1879 / 29 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 03 Feb 1879 18:00:01 GMT) scan diff

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Endlich wurden zwei Eingaben vorgelegt, nämlich eine

Eingabe der Handelskammer zu Bochum, betreffend Abände⸗ rung des Wechselstempelsteuergesetzes, welche dem Aus⸗ schusse für Zoll⸗ und Steuerwesen, und eine Eingabe des deutschen Brauerbundes zu Frankfurt a. M., betreffend den Eingangszoll von Bier, welche der Zolltarif⸗Revisionskommission überwiesen wurde.

Der Ausschuß des Bundesraths für Zoll- und Steuerwesen trat heute zu einer Sitzung zusammen.

Im weiteren Verlaufe der vorgestrigen (42.) Sitzung ging das Haus der Abgeordneten zur zweiten Lesung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Bildungen von Wassergenossenschaften, über.

Die Kommission beantragte die Annahme des 8§. 1 in folgender Fassung:

Zur Benutzung oder Unterhaltung von Gewässern zur Ent⸗ oder Bewässerung von Grundstücken, zum Schutze der Ufer, zur Anlegung, Benutzung oder Unterhaltung von Wasserläufen oder Sammelbecken, zur Herstellung und Verkesserung von Wasserstraßen (Flößereien) und anderen Schiffahrtsanlagen können Genoffen— schaften nach den Vorschriften dieses Gesetzes gebildet werden.“

Der Abg. Freund trat als Berichterstatter für die Be⸗ schlüsse der Kommission ein und konstatirte, daß auch die für die Wasserversorgung von Städten und industriellen Etablisse⸗ ments ꝛc. dienenden Zuleitungen unter den Begriff Wasser— läufe fielen.

Der Abg. Parisius sprach sich gegen die Anwendbarkeit des Gesetzes auf die Verbesserung von Wasserstraßen aus, und stellte dementsprechende Anträge für die dritte Lesung in Aussicht.

Der Abg. Niederschabbehard sprach für die Annahme des 5. 1 und des ganzen Gesetzes, bat aber die Regierung, mit diesem Gesetze die Reform des Wasserrechts nicht als ab— geschlossen zu betrachten. Es bleibe nach dieser Richtung hin noch viel zu thun übrig. Darauf wurde §. 1 angenommen, ebenso ohne Debatte 8§5§. 2 bis 19.

§. 20 bestimmt, daß für die Verbindlichkeiten der Ge— nossenschaften das Vermögen der Mitglieder, jedoch ohne eigentliche Solidarhaft, haftet, die fehlende Summe soll nur durch allmähliche höhere Beiträge bis zur erfolgten Tilgung der Schuld aufgebracht werden. Der Abg. hr. Hänel beantragte, die formelle Solidarhaft in das Gesetz aufzunehmen, während Abg. Biesenbach den Antrag stellte, die einzelnen Mitglieder der Genossenschaft zu nicht größeren Leistungen für die Til— gung der Genossenschaftsschulden, als höchstens mit dem dreifachen Satze ihres regelmäßigen Beitrags heranzuziehen.

Der Abg. Freund führte als Referent aus, daß die Kom— mission zwar fast einstimmig das in der Regierungsvorlage adoptirte Prinzip der Solidarhaft abgelehnt habe, zugleich aber darüber einverstanden gewesen sei, daß man für Verbindlich⸗ keiten der Genossenschaft nicht lediglich das Genossenschafts— vermögen haftbar erklären, die persönliche Haftung der Theil— nehmer also nicht ausschließen könne. Die Kommission sei ferner zu dem Beschlusse gelangt, die Befriedigung der Gläu⸗ biger im Wege des Umlegeverfahrens herbeizuführen. Daß im weiteren Gange dieses Verfahrens die durch Zahlungs— unfähigkeit einzelner Genossen entstehenden Ausfälle von den übrigen antheilig zu tragen seien, habe man als den all— gemeinen Rechtsgrundsätzen entsprechend erachtet. Man habe ferner daran festgehalten, daß gegen die Genossen Zwangs— vollstreckingen nur aus Erkenntnissen zulässig feien, welche gegen sie, nicht aus solchen, welche gegen die Genossenschaft ergangen seien. Die Annahme des Amendements Biesenbach empfehle sich nicht.

Der Abg. Biesenbach begründete seinen Antrag. Er sei durchaus kein Feind der Genossenschaften und habe nicht die Ab— sicht, den Kredit der Schulze-Delitzschen Genossenschaften zu schädigen, aber er bekämpfe das Prinzip der Solidarhaft als schädlich und behaupte, daß es in manchen Fällen geradezu zu einer sozialen Gefahr werden könne. Er hoffe, daß die in weiten Kreisen sich kundgebende Abneigung gegen die Solidarhaft auch bis zur Regierung dringen und die Frage Anregen würde, ob nicht auf dem Wege der Reichsgesetzgebung

dagegen Abhülfe zu schaffen sein würde. Die Solidarhaft ge⸗ währe auch keinen Anhalt für das Maß des zu gewährenden Kredits, da die Zahl der Genossenschafter stets wechsele und ebenso das Vermögen der Genossenschaft, dagegen sei sie gleichbedeutend mit einer Schädigung des Kredits Dritten gegenüber. Tausende, die sonst Freunde des Genossenschafts— wesens wären, ließen sich durch das Prinzip der Solidarhaft vom Beitritt abhalten. In der Rheinprovinz hätten sich viele sehr gut geleitete Genossenschaften wegen dieses Prinzips in Altiengesellschaften umgewandelt, ohne dadurch an ihrem Kredit etwas einzuhüßen. Nach seiner Ansicht könnten die Vorschläge der Kommission, wenngleich sie zwar das Prinzip perhorreszirten, thatsächlich für die Genossenschaften dieselbe verderbliche Wir⸗ kung haben. Er empfehle schließlich die Annahme eines von den Abgg. Dr. Hänel und Dr. Lasker eingebrachten Antrages mit einem von ihm gestellten Unterantrag, welcher die Haft⸗ barkeit der Genossen noch weiter limitire.

Gegen dieses Unteramendement erklärten sich der Re—⸗ gierungskommissar, Geheime Justiz-Rath Freiherr von Bülow, jowie der Abg. Dr. Hänel, welcher Letztere zugleich seinen Antrag begründete, der sich vollständig in dem Ideen⸗ gang der Kommissionsbeschlüsse bewege und denselben nach gewisser Richtung nur ergänze. Der Regierungskommissar sprach sich im Ganzen zustimmend bezüglich der Anträge Hänel⸗ Lasker aus.

Die Abgg. Dirichlet, Parisius und Löwenstein empfahlen den Antrag Hänel, indem sie ausführten, daß dieser Antrag Den engsten Anschluß an die Bestimmungen des neuen Reichs echtes habe, und daß sich bis zur dritten Lesung leicht eine Fassung finden lassen würde, die die Uebereinstimmung mit der Civilprozeßordnung herstelle.

Der Abg. Wisselinck bedauerte, daß der Abg. Biesenbach ein so abfälliges Urtheil über das Genossenschafts wesen ganz allgemein ausgesprochen habe,

Der Abg. Parisius wandte sich ebenfalls gegen die unbe— rechtigten Angriffe des Abg. Biesenbach auf die Schulze— Delitzschen Genossenschaften, und empfahl die Annahme des Antrages Hänel⸗Lousker, dessen rebaktionelle Fassung im vierten Alinea der dritten Lesung vorbehalten bleiben könne. Nach einigen ferneren Bemerkungen der Abgg. Biesenbach und Parisius wurde Alinea 1 des 5§. 20 in folgender Fassung angenommen:

»Für die Verbindlichkeiten der Genossenschaften haftet deren Vermögen. Genügt dasselbe zur Befriedigutzg der Gläubiger nicht, so ist die Erfüllung der Verbindlichkeiten durch Beiträge zu pe⸗ wirken, welche von dem Vorstande, beziehungsweise von den Liqui datoren (565. 30 ff.) nach dent jm Statut festgefetzten Theil nahme⸗

verhältniß auf die Genossen umzulegen und belzutragen sind. Ist zur Beitreibung der Beiträge die voll stãndig gegen einen Genossen ganz oder theilweise fruchtlos geblieben, so ist der Autfall auf die übrigen Genossen in gleicher Weise zu vertheilen. Dasselbe findet statt, wenn über das Ver— mögen einesß Genossen das Konkursverfahren eröffnet wor⸗ den ist, unbeschadet des Rechtes der Genossenschaft, ihre

Forderungen auf die Beiträge im Konkurtverfahren zur Geltung

zu bringen. Findet die Zwangsvollstreckung gegen eine Genossen⸗

schaft statt und verweigern oder verzögern der Vorstand, bezw. die

Liguidatoren die Beitreibung der Beiträge, so hat das Voll

streckungsgericht auf Antrag des Gläubigers und unbeschadet der

Bestimmungen der 19a. und 36 einen oder mehrere Genossen,

erforderlichen Falles dritte Personen, damit zu beauftragen, die

Umlage und Beitreibung der Beiträge an Stelle des Vorstandes

beziehungsweise der Liquidatoren und Namens der Genossenschaften

zu bewirken. Den Beauftragten steht das Recht zu, die Genossen nach Maßgabe der Bestimmungen des §. 190. Alinea 2 zu be⸗ rufen.“

85. 23, welcher bestimmt, daß bei einem Wechsel in der Person der Eigenthümer der neue Erwerber kraft Gesetzes an die Stelle des früheren Besitzers in die Genossenschaft tritt, wurde mit einigen Amendements der Abgg. Dr. von Cuny, Freund und Dr. Schellwitz angenommen.

Zu §. 23 beantragte der Abg. Parisius, einen neuen Paragraphen (23 a.) einzuschieben, wonach ein Grundstlck wegen dauernden Nachtheils unter gewissen Bedingungen aus der Ge⸗ nossenschaft ausscheiden könne. Der Antrag wurde indeß als unzulässig und als Einbruch in unsere Gesetzgebung von dem Regierungskommissar, Geheimen Justiz-Nath Frhrn. von Bülow, bekämpft und vom Hause abgelehnt.

Die folgenden 88. 24—39 wurden ohne wesentliche Debatte nach den Kommissionsvorschlägen genehmigt; die §858. 40-42 fielen in Konsequenz der Annahme des Antrages Hänel zu 5§. 20 aus.

§. 48 lautet:

Die öffentliche Genossenschaft ist der Aufsicht des Staats unterworfen.

Aufsicht wird bei Genossenschaften zur Anlegung und Ver⸗ besserung von Wasserst raßen (Flößereien) und anderen Schiffahrts—⸗ anlagen von der Bezirksregierung (Landdrosteih, bei allen anderen Genossenschaften von dem Kreis (Stadt⸗) Ausschuß geführt, in dessen Bezirk die Genossenschaft ihren Sitz hat. Die Aufsichts⸗ führung beschränkt sich darauf, daß die Angelegenheiten der Ge⸗— nossenschaft in Uebereinstimmung mit dem Statut und den Gesetzen verwaltet werden, und wird innerhalb die ses Umfanges mit den Befugnissen gehandhabt, welche gesetlich den Aufsichtsbehörden der Gemeinden zustehen.

Der Abg. Dirichlet beantragte, auch die Genossenschaften der ersteren Art unter die Aufsicht des Kreisausschusses zu stellen, und führte aus, daß keinerlei Gründe existirten, solche lokale Genossenschaften unter, die direkte Aufsicht der Regie— rungsbehörde zu stellen.

. Der Regierungskommissar Landrath Frhr. von Zedlitz-Neu⸗ kirch hat um Ablehnung dieses Antrages. Von vornherein seien alle Faktoren der Gesetzgebung darin einig gewesen, daß Schiffahrts- und Wasserstraßen⸗Genossenschafken eine andere Behandlung zu erfahren hätten, als die übrigen. Bei ihnen träten eben die lokalen Interessen zurück, weil sie integrirende Theile gro⸗ ßer Verkehrsnetz. wären. Ferner kämen hier keineswegs nur ganz kleine Anlagen in Betracht; es würden freilich große Kanal⸗ anlagen, wie die Elb⸗Weser⸗Verbindung, sich nicht auf dem Genossenschaftswege herstellen lassen, aber die Kanalisirung der Netze, die Kanalanlagen zur Erschließung der Moore seien doch gewiß nicht blos von lokaler Bedeutung. Aus solchen Gründen halte es die Staatsregierung für zweckmäßiger, die Aufsicht nicht der Lokalinstanz, sondern der Bezirksinstanz zu übertragen.

Hierauf wurde der Antrag Dirichlet abgelehnt, 5. 48 da— gegen mit einem redaktionellen Amendement der Äbgg. Dr. Hänel und Dr. Lasker angenommen.

§. 56 (in der Kommission mit 10 gegen 9 Stimmen an— genommen) lautet:

Das Statut und jede Abänderung desselben bedarf der Be⸗ stätigung durch den Ober ⸗Präsidenten. Mit dem Zeitpunkt der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses gilt die Genossenschaft als begründet. Der Ober⸗Präsident hat das Statut und jede Aenderung desselben öffentlich bekannt zu machen.

Der Abg. Dirichlet und die Abgg. Dr. Lasker und Dr. Haenel beantragten, das Bestätigungsrecht dem Provinzialrath zu übertragen. Für den Fall der Ablehnung dieses Antrages beantragte Abg. Seydel, daß der Ober-Präsident die Bestaͤti⸗ gung nur mit Zustimmung des Provinzialrathes versagen darf. Endlich beantragte der Abg. von Benda, die Bestäti⸗ 6 Statutes durch den zuständigen Minister erfolgen zu lassen.

„Der Abg. von Benda bedauerte, daß die Kommission nicht zu der Entschließung gekommen wäre, die Bestätigung der Statuten deni Provinzialrath zu übertragen, denn eine solche Thätigkeit falle vorzugsweise in das Gebiet seiner Auf⸗ gabe. Der Provinzialrath müsse von den vielen kleinen Ge— schäften entlastet und mit wichtigeren Angelegenheiten betraut werden. Bisher sei die Ertheilung der Körporationsrechte der Krone vorbehalten gewesen. Der Weg von der Krone zum Pro⸗ vinzialrath sei aber nicht weiter als bis zum Ober⸗-Präsidenten. Technische Befähigung besitze Letzterer auch nicht in höherem Maße als der Provinzialrath, die fünf Mitglieder des Pro⸗ vinzialraths aber hätten mehr Kenntniß der lokalen Verhält⸗ nisse als der Präsident. Sein Antrag bezwecke daher nur, für den Fall, daß die andern Anträge nicht angenommen würden, es wenigstens vorläufig bei den bestehenden Verhält⸗ nissen zu belassen, bis die Reform der Kompetenzgesetzgebung durchgeführt sei.

Der Abg. Dirichlet vertheidigte seinen Antrag, und der Abg. Dr. Hänel führte aus, daß er seinen Antrag vor Allem eingebracht habs, um auf diesem Gebiete endlich einmal den Prinzipien der Selbstverwaltung zur Geltung zu verhelfen. Die jetzigen Vorschläge widersprächen der bestehen⸗ den Organisation.

SHierauf erwiderte der Minister für die landwirthschaft— lichen Angelegenheiten Dr. Friedenthal:

Ich möchte bitten mir zu gestatten, daß ich bei dem 5. 56 nicht blos das hierzu speziell von den Abgg. Hänel und Tasker g stellte Amendement bespreche, sondern das gesammte System, welches den Amendement; zu 8. 56 u. f. w. bis - zu 8 80 zu Grunde liegt. Ich möchte die Abstimmung über den ersten Antrag für so präjudizirlich halten, daß man darin die prinzipielle Entscheidung zu erblicken habe. Wir würden uns hierdurch die weitere Die kussion außer⸗ ordentlich erleichtern und die Zeit des hohen Hauses sparen. Wenn die Herren damit einverstanden sind, werde ich hiernach verfahren.

Ganz richtig hat der Hr. Abg. Hänel dasjenige Motiv in den Vordergrund gestellt, welches mich dazu bewegt, dem von dem ge⸗ ehrten Herrn gestellten Antrage entschiedenen Widerstand zu leisten. Nicht des halb, weil ich an und für sich auf dem Gebiet der Landes-

kultur ein Gegner der Mitwirkung felbstyerwalten der Behörden

wäre, stelle ich mich den vorliegenden Anträgen entgegen, sondern lediglich aus organisatorischen Rücksichten. Nech meinem Daf halten ist es fur die Förderung der Landeskritur in Preußen, für die gesammte Organisation derjenigen Thätigkeit, welche ihren Mittel. punkt in dem lanzwirthschaftlichen Ministerium findet, von entschie⸗ dener Bedeutung, daß es diesem Ministerium und der Staatsregie— rung im Einvernehmen mit den beiden Häusern des Landtages ge⸗ lingt, Landeskulturbehörden zu schaffen, welche im Stande sind, große Mängel zu beseitigen, die leider auf diesem Gebiet in unserem Vaterlande sich finden: Behörden, welche die Fähigkeit besitzen, diejenigen Gedanken zu verwirklichen, welche in der Skein⸗ schen Gesetzgebung geplant, aber in der Ausführung unvollendet ge— blieben sind. Ich habe noch heute früh, als ich mich auf die gegen— wärtige Diskussion vorbereitete, die beiden Edikte vom September 1814 eingesehen, welche den Grundstein des Aufbaues unserer land— wirthschaftlichen Organisation gelegt haben. Hierbei fand ich wieder, daß dieselben Gedanken, welche bestimmend waren sür die Stiftung der Generalkommission, bestimmend für die Organisation des land' wirthschaftlichen Vereinkwesens, dahin zielten, es sollen in jeder Provin; von den sonstigen Regierungen getrennte Behörden eingesetzt werden hieran knüpft sich bei— läufig der wunderliche Namen „Generalkommissionꝰ die in gewisser Weise als Immediatstellen die Aufgabe hätten, den Grund und Boden von den darauf haftenden Lasten zu befreien, die land— wirthschaftliche Berufsthätigkeit zu organisiren und auf allen Ge— bieten die Landeskultur zu fördern.

Nun, meine Herren, der spätere Gang der administrativen Ent— wickelung in Preußen hat von der weiteren Ausgestaltung dieser Gesichtspunkte abgelenkt. Jetzt ist nach meinem Dafürhalten der Augenblick wieder gekommen, wo jene Gedanken vollständiger zu realisiren sind, zu realisiren zugleich im Zusammenhang mit der Ver— waltung der Domänen und Forsten. Gerade weil ich mir von einer solchen Verbindung auch nach der organisatorischen Seite heilfame Erfolge für das Wohl des Landes verspreche, habe ich so großen Werth darauf gelegt, daß die Verwaltung der Domänen und Forsten dem landwirthschaftlichen Ministerium eingefügt werde.

ch denke mir, wie ich dies bereits hier im hohen Hause aus—

sprach, Provinzialstellen zusammengesetzt aus den Auseinander⸗ setzung hehörden, aus den Domänen und Forstbehörden, aus den— jenigen Behörden, welche das Meliorationswesen zu verwalten, die Kulturtechnik zu fördern haben, und, wenn es gelänge, mit dem Ressort für öffentliche Bauten in dieser Hinsicht ein Ein— vernehmen herzustellen, auch für wesentliche The le der sonstigen Wasser⸗ und Stromangelegenheiten. Denken Sie sich eine so gLestaltete Behörde in den Provinzen organisirt unter der Oberleitung des Ober⸗Präsidenten, denken Sie, daß in diesen Behörden ein Senat in richterlicher Unabhängigkeit und in derjenigen Weise, wie heute die Generalkommisston gewisse Geschäfte erledigt, ferner, daß es glückte, und ich halte dies für sehr wohl erreichbar im Zusammenhang hiermit die Selbstver⸗ waltung an diese Provinzialbehörde anzugliedern, für bestimmte, hier— zu geeignete Funktionen, eine so zu fagen gemischte Thätigkeit zu or— ganisiren, ähnlich wie in den Provinzialräthen, so ist ungefähr in großen Umrissen Dazjenige skizzirt, was mir, das für das Gebiet der Landeskulturangelegenheiten richtige und gedeihliche zu sein scheint. Auf der anderen Seite, so sehr ich durchdrungen bin von der Noth— wendigkeit einer solchen Organisation, verhehle ich mir nicht, daß der⸗ selben erbebliche Schwierigkeiten entgegenstehen, nicht von Seiten einer Opposition in der Landesvertretung, fondern solch: Schwierigkeiten, die sachlicher Natur sind und sich vorzugsweise geltend machen in dem Stadium, welches der parlamentarischen Behandlung vorhergeht. Diese Schwierigkeiten würde es erheblich erhöhen, wenn jetzt die de—⸗ finitive Organisation, wie sie die Herren Antragsteller wünschen, ge— troffen würde. Wenn ich meinerseits durchdrungen bin von der Roth— wendigkeit der entwickelten Organisation im Interesse des Landes und ihre Durchführung erachte als eine Aufgabe, für die es wohl werth ist seine Kraft einzusetzen, weil sie eine Grundlage für das wirth— schaftliche Gedeihen unseres Landes und unseres Volkes bietet, fo muß mich das bestimmen, mit aller Entschiedenheit daran festzu— halten, daß für jetzt nicht durch andere Organisationen Hindernisse geschaffen werden, die der späteren Gestaltung präjudiziren. Deshalb, meine Herren, allein der Widerstand gegen die Anträge, über welche wir diskutiren. Ich meine, wollen Sie die Vorschläge, die die Regierungs vorlage Ihnen bringt, nicht annehmen, fo stellen Sie sich auf den Standpunkt, den der eventuelle Antrag des Herrn von Benda Ihnen bietet, dann sagen Sie: die Organ ifationsfrage im Punkte der Begründung der öffentlichen Genossenschaften ist im gegenwärtigen Augenblick nicht zu regeln, weil diejenigen Verwal— tungs behörden, die hier in Frage kommen, noch nicht organisirt sind. Es möge, das erst geschehen im Anschluß an deren bevorstehende Re—⸗ organisation. Lassen Sie es in dieser Beziehung beim Alten.

Demungeachtet werden Sie doch durch das vorliegende Gesetz Erhöhte Garantien des Rechtsschutzes erlangen, welche der gegenwärtige Rechtszustand nicht bietet.

An dieser Stelle erwidere ich dem Hrn. Abg. Hänel, wenn er mir entgegenhielt, es sei ein zu großer Anspruch auf Vertrauen, wenn ich in diesem Augenblick ein Provisorium fordere, ohne daß man wissen könne, ob etwas und was aus der Reorganisation wer— den würde, daß ich selbst von meinem Standpunkte aus in dieser Beziehung dem Herrn Abgeordneten Recht geben könnte, wenn es sich darum handelte, eine bestehende Organisation zu Ungunsten der Selbstverwaltung abzuschaffen, wenn es sich darum handelte, an Stelle freiheitlicher Einrichtungen einen mehr gebundenen Zustand zu setzen. Dann könnte ich feine Bedenken billigen und anerkennen, daß die Zustimmung hierzu un— billigerweise gefordert werde. So liegt aber die Sache nicht. Es besteht zu Recht eine Gesetzgebung, welche unbedingt die Macht in die Hände der Verwaltung legt. Was Ihnen die Regierung bietet, ist in allen Punkten eine Reform nach der Richtung des Rechts schutzes und der Selbstverwaltung, und wenn Sie den gegenwärtigen Zustand bestehen lassen, dann haben Sie nicht eine Verbesserung nach der freiheitlichen Seite, sondern es bleibt bei der bit herigen arbifrären Gewalt, während das gegenwärtige Gesetz selbst mit den Modi⸗ fikationen, die ich von Ihnen erbitte, sehr wesentliche Einschränkungen dieser Gewalt enthält. Zunächst bringt die Vorlage die freien Genossenschaften, die vorher in dieser Weise überhaupt nicht bestanden. Es wird das erste Mal der Versuch gemacht, Genossen⸗ schaften für die Zwecke, um die es sich handelt, ohne staatliche Ein⸗ mischung die Rechtsfähigkeit zu geben entsprechend dem Wunsche, der von den Freunden des Herrn Abgeordneten wiederholt und dringend an die Staatsregierung gerichtet worden ist. Sie erlangen ferner für die Genossenschaften, welche auf dem Boden der freien Vereinbarung stehen, durch die Aufssicht feitens des Kreis⸗ ausschusses durch diejenigen Bestimmungen, zu denen ich bereitwilligst meine Zustimmung erklart habe, eine fehr wesentliche Erweiterung der Selbstverwaltung. Hinsichtlich der Genehmigung der Statuten der vereinbarten öffentlichen Genossenschaften das ist der Punkt, der in §. Z6 vorliegt wird es sich übrigens meistens um mehr formale Fragen handeln, ob die Legitimation und Äehnliches in Ardnung ist zc. Es wird kaum ein Fall vorkommen, wo materielle Streitigkeiten zur Entscheidung gelangen.

Wesentlich verschieden verhält es sich allerdings bezüglich der so⸗ genannten Zwangsgenossenschaften. Da sind zwar die Wider⸗ sprechenden ebenfalls durch dieses Gesetz wesentlich besser gestellt, als bisher: ich will aber nicht bestreiten, daß in diesem Falle die Ent⸗ scheidung eine materiell schwerwiegende ist. Wenn sch gleichwohl auch hier Ablehnung der Anträge Hänel ⸗Lasker erbitte, so geschieht dies aus den bereits erörterten prinzipiellen Gründen. Daneben, meine Herren, sind für mich bestimmend noch einige andere Mo⸗ mente von weniger prinzipieller Bedeutung. Wenn gegen die Ent⸗ inf, wie dies die Anträge wollen, bei 8§. 80 das Verwaltungs⸗ streitverfahren Platz greifen sollte, so ist das nach meinem Dafuͤr⸗ halten unzulässig, und würde unter allen Umstaͤnden den Erfolg

haben, daß damit Der Boden verlassen wird, auf welchem es bisher möglich war, Meliorationsgenossenschaften zu begründen. In

dieser Beziehung habe ich traurige Erfahrungen gemacht mit dem Waldgenossenschaftegesetze. Bei dem letzteren haben ähaliche Be⸗ stimmungen dazu geführt, daß das Gesetz in vielen Fällen, für welche es sich eignete, todt und unbenutzt bleiben mußte. Es haben sich bieran so viele Schwie rigkeiten geknüpft, daß nur vereinzelt, wo die Leistungen der Staatsreglerung enorm sind, diese nützlichen Genossen⸗ schaften zu Stande kommen, ohne daß es erreichbar gewesen wäre, eine lebendige Wirksamkeit jenes Gesetzes zu Stande zu bringen.

Genau ebenso würde es gehen, wenn Sie in dieses Prokustes⸗ bett die Bildung der Meliorationsgenossenschaften einzwängen, Sie würden dann erreichen, daß hiermit die Förderung dieser Genossen⸗ schaftsbildung so gut wie ausgeschlossen wäre. Die Verwaltungs⸗ behörden werden durch solche Vorschriften so entmuthigt, daß es selbst bei der beständigen Ermunterung nicht mehr möglich ist, ein Schaffen mit Thatkraft und wirklicher Lust anzuregen.

Nun liegt aber die Angelegenheit bei uns in Preußen so, daß wir vielleicht der Waldgenossenschaften entbehren können; da handelte es sich s. 3. nur um ein Mehr ron Kulturförderung; hier aber stehen wir vor einem Gebiete, welches mit Erfolg gepflegt worden ist und gepflegt wird, auf welchem die Staatäregierung die Macht hat, Gutes zu schaffen, eine Macht, hinsichtlich deren sie verpflichtet ist, Gebrauch zu machen und auf welche sie nur verzichten kann, wenn an die Stelle eine bessere und für das Land wirksamere Einrichtung tritt. So sehr ich es bedauern würde, meine Herren, wenn die beiden nützlichen Gesetze, das Gesetz über die Landes kultur-Rentenbanken und das Gesetz über die Wasser⸗ genossenschaften, nicht zu Stande kommen soellten, so sehr ich es be⸗ dauern würde, das Werk der Kommission, die mit großer Auf— opferung, Thätigkeit und Umsicht die Arbeit bewältigt bat, vereitelt würde, so muß ich doch erklären, daß ich mich außer Stande befin⸗ den würde, bei Annahme der Anträge der Abgg. Hänel und Lasker die Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetze der Staatsregierung zu empfehlen. Nach meinem Dafürhalten fällt damit auch das Gesetz für die Landeskultur⸗Rentenbanken, nicht etwa so, daß es nicht publizirt werden könnte, ich bitte, mich in dieser Beziehung nicht mißzuverstehen, aber es wird so lange todt bleiben, bis das Gesetz über die Wassergenossenschaften zu Stande gekommen ist.

Ich habe mir gestattet, bei der Diskussion über jenes Gesetz auseinanderzusetzen, daß diejenige Thätigkeit der Landeskultur⸗Renten⸗ banken, welche Ihnen am meisten Mühe gemacht hat, und auch mir, das Geben von Darlehen an Privatpersonen für Drainage und Melioration von Grundstücken nur eine Seite der Sache betrifft, daß hingegen die andere Seite in der Unterstützung von freien und öffentlichen Genossenschaften besteht; Sie selbst haben bei dem Institut der freien Genossen⸗ schaften dargelegt, wie nothwendig es ist, gerade diesen einen Kredit zu verschaffen, der möglichst real und stabil ist, und unabhängig ist von Kündigungen, sowie an lange Amortisationen geknüpft, daß nun dadurch Gefabren vermieden werden können, welche namentlich von jener Seite des Hauses geltend gemacht wurden, hinsichtlich der Ucberspannung eines unsoliden Kredits. Die öffentlichen Genossen⸗ schaften haben Sie in diesem Gesetz erweitert, und mit Recht, ich danke Ihnen dafür; auch was früher ausgeschlossen war, kann nun wirksam gefördert werden, wenn durch das Gesetz über die Landes— kultur ⸗Rentenbanken die nöthigen Mittel beschafft werden, wenn die Provinzialverbände Grund haben anzunehmen, daß es sich der Mühe lohnt, Landeskultur⸗Rentenbanken zu schaffen. Nochmals, meine Herren, ich bitte Sie dringend, lehnen Sie die Anträge der Herren Abgg. Hänel und Lasker ab. Wollen Sie die Vorschläge der Re⸗ gierungsvorlage bezüglich der Ober⸗Präsidenten nicht annehmen, so verzichtet die Staatsregierung darauf; stellen Sie sich dann klar auf den Standpunkt des Antrages von Benda. Ich konstatire ebenfalls, daß dasjenige, was in dieser Beziehung festgesetzt wird, nicht das De⸗ finitivum sein soll, sondern, daß, wenn die höheren Verwaltungsbehörden reorganisirt werden, wir uns darüber zu verständigen haben und hoffentlich verständigen werden, wie die Selbstverwaltung zu be— theiligen ist.

Nehmen Sie den Antrag des Hrn. Abg. v. Benda und die daraus folgenden Konsequenzen an, Sie haben dann nach meinem Dafür⸗ halten zwei sehr nützliche Gesetze in dieser Session zu Stande ge⸗ bracht und dem Lande einen wahren Dienst geleistet, während Sie der Reorganisation und Ihren dabei geltend zu machenden Grund⸗ anschauungen, wird der Selbstverwaltung dabei auch nicht das Mindeste vergeben.

Der in die Debatte gezogene §. S0 lautet:

„Hat die Bildung der Genossenschaft im Falle des §. 77 die Mehrheit der Stimmen (5. 78) nicht gefunden, so ist der Antrag durch Bescheid des Ober⸗Präsidenten zurückzuweisen. In allen übrigen Fällen entscheidet der Ober⸗Präsident über die Begründung der Genossenschaft und die Bestätigung des Statuts. Bedarf es zur Ausführung des Unternehmens der vorgängigen staatlichen Ge⸗ nehmigung, so ist dieselbe vor der Abgabe der Entscheidung des Ober⸗Präsidenten zu erwirken. Nach erlangter Rechtskraft ist der Beschluß, falls dadurch die Genossenschaft begründet wird, in dem zu amtlichen Bekanntmachungen des Ober-Präsidenten bestimmten Blatte zu veröffentlichen. Sind die Verwaltungsbezirke mehrerer Ober⸗Präsidenten betheiligt, so erfolgt die Veröffentlichung in jedem Bezirke.“

Der Abg. Dr. Lasker sagte, er werde dem Minister nicht folgen, sondern über den 8. 55 und den 8. 80 gesondert sprechen, denn der Minister habe nach einem klugen Plane beide Para⸗ graphen vermischt, um die Selbstverwaltung in diesem Gesetze zu Falle zu bringen. Der Minister habe ja im Ganzen schöne Theorien entwickelt, aber es fehle der Nachweis, daß seine Ideen vom Staats-Ministerium adoptirt seien. Man könne doch unmöglich jedem Ressort besondere Prinzipien für seine Verwaltung zugestehen. Seine Partei wolle wenigstens von Selbstverwaltung behalten, was sie hätte. Denn lieber sei ihm ein Sperling in der Hand, als eine Taube auf dem Dache. Wenn er fortwährend neue Vertröstungen auf den späteren Ausbau der Selbstverwaltung und von neuen Provisorien sprechen höre, so werde er nur um so miß⸗ trauischer. Gegenüber der Drohung, daß das Gesetz gar nicht zu Stande kommen würde, könnte seine Partei nichts thun, als mit der Drohung antworten, die Vorlage abzu⸗ lehnen. Ihm falle dabei die biblische Geschichte ein von dem Kinde, welches zwei Mütter theilen wollten. Er wünsche, daß das Haus jeden. Paragraphen und seinen Antrag sach—⸗ lich in Betracht ziehe und danach entscheide, was aufrecht zu erhalten, was abzulehnen sei. An den schlechten Er— fahrungen, die mit dem Forstkulturgesetz gemacht seien, trügen nicht die Behörden-Organisationen die Schuld, son⸗— dern dasselbe sei von vielen Mitgliedern von vornherein für ein todtgebornes Kind gehalten worden. Von dem vorliegenden Kulturgesetze müsse er sagen, wenn es nur das allgemeine Interesse und kein Privatinteresse zu fördern vermöge, dann verspreche er sich keinen großen Nutzen davon, und wenn man noch so viel bureaukratische Bevormundung in dem Gesetze statuire. Er denke, das Haus sei endlich geheilt von der Anschauung, daß die Selbstverwal⸗ tung nicht dienlich sei für das Stagtswohl und das hbureau— kratische System immer vorzuziehen sei. Er bitte den Minister, deutlich zu sagen, warum der 8 66 unannehmbar sei, wo der Provinzialrath statt des Ober⸗Präsidenten gesetzt werde, eben⸗ so weshalb an dem 5. 80 das Gesetz scheitern solle, welcher nur die Selbstverwaltung heranziehe; ob es unstatthaft sein solle, die Revisionsklage wegen Gesetzesverletzung zuzulgssen? Wolle der Minister erklären, daß die Zuziehung der Selbst— verwaltung überhaupt unvereinbar mit der Förderung der

Landeskultur sei, dann habe er gegen alle seine Versicherungen, daß er ein Freund der Selbstverwaltung sei, daß größte Miß⸗ trauen, und glaube, daß ihm nur daran liege, für sein Ressort eine Behörde mehr zu gewinnen, welche den bureaukratischen Meinungen Spielraum gewähre und müsse Redner um so mehr auf seinem Standtpunkt beharren und bitten, sein Amen—

dement anzunehmen. .

Hierauf ergriff der Minister für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten Dr. Friedenthal das Wort:

Meine Herren, ich werde eine Anzahl von den Fragen, die der Herr Vorredner an mich gestellt hat, nicht beantworten, aus dem einfachen Grunde, weil heute nicht geeignete Gelegenheit sich darbietet, bei welcher ich mich mit demselben über unsere verschiedenen An— sichten, betreffend Bureaukratie und Selbstverwaltung, auseinander setzen kann. Das Land wird darüber entscheiden, ob von bureaukra⸗ tischen Gesichtspunkten meine politische und amtliche Thätigkeit aus— geht oder nicht, und ob die Behauptung, dir der Hr. Abg. Lasker in dieser Beziehung ausgesprochen hat, indem er sich, wie das ja manchmal so ght, im Laufe seiner Rede erhitzte und immer mehr in einen aus Vorliebe für seine Anträge hervorgegangenen Eifer ge⸗ rieth, das Land auch darüber entscheiden, ob diese Behauptungen und Vorwürfe richtig sind. Ich aber werde mich auf eine derartige Aus— einandersetzung nicht einlassen.

Durchaus falsch ist, was der Herr Abgeordnete gesaat hat, daß ich mich gegen die Gedanken der Selbstoerwaltung erklärt hätte, daß ich die Selbstverwaltung von den Landeskulturangelegen— heiten ausgeschlossen wissen will, so falsch, daß jeder Zug meiner amtlichen Thätigkeit das Gegentheil davon beweist und ich begreife nicht, wie man derartige Behauptungen auf⸗ stellen kann lediglich aus dialektischen Gründen, lediglich zu dem Zwecke, mich als einen Gegner von Institutionen zu kennzeichnen, die dem Hause lieb und werth sind und um auf diese Weise das Haus zu einem Beschluß zu bewegen, der dem Wunsch der Herren Abgeord⸗ neten entspricht.

Was den Vergleich mit den beiden Kindern anbetrifft, so ist der Herr Abgeordnete dabei von seinem Gedächtniß gänzlich im Stiche gelassen worden. Er hat uns eine Geschichte erzählt, die wenigstens mir noch nicht vorgekommen ist. Nach meinem Dafürhalten verhält es sich damit folgendermaßen: es handelt sich darum, daß eine falsche Mutter lieber den Tod eines Kindes wollte, als sich von ihrer ein— maligen Behauptung des Mutterrechtes lossagen, also um jeden Preis Recht behalten und daß die wirkliche, die zärtliche Mutter im Interesse des Gedeihens ihres Kindes lieber auf jenes Recht ver— zichtet und das Kind leben läßt. So lautet diese Geschichte.

Das letztere ist mein Standpunkt, nicht derjenige, welchen der Herr Abgeordnete entwickelt hat. Nun war ein Hauptvorwurf des Herrn Abgeordneten der, daß er sagte: er wolle kein neues Proviso⸗ rium haben, welches den bisherigen Grundsätzen unserer Selbstverwaltung widerspricht. Nun, meine Herren, was will denn ein neues Provisorium? Die Herren Antragsteller, nicht ich, ich will den gegenwärtigen Zustand auf Grund des Amendements von Benda so lange erhalten, bis wir im Stande sind, die Ange— legenheit organisch zu ordnen. Ferner behauptet der Herr Abgeordnete, die Regierung schaffe eine neue bureaukratische Behörde. Wo, frage ich, geschieht dies? Weshalb sind gerade seine Vorschläge unannehm— bar? Weil sie schablonenmäßig ohne näheres Eingehen auf den Zweck der Einrichtung nach dem System des Kompetenzgesetzes vor⸗ führen, indem sie zugleich Neues bringen, was gerade, weil es für die Verhaäͤltnisse nicht paßt, geeignet ist, das Mißfallen und die Un— zufriedenheit des Landes mit der Selstverwaltung zu erregen. Als Freund der Selbstverwaltung will ich nicht auf Wegen weitergehen, auf welchen der Selbstrerwaltung mehr geschadet worden ist, als alle Bureaukraten dies zu thun vermögen. Wäre es ausführbar, ich wollte, daß lieber heute wie morgen Ihnen die Reorganisation der Staats behörden vorgelegt würde; es liegt aber auf der Hand, daß dies ein großes Werk ist, welches nicht so leicht zu Stande gebracht werden kann und seit dem vorigen Frühjahr auch mit dem besten Willen nicht vorlegungsfähig werden koante. Vergegenwärtigen Sie sich, was seit dem Frübjahr v. J. in unserem Staatsleben vorgegangen ist und in welcher Weise durch außerordentliche Exreignisse die Thätigkeit der Staatsregierung in Anspruch genommen war. Wo ein Funke von Billigkeitsgefühl sich findet, muß man zugeben, daß bei Aufopferung aller Krafte der Minister und ihrer Räthe, es ab⸗ solut unmöglich war, während dieser Zeit vom Frühjahr bis jetzt, solche Aufgaben in einer Weise zu lösen, wie es dieselben erfordern. Die Vorwürfe, die in dieser Beziehung gemacht worden, sind un⸗— gerecht, und nur geeignet, gegen die Staatsregierung ohne Grund einzunehmen und gegen die Vorschläge, welche ich die Ehre gehabt habe, Ihnen zu unterbreiten, Abneigung zu erregen.

Nicht gegen die Ausdehnung der Selbstverwaltung richtet sich meine Opposition, sondern gegen das Vorgehen außer Zusammen⸗ hang mit der neuen Einrichtung der Behörden. Wollen Sie aber vor Berathung der letzteren überhaupt von jeder Gesetzgebung ab— sehen, dann dokumentiren Sie, daß bis dahin überhaupt die Gesetz⸗ gebung ruhen soll. Das ist ein Standpunkt, auf den sich die Staatsregierung mit Ihnen stellen kann. Dann verlangen Sie aber nicht zugleich, daß gewisse dringende Entwürfe in der Zwischenzeit Ihnen vorgelegt werden sollen, das in Rede stehende Gesetz ist ein solches, das in jeder Session von dem hohen Hause in Kommissionsbeschlüsen und bei Gelegenheit von Petitionen gefordert worden ist. Viel bequemer wäre es für die Staatsregierung mit solchen Gesetzentwürfen darin gebe ich dem Hrn. Abg Hänel Recht warten zu können, bis man im Stande ist, eine harmo⸗ nische Ordnung des Ganzen zu bewirken. Das Land verlangt aber in gewissen Angelegenheiten eine Besserung der Verhältnisse, und gerade die liberale Partei des Hauses ist es unausgesetzt gewesen, welche Reformen auf dem Genossenschaftsgebiete gewünscht hat Liegt also eine veränderte Regelung hier im Interesse des Landes, und liegt auf der anderen Seite die Unmöglichkeit vor, in demselben Momente auch die große Frage der Reorganisation der Behörden zum Abschluß zu bringen, so ist es das allein Richtige, daß man, insoweit z. Z. etwas für die Dauer Geeignetes nicht ge— schaffen werden kann, die gegenwärtigen Zustände bestehen läßt. Trotz dieses Bestehenlassens bietet das Gesetz sehr wesentliche Ga— rantien des Schutzes der Einzelrechte, die wir Alle wollen und darin liegt der Grund, weshalb ich dasselbe für ein Reformgesetz erklä⸗ ren kann.

Nach alledem weise ich die Vorwürfe des Hrn. Abg. Lasker hiermit zurück. Ich wiederhole, ich mußte dies thun, denn es ist das ein Vorwurf gegen meine ganze politische Thätigkeit und die Lösung von Aufgaben meines Lebens. Ich bestreite Hrn. Lasker das Recht, zu behaupten, daß mein Streben darauf hinziele, lediglich eine bu⸗ reaukratische Behörde mehr zu schaffen. Ich nehme an, daß, wenn ich vom politischen Schauplatz abtreten werde, Schöpfungen, an denen ich mitgearbeitet habe, bleiben werden, die darthun, daß diese Behauptung gänzlich aus der Luft gegriffen ist. Ich bitte Sie, den Antrag Benda anzunehmen und die der Herren Dr. Hänel und Dr. Lasker abzulehnen.

Der Abg. Dr. Schellwitz befürwortete den Antrag von Benda, weil dadurch bis zu der erfolgten Revision der Selbst— verwaltungsgesetze die Interessen der Betheiligten besser ge⸗ wahrt würden. . . J 3

Der Abg. Dr. Lasker erklärte, der Minister habe seine Frage nicht beantwortet, derselbe habe vom Provinzialrath und vom Verwaltungsstreitverfahren im 5. 80 gesprochen, und dann allgemein gesagt, wenn diese Bestimmungen aufgenommen würden, sei das Gesetz unannehmbar. Seine Frage sei, ob das Gesetz unannehmbar sei, wenn dem e nn lng die Bestätigung des Status übertragen werde. Es komme nicht auf platonische Liebe zur Selbstverwaltung an, sondern auf die Bewährung im einzelnen Fall. Im Uebrigen enthalte die

Rede des Ministers allerlei Ausdrücke, wie schablonenhaft und

ähnliches, was sich im, Staats⸗Anzeiger“ ganz gut ausnehmer würde (Rufe: oho!) ja, das sei das Mindeste, was er auf des Ministers Rede erwidern müsse. Wenn seine und des Ministers Rede neben einander gedruckt würde, so wünsche er ihnen die weiteste Verbreitung. Ueber den Ausdruck „Sschablonenhaft“ wolle er hinwegsehen, aber vergesse denn der Minister ganz, daß er selbst an dieser Schablone mitgearbeitet habe? Freilich sei er damals noch nicht Minister gewesen. Sei denn der Provinzialrath eine so schlechte Behörde, daß er keine neue Geschäfte erhalten dürfe?

Der Minister für die landwirthschaftlichen Angelegen— heiten Dr. Friedenthal erwiderte:

Meine Herren! Ich habe die gestellten Fragen bei meinem ersten Vortrage bereits klar beantwortet und nur an dem Herrn Abgeordneten hat es gelegen, wenn er dem Gange meiner Argumen⸗ tation nicht gefolgt ist. Ich habe erklärt, daß das System, welches in den Amendements zu den §§. 56 n. s. w. zu den betreffenden Pa⸗ ragraphen sich ausspricht, in diesem Augenblick als Grundlage der Organisation des Landkulturweseng, wie sie in diesem Gesetz versucht wird, sich so wenig empfieblt, daß ich die Annahme desselben Regierung nicht vorschlagen kann, daraus folgt, daß ich jeden Bestan dieses Systems als int grirenden Theil des Ganzen betrachte. habe auch ferner dem Herrn Abgeordneten erklärt, daß nicht an und für sich die Theilnahme der Selbstverwaltung an Landeskulturange⸗ legenheiten es ist, gegen die ich mich wende, sondern die Form, die gewählt wurde, weil ich dieselbe für eine ungeeignete halte. Ich be⸗ der Fehler ge

man

klage es, daß bei Gilegenheit des Kompetenzgeset

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macht ist, Zusammengehöriges auseinander zu re gewisse allgemeine Gedanken, die an sich und bei sirender Anwendung richtig ze J applizirte sie nicht hingehören, wo sie Mißsti

die gesammte Institution hervorrufen. daß die Beschließung des Prorinzialrathes hinsichtlich der Prüfun und Genehmigung der Statuten, für die Förderung der Landesmeli rationen, wie sie dieses Gesetz bezweckt, und ebenso das Hineinzi der Verwaltungẽstreitgerichtsbarfeit auf alle die betreffenden Pan nicht günstig wirken werde. Es ist für mich aber nicht mögli außer Zusammenhang diejenigen positiven Vorschläge zu machen, die ich für die richtigen halte. Ich glaube in einem solchen Falle korrekt zu handeln, wenn ich die Landesvertretung von Plänen, die ich hege, in Kenntniß setze, wenn ich diese Pläne hier vorführe, wenn ich ihrer Beurtheilung unterstelle, von welchem Gesichtspunkte ich die Sache meinerseits geordnet haben will.

Schließlich muß ich nochmals das persönlich biet ber

Wenn von dem Herrn Abgeordneten der aats⸗ Anzeiger ein wichtiges Blatt hingestellt ist, so ist das insof ichtig ein Organ der Staatsregierung ist. Was aber die Zah betrifft, und die Wirkung der Presse auf die Leser, so daß diejenigen Organe, die dem Herrn Abgeordneten zugänglich sind und die seine Sache führen, weit lauter sprechen, als der Preußische Staats⸗Anzeiger'. Er wird wirklich sich über Benachtheiligung und ungleichen Wind und Sonne nicht beschweren können. Ich bleibe dabei stehen, daß die Vorwürfe, die der Herr Abgeordnete gegen mich erhoben hat, sowohl betreffend meiner früheren parlamentarischer Thätigkeit, als was meine amtliche Wirksamkeit angeht, durchaus unmotivirt waren. Wären sie begründet und nähme das hohe Haus an, daß ich Grundanschauungen, wie sie früher die meinigen waren, als Minister verläugnet habe, nähme das Haus an, daß nicht meine amtliche Thätigkeit von demselben Gedanken diktirt ist dann würde ich den Platz räumen, den ich hier einnehme.

Derartige Vorwürfe mir aber ror dem Lande unbegründet machen zu lassen, das ertrage ich nicht. Ich habe keine Veranlassung, mich in solcher Weise vor dem Lande jeichnen zu lassen, und ich werde derartige Beschuldigungen immer mit aller mir zu Gebote stehenden Entschiedenheit zurückweisen als jedes thatsächlichen Anhalts entbehrend. .

Der Abg. Dr. Hänel erklärte, die Heftigkeit des Ministers, der statt des Kollegialsystems, das früher bei der Regierung maß— gebend gewesen sei, jetzt den Ober⸗-Präsidenten, einen einzelnen sterblichen Menschen, gesetzt wissen wolle, nicht begreifen zu können. Grade für solche Fälle, wie der jetzt hier vorliegende, sei der Provinzialrath die geeignete Instanz. Grade hierdurch werde seine Existenzberechtigung erst unzweifelhaft. Die Maximen der Staatsregierung schienen gegenwärtig dahin zu gehen, die in den Selbstverwaltungsgesetzen niedergelegte Organisation nicht zu neuen Funktionen zu verwenden. Sei dieser offene Verdacht begründet, wäre man bereits in diesem Stadium des Mißtrauens, dann möge die Regierung sobald als möglich mit der Revision anfangen, anstatt dem Hause mit immer neuen Gesetzen zu kommen, die dasselbe in das Dilemma brächten, zugleich weiter zu bauen und einzureißen. .

Der Minister für die landwirihschaftlichen Angelegenheiten Dr. Friedenthal erklärte:

Nur eine Bemerkung, meine Herren! Wie unrichtig es ist, was der Herr Abgeordnete soeben ausgeführt hat, beweist, daß vor einer Stunde die Staatsregierung ihre Zustimmung dazu ertheilte, den Kreisausschuß als Aufsichtsinstanz mit denjenigen erweiterten Funktionen der Selbstverwaltung auszurüsten, welche Sie mit den früheren Anträgen Hänel⸗Lasker angenommen haben. Es folgt also aus dieser einfachen Thatsache, daß überall da, wo nicht organisa⸗ torische Bedenken entgegenstehen, eine Gegnerschaft in dieser Hinsicht nicht obwaltet, daß von einer Sistirung nicht die Rede sein kann.

Hierauf wurde die Diskussion geschlossen, der Antrag Hänel-Lasker angenommen, worauf sich das Haus um M Uhr vertagte.

In der vorgestrigen Abend sitz ung, welcher der Staats⸗Minister Dr. Friedenthal und mehrere Kommissarien beiwohnten, und die vom Vize⸗-Präsidenten Klotz um 73 Uhr eröffnet wurde, setzte das Haus der Abgeordneten die zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Bildungen von Wassergenossenschaften fort. 5. 58 handelt von der Auflösung der Genossenschaften, welche in gewissen Fällen vom Ober-Präsidenten unter Zustimmung des Provinzialrathes ausgesprochen werden kann. Die Abgg. Dr. Hänel und Dr. Lasker beantragten, gegen den Bescheid des Ober⸗Präsidenten die Klage bei dem Ober-Verwaltungsgericht stattfinden zu lassen. ;

Der Regierungskommissar, Landrath Frhr. v. Zedlitz⸗Neukirch bezeichnete diesen Antrag als einen mechanischen Abklatsch des Kompetenzgesetzes, der unannehmbar sei und dem Prinzip des Gesetzes wider spräche. .

Der Abg. Dr. Hänel bat, eine solche Art der Polemik zu unterlassen, da dieselbe geeignet sei, die Gereiztheit zu ver⸗ mehren. Es handele sich hier um vermögensrechtliche Inter⸗ essen, die wohl einer gerichtlichen Prüfung bedürften. Redner glaube, diese Anträge würden, nachdem einmal die Prinzipien der Kreisordnung anerkannt wären, vor fünf Jahren —–felbst von den konservativsten Mitgliedern des Hauses acceptirt worden sein. ; k

Hierauf erwiderte der Minister für die landwirthschaft⸗ lichen Angelegenheiten Dr. Friedenthal:

Zunächst muß ich erklären, daß, wenn der Herr Regierungskom⸗ missar Ausdrücke gebraucht hat, die als eine Provokation angeschen werden oder den Eindruck hervorrufen könnten, als soll dadurch ein außerhalb der Sache liegender Tadel ausgedrückt werden, daß dies gewiß seine Absicht nicht war, ich hebe dies ausdrücklich bervor, weil ich meinerseits eine Polemik in dieser Weise von Seiten der Ver⸗

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