Sachsen⸗ Weimar⸗Eisenach. Weimar. 29. Mai. (Th. S) Das Steuergefetz für die nächste Finanzperiode ist entfprechend den Beschlüͤssen des Landtages sanktionirt und publizirt worden; nach demselben beträgt die Einkommen⸗ steuer drei Pfennige von der Mark. — Für das Großherzog⸗ thum Sachsen ist eine Gewerbekammer in das Leben ge⸗ rufen worden. Die Mitglieder derselben werden in der . heit adi von den Gewerbevereinen, fünf von den Bezirks⸗ ausschüssen gewählt, drei von der Regierung ernannt, welch letztere auch den die Geschäfte führenden Kommissar ernennt. Durch diese Schöpfung ist ein Mittelpunkt gewonnen, der ge eignet ist, die Interessen der gewerblichen Thätigkeit nachhaltig zu fördern und den engeren Anschluß der zunächst betheiligten Kreife zu gemeinsamem Wirken zu ermöglichen. Die zahl⸗ reichen Gewerbevereine im Großherzogthum, welche schon jetzt zum Theil eine recht erfreuliche Thätigkeit entfalteten, werden an Bedeutung und Ansehen durch ihre Einflußnahme auf die Wirksamkeit der Gewerbekammer gewinnen. Die Kammer tritt in der Regel vier Mal jährlich, wenn nöthig auch öster,
g Die Errichtung einer Handelskammer ist vorbe— alten.
Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 309. Mai. Der neue Hofstaat des Kronprinzen wird Mitte August sein Amt antreten. Wie bereits gemeldet, wird Linienschiffs⸗Kapitän Graf Bombelles, bisher Dienstkämmerer des Erzherzogs Franz Karl, die Stelle des Oberst⸗Hofmeisters des Kronprinzen über⸗ nehnien. Major Ritter v. Eschenbacher ist zum Flügel⸗Adju⸗ tanten und der der Militärkanzlei des Kaisers zugetheilte ==. des Generalstabes, Markus Bacalovich, zum Srdonnanz⸗-Offizier designirt. Der bisherige Erzieher des Kronprinzen, Feldmarschall-Lieutenant v. Latour, tritt in den Ruhestand. Wie die „Prag. 3.“ meldet, werde die für den Sommer projektirte Reise des Kronprinzen nach Miramar und der Ausflug nach Pola unterbleiben und begiebt sich Se. Kaiserliche Hoheit Anfangs Juni nach Ischl, um dort wäh— rend des Sommers zu verbleiben. Für den Monat Sep⸗ tember ist, wie die „Presse“ meldet, eine kleine Reise des Kronprinzen nach dem Ausland in Aussicht genommen, doch ist das Programm derselben mit Rücksicht auf die politische Situation noch nicht festgestellt. Wie verlautet, wird der Kronprinz das nächste Jahr benutzen, um den administrativen 23 in einer Statthalterei aus eigener Anschauung kennen zu lernen.
Schweiz. Bern, 30. Mai. (N. Zürch. Ztg.) Nachdem die Redaktion des a gs faffa betreffend die politischen Rechte der Niedergelassenen und Aufenthalter und den Verlust der politischen Rechte der Schweizerbürger auch für die französische Ausgabe beendigt ist, hat der Bundesrath die Bekanntmachung desselben in der nächsten Nummer des Bundesblattes angeordnet. Die Frist für Ein⸗ reichung von Abstimmungsbegehren wird in. mit dem 31. August zu Ende gehen. Nach Eingang des Berichtes der
eidgenössischen Eisenbahninspektoren über die am 25. d. M. vollzogene Untersuchung und Erprobung der Eisenbahn zwischen Siders und Leuk hat der Bundesrath auf Grund des . Befundes die Eröffnung des Betriebes
dieser ,, e auf den 1, Juni bewilligt. — In der estrigen Abenbsitzung des Großen Raths machte der egierungs-Pröäsident die offizielle Mittheilung von der Annahme des Schulgesetzes und der Verwerfung des Kir the, ,,, durch das Volk. — 31. Mal. (Köln. Ztg.) Der Solothurner Kan⸗ tonsrath hat die Petitionen um Zulassung des gewesenen Bischofs Lachat zu kirchlichen Funktionen abgewiesen.
Niederlande. Haag, 1. Juni. (W. T. B.) Der
ö , der Königin ist so bedenklich geworden, daß der
önig noch heute Vormittag von dem Schlosse Le Loo hier erwartet wird.
Frankreich. Paris, 30. MsAi. Das „Echg universel“ erhält von Herrn Fules, Simon folgendes Schreiben, welches an die Administration des Blattes gerichtet ist:
„An demselben Tage, da ich von der Regierung zurücktrat, trugen Sie mir Ihr Blatt an. Ich nehme es an; nicht um das gefallene Kabinet zu vertheidigen: angesichts der Sympathien, die es auf sei⸗ nem Rücktritte begleiteten, bedarf es dessen nicht; auch nicht, um Licht über die Ursachen seines Sturzes zu verbreiten. Jedermann weiß, daß ez sich zurückgezogen hat, weil es nicht zugeben wollte, daß eine autoritäre Regierung die parlamentarische verdrängte, und weil es versprochen hatte, den Staatsgesetzen unnachsichtlich bei allen Bürgern und bei allen Bekenntnissen Achtung zu verschaffen; aber ich, nehme es an, um mit einigem Ansehen in der Presse die Politik zu vertheidigen, welche wir durch fünf Monate unter unerhörten Schwierigkeiten geübt haben, und um für die konservativ⸗republikanische Partej ein Organ mehr zu gewinnen. Wir werden die Republik gegen die Koalition der Monarchisten vertheidi⸗ gen, die einander noch gestern als erbitterte Feinde gegenüber standen und heute in gemeinsamem Hasse vereinigt sind, um sich morgen wieder zu bekämpfen, wenn es ihnen gegen alle Möglichkeit gelingen sollte, die republikanische Verfassung umzustürzen, = der Monarchisten, welche sich den Namen Konservative anmaßen, während sie in Wahr⸗ heit alle Interessen beunruhigen und nicht einen Augenblick obsiegen können, ohne gleich in allen Geistern die Erinnerung an Staats streiche und Bürgerkriege wachzur fen. Wir werden das parlamentaxische Re⸗ gime gegen den Anspruch vertheidigen, den Kammern Minister und den Wählern Abgeordnete aufzuzwingen. Wir werden Frankreich gegen die Gelüste einer Partei vertheidigen, welche der Erbfeind der Gesetz⸗ lichkeit und Freiheit ist und die uns zweimal der Invasion preis⸗ . hat. Wir werden die Vernunft und sogar die Religion gegen
15den Aberglauben vertheidigen, gegen die so seltsam auferweckten theokratischen Lehren, deren Nichtigkeit von allen klaren Köpfen schon längst erkannt ist, die aber in dieser verwirrten Zeit die Unwissenden e ber und den Listigen zum Verwande dienen. Wir werden zu uns alle diejenigen rufen, welche einen gleichen Abschen vor dem Bürgerkriege und dem Kriege mit Europa sehen und die Republik liebenswerth machen wollen, auf daß sie stark werde. Seien Sie meiner dankbaren Ergebenheit versichert. Jules Simon.“.
— (Köln. Ztg.). Der Herzog von Montpensier ist ute in Paris angekommen. — Die Revue, welche alljähr⸗ ich um diese Zeit im Boulogner Gehölz abgehalten wird, ist diesmal auf den J7. . den Tag nach der Wiedereröffnung der Kammern, angesetzt worden.
— 31. Mai. (W. T. B.) Der „Moniteur“ komnit nochmals i Gerüchte von einem Rücktritte des Mar⸗ schall⸗Präsidenten zurück und erklärt, er sehe nicht ein, welche Gründe den Marschall bestimmen könnten, in seiner wiederholt ausgedrückten Absicht, vor Ablauf seiner Amtsdauer im Jahre 1880 von seinem Posten nicht zurückzutreten, eine Aenderung eintreten zu lassen, Lediglich in dem Falle, daß beide Kammern gegen den Präsidenten sein sellten, würde der Letztere dazu veranlaßt sein können, mit sich darüber zu Rathe
Im Uebrigen
der „Moni eur“ ein günstiges Ergebniß der künstigen
. gehen, ob er sein Amt niederlegen solle. .
Italien. Rom, 25. Mai. Die gegenwärtigen Minister hatten, während sie in der Opzosition waren, die Forderung aufgestellt, daß alle von der Negierung abhängigen Elemente von dem Parlamente ausgeschlossen und dementsprechende Bestimmungen dem Wahlgesetze hinzugefügt werden sollten. Sie haben diese Forderung jetzt selbst erfüllt durch Vorlegung eines Gesetzes über die parlamentarischen Inkom⸗ patibilitäten, welches ohne wesentliche Abänderungen an⸗ genommen worden ist.
In den Motiven und in den Kammerverhandlungen wurde u. A. hervorgehoben, daß Staatsdiener und Professoren, welche ohnehin schon im öffentlichen Interesse zu wirken berufen seien, dieser Wirksamkeit um so weniger durch Betheiligung an den Parlamentsarbeiten entzogen werden dürften, als vermöge des unvermeidlichen Parteigekriebes die Objektivität ihrer Auf⸗ fassungen gestört und wenigstens in gegnerischen Kreisen ihr Ansehen geschmälert zu werden pflege.
Was den Inhalt des . betrifft, so wird im 5. 1 als Regel vorangestellt, daß Beamte, die direkt oder indirekt
aus Staatsfonds besoldet werden, nicht wählbar sein sollen.
Bedingungslos hiervon ausgenommen sind nur die Minister, die General-Sekretäre der Ministerien und der erste Sekretär des St. Mauritius⸗ und Lazarus-Ordens. Ausgenommen, aber mit der Einschränkung, daß zusammen nicht mehr als 40 ge⸗ wählt werden dürfen, sind ferner sechs Beamtenklassen, darunter die Präsidenten und Mitglieder des Staatsraths, so⸗ wie der höheren Gerichtshöfe, Universitäts-Professoren, Generale und Stabsoffiziere, mit der weiteren Modifikation, daß sich unter den gewählten 40 nicht mehr als 10 Professoren und nicht mehr als 10 höhere richterliche Beamte befinden dürfen. Etwa überschießende Wahlen werden annullirt, wobei das Loos bestimmt, wer auszuscheiden hat. Für die Offiziere und Mitglieder der Appellhöfe gilt noch die besondere Beschränkung, daß sie in ihrem gegenwärtigen Amtsbezirke, , in einem fruheren Amtsbezirke, den sie vor weniger als 6 Monaten verlassen haben, nicht gewählt werden dürfen.
Den Staatsbeamten gleichgestellt sind alle Personen, welche vom Staate Konzessionen erhalten oder für den Staat kon⸗ traltliche Leistungen übernommen haben, sowie Personen, welche im Dienste vom Staate subventionirter Gesellschaften oder Unternehmungen für industrielle und , (Eisenbahn⸗, Dampfschiffahrtsgesellschaften ꝛc) stehen. Außer⸗ dem wird das passive ö italienischen Staatsangehörigen entzogen, welche als Diplomaten und Konsuln oder sonst in fremde Dienste getreten sind.
Zu erwähnen ist endlich die Bestimmung, daß Deputir— ten während der Ausübung ihres Mandats und sechs Monate hinterher kein besoldetes Staatsamt übertragen, und Beamten, welche Deputirte sind, während gleicher Frist keine, ihnen ihrer Anciennetät nach nicht unbedingt zustehende Beförderung zu Theil werden darf.
Ausnahmen in beiden Beziehungen sind wiederum nur u Gunsten der Minister und General⸗Sekretäre, sowie hin⸗ fuhtkh der Beförderungen in Kriegszeiten zu Gunsten der Offiziere gemacht.
Man darf einigermaßen gespannt auf die Wirkung dieses Experimentes sein, welches Coahrscheinlich dem advokatischen Elemente ein noch größeres Gewicht in der Volksvertretung verschaffen wird. ͤ
— 28. Mai. Der König empfing gestern in feier⸗ licher Audienz die neuen Gesandten der Nieder⸗— lande und Portugals, de Wertenberg und Vasconcellos. — Die Deputirtenkammer hat gestern das Gesetz, betreffend die Mehrbesteu erung des Zuckers, des Kaffees, des Cacgos und der Mineral-Oele mit 232 gegen 109 Stimmen genehmigt. — Aus Genua ist dem Ministerium des Innern berichtet worden, daß dieser Tage ein Straßenauflauf daselbst statt⸗ gefunden und das Volk die Entlassung des klerikalen Munizipal⸗ Kollegiums verlangt habe.
Brindisi, 51. Mai. (W. T. B.) Die Prinzessin 6 Wales ist auf der Rückceise von Athen hier ange⸗ ommen.
Griechenland. Athen, 31. Mai. (W. T. B.) Das neue Ministerium hat sich definitiv konstituirt, Comunduros hat die Praäͤsidentschaft und das Portefeuille der Auswärtigen Angelegenheiten, Papamichalopulos das Mini⸗ sterium des Innern, Condostavolos das Justiz⸗ , Sotiropulos das Finanz⸗, Notaros das Kultus-, Bouboulis das Marine⸗ und Petmezas das Kriegs-Ministerium übernommen. Die Trikupis und Delijannis folgenden Parteien haben dem neuen Ministerium ihre Unterstützung zugesagt.
— Wie dem „Reuterschen Bureau“ in London aus Athen vom 31. Mai gemeldet wird, ist in der Vertheilung der Portefeuilles insofern noch eine Aenderung eingetreten, als Condostavolos es abgelehnt hat, das Justiz⸗Ministerium zu übernehmen und statt dessen das Ministerium der Aus⸗ wärtigen Angelegenheiten übernommen hat. In Folge dessen übernahm Comunduros das Ministerium des Fur rn und der
Justiz.
Türkei. Belgrad, 1. Juni. (W. T. B.) Dem „N. W. T. wird telegraphisch gemeldet: Das Moratorium ist bis zum 4. Juli e. verlängert, die Skupschtina ist zum 15. Juni einberufen. Als Nachfolger des Kriegs-Ministers Grujes, der sein Amt niedergelegt hat, wird Alimpßies t Die österreichischen onitors, welche vor der
iesigen Stadt liegen, haben die ufgabe, den Schiffen als Convoi zu dienen. :
. Die „Pol. Korr. bringt einen Bericht aus Serbisch Albanien, d. d. 17. Magi, in welchem es heißt:
„Nach Beendigung des Krieges mit Serbien athmete Alles hier, wo im Grunde genommen wenig Sympathien für das benachbarte eren n vorh nden waren, frei auf. Man gab sich der Hoffnung
in, daß sich nun normale Verhältnisse entwickeln dürften, welche eine Entfaltung der Arbeitskräfte gestatten werden. Leider zog man die Eventualitäten eines neuen Krieges nicht in Betracht, unter dessen Konsequenzen unsere Provinz nunmehr viel zu leiden hat. Die Regierung braucht nicht nur Geld, sondern auch Proviant, Transportmittel und Schlachtvieh; sie kann alles das nicht käuflich erwerben, weil sie über keine Mittel verfügt. Eine auswärtige Anleihe ist jetzt schwer zu kontrahiren, und der Ausschrei⸗ bung eines inneren Zwangsanlehens steht der gewaltig in der Türkei um sich greifende Pauperikmus im Wege. Man nimmt also seine 36 zu ewigen Kontributionen, die das Polk buchstäblich an den
eitelstab bringen. Wenigstens ist dies in Alt⸗-Serbien der i Vom Getreide wurde bereits , talen, nach der vorjährigen Ernte erho⸗ ben; nnnmehr läßt der Mufessarif abermals den Zehent von allen noch vor⸗ handenen Vorräthen einheben. Ueberdies verfügten sich Beamte un⸗
23 33 ** . in . 2 des — . for en J Häusern ein engespann ein. Je äuser muß⸗ ten ein He. liefern. Bee ier ,, Widerstande war nir * die Rede, wohl aber flossen reichlich Thränen. Die Bauern sehen sich genöthigt, der Erntejeit ohne Jugvieh entgegenzugehen. Die Mohamedaner werden in diesem Srade zur Entrichtung von Ab— . nicht herangezogen, dafür aber muͤssen sie sämmtlich, inso— ern sie waffenfähig sind, Haus und Hof verlassen und nach der Herzegowina marschiren Wiewohl die Pforte die un⸗ erhörtesten Anstrengungen um die Militärkraft des Reiches auf eine noch nicht dagewesene Höhe zu bringen, so verhehlt man sich doch nicht, daß auch diese Macht ann f. sein werde, um die Gefahren zu bannen. Auch hat sich aller mohamedanischen Kreise in Altserbien der tiefste Pessimismus bemächtigt. Die an—⸗ eifernden und aufmunternden Predigten der Hodschas in den Moscheen können die Stimmung nicht ändern. Selbst die Verkündigung, daß der Sultan als ‚Gbazi' unbesiegbar sei, ließ die Leute kalt. Dieser Zustand der Gemüther beunruhigt selbst die Vilajetsregier ing, welche besorgt, daß die Verzweiflung die Mohamedaner neuerlich zu gefähr—⸗ lichen Exrzessen treiben könne.“
= Ueber die Zustände auf Kreta, telegraphirt man dem „Observer“ unterm 26. 8. aus Canea: „In Kreta herrscht große Aufregung; die Türken geben den Einwohnern b ,. Anlaß zum Verdruß. e glich wurde ein christlicher Abgeordneter von türkischen Offizieren öffentlich insultirt und Seitens der Regierung wurde seiner Beschwerde keine Auf— merksamkeit lt Es verlautet, daß in den ländlichen Kreisen türkische Truppen große Grausamkeiten gegen die Bevölkerung sowie viele Ausschreitungen gegen Frauen verüben. — Am Donnerstag machte eine Deputation der kretanischen Legislatur dem britischen Konsul zu Ehren des Geburtstages der Königin Victoria ihre Aufwartung. Es herrscht unter den Christen eine starke Bewegung zu Gun— sten Englands und es verlautet allgemein, daß die britische Regierung formell angegangen werden wirb, ein Protektorat über die Insel herzustellen.“ .
Schweden und Norwegen. Stockholm, 28. Mai. (H. N.) „Stockholm. Korr.“ widerlegt die beunruhigenden Ge⸗ rüchte, welche neuerdings über den Gesundheitszu stand der Königin in Umlauf gesetzt worden sind und theilt aus voll⸗ ständig zuverlässiger Quelle mit, daß der Zustand der hohen Patientin in der letzten Zeit im Gegentheil viel besser ge— wesen ist, weshalb auch kein Grund vorhanden sein dürfte, die Rückreise von Heidelberg nach Schweden auf einen andern als den bisher bestimmten Zeitpunkt, nämlich Mitsommer, hinauszuschieben. — Der Bberstkommandirende im ersten Militärdistrikt, General⸗Lieutenant Eric Magnus af Klint, ist am 26. d. M. verstorben.
— (H. C.) Der am 25. geschlossene Reichstag hat in seiner diesmaligen Session nicht viele Gesetze von größerer Bedeu— tung angenommen. Die wichtigste Frage, welche vorlag, war die Militärfrage, hinsichtlich welcher die Regierung mit ,. Mäßigung und Vorsicht vorgegangen ist, und es hat tiefes Bedauern in den gebildeten Kreisen der Bevölkerung erregt, daß der Regierungsantrag auf Erweiterung der Wehr⸗ pflicht u. s. w. mit geringer Majorität von der Zweiten Kammer verworfen worden ist. Die Forderungen, welche von der Re— gierung zu Vertheidigungszwecken verlangt wurden, sind da⸗ gegen — mit Ausnahme einer Forderung zu Marinezwecken — angenommen worden, gleichwie der Reichstag auch den Re⸗ gierungsvorlagen in Betreff der Pensionirung der Armee⸗ befehlshaber, des Schutzes des literarischen Eigenthumsrechtes und der Nachbildung von Kunstwerken, sowie in Betreff des Landpostwesens, der Stockholmer Kommunalverwaltung, des Vollzugs der Todesstrafe u. s. w., seine Zustimmung gab. Die von der Regierung pro 1878 verlangten 6 Millionen Kronen zum Bau neuer Eisenbahnen sind ebenfalls bewilligt worden und sollen zur Fo tsetzung der Arbeiten der Bahn von Torpshammer bis zur Reichsgrenze und der nördlichen Stammbahn verwendet werden.
Amerika. Aus Washington wird dem Reuterschen Bureau unterm 29. d. M. per Kabel gemeldet: Der Präsident Hayes hat ein Schreiben an den Sekretär des Schatzamtes, Mr. Sherman, gerlchtet, worin er Einschränkungen in den Staatsausgaben empfiehlt und die Nothwendigkeit einer Reform des Zollamtsdienstes auf einer geschäst— lichen. Basis, frei von parteigängerischer Kontrole oder poli⸗ tischer Einmischung, betont. Mr. Sherman hat demgemäß Verordnungen erlaffen, welche diese Prinzipien unverzüglich auf das New⸗Yorker Zollamt in Anwendung bringen. — Es hat ein Gefecht zwischen Indianern und Bun⸗ destruppen stattgefunden, in welchem eine Anzahl der ersteren getödtet würde. Ein amerikanischer Offizier und sieben Soldaten wurden verwundet, und vier Soldaten blieben todt auf dem Platze.
Afrika. (A. A. C.) Aus der Kapstadt wird unterm 18. d. M. über Madeira gemeldet: Cetewayo, der König der Zulus, hat die Armee zurückberufen, mit welcher er Transvaal bedrohte. Ein Telegramm der „Cape Times“ meldet die Ankunft von 1900 Mann britischer Truppen in Prätoria, der Hauptstadt von Transvaal. In Bloen⸗ . im Orange⸗Freistaat, wurde das Bildniß des edacteurs des „Expreß“ verbrannt, auf Grund eines anti— englischen Artikels in seiner Zeitung über die Annexion von Transvaal.
Der russisch⸗tärkische Krieg.
St. Petersburg, 31. Mai. (W. T. B.) Nach einer Meldung der „Agence Russe“ würde Fürst Milan von Serbien den Kaiser Alexander in Bukarest begrüßen, eine Begegnung des letzteren mit dem Kaiser von Oester—⸗ reich sei nicht in Frage gekommen.
London, 31. Mai. (W. T. B.) Im Unterhause erklärte auf eine Anfrage Sandfords Unter⸗Staatssekretär Bourke, die zukünftige Politik Englands hänge voll— ständig von den Umständen ab, die englische Regierung habe jedoch Grund zu glauben, daß weder Rußland noch eine an⸗ dere Macht der Meinung sei, daß die Friedensbedingungen andere sein könnten, als solche, denen Europa überhaupt bei⸗ pflichten würde. Die diplomatischen Aktenstücke über die Unterredungen des Marquis von Salisbury mit dem Herzog Decazes und mit dem Fürsten von Bismarck könne er nicht vorlegen, weil solche durchaus vertraulicher Natur seien. Was die a anbelange, ob Rußland Vorschläge in Bezug auf die Lokalisirung des Krieges gemacht hahe, so könne er nur sagen, er wisse von keinen Mittheilungen solcher Art von Seiten Rußlands, die durch die englische Negierung abgelehnt worden wären. Sandford zog nach dieser Erklärung den Antrag auf Vorlegung der gedachten diplomatischen Aktenstücke zurück.
Im Fortgange der Sitzung richtete Elcho die Anfrage an Fie Regierung, ob dieselbe auf die Eventualitäten eines Krieges vorbereitet sei. Der Staats⸗Sekretär des Krieges, Hardy, erklarte, es wäre zweckmäßiger gewesen, eine olche Frage zu unterlassen. Da dieselbe aber einmal estellt sei, so erkläre er, es sei Pflicht der Regierung auf jeden Nothfall vorbereitet zu sein und obschon sie die Streit kräfte Englands auf dem Friedensfuße erhalte, habe sie doch mögliche, aber, wie er hoffe, nicht wahrscheinliche Eventualitäten nicht außer Acht gelassen.
London, 31. Mai. (W. T. B.) Bei einer in Bir⸗ mingham zu Ehren Gladstone's stattgehabten Demonstration, an welcher sich gegen 30, 000 Personen . ielt Gladstone eine Rede, in welcher er die Politik der Re⸗
ierung angriff, welche das Einvernehmen der europäischen acht gestört habe und daher für den Krieg verantwortlich emacht werden müsse. Gladstone rechtfertigte die Agitation in der Bevölkerung und verlangte, die Auflösung des Parla— mentes, damit das Volk den Beweis liefern könne, daß es mit der liberalen Partei sympathisire. Der Redner wandte sich schließlich auf das Entschiedenste gegen das von der Pforte be— folgte System.
Europäischer Kriegsschauplatz.
Bukarest, 31. Mai. (W. T. B.) Die von dem türki⸗ schen ie,, erhobene Beschuldigung, daß das Ho⸗ spitak von Widdin durch die rumänischen Batterien von Kalafat bombardirt worden sei, wird von rumä— nischer Seite auf das Entschiedenste als unrichtig bezeich⸗ net, das Feuer der rumänischen Batterien sei durch die Obersten Gaillard und Doctoroff n, und lediglich gegen die Forts der Citadelle und gegen das türkische Lager gerichtet worden. Auch hätten Berichterstatter der verschiedensten Län⸗ der dem Bombardement beigewohnt und könnten bezeugen, daß die türkischerseits ö Behauptung jedweder Be⸗ gründung entbehre.
Konstantinopel, 31. Mai. (W. T. B.) Die Pforte
hat bekannt gegeben, daß sie beabsichtige, demnächst an ver⸗
chiedenen Punklen der Dardanellen und in der Bay von Smyrna Torpedos legen zu lassen.
Wien, 1. Juni. (W. T. B.) Telegramme des „Neuen Wiener Tageblattes“: Kladowa. Der größte Theil der rumänischen Armee ist in der Umgebung Kalafats kon— entrirt. Das Bombardement auf Widdin hat die
ortige türkische Militär⸗Dampfbäckerei zerstört. In Folge der bei Adakaleh durch die Türken erfolgten Do nausperre soll demnächst auch Adakahleh bombardirt werden.
— Wie die „Pol. Corr.“ meldet, finden in der Umge— bung von Adrianopel fortwährend Aufnahmen durch Genie⸗ Offiziere statt, welche die Anlage von einer Reihe von Be⸗ festigungen aller Balkanpässe bezwecken. Auch eine andere militärische Vorsichtsmaßregel, welche mit Rücksicht auf die Unverläßlichkeit des bulgarischen Elementes gerechtfertigt erscheint, ist der Erwähnung werth. In Folge des Brandes einer Eisenbahnbrücke bei Jeni⸗Mahalé wurde die Verfügung getroffen, daß alle größeren Eisenbahnbrücken permanent, mi⸗ litärisch okkupirt werden. Einstweilen wird dieser Dienst, ebenso wie der Garnisonsdienst in Adrianopel und in anderen Punkten des ö von den Mustehafiz versehen, da Alles, was Nizam und Redif heißt, zur Donau⸗Armee abgegeben werden mußte.
— Ueber die Zerstörung des zweiten türkischen Monitors veröffentlicht der „St. Pet. Herold“ vom 29. Mai solgendes Telegramm des Großfürsten⸗ ber⸗Kommandirenden vom 28. Mai:
„Heute legte ich selbst den Lieutenants Dubassoff und Schestakoff Georgskreuze an. Diese beiden Tapferen und mit ihnen Lieutenant Petroff, die Midshipmans Perssin, Bal und der rumänische Major Murshesko gingen in den sicheren Tod: nur Gott rettete sie vor dem Untergange. Den ersten Schlag versetzte Lieutenant Dubassoff von dem Kutter „Zesarewitsch“, über den sofort die Wellen schlugen; den zweiten Schlag, der den Untergang des Monitors definitiv machte, versetzte Lieutenant Schestakoff von dem Kutter Ksenia“; beide Schläge wurden unter einem agel von Bomben und Kugeln der türkischen dieselben fast berührenden 3 Monitors bewerkstelligt. Der Kutter „Ksenia“ wurde mit Bruch⸗ stücken des Monitors derart überschüttet, daß selbe die Schrauben verstopften und es nothwendig wurde, denselben knapp am Bord des sinkenden Monitors, aus dessen Thurm die Türken das Feuer fort⸗ setzten, zu reinigen. Der Kutter des Midshipman Perssin „Dshigit“, dessen Hintertheil von einer Kanonenkugel durchlöchert und der durch eine zweite knapp vor dem Schnabel gefallene Kanonenkugel mit Wasser gefüllt wurde, mußte zum feindlichen Ufer abgehen, um die nöthige Ausbesserung und, das Wassergusschöpfen vorzunehmen,. Der Kutter des Midshipmans Bal „Zesarewna“ hielt sich die ganze Zeit hindurch bereit, die Bemannung des Kutters „Zesarewitsch“', dem jeden Augenblick das volle Untersinken drohte, an Bord zu nehmen. Major Murshesto und Lieutenant Petrow waren die ganze Zeit hindurch die thätigsten Gehülfen von Dubassoff und Schestakoff, und befanden sich ungefähr 20 Minuten unter dem Feuer von Geschützen, deren Mündung sie fast berührte. Unsere Helden verloren durch Willen der allmächtigen Vorsehung auch nicht einen Mann und kehrten bei anbrechender Morgendämme⸗ rung nach Brailg zurück. Nach Entfernung der übrigen türkischen Monitore richteten Dubassoff, Perssin und Bal neuerdings ihre 3 Kutter gegen den gesunkenen Monitor und nahmen von demselben die Flagge herunter. Die , zeigten sich als wahre Helden: da war nicht die mindeste Aengstlichkeit zu sehen, gar kein Gespräch, als wie wenn sie beim Unterricht wären. Auf den 4 Kuttern befan⸗ den sich 40 Personen.“
. Danilograd in Montenegro telegraphirt ein Korrespondent der „Times“ unter dem 27. d. M.: „Alle Angaben, daß montenegrinische oder russische Offiziere an den aufständischen Bewegungen in Bosnien Theil nehmen, sind unbegründet. Montenegro wird keinen Schritt thun, welcher Desterreich unangenehm berühren könnte, und ich erfahre aus hochoffizieller Quelle, daß kein einziger russischer Offizier nach Bosnien entsendet worden ist.“
Cettinje, 22. Mai. Der „Pol. Korr.“ wird von hier geschrieben: .
Es scheint, daß die vor drei Tagen erfolgte Abreise des Fürsten Nikolaus von Orja⸗Lukg als das Signal zum Beginne der Operg⸗ tionen in der nächsten Zeit zu betrachten sein dürfte. Am 19. d. M. bekam das Fürstliche Hauptquartier ganz unerwartet den Befehl, nach dem Buga⸗Passe aufzubrechen. Man übersetzte auf kleinen Nachen die Jeta, während der Train den Weg über Danilov⸗Grad nahm, wo dieser Fluß überbrückt ist. Der Marsch nach der Herzego⸗ winer Grenze war, wie der Sekretär des Fürsten Popovich hierher meldet, fehr beschwerlich. In Ostrog, an der. Grenze, hielt sich der Fürst nur acht Stunden auf und begab sich darauf in . des Personals des Hauptquartiers über die Grenze nach Lukowo, wohin der Kommandant des herzegowinischen Corpz Peter Vukotits berufen wurde. Der Fürst passirte Povije, Planinica und
hart bei Niksie vorbei, wo die Türken wahrscheinlich die Nähe des in nicht vermutheten. Wie es heißt, wird Fürst Nikolaus ein . in Lukowo aufschlagen und bis zur eventuellen Eröffnung einer Aktion gegen Niksie dert verbleiben. Allem Anscheine nach dürfte es mit letzterer Anfangs Juni voller Ernst werden. Die Stärke des Corps Vukotits ist eine solche, daß sie eine Operation in größerem Style gestattet. Vorige Woche erhielt dieses Corps einen neuen Zuwachs durch drei Bataillone, welche neuerlich aus Herzegowinern formirt worden find. Im Ganzen dürfte dieses Corps bei 12.009 Mann mit 16 Geschützen und einer Bergbatterie stark sein. Die Türken unter Suleiman Pascha verfügen nach ganz verläßlichen Daten über 30 Bataillone, zu 500 Mann das Bataillon durchschnittlich gerechnet, was die montenegrinischen Hoffnungen auf, neue Erfolge nicht herabzustimmen geeignet ist. Um die Montenegriner mit Erfolg in Schach halten zu können, müßte bei den gegebenen Terrain⸗ verhältnissen mindestens eine dreifache türkische Uebermacht vorhanden sein, was eben nicht der Fall ist In Ostrog, am Eingange in den Duga⸗Paß, sind beträchtliche Quantitäten an Munition und Pro— viant aufgestapelt worden. Bis zum Spätherbste sind die Monte⸗ negriner mit Allem versehen. Auch an guten Waffen ist kein Mangel. Der Fürst ließ an alle jene Montenegriner, welche noch in der vor⸗ jährigen Campagne sich alter Vorderlader bedienen mußten, nunmehr Hinterlader vertheilen.
Asiatischer Kriegsschauplatz.
St. Petersburg, 31. Mai. (W. T. B.) Die von der türkischen Regierung mittelst , an ihre Vertreter im Auslande gemeldete Wiedereinnahme von Ardahan ist augenscheinlich unrichtig, da noch heute und zwar vom heutigen Tage datirte Telegramme aus Tiflis hier eingegangen sind, welche dieses Ereignises keine Erwähnung thun.
St. Petersburg, 31. Mai. (L. H. T. B.) Aus Tiflis wird hierher berichtet, daß dort Armenier aus Wan in schrecklich elendem Zustande eingetroffen sind. Die Erzäh⸗ lung der türkischen Gräuel ist schauderhaft. Vor den Augen des Einen wurden zwei Söhne getödtet, die Frau und Töchter entehrt und erdrosselt. Die Türken rauben, plündern und morden in Wan. — Die Türken verloren bei Ardahan 4000 Mann; 1500 Mann wurden beerdigt, 2 Bataillone er— tranken in der Kura. — Die Leitung der in dem Ardahan— schen Bezirke eingeführten russischen Verwaltung übernahm General Popko.
St. Petersburg, 1. Juni. (W. T. B.) Telegramm des Ober⸗Kommandirenden der Kaukasusarmee vom 31. Mai: Bei der Bevölkerung von Kabuleti macht sich eine fried—⸗ lichere St mmung bemerkbar. In einigen Dörfern haben die Einwohner die Waffen aus eigenem Antriebe ausgeliefert, andere haben ihre Unterwerfung erklärt. — Das anhaltende Regenwetter verhindert noch immer größere Bewegungen. Die Hauptkräfte unserer Armee stehen bei Kars. Eine Ko— lonne ist südwestlich dirigirt, um die bei Soghanligh erschie— nenen Türken zu beobachten. — In einigen Dörfern des Terek— gebietes brach ein neuer Aufstand aus; es wurden des— halb zwei Kolonnen dorthin gesandt, welche die Insurgenten zerstreuten und die Ansiedelung des Hauptanführers des Auf⸗ standes, Alib k, zerstörten. Eine der Kolonnen unter Oberst Nakaschidse stieß bei Siuch auf eine Schaar von circa 500 bewaffneten Einwohnern, von denen 80 getödtet, 190 ge⸗ fangen genommen wurden. Die aufständischen Aulen Artluch und Danuch wurden zerstört. Die Bevölkerung der übrigen Aulen verhält sich ruhig.
Tiflis, 29. Mai. (Tel. d. W. „Pr.“ General Tscher— najeff hat seine Eintheilung als zweiter Brigadier hei der 21. Infanterie⸗Division, General⸗Lieutenant Petrow, . — Brei der hervorragendsten Mitglieder der Gesellschaft vom „Rothen Kreuz“ sind hier eingetroffen, um die Direk⸗ tion des Feld⸗-Sanitätswesens zu übernehmen. — Von der Armee werden nur unbedeutende Rekognoszirungs⸗ Gefechte der drei vorrückenden russischen Kolonnen gemeldet.
Varna, 30. Mai. (Tel. d. „Fremden⸗Bl. Wie ver⸗ lautet, habe der Serdar Ekrem verordnet, daß alle Tscher⸗ kessen, welche die russische Armee verlassen und sich nach Bulgarien flüchten, hierher geschickt, und von hier dann per Schiff nach dem Kaukasus zür Verstärkung des Auf— standes daselbst gebracht werden sollen.
— Die „Pol. Korr.“ veröffentlicht den ersten aus amt⸗ licher russischer Quelle stammenden Bericht aus dem Haupt⸗ quartier des Alexandropoler Corps der Kaukasus— Armee, dem wir Folgendes über den Einmarsch der Russen in das türkische Gebiet entnehmen:
Lager vor Saim, 30. (18.) April.
Am 24. April überschritten bei Tagesanbruch die ersten Abthei⸗ lungen der russischen Kavallerie gleichzeitig an mehreren Stellen Ben die Grenze zwischen Rußland und der Türkei bildenden Fluß Ar— patschaj. Die nichts ahnenden türkischen Grenz⸗Kerdons wurden so—⸗ fort gefangen genommen. Es folgten zwei kombinirte Kavallerie⸗ Pie nnr unter Kommando des Generals Fürsten Tschawtschawadse. Ingenieur⸗Oberst Bulmering schlug inzwischen bei Bajandura eine Brücke nach Kapelschem System über den Arpatschaj. Die erste und zweite Brigade der kaukasischen Grenadier-Division waren die erften, welche die Brücke passirten und die Straße nach Kars einschlugen. Das ganze Thal des Arpatscha; bei der Qua⸗ rantaine war mit TLastwagen, Geschützen, Munitions⸗ und Proviantkarren, Infanterie. und Kavallerie Abtheilungen, in augenscheinlich buntem Durcheinander und doch in größter Ordnung vorwärtsschreitend, gedrängt voll. Regiment nach Regiment zog an der Quarantaine, wo sich der Corps-Kommandirende postirt hatte, vorbei, passirte die einige Stunden vorher geschlagene Brücke und betrat das feindliche Land. Fortwährend brachte man neue Ge⸗ fangene, die dem General vorgestellt und, sodann weitergebracht wurden. Hinter der Brücke begann ein steiler Aufgang zum türki⸗ schen Lager. Tausende von Bewohnern Alexandropols halfen der Be⸗ mannung die Lastwagen und Geschütze zu dem steilen Ufer fortzu—⸗ bringen. Knapp daneben bereiteten inzwischen Sappeurs einen neuen, leichter zugänglichen Aufgang. Auf der Karsschen Chaussee zeigte sich eine Kavallerie⸗Abtheilung. Es waren dies russische Dragoner, die eine Partie türkischer Reiter eskortirten. Den Dragonern folgten türkische Kurden und Karapachen, die dem „weißen Czar' ihre Dienste anbieten wollten. Die Gefangenen wurden in die Stadt gebracht, die neuen Milizen blieben bei den Truppen. Die gefangenen Suwaren hatten ein kräftiges gesundes Aussehen und gute Pferde, doch schlechte Equipirung. Ihre „Magazingewehre“ waren sämmtlich noch geladen, da die Türken in Folge des plötzlichen Ueberfalles gar nicht zum Schuß gekommen waren. Das Corps zog längs der Heerstraße, deren beide Seiten durch Infanterie⸗Abthellungen, Tirailleursketten und Rekognoszirungs⸗Betachements der irregulären Kavallerie gedeckt wurden, in der Richtung nach Mollah⸗Mussa hin, wo auch etwa 6 Werst von dem Uebergaͤngspunkte das erste Bivougk aufgeschlagen wurde. Die Truppen lagerten sich in dem breiten Bergkessel längs des Dorfflusses. Ber Stab placirte sich in Erdhütten rings um den Corps-Kommandirenden. In der Nacht hatte die russische Ka— vallerie eine kühne Rekognoszirung vorgenommen, bei der es ihr ge⸗ lungen war, durch einen überraschenden Ueberfall den . tůr⸗ kischen Grenzeordon fammt Pferden und Waffen ohne jegliches Blutvergleßen aufzuheben. Die irreguläre Kavallerie trieb den Feind
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haufenweise vor sich her und verbieitete ringsum panischen Schrecken. Die Kavallerie brachte am folgenden Morgen 177 türkische Gefangene ein, die von Mollah⸗Mussa über Alexandropol nach Tiflis weiter befördert wurden. Im Gegensatze zu den am vorhergegangenen Tage Eingebrachten waren diese kürkischen Gefangenen recht gut gekleidet und keineswegs entmuthigt. Bereits um 5 Uhr Morgens war Alles zum Aufbruch bereit. Die Avantgarde zog längs der breiten e straße. Die Infanterie bewegte sich, beiderseits durch Tirailleurketten gedeckt, vorwärts, Zwischen Ten einzelnen Regimentern zogen schwere Geschütze, und rückwärts die Daghestansche irreguläre Kavalleriz. Die Abtheilung setzte sich langsam und vorsichtig in Bewegung. Die in der Zwischenzeit fortwährend eingebrachten Gefangenen wurden längs des Zuges, unter freudigem Zuruf der marschirenden Soldaten, weiter befördert. Der große Train machte ein rasches Vorwärtsgehen unmöglich. Das in zwei Kolonnen mar⸗ schirende Corps legte am 25. nur 7 Werst und am 26.9 Werst zurück. Unendlich schien die Reihe der je mit 4 kräftigen Pferden bespannten und mit Leichtigkeit 60 Pud ziehenden Lastwagen. Am 27. rückten die Truppen, von dem Feinde vollständig unbelästigt, da die weit vorwärtsgegangene Kavallerie einem jeden eventuellen Angriffe vor⸗ beugte, in der bereits erwähnten Ordnung von Kisil⸗Tschachtschach in der Richtung gegen Dshamusli aus; der Stab blieb in Kisil⸗Tschach⸗ tschach bis 12 Uhr Mittags, wo erst der Corps-⸗-Kommandirende auf⸗ brach. Die Kolonne überschritt den in den Arpatschaj mündenden fit Karachantschaj (auch Kars⸗Tschaj genannt). Die Ufer desselben ind nicht sehr steil; die Breite beträgt 6 bis 7 Faden, nnd das Wasser reicht bis zum Gürtel. Eine Brücke wurde nicht geschlagen. Die Kavallerie, Artillerie und der Train zogen direkt durch das Wasser, die Infanterie passirte den Fluß mit Entledigung der Unter— kleider, die an die Bajonnete gehängt wurden. Für die Nachhut wurde durch den Oberst Bulmering in der Nähe des Dorfes Dshamusli binnen drei Stunden eine Brücke ge— schlagen. Die Truppen passirten die Brücke und lagerten sich an dem linken Ufer des Kars⸗Tschaj. Mit der Uebertragung des Kom⸗ mandos des Hauptgorps der Kaukasus⸗-Armee an den General Loris⸗ Melikoff ist ein glücklicher Griff gemacht worden. Das Territorium, durch welches derselbe sein Corps gegen den Feind führt, ist dem General in allen seinen Details bekannt. Melikoff kommandirte während des Krimkrieges eine besondere, aus allen möglichen Ele⸗ menten formirte Abtheilung; in derselben waren Armenier, Grusinen, russische und türkische Unterthanen, die aus beiden Lagern desertirt waren, Karapachen, Griechen 2c. zu finden. Melikoff zeichnete sich mit seiner Legion in der Folge bei der Erstürmung von Kars aus. Demselben wurde nach der Einnahme der Festung und der Besetzung des ganzen Karsschen Paschaliks die Verwaltung von Kars übertragen. Trotz der in das benachbarte Dorf Schachnadar gesandten Proklamation waren viele Bewehner desselben in der Zwischenzeit geflohen. General Melikoff ertheilte den Befehl, die Häuser der Geflohenen zu demoliren, und wurde letzterer mit aller Strenge ausgeführt. Ein Türke und ein Armenier gingen den Truppen mit ihren Aussagen an die Hand. An die Häuser der Zurückgebliebenen wurden Wachposten gestellt; der Rest des. Dorfes wurde zum abschreckenden Beispiel der Ver⸗ nichtung anheimgegeben. Um 3 Uhr Nachmittags traten die Truppen neuerdings den Marsch an. Der Weg wurde felsig und steil. Links erhob sich der Berg Kara⸗Gusy mit dem Dorfe Indshy⸗Darg am Fuße. Weiter zog sich der Berg Karajal, der eine wichtige Rolle in der Schlacht bei Kuruk-⸗Dara spielte. Die Truppen passirten eine felsige und stark gewundene Schlucht, aus der ein heller und klarer Bach entsprang, und betraten das berühmte Kuruk-Dara'sche Schlacht⸗ feld. Hier hatte im Jahre 1854 eine Handvoll Russen einen vier⸗ mal stärkeren Feind aufs Haupt geschlagen. Auf dieser Stelle wurde das Bivouak aufgeschlagen und der Feldtelegraph gelegt. An diesem Tage legten die russischen Truppen zehn Werst zurück. Am 28. um 8 Uhr Morgens wurde das Lager bei Paldyrwan abgebrochen und die Kolonne nahm den Weg nach Saim an.
— Ueber das Wesen und die Wirkungsfähigkeit der Tor⸗ pedos enthält cin Artikel der „Rep. Frang.“ nicht ganz all— . bekannte einzelne Details. Derselbe lautet auszugs— weise:
„Obwohl die Torpedos vorzugsweise eine De fen sivwaffe und deshalb auf dem Schwarzen Meere für die Russen, die dort auf die Vertheidigung angewiesen sind, von großer Bedeutung ist, spielen die Torpedos auch eine mächtige Rolle als Angriffswaffen bei Kämpfen auf offenem Meere und bei der Küstenvertheidigung. Alle Marinen Europas haben mit den Torpedos eingehende Versuche an⸗ gestellt und sind so ziemlich alle zu denselben Resul⸗ taten, zu demselben Grade der Vollkommenheit in dieser furchtbaren Waffe gelangt. Die Russen waren die ersten, die im Krimkriege von den Torpedos Gebrauch, machten, als die Engländer und Franzosen durch die Ostsee heranrücken wollten. Der Torpedo, der zur Defensive gebraucht wird, ist ein rundes Gefäß aus hartem Metall, welches mit einem erplodirenden Stoffe, meist mit Nitro⸗Glycerin, gefüllt ist. Er ruht auf dem Meeresgrunde an einem Orte, dessen Lage ganz genau bekannt ist. Die Torpedolinien laufen gewöhnlich miteinander parallel oder sie passen sich der Gestalt der Küsten an, die sie zu vertheidigen haben. Jeder Torpedo steht mit dem Ufer durch einen Faden in Verbindung, der mtt einer starken elektrischen Batterie zusammenhängt. Alle Fäden sind in dieser Batterie an einem Orte vereinigt, der vor den feindlichen Geschossen sicher ist. Rückt ein feindliches Geschwader an die Küste heran, so beobachten zwei Mann genau die Bewegungen der feind⸗ lichen Schiffe. Sind die Beobachter sicher, daß sich ein Schiff über einem Torpedo oder im Bereich seiner , . befindet, so setzen sie den Torpedo durch den elektrischen Funken in Brand. Die Wirkung ist blitzartig. In tausend Atome zerschmettert versinkt das Schiff mit der Mannschaft. Da es keinen besonderen Schwierig⸗ keiten unterliegt, die Fäden, welche die Torpedos mit dem Ufer ver— binden, abzuschneiden, sind natürlich noch starke Batterien an den Ufern nöthig, um die Annäherung feindlicher Boote zu hindern. Die Angriffs⸗Torpedos werden gewöhnlich im Vordertheile leichter Fahrzeuge angebracht, deren Fahrgeschwindigkeit 13 Knoten in der Stunde beträgt, eine Geschwindigkeit, die bisher kein Kriegsschiff erreicht hat. Kühne Seeleute, müssen sich dazu hergeben, um die Torpedos in, die Mitte der Feinde zu bringen. Daneben giebt es auch sich selbst bewegende Tor⸗ pedos, welche ihre Fortbewegung komprimirter Luft verdanken, die eine oder zwei Schrauben treibt. Sie sind so konstruirt, daß sie im Stande sind, die Richtung innezu alten, die ihnen vom Ufer aus ge⸗ geben worden ist. Der Erfinder der Torpedoschiffe, deren Schnellig⸗ keit vordem niemals erreicht worden war, heißt Tornierofft. Ein solches Boot kostet SM M0 Francs. Drei Mann genügen zu seiner Bedienung. Sobald ein Geschwader von Panzerschiffen einen Hafen rekognosziren will, oder sich dem Ufer nähert, um eine gänstige Gelegenheit zur Landung zu suchen, werden die Torni⸗ eroffts, die sich in den kleinsten Einschnitten des Ufers verbergen können, sofort ins Meer gelassen. Sie fliegen mit fabelhafter Schnelligkeit auf das Geschwader, das nicht einmal mehr im Stande ist, zu fliehen. Jedes Boot hat sich seinen Gegner ausgesucht, auf den es losftärzt. Sicher wird mehr als eines im Kampfe unterlie—= gen, aber der Verlust ist ein verhältnißmäßig geringer. Gelingt es nur einem, seinen Torpedo anzubringen, so verschwindet ein Schiff von 12 ober 14 Millionen Werth mit, 609 Mann in den Fluthen des Meeres. Die Nacht und das neblige Wetter sind für die An⸗ griff der Torpedoboote besonders günstig. Die Vertheidigungs mittel, welche die Panzerschiffe bisher angewendet haben, haben sich als unzureichend erwiesen. Sobald aber doch die Torpedoboote zurück= ewichen find, beginnen die sich selbst brwegenden Torpedos ihr furcht= re. Werk, dem Niemand entrinnen kann. Ein solcher Torpedo vermag bei einer Schnelligkeit von 8 bis 10 Knoten, 809 Meter zu durchmessen. Hat er sein Ziel verfehlt, und ist seine Bewegungs⸗ kraft erschöpft, so steigt er an die Qberfläche und bildet noch ein ge⸗ . Hinderniß, welches der Feind nicht ohne Schaden äber⸗ winden kann.“