1877 / 213 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 11 Sep 1877 18:00:01 GMT) scan diff

Opfer stand über seinem Patriotigmus und seiner Liebe zur Wahr- delt. Er nahm keinen Anstand, feierlich zu erklären und es noch einige Tage vor seinem Tode zu wiederholen, daß die Republik die einzig mögliche Regierung in Frankreich ist. Ein so großes, von einer so hohen Perssnlichkeit gegebenes Beispiel riß sowohl die glänzende Plejade liberaler Geister, die das Gefolge des Herrn Thiers bildeten, als jenen Theil der Nation mit sich fort, welche noch von leerem Schrecken oder ungerechten Vorurtheilen befangen waren. Herrn Thiers verdankt die Republik zum großen Theil die ver⸗ trauengvolle Zustimmung Frankreichs; ihm verdankt sie Europas Ueberzeugung, daß sie esne Regierung der Ordnung und des riedens 1. Aber dagegen war es die Form der republi⸗ anischen Regierung, an deren Spitze Herr Thiers gestellt war, der er eg verdankt, daß er Frankreich mit einer Schnelligkeit und einem Erfolge, der alle West in Staunen versetzte, von seinen Unglücksfällen erheben konnte. Gründung ver Republik, Erhebung Frankreichs dies sind die zwei größten Dienste, welche 95 Thiers das Glück hatte, feinem Vaterlande zu leisten. Diese ind seine schönsten Ansprüche in den Augen der Nachwelt. Durch sie wird sein Andenken unste- rich und de Erkenntlichkeit des fran⸗ zösischen Volkes unvergänglich e Welche Dienste hätte er noch leisten können! Da wir ihn aber verloren haben, so bewahren wir zum wenigsten sein Beispiel und seine Traditien. Bemühen Sie fich, wie er, zu beweisen, daß die Republik eine Regierung der Ord⸗ nung, des Friedens und der Freiheit, die einzige konservatipe Regie · rung in unserem Lande und in unserer Zeit ist, weil sie allein unseren Interessen, unseren Bedürfnissen, unseren sozialen Zuständen angepaßt ist. Auf diese Weise werden wir Hrn. Thiers ehren und 2 Vaterlande dienen. . ; .

10. September. (W. T. B.) . Die republikanischen Blätter veröffentlichen die in der gestrigen Comitésitzung der Linken des Senats vereinbarte Adresse an Frau Thiers, in welcher derselben, wie bereits gemeldet, für den von ihr bewiesenen Muth und Patriotismus Dank ausge⸗ sprochen und zugleich die Versicherung gegeben wird, daß die republikanische Partei fortfahren werde, mit derselben weisen Mäßigung, wie der Verstorbene, zu handeln. ;

Bordeaux, 109. September. (W. T. B.) Auf die An⸗ sprache des hiesigen Maires entgegnete der Marschall Mac Mahon: „Als ich vor zwei Jahren die Ihrer Stadt be⸗ nachbarten Gegenden besuchte, war ich erstaunt über den Geist der Ordnung und der Arbeit, welcher die Bevölkerung be⸗ seelte, Jetzt finde ich in dieser schönen großen Stadt dieselbe Thätigkeit und dieselben verständigen Gesinnungen. Ich stimme den Gefühlen, die Sie mir soeben im Namen der Stadt ausgesprochen haben, bei. Seien Sie versichert, der Frieden, welcher das nothwendigste Bedürfniß für Sie ist, wird nicht rt werden, und wenn das Land auf meine Berufung geantwortet haben wird, so wird die Verfassung, an welcher Sie festhalten, und über die ich als treuer Hüter wachen werde, ohne Hinderniß funktioniren, um die vollstän⸗ dige Entwickelung der nationalen Wohlfahrt zu sichern.“

Italien. Ro m, 5. September. (9. N.) Der Ingenieur⸗ General Bruzzo hat dem Kriegs-Minister seinen Plan zur Befestigung Roms überreicht. Danach sollen sieben kleine, mit Kandnen zu armirende Erdwerke, und in weiterer Ent⸗ fernung noch zehn andere Forts errichtet werden, und zwar auf folgenden Höhen: auf dem Farnesina, auf dem Monte Mario, dem Tipale (unweit der Nomentanobrucke) auf der Meierei Portonaccio, in San Onofrio, . der Meierei Valconuta, auf dem Kreuzungspunkte der Straßen von Pisona und Casetta Mattei, auf dem Madonello. in der Nähe des Grabmals der Cecilia Metella, und am Thurme k Der Bau der sieben Erdwerke wird nächstens in Angriff ge⸗ nommen werden.

Griechenland. Athen, 19. September. (B. T. B.) Wie der „Pol. Korr.“ von hier gemeldet wird, hat der Minister⸗ rath in den letzten Tagen über die Vorschläge des xussischen Kabinets betreffend ein gemeinsames Vorgehen in n der Sicherstellung des ö der Christen unter der Herrschaft der Türken berathen. Heute könne es für gewiß , daß eine Verständigung zwischen Griechenland und Rußland auf der Grundlage bestimmter Ansprüche der griechischen Regie⸗ rung erzielt worden sei. Eine inzwischen der griechischen Re⸗ gierung überreichte Note der englischen Regierung habe der Minister des Auswärtigen, Tricupis, mit einer Note beant⸗ wortet, in welcher die Politik Griechenlands dargelegt wird.

Türkei. Konstantinopel, 10. 5 (W. T. B.) Es bestätigt sich, daß der deutsche und der franzoösische Bot⸗ schafter wegen der Freilassung derjenigen drei Personen, welche wegen des Konsulnmordes zu Salonichi zu s jähriger Zwangsarbeit verurtheilt und nach Widdin gebracht worden waren, jetzt aber frei in Salonichi herumgehen, besondere . identische) Noten an die Pforte gerichtet haben, Die

ote der französischen Regierung verlangt die Wieder⸗

, der drei Verurtheilten, diejenige der deutschen pr

Regierung spricht sich in gleichem Sinne aus.

Ueber die uhr sscher Finanzen wird der Times“ von ihrem Spezialkorrespondenten in Therapia unterm 29. v. M, geschrieben:

„Dle finanziellen Etats für das Jahr 1877 —78 sind soeben von der türkischen Regierung veröffentlicht, worden, aber nach dem, was ich von allen Seiten höre, müssen dieselben nicht als zuverlässiger als frühere offizielle Etats derselben Natur angesehen werden, un⸗

eachtet der eingehenden Erörterung über das Budget Seitens der

bgeordnetenkammer. Die Einkünfte sind auf 3, 45,969 Beutel oder 19,725,345 türkische Pfunde (ein Beutel gleich 5 türkische Pfunde veranschlagt. Die ordentlichen Ausgaben sind auf 29,470, türkische Pfunde und die außerordentlichen Ausgaben für Kriegszwecke auf, 36,259,000 türkische 36 berechnet. Aber da die ordentlichen Ausgaben die Zinsenlast der Staats⸗

66 umfassen, und diese Zinsen, deren Zahlung suspen⸗ dirt worden, sich auf 15,000,000 tüärkische Pfunde belaufen, so würde das Resultat ein Defizit von ca. 110009000 türkischen Pfunden sein, welches durch besondere Steuermaßregeln zu decken sein wird. Zu diesem Zweck ist die Schafsteuer verdoppelt worden. Es ist indeß sehr zweifelhaft, ob die Einkünfte aus dieser Quelle, selbst zu erhöh⸗ tem Satze, irgendwie das, auf welches gerechnet wird, liefern werden, da man nicht vergessen darf, daß in Rumelien, der reichsten Provinz, Schafe und Rindvieh gestohlen, erbeutet, vernichtet und in großer Anzahl gerad: in denjenigen Distrikten, wo die Produktion am reich⸗ lichsten war, verloren gegangen sind. Die Zolleinkünfte haben im ganzen Lande sehr beträchtlich abgenommen und Steuern auf lanvwirthichaft⸗ liche Industrie werden sicherlich viel weniger liefern, als in irgend

einem früheren Jahre, da der Werth des Eigenthums durch die Aus⸗

hebung, welche die . der für die Einheimfung der Erzeugnisse nothwendigen Kräfte fatal vermindert hat, sehr gesunken ist, während ungeheuer viel Eigenthum durch den Krieg zerstbrt wurde. Es ist

er der Regierung keine andere Hülfsquelle gelassen, als eine wei⸗ tere Cmission von . während die dringendsten Be⸗ dürfnisse des Krieges durch temporäre Anleihen bei lokalen Bankiers a, wüinösen Zinsen und zu dem Preise des Diskontirens der Einkünfte, gedeckt werden müssen. Es fst völlig augenschein lich, daß die Türkei, gleichniel, ob sie fiegreich oder fen aus dem Kampfe hervorgeht, für sehr lange Zeit finamiell gelähmt sein muß. Wie

es hier vertraulich heißt, ist der lekte Versuch, eine Anleihe in Eng⸗ land aufzubringen, vollständig gescheitert. Es ist folglich im Plane, den noch unverpfändeten Theil des egyptischen Tributs zur Beschaf⸗ fung von 5.000,09 türkischen Psfunden zu verwenden. Es heißt auch, daß die osmanische Bank und ibre Alliirten ein Syndikat bilden werden, um eine Million dieser Summe zu garanticen und sich be⸗ mühen werden, den Rest ohne eine öffentliche Zeichnung aufzubringen.“

Amerika. Aus San Fran eisco wird der „Allg. Itg.“ unter dem 2. August geschrieben: Die Hoffnung, der wir uns hingegeben hatten, daß dieser Ort verschont bleiben werde von den kommunistischen Umtrieben, welche während des letzten Monats im Osten so viel Blutvergießen verur⸗ sachten, ist leider nicht in Erfüllung . sofort nach den ersten telegraphischen Berichken die Eisenbahn⸗Compagnien, welche auch hier zum Theil seit dem Juni die Gehalte der Unterbeamten reduzirt hatten, diese wieder auf ihren früheren Stand⸗ punkt erhoben. Doch an tumultuarischen Gesellen feht es in einer roßen Stadt nie, und da es ibnen an andern Gründen zur Klage fehlte, 9 mußte hier die chinesische Frgge wieder herhalten; den auf die Chi⸗ nesen schon lange eifersüchtigen Arheiterassoziationen schlossen sich die sogenannten Hoodlums an, eine hier besonders berüchtigte Klasse Straßenjungen, die aus Mangel an nützlicher Beschäftigung zu einer wahren Plage des ruhigen Bürgers geworden. Um diesem den nöthigen Schutz zu gewähren, ermächtigte der Gouverneur die Bil— dung einer Sicherheitsbehörde, die auch sofort durch Sob0 der acht⸗ barsten Bewohner aus allen Ständen in Funktion trat, welche sich bewaffneten und regelmäßige Wachen hielten, um namentlich das durch Anti⸗Kuli⸗Versammlungen bedrohte chinesische Quartier zu schützen; jedoch vermochte man nicht, den über die ganze Stadt verbreiteten so nützlichen chinesischen Waschhäusern Schutz zu ge⸗ währen, von denen mehrere in Flammen aufgzingen, wobei mehrere amilien als Opfer fielen Dadurch kühner gemacht, suchten die oodlums sich auch an den Weißen zu rächen, welche Chinesen in ihren erkstälten beschäftigten, und so entstanden größere Feuersbrünste, von denen eine am 31. Juli für eine halbe Million Dollars Eigen thum jerstörte. Man mußte daher zu n ,, Maßregeln schrei⸗ ten; ein amerikanisches Kriegsschiff legte sich vor den Hafen, und Marinesoldaten besetzten die Quais, um die Schiffe und großen Holz⸗ vorräthe vor Zerstörung zu wahren; die Banken boten der Stadt behörde ein Anlehen von 100006 Doll., um fernere 150 Polizisten zu 100 Dollars monatlich anwerben zu können ein Anerbieten, welches dankend angenommen ward, um ausgedehntere Verhaf⸗ tungen vornehmen zu können und die Gerichte in Be⸗ strafung der Missethäter zu unterstützen. Zugleich entließen viele e n en ats ihre chinesischen Arbeiter, und zeigten an, daß sie bereit seien, statt ihrer männliche und weibliche weiße Lehrlinge an⸗ zustellen, und zwar in den verschiedensten Geschäftszweigen ein Beispiel, dem auch die Landbewohner folgten. In einzelnen Fällen entschuldigten sich die Arbeitgeber für Beibehaltung ihrer chinesischen Hülfe: daß sie dazu gezwungen seien, weil die kau kasischen Arbeiter aus gesundheitlichen oder anderen Rücksichten den Dienst versagten. In Folge dieses allgemeinen Be strebens, sich der chinesischen Hülfe zu begeben, haben Tausende von Chinesen die Stadt verlassen; die großen chinesischen Ge⸗ sellschaften schifften deren viele nach China zurück oder nach den Sandwichs-Inseln und Tahiti, wo nicht dieselben Vorurtheile be⸗ stehen. Man hat daher jetzt Ursache zu hoffen, daß diese heikle Frage für San . als beseitigt zu betrachten ist, während auf der anderen Seite für den moralischen Zustand der heranwachsenden Jugend aus den genannten Vorgängen ein großer Vortheil erwachsen ist; den so lange dem Nichtsthun ergebenen Hoodlums ist wenigstens setzt Gelegenheit eines sicheren Brodverdienstes geboten, da sich die Arbeiterassoziationen nicht mehr dem Lehrlingssystem widersetzen dürfen, jedenfalls eine bessere Schule als die „penitentiaries“, welche nur zu häufig aus den Strafanstalten Schulen des Lasters machten

Der russisch⸗türkische Krieg.

Europuäischer Kriegsschauplatz.

(W. T. B) Aus Bukaxrest wird der „Polit. Korresp.“ vom 10. d. folgende offizielle Mittheilung telegraphirt: Vorgestern wurde das Feuer gegen Plewna auf der ganzen Linie eröffnet. Zwölf rumänische Batterien nahmen an dem⸗ selben Theil. Die Brigade Alexander Anghelesco bemächtigte sich nach erbittertem Kampfe der türkischen Verschanzungen. Die rumänischen Truppen, namentlich die Artillerie, sowie das 13. Dorobanzen⸗Regiment, zeichneten sich besonders aus und zeigten die y altgedienter Soldaten. Sie hatten mehrere Todte und 30 Verwundete. Der Kaiser von Räaßland übersandte 40 St. Georgskreuze für diejenigen rumänischen Offiziere und Soldaten, die sich be⸗ sonders hervorgethan haben. Am folgenden Tage brachte der Kaiser Alcxander einen Toast aus auf die rumänische Armee, in welchem er deren Tapferkeit hervorhob. Fürst Karl hat der Fahne des 13. Dorobanzen⸗Regiments das Kreuz des rumänischen Sternes verliehen. .

Konstantinopel, 10. September (W. T. B.) Die „Agence Havas“ meldet nach Berichten, die indeß aus nicht offiziellen Quellen stammen, die Schlacht bei Plewna solle noch fortdauern und Osman Pascha, Dank der Ueherlegen⸗ heit der türkischen Artillerie, sich gegen die an Zahl stärkeren russischen Streitkräfte behaupten. Suleiman Pascha sekze einen Angriff auf den Schipkapaß fort und sei bemüht, ich noch einiger Redouten zu bemächtigen. Die Lage des Corps von Mehemed Ali sei aut, es hestätige sich, daß die Russen in der Richtung von Bjelag zurückgegangen seien,

Ueber die Vorgänge bei Plewna wird der „Pol. Korr.“ aus Bukarest, 9. September, gemeldet:

„Am 5. September hat Fürst Karl von Rumänien die seinem Befehle unterstehende russisch⸗rumänische Armee vor Plewng einer Befichtigung unterzogen, worauf er unmittelbar eine leichte Rekog⸗ noszirung der turkischen Stellungen bei Plewna anorduete. Bei diesem Anlasse hatten die rumänischen Truppen drei Verwundete.

Am 6. September wurden alle Dis politionen getroffen, um Plewna von allen Seiten gleichzeitig anzugreifen. Das russische Haupt⸗ quartier wurde näher gegen Plewna verlegt, Großfürst Nikolaus begab sich nach Poradim, während Kaiser Alexander sich in Tsöhausch⸗Mahala befindet. Nichtsdestoweniger wurde der Angriff bis zur Beendigung einer in Angriff ge— nommenen neuen Brücke bei Nikopolis verschoben. Die rumänische Armee allein machte insofern eine Vor⸗ wärtsbewegung, als die vierte rumänische Division ihre Stellung gegen Plewng vorschob, während die ihr als Reserve dienende dritte rumänische Division in ihre bisherigen Stellungen vorrückte. Das rumänische Hauptquartier wurde nach Wrbiza verlegt.

Am 7. September Morgens begann die rumänische Artillerie aus allen ihren Batterien die türkischen Positionen in Plewna zu beschießen. Die Beschießung wurde ununterbrochen fortgesetzt und dauerte am 8. September . mit ungeschwächter Kraft fort. Bis gestern hatten die Rumänen weder Todte noch Verwundete. Im Laufe des gestrigen Nachmittags war das russische Bombardement gegen Plewna so intensiv, daß man es in Turnu⸗Magurelli deutlich vernahm. Der allgemeine Angriff auf Plewna erfolgt wahrscheinlich heute.“

Ueber die letzten Kampftage im Schipkapasse wird g ol. Korr.“ aus Konstantinopel, 1. September, ge— rieben:

„Gestern herrschte auf der Hohen Pforte ein sehr bewegtes Leben. Alles strömte in den zum Telegraphenbureau führenden Korridor.

Die Minister und Beamten liefen hin und her, brachten Depeschen und trugen Antworten zurück. Nur Wenige erhielten Einlaß in das Telegraphenbureau. Die be? der Thüre Harrenden erfuhren end⸗ lich den Grund dieser außerordentlichen Inanspruchnahme des Tele⸗ . Die inister befanden sich in direkter Korrespon⸗ enz mit Suleiman Pascha, welcher eben im Telegraphenbureau im Dorfe Schipka weilte. Suleiman meldete, wie versichert wird, daß die Russen von allen Seiten, selbst auf der Route von Gabrowa, cernirt seien und daß der Großfürst Nitolaus sich gleichfalls unter den so eingeschlossenen Truppen befindet. Die Freude strahlte auf allen Gesichtern, man beglückwünschte sich gegenseitig und man war überzeugt, daß das mathematische Problem, welches Schipka⸗ paß heißt, und bei dem um das Loos eines Staates gewürfelt wird, seiner baldigen Lösung entgegengehe. Wie groß war aber die Ent⸗ täuschung der Bevölkerung, als Tags darauf Suleiman meldete, daß er seine Position behaupte und die Straße von Gabrowa bedrohe, welche sich übrigens fortwährend in den Händen der Russen befindet, wie dies eine vorgestern gegen Gabrowa vorgenommene türkische Re⸗ kognoszirung bewiesen hat. Die Verluste der Armee Suleiman Paschas sind enorm; sie erreichen ohne Uebertreibung die Höhe von 15,9000 Mann an Todten und Verwundeten. Ka⸗ sanlik. Karabunar und Adrianopel sind überfült von Ver⸗ wundeten, deren es in Kasanlik allein über 150) giebt und deren Anzahl täglich steigt in Folge der unausgesetzten Kämpfe im Schipka⸗ passe. Dabei fehlt es an Aerzten. In den letzten Tagen gab es in Kasanlik nur zwei Aerste, um über 1000 Verwundete zu versehen. In Adrianopel und den anderen Ambulanzen der Armee Suleimans herrscht derselbe Mangel; man erwartete nicht eine derartige Menge von Verwundeten. Täglich werden von hier an Suleiman Pascha über dringendes Verlangen Verstärkungen geschickt. Die Eisen⸗ bahn befördert jeden Tag gegen 2000 6590 Mann. Einige dieser Bataillone sind bewaffnet, die anderen gehen ohne Waffen und Ge⸗ päck ab und sollen die nöthige Equipirung in Adrianopel erhalten, wo es jedoch gleichfalls an Waffen und Munition fehlen soll. Es sind Mustehafis und Zejbeks, welche Suleiman Pascha zu Hülfe ge schickt werden, also nicht sehr kriegstüchtige Leute.“

Ueber die am 3. September erfolgte Wegnahme von Lowatz entnehmen wir einem Bericht der „Times“:

„In der Nacht vom 2. auf den 3. September wurden auf rus⸗ sischer Seite alle Vorbereitungen getroffen, ohne daß die Türken davon Kenntniß zu haben schienen. Die 2 Division war in den letzten 48 Stunden 56 englische Meilen marschirt und dennoch muß⸗ ten viele Leute von derselben noch in der Nacht bei Aufstellung der Batterien mit arbeiten. Am Morgen deß 3. September hielten die Tür⸗ ken die äußersten Höhen des Amphitheaters mil Ausnahme von zwei Berg⸗ spitzen zur Rechten der Chaussee von Selvi, wo der Weg in das Gebiet des heutigen Kampfes tritt. Am Morgen des 2. September hatte Ge⸗ neral Skobeleff diese Bergspitzen erobert. Die türkischen Linien, welche sehr stark waren, konnten von den höheren Punkten des Am⸗ phitheaters aus mit dem Artilleriefeuer erreicht werden, allein die Erfahrung lehrt, daß eine standhafte Infanterie nicht aus Erdwerken durch fernes Artilleriefeuer vertrieben werden kann. An dem Angriff auf Lowatz nahmen auf russischer Seite folgende Truppen Theil: die 2. Infanteriedivision, 2. Brigade der 3. Infanteriedivision, 1 Bataillon des Pskowkschen Infanterieregiments, 2 Regi⸗ menter Kosaken, 1 Schwadron der Kaiserlichen Eskorte und zehn Batterien von verschiedenen Divisionen. Den Oberbefehl führte Fürst Imeretinsky mit dem Obersten Schestakoff als Stabschef. Komman⸗ danten waren General Rasgildajeff, General Engman, Davidow und Dabrowolski, während Skobeleff über eine aus Truppen verschiedener Divisionen und seiner alten Kosakenbrigade zusammengesetzte Schaar kommandirte. Die Artillerie war nach Bedürfniß vertheilt. General Dobrowolski kommandirte den rechten und Skobeleff den linken

lügel, während die Reserve unter Engman stand. Die ganze Stärke etrug 22, 000 Mann.“

Betreffs des Falles von Niksic schreibt die Wiener „Presse“ unterm 9. „Wie uns aus Ragusa berichtet wird, betrug die Besatzung von Niksie 2800 Mann und 21 Kanonen. Die Mannschaft soll, da man in Montenegro ohnehin mit Verpflegungsschwierigkeiten bei der Armee zu kämpfen hat nach Ablegung der Waffen die Erlaubniß erhalten haben, iich nach Gazko zurückzuziehen. Mit der Kapitulation von Niksic, welche nach zweitägigen Kämpfen erfolgte, haben die Monte⸗ negriner diesmal ziemlich leicht einen Erfolg errungen, um ben ob seiner politischen und militärischen Wichtigkeit schon o viel gestritten und gekämpft wurde. Der Besitz von Niksie eröffnet Montenegro nicht nur die langersehnte Abrundung seiner Landesgrenze gegen Norden, sondern auch den Besitz einer der wenigen fruchtbaren Ebenen der Herzegowina. Fürst Nikola soll beabsichtigen, sich zuerst gegen die kankirende Be⸗ satzung von Trebinje durch ein Detachement von 3000 Mann zu decken und dann die Offensive gegen Spuz zu ergreifen, um die bei den letzten Friedensverhandlungen gewünschten Grenzen vorläufig zu erreichen.“

Asiatischer Kriegsschauplatz.

St. Petersburg, 10. September. (W. T. B.) Dem „Golos“ wird aus Igdyr, 9. d, telegraphirt: Am 6. d. Nachts drangen 200 Kurden, von den Bergen bei Gülübscha kommend, durch unseren Kordon, überschritten den Araxes und fingen an zu plündern. Sie tödteten 2 Armenier. Die Kosaken nahmen den Kurden ihre Beute wieder ab und ver⸗ folgten die Räuber. Unser Verlust betrug 2 Kosaken todt und 2 verwundet. Die Kurden verloren 16 Mann todt und 10 Gefangene. Aus Karajal, 9. d., wird demselben Blatte gemeldet: General Tergukassoff telegraphirt, daß in der Nacht vom 6. zum 7. d. zwischen den Dörfern Kügülük und Gülühscha eine 200 Mann starke Bande türkischer Räuber erschien. Dieselbe überschritt den Fluß, überfiel das Dorf Sardassaban, tödtete dort 27 unbewaffnete Armenier, von denen 2 zu Tode gemartert wurden. Zwei Knaben von 7 und 12 Jahren wur⸗ den verwundet. 50 Tamanier überfielen die Bande und zwangen dieselbe zur Flucht. Bei dem Rückzuge wurde die Bande von zwei Sotnien, Kosaken angegriffen und verfolgt, wobei ein türkischer Offizier und drei Baschibozuks fielen, 16 Verwundete gefangen genommen wurden. Wir hatten 2 Ko⸗ saken todt und 2 verwundet.

Statistische Nachrichten.

Das Kaiserliche statistische Amt veröffentlicht in dem jetzt herausgegebenen 7. Heft der Monatshefte zur Statistik des Deutschen Reichs für 1677 u. a, Uebersichten über die Branntwein⸗ brennerei und die Branntweinbesteuerung im Deut⸗ schen Zollgebiete während des Ighres 1876. . Danach waren am Schlusse dieses Jahres in den Staaten des Reichssteuer⸗ gebietes überhaupt 40392 Branntweinbrennereien vorhanden, von denen jedoch nur 53,172 aktiv gewesen sind. Die Menge des von letzteren erzeugten Branntweins läßt sich für 1876 auf M Too)

ektoliter zu 50 ½S nach Tralles annehmen, während sie 1875 341,509 Hektoliter betragen hatte. Die Abrahme der Produktion erklärt sich einestheils durch den ungünstigen Ausfall der Kartoffel⸗ ernte in den mittleren und östlichen Provinzen der preußischen Monarchie, anderntheils durch die seit geraumer Zeit schon anhal⸗ tende Entwerthung des Spiritus. Auf den Kopf der Bevölkerung be rechnet sich die Produktion im Durchschnitt auf 121 Liter (1875 auf 13, Lit.), am stärksten war dieselbe in den preußischen Provinzen

Westpreußen (185 Lit), Brandenburg (183 Lit), Pommern (18, Lit), Posen (203 Lit.), Schlesien (16. Lit), Sachsen (213 Lit.), so— wie in Braunschweig (24.2 2 und Anhalt 40 3 In den west⸗ lichen Theilen des Steuergebiels, insbesondere in Westfalen (7 Lit. pro Kopf), Hessen⸗Nassau 59 Lit., den Rheinlanden (33 Lit), Hessen (35 Lit.), Thüringen (2,1 Lit.) und Elsaß⸗Lothringen (23 Lit.) wurde verhältnißmäßig am wenigsten Branntwein hergestellt. Unter den im Jahre 1876 vorhandenen 33,172 Brennereien befanden sich 2308 Getreidebrennereien, 4567 Kartoffelbrennereien und 38 Melassebrennereien, welche zusammen 52,656,258 M Steuer urch= schnittlich 103 ) bezahlten, wogegen von den übrigen 25,ů 59 Brennercien, welche andere nicht mehlige Stoffe verarbeiteten, zu⸗ sammen nur 752, 111 M Steuer er fr fn e nur 29 M) ent⸗ richtet worden sind. Es ist hiernach in der Brennerei der Groß⸗ betrieb mit der Verarbeitung mehliger Stoffe und der Melasse vor⸗ herrschend. Wenn der oben für 1876 angegebenen Branntwein⸗ produktion von 078,000 Hektol. die Zufuhren aus Süddeutschland und dem * mit 800 bez. M2 000 Hektol. zugerechnet und die Ausfuhren aus dem Reichssteuergebiet nach Süddeutschland und dem Auslande, sowie die nachweisbaren Verwendungen von Brannt⸗ wein zu technischen Zwecken mit zusammen 804,300 Hektol. in Abzug gebracht werden, so berechnet sich der Verbrauch zum menschlichen Genuß auf rund 3,375,500 Heftol. oder durchschnittlich 9 Liter für den Kopf der Bevölkerung. Für die einzelnen Verwaltungsbezirke lassen sich keine Verbrauchszahlen aufstellen, weil der Verkehr im Innern des Steuergebiets einer Kontrole nicht unterworfen ist. Der Bruttoertrag der Branntweinsteuer belief sich im Reichssteuergiebte im Jahre 1876 auf 53,498. 369 6 (l, ss 6s pro Kopf) gegen 56,873, 090 S. (1,6 M pro Kopf) in 1875. Der Gesammtertrag der aus dem Branntwein verbrauch des Reichssteuer⸗ gebiets in die Reichskasse geflossenen Abgaben, welche sich aus der Summe der Produktionssteuern, der Uebergangsabgaben und Einfuhr⸗ zölle, nach Abzug der für Ausfuhren und steuerfreie Verwendungen bezahlten Steuervergütungen zusammensetzen, belief sich im Jahre 1876 auf 49, 069, 887 A oder 1,3 M pro Kopf gegen 52,474, 865 . oder 1,6 S6 pro Kopf in 1875. Der Materialverbrauch zur Branntweinbrennerei umfaßte im Jahre 1876 223558, 300 Hektol. Kartoffeln (67 ½ aller Materialien), 4,723,719 Hektol. Getreide (15,9 6. 1,230, 3565 Hektol. Melasse (4 (, und 992,746 Hektol. Wein, Weinhefe. Obst, Trebern ꝛc. (3,B» 6). Der Verbrauch der Kartoffeln zur Brennerei ist von 1875 auf 1876 um nahezu 11 Co zurückgegangen; ebenso hat sich der Verbrauch von Getreide um 9,5 , 0 vermindert.

Nach dem dem Bezirkstage des Unter⸗-Elsaß erstatteten Ver⸗ waltungeberichte des Bezirks ⸗Präsidiums waren im Jahre 1876 im Unter-Elsaß zehn Sparkassen (in Zabern, Buchsweiler, Schlettstadt, Barr, Weißenburg, Oberehnheim, Hagenau, Bischweiler, Niederbronn und Straßburg) mit 4 Filialen (n Saarunion, Bru⸗ math, Molsheim und Wasselnheim) vorhanden. Die Zahl der im Umlauf befindlichen Sparkassenbücher betrug am 31. Dezember 1876 23750 mit einem Guthaben der Einleger von 9, 10,440 M Am 1. Januar 1876 betrug dieses Guthaben nur 7, 856,799 66, so daß dasselbe im Laufe des Jahres um 253,641 46 gewachsen ist. Es sind nämlich neu eingezahlt worden 42693386 M und an Zinsen 306,328 „S zugeschrieben, während die Rückzahlungen an Kapital und Zinsen 2,522, 073 M betragen 6 Das am 31. Dezember 1876 vor- handene Guthaben vertheilt sich seiner Höhe nach auf. folgende Klassen; 00 S und weniger 15,663 Bücher (66,0 oo der Gesammtzahl) mit 2,490,688 M (25, oso des Gesammtguthabens), von 401 M bis 640 s 36025 Bücher (12,8 oo) mit 1,897, 2ß2 AM (19,2 6), von 641 M. bis 800 6 2312 Bücher ( (fo) mit 1,980, 259 ν (2,0 (ο), von Sol S und darüber 2750 Büuͤcher (11,5 9b ) mit 3, 542, 231 . 35.7 46. Als allgemeines Ergebniß der Sparkassenverwaltung tellt sich hiernach Folgendes heraus: Der Flächenraum des Unter e beträgt 4774,37 Q.⸗Kilometer mit 598,180 Einwohnern nach der Zählung vom 1. Dezember 1875. Da die Zahl der Sparkassen mit ihren Filialen 14 beträgt, so kommt durchschnittlich eine Spar⸗ kasse auf 341,636 Q.⸗-Kilometer bez. auf 42,727 Einwohner. Die Zahl der Einleger am 31. Dezember 18756 belief sich auf 23 750 mit 9, 9l0, 440 M6 Guthaben, so daß also je ein Einleger auf 25, Ein⸗ wohner kommt. Auf einen Einleger entfällt im Durchschnitt ein . von 417, S6 und auf einen Einwohner ein solches von 16,6 6.

Das soeben erschienene erste Heft des Jahrganges 1876 von dem von der österreichischen statistischen Central kommission heraus—⸗ gegebenen „Statistischen Jahrbuche“ enthält die Daten über Flächen—⸗ inhalt und Bevölkerung der im österreichischen Reichs— rathe vertretenen Königreiche und Länder. Nach der Zählung vom Jahre 1869 besaßen diese Länder 5451,16 geographische Quadratmeilen oder 300,190, Quadratkilometer. Die Civilbevöl⸗ kerung betrug 20,217,531 (9,814,058 männliche und 10,403,493 weib⸗ liche) Einw.; die aktive Armee 177,449 Mann. Von der Gesammt⸗ bevölkerung per 20,394,980 Einw. entfielen auf eine geographische Qua⸗ dratmeile J741, auf einen Quadratkilometer 68. Die auf Grundlage dieser Zählung für 1876 (durch Zurechnung des aus diesen und der Zäh⸗ lung von 1857 sich ergebenden durchschnittlichen Zuwachsprozentes für die einzelnen Länder und Geschlechter) berechnete effektive Bevöl kerung betrug 21,366,261 Einw., nämlich 10,404,909 männliche und 10,961,352 weibliche. Die Zahl der Trauungen im Jahre 1876 war 176,148 in der Civilbevölkerung und 526 in der K. K. Armee, die Zahl der Geborenen 875,519 (452,181 männlich, 423,338 weiblich, S5, 313 lebend, 21,206 todtgeboren); darunter waren 19,700 Zwil⸗ lings⸗ und 8 Drillingsgeburten. Gestorben sind 636,519 Personen, darunter 314,129 Kinder im Alter bis zu 5 Jahren und 61 Perso⸗ nen über 100 Jahre alt. 10,378 Personen starben eines gewaltsa⸗ men Todes, darunter 2607 Selbstmörder.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Trier, 5. September. Ein reicher Fund an Alterthümern ist, wie die ‚„Saar⸗ und Mosel-Itg.“ vernimmt, bei den Ausgrabun— gen am sogenannten römischen Kaiserpalast gemacht werden. Außer einer in don or chen Marmorplatten ist ein Marmortorso, der einer lebensgroßen Gewandstatue angehört, ausgegraben worden. Ebenso ist an der nördlichen Seite der dort laufenden Straße die en eines Frauenkopfs und ein Gen andbruchstück gefunden worden.

erner hat man Bruchstücke einer mit Freskomalerei gezierten Wand an der verlängerten Feldstraße aufgedeckt. Eine überraschende Aus⸗ beute gewährte besonders der in der Nähe der Stadtmauer geschla⸗ gene Versuchsgraben. Dort hat man nicht allein eine Anzahl von trefflichen Skulpturen, wie den Kopf eines Satyrs, den ausdrucks⸗ vollen Kopf eines Gotäes des Schlafs (mit Flügeln und geschlossenen Augen), einen Frauen. und einen kleinen Juͤnglingskopf, sondern auch zahlreiche rr tr von Armen, Brust⸗ und Gewandstücken gefunden. Man giebt sich der Hoffnung hin, daß die mit Eifer fort⸗ gesetzten Ausgrabungen noch weitere interessante Alterthümer zu Tage fördern werden. ö

In Dres den wird in den Tagen vom 15. bis 17. Sep⸗ tember die deutsche Ornithologengesellschaft ihre diesjährige Versammlung abhalten.

Internationgle wissenschaftliche Bibliothek, 19. Band. „Grundzüge des Strafrechts nach der deut- schen Gesetzgebung unter Berücksichtigung ausländi⸗ scher Rechte,“ von Dr, H. Meyer, Professor der Rechte an der Universität Tübingen. (F. A. Brockhaus. Leipzig.) Der durch sein Lehrbuch des . Strafrechts auf diesem Gebiete bekannte Pro⸗ fessor Dr. Meyer hat in dem vorliegenden Werke eine dem Zwecke des Brockhausschen Sammelwerkes entsprechende Darstellunng des im Deut⸗ schen Reich geltenden Strafrechts für den wissenschaftlich gebildeten Laien gegeben. Der Gang der Darstellung ist der in Systemen und Lehrbüchern übliche. In einem allgemeinen Theile bespricht der Verfasser zu⸗ vörderst die prinzipiellen Lehrsätze. Hier wird die strafbare Handlung nach ihrem allgemeinen Thatbestande erörtert. Der Begriff der Frevelthat zergliedert giebt als Theile: Handlung und Rechtswidrig⸗ keit. Aus dem Begriffe der Handlung folgt aber, daß eine Thätig⸗

keit allein nicht cenügt, daß diese Thätigkeit vielmehr beab⸗ sichtigt sein, auf einen illen muß zurückgeführt werden können. Daher beginnt die Lehre vom Thatbestande im 1. Kapitel mit der Erörterung des strafrechtlichen Willens. Der Begriff der strafbaren Handlung wird erst dann kon⸗ sumirt, wenn der strafbare Wille in die äußere Erscheinung tritt. Daher handelt das 2. Kapitel über die That oder die objektive Seite der strafbaren Handlung.“ Nicht allein aber die volle That, auch der Versuch, d. i. der Anfang der Ausführung der That, wird geahndet. Ebenfalls zur Lehre von der strafbaren ö nach der objektiven Seite gehört die Lehre von der Theilnahme, welche im deutschen Recht in 3 Formen als Mitthäterschaft, Anstiftung und Beihülfe auftritt. Die Begünstigung ist als besondere strafbare Handlung vom deutschen Strafgesetzgeber in den besonderen Theil gestellt. Im dritten Kapitel kommt der zweite begriffliche Theil der strafbaren Handlung, „die Rechtswidrigkeit der Handlung“ zur Sprache. Auch eine mit Strafe bedrohte Handlung kann unter Umständen nicht rechtswidrig sein. Eine solche Rechtmäßigkeit von verbote⸗ nen Handlungen tritt dann ein, wenn das Gesetz Gründe für die Nichtannahme der Schuld anführt. Schuldausschließungsgründe sind aber Nothwehr und Nothstand. Im 4. Kapitel spricht der Ver⸗ fasser über „die einzelnen Strafarten. Wie die Verwirkli⸗ chung der der Missethat angedrohten Strafe in der Rechts pflege sich zu gestalten hat, davon handelt das letz te Kapitel des all⸗ rr g Theils. Unter den „Grundsätzen der Strafanwendung“ ommen die Lehren der Strafverfolgung, der Strafzumessung und Strafänderung, der Ausmessung, Verwandlung und Ausschließung der Strafe in Betracht. In dem darauf folgenden speziellen Theile wer⸗ den die einzelnen Vergehungen zur Sprache gebracht. Die leichte und faßliche Darstellung gewinnt an Interesse durch die Berücksichtigung der ausländischen Rechte, namentlich des französischen, englischen, österreichischen, italienischen und schwedischen Strafrechtes.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Am 17. d. M. wird in Freiburg in der Schweiz die zweite große landwirthschaftliche Ausstellung eröffnet werden. Dieselbe wird von der Eidgenossenschaft und den Kantonen subventionirt.

Alexandria, 19. September. (W. T. B.) Der Stand der Baum wollernte ist ein guter und verspricht einen reichen Ertrag

Gewerbe und Handel.

Die . Ztg.“ theilt einen Bericht der Direktion der Bergbaugesellschaft Pluto in Essen über die Geschäfte— entwickelung im ersten Semester d. J. mit. Danach ergab sich auf Schacht Thies eine Kohlenförderung von 2,603,559 Ctr. (7212 Ctr. weniger als im Vorjahre). Die Koksproduktion betrug 314,605 Ctr., d. h. 27, 104 Ctr. mehr. Der Betriebsüberschuß bei der Grube im ersten Semester er. betrug 152725 ½ς oder 5685 „S mehr, ferner bei der Kokerei 34,087 M (28.552 M mehr). Der Gesammtüber⸗ schuß stellt sich auf 186,814 S6, gegen 152,596 M im ersten Se⸗ mester 1876, also 34,217 S. mehr, obwohl sich der Durchschnitts⸗ Verwerthungspreis der Kohle um 7s 3 pro Centner (29,33 8 gegen 37,36 33) verringerte hat. Die Produktionskosten haben sich um 7.4 pro Centner verringert. Der Schacht Wilhelm“ hat eine Einbuße von 5377 „½ erlitten, so daß der wirkliche Reinertrag im ersten Se⸗ mester 1877 181.437 1 betrug.

Bremen, 8. September. Die Bemühungen der westfälischen 5 , ihren Kohlen in den Distrikten der Ost-⸗ und Nordsee, sowie auch an überseeischen Plätzen einen größeren Absatz zu verschaffen, scheinen nicht ohne Erfolg sein zu sollen. Der letzt— jährige Bericht der Kieler Handelskammer bringt die Mitthei— lung, daß in seinem Bezirke der Import englischer Kohle in nam⸗ hafter Abnahme begriffen sei, und giebt als Grund hierfür an, daß in der Provinz . und dem süͤdlichen Schleswig die englische Kohle der Konkurrenz der vestfälischen Kohle begegne. Auch das letzte Jahrbuch der Bremischen Statistik weist von Neuem ein Zu— rückgehen des Imports englischer Kohle zu Gunsten der west— fälischen nach. Was den Umfang der Quantitäten von west— fälzischen Kohlen und Kokes, welche zum überseeischen Export gelangt sind, Fetrifft, so ist nach den bis jetzt vorliegenden Nachrichten in dieser Beziehung namentlich über die Emshäfen ein erfreulicher Anfang gemacht. In den ersten 4 Monaten d. J. gingen von Papenburg allein in 20 Schiffen 4000 Tons seewärts, und zwar zum weitaus größten Theil, nämlich 3080 Tons nach St. Petersburg und Riga. Von Emden gingen in derselben Zeit mit westfälischer err. 2Schiffe von ie 100 Last theislweise in Ballast nach St. Petersburg und Riga und 1 Schiff mit 60 Last nach Königsberg in Preußen. Von Hamburg wurden während der genannten 4 Monate an westfälischer Kohle 28,000 Tons an große transatlantische . geliefert, 1690 theils in ganzen Schiffsladungen, theils in Ballast meist nach China und 70 Tons nach Spanien exportirt.

Zuverlässiger Mittheilung zufolge ist über das Vermögen der Firma V. Jobann sson u. Co. zu Helsingfors der Konkurs eröffnet und der Termin zur Anmeldung der Konkursgläubiger auf den 17. d. M,, Nachmittags 5 Uhr, anberaumt worden. Etwaigen deutschen Gläubigern wird Dr. jur. W. Lavonius zu Helsingfors als Vertreter empfohlen.

Alexandria, 10. September. (W. T. B.) Das amtliche Blatt macht bekannt, h durch den im letzten Semester auf dem offenen Markt erfolgten Rückkauf egyptischer Obligationen die unifizirte Schuld auf 57,380 900 Pfd. Sterl., der Betrag der Anleihen von 1864, 1865 und 1867 auf 3920 000 Pfd. Sterl. und der Betrag der Eisenbahn⸗Prioritäten auf 16,980,000 Pfd. Sterl reduzirt worden ist.

Verkehrs⸗⸗Anstalten.

(Er tg) Die telegraphische Verbindung Europas mit Ostasien hat durch Legung eines neuen Kabels Aden⸗Bom⸗ bay in diesem Jahre eine weitere Sicherung erfahren. Auch zwi⸗ schen Rangun und Penang ist ein neues Kabel gelegt worden, und die Legung eines zweiten von Singapore nach Port Darwin (Nord Australien) soll bevorstehen.

Plymouth, 10. September. (W. T. B.) Der Hamburger Postdampfer Wieland“ ist hier angekommen.

New⸗Jork, 10 September. (W. T. B.) Der Dampfer The Queen“ von der National ⸗Dampfschiffs⸗Compagnie (C. Messingsche Linie) ift hier eingetroffen.

Berlin, 11. September 1877.

Die Königliche Regierung zu 2 veröffentlicht in Betreff der Auswanderung nach Neu⸗Seeland unterm 29. August Folgendes: In Verfolg der seit dem Jahre 1873 von der Kolonial⸗ regierung eingeführten kostenfreien Beförderung von Einwanderern nach Neu⸗Seeland hat in den letzten Jahren eine sehr erhebliche Einwanderung daselbst stattgefunden, zu welcher auch Deutschland ein namhaftes Kontingent gestellt hat. Während die zuerst da—⸗ selbst angelangten Deutschen fast ohne Ausnahme ein gutes Fortkommen gefunden haben und in gedeihlichen Verhält⸗ nissen leben, ward später durch den unverhältnißmäßig ge— steigerten Zuwachs neuer Immigranten deren Unterkunft und k erheblich erschwert. Indem die südlichen Provinzen

eu⸗Seelands sich überhaupt weigerten, irgend welche Aus länder aufzunehmen, konnte für letztere auch in den übrigen Theilen des Landes nicht ausreichend Arbeit gefunden werden. Namentlich hatten auch die deutschen Ankömmlinge in Folge der Unkenntniß der eng— lischen Sprache und weil sie deshalb geringeren Lohn erhielten, mit den . Schwierigkeiten zu kämpfen und geriethen zum Theil in große Noth und Unterstüätzungsbedürftigkeit so daß die Gesuche derselben um Rücksendung nach , en, wegen Arbeitslosigkeit seit längerer Zeit sich häufen. Neu⸗Seeland kanr daher zur Zeit als ein günstiges

e fe deutsche Einwanderung nicht betrachtet werden. Die Be orgniß einer weiteren erheblichen Auswanderung ist zwar dadurch vermindert, daß schon seit Anfang vorigen Jahres die kostenfreien Beförderungen solcher Personen, welche dem britischen Unterthanen⸗ verbande nicht angehören, seitens der Kolonialregierung wieder ein⸗ gestellt worden ist; dennoch erscheint es im Interesse der betreffenden Auswanderungslustigen erforderlich, die oben mitgetheilten Thatsachen zu möglichst , Kenntniß zu oringen, und können wir nicht umhin, das Publikum auf die Gefahren dieser Auswanderung auf⸗ merksam zu machen.

Anter dem Titel: Beiträge zur Geschichte der deut schen Literatur des XVI. und TVII. Jahrhunderts“ hat Dr. Hermann Palm eine Anzahl bereits früher an anderen Stellen veröffentlichter Abhandlungen gesammelt und vor Kurzem im Ver⸗ lage von E. Morgenstern in Breslau erscheinen lassen. Die der philosophischen Fakultät der Universität zu Breslau gewidmete Schrift enthält im Ganzen 11 Aufsätze. Der erste über Christian Weise erschien zuerst bereits vor 233 Jahren als Schulprogramm des Magdalenen⸗Gymnasiums zu Breslau. Die „wohlwollende Aufnahme und vielfältige Benutzung, die derselbe gefunden, sowie der Umstand, daß die Gesammtthäͤtigkeit des nicht unbedeutenden Schriftstellers seitdem keine neuere Bearbeitung erfahren hat“, haben den Verfgsser bestimmt, diese Erstlingsarbeit unverändert und nur mit einzelnen Zusätzen vermehrt, wieder abzudrucken. Der zweite Aufsatz über Paul Rebhun bildete das Nachwort zu des Verfassers Ausgabe von Paul Rebhuns Dramen, die als 49. Publikation des literari⸗ schen Vereins zu Stuttgart im Jahre 1859 erschienen. Die dritte Abhandlung erschien unter dem Titel: Paul Fleming und die Schlesier im 5 Bande der neuen Folge der schlesischen Provinzial⸗ blätter. Geändert ist, wie der Verfasser im Vorwort bemerkt, auch an ihr wenig mehr als der Titel, dessen gegenwärtige Fassung: Paul Fleming und Georg Gloger dem Verfasser zutreffender erschien. Der 4. Aufsatz: Das deutsche Drama in Schlesien bis auf Gryphius befindet sich im 8. Bande der Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens. Er hat manche Zusätze erfahren. Die nächste, die fünfte Anhandlung bildet in 6 Kapiteln Beiträge zur Biographie von Martin Opitz. Der Ver asser betont, daß dieselben nur als Bei⸗ träge zu einer Biographie, nicht als solche selbst gelten sollen. Nachdem zur Würdigung der DOpitzischen Werke schon so viel geschrieben worden, sei es an der Zeit gewesen, auch seinem Leben wieder einmal eingehende Forschungen zuzuwenden. Die sechs ein⸗ zelnen Kapitel dieser fünften, den bei Weitem größten Theil des Buches bildenden Abhandlung sind bezeichnet: Zur Opitzliteratur, Opitz und Ludwig Camerarius, Opitz im Verkehr mit Janus Gruterus und in Siebenbürgen, Opitz im Hause des Kammerpräsidenten Karl Hannibal von Dohna 1626— 32, Opitzens Erhebung in den Adelstand, Opitz im Dienste der Herzoge von Brieg und Liegnitz. Der letzte Aufsatz der ganzen Sammlung handelt über Daniel Czepko von Reigersfeld, erschien im Jahre 1873 in Wagners Archire für die Geschichte deutscher Sprache und Dichtung. Dasselbe erscheint hier indessen nach der Mittheilung des Verfassers so wesentlich umgearbeitet und vermehrt, daß er ein neuer geworden sei. Er ist zur Orientirung bestimmt über „einen der fruchtbarsten und wackersten Dichter der ersten schlesischen Schule“, der es verdiene, mehr als bisher in unseren Literaturgeschichten be⸗ achtet zu werden. Als Titelschmuck ist dem Buche ein in Holzschnitt 36 Porträt von Martin Opitz aus dem Jahre 1631 bei⸗ gefügt.

Aus Dundee in Schottland wird gemeldet, daß die Spitzen des Grampiangebirges am 5. ds. Morgens mit Schnee bedeckt waren, und daß während der Nacht ein scharfer Frost herrschte. Die Glenalmondhügel in Pertshire waren Tags vorher mit Schnee be⸗ deckt, und in Crieff, wo die Hügel ebenfalls ihre erste Schneedecke erhalten haben, fiel in letztverflofsener Nacht ein starker Hagelschauer. Dabei ist die Ernte erst in drei Wochen schnittreif.

Ueber eine Feuersbrunst in New-⸗JYork, welche den Ver lust vieler Menschenleben verursachte, wird der Times“ aus Philg—⸗ delphäg Folgendes telegraphirt: Das Feuer entstand am 3. d. M. um 9 Uhr 45 Minuten Morgens in Hale's Pignofortefabrik, einem großen fünfstöckigen Gebäude, in welchem 209 Personen beschäftigt waren. In wenigen Minuten war das ganze Gebäude in Flammen gehüllt. Viele der Insassen sprangen aus den Fenstern der oberen Stockwerke, um sich zu retten, wobei 20 30 Personen Verletzungen davontrugen. Der Verlust an Leben war ein großer; einigen ÄUn⸗ gaben zufolge wurden 109 Personen getödtet. Das Feuer dehnte sich schnell auf mehrere benachbarte Fabriken, ein Schulhaus und andere Gebäude aus. Da die Flammen durch starken Wind weiter ver⸗ breitet wurden und Wassermangel herrschte, vermochte die Feuerwehr wenig zu thun. Achtunddreißig Gebäude wurden zerstört, und der Eigenthumsverlust wird auf 1550, 9000 Doll. eschäßt. Eine Dampf⸗ feuerspritze mußte in Folge der intensiven Hitze im Stich gelassen werden und verbrannte. Man wurde schließlich Herr des Feuers, nachdem die Spritzen mit Wasser aus dem Flusse Hudson gespeist worden waren.

Der Tenor Hr. Carl Erdmann hat mit der Direktion des Krollschen Thegters einen Gastspielvertrag abgeschlossen, in Folge Tdessen noch einige Opernvorstellungen stattfinden werden. Hr. Carl Erdmann wird demnach morgen als Manrico im „Troubadour“ zum ersten Male auftreten. .

Eingegangene literarische Neuigkeiten.

Zeitschrift Gesetzgebung und Praxis auf dem Gebiete des Beutschen öffentlichen Rechtes, herausgegeben von W Hartmann, Ober-⸗Tribunals⸗Rath. 3. Bd. 5. Hft. Berlin, 1877, C. Heymanns Verlag.

Beiheft zum Militär-Wochenblatt. Herausgegeben von v. Q eben, General ⸗Lieutenant z. D. Berlin 1877. E. S. Mittler u. Sohn.

Friedreichs Blätter für gerichtliche Medizin und Sanitäts⸗ Polizei. ping e, von Dr. C. v. . Ob. ⸗Med. - Rath u. 2. ö. Prof, d. Geburtsh,., und Dr. C. Klinger, Ob. Med.⸗Rath im St.⸗Minist. d. J. 28. Jahrg. 5. Hft. Septbr. u. Oktbr. Nürn⸗ berg, Verlag der Frdr. Kornschen Buchhandl. 1877.

Die Verfälschung der Nahrungsmittel in großen Städten und die Abhülfe dagegen vom gesetzlichen, gesundheitlichen und prakti⸗ schen Gesichtspunkte von Max Bauer, Rüittergutsbesitzer und Dokt. d. R. Berlin. C. Heymanns Verlag. 1877.

Forstliche Blätter. Zeitschrift für Forst⸗ u. Jagdwesen. Herauzgegeben von J. Th. Grunert, Kgl. preuß. Ober⸗Forstmeister ꝛc. und Prof. Dr. Bern, Borggreve, Kgl. preuß. Oberförster 2c. 14. (3. olg L) Jahrg. 1877. 9. Hft. Septbr. Berlin u. Leipzig 1877. Verl. v. Hugo Voigt.

Deutsche Dichtungen des Mittelalters. Mit Wort⸗ und Sacherklärungen Herausgegeben von Karl Bartsch. 5. Bd. Heinrichs von Freiberg Tristan. Leipzig. F. A. Brockhaus. 1877.

Kurze Hochdeutsche Sprachlehre. Von K. E. H. Krause, Direktor des Gymnasii und der Realschule zu Rostock. Vierte ver— besserte Auflage. Stade. Verlag von Fr. Steudel sen. 1877.

rankreich und der 16. Mai 1877. Eine Studie von R. v. K. Berlin, 1877. Franz Vahlen.

Bibliothek für Wissenschaft und Literatur. 16. Bd. Abtheilung für Werke allgemeineren Inhalts. 4. Bd. Vom indischen Ocean bis zum Goldlande. Reisebeobachtungen u d Erlebnisse in vier Welttheilen von Dr. Hermann W. Vogel. Berlin. Verlag von Theob. Grieben.