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— Ueber die neuerlichen Unterhandlungsversuche zwischen der Pforte und den Kret en sern bringt die „Pon. Korr.“ die folgenden Mittheilungen:
Am 20. Juni, so schreibt man der Korr.“, also mehrere Tage nach der NUeberreichung des Protestes der Kretenser, hat Samih Pascha ein Schreiben an die Deputirten der kretensischen General- verfammlung gerichtet, worin er sie unter Berufung auf einen telegraphischen Befehl des Großveziers auffordert, 19 Delegirte und zwar 5 Mohamedaner und 5 Griechen nach Konstan⸗ tinopel zu entsenden, mit welchen die Regierung in Betreff der von der Generalversammlung verlangten Konzessionen unterhandeln wolle, und weiters ersucht, die Wahl der gesetzlichen Mitglieder für die Verwaltung und das Appellationsgericht vorzuneh⸗ men. Das Schreiben spricht von der Fürsorge des Sultang für die Ruhe, Sicherheit und Wohlfahrt der Bewohner Kretas und betont die Nothwendigkeit, die Forderungen des christlichen Theiles der⸗ selben mit Gerechtigkeit zu prüfen. Es geht übrigens, nebenbei be⸗ merkt, aus diesem Schreiben hervor, daß die Antwort der Pforte, welcher der Protest der Kretenser gegolten hat, und deren Ueberbringer Kadry Bey gewefen, keine absolut ablehnende war, sondern nur ein⸗ zelne Forderungen der Kretenser betraf. Auf die neuerliche Auffor⸗ derung des Vali antworteten aber die griechischen Deputirten in einem an ihn gerichteten Schreiben mit der Erklärung, daß aus dem Schrei⸗ ben des General⸗Gouverneurs nicht hervorgehe, ob die National⸗ versammlung nach dem eben gesetzlich vollzogenen Schlusse ihrer Seffion zu einer außerordentlichen Session auf eine bestimmte Zeit wieder einberufen werde, und ob sie sich demnach noch als gesetz⸗ liche Vertreter des christlichen Volkes von Kreta betrachten können. Sie erfuchen ihn weiters, diese Frage vorerst ins Reine zu bringen. Das Wesen der Aufforderung Samih Paschas wurde, wie es scheint, absichtlich mit keinem Worte berührt, dagegen haben sich die Deputirten am 23. Juni diesfalls direkt an den Großvezier 6. wendet und ihn ersucht, die Regierung möge selbst eine gemischte Kommission, deren Mitglieder der griechischen Sprache mächtig sind, nach Kreta entsenden, mit welcher sie wegen ihrer Forderun⸗ gen unterhandeln würden. Die Muselmänner auf Kreta bestürmen ubrigens trotz aller Verhandlungen den Vali um Verstärkung der Truppen auf der Insel. Die aus Heraklion und Canea abgezogenen Truppen, etwa 4000 Mann, sind nur e re. ersetzt worden. Die Mohamedaner fürchten nicht fo sehr einen Aufstand der Griechen, als das Erscheinen einer russischen Flotte. Die Regierung scheint selbft über diesen Punkt nicht ganz beruhigt zu sein. Gegenwärtig kreuzt eine ziemlich starke türkische Eskadre an den Küsten von Kreta; sie besteht aus den zwei Panzerschiffen „‚Mesudjs“ und „Orchanis‘, ferner aus den bei Selinos stationirenden sechs höl- zernen Fregatten und Korvetten, welche Vize⸗Admiral Hussein Pascha befehligt. Drei Panzerschiffe sollen noch in den nächsten Tagen dazustoßen. Oberst Wood befindet sich mit Torpedo⸗Legung beschäf⸗ tigt im Hafen von Suda. Die Einfahrt in den Hafen von Suda ist zur Nachtzeit für alle Schiffe streng untersagt. Die Leuchtfeuer in den Thürmen am Vorgebirge von Drepanon und von Suda sind in der letzten Woche nicht mehr angezündet worden.“
Der russisch⸗türkische Krieg.
London, 9. Juli. (W. T. B.) Im Unterhause er— klärte der Kanzler der Schatzkammer, Northcote, auf eine An⸗ frage Monks, die Nachricht, daß Layard dem Sultan mit— getheilt habe, das Interesse Englands dürfte eine Besetzung Konstantinopels und der Dardanellen erheischen, sei un⸗ begründet. Dem Deputirten Anderson erwiderte, der Staatssekretär des Krieges, Hardy, die morgen in Windsor stattfindende Truppenrevue sei eine unbedeutende. Von einer Absendung dieser Truppen in das Ausland sei keine Rede.
— (W. T. B.) Aus Belgrad, 9. d, meldet das „N. W. Tagbltt.“: Der Allianzvertrag mit Rumänien ist am 4. d. abgeschlossen; der Zeitpunkt der Kooperation ist auf Mitte August festgesetzt. (9)
Europäischer Kriegsschauplatz. St. Petersburg, 9. Juli. (W. T. B.) Telegramm
des Ober⸗Befehlshabers der Südarmee aus Tzarewitsche vom 8. d. M.: Gestern hat General Gurko mit seiner Kavallerie Tirnowa genommen; 3009 Nizams, eine türkische Batterie und eine u nn Redifs, deren Zahl nicht festgestellt ist, wurden genbthigt, sich gegen Osmanbasar zurückzuziehen. Die Bewohner von Tirnowa legen uns gegenüber enthusiastische Freude an den Tag, nach der Besetzung der Stadt wurde feierlicher Gottesdienst abgehalten. General Gurko hat das türkische Lager und einige Munitionsvorräthe weggenommen. Der Train, die Infanterie und die Artillerie nähern sich Tirnowa.
Konstantinopel, 9. Juli. (W. T. B.) Der Marine⸗ Minister ist nach dem Balkan abgereist, um die dortigen Befestigungen zu besichtigen; das Corps Suleiman Paschas soll nach der Donau gehen.
Wien, 9. Juli. (W. T. B.) Telegramm des „N. W. Tageblattes“ aus Schumla, 8. Juli: Der Kriegs-Minister Redif Pascha weilt seit Mittwoch hier. Die Bahnverbindung zwischen Tschernawoda und Varna ist nicht unterbrochen.
Wien, 9. Juli. (W. T. B.) Wie der „Polit. Korr.“ aus Bukarest vom heutigen Tage gemeldet wird, wird sich Fürst Karl erst morgen in sein Hauptquartier Pojana, bei Kalafat, begeben.
— Ueber den Kriegsschauplatz in Bulgarien bringt das W. „Fremdenbl.“ folgende Mittheilungen:
Das nächste natürliche Hinderniß, welches nach Ueberschreitung der Donau von den russischen Armeen auf ihrem Marsche nach Kon⸗ stantinopel überwunden werden muß, bietet der Balkan. Ven der Westküste des Schwarzen Meeres bis südlich nach Varna hin in einer Höhe von 3— 5000 Fuß steil aufsteigend, streicht der Balkan fast parallel mit der Donau gegen Westen und läuft südwestlich von Sofia in seinem böchsten Punkte, dem Orbelos, aus. Die ganze Bergmasse wird durch einen Hauptrücken gebildet, mit welchem jwei Ketten von geringerer Höhe, die eine nach Norden, die andere nach Süden vom Rücken ausgehend parallel laufen. Vom geologischen Standpunkte aus gehört der ganze Balkan der Kalkformation an; der Kalk wird jedoch an mehreren Stellen durch Massen vul⸗ kanischen Ursprungs unterbrochen. Die Berge sind dicht bewaldet, meistentheils mit Buchen ⸗ und Eichenwäldern besetzt, manche Stellen sind in großer Ausdehnung mit Föhren bewachsen. Die Hauptabdachung ist gegen Süden steiler, als im Norden, eben von diesem letzteren Theile stoßen sich zahlreiche Sporne ab, deren Seiten wieder in der Regel außerordentlich abschüssig sind. Es sind häufig fast senkrechte 9 sen von 10 bis 200 Fuß Höhe. Die Straßen, welche die Gebirgs— ette durchziehen baben einen Grund von Thon und sind daher bei nassem Wetter nur mit Schwierigkeit zu passiren, wahrend ez für Truppen in Folge der felsigen Beschaffenheit des dazwischenliegenden Bodens, der noch überdies mit einem dichten Unterwuchs von Eichen bedect ist, un—⸗ möglich erscheint, quer durch das Land zu marschiren. Der ganze Distrikt ist nur sparsam bevölkert und nur in wenigen elenden Ort— schaften in den tiefen Thälern werden Bewohner gefunden. Trans porte aller Art über das Gebirge werden im ö durch
ackthiere besorgt, nicht so sehr wegen der Steilheit des zu über⸗ chreitenden Terrains, als wegen des erbärmlichen Zustandes der Straßen, welche in den meisten Pässen, dem strengsten Wortlaut nach, erst hergestellt werden müssen, ehe sie für die Passage einer Armee mit ihrem nothwendigerweise zahl⸗
reichen Train tauglich erkannt werden können. Die Hauxtpässe von Westen gegen Osten 24 sind folgende: 1) Die Straße von Lovatz und Pleyna r Gdrobol na ofia. 2) Die Route von Tirnowa über Gabrowa nach Kasanlyk durch das Thal der Jantra. 3) Von Tirnowa nach Osman⸗Bajar und von da über Kafan nach Slivno und Karin-⸗Abad. 4 Von Schumla nach Tjalikavak. De⸗ broll und Karin⸗Abad. 5) Von Kosladschi nach Pravadi, Jeniköi und Aidos. 6) Von Varna über Derwisch⸗Jovanu nach Burgas. Wenn wir diefe Pässe etwas mehr im Detail prüfen, so finden wir, daß das Schloß von Tirnowa, von drei Seiten von der Jantra umgeben und in einer Position von großer natürlicher Stärke, die zweite Route direkt versperrt. Tirnowa verlassend, steigt die Straße den Zipka⸗Paß hinan und senkt sich von seiner Höhe seeil zur Ortschaft gleichen Namens, von wo sie dem Thal des Kasanlyk folgt. Die Gegend dortselbst wird als außerordentlich fruchtbar beschrieben, der Strom wird von Reihen von Rußbäumen ein⸗ gefaßt, und die Ortschaften sind mit Obst⸗ uud Rosengärten umgeben Auf der dritten Straße, nämlich jener von Osman-Bazar über Kasan nach Slivno, befinden sich zwei alte Verschanzungen, welche in letzter Zeit wieder theilweise hergestellt worden sind. Kasan selbst liegt in einer tiefen Schlucht und von da läuft der Weg durch eine enge Felsenspalte, ein Paß, . der wahrscheinlich wegen der großen Schwierigkeit, mit welcher ein Feind seine Straße forciren müßte, den Namen des „eisernen Thores“ erhalten hat. Diese enge Schlucht kann jedoch vermieden werden, indem man einen im Zickzack ge⸗ henden Weg einschlägt, welcher von Kasan nach Slivno führt. Hier führt wieder, wie bei der oben beschriebenen Straße, die Senkung von dem höchsten Punkte der Berge nach Slivnd und von da entweder nach Karin ⸗Abad oder Dobroll durch einen Distrikt, welcher seinem Charakter nach sehr von den unfrucht— baren Abhängen des Nordens verschieden ist. Fruchtbäume, Rosen⸗ gärten und r, bringen — in die Scenerie und während auf den bulgarischen Abhängen noch der Schnee liegt, prangen die südlichen ar,. schon in üppiger Vegetation. Die vierte Straße, jene von Schumla nach Tjalikavak und Dobroll, ist, was die natürlichen Schwierigkeiten betcifft, bis Tjalikavak leicht praktikabel. Von da nach Dobroll. jedoch zieht sich die Straße durch einen engen Paß, der auf beiden Seiten von steilen Felsen eingefaßt wird. Es sind hier auch Verschanzungen aufgeworfen, welche, wenn hartnäckig vertheidigt, den Durchzug einer Invasions⸗ Armee zu einer außerordentlich prekären Unternehmung machen würden. Von Dobroll senkt sich die Straße wieder steil durch ein langes und leicht zu vertheidigendes Defils nach Deli⸗Kamtschik. Die fünfte Strahe, jene von Keosladschie über Pravadi und Jeniköi nach Aidos ist bel dem kleinen Orte Pravadi durch einen Felsenrücken versperrt, der eine natürliche Besestigung bildet. Auch dieses Hinderniß kann jedoch umgangen werden, wenn man einem Pfad durch den Kirk⸗Gijctin⸗Paß oder Paß der vierzig Furten“ folgt, so genannt, weil die Straße beständig einen kleinen Strom kreuzt und wieder kreuzt, welcher durch den Paß fließt, oder indem man die Straße nach Jeniköi einschlägt. Die beiden letzteren Routen ver⸗ einigen sich wieder auf einer Höhe, welche frei von Wald und Deckung ist und sich folglich von selbst zu Vertheidigungs⸗Arrangements her⸗ giebt. Die ôstlichste endlich von den sechs durch den Balkan ziehenden Hauptstraßen steigt, Varna verlassend, sanft die Höhen hinan, welche oͤstlich laufen, in dem Vorgebirge von Galata⸗Burnu endigend. Bei dem Orte Podbaschi setzt die Straße über den Kamtschik⸗Fluß. Dieser Kamt⸗ schik wird durch die Vereinigung von zwei Flüssen bei dem Orte San⸗ dukli gebildet, von denen der eine, als der „große Kamtschik“ be⸗ kannt, bei Tschatak im Kutschuk⸗Balkan, südlich von Osman-⸗Bazar, entspringt; der andere, der kleine Kamtschik“ von der Höhe von Rahova herabfließend, die Desensivstärke des östlichen Balkan wesent⸗ lich vermehrt. Er strömt rasch, hat nur wenige Furten, und wird am rechten Ufer von ausgedehnten Sümpfen begrenzt. Bei Podbaschi warden von den Türken im Jahre 1829 Erdwerke gebaut, um den Russen die Passage des Kamtschik streitig zu machen, aber die aufgeworfenen Schanzen waren nur unzureichend bemannt und armirt und so gelang es ihnen nur, den Marsch der Russen um wenige Tage aufzuhalten. Diese Befesti= gungen sind seitdem verbessert worden und könnten, gehörig vertheidigt, jedem auf dieser Route durch den Balkan versuchten Vorrücken einen furchtbaren ,, ., Von Podbaschi führen Wege nach Burgas und Missivri, die jedoch auf beiden Seiten mit dichten
Waldungen besetzt sind, die jede Deploirung der Truppen verhindern
und die Wege thatsächlich in Defilsen verwandeln. Andere, aber weniger praktikable Wege durchziehen den Balkan von Lovatz nach Korbova, von Selvi nach Grabowa und endlich von Berkovatz nach Pirot und Sofia. In den Bergen selbst giebt es keine wie immer geartete Seitenkommunikation zwischen den verschiedenen Pässen, aber es giebt Straßen in dem Thal von Kasanlyk und längs des süd⸗ lichen Fußes der Bergkeite zwischen Missivri und Burgas nach Aidos und zwischen Karin⸗Abad und Slivno.
— Aus Varna, 26. Juni, schreibt ein Spezial-Bericht⸗ erstatter der W. „Presse“ über die Festung Rustschuk und ihre Werke: ;
Die Stadt Rustschuk liegt auf einem coupirten Hochplateau, dessen lehmige Hänge steil gegen die Donau abstürzen. Gegenüber Rustschuk und Giurgewo theilt sich die Donau in zwei Arme, welche durch die Inseln Gjurgjului oder Tschura und Mokan gebildet wer⸗ den. Die Festung besteht aus einer ununterbrochenen Umfassung und aus den gegen die Donau zu errichteten Batterien, welche Rustschuk auf der Donau⸗ und der Lomseite vertheidigen. Außerdem liegt auf der östlichen Seite gegen Silistria ein starkes Fort, welches lediglich dazu dient, um den Cingang in die Stadt von Osten her zu verwehren. Die Umfassung der Festung besteht aus acht großen und neun kleinen Bastionen mit e langen Courtinen und kurzen Flanken. Das Grabenprofil ist im Allgemeinen 45 Fuß breit und I64 Fuß tief. Die Escarpen und Contre⸗Escarpen sind in Bruch⸗ und Quadersteinen gemauert und nicht einmal gegen den Lirekten Schuß gedeckt. Die Festung hat keine Glacis. Aus der Festung ir vier Ausgänge in das Vorfeld. Der Bahnhof von Rust⸗ chuk befindet sich knapp an der Donau und ist durch ein Kron⸗ werk geschützt. Vor Eröffnung der Feindseligkeiten wurde die Fisenbahnstation südlich vom Kronwerk verlegt, was auch die Er⸗ bauung einer neuen Linie zur Folge hatte. Die Außenwerke befinden sich 190 Klafter von einander entfernt. Auf der dominirenden An⸗ höhe befinden sich die Sternschanzen „Ujudscheler⸗ und „Kijakazu “; östlich von diesen befinden sich fünf Werke. Auf der nach Schumla führen⸗ den Straße befindet sich das Fort ‚Levant Tabia“ in Form einer großen Sternschanze, daneben drei vierseitige und eine sechsseitige Redoute. Unter diesen ist das Fort „Hanamdschi, das stärkste. Die süd⸗ lich von diesen Forts gelegenen Werke vertheidigen die gen gegen das Innere des Landes. Zur voll ständigen Armirung der
estung und der Außenwerke bedürfte Rustschuk, nach der Entwick⸗ lung der Feuerlinie zu urtheilen, wenigstens 200 Geschütze, doch be⸗ finden sich auf allen Wällen nach den neuesten Nachrichten nicht mehr als 85 Kanonen, darunter ein großer Theil von schwerstem Kaliber. Das wichtigste Fort „ Levant ⸗Tabign hat 17 Geschütze mit 25 Centi⸗ meter Bohrung. Die Besatzung betrug anfänglich nur 80090 Mann, allein diese Zahl ist in der letzten Zeit auf ungefähr 14,900 Mann ge⸗ bracht worden. Die Schwächen der Festung beftehen in der un⸗ er Deckung der Haupt⸗ md der inneren Werke gegen Ge—⸗ chützfener in den allzu nahe liegenden Intervallen zwischen den ein zelnin Werken. In der letzten Zeit haben die Tuͤrken einige Srd⸗ werke errichtet, welche jedoch von keinem besonderen Belange sind. Die günstigsten Angriffspunkte bietet Rustschuk von Süden, und sind die südlich der Stadt gelegenen Höhen und Werke genommen, so vermag sich die Festung selbst nur kurze Zeit zu halten.
Asiatischer Kriegsschauplatz.
Konstantin opel, 9. Juli. (W. T. B.) Nach hier eingegangenen Nachrichten vom asiatischen Kriegsschau⸗ platze ist Moukhtar Pascha weiter gegen Kars vorgerückt. —
Die Russen konzentriren bei Ardahan bedeutende Truppen⸗ abtheilngen. — Die Türken bombardiren Chefketil, im Süden von Poti. — Die Einfahrt in den Hafen von . zur Nachtzeit ist durch amtliche Bekanntmachung verboten.
Konstantinopel, 9. Juli. (W. T. B.) Einem Tele⸗ gramm Derwisch Paschas aus Batum vom 8. zufolge 6
eine türkische Fregatte St. Nicolai bombardirt, die Türken seien danach gelandet und hätten die Garnison vertrieb en; die Expedition sei darauf nach Batum zurückgekehrt. :
London, 9. Juli. (W. T. B.) . einer Meldung des „Reuterschen Bureau“ aus Erzerum vom heutigen Tage ist dort die Ansicht verbreitet, daß Moukhtar Pascha ge— zwungen sein würde, den russischen Truppen, welche im Thale von Olti vorrücken, eine Schlacht anzubieten, bevor er seinen Vormarsch gegen Kars fortsetzen könne. — Demselben Bureau geht aus Erzerum vom 7. d. die Nachricht zu, daß eine russische Kolonne bei dem Versuche, in Ardanutsch ein⸗ , , worden sei und sich auf Ardahan zurück— gezogen habe. — Weiter meldet das genannte Bureau, Mustapha Pascha sei von der Armee Moukhtar Paschas mit 4006 Mann abmarschirt, um sich nach Kars hinein— zuwerfen.
London, 9g. Juli. (W. T. B.) Wie dem „Reuterschen Bureau“ aus Erzerum vom 9. d. gemeldet wird, ist es im Norden von Bajazid zu einem Kampfe gekommen. Der⸗ selbe dauere noch fort.
— Wie man der W. „Presse“ meldet, wäre die Stärke und Vertheilung der türkischen Streitkräfte auf dem armenischen Kampfplatz ng folgende:
Die tarkische Armee unter Moukhtar Pascha zählt heute 57 nicht komplete Bataillone, 1600 Reiter und 90 Kanonen. Davon stehen als linker Flügel bei Olti 8 Bataillone; als Centrum in Zewin 18 Bataillone, 500 Reiter, 24 Geschütze; diesen Truppen im Saganlug Dagh bis Bardus vorgeschoben 5 Bataillone, 50) Reiter und 12 Kanonen. In Erzerum befindet sich die Reserve mit 4 Ba⸗ taillonen und 30 Geschützen. Der rechte Flügel der türkischen Armee steht bei Toprakkale mit 5 Bataillonen und 200 Reitern und west⸗ lich davon auf der Straße nach Horossan bei Molasulejman 6 Ba— taillone, 200 Reiter; bei Deli⸗Bojun 4 Bataillone und endlich bei Delibaba 6 Bataillone, 200 Reiter.
— Ueber die Gräuelthaten der Kurden, welche Ba⸗ jazid cernirt haben, wird der „Pol. Korr.“ aus Konstanti— nopel geschrieben:
„Der Zug der kurdischen Retter durch das türkische Land ist wahrhaft verhängnißvoll für dieses geworden. Sie haben die ganze Umgegend von Bajazid geplündert und verwüstet und die genannte Stadt selbst so verheert, daß die armenische und türkische Be⸗ völkerung derselben lange daran zu denken haben wird. Freund
und Feind wurden von diesen wilden räuberischen Ge⸗
sellen gleich behandelt, d. h. geplündert und massacrirt. Nach⸗ dem sie sich gehörig mit Beute beladen hatten, zogen si⸗ sich zurück und überließen den Platz den türkischen Behörden. Ein Theil dieser traurigen Vaterlandsvertheidiger zog sich über die persische Grenze zurück, während der andere Theil sich gegen Wan zog, wo die arme⸗ nische Bevölkerung ihre Anwesenheit zu spüren bekommt. Die Leiden der christlichen Bevölkerung von Wan sind nerhört und unglücklicher⸗ weise ist die türkische Regierung außer Stande, sie zu schützen. Die Anarchie in diesen Gegenden ist auf ihrem Gipfelpunkt angelangt, und wenn das so fortdauert, so wird das christliche Element dort bald ausgerottet sein.“
Nr. 44 des „Amtsblatt der Deutschen Reichs-Post⸗ und Telegraphenverwaltung“ hat folgenden Inhalt:; Ver—⸗ fügungen vom 5. Juli 1877: Eröffnung der Eisenbahnstrecke Berlin⸗ Neubrandenburg. — Vom 3. Juli 1877: Eröffnung der Eisenbahn⸗ strecke Schandau⸗Dürrröhrs dorf. . .
— Nr. I2 des „Archiv für Post und Telegraphie, Beiheft zum Amtsblatt der Deutschen Reichs⸗-Post⸗ und Telegraphenverwal⸗ tung“, hat folgenden Inhalt: J. Aktenstücke und Aufsätze: Rück— blick auf das Jahr 1876 in Bezug auf die Telegraphie. — Ver— fahren bei Beurlaubungen und Erkrankungen von Postbeamten in berschiedenen Ländern des allgemeinen Postvereins. — Die Verwen⸗ dung der Bessemerstahl⸗Schiene im Eisenbahnbau und ihre Herstel— lung. — Der Brief zur Zeit Karls des Großen. — Die Straßen, die Wege und die Posteinrichtungen. (Zweiter Artikel). — II. Kleine Mittheilungen: Ein Schreiben Solimans an Maximilian II. aus dem Jahre 1562. — III. Literatur des Verkehrswesens: George B. Brescott, Flectricity and the Electric Telegraph. — IV. Zeitschriften⸗Ueberschau.
Landtags⸗Angelegenheiten.
Stettin, 6. Juli. Bei der gestrigen Ersatzwahl eines Abge⸗ ordneten für den Randow⸗Greifenhagener Wahlkreis wurde der bis⸗ herige Abgeordnete Dr. Dohrn mit 249 Stimmen wiedergewählt. Der Gegenkandidat, Hr. v. d. Osten, erhielt 243 Stimmen.
Statisti sche Nachrichten.
Sterblichkeits- und Gesundheitsverhältnisse. Ge⸗ mäß den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheits⸗ amts sind bis zu der am 30. Juni er. beendeten sechsundzwanzigsten Jahreswoche von je 1000 Bewohnern, auf den Jahresdurchschnitt be⸗ rechnet, gestorben: in Berlin 54a, in Breslau 43,38, in Königs berg 31,s, in Cöln 332, in Frankfurt a. M. 17.5, in Cassel 185, in Hannover 28.5, in Magdeburg 3,6, in Stettin 262, in Altona 27,8, in Straßburg 295, in München 35,14 in Nürnberg 22, in Augsburg 41, in Dresden 2M, in Leipzig 2657, in Stuttgart 263, in Braunschweig 3550, in Karlsruhe 26,0, in , 227, in Wien 27,“, in Buda⸗
est 41,, in Prag 29, in Basel 223, in Brüssel 25, in Paris 23, in Amsterdam 263, in Rotterdam 262, im Haag 27,05, in Kopenhagen 20,, in Stockholm 25.5, in Christiania 19, in Warschau 265, in St. Petersburg 324, in Bukarest 176, in Odessa 36, in Lissabon 308, in Athen 50, in Neapel 291, in Turin 315, in London 194, in Glasgow 207, in Liverpool 2546, in Dublin 310, in Edinburgh 22, in Alexandria (Egypten) 404, in New⸗Jork 203, in Phila⸗ delphia 20,i, in Boston 19,a, in San Franzisko 165, in Calcutta 242, in Bombay 679.
Beim Beginn der Berichtswoche herrschten an den meisten deut⸗ schen Beobachtungsstationen Nordwestwinde vor, die gegen die Mitte der Woche meist in südliche Luftströmungen fnur in Karle ruhe herrschten Nordostwinde) umgingen, welche die Lufttemperatur stei⸗ gerten und ein stetiges Steigen des Barometer hervorriefen.
Die allgemeine Sterblichkeitsverhältnißzahl in den deutschen Städtegruppen war genau dieselbe, wie in den beiden letzten vorher⸗ gegangenen Wochen (30, auf 10900 Bewohner und 1 Jahr berechnet) und erfuhr wieder vorzugsweise das Säuglingsalter eine Zunahme der Sterblichkeit, besonders in der Nordseeküstengruppe, im sächsisch= märkischen Tieflande und im süddeutschen Hochlande (in Berlin um 44oso, in München um Ts bo). Die Gesammtsterblichkeit war in fast allen klimatischen Gruppen eine zum Theil erheblich geringere, nur im sächsisch⸗märkischen Tieflande hat dieselbe durch die auf⸗ fallend gestiegene Kindersterblichkeit Berlins bedeutend zugenommen lum 7.3 Io). — Unter den Todesursachen zeigen die Infekltions⸗ krankheiten nur wenig Veränderungen gegen die Vorwoche, Masern
erscheinen in Posen, Thorn, die Diphtherie in Burg, das Scharlach⸗ fieber in Mählhausen i. Th, etwas häufiger. Die Zahl der Todes. falle an Unterleibetyphus ist meist eine geringere Jnamentlich ist aus ben oberschlesischen Städten diese Woche kein Todesfall gemeldet), nur in Pest, St. Peters burg, Neapel ist ihre Zahl eine hervorragendere. Dagegen erscheinen Ruhr und vorzugsweise Darmkatarrhe und Brech⸗ . in gesteigerter Arjahl in den meisten deutschen und außer= deuffchen Großstädten, insbesondere in Berlin, wo die Zahl der an diefen Krankheiten gestorbenen Kinder 344 beträgt, und S9, co aller in der Woche Gestorbenen in die Altersklasse der Kinder unter 1 Jahre fällt. Auch einige Cholerinenfälle kamen wieder in Mannheim und Iffenbach vor, in London 2 Todesfälle an „simple eholera-. In Indien macht die Cholera wieder größere Fortschritte, auch sind in Rew-⸗Orleans weitere Fälle von asiatischer Cholera zur Kenntniß gekommen. — Die Pockenepidemie in London. Prag zeigt gegen die Vorwoche keine Veränderung, in Wien ist die Zahl der Todesfälle wieder größer. In Bagdad sind in der Woche vom 17 — 23. Juni keine Todekfälle an Pest mehr vorgekommen, dagegen haben sich die⸗ selben in Rescht wieder bedeutend vermehrt. — Dem gelben 2 — erlagen in Rio de Janeiro in der ersten Maihälfte 30 Personen, darunter 15 Matrosen.
Ba den, 3. Juli. Der im Kirchlichen Verordnungsblatt veröffentlichte Befcheid des Evangelischen Ober: Kirchenraths auf die Diözefan⸗Synoden des Jahres 1876 konstatirt den Rückgang des Rirchenbesuchs, namentlich in fast allen Städten. So hat sich z. B. der Kirchenbesuch in Karlsruhe von 14,0½ auf 123, in Mannheim von 623 auf 4, in Heidelberg von 112 auf S,, in Freiburg von 25 auf 16, in Baden von 13 auf 102, in Offenburg von 293 auf 101 vermindert. Im ganzen Lande ist die Zahl der Kirchenbesucher um 2m geringer geworden. Namentlich ist es die jüngere männliche Bevölkerung in den Städten, aber auch schon hier, und da auf dem Tande, deren Entfremdung vom öffentlichen Gottesdienst gewachsen ist sin Karlsruhe z. B. bildet der männliche Theil nur ein Sechstel der Kirchgänger). Die Taufe scheint nur in einzelnen größeren Städten und auch dort nur in seltenen Fällen umgangen zu werden. Es kann angenommen werden, daß Le der im Lande geschlossenen Chen ohne kirchliche Einsegnung geblieben sind. Am häufigsten scheint die kirchliche Einsegnung in Pforzheim unterlassen zu werden, wo neben 105 kirchlich getrauten Paaren 50 nur bürgerlich getraute zu verzeichnen sind. Ja den erwähnten 590 Fällen gehört der Ehe⸗ mann 22mal dem Handwerkerstand, 19mal dem Stand der Fabrik⸗ arbeiter an, 6mal ist er Taglöhner, 3mal aus anderen Ständen.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Nach dem Monatsbericht der Königlich preußiFschen Akademie der Wissenschaften für April d. J. lasen in diesem Monat folgende Herren: v. Sybel, Ueber die österreichische Staat fonferen; vom Jahre 1836. — Helmholtz, Ueber Herleitung der Be⸗ wegungsgleichungen für elektrisirte Körper in die elektrisch polarisir⸗ baren Flüssigkeiten. — Kronecker, Ueber Abelsche Gleichungen. — Virchow. Ueber die letzten, von Herrn J. M, Hildebrandt eingegan⸗ genen Mittheilungen. — Kuhn, Ueber die Zwerge als Geister der Verstorbenen. — Zeller, Ueber die Benützung der aristotelischen Metaphysik in den Schriften der älteren Peripatetiker. — Peters, leber eine neue Gattung von Flederthieren, Amorpkochilus, aus Peru und über eine neue Orocidura aus Liberia. — Deffner, Die Infinitive in den pontischen Dialekten und die zusammengefetzten Jeiten im Neugriechischen.
— Die von Ferdinand Manns im Verlage von Christian Winter in Frankfurt a. M. 1875 herausgegebene Monographie Von der Konventienalstrafen, deren erster Theil vor uns liegt, ist — wie er Verfasser in der Vorrede erklärt — fir das gelehrte Publikum bestimmt. Sie behandelt einen Stoff, der trotz der mannigfaltigen Kontroversen, welche der⸗ sclbe in sich birgt, nur wenige Bearbeitungen erfahren hat. — Der erfte Theil der Abhandlung, der überall auf einem ausge⸗ dehnten Quellenstudium beruht, zerfällt in sieben Kapitel, welche ge⸗ wifsermaßen den allgemeinen Theil erörtern und die spezielle Erledi⸗ gung der einzelnen Fragen einem zweiten Theile vorbehalten. Beide aber ragen nicht allein mit ihren Wurzeln, sondern auch mit ihren Zweigen in das ganze Obligationenrecht hinüber. Dem Texte geht ein ausführliches Quellenverzeichniß voran.
Paris, im Juli. (Allg. Ztg.) Die „Bibliothè que nationalvè, unter dem Kaiserreich „Bibsiotkeque jmpérial“ früher „Bibliotheque roFyales genannt, welche gegenwärtig etwa 3 Millionen Bände, 150 60h Manuskripte, 360 009 Karten und 1,B300 0909 Stiche ꝛe. zählt, hat sich im Jahre 1876, nach dem kürzlich veröffentlichten, dem Unterrichts- Minister erstatteten Berichte, um weitere 52.000 Nummern von Druck⸗ schriften, um 408 Kartenwerke und um 140 Manuskripte vermehrt. Von beson derem Interesfe unter den letzteren ist eine Sammlung von 207 Briefen, welche Rapoleon 1II. in der Zeit vom 25. August 1820 bis 19. Dezember 1872, also gewissermaßen während der ganzen Zeit seines Lebens, an seine Pathe Frau Hortense Cornu gerichtet hat. Die Adressatin übergab diese Briefsammlung der Bibliothek unter der Bedingung, daß vor dem Jahre 1886 nichts davon in die Oeffent⸗ lichkeit gelangen dürfe. Uebrigens hat sie Jerrold in seiner Bio⸗ Harhie Napoleons III. theilweise benutzt, Der Ausgabe Etat der Nationalbibliothek belief sich im Jahr 1876 auf 154,000 Fr.
Der Personalbestand der Kaiserlich russischen Akademie der Wissen schaften zählt nach Angabe der „Birsh. Wed.“ gegen⸗ wärtig: 34 Akademiker und 63 Ehrenmitglieder, darunter 13 aus der Kaiserlichen Familie, 45 Russen und. 5 Ausländer; 30 korrespon⸗ dirende Mitglieder für mathematische Wissenschaften, 37 für Physik, 40 für Biologie, 1 für Medizin, namlich Granville in London seit Iz26); in der Abtheilung für russische Sprache und Literatur 35 Mit⸗ glieder; 24 für historisch-olitische Wissenschaften, 19 für klassische gin g fese und Archäologie, 26 für orientalische Literatur und 6 für Linguistik.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
9 Aus dem Rheingau wird dem „Frankf. Journ.“ berichtet: Die Aussichten in den Weinbergen sind gegenwärtig in hohem Grade b. friedigend. In Folge der günstigen Witterung sind in den beseren Lagen, namentlich in dem Rüdesheimer und Rauenthaler Berge, im Markobrunnen, im Johannisberge, in den Winkeler und Seisenhꝛimer Berglagen schon mehrere Tage vor Johanni die Trau⸗ ben massenhaft in Blüthe gegangen, und jetzt hat dort die Befruch= tung längst stattgefunden. Die Quantität verspricht an einzelnen dläßen ganz außerordentlich groß zu werden; in Betreff der Quali⸗ tät sind die nachfolgenden Monate durchaus entscheidend. Von Krank⸗ heiten und Insekten, welche den Weinstock bedrohen, verlautet zur Zeit nichts.
Bern, 5§5. Juli. (Cöln. Ztg) Ueber die Ernte⸗Aus⸗ sich ten in der Schweiz laufen von allen Seiten die günstigsten Berichte ein. Einer Heuernte, wie der diesjährigen, weiß man sich seit Menschengedenken nicht zu erinnern wobei die Qualität nichts zu wünschen übrig läßt. Im Kanton Zürich rechnet man etwa zwei
illionen Centner mehr als 1876 und 1875, und im Kanton St. Gallen soll die Ernte noch reichlicher sein; ebenso im Kanton Bern, gn man Heu auf den Wiesen zu 1 Fr. 25 Ets. kaufen kann. Gleich is ist die Luzerne, von der 105 Kilo zu 3 Fr. 50 Cts. verkauft wur⸗
n. Auch die , , e. stehen überall sehr schön und die Reben nicht minder; nur das Kernobst läßt zu wünschen übrig.
Stockholm, 5. Juli. (Hamb. Nachr.) Dem kürzlich er⸗ Hienenen Bericht der schwedischen Forstoerwaltung über nn . und Privatwaldungen, 33 2c. zufolge, betrug das Areal * Staateforsten Ende 1875 54 947,500 Quadr. ref., auf welchem . Bericht der Revierverwalter 15, 37, 064 Kub.⸗Fuß Holz abgeholzt Durden. Der Werth dieses Forstbestandes wurde auf 30, 062.000 tenen gegen 29,615.00 im Jahre zuvor geschätzt. Die Gesammt⸗ einkünfte beliefen sich 1575 auf M22, 535 Kronen, wovon die Ver—
waltungskosten ꝛc eine Summe von 644.168 Kronen absorbirten, so daß fur den Staat ein Nettogewinn von 373367 Kr. verblieb. In den nordländischen Provinzen gehören Forstvergehen noch immer zur Tagesordnung, wenn auch in Folge der verschärften Straf⸗ bestimmungen die Anzahl derselben eine geringere geworden ist. Die Anzahl von er dnn ist in gewissen Bezirken immerhin noch eine große, so ist 3. B. im Luleg⸗Revier im Laufe des Jahres an 62 verschiedenen Stellen in den Staatswaldungen gefälltes Holz mit Beschlag belegt worden. Im Ganzen sind 1875 445,698 Kubf. Holz mit Beschlag belegt worden und kommen davon 443,406 oder 99,30 auf Norrland. Anklagen wegen Forstvergehen sind 580 anhängig gemacht worden, wovon Ende des Jahres noch 255 unerledigt waren. Der Schaden, welcher durch Sturm in den Staate⸗ waldungen angerichtet worden, war nur unbedeutend; da⸗ gegen hatten einige Reviere unter der anhaltenden Hitze des Sommers empfindlich zu leiden, während der starke Schnee und Frost im Winter zuvor auf die neuen Anpflanzungen nachtheilig elngewirkt hatte. Was die Jagdpflege betrifft, so kann von einer solchen in den norrländischen Provinzen nicht die Rede sein; Schonzeiten kennt man hier nur dem Namen nach, während selche im mittleren und südlichen Schweden im Allgemeinen ziemlich eingehalten werden. Der Umstand, daß die Raubthiere, wie Fuchs und Habicht, überhandnehmen, macht es erklärlich, daß das Kleinwild trotz der ihm zu Theil werdenden Pflege mehr und mehr abnimmt. Man hat zwar in einzelnen Provinzen von Seiten der Behörden Schußprämien für Erlegung der genannten Raubthiere ausgesetzt, und dadurch das Interesse, denselben nachzustellen, angeregt, immerhin aber zeigt sich eine ständige Zunahme; wie die Forstverwaltung selbst zugiebt, sind die Prämien zu niedrig, im Ganzen sind an solchen nur 8410 Kr. zur Auszahlung gelangt.
Gewerbe und Handel.
Bis vor Kurzem war eine Reinigung des, von den Eisenwalzwerken im freien Feuer ausgeglühten, mit Glühspan überzogenen Walzdrahts in der Regel nur möglich, indem derselbe zunächst in eine Beize von verdünnter Schwefelsäure gebracht und auf diese Weise der Glühspan so gelockert wurde, daß derselbe bei dem darauf folgenden Walzen auf Polter⸗ bänken sich ablöste. Die bei diesem Verfahren entstandenen Beiz- wässer bilden eine ernstliche Gefahr für das Gemeinwehl. Ihre Abführung in die fließenden Gewässer, welche ohne ernstliche Gefährdung der Industrie nicht zu untersagen ist, verunreinigt, sofern nicht eine vorgängige Neutralisation der Säure stattgefunden hat, dieselben in einem Maße, welche das Wasser der betreffenden Flüsse zum Trinken und Tränken, zu Zwecken der Industrie und der Fischerei untauglich macht. Eine Neutralisation der Beizwässer, durch welche solchen Uebelständen sich vorbeugen ließe, ist nur mit erheblichem Kostenaufwand und sonstigen Schwie— rigkeiten durchzuführen. Im verflossenen Jahre ist nun eine Draht⸗ reinigungsmaschine patentirt worden, durch welche die Reini⸗ gung der Drähte jeder Stärke in der Hauptsache ohne Anwendung von Beize bewirkt und demzufolge jener bei der Drahtreinigung bis ber hervorgetretene und von den Betheiligten schwer empfundene Mißstand im Wesentlichen beseitigt wird. Der Handels—⸗Minister war bestrebt, die Erfindung im Interesse des Gemeinwohls und der betheiligten Industrie für diese nutzbar zu machen. Zu diesem Ende wurde die Bildung eines Consortiums zum Ankauf des vorgedachten Patents bei den betheiligten industriellen Kreisen Rheinlands und West⸗ falens angeregt und denselben die Bewilligung einer Staatsbeihülfe, im Betrage der Hälfte des auf 40,000 M festgestellten Kauspreises, unter der Bedingung in Aussicht gestellt daß das Patent weder über die Dauer von drei Jahren, für welche Zeit es ertheilt ist, verlängert, noch die Umwandlung desselben in ein deutsches Patent erbeten werde und daß Exemplare der patentirten Maschine allen Industriel len der Drahkbranche zu einem mäßigen Preise abzulassen seien. Die gegebene Anregung hat Frucht getragen. Das Patent ist unter Be⸗ theiligung des Staats zur Hälfte von dem Konsortium erworben, die Fabrikation der Maschinen im größeren Maßstab in Angriff genom⸗ men und die Veräußerung derselben an die Industriellen zu ange⸗ messenen Preisen vertragsmäßig sicher gestellt worden.
— Der Rechnungsabschluß der Aktiengesellschaft für Fabrikation von Bronzewaaren und Zinkguß (J. C. Spinn C Sohn) ergiebt folgende Daten: Der Gewinn aus dem Geschäftsbetrieb hat 112,860 M betragen. Verausgabt wurden hier⸗ gegen an Verwaltungsunkosten 16,628 S½, an allgemeinen Unkosten 14718 S½, an Skonto ꝛc. 1759 , an Steuern 2587 , an Zinsen abzüglich Ertrag des Wohnhauses 12,238 ; zu Abschreibungen wur⸗ den verwandt 38,753 S6, an Außenständen verloren 3068 . Es verbleibt ein Nettogewinn von 2,711 1 bei einem Aktienkapital von go0, 00 6. Eine Dividende gelangt pro 1876/77 nicht zur Ver⸗ theilung.
— Der in der Generalversammlung der Aktionäre der Aachener Industrieb ahn Aktiengesellschaft vorgelegte Rechnungs⸗ abschluß für das Jahr 1876 ergiebt eine Betriebseinnahme von 432,949 M6. Die Betriebsausgaben beziffern sich auf 171,696 , so daß ein Ueberschuß von 251.253 6 verbleibt. Von den Einnahmen enffallen 50,408 MS auf Personenverkehr, 316,314 S auf Güter⸗ verkehr und 56,226 Æ auf Erträge aus sonstigen Quellen. — Im Jahre 1876 wurden 281, 331 Personen und 329, 192 Tonnen But, wovon 195,525 Tonnen auf Binnen! und I335, 567 Tonnen auf direkten Verkehr kommen, befördert. Der Ueher⸗ schuß von 251,253 4 findet Verwendung mit 49,340 zur Rück— legung in den Reserve⸗ und Erneuerungefonds, 75357 M zur Ver⸗ zinfung der Anleihen, 24223 M zur Tilgung des Restes der Organi⸗ fatlonskosten, 90 0 e zur Zahlung von 5osg Dividende für 306,00 ½ς Prioritäte-Stammaktien, 1500 M als Tantieme für den Aufsichtsrath, 2800 M zur Deckung der ca. diese Summe aus⸗ machenden Staatssteuern; der verbleibende Rest von ungefähr 106 000 M findet Verwendung zur Abschreibung auf Provisions« Cours-, Gewinn⸗ und Verlustkonto.
Paris, 6. Juli. Der „Moniteur“ schreibt: Der Handels- vertrag zwischen Frankreich und Italien wird erst morgen unterzeichnet werden und eine Note im Amtsblatt dieses glückliche Ereigniß verkündigen. Der Vertrag selbst wird erst nach seiner Ratifikation durch die Kammer angenommen werden. An dieser Ratifikation ist aber nicht zu zweifeln, da die Bedingungen, unter welchen die Regierung die Schwierigkeiten, die sich den ersten Unter= handlungen entgegenstellten, beseitigte, die besten sind. Bekanntlich hatten diese Schwierigkeiten hauptsächlich Bezug auf den Wein, die Seidengewebe und die Strohhüte. Unter dem bisherigen Regime bezahlten die italienischen Weine nur eine feste Abgabe von 30 Cts,, die Abgabe ward auf 3—5 Fr. jLe nach Qualität erhöht. Die französischen Weine bezahlten in Italien einen sehr be—⸗ deutenden Eingangszoll, welcher herabgesetzt wurde, so daß das Gleichgewicht hergestellt it Den französischen Seidengeweben ist der neue Vertrag sehr günstig. Bis heute bildeten die gemischten Gewebe und die Seiden⸗ und Baumwollenstoffe einen großen Theil unserer Ausfuhr. Diese Gewebe bezahlten den Zoll der Stoffe von reiner Seide, wenn sie 120, Seide enthielten. Nach dem neuen Vertrag werden diese gemischten Gewebe nur als Seide behandelt werden, wenn sie mehr als 50 / Seide enthalten. Für die Stroh⸗ hüte hatte die französische Regierung einen zwanzigfach höheren Ein⸗ gangszoll verlangt, als der jeßige ist, welcher 19 Franken betrãgt. Die italienische Regierung wollte aber nicht darauf eingehen, und die französiscke Regierung verstand sich zur Beibehaltung des bisherigen Zollfatzes, va die italienische Regierung auf die Weine die oben er⸗ wähnten Konzessionen gemacht hat.“
— (Fr. C) Die Präfektur zu Lyon hat angezeigt. daß in ihrem Arrondissement seit einigen Wochen ca. 3000 Werkstätten wieder in Thätigkeit sind. Die großen Wachs⸗ tuch⸗ und Lackfabriken arbeiten wieder mit der vollen Zahl ihrer Arbeiter. Die größere Hälfte der Hasplerinnen und Zettel⸗
scheererinnen findet bereits Beschäftigung. Man kann sagen, daß die Hälfte der Arbeiter im Allgemeinen wieder in Thätigkeit ist, und es mehren sich auch sonst die Anzeichen einer zunehmenden Besserung. In Folge des besseren Geschäftsganges hat auch die Zahl der . milien, welche bisher auf die öffentliche Wohlthätigkelt angewiesen waren, seit Ende Mai bedeutend abgenommen. Die von der Unter⸗ stützungskommission von der ersten Hälfte Februar bis zum 30. Juni an die brotlosen Arbeiter vertheilten Summen belaufen sich auf Sl3, 000 Fres.
Verkehrs⸗Anstalten.
Plymouth. 9. Juli. (W. T. B.) Der Hamburger Post— dampfer Wieland ist hier eingetroffen.
Berlin, 10. Juli 1877.
Königlich Preußische Lotterie. (Ohne Gewähr.)
Bei der heute angefangenen Ziehung der dritten Klasse 156. Königl. Preußischer Klassenlotterie fielen:
1 Gewinn à 45,900 6 auf Nr. 41,366.
1 Gewinn à 6900 a6 auf Nr. 61,708.
3 Gewinne à 1800 S6 auf Nr. 2791. 15,515. 42,670.
2 Gewinne à 900 S6 auf Nr. 10,930. 23,649.
9 Gewinne à 300 MS auf Nr. 17,979. 28,320. 48,931. 53,687. 57, 151. 50, 12. 76,819. S6, 879. 94,762.
Das alljährliche Kirchenfest für Taubstumme wird auf Anordnung des Centralvereins für das Wohl der Taubstummen am Sonntag, den 19. August, in der Dorotheenstädtischen Kirche hier selbst abgehalten werden.
Im National-Theater findet am Donnerstag die letzte Aufführung des Clavigo“, und der Geschwister“ von Goethe mit den Wiener Gästen statt, da Frl. Wessely, anderweitigen Verpflich⸗ tungen folgend, nur noch dieses eine Mal auftreten kann; die Künstlerin, deren Talent auch hier Anerkennung fand, wird sich demnach als Marie Beaumarchais und als Marianne ver⸗ abschieden. Zunächst kommen dann einige Novitäten, und zwar die Lustspiele Didier“ und Eine Jugendsünde“ zur Auf⸗ führung.
Eingegangene literarische Neuigkeiten. . Publikationen des Börsenvereins der deutschen Buchhändler. V. Deutsche Gesetze und Vorträge zum Schutze des Ur— heberrechts. Im Auftrage des Börsenvereins der deutschen Buch— händler zusammengestellt von A. W. Volkmann, Advokat. Zwei⸗ ter, revidirter Abdruck. Leipzig, Verlag des Börsenvereins der deut⸗ schen Buchhändler. 1877.
Statistische Beschreibung des Regierungsbezirks Wies⸗ baden. Herausgegeben von der Königlichen Regierung zu Wies— baden. Heft 1 u. 2. Wiesbaden. Verlag von Chr. Limbarth. 1876. gr. 4.
Preußische Jahrbücher. Herausgegeben von H. v. Treitschke und W. Wehrenpfennig. 40. Bd. J. Heft. Juli 1877. Berlin, 1877. Druck und Verlag von G. Reimer.
Zeitschrift für preußische Geschichte und Landeskunde, herausgegeben von Constant. Rößler 14. Jahrg. Mai⸗Juniheft (Nr. 5 u. 6). Berlin, 1877. E. Sgfr. Mittler u. S.
Neue Erwerbungen der ö Bibliothek zu
Altenburg. Juni, 1877. Altenburg. 4. Mittheilungen der K. u. K. österreichisch-zungarischen Konsulats-Behörden. Zusammengestellt vom statistischen De⸗ partement im K. K. Handels⸗Ministerium. V. Jahrg., 6. Heft. XII. Bd. der Vachrichten über Industrie, Handel und Verkehr.) Wien, 1877. Druck und Verlag der K. K. Hof und Staats druckerei. 4.
Bäder-Statistik.
Personen. Aachen (Kurgäste und Fremde) bis 7. Juli.... . 10674 k 74 Augustusbad (bei Radeberg) bis 4. Juli... . 175 J 127 DJ 596 Cudowa bis 18. Juni 111
Drei Aehren im Els. Fremde und Kurgaste) bis 6. Juli 810 Elmen bis 3. Juli. d .
k Ems bis 7. Juli (Kurgäste 4102, Passanten 23983)... 6495 Ems, Bad Nassau (Wasserheilanstalt) bis 7. Juli . .. 368 Flinsberg bis 5. Juli (Kurgäste 296, Fremde 154) ... 450 w 179 k 176 J 402 Hohwald im Els. bis s. Juli (Fremde und Kurgäste) .. 142 w : 2365 k 3300 Königsdorff-Jastrzemb bis 28. Juni (Kurgäste und Durch— d 171 e e e 733 w 81 ermannsbad Liegau (bei Radeberg) bis 5. Juli. ... 223 Tippspringe (Arminiusquelle) bis 3. Juli.... . 1259 Marienbad (bei Kamenz) bis 6. Juli.. 148 Münster⸗Stein bis Ende Juni.. 344 Nenndorf (Reg. Bez. Cassel) bis 7. Juli. 369 Neuenahr bis 7. Juli k 791 k n 130 ö e 297 Norderney bis 2. Juli w, m 508 w— J 41146 6 e 164 ,, 4939 Reinerz bis 28. Juni (Kurgaͤste und Durchreisende)]) . . 1092 Rippoldsau bis 30. Juni k e 421
k Schlangenbad bis 2. Juni Schweizermühle (im Bielagrunde) bis 6. Juli.... 169 Soden bis 27. Juni. .
w n mm g ö 6. Sni 67 GSalskad im Gl biz 6, Sullli 190 Salman n bis 6. Juli 388 Warmbad (bei Wolkenstein) bis 6. Juli.... 16 Hirsch mit Oberloschwitz bis 7. Juli.... 567
Wiesenbad (bei Annaberg) bis 7. Juli .. . 151 k 625 Wittekind (bei Giebichenstein und Halle) bis 28. Juni. 259 Zoppot (bei Danzig) bis 26. Juni... 858