiele. Die Regierungen sind indessen, da die Idee einer straf⸗ rechtlichen Verfolgung des Kontraktbruchs in diesem hohen Hause auf einen so entschiedenen Widerspruch gestoßen ist, bieher auf jenen Gesetzentwurf nicht zurückgekommen; eine Wiederaufnahme desselben ist bis jetzt von keiner Seite in Anregung gebracht. z
Die Reformen, welche die verbündeten Regierungen für jetzt ins Auge gefaßt haben, liegen auf denselben Gebieten, die auch durch die hier vorliegenden Anträge berührt werden. Es handelt sich erstens um eine festere Gestaltung des Lehrlingswesens, zweitens um eine bessere Regelung der Kinder und Frauen⸗ arbeit in den Fabriken in Verbindung mit weiteren Bestimmungen über die Arbeit in den Fabriken überhaupt, also, um es kurz zu fagen, um ein Fabrikgese tz, und es handelt sich Drittens um die Einsetzung der gewerblichen Schiedsgerichte.
Bas 'sind die drei Gegenstände, welche bereits jetzt von dem Reichskanzler⸗Amte auf Grund sowohl der Enquete, als der Aeuße⸗ rungen der Bundesregierungen über die Resultate der Enquete, in
Angriff genommen worden sind.
Ich glaube zusichern zu können, daß dem hohen Hause — mögen nun die Anträge, die hier vorliegen, an eine Kommission verwiesen oder in anderer Weise erledigt werden, jedenfalls in der nächsten Session eine Vorlage über Revision der Gewerbeordnung zugehen wird, welche die drei von mir bezeichneten Materien umfaßt.
Ich will damit nicht ausgeschlossen haben, daß auch andere we⸗ niger bedeutende Gegenstände, wie z. B. die Frage der Wanderlager und der Konzession der Schankwirthschaften, bei den Vorarbeiten für die Vorlage mit in Erwägung gezogen und je nach dem Ausfall dieser Vorberathungen auch in den Gesetz⸗ entwurf aufgenommen werden. Wenn dieses die Stellung der verbündeten Regierungen ist, fo geht daraus hervor, daß die An⸗ träge, die hier im Hause gestellt sind, nur erwünscht sein können, soweit dieselben sich auf dem Boden der jetzigen Gesetzgebung bewegen, also von dem Gedanken der Gewerbefreiheit ausgehen und den Zweck verfolgen, einzelne beftimmte Verbesserungen in dem System unserer Gewerbeordnung herbeizuführen. .
Sämmtliche Anträge, mit Ausnahme desjenigen, den Herr Graf von Galen hier vertreten hat, sind derart, daß sie von der Regie⸗ rung in die reiflichste Erwägung gezogen werden können und müssen, weil sie in der That bestimmte, dem System der Gewerbeordnung mehr oder weniger sich anschließende Vorschlãäge enthalten. Es beziehen sich diese Vorschläge vorzugsweise auf solche Gegenstände welche bereits als der Reviston bedürftig von den Regierungen ins Auge gefaßt sind. Namentlich in Bezug auf das Lehrlingswesen be⸗ steht, wie aus den Anträgen erhellt, eine weit ehende Uebereinstim⸗ mung, ich kann wohl sagen, zwischen allen Seiten 9. Hauses. Die wenigen Punkte, in denen hier noch Differenzen vor anden sind, beftehen namentlich in den Fragen, ob eine polizeiliche Wieder⸗ zuführung des entlaufenen Lehrlings stattfin den soll, ob für den Faslf des Bruches des Lehrlingsvertrages Strafe eintreten soll oder nur Entschädigung, ob man einen enn er g einführen soll
für die Lehrlinge — ich spreche von einem Zeugnißzwange in einem
anderen Sinne, als in dem sonst das Wort gebraucht wird. Alles das find verhältnißmäßig unbedeutende Differenzen; indessen will es mir doch scheinen, als ob die jetzige Session nicht mehr dazu geeignet wäre, dieselben zum Austrage zu bringen. Es scheint mir, als cb
vor allem darum,
jene Fragen noch nicht reif wären zur legislativen Entscheidung noch im Laufe dieser Session.
Ich glaube, das hohe Haus könnte mit Rücksicht auf die Er⸗ klaäͤrungen, die ich über die Absichten der Regierung gegeben habe, sich wohl dabei beruhigen, daß in der nächsten Session Gelegenheit gegeben wird, auf Grund eines von der Regierung eingebrachten Ent⸗ wurfes diese Fragen zu entscheiden.
Einige Worte möchte ich nur noch binzufügen, gegenüber dem schon erwähnten Antrag des Hrn. Grafen Galen und Genossen, und zwar deshalb, weil dieser Antrag in seiner ganzen Richtung, die ihm namentlich durch die Motivirung aufgeprägt ist, nicht anders aufge⸗ faßt werden kann, denn als eine Provokation der Regierung, als ein sehr schwerer Angriff gegen, die bisherige Wirthschafts⸗ politik der verbündeten Regierungen und des Reichstags selbst, denn in den Fragen, um die es sich hier handelt, ist nur die Gesetzgebung, nicht die Verwaltung der angeblich Schuldige. Es wird der Regierung vorgeworfen, daß man ihre Haltung kaum noch zu erkennen vermöge, daß sie nach allen Seiten hin schwanke. Ich habe erwartet, der Vertreter dieses Antrages werde doch wenig⸗ stens einigermaßen diesen schweren Vorwurf begründen; er werde uns sagen, wann denn die Regierung ein Schwanken
ejeigt habe, wie sie etwa heute diesen und morgen jenen
Antrag in das Haus eingebracht habe oder dergleichen; aber ich habe nichts Derartiges gehört und glaube deshalb vollständig berechtigt zu sein, wenn ich den Vorwurf, den die Motive des An⸗ trags der Regierung machen, als durchaus unbegründet zurückweise. Durch das, was ich mir vorher zu sagen schon erlaubt habe, glaube ich nachgewiesen zu haben, daß in der That ein Schwanken nicht eingetreten ist. Der Vorwurf des Schwankens nimmt sich übrigens eigenthümlich aus in den Motiven eines Antrags, der ja den Regierungen selbst nicht blos ein Schwanken, sondern eine Schwenkung zumutbet, die k Wenn wir auf diesen Antrag eingingen, würde uns allerdings mit Recht der Vorwurf gemacht werden, daß unsere Haltung eine schwankende sei, und es würde, wenn je eine Regierung diesen Antrag annehmen und sich danach richten wollte, dann allerdings in die gewerblichen Verhältnisse eine ganz verderb—⸗ liche Schwankung hineinkommen. Meine Herren, ich muß sagen, daß ich mit großer Spannung dem Antrage entgegengesehen habe, der von Seiten der Centrumsfraktion in dieser Frage eingebracht werden würde; denn es ist ja bekannt, daß hervorragende Mitglieder der ultramontanen Partei sich schon seit geraumer Zeit mit der sozialen Frage beschäftigen — ez hat auch die ultramontane Pr sse vielfach diese Frage benutzt, um in der öffent⸗ lichen Meinung Propaganda für ihre Partei zu machen. Die Erwar⸗ tungen, die ich von dem sozialpolitischen Programm der ultramon— tanen Partei gehegt habe, sind schwer getäuscht worden. Der Antrag, wie er bier vorliegt, ist fo allgemein gefaßt, daß man selbst bei dem besten Willen nicht sagen kann, was eigentlich damit angefangen werden soll. Es wird zunächst eine Vervollständigung der Enquete verlangt. Ich gebe zu, daß die Enquete in vielen Beziehungen mangelhaft ausgefallen ist, aber gerade in dem Punkte, den der vorliegende Antrag betont und der auch früherhin schon von dem Hrn. Abg. Dr. Reichensperger (Crefeld) tadelnd hervorgehoben worden ist, daß man nämlich zu wenig Arbeiter vernommen babe, ist der Vorwurf, den man der Enquete gemacht, nicht richtig. In der Enquete über die Verhältnisse der Lehrlinge, Gesellen und Fabrikarbeiter, in der es ja hauptsächlich darauf ankam, die Arbeiter felbst zu hören, ist über die einzelnen Fragen eine große Anzahl von Arbeitern vernommen worden. Ich erlaube mir in dDieser Beziehung anzuführen, daß über die Lehrlingsverhältnisse 2336, Aber die Gesellenverhältnisse 2860 und über die Fabrikarbeiterverhält⸗ nisse 290 Arbeitnehmer gehört wurden. Daß durch eine noch zahl⸗ reichere Vernehmung von Arbeitern die Resultate der Enquete wesent⸗ lich würden vervollständigt werden, ist nicht anzunehmen; denn die Fehler der Enquete liegen gerade darin, daß zu vielerlei Meinungen geäußert worden sind. Es läßt sich logisch kaum irgend eine Ansicht konstruiren, die nicht auch bei den Vernehmungen geltend gemacht wäre, und daraus entstebt dann, was der Herr Vorredner als die Langweiligkeit dieser Ergebnisse bezeichnet hat — es kommen unend— fich viele Wiederholungen auteinandergehender Meinungen vor. Das ift aber nicht die Schuld der Regierungen, die die Erhebungen ver— anstaltet haben, sondern es liegt in der Art und Weise, wie die Ant⸗ worten gegeben wurden. Ich bin mit dem Herrn Vorredner der An⸗ sicht, daß ein Mangel an Uebung hier mitgewirkt. hat, daß der Mangel an Uebung des Einzelnen, auch die allge⸗ meinen und ö5ffent lichen Beziehungen seines Berufes ins Auge zu fassen, es gewesen ist, der leider Gottes sehr Viele der Befragten unfaͤhig gemacht hat, etwas zu liefern, wovon man einen unmittelbar praktischen Gebrauch machen könnte. Meine Herren! Wenn man hiernach von der Vernehmung einer grö— ßeren Zahl von Arbeitern nicht erwarten kann, daß die Enquete zu wesentlich anderen Resultaten führen wird, so glaube ich auch, daß eine Ausdehnung derselben auf andere Gegenstände, wie sie der An⸗ trag des Hrn. Grafen von Galen und Genossen bezeichnet, nicht zum Ziele führen wird. Man müßte jedenfalls, um bestimmte Antworten zu bekommen, die Fragen viel spezieller fassen, als sie hier in diesem Antrage vorliegen. Was soll dabei herauskommen, wenn man den Arbeiter über den „wirksamen Schutz des religiös⸗sittlichen Lebens der ,, arbeitenden Bevölkerung? mit der Parenthese . Sonn⸗ tagsruhe“, oder über „Schutz und Hebung des Handwerkerstandes durch Einschränkung der Gewerbefreiheit', über die allgemeine Revi⸗ sion des Freizügigkeitegesetzes und ebenso ganz allgemein über die Revision des Haftpflichtgesetzes befragt?
Der Antrag geht weiter dahin, daß, nachdem die Enquete ver⸗ vollständigt sei, ein Gesetz vorgelegt werde, welches in den hier an⸗ gedeuteten Richtungen die Gewerbeordnung verbessern soll. Meine . ich hatte gehofft, daß bei der mündlichen Begründung des
ntrags uns doch einigermaßen näher gesagt würde, wie sich denn die Herren das Vorgehen der Gesetzge bung denken. Es ist das zu meinem Bedauern nicht gefchehen. Ich bin aus der mündlichen Begründung nicht klar geworden, wie weit denn die Herren beispielsweise gehen wollen in dem Schutz der Sonntags rube. Es ist das ein Punkt, über den im Prinzip Alle einverstanden sind. Ich glaube, daß in diesem hohen Hause keine Meinungẽverschiedenheit darüber besteht, daß die Sonnlagsruhe für das leibliche und das geistige Gedeihen des Volkes unentbehrlich ist. Aber die Frage ist .. wie weit der Staat mit feinen Zwangsmitteln, mit seinen Polizeidienern, mit dem Strafgesetzbuch im Schutz der Sonntagsruhe gehen soll? Die Gewerbeordnung hat bereits im 5. 105 den Grundsatz, daß Fiemand an Sonn⸗ und Feiertagen gezwungen werden kann zu arbeiten, vorbehaltlich der Vereinbarung in Dringlichkeits fällen. Wir haben in jedem Staate Polizeiverordnungen über die Sonntagt⸗ feier. Soll man aber etwa soweit gehen, dem Arbeiter bei Strafe vorzuschreiben, daß er auch zu Hause nicht arbeite? Soll man auch ein Gewerbe, welches einen ununterbrochenen Betrieb erfordert, am Sonntag sistiren? Meine Herren, das sind nicht ganz leichte Fragen. Sie Herren Fritzsche und Genossen haben sich die Mühe ge eben, in ihrem Änkrag diesen Fragen etwas näher zu treten; sie aben auch, und zwar, wie ich glaube, mit Recht eine Verschärfung der Bestimmungen über die Sonntagsruhe für nöthig ge— halten, aber sie haben doch auch zugleich die Ausnahmen, die Be⸗ schränkungen in ihrem Antrag aufgenommen, welche hier nothwendig sind. Der Antrag des Hrn. Abg. Galen und Genossen sagt uns nichts
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weiter, als in Parenthese: Sonntagsruhe. Damit ist die Frage keineswegs gelöst.
Ein Punkt ist noch in dem Antrag enthalten, den ich für außer⸗ ordentlich bedenklich erachte und den ich deshalb noch besondert be⸗ kãmpfen möchte, das ist nämlich das Verlangen, daß der Großbetrieb der Industrie beschränkt werden soll zu Gunsten des Handwerks. Wie das gemacht werden soll, darauf ist uns der Hr. Abg. Graf Galen die Antwort ebenfalls schuldig geblie⸗ ben. Ich habe keine Vorstellung daron, wie man sich die Beschränkung des Großbetriebes zu Gunsten des Handwerks denkt; aber in welcher Besiehung man auch den Großbetrieb be⸗ schränkt, jede Beschränkung desselben zu Gunsten des Kleinbetriebes zerstört den Großbetrieb. Man kann den Großbetrieb nicht klein machen; dann hört er eben auf, Großbetrieb zu sein. Und nun, meine Herren, bitte ich Sie, zu überlegen, wohin es uns in Deutsch⸗ land führen würde, wenn wir wirklich, eingehend auf die Ideen dieser Herren, den Großbetrieb unserer Industrie mit seiner massen⸗ baften r, , vernichten wollten! Das würde eine solche Schädigung unseres Nationalwohlstandes sein, daß man die Verar⸗ mung der Nation und die Entoölkerung Deutschlands als Re⸗ sultat erwarten müßte. Bedenken Sie doch, daß unser Boden, unser Klima nicht so beschaffen ist, daß wir von den Erzeugnissen unseres Bodens allein leben können. Wir müssen an Getreide und andern Nahrungsmitteln, ganz abge⸗ sehen von den Kolonialwaaren, jährlich für mehrere 190 Millionen einführen. Das Ausland schenkt uns nichts, wir müßen also eine Großindustrie haben, die exportfähig und auf dem Weltmarkte kon⸗ kurrenzfähig ist, sonst können wir das nicht bezahlen, was wir von dem Auslande nöthig haben, nur um leben zu können. Wenn aber das richtig ist, glauben Sie, daß das Handwerk bei aller Tüchtigkeit und Ehrenhaftigkeit im Stande wäre, an das Ausland Industrie⸗ Erzeugnisse in dem Maße abjusetzen, daß wir von dem Erlöse das bezahlen kömen, was wir von dem Auslande brauchen? Das ist abso⸗ lut unmöglich, und wenn wir auf diesen Weg eintreten wollten, so würden wir, wie gesagt, verarmen, und Deutschland würde der Entvölkerung entgegen gehen.
Meine Herren, mit philosophischen Ideen kann man eine wunder⸗ volle Welt aufbauen, aber das Leben ist rauher als die Philosophie, und wenn wir uns mit der Gewerbegesetzgebung dem hohen Schwunge der Ideen des Hrn. Grafen von Galen anschließen wollten, so würde ohne Zweifel die Wirklichkeit, die daraus folgen müßte, sehr unan⸗ genehmer und prosaischer Natur sein.
Noch ein Wort gestatten Sie mir, meine Herren, zu dem An⸗ trage des Hrn. Abg. Fritzsche und Genossen. Ich möchte nur meine Befriedigung darüber ausdrücken, daß die Herren mit diesem An— trage, wie ich glaube, zum erften Male in diesem Hause den Weg einer praktischen Sozialpolitik betreten haben, daß sie endlich einmal mit Vorschlägen gekommen sind, über die sich überhaupt debattiren läßt. Ich glaube, daß sie, wenn sie auf diesem Wege bleiben, den arbeitenden Klassen weit mehr nützen, als durch Agi⸗ tationen, die dahin gehen, nur Unzufriedenheit und Klassenhaß zu erregen, und deren Endziel, welches den Arbeitern als Erlösung von ihrer jetzigen Lage hingestellt wird, der Umsturz der heutigen Gesell⸗ schaft ist, — ein Umsturz, unter dem, wenn er jemals eintreten sollte, Niemand schwerer leiden würde, als die Arbei ter selbst.
Nachdem noch die Abgg. Fritzsche und Bauer, und zwar Letzterer als Referent der Petitionskommission über die auf die wirthschaftlichen Anträge sich beziehenden Petitionen ge— sprochen hatten, vertagte sich das Haus um 41 Uhr.
Die Erklärung, welche in der gestrigen Sitzung des Reichstags der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staatssekretär Pr. Friedberg rücksichtlich der Gesetzgebung über das Ge— nossenschastswesen abgab, hatte folgenden Wortlaut:
Als in der Sitzung des hohen Reichstags vom 14. März der Etat der Reichs⸗Fustizverwaltung berathen wurde und ich dabei Ver⸗ anlassung nahm, die Aufgaben zu skizziren, welche voraussichtlich das Reichs- Justizamt auf dem Gebiete der Gesetzgebung in den nächsten Jahren beschäftigen würden, deutete ich bereits an, daß die von dem Bundesrathe befchlossene Reform der Aktiengesetzgebung voraussichtlich das Gesellschaftsrecht in weiterem Kreise mit ergreifen würde, und daß bei dieser Gelegenheit auch die Gesetzgebung über das Genossen⸗ schaftswesen in den Kreis der Revision würde gezogen werden müssen. Der jetzt von dem Hrn. Abg. Dr. Schulze vorgelegte Gesetzentwurf hat mich in dieser meiner Auffassung nur bestärken können, und ich glaube es darum als eine Zusage aussprechen zu dürfen, daß bei der bevorstehenden Revifion des Aktienwesens auch die Gesetzgebung über das Genofsenschaftswesen wird revidirt werden können. Aber eben weil ich dafür erachte, daß die Gesetzgebung über das Genossenschafts-⸗ wesen nur im Zusammenhange mit den verwandten Gebieten richtig revidirt werden kann, ist es mir sehr fraglich, ob es gerathen sein würde, den Gesetzentwurf, wie er hier vorliegt, zum Gegenstande einer isolirten Reform zu machen, weil ich fürchte, daß wir, wenn wir auch Ein und das Andere hier verbessern könnten, wir damit in verwandte Gebiete eingreifen und dort bei einer iso⸗ lirten Gefetzgebung über das Genossenschaftswesen neue Scgäden her⸗ vorrufen könnten. Ich möchte es daher auch für gerathen halten, den vorgelegten Gesetzentwurf jetzt nicht zur weiteren Berarhung zu stellen. Ez würde zwar wenig angebracht, ja vielleicht leichtfertig fein, wenn ich Ihnen schon heute eine Zusage darüber machen wollte, wann es der Reichsregierung möglich sein wird, jene Reformen in Angriff zu nehmen, oder gar zu Ende zu führen; das Eine aber darf ich verfprechen, daß im Kreise der Reichsregierung nichts versäumt wer⸗ den wird, um die bessernde Hand an diese Gesetzgebung sobald als möglich zu legen. Förderlich für diese Gesetzgebung wird es gewiß fein, wenn wir uns dabei des Rathes der Männer würden erfreuen dürfen, die auf dem Gebiete des Genossenschaftswesens praktisch zu i sind und dort sich bereits so große Verdienste erworben haben.
ch für meine Person darf versprechen, daß, wenn an die vorberei⸗ Tenden Arbeiten zu jener Reformgesetztebung gegangen werden wird, ich wenigftens meinerseits es nicht werde daran fehlen lassen, den Rath solcher Männer zu erbitten.
Nr. 7 des „Marine ⸗Verordnungs⸗Blatts“ hat fol- genden Inhalt: Anmeldung der Dienstalter⸗ und Seefahr⸗Zulage⸗ Empfänger durch S. M. Schiffe. —BVergütigung für Natural⸗ Verpflegung. — Berechtigung zur Ausstellung von Zeugnissen für den einfährig⸗freiwilligen Milltärdienst — Anonyme Geldzusendung. — Zusatz zum 5. 6 Anlage 17. der Instruktion für die Komman⸗ danlen eines von S. M. Schiffen oder Fahrzeugen. — Ergänzungen zum Entwurf „Bestimmungen über das Gefecht mit konzentrirten Breitseiten. — Transport des Gepäcks der Offiziere, Zahlm eister und Deckoffiziere bei marschmäßiger Beförderung per Eisenbahn oder Dampfer. = Inhalts⸗Verzeichniß der Schiffsbücherkisten. — Personal⸗ Veränderungen. — Benachrichtigungen.«