1877 / 249 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 22 Oct 1877 18:00:01 GMT) scan diff

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Versprechen als Grund der Verpflichtung zur Erfüllung (Aus⸗ lobung, Versprechen zu Händen Dritter, Inhaberpapiere); IV. aus dem Familienrechte; die Obervormundschaft; Laus dem Erbrechte: den Erbeinsetzungsvertrag und die Schenkung von Todeswegen; NI. aus dem Familienrechte und dem Erbxechte: das Erbfolgerecht der Ehegatten.

Die Kommission hat diese Vorlagen in 21 Sitzungen ein⸗ ehend berathen, und die darin aufgestellten zahlreichen 2 mit einigen Ausnahmen, durch sachliche Ber f er⸗ ledigt. Je eingehender und erschöpfender die einzelnen Er⸗ örterungen waren, um so begründeter ist die Erwartung, daß die Redaktoren durch die Berathungen und Entscheidungen, welche sich an dieselben knüpfen, für die Fortsetzung 21 Arbeiten in gleicher Weise gefördert worden sind, wie dies der oben erwähnte Bericht von den Ergebnissen der früheren Kommissionssitzungen hervorzuheben vermochte.

Ob jedoch die in diesem Berichte ausgesprochene Hoffnung, die Entwürfe würden schon im Jahre 1878 zum Ab chluß ge⸗ langen, sich verwirklichen werde, ist einigermaßen zweifelhaft geworden. Die von den Redaktoren zu besiegenden, ins⸗ besondere aus der bei verschiedenen Rechtsmaterien ebenso mühevollen als unentbehrlichen Feststellung des gegenwärtigen Rechtszustandes im gesammten Gebiete des Reichs entsprin⸗ genden Schwierigkeiten haben sich so zahlreich und erheblich erwiesen, daß die Vollendung der Entwürfe sich nicht un⸗ wahrscheinlich in das Jahr 1879 hinein verzögern und eine Berathung der Kommission, wie die diesjährige im Herbst 1878, noch erforderlich werden möchte.

In den deutschen Münzstätten sind bis zum 13. Oktober 1877 geprägt worden, an Goldmünzen: 1,149,469, 100 S6. Doppelkronen, 362,219, 189 6 Kronen, 12,918, 220 M6 halbe Kronen; hiervon auf Privatrechnung: 223, 162, 279 S; an Silbermünzen: 71,653, 095 M 5⸗Markstücke, 97,288,586 υ 2⸗Markstücke, 143,512,165 MS 1⸗Markstücke, 64,427,362 6 50⸗Pfennigstücke, 35,717, 922 M 80 8 20⸗ e ne; an Nickelmünzen: 25,502,530 6 70 3 10⸗ Pfennigstücke, 11,657,813 M675 3 5 Pfennigstücke; an Kupfer⸗ münzen: 6,213,207 60 44 3 2Pfennigstücke, 3,382,722 6 83 8 14Pfennigstücke. Gesammtausprägung an Gold⸗ münzen: 1, 524,606,500 A6; an Silbermünzen: 12,599, 130 0 80 8; an Nickelmünzen: 35,160,344 M 45 8; an Kupfer⸗ münzen: 9,595,930 M 27 3.

Der Kaiserliche Botschafter Graf zu Münster ist nach London zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Kaiser— lichen Botschaft wieder übernommen.

Der Königliche Gesandte Graf zu Solms-Sonne⸗ walde ist nach Dresden zurückgekehrt und hat die Leitung der Königlichen Gesandtschaft wieder übernommen.

Der Kaiserliche General-Konsul für Egypten, Freiherr von Saurma, ist auf seinen Posten nach Alexandrien zurückgekehrt und hat die Geschäfte wieder übernommen.

Der Kaiserlich österreichische Militär⸗Bevollmächtigte, . Prinz zu Liechtenstein, ist hierher zurück— gekehrt.

Vorgestern starb zu Cöln der Wirkl. Geh. Rath, General⸗Prokurator a. D. Nicolovius (geboren am 17. Juli 1797 zu Eutin).

Der Hauptmann von Pfuhlste in, laggregirt dem 5. Thüringischen Infanterie⸗Regiment Nr. 94 (Großherzog von Sachsen) ist, unter Entbindung von dem Verhältniß als Adjutant beim Stabe der 4. Armee⸗Inspektion und unter Ver⸗ setzung in die Adjutantur, zum persönlichen Adjutanten Sr. , , . und Königlichen Hoheit des Kronprinzen ernannt worden.

Bayern. München, 20. Oktober. Der Finanz—⸗ ausschuß der Kammer der Abgeordneten erledigte in seiner gestrigen Sitzung die Nachweisungen für das Jahr 1876, be⸗ züglich der Etats des Justiz-Ministeriums, der Münzanstalt, des Gesetz und Verordnungsblattes und des Königlichen Hofes und Hauses. Der Ausschuß beantragt, diesen Nachweisungen die Anerkennung zu ertheilen. Wie von finanzkundigen Abgeordneten versichert wird, wäre eine Bilanzirung des Budgets ohne eine Steuererhöhung nicht unmöglich, jeden⸗ falls aber würde ein wesentlich geringerer Steuer⸗Mehrertrag erforderlich sein, als Seitens des Finanz⸗Ministeriums bean— tragt worden ist. Dabei hört die „Allg. Ztg.“ mehrfach die Ansicht äußern, daß gegebenen Falles entsprechende Zuschläge zu einzelnen Steuergattungen einer Steuererhöhung in der beantragten Form vorzuziehen wären.

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Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 19. Oktober. Bezüglich der Delegationen wird von Pest aus die Meldung ver— breitet, daß dieselben am 10. Dezember zusammentreten sollen. Die Meldung ist, wie dem „Prager Abendbl.“ von hier be⸗ richtet wird, noch nicht positiv, denn es sei selbstverständlich, daß für dieses Jahr der Zusammentritt der Delegationen durch den Stand der Ausgleichsfragen bedingt sei, da diese auf die einzelnen Positionen des gemeinsamen Budgets, wie auf die Vertheilung der unbedeckten Ausgabe⸗Etats von Einfluß seien. Gewiß sei nur, daß die Delegationen im Dezember zusammen⸗ treten müssen, da das gemeinsame Budget für 1878 in irgend einer Form votirt werden müsse.

Pest, 19. Oktober. Im Abgeordnetenhause empfahl , bei Gelegenheit der Generaldebatte über den Zucker⸗ teuer⸗-Gesetzentwurf der Finanz⸗Minister Széll in län⸗

erer Rede die Vorlage. Der Minister sagte, daß er das

auschalirungssystem als für die ungarische Industrie vor⸗

theilhafter erachte, und sei eine Produktensteuer von Niemand empfohlen worden. mehr so zu fürchten.

dem Gange des internationalen Marktes ab.

die Regierung Sie vertrete jede Vorlage einzeln, werde das

sammen Gesetz werden könnten.

20. Oktober. Das Abgeordnetenhaus hat heute den Zuckersteuer⸗Gesetzent wurf mit 134 gegen 70 Stimmen

zur Basis der Spezialdebatte angenommen.

Die Konkurrenz Oesterreichs sei nicht J . Die ungarische Rübe entspreche der mittelmäßigen Rübe Oesterreichs und stehe die technische Ein⸗ xichtung auf gleicher Stufe. Alle Zuckerfabriken hätten Kom⸗ munikationen und hänge die Existenz dieser Industrie von 5a , Der Minister Polemisirte gegen die Sprecher der Opposition und erklärte, wünsche nicht den Ausgleich einzuschmuggeln. tte Zollbündniß für fich vertheidigen und sich bei der Berathung desselben nicht auf die bereits angenommenen Vorlagen beziehen, weil keine dieser Vorlagen Gesetz werde, wenn nicht alle Vorlagen zu⸗

Schweiz. Bern, 18. Oktober. Die Zollrevi⸗ sionskommission des Ständeraths hat ihre Sitzungen vor⸗ läufig geschlossen. Einige Punkte sind an das Zolldeparte⸗ ment zurückgewiesen worden. Die bisherigen Beschlüsse wer⸗ den den Mitgliedern der Kommission gedruckt zugestellt werden und die letztere etwa Mitte November wieder zusammentreten. Am nächsten Montag tritt die ständeräthliche Budget kom—⸗ mission, welche zugleich die Herstellung des finanziellen Gleichgewichtes vorzuberathen hat, hier zusammen.

Bellinzona, 20. Oktober. Gestern Morgen präsentirten sich zwei Gensd'armen bei der Munizipalität von Lugano, um auf dem Wege der militärischen Exekution die Okkupationskosten einzukassiren, und zwar auf Befehl der Regierung. Gestern Abend wurde jedoch die letztere vom Fun kerung telegraphisch ersucht, sofort jeder vexatorischen Maßregel gegen Lugano ein Ende zu machen.

Frankreich. Paris, 19. Oktober. Das „Journal officiel“ meldet: Herr Reither hat dem Minister der Aus⸗ wärtigen Angelegenheiten die Schreiben überreicht, welche ihn in der ie ff eines Geschäftsträgers Bayerns in Paris akkreditiren.“

20. Oktober. Der „Frangais“ meldet, daß die ge— richtliche Verfolgung gegen Gam betta keineswegs ein⸗ gestellt sei, aber es müsse jetzt erst die Einwilligung der Depu⸗ tirtenkammer eingeholt werden. Der Fran zais“ bringt ferner folgende Mittheilung: „Wir erklären nach wie vor jede Nach⸗ richt für falsch, die dahin geht, daß der Marschall sich eni— schlossen habe, auf die Politik des Widerstandes gegen den Radikalismus zu verzichten; der Marschall hält sein Ministerium aufrecht und bleibt auf dem Boden der Verfassung, welche der höchste Ausdruck dieser Politik ist.“

Italien. Rom, 16. Oktober. Gestern Nachmittag wurde in dem neuen Palais des Finanz⸗Ministeriums ein Ministerrath abgehalten, welchem der Conseilspräsident und Finanz⸗Minister Depretis präsidirte, und bei dem, mit Ausnahme der gegenwärtig von Rom abwesenden Herren Za—⸗ nardelli 49 Arbeiten) und Majorana Calatabiano (Ackerbau, Industrie und Handel), sämmtliche Minister zu— gegen waren. Aus Neapel kommt die Nachricht von dem Ableben des Senators Antonio Scia loja. Er war im Jahre 1817 geboren, wurde am 16. November 1862 zum Mit⸗ gliede der ersten Kammer ernannt und war viermal Minister. In den letzten Jahren war er finanzieller Berather des Khe⸗ dive. Von den 5 Kassationshöfen hat sich nur der von Florenz für die rl tung der Todesstrafe erklärt, die übrigen (in Neapel, Palermo, Rom und Turin) halten die Beibehaltung der Todesstrafe für nothwendig.

Türkei. Konstantinopel, 20. Oktober. (W. T. B.) Layard hat heute eine Besprechung mit Edhem Pascha und Serwer Pascha gehabt.

Aus Konstantinopel, 10. Oktober, wird der „Pol. Korr.“ geschrieben:

Gestern hat das Bairamfest begonnen Wie gewöhnlich, begab sich der Sultan mit großem Pomp in die Sultan⸗Achmed⸗Moschee in Stambul, um sein Gebet zu verrichten. Diese Feierlichkeit hat sich nach dem herkömmlichen Ceremoniell vollzogen, mit dem einzigen Unterschiede, daß die Türken dieses Mal Werth darauf legten, mit

einer großen Tr macht zu paradiren. Während sonst 4 bis ö R . autzurücken pflegten, bildeten

dies gegen Mann auf dem Wege des Sultans Spalier, sicherlich eine hohe Ziffer, wenn man erwägt, daß fortwährend Ver— stärkungen auf den Kriegsschauplatz gesendet werden. Diese absicht⸗ liche Machtentfaltung hat auch ihre Wirkung nicht verfehlt. In Pera war man darüber erstaunt, daß die Hauptstadt eine so große Zahl disponibler Truppen beherbergt, die nöthigenfalls für den Krieg noch verwendet werden könnten. Unter den aus— gerückten Bataillonen bemerkte man besonders jene der Palast— Bediensteten und die Bürgergarde, von Konstantinopel, zumeist aus Söhnen der besten hiesigen Familien bestehend. Diese Truppen, ob wohl erst in neuester Zeit formirt, hatten ein gutes Aussehen und bekundeten eine untadelhafte , Nach der kirchlichen Feier fand in Dolma⸗Bagdsche die Ceremonie des Handkusses statt. Der Sultan nahm im großen Thronsaale die Huldigung und Glück— wünsche der Minister und Staatswürdenträger entgegen. Der Sul⸗ tan richtete an demselben Tage ein Glückwunschtelegramm an alle Corpskommandanten, die vor dem Feinde stehen. In demselben be⸗ grüßte der Sultan die Soldaten, lobte deren Bravour und drückte den Wunsch aus, daß der Krieg alsbald zum Vor— theile der Türkei beendet werden möge, damit die Soldaten in den Schooß ihrer Familien zurückkehren, um durch Arbeit die enor— men Verluste und Opfer wieder gut machen zu können, die sie sich mit so großer Selbstverleugnung für die Vertheidigung des Vaterlandes auferlegt haben. Die politische Situation hat sich in keinerlei Weise geändert. Der einzige erwähnenswerthe Zwischen⸗ fall betrifft einen allerdings schon älteren Vorfall, der aber heute wieder aufs Tapet kam. Das letzte englische Blaubuch enthielt bekanntlich eine Depesche des hiefigen englischen Botfchafters Mr. Layard an Lord Derby mit der Meldung, daß der hiesige griechische General- Konsul mehrere, wegen verschiedener Verbrechen verurtheilte und in den Konsulatsgefängnissen in⸗ haftirte Individuen freigelassen und in Geselischaft anderer, der Hefe der hiesigen griechischen. Bevölkerung entnommener n e, nach Griechenland geschickt habe. Mr. Layard be— auptete überdies, daß diese Leute zu Einfällen auf türki⸗ sches Grenzgebiet und anderen Verbrechen verwendet werden sollen. Das Athener Kabinet, von dieser Depesche betroffen, hatte seinen biesigen Vertreter, Hrn. Koundouriotis, beauftragt, von Mr. Layard Aufklärungen über diese Depesche zu verlangen, deren Inhalt nach Berichten der griechischen Behörden falsch wäre. Das Resultat dieser Reklamation war unbekannt geblieben, bis die griechischen Journale kürzlich ein Schreiben Mr. Layards an Hrn. Koundouriotis ver⸗ öffentlichten, in welchem Ersterer Abbitte leistete und offen einge⸗ stand, daß er irrthümlich berichtet worden sei. Die Veröffentlichung dieses Schreibens Seitens der griechischen Presse hat Mr. Layard in heftig Aufwallung gebracht und wußte derselbe nun nichts Besseres zu thun, als die Existenz dieses Schreibens in der formellsten Weise in Abrede zu stellen. Er that dies, indem er durch den Botschafts⸗ Sekretär Mr. Elliot an den Le vant⸗ Herald ein Schreiben richten ließ, in welchem er das in den griechischen Journalen veröffentlichte ihm imputirte Schreiben als apokryph erklärte. Die heute Morgens erschienenen ,, e. Journgle reproduzirten dieses Dementi mit dem Vor⸗ ehalte, auf diese Angelegenheit nach Einholung richtiger und authen⸗ tischer Aufschlüsse zurückzukommen und sind der Ansicht, daß Mr. Layard nur wegen des durch die Uebersetzung etwas alterirten In— haltes seines Schreibens protestire, daß aher das den Widerruf im— 6 Schreiben nichtsdestoweniger existire. Man ist darauf ge⸗ pannt, ob die Journale Mr. Layard ,, . werden können, daß er einen Gedächtnißfehler begangen habe. eberhaupt hat dieser Zwischenfall die ganze hierortige griechische Bevölkerung in lebhafte Aufregung versetzt und ist es eine allbekannte Thatsache, daß die Griechen im Allgemeinen keine besonderen Sympathien für Mr. Layard hegen, dem sie offenbare Parteilichkeit für die Türken zum Vorwurfe machen.“

(W. T. B.). Aus Cettinje wird der W. „Presse“ unterm 22. telegraphirt: Die Fürstin von Montenegro

ist mit ihren Kindern und Gefolge heute nach Neapel abge— reist. Die Einschiffung erfolgte in Cattaro, wo der Fürstin eine Kaiserliche Jacht zur Verfügung gestell war.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 17. Oktober. (Hamb. Corr.) Der König wird am 20. d. M. hierher zurückkehren. Die früher mehrfach aufgeworfene Frage, in Betreff der Berechtigung kleinerer dänischer Fahr⸗ zeuge zur Küstenfahrt in Schweden gegen Rezipro— zität für schwedi sche Tah gauge? in Dänemark, ist neuerdings wieder auf die Tagesordnung gebracht worden, in⸗ dem der diesseitige Minister des Auswärtigen bei dem Mini— sterium des Innern angefragt hat, ob nicht jetzt Veranlassung vorliege, dänischen Fahrzeugen unter 15 3 eine derartige Berechtigung gegen entsprechende Begünstigungen schwedischer

ahrzeuge in Dänemark einzuräumen. Von den Autoritäten,

eren Erklärungen in Folge 53 eingeholt worden sind, haben jedoch sowohl die General-Postverwaltung wie das Kom- merz⸗Kollegium sich dagegen ausgesprochen; ebenso die Zoll⸗ kammer zu Malmö, welche namentlich darauf hinweist, daß die Schwierigkeiten, den Schmuggel zu verhindern dadurch wesentlich würden vermehrt werden. Nur die Helfingborger Zollkammer soll nichts dagegen zu erinnern gehabt haben, daß dänischen Fahrzeugen die genannte Berechtigung eingeräumt werde. Die schwedische Kriegsflotte besteht, einer offi⸗ ziellen 1 ufolge, gegenwärtig aus 14 gepan⸗ zerten Dampsfschiffen 6 onitors und 19 Panzerböten), 17 ungepanzerten Dampfschiffen (1 Linienschiff, 1 Fregatte, 3 Kor⸗ vetten und 12 Kanonenböten), sowie 5 2 63 (4 Kor⸗ vetten und 1 Brigg). Im Bau befinden sich 3 Dampfkor— vetten und 5 Kanonenböte sowie 1 Minenfahrzeug.

Dänemark. Kopenhagen, 19. Oktober. Der Kron— prinz nebst Gemahlin sind heute, nach längerer Abwesenheit in Deutschland, wieder hier eingetroffen.

Der russisch⸗türkische Krieg.

Zur türkischen Kriegführung veröffentlichen der 6Prawitelstwenny Westnik“ und das „Journal de St. Pétersbourg“ nachstehenden Bericht des Herrn Nelidow an den Fürsten Gortschakoff, d. d. 24. September (6. Oktober):

Se. Kaiserliche Hoheit der Großfürst Oberkommandirende hat mir aufgetragen, zwei neue Verletzungen der Kriegsregeln Seitens der Türkei zur Kenntniß Ew. Durchlaucht zu bringen.

Der Chef der 1. Infanterie⸗Division meldet, am 17. August sei der türkische Parlamentaͤr Isset Bey, der von Mehemed Ali Pascha beauf⸗ tragt war, Sr. Kaiserl, Hoheit dem Großfürsten Nikolai Nikola— jewitsch einen Brief zu überbringen, auf unserem Vorposten erschienen. Als der Parlamentär in der Equipage des Chefs der Division, des GeneralJ Prochoroff, in Kawatschitza anlangte, bat er, sein Pferd, welches ihm folgte, mit einem von ihm geschriebenen Billet dem Chef der türkischen Vorposten zuzustellen, die längs dem Thal des Kara Lom gegenüber Sultankioi standen. Ein Offizier des Sofia⸗ schen Regiments mit der Parlamentär-Flagge, die an eine Pike ge⸗ bunden war, wurde in Begleitung eines Trompeters und einer Kosaken⸗Eskorte zur Ausführung dieses Auftrages entsandt. Doch kaum hatte er sich der türkischen Kette genähert und die üblichen Signale gegeben, als der Feind mit einer Flinten salve antwortete und in geschlossener Fronte gegen ihn anrückte. Der Trompeter wiederholte zweimal die Signale, aber jedesmal erneute man als Antwort darauf die Salv, und das Flisten feuer währte so lange, bes sich unsere Parlamentäre aus dem Bereich der türkischen Ku⸗ geln zurückzogen. Bei dieser Gelegenheit wurde das Pferd eines Kosaken der 6. Ssotnia des 8. Reglments verwundet. Isset⸗Bey nahm sein Pferd auf dem Rückweg aus Gornji⸗Sfuden in Empfang und konnte sich persönlich von der Verletzung überzeugen, welche die türkische Armee sich hatte zu Schulden kommen laffen. Der zweite Fall betrifft den Mißbrauch mit der Fahne mit dem rothen Halbmond. Als es den Türken bei dem letzten Angriff auf den Schipka gelungen war, sich einer der Höhen des heil. Nikolai zu bemächtigen, zögerten sie nicht, daselbst eine Fahne aufzuhissen, welche wir als gleichbedeutend mit der Fahne, dle von der Gen fer Konvention zum Schutz der Anstalten für Kranke und Verwundete eingesetzt ist, anzuerkennen eingewilligt haben. Unsere Offiziere, irritirt durch das Erscheinen des rothen Halbmonds, das sie zu respektiren den Befehl hatten, entschlossen sich Anfangs nicht zum Angriff gegen die in die Hände des Feindes übergegangenen Posi⸗ tionen, doch bald wurde es offenbar, daß die Türken sich dort nur mit der Errichtung einer Batterie aus Materialien beschaäͤftigten, die vom; Fuß des Berges hinaufgetragen wurden.“

Europäischer Kriegsschauplatz.

St. Petersburg, 21. Oktober. (W. T. B.) Offi⸗ zielles Telegramm aus Gornji Studen vom 20. d.: Die Türken haben am Abend des 19. Oktober eine Redoute bei Plewna, welche von den Rumänen am selbigen Tage erstürmt worden war, wieder erobert. An der unteren Donau haben die Kosaken am 17. d. auf dem Wege zwischen Tschernawoda und Silistria, bei Seilyk, einen aus 100 Wagen bestehenden und durch eine 150 Mann starke Eskorte beschützten Pro vianttran sport erbeutet. Von der Eskorte wurden 26 Mann niedergemacht und 32 Mann ge—⸗ fangen; die übrigen zerstreuten sich. Am 18. Oktober wur⸗ den 2 Escadrons regulärer türkischer Kavallerie von den Kosaken zurückgetrieben, die Türken hatten dabei 77 Mann todt, 2 Mann fielen gefangen in die Hände der Kosaken.

Bu karest, 20. Oktober. (W. T. B.) Nach einer Mel⸗ dung des Journals „Romanul“ griffen die rumänischen Truppen dreimal hinter einander die zweite Grivitza— Redoute an, wurden aber =, . Einzelheiten über diesen Kampf liegen noch nicht vor. Gestern Morgen gegen 2 Uhr eröffneten die Batterien bei Kalafat das Feuer gegen Widdin. Der Zweck dieses Bombardements war die Zer⸗ störung mehrerer Gebäude in dem Hafen und wurde voll⸗ kommen erreicht. Die Wohnung des Gouverneurs, jetzt als Kaserne benutzt, wurde in Brand geschossen. Die Türken er⸗ widerten das Feuer durch die Beschießung Kalafats, ohne in⸗ deß bemerkenswerthen Schaden anzurichten. Um 2 Uhr wurde das Bombardement wieder eingestellt.

Bukarest, 21. Oktober. (W. T. B.) Das Journal „Romanul“ bringt über den Kampf vor Plewng einen näheren, von gestern datirten Bericht. Danach Ciffen die Rumänen am Freitag die Tranchéen der Redoute Bukowa an und erstürmten dieselben im ersten Anlauf. Am Abend wurde die Redoute selbst von den Rumänen angegriffen und die erste Reihe der , genommen. Bei dem Kampfe um die zweite Reihe der Brustwehren wurden die Rumänen durch überlegene türkische Truppenmassen zum Rückzug genöthigt, den sie in guter Ordnung bewerkstelligten. Heute Morgen ist das 6. russische Infanterie⸗Regiment hier durchpassirt,.

Konstantinopel, 21. Oktober. (W. T. B.) Die Armee Suleimans hat sich seit Freitag in die Nähe von 3 zurückgezogen, um dort günstigere Positionen für die Verpflegung während des Winters zu beziehen. .

Konstantino el, 21. Oktober. (W. T. B.) Reouf Pascha meldet aus Schipkg von gestern: Heute richtete die feindliche Artillerie ein heftiges Feuer auf unsere Redouten auf der äußersten Rechten, der uns zugefügte Schaden und Verlust ist unbedeutend. Dagegen fügen wir dem Feinde beim Wasserholen starke Verluste zu. Am Freitag griffen 2 Bataillone Russen, von Kavallerie und Artillerie unterstützt, Dedebal bei Thirnovadere an, wurden aber mit einem Ver⸗ lust von 200 Todten und 400 Verwundeten zurückgewiesen. Wir hatten nur einige Verwundete. Ein Telegramm Sulei⸗ man Paschas vom 20. d. besagt: Heute wurde durch einen im Dorfe arg stationirten Kavallerieposten ein von Kosaken gemachter Angriff unter leichten Verlusten zurückgewiesen. Eine von Silistrig gegen Gabritza vorgeschickte Rekognos— zirungsabtheilung ist noch nicht wieder zurückgekehrt. Die auf der Insel Sapa bei Silistria errichtete Redoute richtet ein mörderisches Feuer auf die feindlichen Vorposten bei Kalarasch. Der Kommandant von Basardschik meldet, von den Russen würden zahlreiche Rekognoszirungen gegen die in der Nähe liegenden Oertlichkeiten unternommen, er habe danach seine Maßregeln getroffen.

St. Petersburg, 19. Oktober. Der „Regierungsbote“ publizirt eine Verordnung des Ministers des Innern, wonach auf Befehl des Ober⸗Kommandirenden der Armee auf den Reichspostämtern private Sendungen an Angehörige der Armee bis zum Gewichte von 1 Pud (40 Pfund) an⸗ genommen werden sollen. Dadurch soll die Sendung von Wintereffekten Seitens der Privaten befördert werden.

Konstantinopel, 9. Oktober. Der „Moniteur“ ver⸗ öffentlicht folgendes Reglement hinsichtlich der tscherkeß— sischen Hülsstruppen:

Art. 1. Die Ofsiziere der Tscherkessen sollen aus der Truppe selbst und zwar aus der . der würdigsten Soldaten ernannt wer⸗ den. Dieselben stehen ohne Ausnahme unter dem Oberbefehle des Höchstkommandirenden desjenigen Ortes, an welchem sie sich jeweilig befinden. Art. 2. Die Tscherkessen sind ihren Offizieren und Unteroffizieren unbedingten und strengsten Gehorsam schuldig. . widerhandelnde sind straffällig. Art. 3. Die von den Tscherkessen emachte Beute soll dem Herkommen entsprechend ihnen verbleiben, ; zwar, daß die Offiziere dieselbe unter die Mannschaften nach Recht und Billigkeit vertheilen. Mit der Erlaubniß des Kommandanten dürfen die Tscherkessen ihre Beute beliebig verwenden und nach Wunsch auch hin— senden, wohin sie wollen. Art. 4. Unter keinem Vorwande ist es den Tscherkessen gestattet, auf eigene Faust Krieg zu führen und beliebi; zu fechten, wo sie wollen. Solche, welche diefes Verbot über reten, werden als Deserteure betrachtet und in die regulären Bataillone eingetheilt werden. Dieses Reglement ist im Kriegs⸗ Ministerium ausgearbeitet und vom Seraskier bereits genehmigt worden. Dem Vernehmen nach ist man jetzt damit beschäftigt, auch für die Seibeks ähnliche den Verhältnissen entsprechende Bestim—⸗ mungen zu treffen.

Vom bulgarischen Kriegsschauplatze berichtet die „Pol. Korr., aus Simnitza, 16. Oktober:

„Außer den Witterungsverhältnissen muß man den noch immer andauernden Stillstand in den Operationen auch anderen Umständen zuschreiben, die noch durch einige Tage maßgebend bleiben werden. Auf russischer Seite will und kann man keine Schlappe mehr riskiren, da eine solche vor Einbruch des Winters einen höchst ungünstigen Rückschlag sowohl in der militärischen als in der diplomatischen Situation üben würde. Es wird daher mit eff Vorsicht vorgegangen und die Ankunft aller disponiblen

erstãrkungen erwartet, ehe man zu einem entscheidenden Schlage ausholt. Auf türkischer Seite hat der Wechsel im Kommando einen Zeitverlust von wenigstens zwei Wochen verursacht. Abgesehen von dem durch mehrere Tage hervorgerufenen Interregnum im Oberkommando, haben die vom neuen Oberkommandanten als nöthig erachteten großen Truppenverschiebungen alle Operationen um wenigstens zehn Tage verzögert. Suleiman Pascha hat gleich nach Uebernahme des Derbe schle die ganze Aufstellung der türkischen Ostarmee geändert. Vor Allem hat er die egyptischen und anato⸗ lischen Regimenter aus der Front gezogen und dieselben in die Festungen verlegt. Weiter hat er seine Operationsarmee in zwei große Kolonnen getheilt, welche in ganz verschiedenen Richtungen ope— riren sollen. Eine soll die Jantralinie bedrohen und womöglich offensiv vorgehen, die andere mit Rustschuk und Sili⸗ stria als Operationsbasis die Donaulinie, die russische Aufstellung und die. Kommunikationslinie in Rumänien be— drohen. Dieser Plan wurde schon vor einigen Tagen der russischen Kriegsleitung als wahrscheinlich angezeigt. Daß man im russischen Hauptquartiere über die Absichten der türkischen Ost⸗ armee beunruhigt ist, beweist die Bildung eines Observations⸗ corps unter dem Großfürsten Con stantin zwischen Kalarasch und Oltenitza. Dieses Corps soll aus der 24. und 36. Division und aus den neu ankommenden Grenadier⸗Divisionen gebildet werden und die Bewachung der Donaulinie zum Zwecke haben. Möglicher Weise wird diese russische Truppenkonzentrirung Suleiman Pascha zur Auf⸗ lassung seines Planes bestimmen und dürfte derselbe sich nur auf eine Demonstration beschränken, welche den Zweck hätte, russische Streitkräfte vom Kriegsschauplatze abzuleiten und somit die über⸗ mäßigen Verstärkungen der russisch⸗rumänischen Armee vor Plewna zu verhindern. Jedenfalls ist seit einigen Tagen ein reges Leben in der türkischen Ostarmee bemerkbar. Beinahe alle Garnisonen sind gewechselt, große Truppenverschiebungen finden fortwährend statt, alle Kranken und Blessirten, so wie die Feldspitäler sind zurück— verlegt worden der Armeetroß ist bis auf ein Minimum verringert worden, kurz: die Armee ist in der Suleiman Pascha eigenartigen Weise marschfertig gemacht worden. Für die Russen hat, dieser Scenenwechsel insofern einen Vortheil, als sie dadurch in die Lage versetzt sind, in einer defensiven Stellung den Angriff Suleiman zr erwarten und eine oder mehrere Schlachten zu liefern, welche auf den Gang des Feldzuges von entscheidender Wirkung sein werden. Was die Dobrudscha anbetrifft, scheint die türkische Kriegsleitung diesen Theil des Kriegsschauplatzes noch weniger wie früher in das Gebiet ihrer Operationen ziehen zu wollen. Außer der Garnison von Varna,

welche aus egyptischen Truppen und einigen aus Batum herüber

ebrachten Bataillonen besteht, und einem aus 8000 Mann bei zasardschik in befestigten Stellungen lagernden Corps hat Su⸗ leiman Pascha auf, dem östlichen, vom Schwarzen Meere be⸗ grenzten Theile Bulgariens nur tscherkessische Freicorps und einige Bataillone Mustehafiz zurückgelassen. Suleiman Pascha scheint zu einer kompleten Ignorirung dieses entfernten . entschlossen zu sein, indem er sogar die ganze Region, welche sich südlich des Trajans⸗Walles bis nahe an Basardschik erstreckt, unbe—⸗ setzt ließ und den größten Theil der dort zerstreuten Streitkräfte an sich gezogen hat, um seine Operationsarmee zu verstärken. Jedenfalls zeugt dies von einem bestimmten offensiven Plane nach der Jantra— linie hin und von einer richtigen Würdigung der Verhältnisse. da man türkischerseits entweder das Corp des Generals Zim⸗ mermann mit überlegenen Streitkräften (etwa. 50 bis 60 000 Mann) angreifen müßte, um 3 die russische Auf⸗ stellung an der unteren Donaulinie zu gefährden, oder es unnüᷣ wäre, gem russischen Corps eine ansehnliche Macht unthätig ent gegenzustellen. An ein offensives Vorgehen des isolirten Corps Zim⸗ mermann war und ist gar nicht zu denken, da dasselbe niemals Über 35,0090 Mann stark war und somit nicht die nöthige Kraft hatte, um mit Nachdruck im Süden gegen die Linie Varna⸗Pravady eder im Westen gegen Silistria zu operiren, desto weniger, um Beides zu⸗ gleich zu thun. An der unteren Donau ist also nichts zu erwarten, was irgend welchen Einfluß auf den allgemeinen Gang des Feldzuges

baben kõnnte. Bei Plewna ist ein Angriff Seitens der russisch⸗rumänischen Armee spätestens in den nächsten acht Tagen zu erwarten. Alleß, was ron einer Entmuthigung der Armee vor Plewna verlautet, ist vollständig aus der Luft gegriffen. Weder Russen noch Rumänen haben, trotz der überstan⸗ denen Strapazen, auch nur im mindesten den moralischen Halt ver⸗ loren und man braucht blos 24 Stunden sich im Lager zu bewegen, um sich davon zu überzeugen. Auf der Eisenbahn haben die Truppen⸗ transporte stark nachgelassen. Außer einigen Ergänzungsabtheilungen passiren wenig Truppen mehr. Dafür ist der Aufmarsch auf den Chausseen viel gedrängter geworden. In den letzten Tagen ist eine Divisien Grenadiere über Tekutsch,Fokschani gegangen, eine andere folgt ihr auf dem Fuße. Darch Galatz sind 7 Batterien dieser Division passirt. Die Bender⸗Galatz⸗Cisenbahn wird in 26 Tagen dem militärischen Verkehre übergeben werden. Mit der Simnitz a⸗

Giurgewo⸗Bahn wird es etwas länger dauern.“

Aus St. Petersburg, 16. Oktober, wird der „Wiener Abendpost“ geschrieben:

»Die hier feststehenden Anschauungen und Pläne lassen sich in folgendem Raisonnement zusammenfassen: „Die Grausamkeiten der Türken gegen ihre bulgarischen Stammesgenoffen sind die eigentlichen Ursachen des gegenwärtigen Krieges. Rußland ist gegen seinen eigenen Willen in den Krien hineingezogen worden. Ber Kaiser und die größte Anzahl der höheren Staatsbeamten haben Alles gethan, um den Krieg zu vermeiden. Enthusiasmus beim Volke hak für diesen Krieg nie existirt und die Opferfreudigkeit der Russen kann nur ihrer Anhanglich keit an den innig verehrten Kaiser zugeschrieben werden. Jetzt wird der Krieg im Volke als eine Art Ehrensache betrachtet. Er muß mit Anstrengung aller Kräfte und seinem Ziele entsprechend zu Ende geführt werden. Die Türken vertheidigen sich mit großer Hart⸗ näckigkeit, ihre Mittel werden aber immer schwächer. Das größte Elend soll in den asiatischen Provinzen herrschen, aus denen alle kräftigen Männer zum Heere berufen sind, während die daheim bleibenden Greise, Frauen und Kinder die Feld- und Fabriksarbeiten nicht ausführen können. Der Jammer in der Türkei ff groß, Elend und Hungersnoth stehen bevor, man fürchtet in einigen Gegenden, selbst in der Hauptstadt, Aufstände. Hier ist man überzeugt, daß, wer den letzten Rubel, den letzten Mann hergeben kann, Sieger bleiben würde. Die Türkei, welche in ihren europäischen Pro—⸗ vinzen (nach der offiziellen ‚Turquie/) etwa 15 Millionen Menschen zählt und in den asiatischen 165 Millionen, kann bei 24 Millionen mohammedanischer Unterthanen nur mit großen Anstreng ungen fünf Percent, d. h. L200 009 Mann aufftellen. Von diesen sind wenigstens 200000 durch Krieg und Krankheiten aufge— rieben. on dem Reste besteht die Hälfte der türkischen Armee aus unregelmäßigen Truppen. Rußland aber besitzt nach den letzten Berechnungen über 82 Millionen Einwohner. Rechnen wir hiervon etwa 19 Millionen ab für diejenigen asiatischen Völker, welche für diesen Krieg keine Truppen zu stellen brauchen, so bleiben 82 Mil— lionen übrig, von denen nur drei Prozent eine den Türken zweieinhalb Mal überlegene Armee abgeben. Was den Staats kredit anbetrifft, so wird der Papier ⸗Rubel nur künstlich, meist durch Spekulationen fremder Börsen, gedrückt. Die Masse des im Umlaufe befindlichen Papiergeldes von kaum 10 Rubeln für den Kopf ist nicht einmal den Bedürfnissen entsprechend. An die Möglichkeit eines Staatsbankerotts denkt hier Niemand. Jedermann weiß, daß der Exporthandel be—⸗ deutend zunimmt, daß die Frage nach russischen Rohprodukten größer ist, als die Leistungs fähigkeit und daß sogleich nach dem Aufhören bes unglückseligen Krieges für das ganze Reich eine neue Äera des Wohlstandes beginnen werde. Auf die hiesigen Verhältnisse übt das Sinken des Papier⸗Rubels so gut wie gar keinen Einfluß. Die Preise der Lebensmittel, Kleider, Wäsche, kurz aller inländifchen Waaren, mit Ausnahme der Gegenstände in Gold und Silber, sind die alten geblieben, der Lohn der Dienstboten ist nicht gestiegen; die Miethe der Wohnungen ist, zum Theile auch in Folge der vielen Neubauten, um 25 Prozent gesunken. Sogar ausländische Waaren, voa welchen vor der Einführung des Metallolles bedeutende Vorräthe angeschafft wurden, sind noch immer billig zu haben. Der Finanz-⸗Minister thut das Seinige, um den Cours zu halten. Neue Emissionen von Pa— piergeld finden nur temporär und in geringen Summen siatt.“

Asiatischer Kriegsschauplatz.

St. Petersburg, 22. Oktober. (W. T. B.) Offi⸗ zielles Telegramm aus Karajal vom 21. Oktober: Nach dem Kampfe vom 15. Oktober rückten unsere Hauptstreitkräste auf Wisinskoi und auf die Anhöhen von Orlok und wendeten sich gegen die Positionen bei Wladikars, Sary, Kamischi und Mazra. Die Truppen Ismail Paschas in der Stärke von 27 Bataillonen, griffen am 14. Oktober die Stellungen des Generals Tergukassoff an; dieselben richteten den Hauptangriff gegen das Dorf Chalfaly, wurden aber von unseren Truppen allenthalben bis an ihre Trancheen zurückgedrängt. In der Nacht vom 16. zum 17. Oktober räumte Ismail Pascha seine Positionen am Fuß des Gebirges und trat den Rückzug an. General Ter— gukassoff verfolgte denselben und bezog am 18. Oktober eine Stellung auf den Anhöhen von Sary, dem zurückgezogenen Feinde gegenüber. Am 17. c. umzingelten die Khoperschen Kosaken unter Oberst-Lieutenant Perin bei dem Dorfe Sary ein türkisches Detachement; das aus 23 Offizieren und 206 Soldaten mit 3 Gebirgsgeschützen bestehende Detachement gab sich gefangen. Unser Verlust am 14. Oktober übersteigt nicht 24 verwundete Soldaten. In dem südlichen Daghestan ist seit dem 14. Oktober die Ruhe wieder hergestellt; im mittleren Daghestan dagegen fanden am 15. und 16. Oktober zwei Zusammenstöße mit den Auf— ständischen bei dem Dorfe ö., statt. Von den Truppen des Oberst Nakadschidse wurden dabei 300 Aufständische nieder⸗ gemacht und eine große Anzahl von Fahnen, Pferden und anderem Kriegsgeräth erbeutet. Wir hatten 24 Soldaten und Milizen todt oder verwundet. In dem am 15. Oktober auf den Höhen von Aladsa stattgehabten Kampfe stellt sich unser Verl ust auf todte und 49 verwundete oder kontufio⸗ nirte Offiziere und auf 223 todte und 1162 verwundete oder kontusionirte Soldaten.

Konstantinopel, 21. Oktober. (W. T. B.) Ismail Hakki Pascha meldet aus Massoun vom 15. d. M.: Heute stießen die rechts und links von mir ausgeschickten Rekognos⸗ zirungstruppen bei Igdyr und Tschankili auf doppelt starke Streitkräfte des Feindes. Es kam zu einem sechs—⸗ stündigen Gefecht, in welchem wir die . zurückschlugen. Die Russen hatten 70 Todte, unsere Verluste sind un⸗ bedeutend.

London, 23. Oktober. (W. T. B.) Die „Daily News“ melden aus Karajal vom 17. d. M.: General Heimann marschirt auf Erzerum, Kars ist umzingelt, es sollen Unterhandlungen wegen Uebergabe dieses Platzes eingeleitet sein. Das russische Hauptquartier ist gegenwartig in Ver⸗ inkoi. General a ist auf dem Marsche gegen rail Pascha.

Nr. 2 des Central⸗Blatts der Abgaben⸗, Ge⸗ werbe⸗ und Handelsgesetzger ung und n in den Königlich preußischen Stagten hat folgenden Inhalt: J. Allgemeine Verwaltungs gegenstände: Nachweis der aus dem Reichsinvalidenfonds

zu erstattenden Invaliden pensionen. Erhöhung der Verwaltungs⸗ kostenbeiträge um den Betrag der Dienstbekleidungszuschüsse der Auf⸗ seher. = Einziehung von Münzen Landgräflich und Kurfürftlich hes— sischen Gepräges. Zeitpunkt, zu welchem die Kassenanweifungen von 1851, 1855 und 1861 ihre Gültigkeit verlieren. Verände⸗ rungen in dem Stande und in den Befugnissen der Zoll und Steuerstellen. III. Indirekte Steuern: Erkenntniß des König⸗ lichen Ober ⸗Tribunals. Brausteuer. Vorräthe. Aufbewahrung. Erkenntniß des Königlichen Ober Tribunals. Stempel. Mietk⸗ vertrag. Verlängerung. VI. Personalnachrichten

Kunst, Wissenschaft und Literatur. Elberfeld, 18. Oktober. Der Naturforscher Professor Dr. Fuhlrott ist gestern früh gestorben.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

. (CGöln. Ztg.) Die englische Kartoffelernte ergiebt in diesem Jahre einen mittleren Ertrag. Die Knollen find klein, die Reifezeit ungefähr 14 Tage später als in anderen Jahren ein , Beinahe überall ist die Krankheit mehr der weniger de. an einigen Orten mit sehr bedrohlichem Charakter auf⸗ getreten. ;

Washington, 21. Oktober. (W. T. B.). Nach den aus allen Theilen des Landes eingehenden Berichten ist die diesjäbrige Weizen— ernte die ergiebigste, die überhaupt jemals in den Vereinigten Staaten vorgekommen ist.

Gewerbe und HGandel. Se. Königliche Hoheit der Prinz Georg von Preußen hat die Kaufleute und Fabrikanten August Friedrich und Gustav Devrient n Firm:: Hensel S Schumann zu Berlin) zu Höchstseinen Hoflieferanten ernannt.

Hannover, 18. Oktober. Die Abhaltung der für das Jahr 1878 geplanten Ausstel lung von gewerblichen Erzeugnif— sen der Provinz Hannover ist in einer Sitzung der vereinigten Ausschüsse am 15. d. M. endgültig beschlossen worden.

Hamburg, 20. Oktober. (W. T. B.) In der heute statt⸗ ,. zweiten außerordentlichen Generalversammlung der

ktionäre der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt⸗ Aktiengesellschaft, welche nach den Statuten in Betreff der in der ersten Lesung angenommenen Anträge der Direktion erforderlich war, wurden die Anträge auf Herabsetzung des Grundkapitals der Gesellschaft auf 15 Millionen Mark und auf Abenderung der Sta— tuten dahin, daß künftig jede Zweidrittelmajorität in der zweiten Generalversammlung beschlußfähig sein soll, definitiv angenommen.

Verkehrs⸗Anstalten.

New⸗ Jork, 20. Oktober. (W. T. B) Der Dampfer „Greece“ von der National-⸗-Dampfschiffs-⸗Compagnie (C. Messingsche Linie) ist eingetroffen.

Berlin, 22. Oktober 1877.

Die Kunstausstellung der Königlichen Akademie der Künste. i

S. Nr. 257 d. Bl) Ideales Genre. Kostümbilder.

Einer der bewährtesten Meister idealer Malerei, Fer⸗ dinand Schauß in Berlin, erscheint diesmal kaum seinem Ruf entsprechend vertreten. Die oftmals von ihm bewiesene entschiedene Begabung für die Darstellung der nackten mensch— lichen Gestalt verleugnet sich zwar weder in dem „Leander, dessen Leiche das unter düsterem Himmel stürmisch einher— wogende Meer an den öden Strand geworfen hat, noch in der als „Röéyerie“ bezeichneten, in ungesucht zierlicher Haltung träumerisch sinnend an einer einsamen Küste dasitzenden blond haarigen Mädchenfigur, die, von den Hüften herab in ein bläulich graues Gewand gehüllt, sich vor einer tiefblauen, weißlich gestreiften Luft abhebt; ganz abgesehen indeß von der hier wie dort minder gelungenen, obgleich be— deutsam genug mitsprechenden landschaftlichen Scenerie, drängt sich in letzterer Arbeit der malerische Effekt, eine neue Varia— tion eines schon mehrfach von dem Künstler behandelten kolo— ristischen Themas, dem Auge in so nackter Absichtlichkeit auf, daß eine nachhaltigere poetische Wirkung damit verloren geht, während in dem anderen Bilde die trefflich gezeichnete, in einem kühlen bräunlich grauen Ton mit eingehendstem Ver— ständniß modellirte Jünglingsgestalt, die in kunstvoll angeord—⸗ neter, gefällig graziöser Haltung daliegt, zu sehr an das Ar— rangement des Modells erinnert, um den Beschauer unmittel— bar zu ergreifen und ihn den tiefen Ernst des Todes empfin— den zu lassen.

Die dekorative Malerei idealen Stils repräsentiren in erster Linie die beiden außerhalb des Katalogs ausgestellten, bereits bekannten Allegorien des Frühlings und des Som⸗ mers von Wislicenus in Düsseldorf, deren poetische Kon— zeption bei einer durchgehend bestimmteren Modellirung und einer minder weich zerfließenden Farbe sich noch ungetrübter zur Geltung bringen würde. An sie reiht sich ferner eine figurenreiche Komposition von Joh. Schaller in Berlin, eine „on den Winden getragene Psyche“, die bei unver— kennbarem dekorativen Geschick doch nicht blos in den Details der Zeichnung und Malerei an manchen Mängeln leidet, sondern auch im Aufbau des Ganzen eine edlere Bewegung und einen reicheren Schwung der Linien vermissen läßt, sowie endlich eine von Norbert Schrödl in Berlin gemalte „Fortuna“, eine lebensgroße, von einer hoch in die Luft auf⸗ ragenden Architektur aus weit vorgebeugte und im nächsten Moment sich von ihr gänzlich loslösende nackte weibliche Ge⸗ stalt, Tie, von einer leichten Draperie umflattert, mit der aus— gestreckten Hand nach einer Seifenblase greift. Mehr seltsam als originell gedacht, ist sie ziemlich flach und körperlos model⸗ lirt, und überdies deckt sie den gegebenen Raum so wenig, daß dadurch das Bild noch leerer und n wird.

Wie mit ihm, so hat der Maler auch mit den „im Bade überraschten Sabinerinnen“, die sich, zum Theil schon unter— liegend, mit leidenschaftlicher Anspannung ihrer Kräfte der an öder Meeresküste über sie hergefallenen Räuber zu . suchen, einen wenig glücklichen Wurf gethan. Die Kühnheit, mit der er sich an eine derartige, in jeder Hinsicht über das Gewöhnliche hinausgehende Aufgabe heranwagte, erheischt allerdings zum mindesten eine anerkennende Beachtung; die umfangreiche Komposition indeß, der man deutlich die mit dem erdrückenden Stoff angestrengt ringende Mühe der Arbeit an⸗ merkt, ist in keiner ,. als eine befriedigende Lösung u betrachten. Die überlebensgroßen Figuren des Bildes kad mehr äußerlich gewaltsam bewegt als von wirklich lebendiger, von innen heraus sich entwickelnder Energie erfüllt. Sie drängen sich überdies so zufällig und willkürlich anein⸗ ander, daß der Aufhau des Ganzen des dominirenden Mittel⸗

unktes entbehrt und man statt einer in sich untrennbar ge⸗ rene Darstellung eine zusammenhangslose Anhäufung einzelner Gestalten und Gruppen zu erblicken meint, von denen

keine sich der anderen unterzuordnen gewillt ist. In einzelnen