Nun, meine Herren, möge die Meinung darüber hier getheilt sein oder nicht, dann benutze ich den 1 um dieser Meinung, wenn sie auch außerhalb des Reichstags vorhanden sein sollte, auf das allerbestimmteste entgegenzutreten. Wir find der Meinung, meine Derren, und ich denke, es ware nicht schwer, Thaffachen die Fülle dafür anzuführen, daß die Gefahren, die uns von der Sozialdemo— kratie drohen, in der That ernst genug sind, um daran zu denken, wie man ihnen begegnen kann, und in diefer Beziehung erfreue ich mich auch der Zustimmung des Herrn Vorredners. Ich bin aber auch weiter der Meinung, daß man einen geeigneten Zeitpunkt nicht soll vorübergeben lassen, ohne diese, wie ich allerdings anerkenne, heskle und schwere Arbeit in Angriff zu nehmen, und für einen solchen geeigne⸗ ten Zeitpunkt, meine Herren, mäüssen die verbündeten Regierungen den gegenwärtigen halten. denn die öffentliche Aufmerkfamkeit im Lande ist in einer so scharfen Weife, wie selten zuvor, gerade auf die Gefahren hingelenkt worden, um deren Bekämpfung eg' sich han⸗ delt. In herzerhebender Weise hat man in allen Theilen des Vaterlandes auf das Attentat, welches nicht blos gegen das Leben des ehrwürdigen Herrschers, welches gegen die Ehte dieses Volkes und Landes gerichtet war, geantwortet. Aber, meine Herren, diese Gefühle, so sehr sie auch Nachklang finden mögen in den weitesten Kreifen, sind nicht genug, um zu reagiren gegen derartige Ereignisse. (Ruf bei den Sozial demokraten: Reaktion! — Nun, meine Herren, ich glaube, daß über dergleichen Wortanspielungen der hohe Reichstag wie die öffentliche Meinung längst 6 sind. Reaktion heißt Gegenbewegung, und
wo eine unberechtigte Bewegung hervorbricht, liegt es in der Natur der Sache, daß eine Gegenbewegung sich zeigt, es kommt eben nur dar⸗ auf an, daß diese Gegenbewegung in der rechten Richtung sich befindet.
Ich glaube also, meine Herren, daß der Zeitpunkt in der That ein geeigneter war, und daß es nicht genügte, sich an der Kundgebung dieser warmen und herzerhebenden Gefühle zu erfreuen sondern daß es nokhwen⸗ dig war, den Ernst der Thatsachen, welche damit in Verbindung stehen, in Rechnung zu ziehen, und dies, meine Herren, ist der Anlaß ge⸗ wesen, daß der gegenwärtige Zeitpunkt gewählt ist für diese Vorlage, nicht aber, wie ich ausdrücklich in Wiederholung der Worte meines
Herrn Kollegen vom Bundesrath hervorhebe, nicht der Grund. Der Grund liegt in den Erscheinungen der Sozialdemokratie, welche von allen Rednern, die bis jetzt gesprochen haben, in genügender und ent— schiedener Weise gekennzeichnet worden find, derartig, daß ich nicht mehr nöthig habe, wie es vor Jahren schon von diesem Platze aus geschehen ist, in langerem Zusammenhange Ihnen darzulegen, was diese Bestrebungen bedeuten, und wie sie in der That geeignet sind, der . staatlichen, sittlichen und gesellschaftlichen Ordnung
efahr zu bringen.
Eins, meine Herren, noch bei Gelegenheit dieses Punktes. Es ist vorher angedeutet worden, daß man die Frevelthat, die in unserer Mitte vor noch nicht zwei Wochen geschehen ist, obne Weiteres der Sozialdemokratie imputire, daß man das thue, während die Unter⸗
suchung noch nicht abgeschlossen sei, und daß man schon damit ein Unrecht gegenüber den Sozialdemokraten begehe, Es ift, foviel ich habe vernehmen können, Niemandem, am wenigsten mir oder einem Vertreter der Bundesregierungen eingefallen zu behaupten, daß diese That speziell veranlaßt oder hervorgerufen worden ist aus Anstiften der Sozialdemokraten. Nein, meine Herren, dah in geht die Behauptung nicht. Die Behauptung geht aber dahin, daß die Lehren der Sozialdemokratie die Gemüther in der Art verwirren, daß sie sehr leicht dergleichen Ruchlosigkeiten erzeugen können, und in diesem Zufammenhange allein macht man die Sozialdemokratie und deren Lehre für dergleichen traurige und erschreckende Erscheinungen verantwortlich.
Nun, meine Herren, ist man eingegangen auf die Erörterung der Frage, ob denn das Mittel, was Ihnen vorgeschlagen worden, Üüber⸗ haupt ein jweckmäßiges, ein ausreichendes, ein uläfsiges sei. In dieser Beziehung will ich zunächst auf eine Aeußerung zurückgreifen, die von dem en Herrn Redner gemacht worden ist. Er fagte: die Sozialdemokratie sei der Schatten unseres modernen Kultur⸗ lebens, und so wenig als Peter Schlemihl seinen Schatten, der ihm genommen, habe wiedergewinnen können, fo wenig werde es gelingen, diesen Schatten des Kulturlebeng, die Sozialdemokratie zu beseitigen.
Zunächst, meige Herren, ist, damit noch nicht gesagt, daß der Kampf gegen die Sozialdemokratie nicht aufgenommen werden soll. Dann aber möchte ich den geehrten Herrn daran erinnern, daß der Schatten am stärksten ist bei Beginn des Tages und bei seinem Niedergang. Er wird nicht behaupten wollen, daß wir uns am Niedergang unferes Kulturlebens befinden, aber meine Herren, der Tag unseres Kulturlebens ist noch nicht weit vorgeschritten, und darum ist der Schatten der Sozialdemokratie ein so starker. Ich erkenne dies bereitwilligst an und werde die Mittel anrufen zur Hülfeleistung, welche dazu dienen sollen, das Kulturleben zu fördern, es auf seinen Höhepunkt zu bringen und dann wird der Schatten immer mehr und mehr verschwinden—
Es kommt aber darauf an, diesen Bestrebungen die Möglichkeit zu verschaffen, sich zur Geltung zu bringen. Wenn die Worte des Friedens gehört werden sollen und die Stimme der Vernunft sich vernehmlich machen soll, dann muß zuerst das Getöse der Waffen verstummen und die Stimme der Leidenschaft in den Hintergrund ge⸗
drängt werden. Dies, meine Herren, ist der Gedanke, der dem vor⸗ liegenden Gesetzentwurf zu Grunde liegt. Es soll Raum ge⸗ schaffen werden dazu, daß in gewissen Kreisen und Klassen die Stimme der Sozialdemokratie nicht allein zu hören ist; es soll Raum geschaffen werden für die humanitären Bestrebungen für Be⸗ lehrung, sür Kräftigung von Recht und Sitte und für die Bestre⸗ bungen zum Wohle der arbeitenden und ärmeren Klaffen, und darum die Hoffnung, daß ein verhältnißmäßig. kurzer Zeitraum genügen werde um diesen Bestrebungen die Ueberhand zu verschaffen gegen= über den gegentheiligen.
Wenn nun im Einzelnen von dem Herrn Vorredner gesagt wor⸗ den, man könne sich nichts ungeeigneteres denken, als einer Behörde wie dem Bundeßrath die Ausführung der vorgeschlagenen Maßregeln zu übertragen, so will ich zunächst bemerken, daß der Einwand,“ der Bundesrath sei nicht während des ganzen Jahres versammelt, nicht zutrifft. Nach der Praxis der letzten Jahre ist der Bundesrath nicht mehr geschlossen worden, er ist also in der That versammelt gewefen, und würde jeden Augenblick in der Lage gewesen sein, die Funktionen auszuüben, welche das Gesetz ihm zuschreibt. Wenn welter gesagt worden ist, es wäre keine Beschäftigung für den Reichstag, darüber ö Gericht zu ., ob der Bundegzrath in rechter Weise von dem
erbot einer Zeitschrift oder eines Vereins Gebrauch gemacht hätte,
dann ist das Verfahren, glaube ich, dem Herrn Vorredner gemeint ist. vorschlag nicht daran gedacht worden, daß über jedes ein—⸗ zelne Verbot einer Zeitschrift oder eines Vereines diskutirt werden soll. Nein, meine Herren, die Hereinziehung des Reichs. tages hat nur den Sinn einer Kontrole, der Reichstag soll für be—⸗ fugt erachtet werden, wenn er glaubt, eine den Intentionen des Gesetzes nicht entsprechende Ausführung desselben wahrzunehmen, das in seine Erörterung zu ziehen, und einen solchen Mißbrauch zu be⸗ seitigen; der Reichstag würde es selbst in der Hand haben, vor dergleichen minimen Debatten alle Tage bewahrt zu bleiben, sondern nur, wenn ein Fall dazu Anlaß giebt, sich über die Grundsätze auszusprechen, nach denen das Gesetz gerandhabt werden soll.
Es ist gegen die Strafbestimmung sodann bemerkt worden, ob eine . die Ziele der Sozigl demokratie verfolge oder nicht, das entziehe sich der Beurtheilung des Richters, er habe lediglich festzustellen, ob ein Verbot erlassen sei oder nicht. Voll kommen richtig, und eben weil es so ist, hat man an eine andere Kontrole gedacht, nämlich an den Reichstag. Und dann ist gefagt worden, die Ziele, deren Ver⸗ folgung nicht geduldet werden soll, feien so unbestimmt ausgedrückt worden, daß dies, in zu weiter Form angewendet, damit Dinge ge— troffen werden, welche nicht allein erlaubt seien, sondern auch r e, welche von der gesetzgebenden Gewalt, von allen vernünftigen Leuten im Lande angestrebt werden. Es ist gesagt worden: welcher Gesetz⸗ geber wird sich nicht solche Ziele auch stecken, wie z. B. die Verbesserung
etwas anders gedacht, als von Gewiß ist in dem Gesetzes⸗
welcher verständige Gesetzgeber wird sich einfallen lassen, solche *. zu verbieten? Darum eben soll der Bundes rath zufammenwirken mit dem Reichstage, daß der Mißbrauch solcher Bestimmungen verhin⸗ dert wird; nothwendig ist es aber, die Ausschreitungen zu treffen, und das ist das Ziel des Gesetzes. Eine Reihe anderer Ausführungen geht dahin, daß der Zeitpunkt noch nicht gekommen sei, zu solchen, wie sie bezeichnet wurden, exor⸗ bitanten Gesetzes vorlagen zu greifen. Man hat unt gesagt, meine Herren, es seien die vorhandenen Gesetze nicht genügend angewandt worden, um den Gefahren entgegenzutreten, welche aus der Sozialdemokratie hervorgehen. Ja, meine Herren, ich muß Ihnen sagen, wenn Sie die öffentliche Presse, selbst wenn Sie die Debatten in den (legislativen Körper⸗ schaften verfolgen, was haben Sie wahrgenommen? Eine Beschwerde darüber, daß die Gesetze zu lar gehandhabt würden, oder nicht viel- mehr bei jeder sich darbietenden Gelegenheit die Klage, daß sie zu hart gehandhabt würden. Ich habe nicht die Neigung, Sie mit der Verlesung von Aeußerungen der Presse aufzuhalten, ich glaube, Sie werden mir aber nicht widersprechen, daß kaum eine Woche, ich möchte fast sagen nicht ein Tag vergeht, wo nicht geklagt wird über die vielen Verurtheilungen von Preßvergehen, wo nicht' geklagt wird darüber, daß man gegen Vereine und Versammlungen einschritte, welche gegen das Vereins⸗ und Versammlungsrecht nicht verstoßen. Ueberdies, meine Herren, glaube ich, hat man nicht Ursache, den Re⸗ gierungen vorzuwerfen, daß sie von den vorhandenen Befugnissen nicht genügenden Gebrauch machen. Aber, meine Herren, die; will ich doch sagen, wenn Sie jetzt in diesen Ton einstimmen und das, was von dem Herrn Vorredner in dieser Bezie— hung gesagt worden ist, die Billigung des Reichstags findet, daß es dann allerdings möalich sein wird, die Zügel in dieser Be— ziehung noch straffer anzuziehen. Nur, meine Herren, bitte ich Sie, wohl zu überlegen, daß Sie sich dann nicht beschweren wollen, dar⸗ über, daß es geschieht. Eins von beiden kann man nur wollen: geben Sie uns nicht die Mittel auf dem Wege der Gesetzgebung, welche wir für nothwendig halten, um den Bestrebungen der Sozial⸗ demokraten entgegen zu treten, dann müssen Sie sich nicht wundern, wenn, wie der Herr Vorredner es ausdrücklich gesagt hat, die vor? handenen Mittel bis an die äußerste Grenze der Möglichkeit angewendet werden. Meine Herren! Es ist endlich auf allgemeinere Verhältnisse übergegangen, es ist gesagt worden: liegt denn die Schuld der gegenwärtigen Zustände allein bei der Sozialdemokratie? Gewiß nicht! Dergleichen Krankheiten, wie die Sozialdemokratie im öffentlichen Leben eine ist, gehen aus der Gesammtheit der Verhältnisse hervor, unter welchen sie entstehen, und ich unterschreibe das voll kommen, was von dem Herrn Vorredner gesagt worden ist: es ist keine Partei, auf deren Seite nicht gefehlt worden ist auf dem großen Gebiet der sittlichen und sozialen Verhältnisse; darum eben, meine Herren, ist es die Pflicht aller Parteien, zur Abhülfe mitzuwirken, wenn so schreiende Uebelstände hervorgetreten sind, wie wir sie in den sozialdemokrgtischen Ausschreitungen sehen, und ich kann nur wieder— holen: es ist de Wunsch und die lebhafte Bstte der verbündeten Regierungen, daß man sich vereinigt, um auf diesem Wege der Gefahr entgegenzutreten.
Es ist gesagt worden, wenn außerdem verlangt würde, daß der Regierung diese Mittel, die der Gefetzentwurf verlangt, gegeben werden, man dies nicht in einem Augenblicke thun könne, wo die Regierung so schwankend sei, wo in einem der größten Staaten des Deutschen Reichs sich die Ministerkrise in Permanenz befinde. Nun, meine Herren, ich weiß nicht, warum der Herr Vorredner angenommen hat, daß die Ministerkrise sich in Permanenz erkläre. Die Ursachen liegen klar vor Aller Augen, welche es herbeigeführt haben, daß ein Theil des Königlich preußischen Staats. Ministeriums in den letzten Monaten gewechselt hat, Ich kann dem Gerüchte, daß ein weiteres Mitglied des Königlich preußischen Staats. Ministeriums seinen Abschied verlangt hat, nicht widersprechen, ich kann es aber thun mit dem gleichseitigen Ausdruck der Hoffnung, daß dieser Antrag nicht dazu führen wird, den Austrift deffelben aus dem preußischen Staats⸗Ministerium herbeizuführen. Hiermit, meine Herren, muß ich diesen Gegenstand abbrechen; so viel aber habe ich erklären zu müssen geglaubt gegenüber den Andeutungen des Herrn Vorredners Über weitere Schwankungen innerhalb des Königlich preußischen Staats⸗Ministeriums. Eins indessen, meine Herren, kann ich noch hinzufügen. Wie immer die Verhältnisse sich gestalten werden, in zwei Punkten wird die Regie⸗ rung des größten deutschen Staats, sie mag gestaltet fein, wie sie will, ebensowenig schwankend sein wie die Reichsregierung. Der erste Punkt ist der, daß sie bestrebt sein wird, die erhalkenden Elemente in der Nation zusammenzufassen zu dem gemeinschaftlichen Kampfe gegen Alles, was das sittliche und soziale Leben der Nation gefährdet, und zweitens, daß sie niemals fschwankend sein wird, die Mittel Ihnen vorzuschlagen, welche außerdem noch erforderlich sein müßten, um den vorhandenen Gefahren entgegenzutreten. Wir bitten Sie, meine Herren, in diesem Sinne den vorliegenden Gesetzentwurf zu prüfen, die verbündeten Regierungen bitten Sse, den Gesetzentwurf anzunehmen, und wenn Sie nicht in der Lage fein sollten, dies zu thun, dann wenigstens weiter mit ihnen in die Berathung einzu⸗ treten, welche andere Mittel anzuwenden sind, um den allseitig an⸗ erkannten Gefahren zu begegnen.
Der Abg, von Helldorff erklärte im Namen seiner Partei die Bereitwilligkeit, auf den Gesetzentwurf einzugehen; das Attentat habe Aller Augen auf die Sozialdemokralie gerichtet, noch mehr aber der Artikel des Vorwärts“, der mit bem Satze geschlossen habe: Auf die Anklagebank, aber nicht mit dem Verbrecher, sondern mit der Gesellschaft. Der Redner und seine Freunde hätten wenig Lust, auf das Heilverfahren der Natur zu warten. Die Autorität der Regierung sei ge⸗ schwächt und die Art und Weise, wie man im Parlament von den Verwaltungsbeamten spreche, könne [ diesen Verlust nicht ersetzen. Die polemische Bekämpfung der Sozialdemokraten helfe nichts; das Wirken der Christlich⸗ Sozialen sei anzuerkennen, vor allen Dingen ihr Mannes— muth; aber ihre Erfolge feien zweifelhaft. Wenn, wie im Gesetze vorgesehen sei, die Verwaltungsbehörden das Recht hätten, die sozialdemokratische Presse zu unterdrücken, so be⸗ seitigten sie damit die Verführung und den Terrorismus. Vernichtet würde der Bestand dadurch nicht, aber die Aus⸗ breitung auf das Land könne beschränkt werden. Wenn man die heimliche Agitation als die schlimmere bezeichne, so müsse doch gesagt werden; schlimmer als jetzt in der Deffentlichkeit könne es im Geheimen auch nicht zugehen. Seien denn die Uebelstände, daß Jemand eine ersammlung nicht hesuchen oder eine Zeitschrift nicht lesen solle, so n , weil es sich darum handele, den Umsturz der Ge⸗ ellschaft abzuwehren? Er habe zu den gegenwärtigen politi⸗ schen Leitern Vertrauen, er wolle keine Fraktionspolitik trei⸗ ben. Seine Partei wolle keine Reaktion, wie man sie in der Presse bespreche, sie wolle ein konstitutionelles Leben, aber in maßsvoller und lebensfähiger Entwickelung. Sie wolle die Auswüchse zur rechten Zeit abschneiden. Sie wünsche ein energisches und konsequentes . der Regierung, eine usammen assung aller staatserhaltenden Elemente. Der taat müsse die Interessen der Schwachen schützen und dürfe dabei nicht , oder philosophischen Erwägungen olgen sondern müsse den praktischen Anforderungen Rechnung ragen.
Der Abg. Richter (Hagen) äußerte sich hierauf dahin, er weise den Vorwurf, daß die liberale Partei der Ausbreitung der Sozialdemokratie Vorschub geleistet habe, mit Entschiedenheit
der arbeitenden Klassen ? Gewiß! Aber ich richte die Gegenfrage an Sie,
die erbitterte Gegnerin der sozialistischen Bestrebungen gewesen. Die Sozialdemokratie . weniger gefährlich in ihren Zielen als in den Mitteln, die sie anwende. Nach dieser Seite müsse derselben entgegengetreten werden. Mann irre, wenn man glaube, daß die Srganifation der Sozialdemokraten in ihrer Presse und in den Verhandlungen in den Vereinen bestehe, die Grundlage ihrer Organisation bestehe in ihren Verbindungen, in den Werkstätten. Wenn man jene Partei mundtodt mache, so mache man es ganz unmöglich, sie zu bekämpfen. Dieses Bekämpfen aber sei der einzige Weg, um die Sozialdemokratie zu vernichten Die liberale Partei habe das ihrige gethan, um die Sozialisten zu beseitigen. Die Liebe zu Kaiser und Reich werde unserem Staatswesen, wie bisher, auch ferner den nöthigen Schutz ge⸗ . . Um 4 Uhr vertagte das Haus die Fortsetzung der ebatte.
— In der heutigen (55.) Sitzung des Reichstag res, welcher am Tische des Bundesraths der Präsident des Reichs⸗ kanzler⸗Amtes Staats⸗Minister Hofmann unb mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundesrath beiwohnten, wurde die erste Berathung des Gesetzentwurfs zur Abwehr sozialdemo⸗ kratischer Ausschreitungen fortgesetzt.
Der Abg. Dr. Gneist hob zunächst hervor, daß von den besitzenden Klassen viel zur Bekämpfung der Sozial⸗ demokratie geschehen sei, aber trotz der sorgfältigsten Agitation dringe man selten bis zu denjenigen Per⸗ sonen vor, die man überzeugen wolle. Dakan habe zum großen Theil die einseitige Nichtung unserer Tagespresse und unserer Vereinsthätigkeit Schuld. In Folge dessen halte er das Streben der Regierung, die Befugnisse der Regierung zur Abwehr sozialdemokratischer Ausschreitungen durch ein neues Gesetz zu verstärken, an sich für berechtigt, obwohl er bedauere, daß dasselbe in einer Form abgefaßt sei, welche es jedem Juristen äußerst schwer mache, demselben zu— zustimmen. Es müsse als eine wahre Wohlthat erscheinen, die Wirksamkeit der die Sozialdemokratie von allen anderen Bevölkerungsschichten abschließenden Faktoren eine Zeit lang zu unterbrechen und die Arbeiterkreise dadurch erst wieder den nationalen Vorstellungen zugänglich zu machen. Die Rechtfertigung einer solchen Maßregel sei nicht schwer, wenn man erwäge, daß die Verfassung seibst unter gewissen Bedingungen bei Erklärung des Belagerungszustandes die Sus pension aller Grundrechte zulasse. Angesichts der Gefahr, mit welcher die sozialdemokratische Agitation die Gesellschaft bedrohe, sei man also gewiß berechtigt, Maßnahmen, wie der Gesetzentwurf sie vorschlage, vorzunehmen. Die Wichtig— keit der Preß⸗ und Vereinsthätigkeit für die heutige Gesellschaft lasse aber eine solche Maßregel nur für bestimmte Zeit zu. Er empfehle deshalb die Annahme eines Amen— dements, welches die Suspension der Preß- und Versamm⸗ lungsfreiheit bis zum Beginn der nächsten Parlamentsfession ausspreche. Bis zu jener Zeit würde die Regierung in der Lage sein, eine bessere Vorlage zu machen.
Der Abg. Windthorst erklärte, er stehe der Vorlage gegenüber auf dem gestern von bem Abg. Dr. Jörg entwickelten Standpunkt. Er würde selbst be⸗ klagen, wenn internationale Vereinbarungen zu denselben Bestimmungen führen würden, wie sie hier in der Vorlage vorgeschlagen seien. Der Minister Graf zu Eulenburg habe gestern die zahlreiche Anwesenheit der Reichstagsmitglieder falsch gedeutet, dieselbe bekunde keine Geneigtheit, sich noch in dieser Session mit einem Ausnahmegesetze zu befassen, welches keineswegs geeignet sei, weitere Attentate zu verhindern. Die Oeffentlichkeit der Untersuchung gegen den Attentäter gefährde auch die Resultate derselben und es sei noch keineswegs erwiesen, welches die Motive des Attentäters seien. Die Vor— lage ziehe keine Grenze zwischen den berechtigten und den un⸗ berechtigten Zielen der Sozialdemokratie. Er achte die Leiter der christlich⸗sozialen Partei außerordentlich hoch, welche der Sozialdemokratie gegenüber den Muth gehabt hätten, das Zeichen des Kreuzes aufzurichten. Um ihretwillen würde er auch dieser Vorlage nicht zustimmen. Auch das mit dem Kulturkampf inaugurirte System trage wesentlich zur För— dern der Sozialdemokratie bei. Er bitte, diese Vorlage ab⸗ zulehnen.
Der Präsident des Reichskanzler Amts stellte einige seiner früheren Aeußerungen in dieser Debatte den Ausführungen einiger Redner gegenüber richtig. Er habe allerdings gesagt, zu den volkserziehenden Mitteln gegen die verderblichen Wir⸗ kungen der sozialdemokratischen Bestrebungen gehöre die Kirche. Er habe dabei nicht an eine bestimmte Kirche, auch nicht an die römisch⸗katholische gedacht. Der Abg. Jörg habe gesagt, wenn die Kirche dem Staate dienen solle' in der Be— kämpfung der Sozialdemokratie, dann müsse man die Kirche freigeben. Demgegenüber müsse er betonen, daß die Kirche dem Staate keine Dienste leiste für Gegenleistungen und um⸗ gekehrt, sondern jeder der beiden gesellschaftlichen Ordnungen verfolge ihre Zwecke um ihrer selbst willen. Auch wenn die Mai⸗ esetze bestehen blieben, würde es der römisch⸗katholischen Kirche h gut möglich sein, die religiöse Erziehung des Volkes zu lei ten. Wenn die ultramontane Partei ö die hier von ihren Rednern vertretenen staatserhaltenden Ziele verfolge, dann möge sie ihre Presse anweisen, in weniger demonstrativer Weise die Grundlagen des nationalen Staates anzugreifen. Der Abg. Graf von Moltke erkannte die Amendirungs⸗ fähigkeit der Vorlage an, jedoch feien alle Parteien darin einig, daß man eines größeren Schutzes gegen die sozialdemo⸗ kratische Gefahr bedürfe. Keine Regierung könne die Noth und das Elend aus der Welt ö. und diese Konsequenz zögen auch die sozialdemokratischen Führer nicht bei ihren Angriffen gegen den Staat. Der nicht nach Konsequenzen, sondern greife zu Mitte n, welche auch die sozialdemokratischen Führer verwürfen. Hinter den ehrlichen Revolutionären ständen eben jene dunklen Existenzen, deren schauderhafte Wirksamkeit sich in der Pariser Kommune gezeigt habe. Die Regierung werde wohl mit gewaffneter Hand den Staat gegen die Ausschreitungen der Sozialdemokratie schützen können, das helfe aber nur für den Augenblick; die bent lichen Schäden würden auf diesem Wege nicht geheilt.
enn man also auch heute die Vorlage als mangelhaft ab⸗ lehne, dann möge der Reichstag doch der Regierung bei der el tlung vorbeugender Bestimmungen gegen diese Gefahren elfen.
Der 57 Dr. Lasker ahr aus, daß die Regierung mit dieser Vorlage kein solches Mittel gebe, wie es der Vorredner wünsche, sondern nur den Schein eines solchen, denn nach dieser Vorlage würde die Ausle ung derselben nur in die Willkür der Exekutive gelegt. Nicht die Ziele der
hungernde und frierende Mensch fag: aber
zurlick. Namentlich die Fortschrittspartei fei von Anfang an
Sozialdemokratie müßten hauptsächlich von der strafenden
und bei 383 Bahnen — 43,1 Proz. geringer, als in demselben
Gesetzes getroffen werden sondern die Mittel, mit 6a e . n einem Zustande, der durch die Mitschuld der besitzenden Klassen entstanden sei, dürfe man nicht den Boden des gemei⸗ n Rechts verlassen. Die Vorlage könne entweder die wohl⸗ ige Folge haben, das Volk zur Einkehr von der sozial⸗ lhannse glg n Verirrung anzuregen oder die verderbliche, inen Zwiespalt zwischen den staatserhaltenden Parteien zu n nr sc hen. Er 55 daß letzteres nicht der Fall sein werde. 83 Partei werde, da die zwingende Nothwendigkeit keines⸗ egs erwiesen sei, keinen Ausnahmemaßregeln zustimmen, e l den Boden des gemeinen Rechts verließen,
Die Generaldiskussion wurde hierauf geschlossen. Nach einer Reihe persönlicher Bemerkungen lehnte das Haus die Verweisung der Vorlage an eine Kommission ab und trat ofort in die Spezialberathung ein. Die 58. 1 und 6 wur⸗ ben gleichzeitig zur Debatte gestellt nebst den dazu gestellten Anträgen der Abgg. Dr. Gneist und Dr. Beseler, welche wir morgen mittheilen werden, .
Beim Schlusse des Blattes hatte der Abg. Dr. Lucius
das Wort. ö.
— Nach der vom Reichs-Eisenbahnamt vexöffent⸗ lichten in der Ersten Beilage abgedruckten Uebersicht der Betriebs-Ergebnisse deutscher Eisen bahnen —erkl— Bayerns im Monat April d. J. stellt sich auf den 838 Bahnen, welche in dem Zeitraume vom 1. Januar 1877 bis Ende April d. J. im Betriebe waren und zum
ergleich gezogen werden können: .
. . aus allen Verkehrszweigen im Monat April d. J. bei 59 Bahnen — 56,9 Proz. der Gesammtzahl höher
at des Vorjahres, und die Einnahme pro Kilometer im . April d. J. bei 44 Bahnen — 50,0 Proz. der Gesammt⸗ zahl höher und bei 44 Bahnen — 50,0 Proz. (darunter 14 Bahnen mit vermehrter Betriebslänge) geringer, als in dem⸗ selben Monat des Vorjahres; die Einnahme aus allen Verkehrszweigen bis Ende April d. J. bei 59 Bahnen — 56,9 Proz. der Gesammtzahl höher und bei 38 Bahnen — 43,1 Proz. geringer, als in deniselben Zeitraum des Vor⸗ jahres, und die Einnahme pro Kilometer bis Ende April d. J. bei 42 Bahnen — 47,7 Proz. der Gesammtzahl höher und bei 46 Bahnen — 52,8 Proz. (darunter 16 Bahnen mit vermehrter Betriebslänge) geringer, als in demselben Zeitraum . Vorjahres. Bei den unter Staatsverwaltung stehenden Privat⸗Eisenbahnen — einschließlich der Annaberg⸗ Weiperter und Chemnitz⸗Würschnitzer Eisenbahn — beträgt Ende April d. J. das gesammte konzessionirte Anlagekapital 1251 939 80d M (416 265 9090 . Stammaktien, 44 595 00 Prioritäts⸗-Stammaktien und 791 078 909 6 Prioritäts-Obli⸗ , , und die Länge derjenigen Strecken, für welche dieses Kapital bestimmt ist, 4545,39 km, so daß auf je 1 kim 275 259 46 entfallen. Bei den unter Privatverwaltung stehenden Privat— Eisenbahnen — ausschließlich der Uelzen⸗Langwedeler 6. bahn — beträgt Ende April d. J. das gesammte kon⸗ zessionirte Anlagekapital 3 019 193 507 M6 (1 066 615 108 60 Stammaktien, 331 608 750 M Prioritäts⸗Stammaktien und 1620 969 649 ½ Prxioritäts-Obligationen) und die Länge der⸗ jenigen Strecken, für welche dieses Kapital bestimmt ist, 11 911,95 km, so daß auf je 1 lm 253 4539 M kommen.
— Der Königliche Gesandte Graf von Werthern⸗ Beichlingen ist nach München zurückgekehrt und hat die Leitung der Königlichen Gesandtschaft wieder übernommen.
Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 23. Mai. (B. T. B.) Der Landtag hat den Vertrag mit Preußen wegen dessen Beitritts zum Oberlandesgexricht in Jena einstimmig genehmigt. — Der Landtags-Präsi⸗ dent verlas die Dankesantwort Sr. Majestät des Kaisers auf das vom Landtage an Allerhöchstdenselben gerichtete Glückwunschtelegramm, in welcher darauf hingewiesen wird, daß als gute Frucht der bösen That die Bande gegen— seitigen Vertrauens noch fester geknüpft worden seien.
Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 23. Mai. (W. T. B.) Die „Polit. Korresp.“ meldet aus Konstantinopel von gestern; Die Russen bei San Stefano erhalten neuerlich ansehnliche Verstärkungen aus Adrianopel, die ersten 4000 Mann sind am 19. d. M. daselbst eingetroffen und seit⸗ dem haben die Zuzüge fortgedauert. Dieselben werden zur Verstärkung der beiden russischen Parallelaufstellungen vor Konstantinopel, vom Schwarzen Meere bis zum Marmara⸗ meere, verwendet. Das russische Hauptquartier soll abermals strikte Aufträge zur raschesten und energischen Unterdrückung des Aufstandes ertheilt haben. — Dasselbe Blatt meldet aus Belgrad von heute: Rußland hat Serbien mitgetheilt, daß es die nachträglich zugesagten Subsidien bis zum letzten Mai d. J. vollständig gesendet habe und daß soeben ein be⸗ deutender Geldbetrag unterwegs sei. In Folge dessen werden vom Kriegs⸗Minister namhafte Bestellungen für die Okkupations-⸗Armee bei den Lieferanten gemacht. Der militärische Vertreter Rußlands bei dem serbischen Sberkom⸗ mando, General Bo brikoff, i nach St. Petersburg be⸗ rufen, um über den Zustand der serbischen Armee zu berichten
— (W. T. B.) Nach einer Meldung der „Presse“ aus Lettinje hat Fürst Nikolas eine Note nach Wien und St. Petersburg abgesendet, worin den (von montenegrini⸗ . Seite behaupteten) türkischen Truppenansamm⸗
ungen bei Seutari gegenüber auf die friedfertige Hal⸗ tung Montenegros hingewiesen und der Pforte allein die Ver⸗ antwortung für eventuelle Komplikationen zugeschoben wird. Da Montenegro in dieser Angelegenheit, sowie hinsichtlich der Repatriirung der Flüchtlinge ganz besonders die Intervention Desterreichs angerufen 6 schienen die Meldungen von einer zwischen Oesterreich und Montenegro bestehenden Spannung unbegründet. . .
— 24. Mai. (W. T. B.) Gegenüber der Meldung hie⸗ siger Blätter von Bemühungen der Anglobank, in Paris einen Vorschuß auf den 60 Millionen-Kredit Namens des gemeinsamen Finanz-Ministers aufzubringen, kann die Pres se“ auf Grund authentischer Mittheilung erklären,
aß hierzu weder von Seiten des gemeinsamen Finanz⸗ Ministers, noch von Seiten des österreichischen Finanz⸗Ministers irgend Jemand beauftragt worden sei.
Belgien. Brüssel, 23. Mai. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Repräsentantenkammer er⸗ klärte der Minister der öffentlichen Arbeiten, Beernaert, auf eine Anfrage des Deputirten Delhaye, die
Kanals von Terneuzen seien noch immer in der Schwebe. Die eingetretene Verzögerung habe darin ihren Grund, daß wegen des Rückkaufs der Eisenbahnlinie Antwerpen⸗Rotterdam Verhandlungen eingeleitet seien. — Der Gesetzentwurf wegen Rückkaufs eines Theiles der flandrischen Eisen⸗ bahnlinien wurde von der Kammer genehmigt.
Ergßbritannien und Irland. London, 23. Mai.
(W. T. B.). Graf Schu waloff hat heute Nachmittag die
bereits angekündigte Unterredung mit Lord Salisbury
gehabt und dem Staatssekretär des Auswärtigen die Vor⸗
schläge Rußlands des Näheren dargelegt. In den hiesigen
politischen Kreisen waltet, wie das „Reutersche Bureau“
dieser Meldung hinzufügt, im Allgemeinen die Ansicht vor,
daß der Frieden erhalten bleibe und daß der Kon⸗
greß zusammentreten werde. — In der heutigen
Sitzung des Unterhauses erklärte auf eine An⸗
frage Hartingtons der Schatzkanzler Northeote,
daß er die Berathung des für die indische Tr uppen⸗
Expedition erforderlichen Nachtragskredits auf näch⸗
sten Montag anberaumt habe, Hierauf wurde die Berathung
über die Hartingtonsche Resolution, betreffend die
Verwendung indischer Truppen, fortgesetzt. . Der
Staatssekretär des Innern, Croß, sprach sich für die
Verfassungsmäßigkeit der Maßregel aus und hob hervor, daß
die Geheimhaltung derselben durch die Umstände geboten ge⸗
wesen sei. Derselbe wies ferner darauf hin, daß die Regie— rung, als sie die Absendung indischer Truppen beschlossen, der Ueberzeugung gewesen sei, daß sich das Land in imminenter Gefahr befinde, daß die Prärogativen der Krone die Regie⸗ rung zu dem gedachten Schritte berechtigten, und daß die Verfassung nicht durch denselben verletzt werde. Er sei über⸗ zeugt, 2. das Land die Handlungsweise der Regierung billi⸗ en werde.
. — 24 Mai, früh. (W. T. B) Un terhau s. Im weiteren Verlaufe der Debatte über die Resolution Hartingtons hatte Forster die Nothwendigkeit der Geheimhaltung der Heranziehung indischer Truppen bestritten; die Publizität würde Europa mehr imponirt haben. Der Redner warnte vor der Creirung einer großen indischen Armee. Der Schatzkanzler Northeote bestritt, daß eine Verletzung der Verfassung statt⸗ gefunden habe; wenn eine solche vorgelegen hätte, so würde er ungeachtet der wichtigen Interessen, die dabei im Spiele gewesen, in die Berufung der indischen Truppen nicht ge⸗ willigt haben. Harting ton führte aus, daß die Behaup⸗ tungen der Opposition von der gegnerischen Seite nicht wider⸗ legt worden seien, die Regierung habe das Haus in eine Lage versetzt, in der es unmöglich die verlangten Gelder verwei⸗ weigern könne; das Land sei der Gefahr eines Krieges ausgesetzt. Schließlich hat das Unterhaus die Resolution Hartingtons mit 34, gegen 226 Stimmen abgelehnt; die Majorität für die Regierung beträgt mithin 121 Stim— men. Das von dem Staatssekretär der Kolonien, Hicks⸗Beach gestellte Amendement, welches besagt: das Haus halte die verfassungsmäßige Kontrole des Parlaments in Bezug auf die Aushebung und Verwendung von militä⸗ rischen Streitkräften für vollständig gesichert und erachte es daher für unnöthig und unzweckmäßig, einer Resolution zuzu— stimmen, die die Hände der Regierung zu schwächen geeignet wäre, wurde ohne Abstimmung genehmigt. ö
— 24. Mai, Vormittags. (W. T. B) Die „Morning⸗ post“ sagt in einem als inspirirt angesehenen Artikel Graf Schu waloff überhringe die Versicherung, daß die Frie dens⸗ neigung in St. Petersburg der in London bestehenden vollstän⸗ dig gleichkomme. Graf Schuwaloff sei auch der Träger gewisser Ausdrücke der Bereitwilligkeit, den englischen Anschauungen entgegenzukommen, und eines allgemeinen Planes zur Erzie⸗ lung einer Versöhnung. Die russische Regierung lehne es zwar ab, den Vertrag von San Stefano zu annulliren, sei aber vorbereitet, den Vertrag auf dem Kongresse diskutiren zu lassen. Graf Schuwaloff soll ferner versichert haben, daß der Kaiser von Rußland dem General Totleben jeden Versuch einer Ueberrumpelung Konstantinopels untersagt habe; die russische Regierung sei auch ohne allen Konnex mit dem jüngst erlassenen Aufruf zur Equipirung einer Kreuzerflottille. Die nächsten Tage würden wahrscheinlich Zeuge des Beginns der Besprechungen sein, die schließlich die Basen für die prak— tischen Verhandlungen bilden dürften.
W. T. B.) Gestern hat in den Centren der Strikedistrikte eine Abstimmung der Baumwollen⸗ weber über die Frage der Wiederaufnahme der Arbeit statt⸗ gefunden; die Abstimmung ergab das Resultat, daß die Wiederaufnahme der Arbeit abgelehntt ist.
rankreich. Perpignan, 2. Mai. (W. T. B.). Nach hier . Nachrichten hat sich in den spanischen Ortschaften in der . von Jungqu era eine Schaar von etwa 50 bewaffneten Personen gezeigt, die unter dem Rufe: „Es lebe die föderale Republik!“ die Ortschaften durchzog und die Zollwachposten entwaffnete.
Türkei. Konstantinopel, 24. Mai. (W. T. B.) In Folge der Ruhestörungen vor, dem Palast von Tsche⸗ ragan ist das Journal „Bassiret“ suspendirt und der Direktor desselben verhaftet worden. — In San Stefano sind von Rodosto neue russische Truppen eingetroffen.
Rußland und Polen. St. Peters burg, 23. Mai. (W. T. B.) Mittelst Extrazuges der Nicolai⸗Bahn ist heute Nachmittag 2 Uhr der Schah von Persien hier eingetroffen. Der 2. wurde am Bahnhofe, wo eine Ehrenwache auf⸗
estellt war, vom Kaiser und den Mitgliedern des Kaiser⸗ ne empfangen, fuhr gan der Seite des Kaisers im offenen Wagen den Newsky⸗Prospekt entlang nach dem Winterpalais und wurde von der massenhaft angesammelten Bevölkerung freundlich begrüßt. Die Stadt hat zu Ehren des Schahs Flaggen⸗ schmuck angelegt. Der Aufenthalt des Schahs wird nach den bis jetzt getroffenen Bestimmungen bis zum Mittwoch dauern. — Das Befinden des Reichskanzlers Fürsten Gortscha⸗ koff hat sich zwar insofern gebessert, als die Schmerzen weniger heftig sind und der Kranke zeitweilig das Bett mit einem Ruhesessel vertauschen kann; aber die Anschwellungen und die Schwäche sind unverändert. — General Ignatieff, der ebenfalls erkrankt war, befindet sich besser.
Amerika. New⸗HYork, 23. Mai. (W. T. B.) Die demokratische Konvention von Pennsylvanien hat ein Programm aufgestellt, in welchem sich dieselbe gegen die Verminderung der Greenbacks⸗Emission erklärt und die Anstellung einer gründlichen Untersuchung über die bei den Wahlen von 1876 vorgekommenen Unregelmäßigkeiten ver⸗
fahrt verurtheilt. — Nachrichten aus Mexiko zufolge hätten die Parteigänger Lerdo's gestern die Stadt Reynosa eingenommen.
Afrika, Egypten. (A. A E) Der „Moniteur Egyptien“ hat einen auf die Vorschläge der finanziellen
Untersuchungs⸗Kommission basirten Bericht von Mr. Rivers Wil son veröffentlicht, der von einem amtlichen Dekret
des Khedive begleitet ist, welches den Bericht acceptirt und die regelmäßige Zahlung der Pensionen und Gehälter der Regierungsbeamten anordnet, sowie auch die Zahlung 8er diesen Beamten schuldigen Rückstände verfügt. Das amtliche Dekret — meldet eine Depesche der „Daily News“ aus Alexandria — ist der Vorläufer anderer von Mr. Rivers Wilson vorgeschlagenen und gegenwärtig unter Diskussion be⸗ findlichen Reformen. Dasselbe hat einen großen Eindruck in Alexandria hervorgerufen.
Aus dem Wolffschen Telegraphen⸗Bureau. London, Freitag 24. Mai, Vormittags. Der deuische Botschafter, Graf Münster, gab gestern zu Ehren des Kron⸗ prinzen und der Kronprinzessin des Deutschen Reichs ein Galadiner, welchem der Marquis und die Marquise of Lorne, die Botschafter Rußlands, Oesterreichs, Frankreichs, Italiens und der Türkei, der Lordkanzler, Lord Salisbury und der Herzog von Richmond mit ihren Gemahlinnen, sowie der Herzog von Northumberland und der General Napier beiwohnten. Nach dem Diner fand ein sehr glänzender Empfang statt, zu dem sich die Elite der Aristokratie und der Gentry sehr zahl⸗ reich eingefunden hatte. Der Sängerchor des deutschen Turn⸗ vereins brachte ein Ständchen dar. — Heute Abend findet zu Ehren des Kronprinzlichen Paares eine Galasoirée mit Konzert bei dem Prinzen von Wales statt. — Der „Morningpost“ zufolge begiebt sich der Herzog von Cambridge demnächst zur Inspizirung der indischen Truppen nach Malta.
Statistische Nachrichten.
Nach Mittheilung des statistischen Bureaus der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 12. Mai bis inel. 18. Mai er. zur Anmeldung gekommen: 199 Ehe⸗ schließungen, 791 Lebendgeborene, 42 Todtgeborene und 611 Sterbefälle.
Kunst, Wissenschaft und Literatur. . Franz von Holstein, dessen Over „der Haideschacht“ mit Beifall über viele deutsche Bühnen gegangen, ist in der Nacht vom 21. zum 22. Mai in Leipzig gestorben. . ; Straßburg, 18. Mai. (Straßb. Ztg) Einen neuen Beweis für die warmen Sympathien, deren sich die Kaiserliche Univer⸗ sitäts-; und Landesbibliothek in Straßburg aus allen Gauen des deutschen Vaterlandes fortwährend erfreut, hat dieselbe soeben wiederum erfahren, indem ihr nach dem Willen des verstorbenen Königlich preußischen Staats⸗Ministers Dr, von Hethmann⸗ Hollweg aus dessen juristischer und stagtswissenschaftlicher Biblio⸗ thek ca. 300 Bände als Geschenk überwiesen wurden. — Von der im Verlage der Hinstorffschen Hofbuchhandlung in Wismar erscheinenden Volksausgabe der sämmtlichen Werke von Fritz Reuter (zu 75 g die zieferung) liegt der 4 Band (Lief. 13 bis 16) vor. Derselbe enthält „Hanne Ftüte“, „Ut mine Festungstid! und „Gedichte“.
Gewerbe und Handel.
Der Bericht der Liquidatoren der Frankfurter Wechsler⸗ bank pro 1877 konstatirt, daß der 13. d. Mts. der Termin ist, von welchem an Auszahlungen aus der Liqidationsmasse stattfinden dürfen; in Folge dessen wurde für den 1. Juni eine Rückzahlung von 450 4 per Aktie beschlossen. Bis Ende 1877 waren 5124 362 1 liquid ge⸗ macht, welche bei der Deutschen Vereinsbank deponirt wurden. Die Debitoren haben sich von rund 4 Millionen Mark Ende 1876 auf od. Millionen Mark reduzirt. Die vorjährige Spezialreserve von 134 4·ę5 46 wurde im Laufe des Jahres bis auf 22 454 S vermin- dert, und am Jahresschlusse ergab sich die Nothwendigkeit, diesen Betrag und noch weitere 55 900 16 abzu⸗ schreiben. An Gewinn wurden erzielt für Provisionen 76 868 , Wechsel 33 981 4, Zinsen 163 629 MS und einschließlich Diverse insgesammt 235 824 MSH Davon wurden verwendet für Gehälter 75 452 MS, Gratifikationen an ausgetretene Beamte 9350 6, Unkosten 19 147 6 (1876 27 830 46), Verlust an Effekten 59 154 46, Depositenzins 2289 46, Dubiosen 55 900 „M, Abschreihung guf Mo⸗ bilien 3441 S, so daß 11 483 6 übrig bleiben. Die Verpflich⸗ tungen des Instituts betrugen Ende 1877 insgesammt 392 4 — Am 135. Mai er. waren liguide 5 447 964 66. Nach Abzug der am 1. Juni auszuzahlenden 75u/0 des (7,V? Millionen Mark betragenden) Aktienkapitals bleiben disponibel 47 9646 6, Ferner waren vorhanden in nicht sofort , , gn, Effelten 87 075 S, in Mobilien 3000 16, in Debitoren 557 863 M ö.
— Dem Jahresberichte der Un garischen Nordo sthahn für das Jahr 1877 entnehmen wir folgende Daten: Die Gesammt⸗ Einnahmen betrugen 2552 632 Fl. (1876: 2509 591 Fl.) oder 1399 Fl. per Bahnkilometer. Die Betriebsausgaben stellten sich auf 1828434 Fl. (1876: 1 812 092 Fl.) oder 3151 per Bahnmeile. Der Betriebsüberschuß stellt sich somit auf 616 018 Fl. oder zum durch schnittlichen Silbercourlse von 11 60 auf 554 971 Fl. und der Garantiezuschuß auf 2 358942 Fl.
Verkehrs ⸗Anstalten.
Plymouth, 23. Mai. 9 T. B.) Der Hamburger
Postdampfer „Silesia“ ist hier eingetroffen.
Berlin, 24. Mai 1878.
Frankfurt a4. M. In den Räumen des Städel schen Kunstinstituts ist durch das Zusammenwirken der Wittwe von Philipp Veit mit mehreren hiesigen und auswärtigen Kunst— freunden eine fast vollständige Ausstellung der Werke von Philipp Veit veranstaltet worden. Es finden sich hier zwei interessante Damenporträts aus den dreißiger Jahren, die ‚Aussetzung Mosig “, „die beiden Marien am Grabe“ und verschiedene Madonnen aus hiefigem Privgtbesitz, die Cartons und Farhenskijzen zu den Fresken in Casa Bartoldi und dem Vatikan zu Rom und zu den Gemälden im Dome zu Mainz sowie viele kleinere Gegenstände, so daß die drei Säle füllende Ausstellung eine gute Uebersicht der lang- jährigen Thätigkeit dieses Veteranen der deutschen Kunst darbietet.
riedrich⸗Wilhems städtisches Theater. Gastspiel d ar tn, , sachsen - meiningischen Hoftheater. Die gestrige Aff hrurh des Wintermärcheng“ fand wiederum vor ausverkauftem Hause statt. Morgen, Sonnabend, tritt ein Wechsel in der Besetzung der Hauptrollen ein, in dem Hr. Robert (Ehren mitglied) den Leontes“, Frl. Hennies, die neuengagirte diebhaberin, bisher Mitglied des Königlichen Theaters in Hannover, die ö. und Frl. Grevenberg die Perdita“ spielen werden. Die gestrige Vorstellung beehrten Ihre Königlichen Hoheiten der Erbprin) von Sachsen⸗-Mein ingen . Gemahlin, und Prinz Hein⸗
i i rer Gegenwart. .
23 r n . Mitterwurzer, der Gast des National Theaters, wird am Sonntag in einer seiner Bravourrollen, und
langt, jedoch jedweden Angriff auf den Rechtstitel des Prä⸗
Verhandlungen mit den Niederlanden wegen des
sidenten Hayes als gefährlich für die allgemeine Wohl⸗
zwar als „Kean“ in dem effektvollen Drama gleichen Namens, auftreten.