1878 / 2 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 03 Jan 1878 18:00:01 GMT) scan diff

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gestellte Beamte wenden und von ihnen die Enthüllung der That⸗ s verlangen, die . bekannt, oder die Mittheilung der gericht⸗ lichen Aktenstücke, die ihnen anvertraut sind. Der Richterstand muß naturgemäß bereit sein, Nachforschungen zu unterstützen, die kein an⸗ deres Ziel haben und haben dürfen, als die Freiheit und Aufrichtig⸗ keit der Wahloperationen zu sichern und mit Gewißheit alle mit den selben r Akte festzustellen; aber der zum Zeugniffe auf eforderte Richter at vermöge seines Berufes selbst besondere Pflichten der Verschwiegenheit und Zurückhaltung, die er nicht von fich abschütteln kann. Ehe er Rede steht, wird er daher seine hierarchischen Vorgesetzten befragen; seine Bedenken werden kis zu Ihnen gelangen. Sie wer den dann in den Rathschlägen, die Sie ihm geben, nicht ermangeln, die den Vertretern einer großen polstischen Körperschaft, welche sich des ihnen gewordenen Auftrags entledigen, schuldigen Achtung mit den Vorrechten in Einklang zu bringen, die der Justiz nothwendig sind, um das ihr von dem Gesetze anvertraute gesellschaftliche Amt u, erfüllen. Dasselbe gilt von der Mittheilung der gerichtlichen Uktenstücke. Ihnen speziell, Herr Generasprokurakor, steht nach den Gesetzen das Recht zu, sie der Deffentlichkeit preiszugeben oder geheim zu halten. Sie dürfen die Rücksichten nicht vergessen, welche bald das öffentliche Interesse, bald die Ehre eines Individuums oder einer Familie, biswessen auch das Bedürfniß einer noch nicht beendeten Untersuchung auferlegen. Im Zweifel werden Sie gefälligst an mich berichten und mit aufmerksamer Prüfung und gutem Glauben wird es uns hoffentlich gelingen, Konflikte hintan zu halten, die Niemand mehr bedauern wurde, als wir selbst. Empfangen Sie u. s. w. J. Du faur e.“

3. Januar. (W. T. B.) Das „Journal officiel“ publizirt die Ernennung Fourniers zum Botschafter in ö Zur anderweiten Deputirtenwahl in 9 Wahlbezirken, in welchen die ,. für ungültig er⸗ klärt worden waren, oder in denen die ewählten ihr Mandat niedergelegt hatten, ist der 27. d. anberaumt.

Bordeaux, . Januar. (W. T. B.) Bei dem Empfange des Maires von Bordeaux erklärte Ge— neral Rocheboust, die Gerüchte hinsichtlich der Vor— gänge in Limoges seien nicht ernster Natur. Die dort ertheilten Befehle seien nur eine Wiederholung der bereits von seinem Vorgänger erlassenen gewesen. Sie seien defen— siver Art gewesen, nicht um anzugreifen, sondern um einem Angriffe zu widerstehen. Der General fügte hinzu, er werde sich niemals auf Abwege ziehen lassen. „Ich habe niemals daran gedacht, fuhr er fort, einen Staatsstreich auszuführen, weder für die Bonapartisten Sie wissen, was ich von ihnen denke noch für Andere, von denen Sie, wie ich, wissen, daß sie unmöglich sind. Niemals hat der Marschall oder sein Kabinet an einen Staatsstreich gedacht, im Gegen⸗ theil, das Kabinet hat dem Marschall gerathen, ein Ministerium aus der parlamentarischen Majoritãt zu bilden. .

Italien. Rom, 2. Januar. (W. T. . Die „Italie“ erklärt die Gerüchte, nach denen der König bei dem gestrigen Neujahrsempfangekriegerische Worte gesprochen haben sollte, für unbegründet und fügt hinzu, der König habe sich nur darauf beschränkt, von der gegenwärtigen schwierigen Situation in Europa zu sprechen Und Eintracht unter den Vertretern der Nation zu enipfehlen. Die „Italie“ hebt weiter hersor, daß auch alle Gerüchte von angeblichen st ungen, sowie von kriegerischen Absichten der Regierung unbegründet seien; ebenso unrichtig sei es, daß die Minister Ünter—⸗ redungen mit Gambetta gehabt hätten über die Allianz⸗ frage und die Haltung, 6 angesichts der bevorstehenden Ereignisse einzunehmen wäre. Der französische Botschafter, Marquis de Nogilles, gab zu Ehren Gambetta's, welcher morgen nach Nizza abreist, ein großes Diner.

Griechenland. Athen. Nach den Informationen, welche der Kriegs⸗Minister auf Interpellation von Seiten des Deputirten Koronaios über den Stand der Landarmee abgegeben hat, wird dieselbe aus 25 326 Mann gebildet. Da⸗ von ar 764 Offiziere, 110 Fähnriche, 16 537 Infanterie— soldaten und Unteroffiziere, 2736 Jäger, 1793 Artilleristen, S0 Kavalleristen, 1632 Mann Genietruppen, 163 Arsenal⸗ arbeiter, 32 beim Gensd'armerie⸗Kommando, 1792 Fuß⸗Gens⸗ d'armen, 91 berittene Gensd'armen, 155 supernumeräre Unter— offiziere, 112 Mann der ersten Lazareth⸗Compagnie, 141 der zweiten Lazareth⸗Compagnie und 56 Garnisonsmusiker. Die Cadres sind nicht komplet; es fehlen noch 3450 Mann dazu. Die Marinemannschaften betragen 2790 Mann.

Amerika. New⸗York, 29. Dezember. (Reuters Bureau.) Die mexikanischen Behörden haben an der Ris Grande⸗Grenze Bekanntmachungen anschlagen lassen, welche mexikanische Unterthanen warnen, sich nicht an irgend welchen künftigen Ruhestörungen, die in El Pa o versucht werden möchten, zu betheiligen.

2. Januar. (W. T. B.) Die Staatsschuld der Vereinigten Staaten hat im Monat Dezember um 2 000 Doll. abgenommen. Im Staatsschatze befanden sich am 31. Dezember 139 518 009 Doll. in Gold und 5 499 006 Doll. in Papiergeld.

Der russisch⸗türkische Krieg.

London, 2. Januar. (W. T. B.) In mehreren eng⸗ lischen Städten haben weitere Kundgebungen fur die Erhaltung der Neutralität Engkands statt⸗ gefunden. Von der Handelskammer in Bradford wurde eine Resolution zu Gunsten der Neutralität einstimmig an⸗ genommen. Die Handelskammer in Leeds sprach sich mit allen gegen 3 Stimmen in einer Resolution für die abfolute; Neutralität aus. Bei einer Arbeiterversammlung in Roch⸗ dale hielt der Bischof von Manchester eine Ansprache, in welcher er betonte, daß weder die Besitzer 5. Konstanti⸗ nopels durch russische Truppen, noch die De nung der Dar⸗ danellen britische Interessen gefährde. Sodann rach der Bischof die Erwartung aus, daß das englische Dol sich laut gegen einen Krieg zu Gunsten der Turkei erklären werde.

(W. T. B.) Der Staatssekretär der Kolonien, Carnarvon, empfing eine Deputation von Kauf⸗ leuten vom Kap, welche die Befürchtung aussprach, daß ihre Interessen im Falle einer weiteren Verwicke lung im Orient vernachlässigt werden könnten. Carnarvon erklärte denselben, trotz des Falles von Plewna sehe er keine materielle Aenderung der Situation; die Haltung Englands sei ebensowenig verändert. Obgleich England nicht vorbereitet 6 die e, gen der Türken als solche zu unterstützen, so ei die Regierung doch entschlossen wie sie dies von Anfang an gewesen bei der Regelung der orientalischen gra e ihre Stimme geltend zu machen. Was den Schritt Englands bei der russischen Regierung, betreffe, so habe England keine Mediation angeboten, ebensowenig eine Intervention in dem gewöhnlichen Sinne. „Wir haben,

Sofia.

zurückgezogen haben.

fuhr Carnarvon fort, nur Eröffnungen des einen Kriegführen⸗ den bezüglich des Friedens an den anderen übergeben. 35 kann in der Antwort Rußlands keine Beleidigung oder Be—= schimZpfung Englands sehen; ich re aufrichtig, daß die russische Regierung und das russische Volk nicht vergessen werden, daß die gegenwärtigen Fragen solche sind, deren Regelung nicht den Kriegführenden allein zusteht. Es handelt sich um europäische . Wir, als ein Mitglied der europäischen Familie, haben nicht nur ein Recht, darüber ge⸗ hört zu werden, sondern es ist sogar sehr wichtig, daß wir eine entscheidende Stimme bei der definitiven Regelung der obwaltenden Fragen haben. Ich glaube, es giebt wenig Per⸗ sonen, welche fich des Krimkrieges mit Genugthuung erinnern; ich bin gewiß, es giebt Niemanden in diesem Lande, der so thöricht wäre, eine Wiederholung desselben zu wünschen.“

3. Januar. (W. T. B.) Die „Morningpost“ erfährt, daß der gestrige Kabinetsrath dahin über— eingekommen sei, die rüssische Antwort auf das Ver⸗ mittelungsanerbieten Englands nicht als den Schluß der englischen Aktion zu betrachten. Es sei beschlossen worden, vor der Uebermittelung der russischen Antwort an die Pforte in St. Petersburg anzufragen, welche Bedingungen 6 einen Waffenstillstand die russischen Commandenre zu ern . seien. Heute findet abermals ein Minister⸗ rath statt. ͤ

Der „Standard“, sowie die liberalen Morgenblätter sprechen sich sehr befriedigt über die Rede des Staats Sekretärs Carnarvon aus. Die „Times“ meint, die⸗ selbe sei dazu angethan, die Beunruhigung und die Auf⸗ regung im Lande endgültig zu beschwichtigen. „Times“ glaubt, eine Politik, welche durch solche staatsmännische An⸗

sichten und Prinzipien geleitet würde, wie sie Carnarvon dar⸗ gelegt habe, würde die einmüthige Unterstützung des Landes „Daily News“ spricht sich im gleichen

finden. Die Sinne aus.

Europäischer Kriegsschauplatz.

St. Petersburg, 3. Januar. (W. T. B.) Offizielle Telegramme aus Bogot, 31. Dezember: Nach hier eingegan⸗ genen Meldungen vom 50. Dezember sind die Truppen des westlichen Detachements von der Front bis Babakonak vorgerückt und befinden sich auf dem Vormarsch gegen die türkischen Positionen bei Arabkonak und Schander⸗ nik, welche Srtschaften der Feind besetzt hält. Am XV. De— zember räumten die Türken Lutikowo, wo die Russen darauf einzogen. Das Wetter ist in den Bergen sehr un⸗ günstig; der Eis gang auf der Do nau dauert fort; es ist zu erwarten, daß das Eis bald feststehen bleibt. Ueber die Einnahme von Pirot durch die serbischen Truppen werden folgende Details gemeldet: Nach der Be⸗ setzung von Babinaglava und der Einnahme des Passes St. Nikolai wurde ein starkes Detachement gegen das be⸗ festigte Lager von Budindol dirigirt, welches Pirot von Norden her deckte. Das Lager bestand aus mehreren Reihen von Befestigungen auf beiden Ufern der . jwischen den Dörsern Stanetschno⸗Nischar und Sapot. Da das Lager stark besetzt war und beinahe unangreifbar von der Front her erschien, wurde entschieden, zuerst Ak⸗Palanka und dann Pirot anzugreifen. Am 24. Dezember begann der Angriff. Die rechte Kolonne griff Ak-Palanka an

und nahm dasselbe ein. Die linke Kolonne eröffnete an

diesem Tage eine Kanonade gegen Budindol und führte de⸗ monstrative Angriffe gegen diesen Ort aus, um die Auf⸗ merksamkeit des Feindes abzulenken. Die gesfammte Reserve blieb in Babinaglaun. Am 26. Dezember rückte die rechte Kolonne von Ak⸗Palanka aus gegen Pirot vor. Am 27. De— zember, Morgens 8 Uhr, griff dieselbe die linke Flanke der türkischen Position an, besetzte am Nachmittag gegen 4 Uhr Blata und Belajewa und verweilte daselbst während der Nacht. Bei dem ersten Schuß, welcher von der rechten Kolonne ab' gegeben wurde, begann die linke Kolonne den Angriff von der Front her, bemächtigte sich Stanetzkas und stellte die Fühlung mit der rechten Kolonne her. Am 28. Dezember, bei Anbruch der Morgendämmerung, wurde der Kampf auf der ganzen Linie wieder aufgenommen. Bereits um 1] Uhr Morgens zog die rechte Kolonne in Pirot ein, und wurbe daselbst von den Einwohnern, an deren Spitze sich die Geist⸗ lichkeit befand, empfangen. Die linke Kolonne überwand den hartnäckigen Widerstand der Türken erst, nachdem diese die gachricht erhalten hatten, daß die in ihrem Rücken befindlichen Befestigungen genommen seien. Der Verlust der serbi⸗ schen Truppen beträgt über 50 Todte und gegen 150 Ver⸗ wundete. Die Türken, welche 6 Tabors stark gewesen waren, haben sehr große Verluste erlitten. Die ganze Posi⸗ tion war mit Leichen bedeckt. 23 Geschütze fielen in die Hände der Serben. 2. d.: Nach achttägigem anstrengenden Kampfe gegen Frost, Schnee und Sturm und gegen das bergige Terrain hat General Gurke den Balkan überschritten und ist mit seinem Corps in die Ebene von Sofia hinabgestiegen. Am ol, v. M. besetzte der General nach einem hartnaͤckigen Kampfe bei Taschkosen, welcher bis 6 Uhr Abends dauerte, die be⸗ festigten Positionen dieses Ortes mit Ausnahme einer Redoute bei einem Wachtposten. In der Nacht verließen die Türken sämmtliche Positionen. Am 1. d. früh begannen die Russen die Verfolgung des Feindes und besetzten Arabkonak, Schan⸗ dernik und Dolni Komarzi. Ein Theil der russischen Infan⸗ terie drang in der Richtung auf Petrikibi vor, ebendahin auch die Garde⸗Kavallerie über Bolowo und Tscherkesskiöi. Den übrigen Theil der ermatteten Mannschaften ließ General Gurko ausruhen und begann sodann den Vormarsch gegen Am 1. d. mußte sich das Detachement von Etro— pol mit dem Detachement von Tschelopeja unter Ge⸗ neral Brock vereinigen, um nach Möglichkeit die Türken von Petritschewo abzuschneiden. Der Verkust der Russen am 31. v. Mts. betrug 700 Todte und Verwundete. Unter letzteren befindet sich der Commandeur des Volhynischen Regi⸗ ments, General Mirkowitsch.

Konstantinopel, 2. Jama (W. T. 87 23 ans

Sofig hier eingegangenen Nachrichten ist zwischen Ichtiman und Sofia . Kavallerie eingetroffen und hat den Telegraphen und die Brücke von Iskor zerstört. Aus Rasgrad werden kleinere . gemeldet, die am 304 *. M. bei Mehemdlar und Mariani stattgefunden haben. Ein Telegramm des bisherigen Kommandanten von Scharkiöi bestätigt, daß die türkischen Truppen in Folge des am Freitag stattgehabten Kampfes gegen 20 serbische Fal len und 5900 Bulgaren Scharkibi geräumt und fich nach Sofia Einem Telegramm des Gouver⸗ neurs von Kossowo zufolge haben sich die Serben der Orte

russischerseits eine größere Thätigkeit, man könnte

Kurschumlja, Oskonb und Leskowatz bemächtigt. Die Gar— nison von Kurschumlja trat nach einem Kampfe gegen über⸗ legene Kräfte den Rückzug an.

Wien, 2. Januar. W. T. B. Der „Polit. Korresp.“ wird aus Bukarest vom gestrigen Tage gemelbet: Die Russen besetzten bereits mehrere von den Türken bestigte Ort⸗ schaften in der nächsten Umgebung von So f i a. Sofia selbst ist von den meisten Seiten eingeschlossen.

Varna, 28. Dezember. (Telegr. des W. „Fremden⸗ blatt) Dem Vernehmen nach werden die Türken auch nach dem Abzuge der Truppen Suleiman Paschas aus Bulgarien die Stadt Sulina an der Donaumündung besetzt halten.

Der „R. Mir“ erfährt, daß Osman Pascha Rjafan,

Abdul Davud und Mahmed⸗Nadshi Tambow, Mamud⸗-Gunib und Suleiman Rjasan zum Aufenthalt angewiesen werden wird. Die bei der Einnahme von Plewna zu Kriegsgefan⸗ genen gemachten Soldaten werden in verschiedenen Städten des Innern internirt. Seit dem 18. (30.) Dezember sollen täglich 3209 Mann aus Bukarest nach Rußland befördert wer⸗ den. Wie der „Golos“ erfährt, wird die Rückkehr des Groß⸗ fürsten⸗Thronfolgers und der Großfürsten Wladimir und Alexei Alexandrowitsch nach St. Petersburg am 22. oder 23. Dezember (a. St.) erwartet.

Vom bulggrischen Kriegsschauplatze wird der „Pol. Korr. aus Simnitza vom 26. Dezember berichtet:

„Die Pause, welche nach dem Falle von Plewna in den Kriegs⸗ aherationen eingetreten ist und die durch den Eintritt des schlechten Wetters um einige Tage sich verlängert hat, dürfte mindestens noch zehn Tage dauern. Nichtsdestoweniger ist die auf dem Kriegsschau⸗ platze herrschende Ruhe nur eine scheinbare, man könnke sogar sagen, daß die Pause nicht in den Operationen, fondern nur in den Ereig⸗ nissen eingetreten ist. Diese letzteren befinden sich im Stadium der Vorbereitung, die Operationen aber, welche zu den Thatsachen führen sollen, sind im vollen Gange. In keinem Abschnitte des Krieges ist fast sagen Hast, an den Tag gelegt worden, wie jetzt. Es sieht gerade so aus, als wenn der Krieg von Neuem beginnen würde; nur die Dperaliong— basis ist weitergerückt.

Nach Bessarabien war es Rumänien, nach Rumänien war es die Donau, jetzt ist Ober⸗Bulgarien der Centralpunkt der russischen Offensive oder vielmehr Invasion geworden. Erst feit dem Falle von Plewna hat die russische Kriegsleitung ihre urfprünglich kns Auge gefaßte natürliche Operationsbasis wieder gewonnen. Vor den mör— derischen, für die Russen so unheilvollen Kämpfen von Plewna war das Hauptquartier des Großfürsten Nikolaus schon in Tirnowa auf— geschlagen worden. Jetzt erwartet man wieder, daß es dorthin ver— legt wird Es scheint eine ausgemachte Sache zu sein, daß man nur das Ende der verschiedenen vorgenommenen Truppen verschiebungen abwartet, um das Hauptquartier näher an den Balkan zu verlegen. Dieses Mal dürfte die Ver— legung des Hauptquartiers gleichzeitig einen mit starken Truppen⸗ massen auszuführenden Balkanübergang bedeuten; denn von der Donau bis zum Fuße des Balkans sieht man in einer Front von mindestens 150 Kilometer einen gewaltigen Aufmarsch sich voll⸗ ziehen, welcher binnen acht bis zehn Tagen beinahe ganz beendigt sein wird. Der Hauptstoß dürfte aber doch nicht beim Schipka⸗ oder Trojanpasse, jondern auf dem rechten Operationsflügel der russi⸗ schen Armee erfolgen. Starke Abtheilungen haben nämlich die Direktion auf Vrata und Berkowiea genommen und werden in einigen Tagen über den Ginzipaß im Sofiathale angelangt sein. Die Aufrollung der türkischen Stellungen jenseitz des Balkan würde also. im westlichen Sofiathale beginnen, so daß die türkische Armee in Sofia nicht nach Westen, sondern nach Osten zurückgedrängt werden würde, und die Armee des Generals Gurko,. ihre defensiven Stellungen nur in dem Augenblicke verlassen müßte, als die aus dem Ginzipasse vor⸗ dringenden Abtheilungen die türkische Armee zwischen zwei Feuer ge⸗ bracht und dieselbe zum Rückzuge nach Osten oder nach Süden ge⸗ zwungen haben würden. Sodann würde der Vormarsch Über den Balkan durch den Hankiöi⸗, Schipka⸗, Trojanpaß und die anderen weniger wichtigen Pässe vor sich gehen und die Vereinigung aller russischen Abtheilungen in der rumelischen Ebene stattfinden. Dieser Operationsplan hak unstreitig große Vortheile Einmal ist das Balkangebirge in seiner westlichen Abflachung viel leichter passir⸗ bar; weiter erspart sich die russische Kriegsleitung durch diese Umgehungsoperation die immerhin nur mit namhaften Opfern mögliche Forcirung des Balkanüberganges durch die Pässe, deren Ausgänge von den Türken befestigt und bewacht sind; schließlich wäre damit russischerseits die Konzentrirung aller noch di poniblen operationsfähigen türkischen Truppenkörper im rumelischen Becken er⸗ reicht und dadurch auch die massenhafte Konzentrirung der russischen Armee zu einem letzten entscheidenden Schlage erleichtert. Es scheint, daß man nicht mehr in den am Anfange des Feldzuges gemachten Fehler der Kräftezersplitterung verfallen und deswegen nur dann zum Vormarsche über den mittleren Balkan schreiten will, wenn man sich östlich vor jeder Flankendiversion gesichert haben wird. Alle Truppen⸗ bewegungen deuten bis jetzt auf das eben . hin. Der Vor⸗ marsch starker Kolonnen auf Berkovica, die erstärkung der Armee des Generals Gurko durch anderthalb Divisionen, die Konzentration einer großen Centrumsarmee vor den mittleren Balkanpässen zwischen Tirnowg, Gabrowa und Selwi sind lauter Operationen, welche für 3 . des hier in Militärkreisen cirkulirenden Planes

prechen.

Hier ist seit der Abreise des Kaisers und des Fürsten Karl eine Ruhe eingetreten, welche in diesen Tagen nur durch starke Traus⸗ porte türkischer Gefangenen und einer ziemlich großen Zahl von Blessirten und Kranken beider Armeen unterbrochen worden ist. Lange dürfte diese Ruhe nicht währen, da der Eisgang der Donau die Kriegsbrücke auf der Insel Boatin fast ganz zerstört hat und dadurch der größte Theil der Durchzüge an Truppen, Kriegsmaterial und Proviant wieder auf unsere Brücke . ist. Die Donau ist zwar wieder ganz eisfrei und statt des starken Frostes ist ein Gußregen eingetreten, aber von den Uebelständen, welche der * und denen, die das Regenwetter mit sich bringt, müßte doch der Fro der erwünschtere sein, da derselbe wenigstenz die Straßen fahrbar n ö. man jetzt wieder in einem meilenweiten Kothmeere versinkt.

Die Belagerungsarmee für Rustschuk hat gestern den Vormarsch angetreten; der Transport der schweren Belagerungsartillerie dürfte aber durch die Beschädigung der Petrofanibrücke und wegen der grundlosen Wege auf große Schwierigkeiten stoßen.

Der Truppendurchzug hat wieder zugenommen. Aus der Moldau dee in den nächsten Tagen 30 060 Mann Reservetruppen er⸗ wartet.

. . Aus Varna, 20. Dezember, schreibt man demselhen atte: .

„Nach in hiesigen unterrichteten Kreisen verbreiteten Versionen scheint die türkische Kriegsleitung in diesem Augenblicke vor Allem darauf bedacht zu sein, die Verbindung zwischen der Armee des Ge⸗ nerals Gurko und der russischen Centrumgarmee zu verhindern und sodann mit der in aller Eile aus dem Festungsviereck herbeigezogenen Armee die aus den Balkanpässen debouchirenden russischen Abtheilungen vereinzelt anzugreifen. Durch die Aufstel⸗ lung einer 80 000 Mann starken Armee in der Richtung von Eski⸗ Sagra und einer Reservearmee in Hermanli hofft Sulesman Pascha, den Vortheil einer Operation auf der inneren Linie benütze nd, die relative Ueberlegenheit über die russischen Armeen zu erlangen, waͤh⸗= rend Schakir Pascha und Achmed Ejub Pascha, mit der vereinigten

tür kifchen Armee von Sofia und von Schipka den Genera Gurk —⸗r—

in Schach halten würden. Ob dieser Plan nicht auf Illusionen be⸗ ruht, möge allerdings vorerst ununtersucht bleiben.

ier herrscht in diesem Augenblicke eine fieberhafte Thätigkeit. Der ß ist voll von . und Transportschiffen, welche täglich mit Truppen und Kriegsmaterial abgehen, um anderen Platz zu machen, die auch in wenigen Stunden beladen nach Kon stantinopel wieder abfahren. Außerdem haben starke Abtheilungen ihren Ruͤck= marsch nach Rumelien über die östlichen Pässe des Balkans ange⸗ treten. Trotzdem schätzen kompetente Fachleute die über . afen und den Balkan nach Rumelien zurückkehrenden türkischen 6 in runder Zahl auf nicht mehr als 50 0900 Mann, welche allerdings beinghe ausschließlich aus Kerntruppen bestehen. Auf der Eisenbahn Rustschuk⸗Varna passiren täglich mindestens zwanzig Mi= litärzüge und man erwartet, daß die Züge hald nur bis Rasgrad werden verkehren können, da eine Blokirung Rustschuks nach dem Rückuge der türkischen Operationsarmee ungusbleiblich erscheint Nach einem Ausspruche Suleiman Paschas ist Ru stschuk für 6 Monate verproviantirt und kann einer Belagerung erfolg⸗ reich widerstehen. Ebenso verhält es sich mit Sil istrig. Wenn auch viel Uebertreibung in diesen vor Selbstbewußtsein strotzenden Aeußerungen enthalten sein mag, bleibt es doch eine Thatsache, daß während der letzten Monate anhaltend und mit größter Anstrengung an der Instandsetzung der beiden Donaufestungen gearbeitet worden ist, so daß man, bei der den türkischen Soldaten eigenen Zähigkeit im Vertheidigungskriege, sich auf langwierige Belagerungen gefaßt machen kann. Am wenigsten vertheidigungs fähig, scheint rade Varna zu sein, welches, als außer dem Bereiche der Dperationen, in diesem Kriege etwas vernachlässigt worden ist, während Schumla geradezu in ein uneinnehmbares verschanztes Lager verwandelt wurde. Seit einigen Tagen wird auch an den äußeren Forts von Varna, welche noch nicht vollendet sind, mit aller An⸗ strengung gegrbeitet. Man befürchtet einen Vorstoß der russischen Dobrudscha⸗Armee, die man für viel stärker hält, als sie wohl in Wirklichkeit sein mag. Besonders seitdem der Rückzug der türkischen Armee nach Rumelien sich theilweise durch Varng vollzieht, besorgt man die Möglichkeit eines russischen Angriffes als nähergerückt. Nach den Berichten jedoch, welche die europäischen Konsulate hier haben, scheinen die Russen vor der Hand nicht entfernt an einen Vorstoß in dieser Richtung zu denken, da die russische Dobrudscha⸗Armee im Verhältnisse zu ihrer Stärke mit der Belagerung von Silistria und der Behauptung der Linie Tschernawoda⸗Medschidje⸗Küstendsche voll⸗ auf zu thun hat.“

Wien, 2. Januar. (W. T. B. Telegramm des „N. W. Tageblattes“ aus Serajewo: Die bosnische Insur⸗ rektion beginnt wieder lebhafter zu werden. Die tuͤrkischen Befestigungen bei Askowitza und Blatno sind von Insurgen⸗ ten angegriffen worden. Die Redifs dritter Klasse sind ein⸗ berufen worden.

Asiatischer Kriegsschauplatz.

Konstantinopel, 2. Januar. (W. T. B. Ismail Hakki Pascha meldet, daß die russische Kavallerie, welche Soukzerin (eine Meile von Erzerum entfernt) besetzt hatte, durch türkische Kavallerie von dort vertrieben worden sei.

Smyrna, 31. Dezember. (Telegr. des „W. Fremden⸗ Blatt“) Bis Mitte dieses Monats zählte die behufs einer Entsetzung Erzerums bei Di arbekir zu sammengezogene Armee im Ganzen blos 14009 Mann, der es noch dazu an Artillerie fast gänzlich fehlte. Der Kriegsrath soll jetzt entscheiden, ob diese Armee noch vervollständigt, oder in ihrem gegenwartigen Stande belassen werden soll. Im letzte⸗ ren Falle wird sie als Observationscorps zu dienen haben.

Aus Syra wird der „Daily News“ unterm 30. ult. telegraphirt:

6 . Freunde in Erzerum, in welchen ich das größte Vertrauen setzen kann, habe ich ein Telegramm, datirt vom Weih⸗ nachtstage, folgenden Inhalts empfangen: „Die Russen schließen die Stadt ein. Alles scheint verloren zu sein und Alles geht schlecht in der türkischen Armee. Ein weiteres Telegramm sagt:; „Die Russen versuchen Erzerum vin dem Alti ⸗Thale und Baiburt zu umgehen. Das Wetter ist sibirisch. Wir erwarten täglich ein Bombardement oder einen Angriff. Der Großfürst Michael und General Loris Melikoff sind, begleitet von 15 Bataillonen und 12 Belagerungs⸗ geschützen, von Kars in Dara⸗Bojun angekommen. Die Bauern werden gezwungen, die Gehirgspfade zu säubern, aber es wird ihnen ein Tagelohn von 30 Piastern gezahlt. Es herrscht die größte Be— stürzung vor. Der Dragoman der persischen Gesandtschaft sandte einen Parlamentär an die Russen, aber derselbe ist noch nicht zurück⸗ gekehrt.“

Aus dem Wolffschen Telegraphen⸗Bureau.

Wien, Donnerstag, 3. Januar. Telegramme der „Presse⸗ aus Sistowa, 2. d.: Seit gestern sind alle Dongubrücken auf das linke Ufer geschafft worden. Dessertirte Tscherkessen berichten bei dem Corps des Generals Gurko, daß bei dem türkischen Corps bei Sofig Mangel an Lebensmitteln und Winterkleidern herrsche. Das Corps zählt 27 000 Redifs und Baschibozuks, sowie 2000 Tscherkessen.

Neichstags⸗Angelegenheiten.

Der Vertreter des Fürstenthums Lippe im Reichstage, Stadt⸗ richter Hausmann zu Horn, ist am 30. v. M. u. J. gestorben.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Im wissenschaftlichen Verein in der Sing Akademie wird am Sonnabend, Nachmittag um 5 Uhr, der Geheime Legationz⸗ Rath Professor Dr. Aegidi den diesjährigen Cyklus der V or⸗ lesungen mit einem Vortrage „über das heilige römische Reich im Mittelalter“ beginnen. . .

Ein Telegramm der „Daily News- aus Alexandria meldet die Ankunft des Afrikareisenden Mr. Stanley in Suez, an Bord des Dampfers „Zambesi“. Mr. Stanley hat sich nach Cairo begeben und wird dort eine Woche verweilen. ö

Paris, 31. Dezember. Die Akademie der moralischen und politischen Wissenschaften hat den Freiherrn Alexander v Hübner in Wien an ö. ,,, Lord Stanhope zu ihrem auswärtigen Mitgliede ernannt. ö . ; Dag ö fen r glich Jahr, schreibt Henri de Parville im „Journal des Doöbats“ schließt gut ab. „Vor acht Ta en konnten wir melden, daß es den Herren Gailletet und Raoul Pictet einem jeden einzeln gelungen war, den Sauerstoff flüssig zu machen, und nun theilt unterm 31. Dezember He. Cailletet durch die Vermittlung des Hrn. Dumas der Akademie der Wissenschaften mit, daß ihm dieselhe Qperatien mit dem Stickst affe und sogar mit dem Wasserstoffe geglückt ist., welcher letztere einen augenblick⸗ lichen Mißerfolg befürchten ließ. Das Erperiment wurde vorgestern im Laboratorium der Ecole normale in Gegenwart der Herren Boussingault, Henri Sainte ⸗Claire Deville, Berthelot, Marcart und anderen voll-

ogen und ließ im Geiste dieser e en Chemiker und Physiker e. Zweifel zurück: der Stickstoff ist in Form kleiner Tropfen und der Wasserstoff in Gestalt eines Nebels gesehen worden. So steht es also fest, daß alle Gase der Regel gehorchen und in flüssigen

Datum in der Geschichte der Wissenschaft.“

haben fünfundzwanzig Grundbeßsitzer der nächsten Umgegend die Ver—

Justand gebrgchi werden fönnen. Bies seschiehr bei dem Stickstöff Zeitalter, also etwa in die Zeit, welche zwischen dem 12 und

309 Grad unter Null beträgt. Die Kälte und der Luftdruck ver int drängen die Gagmolekülen so dicht aneinander, daß sie in flüssigen Zustand übergehen. Da die Luft aus Sauerstoff und Stick stoff zusammengesetzt ist und ein jedes dieser Gase flüssig emgcht werden kann, so erhellt daraus, daß die Luft r dieser Oreration mit Erfolg unterzogen werden kann. Hr, Cailletet hat dies bewiesen, indem er ganz trockene und von aller Kohlensäure freie Luft nahm und sie in seinem Apparate flüssig machte. Als er den Hahn öffnete, träufelte die so verwandelte Luft heraug, wie eine parfuͤmirte Flüssigkeit aus einem Verdünster. Wenn man das Experiment noch weiter verfolgt, so kann die Flüssigkeit in festen Zustand gebracht und also die Luft in Klumpen verwandelt werden. Die ck Luft ist gewiß eine der größten Eroberungen der modernen Chemie und der 31. Dezember 1877 ein denkwürdiges

Gewerbe und Handel. . In der Feneralversammlung der Renaissance, Aktien⸗ Gesellschaft für Holz⸗Architektur und Möbel fabri⸗ kation wurde die Liquidation beschlossen. ö Behufs Gründung einer Zuckerfabrik in Dirschau auf dem Terrain der ehemaligen Cementfabrik fordert, der Magdb. ig zufolge, ein Comits zur Zeichnung von 450 900 M6 Aktien auf. Es

pflichtung übernommen, vom Jahre 1879 ab: 287 ha mit Zucker⸗ rüben zu bestellen. Der Bau soll in zwei Jahren fertig gestellt sein. Das Aktienkapital beträgt 450 000 in 900 Stück Aktien à 50h Die Einzahlung soll in Raten von 1090 nach Bedarf erfolgen.

Der Einlösungscours für die Silber-⸗Coupons der Oesterreichischen Cisenbahn⸗Gesellschaften an den deut- schen Zahlstellen ist seit gestern abermals und zwar von 176 auf 1755 ½ι pro 100 Gulden Silber herabgesetzt werden.

Paris, 31. Dezember. Der Finanz-Minister hat den Gouverneuren und dem Verwaltungsrath des Crédit foncisr er- öffnet, daß er zwei Finanz⸗Inspektoren mit der Prüfung der Bücher, Kassen und Depots dieser Anstalt beauftragt und bei ihnen einen Bericht üßer die allgemeine Lage derselben bestellt hat. . St. Petersburg, 3. Januar. (W. T. B.) Der Regie rungsbote“ publizirt eine Kaiserliche Verordnung, wonach das Stammkapital der OHdessaer Bank ron 5 auf 3 Millionen reduzirt wird. 800) Aktien werden amortisirt.

Verkehrs⸗Anstalten.

Triest, 3. Januar. (W. T. B) Der Loy dpostdampfer Espero“ ist mit der Konstantinopeler Post heute hier einge⸗ troffen. , . 2. Januar. (W. T. B.) , Der Dam pfer des Norddeutschen Lloyd „Oder * ist hier eingetroffen.

New⸗Jork, 2. Januar. (W. T. B.) Der Dampfer „Eng⸗ land. von der Nationas⸗Dampfschiffs-⸗Compagnie (C. Messingsche Linie) und der Hamburger Postdampfer „Pommerania“ sind hier eingetroffen.

Berlin, 3. Januar 1878.

Athen, 17. Dezember. Am 13. d. Mts, hatte sich zur Feier des Geburtstages Win kelmanns in den Räumen des Kaiserlichen archäologischen Instituts hierselbst eine große Anzahl deutscher und griechischer Kunstfreunde zu einer Fest⸗ sitzung zusammengefunden. ö .

Der geistvolle Vortrag, welchen bei dieser Gelegenheit der Sekretär des ö,. Professor Köhler, über Herkunft und Alter der mykenischen Alterthümer hielt, wird hier so vielfach besprochen, daß eine Mittheilung der Hauptgedanken desselben gewiß von allgemeinem . sein dürfte,

In der ganzen gebildeten Welt führte Professor Köhler aus haben gleich im Anfang die Funde auf dem durch Sage und Geschichte hochberühmten Boden des gold⸗ reichen Mykene, die größte Theilnahme hervorgerufen. Eine Ernüchterung, ja Enttäuschung trat aber ein bei dem näheren Bekanntwerden der gefundenen Schätze. .

Vergeblich suchte man in diesen Schmucksachen und Ge⸗ räthen griechische Formenschönheit und Anklänge an alt⸗ hellenische Sage und Sitte zu entdecken. Es wurden selbst Stimmen laut, welche das hohe Alter der mykenischen Funde überhaupt in Frage stellen zu müssen glaubten. Nach den bald darauf in der Nähe Athens, in Sparta gemachten Gräber⸗ funden, welche mit den mykenischen so merkwürdige Ver⸗ gleichungspunkte bieten, können solche Zweifel freilich nicht mehr aufkommen. Trotzdem bleibt es eine unumstößliche Thatsache, daß die in Mykene gefundenen Alterthümer sowohl in Technik als Stil ein durchaus ungriechisches, barbarisches Gepräge tragen. . .

1 —ᷓ. nun zwar, daß auch die älteste griechische Kunst, wie sie uns in den homerischen Gedichten geschildert wird, asigtischen barbarischen Einflüssen unterworfen war. Doch finden sich in diesen Anfängen überall schon Spuren des später zur vollen Entwickelung kommenden griechischen Kunstcharakters. Das Ueberraschende und Befremdende bei den mykenischen Alterthümern ist, daß bei ihnen ausschließ⸗ lich nur der orientalische Charakter vertreten ist.

Aus Asien blos importirt, ohne Einwirkung von ein⸗ heimischen Elementen, kann die große Menge der in Mykene gefundenen Gegenstände auch nicht sein. Es wäre dies gegen alle Analogie. Aus welcher Zeit stammen also diese Funde?

Die Vorstellungen, welche auf den Ornamenten und Re⸗ liefs der mykenischen Alterthümer eine Darstellung gefunden haben, sind größtentheils dem Seeleben entnommen. Wir sehen zahlreich Ruder, Meereswellen, Polypen, Fische bildlich nachgeahmt. ö

hig tes tritt uns in der ersten Kunstthäigkeit der Inselbewohner des aegäischen Meeres entgegen. Bekanntlich wurden diese erst spät hellenisirten Inseln ursprünglich von einem aus Asien eingewanderten Stamme, den Karern, be⸗ völkert. Dies 6 ungesähr gegen das 12. Jahrhundert vor Christi. Unter ihrem mythischen Könige Minos gewannen diese Karer nicht nur die Seeherrschaft über den ganzen Archipelagos, sondern gründeten auch an den Küstenstrichen von Hellas zahlreiche Kolonien. Die aus der griechischen Whrach nicht erklärbaren Namen Hymettus, Lykabettos und andere erinnern noch an diese uralten Ansiedler. Das Symbol des karischen Gottes, die Doppelaxt, findet sich auch auf den mykenischen Schmucksachen abgebildet. Ferner stimmen die zahlreichen Waffenfunde in den Gräbern von Mykene durch⸗ aus mit den Angaben des Thukydides (., 8), welcher berich⸗ tet, daß die Karer ihre Todten mit den Waffen zu bestatten pflegten, eine Sitte, die uns von den alten Griechen, 1. B. aus den homerischen Gesängen bei der Bestattung der Leiche des Patroklos, nicht bekannt ist. Es hat daher die größte Wahr cheinlichkeit für sich, daß die in Mykene und Sparta entdeckten Gräber auf . Ursprung zurückzuführen sind. Das Alter dieser Gräber dürfte mithin zwischen die Ansiede⸗ lung des karischen Stammes in Hellas und das homerische

er Verein für die Geschichte Berlins hielt am Sonn⸗ abend seine letzte vorjährige Arbeitssitzung ab, in der nach Erledigung der gewöhnlichen geschäftlichen Angelegenheiten zunächst Hr. Baumeister Schäfer einen Vortrag über die Gebräuche des Maurer⸗ gewerkes hielt. An zweiter Stelle sprach Hr. Lehrer Dr. Scheins über den Kelchunddie an,, Kurfürsten im Jahre 1662 zum Geschenk erhalten hat. Ein färzlich über denselben Gegenstand im Verein gehaltener Vortrag hatte lediglich die Absicht, an eine ältere Arbeit des Professors Adler zu erinnern. Hr. Dr. Scheins ging direkt auf eine genaue Beschrei⸗ bung der qu. Gegenstände ein und zog daraus Schlüse auf Se⸗ nutzung, Stiftung und Ursprung derselben. Wir geben in aller Kürze das höchst wahrscheinliche Resultat. Der Kelch, aus stark vergoldetem Silber, auf welchem die Figuren aufgelöthet sind, stammt, wie die Patene, aus der Mitte des 13. Jahrhunderts; beide rühren von demselben Meister her, obwohl die Patene wegen ihres Zweckes nur gravirte Ornamente zeigt. Der Kelch enthielt 126 Edelsteine, die größtentheils noch vorhanden sind, und war für den konsekrirten Wein bestimmt. Auf beiden Gegenständen kommt die Kreuzigung 3 Mal, Christus 6 Mal, Maria 4 Mal vor; eine eigentliche Komposttion war also bei der Lusschmückaung nicht beabsichtigt. Nur die Patene mit den 4 Propheten und 4 Avosteln, welche die Majestas domini umgeben, läßt eine naheliegende Deutung zu. Aus den, wenn auch oft verwischten Inschriften ergiebt sich aber nun, daß die Markgrafen Johann und Otto 1II., die um 1250 regierten, Kelch und .. haben herstellen lassen. Die gedachten Fürsten gründeten die Klöster Chorin, Zehdenick und Straußberg. Letzteres war bei der Sãkulari⸗ sation im Besitze von 14 Kelchen und 7 Patenen. Es ist also nicht unwahrscheinlich, und auch mehrere Gründe sprechen dafür, daß dieser Kelch nebst Patene aus dem Straußberger Kirchenschatz herrühren. Bis 1662 im Besitze der Hohenzollern, werden sie von dieser Zeit als die größten Schätze der Nikolaikirche in hohen Ehren gehalten.

Aus Schleswig-Holstein schreibt man der „Nat. Ztg.“ Die Alterthumsforscher unseres Landes haben zum Schluß des Jahres eine Ueberraschung erhalten, die kaum weniger die 5 im ganzen Deutschland interessiren dürfte. Unter dem Titel: „Von vorchrist⸗ lichen Kultusstätten in unserer Heimat! läßt. der Geheime Rath Dr. Michel fen in Schleswig eine „antiquarische Mittheilung. ver⸗ breiten, worin er die Insel Alsen als die langgesuchte, berühmte Nerthus-Insel des Tacitus nachzuweisen verfucht. Der Bericht des römischen Geschichtsschreibers in seiner Germania“ beschreibt bekanntlich eine Insel im Ozean mit einem heiligen Hain und einem heiligen See, an den sich der Dienst von sieben zu einer religissen Einheit verbundenen Völkerstämmen knüpfte. Er spricht. von einem heiligen, von geweihten Kühen gezogenen Wagen, auf dem die Erd⸗ göttin Nerthus umhergeführt wurde, läßt diese dann von Sklaven in einem geheimnißvollen See gebadet und die Sklaven von dem See verschlungen werden. ;

Man hat früher auf die Insel Rügen gerathen und viel von einem sogenannten Hertha⸗See gefabelt; später wollte Dr. Maack in Kiel den Sitz des Nerthus⸗Dienstes im östlichen Holstein, im soge⸗ nannten Land Oldenburg entdeckt haben: ein Hypothese, die mehr Anklang gefunden, als sie verdiente. Wenn De. Michelsen nun die Insel Alsen in den Vordergrund treten läßt, so gründet sich diese Annahme auf eine Reihe höchst beachtenswerther und merk⸗ würdiger Umstände, die wir im Folgenden kurz darzulegen versuchen wollen.

Als Thatsache kann zunächst bezeichnet werden, daß noch heute auf Alse n ein heiliger . und ein heiliger See unter dem Namen Hellewith und Hellesö erhalten sind, daß in dem nordwestlich von Norbur belegenen Rest des Waldes ein großer Dpferaltar steht und der im Volke gebräuchliche Name Hellod Heiliges Eigen für die Dorf⸗ schaft Hellewith auf altheidnische Verhältnisse hinweist. Dazu treten noch mehrfache Umstände, welche die Annahme von einer alten heid⸗ nischen Kultusstätte zu bestätigen scheinen. Während nãmlich einer seits Alsen eine auffallend große Zahl von Marienkirchen zählt, die sich durch den früheren Nerthusdienst erklären lassen, existiren anderer⸗ seits in der Umgegend des Sees eine Reihe nicht verwandter Fa—⸗ milien, die den gemeinsamen Beinamen Hellesö führen. Merkwür⸗ digerweise wiederholt sich diese letztere Erscheinuag auch noch in einem Kirchspiel des nördlichen Schleswig, wo gleichfalls ein Helless“ in der Nähe liegt. Der Verfasser sucht dann noch im Anschluß an die Geschichte der Königsgüter und Herrenhöfe auf Alsen, mit Bezug auf einzelne hier im Mittelalter ansässige Adelsfamilien, z. B. der Holcks und deren Wappen, Beziehungen auf den altheidnischen Dienst nachzuweisen. Absichtlich lassen wir bei der ganzen Frage die Etymologie die letzte Rolle spielen, da diese bei Ortsnamen in den meisten Fällen sehr schwierig ist. Wir geben zu, daß Alsen

eiligthum, Tempelland sein kann, wean wir auch eine andere Er⸗ fel en (Elfenland) vorziehen. Am meisten Bedenken wird jedoch der Versuch erregen, einen Theil der Namen der sieben sogenannten Nerthus ⸗Völker mit einigen noch heute auf der Halbinsel Sundewitt erhaltenen Dorfnamen in Verbindung zu bringen. Wie viel nun aber auch im Einzelnen weiterer Forschung vorbehalten werden muß, wie vieles auch auf bloßer Konjektur beruhen mag, darüber kann unsers Erachtens kein Zweifel sein, daß die Hypothese Michelsens bei allen Forschern Beachtung verdient. Sollten Nachgrabungen an Ort und Stelle, die im nächsten Sommer vorgenommen werden dürften, dieselbe indirekt bestätigen, so dürfte die durch die . Ereignisfe der jüngsten Vergangenheit bekannte Insel ein Wallfahrts⸗ ort für Alterthumsforscher werden, wie in Deutschland kein zweiter existirt.

Die seit langem erstrebte Verschmelzung der 1373 gegründeten Deutschen Gesellschaft zur Erforsccung Aegugtorial⸗ Afrikas“ und der aus der Initiatire des Königs der Belgier zur internationglen Erforschung Afrikas hervorgegangenen Deuts chen afrikanischen Gefellschaft“ ist, nach der Wes. Ztg.“ nun⸗ mehr sowelt perfekt geworden, daß nur noch die endgültige, rein formelle Genehmigung der Mitglieder der beiden Gesellschaften aus- steht. Die Bedingungen der Fusion wurden nach langen schrift⸗ sichen Verhandlungen zwischen den Vorständen der beiden Gesell⸗ schaften am vergangenen Sonnabend in einer gemeinsamen Sitzung vereinbart, an welcher auch viele auswärtige Comitémitglieder, wie General ⸗Arzt Roth aus Dresden und Prof. Bruhns aus Leipzig theilnahmen. Die Verschmelzung der beiden Gesellschaften, von denen die ältere noch im Besitze eines verhältnißmäßig ansehnlichen Baar= vermögens ist und die jüngere vor Kurzem eine Subvention aus Reichs mitteln erhalten hat, wird eine energische Betreibung des an⸗ gestrebten Zweckes ermöglichen.

n der vereinfachten Stolze schen Stenographie wird ein . Unterrichtskursus in der Königlichen Gewerbe— Akademie, Klosterstraße z6, Hörsaal Nr. 1, am Mittwoch, den 9 Ja- nuar 1878, Abends 8 Uhr, beginnen und jedesmal Mittwochs Abends von 8 Uhr ab weiter geführt werden. Dauer des Kursus: 1 Unter. richtsstunden. Beitrag zu den Kosten mit Einschluß des Lehrbuches: 6 ½υ pränumerando.

London, 1. Januar. (A. A. C.) Ueber die durch den an—⸗ haltenden , in Süd⸗Wales und dem Schwarzen Lande (Black Country) herrschende Noth⸗ lage laufen noch immer die traurigsten Berichte ein. In der Nach- , . von Marthyr leidet eine etmn 30 099 Seelen zählende Arbeiterbevölkerung so sehr, als ob eine thatsächliche Hungergnoth im Lande herrschte. Ganze Familien haben in vielen Fällen für ihren Lebensunterhalt kein gröferes Einkommen als 6 bis 8 Schillinge pro Woche. Dem Schulamte ist gemeldet worden, daß sebr viele Rinder die Schule aus dem Grunde nicht befuchen können, weil sie sich

unter einem Druck von 200, bei dem. Wasserstoff von 280 Atmo= sphären und wird durch die Kälte bewirkt, die bei der Operation bis

10. Jahrhundert vor Christi Geburt liegt, zu setzen sein.

Zustande absoluter Nacktheit“ befinden.

. * 2 26 2135 w. .