1878 / 21 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 24 Jan 1878 18:00:01 GMT) scan diff

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X. hre Majestät die Kaiserin⸗Königin empfing Großherzogliche Hoheit den Prinzen Carl von

Ihre Majestät war im Krankenhause Bethanien anwesend.

Se. Kaiserliche und Königliche 82 der Kronprinz empfing gestern Vormittag den General⸗-Feld⸗ marschall Herwarth von Bittenfeld, sowie die kommandirenden Generale von Kirchbach und von Bose und nah demnächst militärische Meldungen entgegen. Nachmittags stattete Se. Kaiserliche Hoheit einige Besuche hei den Königlichen Prinzen ab und empfing Abends mit Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Kronprinzessin den außer⸗ ordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister des Königs der havaischen Inseln, Mr. Henry A. P. Carter, in besonderer Audienz. Demnächst begaben Sich die at, Herrschaften mit Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Charlotte zur Cour in das Königliche Schloß.

Gestern Abend fand bei Ihren Kaiserlichen und Königlichen Ma jestäten in den Paradekammern, in der Bildergalerie und im Weißen Saale des Königlichen Schlosses Cour und nach derselben Konzert statt.

Laut der zu diesem Feste ergangenen Hofansage war die Versammlung für das Corps diplomatique und die von dem— selben eingeführten Fremden im Rittersaal, für sämmtliche Damen, auch für die Ihren Kaiserlichen und Königlichen Ma— jestäten vorzustellenden inländischen, in der Brandenburgischen Kammer; für die Fürsten und für die Excellenzen⸗Herren in der Rothen (Drap-d'or) Kammer; für die Bevollmächtigten um Bundesrath, sowie für diejenigen vorzustellenden inlän⸗ ischen Herren, welche nicht zu den im Laufe des ver— flossenen Jahres zu einer höheren Rathsklasse be⸗ förderten Räthen erster und zweiter Klasse gehörten, in dem Königszimmer; für die Mitglieder des Herrenhauses in der zweiten Vorkammer; für die Mitglieder des Hauses der Ab⸗ geordneten in der ersten Vorkammer; für die General-Majors, insofern dieselben nicht mit den Offizier⸗Corps erschienen waren, für die Räthe erster Klasse und für die Kammerherren in der Braunschweigischen Kammer; für die Räthe zweiter Klasse, für die in ritterschaftlicher Uniform erschienenen Per— sonen und für die Geistlichkeit in dem Braunschweigischen Saale; für die Ihren Kaiserlichen und Königlichen Majestäten vorzustellenden, im Laufe des verflossenen Jahres zu einer höheren Rathsklasse beförderten Räthe erster und zweiter

Klasse, in der Neuen Galerie; für die Offizier⸗Corps in der und in den angrenzenden Gemächern.

. . Kaiserlichen und . Majestäten, sowie Ihre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die . und Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen und die ,. des Königlichen Hauses hatten Sich in der Rothen Sammetkammer versammelt, während die Ober— sten Hof⸗, die Ober⸗Hof⸗ und die Hofchargen, die General⸗ Adjutanten, die Generale à la suite und die Flügel⸗-Adjutan⸗ ten und alle anderen Personen des Gefolges Sr. Majestät des Kaisers und Königs, der Hof Ihrer Majestät der Kaise⸗ rin und Königin, sowie die Gefolge der Kronprinzlichen und der Prinzlichen Herrschaften in die alte Kapelle eingetreten

waren.

; Um 8 Uhr, nachdem der Wirkliche Rath und Ober ⸗Ceremonienmeister Graf Stillfried den Allerhöchsten Herrschaften die entsprechende Mel⸗ dung ö atte, begann die Cour. Ihre Kaiserlichen und Königlichen Majestäten geruhten Allerhöchstsich unter Vor— tritt der Obersten Hof⸗, der Ober⸗-Hof⸗ und der Hoschargen und gefolgt von dem Minister des Königlichen Hauses, den General⸗Adjutanten, den Generalen à la suite und den Flügel⸗ Adjutanten, der Ober⸗Hofmeisterin, den Palast⸗ und den Hof⸗ damen, sowie dem Ober⸗Hofmeister Ihrer Majestät der Kaiserin⸗ Königin nach dem Rittersaal zu erheben und dort die Cour des diplomatischen Corps, an dessen Spitze der großbritannische Botschafter nebst Gemahlin, der österreichisch⸗ungarische Bot⸗ schafter nebst Gemahlin, der russische Botschafter und der türkische Botschafter sich befanden, entgegenzunehmen.

Sodann folgte in der Brandenburgischen Kammer die Cour der zahlreich erschienenen Damen, sowie die Vorstellung der neu eingeführten Damen. Die Letzteren wurden Ihrer Majestät der Kaiserin durch die Ober⸗Hofmeisterin Gräfin von Perponcher und Sr. Majestät dem Kaiser durch die erste Palastdame Gräfin von Hacke präsentirt.

In dem Königszimmer, in welchem die Bevollmächtigten zum Bundesrath aufgestellt waren, wurden einige derselben durch den Präsidenten des Reichskanzler-⸗Amtes, Staats⸗ Minister Hofmann, Ihren Majestäten vorgestellt. Ebendaselbst präsentirte der Oherst⸗Kämmerer Graf von Redern Sr. Ma⸗ jestät und der Ober⸗Hofmeister Graf von Nesselrode Ihrer Majestät mehrere inländische Herren.

Hieran schloß sich die Cour in der zweiten Vorkammer, in welcher Sr. Majestät, in Abwesenheit des Präsidenten erzoggs von Ratibor, durch den Vize⸗Präsidenten taats-Minister a. D. von Bernuth und Ihrer Majestät durch den zweiten Vize⸗-Präsidenten von Hasselbach eine An⸗ zahl von Mitgliedern des Herrenhauses vorgestellt wurde.

In der ersten Vorkammer, in welcher die Mitglieder des Hauses der Abgeordneten ihre Aufstellung genommen hatten, bewirkte die Präsentation der noch nicht Vorgestellten der . von Bennigsen an Se. Majestät und der Vize⸗ Präsident Klotz an Ihre Majestät; sodann folgte der Eintritt 9 w Kammer und in den Braunschweigi⸗

en Saal.

In der Neuen Galerie wurden Ihren Kaiserlichen und Königlichen Majestäten die schon gedachten, seit der letzten Cour zu einer höheren Rangklasse beförderten Räthe, und war die Räthe der Reichsbehörden durch den Präsidenten des

eichskanzler⸗Amtes, Staats⸗-Minister Hofmann, die Räthe der preußischen Behörden durch den Vize⸗Präsidenten des 1 Staats⸗Minister Camphausen, vor—⸗ gestellt.

Hierauf geruhten Ihre Kaiserlichen und Königlichen Ma— jestäten, um den Thee zu nehmen, in das Kurfürstenzimmer einzutreten, woselbst inzwischen Ihre Kaiserlichen und König⸗ lichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin, sowie die hier anwesenden Prinzen und Prinzessinnen des König⸗ lichen Hauses erschienen waren.

Von dem Kurfürstengemach begaben Sich Ihre Kaiser⸗ lichen und Königlichen Majestäten mit Ihren Kaiserlichen und

Geheime

des Königlichen Hauses in die alte Kapelle und in die Bilder⸗ galerie zur Cour des inzwischen zahlreich erschienenen Offizier⸗ corps.

Nach Beendigung dieser geruhten die Allerhöchsten und die Höchsten 27 Sich nach dem Weißen Saale zu er⸗ heben. Daselbst begann, nachdem Allerhöchst⸗ und Höchstdie⸗ selben den Haut-pas bestiegen hatten, um 10 Uhr das Konzert.

Die 2 in welcher die Allerhöchsten und die Höchsten Herrschaften daselbst Platz nahmen, war folgende:

Ihre Kaiserlichen und Königlichen Majestäten, rechts von Sr. Majestät dem Kaiser und Könige Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Kronprinzessin, Se. Königliche

oheit der Prinz Carl, Ihre Königliche Hoheit die Herzogin

ilhelm von Mecklenburg⸗Schwerin, Se. Königliche Hoheit der Prinz Friedrich Carl, Ihre Königliche Hoheit die Prin⸗ zessin Marie; links von Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz,

hre Königliche Hoheit die Prinzessin Friedrich Carl, Ihre

oöͤnigliche Hoheit die Prinzessin Charlotte, Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin h beth und Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Luise Margarethe; in zweiter Reihe saßen die anderen anwesenden ö Herrschaften und der Oberst⸗ Kämmerer Graf von Redern; in dritter Reihe saßen unter Anderen die Damen des Hofes, die General⸗Feldmarschälle und die Obersten ö. und die Ober⸗Hofchargen.

Ihren Kaiserlichen und Königlichen Majestäten gegen— über waren auf besonders vorgerückten Stühlen die Botschafter und die Botschasterinnen placirt.

Nachdem die Versammlung die Plätze eingenommen, be⸗ . 36 vom Ober⸗Kapellmeister Taubert geleitete Hof⸗ onzert.

In demselben wurden folgende Piecen vorgetragen:

Ouverture zu „Fidelio“ von Beethoven. Scenen aus „Armide“ von Gluck (Fräulein Lehmann, Fräulein Brandt, Frau von Voggenhuber, der Chor). Duett aus „Richard Löwenherz“ von Gretry (die Herren Niemann und Betz). Knabenchor und Ensemble aus dem „Prophet“ von Meyerbeer (Fräulein Lehmann, Fräulein Brandt, Herr Niemann, der Chor). Ouverture zu „Athalia“ von Mendelssohn. Scene aus „Lucrezia Borgia“ von Donizetti (Frau von Voggenhuber, Herr Müller, Herr Betz). Liebeslied aus der „Walküre“ von Wagner (Herr Niemann). Finale aus „Don Juan“ von Mozart (Frau von Voggenhuber, Fräulein Brandt, Fräulein . die Herren Betz, Müller, Salomon, Krolop, der Chor).

In der Pause zwischen dem ersten und zweiten Theile des Konzertes geruhten Ihre Kaiserlichen und Königlichen Majestäten Sich zu erheben und viele der Anwesenden durch huldreiche Ansprache zu beglücken.

Se. Majestäs der Kaiser und König, als Souverän und Oberhaupt des Hohen Ordens vom Schwarzen Adler, nahmen heute Mittag 1 Uhr mit den anwesenden kapitelfähigen Rittern im Königlichen Schlosse die feierliche Investitur Sr. Hoheit des Erbprinzen von Sachsen— Meiningen, Sr. Großherzoglichen Hoheit des Prinzen Carl von Baden, sowie Sr. Königlichen Hoheit des Erbgroßherzogs von Oldenburg und zweier anderen Ordensmitglieder vor und hielten sodann ein Kapitel ab.

Die am 9. d. Mts. angeordnete Hoftrauer war für die Dauer dieses Festes abgelegt.

Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz, Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen des Königlichen Hauses, sowie die hier anwesenden Hohen Ordensritter aus anderen . Häusern versammelten Sich um 1 Uhr Mittags in en Gemächern Sr. Majestät König Friedrichs J., woselbst Höchstdenselben die Ordensmäntel durch den Ordens-⸗Schatzmeister Schöning angelegt wurden.

Die übrigen kapitelfähigen Ritter des Hohen Ordens ver— sammelten sich schon um 12 Uhr in der an das Königs— zimmer zur Rechten anstoßenden boisirten Galerie. Die Ordensmäntel wurden daselbst in Bereitschaft gehalten.

Se. Hoheit der Erbprinz von Sachsen-⸗Meiningen, Se. Großherzogliche Hoheit der Prinz Carl von Baden und Se. Königliche Hoheit der Erbgroßherzog von Oldenburg, sowie der Wirkliche Geheime Rath Freiherr von Werther und der General der Infanterie von Blumenthal, als neu aufzu⸗ nehmende Ritter, versammelten sich ebenfalls um 12 Uhr in der Brandenburgischen (Rothen Adler⸗) Kammer.

Um 125 Uhr versammelten sich die Obersten Hof-, die Ober⸗Hof⸗ und die Hofchargen, der Vize⸗Präsident des Staats⸗ Ministeriums, die Generalität, die Staats-Minister, sowie die Wirklichen Geheimen Räthe in dem Rittersaale; die General⸗ Adjutanten, die Generale la suite und die Flügel⸗Adjutanten, der Geheime Kabinets-Rath Sr. Majestät des Kaisers und Königs, sowie das Gefolge Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen, Ihrer Königlichen Hoheiten der Prinzen und der zu investirenden Hohen Fürstlichen Ordens— ritter in der Rothen (rap d'or) Kammer, welche dort so lange verweilten, bis sie dem Zuge nach dem Rittersaale folgen lonnten.

Sobald Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kron⸗ prinz, Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen des Königlichen Hauses und die anwesenden Hohen Ritter aus anderen sou⸗ veränen Häusern, sowie die übrigen kapitelfähigen Mitglieder des Hohen Ordens versammelt waren, machte der Ordens⸗ Ceremonienmeister, Graf von Stillfried, Sr. Majestät dem Kaiser und Könige, Allerhöchstwelche Sich in einem der Ge⸗ mächer Sr. Majestät König Friedrichs 1. den Ordensmantel anlegen ließen, davon Anzeige. Allerhöchstdieselben geruhten, Sich, unter Vortritt Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen und Ihrer Königlichen Hoheiten der Prinzen, nach der an das Königszimmer angrenzenden boisirten Galerie zu begeben, in welcher die dort versammelten Ritter sich be⸗ reits nach dem Datum ihres Ordenspatents, paarweise, bie jüngsten voran, aufgestellt hatten und Ihren Königlichen Hoheiten vortraten.

Auf diese Weise ordnete sich mit den in dem Königszimmer befindlichen Ordensbeamten, Herolden und Pagen nachstehender Zug: 1) zwei Ordensherolde; 2) die Hofpagen, welche die Ordensinsignien der neu aufzunehmenden Ritter trugen, und die Pagen Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen und Ihrer König⸗ lichen Hoheiten der Prinzen; 3) der Ordens-⸗-Schatzmeister Schöning; 4) der Ordenssekretär, Wirkliche Geheime Rath Sulzer, mit den Ordensstatuten, und der Ordens⸗Ceremonien⸗ meister, Wirkliche Geheime Rath Graf von Stillfried, mit dem Stabe; 5) die kapitelfähigen Mitglieder des Ordens, nach dem Alter ihres Ordenspatents, paarweise, die jüngsten

mit dem Ordenssiegel; 7) Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen des Königlichen Hauses und die anwesenden Yhen Ritter aus anderen souveränen Häusern, nach dem Alter Höchstihres Ordenspatents, paarweise, die jüngsten voran; 8) Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz; 9) Se. Majestät der Kaiser und König.

Im Rittersaale stellten Se. r serliche und Königliche Hoheit der Kronprinz, Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen des Königlichen 3 und die anwesenden Ritter aus ande⸗ ren souveränen Häusern Sich zur Rechten des Thrones nach dem Alter Ihres Ordenspatents auf.

Schon vor Ankunft des Zug es hatten die Obersten Hof⸗ Ober⸗Hof⸗ und Hoschargen rechts vom Throne, der Vize⸗Präsi⸗ dent des Staats⸗Ministeriums, die Generalität, die Staats⸗ Minister und die Wirklichen Geheimen Räthe dem 33 gegenüber ihre Stellung eingenommen. Links vom Throne ordneten sich die General⸗Adjutanten, die Generale à la snité und die Flügel⸗Adjutanten, der Geheinie Kabinets⸗Rath Sr. Ma⸗ jestät des Kaisers und Königs, sowie das Prinzliche Gefolge.

Se. Majestät der Kaiser und König bestiegen bedeckten Hauptes den Thron und ertheilten dem Ordens-Ceremonien⸗ meister den Befehl zur Einführung Sr. Hoheit des Erbprinzen von Sachsen⸗Meiningen, Sr. Großherzoglichen Hohcit des Prinzen Carl von Baden und Sr. Königlichen Hoheit des Erbgroßherzogs von Oldenburg.

Hierauf begaben Sich Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz August von Württemberg und der Prinz Albrecht unter Vortritt der Herolde, und geführt von dem Ordens⸗Ceremonienmeister, in die Brandenburgische (Rothe Adler⸗J Kammer, empfingen dort Se. Hoheit den Erbprinzen von Sachsen-Meiningen, Se. Großherzogliche Hoheit den Prinzen Carl von Baden und Se. Königliche gehen den Erbgroßherzog von Oldenburg, Höchstwelchen Ihre Königlichen Hoheiten bis zur Beendigung der Ceremonie als Parrains zur Seite blieben, und geleiteten Höchstdieselben bis an die Stufen des Thrones. Daselbst angelangt, verbeugten sich Alle vor Sr. Majestät dem Kaiser und Könige.

Se. Majestät der Kaiser und König ließen jetzt durch den Ordenssekretär die das Aufnahmegelöbniß betreffenden Artikel 10 und 11 der Ordensstatuten vom 18. Januar 1701 verlesen.

Nachdem dies geschehen, reichte der Ordens⸗Sekretär dem letzteren das Statutenbuch, welches dieser in die Hände Sr. Majestät des Kaisers und Königs niederlegte. Allerhöchst⸗ dieselben richteten dann an die neu aufzunehmenden Ritter nach einander, und zwar zunächst an den dem Ordenspatent nach ältesten die Frage: „ob derselbe geloben wolle, die ihm soeben bekannt gemachten Ritterpflichten zu erfüllen“, worauf der jedesmal Befragte, an den Thron hinantretend, indem er seine Rechte (die bloße Hand) auf das Statutenbuch legte, an Eides Statt erwiderte: „Ja, ich gelobe es“.

Der Ordenskanzler empfing aus den Händen Sr. Majestät des Kaisers und Königs das Statutenbuch zurück.

Die neu aufzunehmenden Ritter begaben sich in ihre früheren Stellungen zurück und wurden nunmehr, nachdem sie das Band des Ordens abgelegt hatten, von den beiden assistirenden Parrains sämmtlich mit dem Ordensmantel be⸗ kleidet. Erst dann überreichte der Ordenskanzler auf einem rothsammetnen Kissen, das er vom Schatzmeister empfangen, Sr. Majestät dem Kaifer und Könige die Ordenskette für den 26 Ordenspatent nach ältesten der neu aufzunehmenden Ritter.

Dieselbe Ceremonie wiederholte sich bei dem zweiten nnd sodann bei dem dritten der neu aufzunehmenden Ritter.

Se. Majestät der Kaiser und König ertheilten nunmehr dem Ordens⸗-Ceremonienmeister den Befehl zur Einführung des Wirklichen Geheimen Raths Freiherrn von Werther und des Generals der Infanterie von Blumenthal.

Hierauf begaben sich die als Parrains assistirenden Kapitelsmitglieder, der General der Infanterie von Kirchbach und der General der Infanterie von Bose, unter Vortritt der Herolde und geführt von dem Ordens⸗Ceremonienmeister, in die Brandenburgische (Rothe Adler) Kammer und geleiteten die daselbst noch harrenden Neuaufzunehmenden zu den Stufen des Thrones, worauf die Investitur vollzogen wurde.

Se. Majestät der Kaiser und König erhoben Sich nun⸗ mehr, um das Ordenskapitel abzuhalten. Hierzu war die Schwarze Adler-⸗Kammer ausersehen, wohin der Zug sich in oben beschriebener Weise in Bewegung setzte.

Der Reichskanzler hat dem Bundesrath den Entwurf eines Gesetzes, betreffend das dem Reich gehörige, in der Voßstraße in Berlin gelegene Grundstück, zur Beschluß⸗ nahme vorgelegt.

Der Bundesrath hielt gestern eine Plenarsitzung unter Vorsitz des Staats⸗Ministers Hofmann. Es wurden Ausschußberichte erstattet über die Entwürfe der Etats für: a. die Verwaltung der Eisenbahnen, b. den Reichskanzler und dessen Centralbureau, C. das Reichskanzler⸗Amt, d. das Reichs⸗ kanzler⸗Amt für Elsaß⸗Lothringen, e. das Auswärtige Amt. Die Etatsentwürfe wurden mit geringen Aenderungen ge⸗ nehmigt.

Das Staats-Ministerium trat gestern zu einer Sitzung zusammen.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für Zoll- und Steuerwesen, für Handel und Verkehr und für Rechnungswesen hielten heute Sitzungen.

Im weiteren Verlaufe der gestrigen (50.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten nahm bei der Debatte über die Petition des Grafen Droste zu Vischering der Abg. Dr. Gneist das Wort. Derselbe beleuchtete die historische Ent⸗ wickelung der auf dem Gemeindeprinzip beruhenden Volksschule als Staatsanstalt und führte aus, wie die Bestrebungen der katholischen Kirche konsequent darauf . seien, die Volks⸗ schule der Kirche zu unterwerfen. ls Mittel dazu hätte sie sich insbesondere der Geltendmachung des gar nicht zu Recht bestehenden Anspruchs auf die missio canonica“ bedient, nach welcher verlangt werde, es solle kein Religionsunterricht und kein Aufsichtsrecht darüber in der Schule anders geübt werden, als im ausdrücklichen Auftrag des Bischofs, auf eine kirchliche Bestallung. Der Religionsunterricht bilde aber einen integrirenden Theil des Volksunterrichts. Wollte der Staat sich diesem Anspruch fügen, so würden die Volksschullehrer zu willenlosen Werkzeugen in den Händen der geistlichen Oberen herabsinken. Die bischöfliche Bestallung mache eo ipso die Schule zur kirchlichen Schule. Es sei das

Königlichen Hoheiten dem Kronprinzen und der Kronprinzessin und Ihren Königlichen Hoheiten den Prinzen und Prinzessinnen

voran; 6) der Ordenskanzler, Oberst⸗Kämmerer Graf von Redern

nicht mehr ein Antheil am Schulregimente, sondern das Ganze.

Wahrheit sei und bleibe.

Seit dreißig Jahren sei die ganze Aktion der katholischen Bischöfe gegen die Schule nichts weiter, als die Verfolgung dieser Konsequenzen. Ferner bekämpfte der Nedner das System der „konfessionellen“ Schulen, womit auf kürzestem Wege die vom Staate geschaffenen Anstalten der Kirche zurückgegeben seien. Der preußische Staat könne nun einmal den Forderungen der ochkirchlichen Parteien nicht nachgeben, so lange er an die Lebens⸗ 2 en seines Entstehens und Bestehens denke. Mit der Wiederkehr der kirchlichen Bestallungen und der kirchlichen Schulen sei in Preußen das Unterrichtssystem aufgelöst von der Dorfschule bis zur Universität, denn alle Glieder des Systems seien schichtweise verbunden und unlösbar. Nur durch ein gewisses Maß von Selbstbeherrschung der hech⸗ kirchlichen Parteien sei das Einlenken von solchen Bahnen zu finden. Es wäre besser, die segensreiche Arbeit des preußi⸗ schen Volksunterrichts zu stärken und zu kräftigen, anstatt ihn auf Leben und Tod zu bekämpfen.

Der Regierungs- Kommissar, Geh. Regierungs⸗-Rath Dr. Stauder, führte aus, die vorliegende Frage sei eine eminent wichtige und schwierige und könne eine er⸗ schöpfende Lösung nur bei der Berathung des Unterrichts⸗ gesetzes finden. Er wolle nur die hervorstechendsen Gegen⸗ sätze hervorheben. Die Frage habe einmal einen kon⸗ fessionell⸗religiösen Inhalt, und dem gegenüber stehe die staatliche Ertheilung des Religionsunterrichts; es bestehe in Preußen eine verfassungsmäßig garantirte Gewissensfreiheit und dem gegenüber gesetzlicher Schulzwang; es bestehe weiter die verfassungsmäßig garantirte Leitung des Religionsunterrichts durch die Religionsgesellschaft und dem gegenüber die staatliche generelle Schulaufsicht. Diese schein⸗ bar unlöslichen Dinge könnten nur gelöst werden, wenn alle maßgebenden Faktoren durchdrungen seien von der Nothwen⸗ digkeit und Unentbehrlichkeit des Religionsunterrichts für die Volksschule und wenn die unveräußerlichen Rechte des Staates an die Volksschule, andererseits aber auch die Rechte der Religionsgesellschaften auf die Reinheit und Vollständigkeit der in den Schulen vorgetragenen Religionslehre unum— wunden anerkannt würden. Der Kultus⸗Minister habe versucht, eine Lösung dieser Frage in dem zu erwartenden Unter⸗ richtsgesetz herbeizuführen und wenn er auch nicht er⸗ mächtigt sei, diese Lösungsvorschläge dem Hause heute zu unterbreiten, so dürfe er doch wenigstens negativ diejenigen Wege bezeichnen, die der Minister für die richtigen nicht halte. Zwei radikale Lösungen der Frage weise der Minister ent⸗ schieden ab: den Ausschluß des konfessionellen Religionsunter⸗ richts aus der Volksschule und einen eventuellen Ersatz durch einen sogenannten ethischen allgemeinen Religionsunterricht, und dann die bedingungslose Ueberlassung des Reli⸗ gionsunterrichts innerhalb der Volksschulen an die ein⸗ zelnen Religionsgesellschaften. Er wolle diesen Standpunkt kurz motiviren Die erste Lösung würde die Beseitigung desjenigen Lehrgegenstandes bedeuten, der der Mittel⸗ punkt der Volksschule sei. Für den Theil des Volkes, der desselben am meisten bedürfe, würde der Religionsunterricht ganz wegfallen, für einen anderen Theil aber würde diese Lösung eine einseitige konfessionelle Unterweisung in abge⸗ schlossenen Rel igionsschulen herbeiführen, die ipso facto im Gegensatz zu den Staatsschulen stehen würden. Diese Lösung würde ferner den Gefühlen und Gewohnheiten des größten Theiles des preußischen Volkes widersprechen und ebenso der preußischen Verfassung, die einen konfessionellen Unterricht voraussetze. Auch könnten die traurigen Erfahrungen, die man mit diesem System in den Niederlanden gemacht, wahr⸗ lich nicht verlocken, diesen Weg zu betreten. Nun habe im vorigen Jahre der Abg. Windthorst (Bielefeld) vorgeschlagen, den konfessionellen Religionsunterricht durch einen allgemeinen ethischen Religionsunterricht zu ersetzen; aber als alter Schul⸗ meister könne er versichern, daß dieser Unterricht, wenn über⸗ haupt möglich, nothwendig unvollständig bleiben würde, weil er die Kinder nur unterweisen könnte über das, was fe zu thun und zu lassen, aber nicht über das, was sie zu glauben und zu hoffen hätten. Dafür sei eine höhere, geoffenbarte Autorität nothwendig. Der Minister sei bei der Lösung der Frage davon ausgegangen, daß die Volksschule nach Verfassung und Gesetz Staatsanstalt sei, daß jeder Unterricht an derselben im Auftrage des Staats ertheilt werde, und daß den Religionsgesellschaften, gemäß Art. 24 der Verfassung, eine Bürgschaft betreffs des Religions⸗ inhalts gegeben werden müßte, indem man die Leitung des Religionsunterrichts so definire, daß sie in der That eine Lei⸗ tung sei. Dem gegenüber werde aber auch den Angehörigen der Religionsgesellschaften nach Art. 12 der Verfassung eine Bürgschaft dafür gegeben werden müssen, daß die Gewissensfreiheit eine Sollte bei ganz bestimmten kon⸗ kreten Fällen nachgewiesen werden, daß diese Bürgschaften nicht vorhanden zu sein schienen, so würde der Minister kein Bedenken tragen, in diesen Fällen Remedur oder even⸗ tuell eine Dispensation eintreten zu lassen. Der Minister halte sich nach Lage der Gesetzgebung hierzu für ermächtigt. Was die für den katholischen Religionsunterricht getroffene be⸗ kannte Verfügung vom Februar 1876 betreffe, so sei derselben ein seltsames Geschick widerfahren. Beim Erlaß habe sie Anerkennung wegen ihrer Billigkeit und Maßhaltung gefunden, später sei sie zu einem wahren Ungeheuer aufgebauscht worden. Ueber die Frage der Verfassungs- und Gesetzmäßigkeit dieser Maßregel verliere er heute kein Wort. Wenn aber die Regierung mit ihren Anordnungen auf dem Boden des Gesetzes und der Verfassung stehe, so sei es eine seltsame Zumuthung der Petenten an den Minister, gegen seine Ueberzeugung, gegen die Beschlüsse des Hauses und gegen die Entscheidungen des Ober⸗Tribunals den Forderungen der Minorität nach⸗ zugeben. Es handele sich hier um keinen Kulturkampf. Der Redner ging hierauf näher auf die einzelnen Punkte der Petition ein, deren Behauptungen er als unbegründet oder übertrieben nachwies. Bezüglich der missio canoniea sei festzuhalten, daß dieselbe dem preußischen Staatsrecht gegen⸗ über eine fundamentale Neuerung und erst 1846 gelegenklich der Berufung eines Lehrers an eine höhere Lehranstalt von der Regierung zum ersten Mal dem Erzbischof Geißel bewilligt worden sei. Die Geschichte dieser missio canonica biete überhaupt sehr traurige Seiten. Nachdem man staatlicherseits die Prüfung der Religionslehrer für nothwendig erklärt und nachdem man da⸗ fur gesorgt, daß an den Seminaren nur von . ge⸗ prüften Lehrern Religionsunterricht ertheilt werde, sei das stete Vorschieben der missio canonica nur ein Formalismus. Was die Ertheilung des katholischen Religionsunterrichts in den Volksschulen anlange, so sei den Beschwerden gegenüber zu konstatiren, daß 96 Zeit noch 2140 Geistliche Religions⸗ unterricht in den Volksschulen ertheilten, und daß in 5976

Schulen schon vor dem Jahre 1873 mit Zustimmung

der Bischöfe angestellte Lehrer mit dem Religionsunter⸗ richt betraut gewesen seien. Daß es sich nicht um eine Gewissenssache handle, beweise die Thatsache, daß in Cre⸗ feld die geistlichen Religionslehrer an den provisorischen Simultanschulen den Unterricht ruhig weiter ertheilt und ihr Amt erst dann mit einem Mal niederlegt hätten, als die Simultanschulen zu definitiven gemacht worden seien. Die Leitung des Religionsunterrichts anlangend, so seien an 10545 Schulen nur 1806 Geistliche von der Leitung aus⸗ eschlossen; alle übrigen seien dazu noch berechtigt, aber sie darch in den meisten Fällen von dieser Berechtigung keine Anwendung gemacht. Sie müßten also den Unterricht der Lehrer doch nicht für so gefährlich erachten, da sie sonst von der Leitung Gebrauch machen würden. Wenn dann der Regie⸗ rung vorgeworfen werde, sie errichte eine Art Glaubenstribu⸗ nal, eine Staatsreligion, so sei zu bemerken, daß die Lehrer den Unterricht lediglich nach dem großen und kleinen Katechis⸗ mus ertheilten, und daß die Regierung nie daran gedacht habe, an den dort normirten Glaubenssätzen etwas zu ändern. Die Katholiken hätten zwei bischöflich genehmigte katholische Religionsbücher, die dem Unterrichte zu Grunde gelegt wür⸗ den, sie hätten 9337 Geistliche in der Leitung und Aufsicht, sie hätten den kirchlichen Religionsunterricht in unbeschränktem Maße, sie hätten den vollen Ein⸗ fluß der Kirche auf die Kinder und Lehrer und die strenge katholische Disziplinargewalt. Wenn sie angesichts solcher Bürgschaften immer noch von Staatsreligion sprächen, so sei das eine bewußte Uebertreibung. Letztere habe aber eine schlimme Seite. Es sei leicht, die Parole im Lande aus— zugeben: man möge sich von diesem Religionsunterricht fern⸗ halten; aber die Folgen fielen hart auf das Volk zurück. Die Regierung werde, die vorher angedeuteten Dispensationen ab⸗ gerechnet, an dem Prinzip des Schulzwanges und dem obliga⸗ torischen Charakter auch des Religionsunterrichts unbedingt fest⸗ halten. Was nun die vorliegenden Anträge betreffe, so sei der des Abg. Reichensperger für die Staatsregierung prinzipiell un⸗ annehmbar, namentlich nach der Interpretation, die seiner Zeit das Haus dem Art. 24 der Verfassung gegeben habe. Ebenso unannehmbar seien aber auch die übrigen Anträge, weil sie den Eltern die schließliche Entscheidung über die zu verlangenden Bürgschaften überließen und der Religionsschule Thür und Thor öffneten, somit gegen Gesetz und Verfassung ver⸗ stießen. Er könne deshalb nur dringend bitten, bei dem Kommissionsvorschlag stehen zu bleiben. Durch ein solches Votum schaffe man ein bedeutendes Präjudiz für die Zukunft. Es handele sich darum, ob unsere ruhmreiche preußische Volks⸗ schule wiederum zu einem bloßen Annexum der Kirche wer⸗ den solle oder nicht. Der Pfarrer Schulte von Erwitte habe in einer Düsseldorfer Versammlung gesagt, daß die Er⸗ langung des Religionsunterrichts für die Kirche die erste Etappe auf dem Wege sei, die Schule wieder ganz für die Kirche zu belommen. Das Haus möge durch sein Votum Preußens Jugend und Volk vor diesem Geschick bewahren. Der Kultus⸗Minister Dr. Falk bemerkte, er habe den Worten seines Kommissars nicht viel mehr hinzuzufügen; im Wesentlichen habe er die heutigen Ausführungen des Abg. Reichensperger bereits in seiner Rede vom 27. Januar 1877 widerlegt. Neu wäre nur darin die Interpretation eines Ober⸗ Tribunalsurtels; es sei ihm aber trotz aller K nicht gelungen, zu fassen, wie der Abg. Reichensperger seine Behauptungen mit jenem Urtheil begründen könne. Er bitte sämmtliche Anträge zu verwerfen, vom Antrage Reichen⸗ sperger sei er dessen ziemlich sicher. Dem Antrage Windthorst habe sein Kommissar und der Abg. Gneist ent⸗ scheidende Gründe entgegengestellt. Es sei das Wesen des preußischen Schulsystems, daß es den Unmündigen Schutz ge⸗ währe gegen die eigennützigen Absichten der Eltern oder Vor⸗ münder. Mit der Annahme des Antrages Windthorst würde man diesen Schutz völlig illusorisch machen. Der Abg. von Hammerstein habe wohl mit seinem Antrage keinen Grund, aus einer Petition des Grafen Droste zu Vischering Veranlassung zur Verallgemeinerung dieser Angelegenheit zu nehmen, um so weniger, als er ja für seine künftigen Abstimmungen beim Unterrichtsgesetze dieser Etappe nicht bedürfe. In dem Antrage Brüel liege der Ton auf dem Worte „normal“. Nach dem Inhalte des Kommissionsberichts wären normale Verhältnisse gemäß der Institution von 1817 nur da, wo keine konfessionellen Mißstände seien. Diese existirten aber jetzt in acht Diözesen des preußischen Staates. Dort würde man nach dem Antrage Brüel es in den Willen der Eltern legen, ob die Kinder an dem Religionsunterrichte in der Volksschule Theil nehmen sollen. Das werde Niemand zu⸗ geben, der die Bedeutung des Religionsunterrichts in der Volksschule kenne und denselben obligatorisch erhalten wolle. Er bitte, diese Dispensationsforderungen recht ernst zu nehmen; es drohe hier unserer Volksschule ein schwerer Schaden. In den Bevölkerungsschichten, welche die Massenpetitionen unter⸗ zeichnet hätten, denke man nicht so ideal von dem Werthe des Religionsunterrichtes; man werde dort diesen Dispensations⸗ grund wie jeden anderen benutzen, um die Kinder von der Schule zu befreien und zu eigennützigen Zwecken zu ver⸗ wenden. Die Annahme dieser Anträge nütze aber auch nichts; sie seien keineswegs eine Basis für den kon⸗ fessionellen Frieden. Der Abg. Windthorst (Meppen) habe nach Zeitungsberichten in seiner Cölner Rede gesagt: „Die Dispensationswege nützen uns nichts.“ Man könnte für die Anträge mit Wahrscheinlichkeit einen Grund anführen: die verfassungsmäßig garantirte Gewissensfreiheit. Die 4 toren der Gesetzgebung müßten aber doch darüber entscheiden, wo ein Gewissen- zwang vorhanden sei. Ein Gewissenszwang sei doch nicht blos deshalb vorhanden, weil es etliche Leute behaupten. Sei aber da ein Gewissenszwang vorhanden, wo diejenigen katholischen Religionslehrer fortfungirten, die zu diesem Amte von einer Prüfungskommission befähigt erklärt worden seien, der ein bischöflicher Spezialkommissar angehöre? Könne ferner da von Gewissenszwang die Rede sein, wo Religions⸗ lehrer angestellt seien, deren Befähigang zu diesem Amte von den geistlichen Seminarlehrern konstatirt sei, welche früher speziell von den Bischöfen zur Heranbildung der Volksschul⸗ lehrer autorisirt und bestellt worden seien? Wenn jemals diese Garantieen fehlen sollten, was bis jetzt nicht der Fall gewesen sei, dann werde eine Dispensation eintreten können, wie die⸗ selbe eingetreten sei bei Kindern römisch-⸗katholischer Eltern von dem Religionsunterrichte altkatholischer Lehrer. Die allgemeine k müsse man aber abweisen, denn sie wäre ein Unheil für die preußischen Schulen und den preußi⸗ schen Staat. Endlich nahm noch der Abg. Dr. Virchow das Wort, in⸗ dem er die Dringlichkeit des Unterrichtsgesetzes betonte, sich aber vorbehaltlich der Abhülfe für begründete Einzelbeschwer⸗

den für den Kommissionsantrag erklärte. Der Redner empfahl in seinen längeren Ausführungen die Bildung eines Ober⸗ Schul⸗ und Unterrichtsraths als oberste Beschwerdeinstanz zur Entlastung des Kultus⸗Ministers.

Die von dem Abg. Freiherrn von Schorlemer⸗Alst beantragte namentliche Abstimmung über die Anträge Reichensperger, Windthorst (Meppen) und Brüel wurde um 44 Uhr bis

Donnerstag 11 Uhr vertagt.

In der heutigen (51) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher am Ministertische der Handele⸗ Minister Dr. Achenbach und mehrere Regierungs- Kommiss=⸗ rien beivohnten, genehmigte das Haus in dritter Bera⸗ thung ohne Debatte, unverändert die Gesetzentwürfe, betreffend die Betheiligung des Staates an dem Unternehmen einer von Kiel über Eckernförde nach Flensburg führenden Eisenbahn und , die Ausdehnung des Unternehmens der Westholsteinischen, von Neumünster über Heide nach Tönning führenden Eisenbahn auf die Betheiligung an dem Unternehmen einer von Heide nach Wesselburen füh⸗ renden Zweigbahn und die Uebernahme des Betriebes der⸗ selben durch die Westholsteinische Eisenbahngesellschaft.

Es folgte die Abstimmung über die zu der Petition des Grafen Droste zu Vischering gestellten Anträge der Abgg. Reichensperger, Windthorst (Meppen), Dr. Brüel und Frhr. von Hammerstein. Der Antrag auf namentliche Abstimmung war zurückgezogen worden. Die gestellten Anträge wurden sämmtlich abgelehnt.

Ueber den Antrag der Unterrichtskommission, über die Petition zur Tagesordnung überzugehen, fand auf Antrag des Abg. Windthorst (Meppen) eine namentliche Abstimmung statt. Der Kommissionsantrag wurde mit 267 gegen 104 Stimmen angenommen. Beim Schlusse des Blattes setzte das Haus die Berathung von Petitionen fort.

Nach einer dem Bundesrath zugegangenen Nachweisung belief sich die Summe der den einzelnen Bundes⸗ staaten bis Ende 1877 überwiesenen Beträge an Reichs-Silber⸗, Nickel⸗ und Kupfermünzen auf 444 958 725,48 S½½, und zwar an Fünfmarkstücken 71 652 330 „ö., an Zweimarkstücken 97 671 428 6, an Einmarkstücken 143 508 033 M6, an Fünfzigpfennigstücken 67 095 217,50 (, an Zwanzigpfennigstücken 29 842 400 MS6½, an Zehnpfennig⸗ stücken 18 362 465,30 , an Fünspfennigstücken 16 0611 069,95 M6, an Zweipfennigstücken 4227 350,56 „S6, an Einpfennig⸗ stücken 2 588 431, 17 6

Nach der vom Reichs⸗Eisenbahnamt veröffent⸗ lichten, in der Ersten Beilage abgedruckten Uebersicht der Betriebs⸗Ergebnisse deutscher Eisen bahnen —exkl. Bayerns im Monat Dezember v. J. stellt sich auf den 883 Bahnen, welche in dem . vom 1. Januar 1876 bis Ende Dezember 1877 im Betriebe waren und zum Vergleich gezogen werden können:

Die Einnahme aus allen Verkehrszweigen im Monat De⸗ zember 1877 bei 44 Bahnen höher und bei 44 Bahnen geringer, als in demselben Monat des Vorjahres, und die Einnahme pro Kilo⸗ meter im Monat Dezember 1877 bei 43 Bahnen höher und hei 45 Bahnen (darunter 9 Bahnen mit vermehrter Betriebslänge) gerin⸗ ger, als in demselben Monat des Vorjahres, die Einnahme aus allen Verkehrszweigen bis Ende Dezember 1877 bei 36 Bah⸗ nen höher und bei 52 Bahnen geringer, als in demselben Zeitraum des Vorjahres, und die Einnahme pro Kilometer bis Ende Dezember 1877 bei 32 Bahnen höher und bei 56 Bahnen (darunter 19 Bahnen mit vermehrter Betriebs⸗ länge) geringer, als in demselben Zeitraum des Vorjahres. Bei den unter Staatsverwaltung stehenden Privat⸗Eisenbahnen einschließlich der Annaberg⸗Weiperter und Chemnitz⸗Würsch⸗ nitzer Eisenbahn beträgt Ende Dezember 1877 das ge⸗ sammte konzessionirte Anlagekapital 1 187 439 800 Sv (416 265 900 S6. Stammaktien, 44 595 000 MS Prioritäts⸗ Stammaktien und 726 578 go0o0 M Prioritäts⸗Obligationen) und die Länge derjenigen Strecken, für welche dieses Kapital bestimmt ist, 4174,53 km, so daß auf je 1 km 284 449 ( entfallen. Bei den unter Privatverwaltung stehenden Privat⸗ Eisenbahnen ausschließlich der Uelzen⸗Langwedeler Eisen⸗ bahn beträgt Ende Dezember 1877 das gesammte kon⸗ zessionirte Anlagekapital 3 050 702 207 S (1 066 621 558 (S Stammaktien, 331 611 000 S6 Prioritäts-Stammaktien und 1652469 649 6 Prioritäts-Obligationen) und die Länge der⸗ jenigen Strecken, für welche dieses Kapital bestimmt ist, 12 281,83 km, so daß auf je 1 km 248 391 V kommen.

Mittelst Verfügung des General-Postmeisters vom 17. d. Mts. ist die fernere Einrichtung von 48 neuen, mit Fernsprechern auszurüstenden Reichs⸗Telegraphen⸗ Aemtern in 25 Ober⸗ostdirektionsbezirken angeordnet wor⸗ den. In Folge der bisher gemachten Beobachtungen im Be⸗ triebe der bereits bestehenden Fernsprechämter, sowie der im physikalischen Kabinet des General-Telegraphenamts und in der Telegraphen-Bauanstalt von Siemens u. Halske unaus⸗ gesetzt betriebenen weiteren Versuche hat die Leistungsfähigkeit des Apparats durch besondere Vorrichtungen noch merklich er⸗ höht werden können.

Die seit der Inbetriebsetzung der Rohrpost in Berlin im Interesse des Publikums getroffene Einrichtung, wonach in Berlin aufgegebene, nach Orten außerhalb Berlins gerichte te Briefe und Postkarten, für welche neben dem gewöhnlichen Porto die Gebühr für Rohrpostsendungen entrichtet worden, den betreffenden Bahnposten mittels der Rohrpost, mithin schneller als auf dem Wege der gewöhn⸗ lichen Stadtpostbeförderung zugeführt werden, hat hie und da zu der Auffassung Anlaß gegeben, daß diese Postsendungen am Bestimmungsorte mittelst EilUboten bestellt werden.

Diese Ansicht ist nicht zutreffend. Wird bei derartigen Sendungen die Bestellung mittelst Eilboten gewünscht, dann muß der Absender dies neben der Bezeichnung „Rohrpost“ ausdrücklich vermerken. Die Zustellung an den Empfänger erfolgt alsdann, falls der Absender das Bestellgeld nicht im Voraus entrichtet hat, gegen Einziehung der bestimmungs⸗ mäßigen Eilbestellgebühr.

Der General der Infanterie z. D. von Tres ckow II., ä la suite des 7. Thüringischen Infanterie⸗Regiments Nr. 96, ist auf einige Tage von Altenburg hier eingetroffen.

Bayern. München, 2. Januar. Die „Allg. Ztg.“ meldet: „Das Schreiben, mittelst welchem Hr. Abg. Dr. Ritt⸗ ler seinen Austritt aus der ultramontanen Kammerfraktion erklärte, ist, wie uns versichert wird, sehr entschieden gehalten. Hr. Dr. Rittler hatte übrigens schon seit vier Wochen keiner Versammlung der Fraktion mehr beigewohnt. Unter den Ab⸗

geordneten von der Rechten, welche nach der Vertagung des