Bei der weiteren Berathung des Gesetzentwurfes, betreffend die Befähigung für den höheren Verwaltungs⸗ dienst, in der gestrigen Sitzung des Herxrenhaufes handelte es sich, wie bereits erwähnt, um die §5§. 10, 11 und 16 des Gesetzes. In der Regierungsvorlage war bekanntlich die Frage der Befähigung für das Amt eines Landrathes gänzlich ausgeschlossen und einem späteren Gesetze vorbehalten worden. Das Herrenhaus, dem der Gesetzentwurf zunächst zur Berathung zugegangen war, hatte sich auch mit diesem Vorschlage der Staatsregierung einverstanden erklärt. Dagegen hatte das Abgeordnetenhaus dem entgegen beschlossen, diese Frage schon jetzt einer gesetzlichen Regelung zu unterwerfen, und hatte dem Gesetz folgende §§. 109 und 11 zugefügt:
.§. 10. Zur Bekleidung der Stelle eines Landraths, Kreis⸗ und Amtsbaurtmanns, Ober⸗Amtmanns in den hohenzollernschen Landen und Amtmanns in dem vormaligen Herzogthum Nassau ist die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienste oder Justiz⸗ dienste erforderlich.
Diejenigen Personen, welche ven einem Kreistage zur Be⸗ setzung eines erledigten Landrathsamtes vorgeschlagen, beziehungs⸗ weise vräsentirt werden, sind auch dann für befähigt zur Beklei⸗ dung dieser Landrathsstelle zu erachten, wenn sie mindestens vier Jahre entweder a. nach bestandener erster Prüfung im Vorbereitungsdienste bei den Gerichts- und Verwaltungsbehörden, oder b. auch ohne die erste Prüfung abgelegt zu haben, in Selbst⸗ verwaltungsämtern des Kommunal“, Kreis, oder Provinzial⸗ dienstes — mit Ausnahme jedoch des Amtes eines Gemeinde⸗ oder Gursvorstehers — beschäftigt gewesen sind, sofern dieselben seit mindestens einem Jahre dem Kreise beziehungsweise Amtsbezirke durch Grundbesitz oder Wohnsitz angebören. — Alle anderweitig bestehenden Beschrän⸗ kungen in Bezug auf den Kreis der Personen, welche von einem Kreistage für die Besetzung eines erledigten Landrathsamtes in Vorschlag gebracht werden können, sind aufgehoben.“
„§. 11. In Betreff der Befähigung zur Bekleidung eines Landrathsamtes, beziehungsweise der Stelle eines Amts und Kreis—⸗ hauptmanns und Ober⸗Amtmanns in den hohenzollernschen Landen bleibt in Ansebung derjenigen Personen, welche bereits zur Zeit des Inkrafttretens des gegenwärtigen Gesetzes eine der vorgenann⸗ ten Stellen kommissarisch verwalten, das Regulativ über die Prü—= fung der Landrathsamtskandidaten vom 15. Mai 1838 (Gesetz⸗ Samml. S. 423) bis zum 1. Januar 1881 in Kraft.“
Die Kommission hatte sich der Ansicht des Abgeordneten hauses nicht angeschlossen, empfahl jedoch, um den Forderungen desselben entgegenzukommen, die §§8. io und 11 zu streichen und an ihrer Stelle folgenden §. 16 in das Gesetz einzu— fügen:
8. 16. Ueber die Besetzung der Stellen der Landräthe, Kreis⸗ und Amts hauptmänner und Ober⸗Amtmänner in den hohen⸗ zollernschen Landen und über die für diese Stellen erforderliche Befähigung ergebt ein besonderes Gesetz.
Bis zum Erlaß dieses Gesetzes bleiben die bestehenden Be— stimmungen in Kraft.
Sofern jedoch dieses Gesetz nicht bis zum 1. Januar 1884 erlassen ist, können von diesem Zeitpunkte ab nur solche Personen zu den im Absatz 1 bezeichneten Stellen berufen werden, welche die Befähigung für den höheren Verwaltungsdienst (5. 1) oder fur den höheren Justizdienst erlangt haben.“
Der Referent Dr. Dernburg befürwortete diese Anträge der Kommission im Interesse des Zustandekommens des Gesetzes, welches schon zu wiederholten Malen an den Landtag gelangt sei. Durch den Vorschlag der Kommission werde eine Aus— gleichung zwischen den divergirenden Ansichten der Regierung und des Abgeordnetenhauses herbeigeführt, deshalb empfehle er die Annahme desselben. Graf Krassow erklärte sich da⸗ gegen; er hielt die Fassung des 5. 16 noch für viel gefähr⸗ licher, als die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses. Wer stehe denn dafür, daß bis zum Jahre 1881 ein solches Gesetz er— lassen werde, das den Tendenzen, die man jetzt fordere, ent⸗
Vize-Präsident des Staats-Ministeriums Graf zu tolberg war inzwischen in das Haus eingetreten.) Von dem Grafen Udo zu Stolberg war der Antrag gestellt: das letzte Alinea des §. 16 zu fassen?
Sofern jedoch dieses Gesetz nicht bis zum 1. Januar 1884 erlassen ist, können von diesem Zeitpunkte ab nur solche Personen zu den in Absatz 1 bezeichneten Stellen berufen werden, welche a. die Befähigung für den böheren Verwaltungsdienst (5. 1) oder für den
öheren Justizdienst erlangt haben; b. nach bestandener erster Prü—
ig im Vorbereitungsdienste bei den Gerichts und Verwaltungs hörden oder . auch ohne die erste Prüfung abgelegt zu haben,
i elbstrerwaltungeämtern des Kommunal“, Kreis. oder Pro—⸗
gewesen sind, so Kreise beziehungsweise Amtebezirke durch Grundbesiz (der Wohn⸗ sitz angehören.“
Nachdem sich Graf Brühl sowohl gegen die Anträge der Kommission, als auch gegen den Antrag des Grafen zu Stol⸗ berg, wie überhaupt gegen alle derartigen Kompromisse ge— wendet, befürwortete Graf Udo zu Stolberg seinen Antrag. Der von der Kommission vorgeschlagene 8. 16 biete keine Ga— rantien, daß, wenn derselbe zum Beschluß erhoben werden sollte, die Konsequenzen dieses Beschlusses auch im Jahre 1884 gezogen werden würden. Der von ihm gestellte Antrag helfe über die bestehenden Schwierigkeiten hinweg und gebe die Ga—⸗ rantie, daß nur in der Weise, wie man sie jetzt wünsche, eine gesetzliche Bestimmung geschaffen werden dürfe.
Herr von Winterfeldt erklärte fich gleichfalls gegen den 6 der Kommissiöon. Wer könne dafür stehen, daß im ahre 1884 ein Gesetz in diesem Sinne, wie man es jetzt fordere, zu Stande kommen werde? Auf so unbestimmte Dinge für die Zukunft hinaus könne man keine Gesetze erlassen. Redner charakterisirte hierbei in längerer Rede die Funktionen des Landraths. Seither sei der Landrath die Vertrauensperson des Publikums im Kreise gewesen. Man möge dem Amte auch ferner diesen Charakter erhalten. Das sei aber nicht der Fall, wenn man einen jungen Gerichtsassessor, der von den Verhältnissen der Verwaltung und den Zuständen im Hause nichts verstehe, zum Landrath mache. Der Redner empfahl in erster Linie die Annahme der früheren Regierungsvorlage und erst in zweiter Linie den Antrag Stolberg.
Hierauf ergriff der Minister des Innern Graf zu Eulen— burg das Wort:
Meine Herren! Ez wird kaum der Bemerkung bedürfen, daß ich- mit. fämmtrlichen Herrn Vorrednern darin ein verstanben Fin, welche hohe Bedeutung dem Landrathsamt beizulegen ist, welches Gewicht in Folge deen die Bestimmungen haben, die über die Vor= bedingungen zur Bekleidung desselben zu treffen find, und daß es nicht woblgethan sein würde, die definitive Regelung in dem Sinne zu : reffen, daß zum Landrathsamt nur Diejenigen zugelassen werden durfen, welche ihre Befähigung für den höheren Verwaltungs. oder Ʒustizdienst durch Ablegung gewisser Examina erwiesen haben. Sndeffen, meine Herren, ich glaube, daß bei der vorliegenden Frage wesentlich praktische Rücksichten in den Bereich der Erwägungen gejogen werden mũssen.
Ich bitte Sie zu diesem Ende, sich zunächst zu vergegenwärtigen die Entstehungegeschichte dieses Gesetzes und den Gang der Verband. lungen, welche in einer Reihe von Jahren bierüber stattgefunden haben. Der ursprüngliche Zweck des Gesetzes ging allein dabin, die Vorbedingungen für den höheren Verwaltungsdienst, zu welchem in diesem Sinne die Stellen der Landräthe nicht gerechnet wurden, fest⸗ zuftellen. Es beruhte dies darauf, daß das Regulatix von 1845, welches in dieser Beziehung die Vorschriften enthielt, durch die anderweite Regelung der juristischen Examina nicht mehr anwendbar war, so daß es unmöglich war, Regierunge⸗ Assessoren noch ferner auszubilden und kFeranzuzieben. Sie Uebelstände dieses Zuftandes zeigten sich sebr bald und machen fich immer dringender geltend, so daß die Staatsregierung und nicht minder, wie mir scheint, das Land, welches ein wefentliches Interesse daran hat, daß die Regierungskollegien mit geeigneten Beamten be— setzt sind, ein sehr großes Interesse daran hat, wieder Beamte heran- gebildet zu sehen, welche die nötbigen Kenntniffe und Vor- bildung für die Versehung der Verwaltungsgeschäfte haben. Dies war der Anlaß zu dem Gesetz, und die Regierung hatte das⸗ selbe vorgelegt, ohne Bestimmungen über die Befähigung der Land— räthe darin aufzunehmen. Im Abgeordnetenhaufe fand dies keinen Beifall; auch das Herrenhaus trat dieser Auffassung bei und bielt ebenfalls ein solches Gesetz nicht für zweckmäßig, ohne daß gleich⸗ jeitig über die Befähigung der Landräͤthe Bestimmungen getroffen würden; über die Bestimmungen aber, welche hierfür vorzufchreiben wären, ist trotz vierjähriger Verhandlungen eine Vereinbarung zwischen beiden Häusern und der Staatsregierung nicht zu Stande ge⸗ kommen. Es mußte deshalb darauf Bedacht genommer werden, das vorher von mir dargelegte Bedürfniß der erneuerten Heranbildung höherer Verwaltungs beamten zu befriedigen in einer Art und Weise, welche zugleich hinsichtlich der Landrathsfrage für die Landesvertretung und die Regierung gleichmäßig annehmbar wäre, und da konnte die Staatsregierung im Herbste vorigen Jahres zu keinem anderen Ergebniß kommen, als zu dem, die Frage der Qualifikation der Landräthe einstweilen unerledigt zu lassen, wie es ihre Absicht ursprünglich gewesen war und wie es die langen Verhandlun gen zwischen beiden Häusern des Landtages, wie mir scheint, als nicht unzutreffend ergeben haben. Diese Arsicht fand in diesem Hause durch nahezu einstimmige Annahme der Regierungs⸗ vorlage Billigung, ist aber nunmehr im anderen Hause wieder auf Schwierigkeiten gestoßen in dem Sinne, daß man Bestimmungen über die Qualifikation der Landräthe als unerläßlich betrachtet. In dem Sinne von Vorschlägen, welche sowohl hier als in dem anderen Hause früher Anklang gefunden batten, sind nunmehr die jetzigen SS. 10 und 11 im Abgeordnetenbause angenommen worden. Was dem entgegenzustellen ist, haben, wie mir scheint, sowohl Herr Graf Stolberg als Herr von Winterfeld zutreffend dargelegt. Es ist für die Königliche Staatsregierung nicht annebmbar, daß für die vorge⸗ schlagenen und präsentirten Kandidaten leichtere Bedingungen auf— gestellt werden, als ihr konzedirt werden für die Ernennung in den Fällen, wo entweder kein Vorschlags⸗ oder Präsentattonzrecht stattfindet, oder wo die Vorgeschlagenen oder Präsentirten nicht ernannt werden können. Ich glaube, meine Herren, die Gründe, welche hierfür sprechen, sind einleuchtend; ich habe in dieser Be⸗ ziehung namentlich die in der Praxis oft vorkommenden Fälle im Auge, daß Kreistage zwar keine Kandidaten zu präsentiren vermögen, welche die Bedingungen des Präsentations⸗ und Vorschlagsrechts er⸗ füllen, aber wohl den Wunsch aussprechen, daß bestimmte andere Per⸗ sonen von der Regierung ernannt werden mögen; die Regierung würde, wenn ihr nicht erleichternde Bedingungen gewährt würden, nicht in der Lage sein, diesen Wünschen zu entfprechen, würde viel mehr auch in solchen Fällen beschränkt sein auf die Ernennung von vollqualifizirten Regierungs⸗ oder Gerichtsassefforen.
Nachdem nun dieser Zwiespalt der Meinungen eingetreten war, kam es darauf an, zu versuchen, einen Ausweg zu finden, um unter Wahrung der beiderseitigen Prinzipien den Hauptzweck des Gesetzes zu erreichen und gleichzeitig einen Zustand zu schaffen, welcher der Zukunft nicht in bedenklicher Weise präjudizirte, und ich meine, daß dies erreicht worden ist auf dem Wege, welchen Ihre Kommission Ihnen gers hl en hat. Zunächst ist für einen fünfjährigen Zeit⸗ raum Alles belassen, wie es bieher gewesen ist, und nach Ablauf dieses Zeitraumes sell, wenn eine anderweitize Einigung nicht zu Stande kommt, die Besetzung der Landrathestellen nur noch mit voll= qualifizirten Beamten geschehen könzen.
Es kann auf den ersten Blick wohl den Eindruck machen, alz ob damit der Zukunft präjudizirt würde, aber ich kann nicht zugeben, daß das in der That der Fall ist. Denn es ist vollkommen richtig vom Herrn von Winterfeld hervorgehoben worden, daß das Publikum das größte Interesse dabei habe, daß aus der Mitte des Kreifes die Landräthe berufen würden; ich stimme dem voll ständig bel und glaube, daß diese Meinung auch bei den verschiedenen politischen Parteien in der Landesvertretung überall vorhanden ist, mit Ausnabme eines kleinen Theils von Mitgliedern, welche in der That die Vorbildung für den höheren Verwaltungsdienst auch für die Landräthe für erforderlich halten. Die überwiegende Mehrzahl stimmt aber darin überein, daß für das Landrathsamt, welches mehr praktischer Bewährung als formeller Qualifikation bedarf, erleichterte Bedingungen vorgeschrieben werden müssen. Auf diesem Gedanken beruht der Vorschlag Ihrer Kommission, wenn ich ihn richtig ver⸗ standen habe. .
Meinerseits kann ich Ihnen denselben von dem Gesichtepunkte aus empfehlen, daß ich die Ueberzeugung habe, daß eine Einigung über erleichterte Bedingungen für die Befähigung zum Landratkgamte innerhalb des vorgesehenen Zeitraums zu Stande kommen wird, weil in Aussicht steht, daß, wenn diese Einigung nicht eintritt, nur noch Männer mit der vollen Qualifikation für den höheren Verwaltungs⸗ oder Justizdienst in das Landratbsamt berufen werden kõnnen. Menne Herren, es ist, wie ich glaube, ein solches Vorgehn gar nicht mit dem Namen eines Kompromisses zu bezeichnen, sondern es ist nichts weiter als die Vertagung der Enischeidung,
über welche in diesem Augenblicke eine Einigung nicht herbeigeführt
werden kann, über welche aber nach hoher Wahrscheinlichkei bis zu dem angegebenen Zeitpunkte eine Entscheidung herbeigeführt werden wird. Was das Amendement des Herrn Grafen zu Stolberg betrifft, so ist, an sich betrachtet, dasselbe für die Königliche Staats regierung nicht unannehmhbar, weil dich dasselbe, abweichend von dem Be schluse des Abgeordnetenhauses, die ungleichmäßigen Bedin⸗ gungen für die Vergeschlagenen und die von der Regie— rung Ernannten beseitigt werden; ich befinde mich aber nicht in der Lage. Ihnen die Annahme dieses Amendements zu empfehlen, weil sich mit ziemlicher Sicherheit voraus sehen läßt, daß dasselbe im gegenwärtigen Augenblick kaum auf die Agnahme im anderen Hause würde ju rechnen haben. Ich empfehle Ihnen viel⸗ mehr die Annahme der Beschlüsse Ihrer Kommifsion, welche die Bahrscheinlichkeit einer angemessenen Regelung der Bestimmungen über die Qualifikation der Landraͤthe in absehbarer Zeit in Fich tragen und zugleich die Möglichkeit gewähren, dem dringenden Be⸗ dürfniß von Hestsetzungen über die Qualifikation zu dem bõhern Verwaltung dien ste Genüge zu leisten.
Die Herren Graf Rittberg, Wever, Hasselbach und Graf zur Lippe traten nach dieser Erklärung unter Hintansetzung aller Bedenken für die Kommissionsanträge ein.
Nach Ablehnung des Antrages des Grafen Udo zu Stol⸗ berg wurden die Kommissionsanträge zu en 88. 10. 11 und 16 angenommen, ebenso die übrigen Paragraphen der Vorlage und das Gesetz im Ganzen.
Es folgte sodann als zweiter Gegenstand der Tagesord⸗ nung der mündliche Bericht der Justizkommission über den Entwurf eines Aus führungsgesetzes zur deutschen. Civilprozeßordnung. — Die Kommission hatte nur in den 88. 2, 17 und 24 einige unwesentliche Aenderungen, redaktioneller Natur, vorgenommen, und empfahl der Referent Dr. Dernburg, diese sowie die übrigen Paragraphen des Ge⸗
setzes, letztere in der vom Abgeordnetenhause beschlossenen Fassung, anzunehmen. — Nachdem der Regie ungskommissar, Jeheimẽ Ober⸗Justiz⸗Rath Kurlbaum II., im Namen der Staatsregierung sich mit den Abänderungen einverstanden er⸗ klärt, wurden die Anträge der Kommission ohne Debatte an⸗ genommen.
Dritter Gegenstand der Tagesordnung war die einmalige Schlußberathung über den Staatsvertrag zwischen Preußen und dem Fuͤrstenthum Lippe, betreffend die Begründung einer Gerichtsgemeinschaft. Nach kurzer Empfehlung durch den Refe⸗ renten Herrn Dr. Beseler wurde der Vertrag genehmigt.
Endlich wurde eine Petition des Gemeindevorstandes zu Stickhausen, welcher die Errichtung eines Landgerichts in Stick⸗ hausen wünschte, auf Antrag des Referenten der Justiz⸗ kommission, Herrn Dr. Henrici, durch Tagesordnung erledigt, und dann um 3 Uhr 50 Minuten die Sitzung geschlossen.
In der heutigen (9) Sitz ung des Herrenhauses, welche der Präsident um 1 Uhr 25 Minuten eröffnete, begann sofort die Berathung der auf der Tagesordnung stehenden Gesetze, deren erster Gegenstand der Bericht Der 9. KRommission zur Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Aufhebung des Gastgemeindeverhältnisses in der evangelischen Kirche der Provinz Schlesien war. Der Berxichterstatter Herr von Woyrsch gab. bei der Generaldiskussion eine kurze Darlegung über das Wesen des Gastgemeindeverhãältnisses, welches durch das Gesetz aufgehoben werden soll, und empfahl dann die Annahme des Gesetzes in der von der Kommissign veränderten Fassung. An der Generaldiskussion betheiligte sich Niemand und das Haus trat in die Spezialdiskussion.
Den S8. 1 empfahl die Kommission zur Annahme:
Den evangelischen vagirenden und Gastgemeinden in der Pro⸗ rinz Schlesien wird bis zum 1. Januar 158585 Frist gegeben, ent⸗ weder eine selbständige Parochie zu bilden oder sich nach Maßgabe der nach §. 45 der Gemeinde⸗ und Synodal Ordnung vom 10. Sextember 1873 besonders zu treffenden statutarischen Bestimmungen einer bereits bestehenden Parochie einzuverleiben.
Nachdem der Referent die Annahme des Paragraphen empfohlen und der Regierungskommissar Geheime Ober⸗Re⸗ gierungs-Rath Beinert erklärt, daß die Regierung dem Be— schlusse der Kommission nicht widersprechen wolle, wurde der §. L in dieser Fassung angenommen. (Schluß des Blattes.)
— Im weiteren Verlaufe der gestrigen (46.) Sitzung trat das Haus der Abgeordneten in die Diskuffion über die dem Nachtragsetat angehängten Grundsätze, nach denen das Dienstalter der Richter für deren Reihenfolge in den Besoldungsetats festzusetzen sein wird. Der Berichterstatter Abg. Löwenstein empfahl folgenden Antrag der Kommission:
Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: den auf Seite 49 der Vorlage Nr. 170 enthaltenen Grundsätzen, nach denen das Dienstalter der Richter für deren Reihenfolge in den Befol⸗ dungsetat festzusetzen sein wird, in unveränderter Fassung die Zu⸗ stimmung zu ertheilen.
Diese Grundsätze beruben im Wesentlichen darauf, daß das Arancement der Richter, ihr Einrücken in höhere Gehaltssphären sich nach dem Dienstalter regelt. Es kann sodann u. A. ferner bei der Aufnahme in den preußischen Richterdienst die Zeit, welche der Aufzunehmende außerhalb des Justizdienstes in einem unmit- telbaren oder mittelbaren Amte des preußifchen Staatsdienstes, im Reichsdienste oder im Dienste eines deutschen Bundes staates zuge⸗ bracht bat, ingleichen die Dienstzeit als Rechtsanwalt oder Notar mit Königlicher Genehmigung ganz oder theilweise auf das richter⸗= liche Dienstalter in Anrechnung gebracht werden. Für das Dienst⸗ alter als Richter wird der Zeitvunkt als Anfangstermin festgesetzt, in welchem der Betreffende Assessor geworden ist.
Der Abg. Stelzer brachte die Avancementsverhältnisse im Bezirke des Appellationsgerichtes Frankfurt a. M. zur Sprache, die von der Regierung in einer für die Betheiligten nicht günstigen Weise geändert seien; er verzichte aber darauf, einen bezüglichen Antrag einzubringen. Nachdem der Regie⸗ rungskommissar Ministérial-Direktor Rindfleisch und der Abg. Dr. Petri die von dem Abg. Stelzer ausgesprochenen Besorgnisse als unbegründet bezeichnet hatten, schkoß sich das
ionsvorschlage an und erklärte zugleich die
Haus dem Kommiss hierzu vorliegenden Petitionen für erledigt. Kap. 83 — 88 der dauernden Ausgaben wurden unverkürzt bewilligt.
Zu Tit. 17 Kap. 11 des Extraordinariums beantragte die Budgetkommission, das geforderte Pauschquantum zur Vorbereitung und zur theilweisen Herstellung derjenigen Bau— ten, welche für die Durchführung der Justizo rganisation vor⸗ aussichtlich nöthig sein würden, nicht in Höhe von 10 130 000, sondern nur in Höhe von 6130 000 6 zu bewilligen, also 4 Millionen abzusetzen.
Der Abg. Br. Eberty bemerkte, daß aus dieser Vorlage nicht hervorgehe, wieviel von dieser Summe für Gefängnisse ver⸗ wendet werden solle. Damit der Landtag wisse, ob bei den Gefängnißbauten das System der Einzelhaft oder der gemein⸗ samen Haft befolgt werden solle, bat Redner die Regierung, im nächsten Jahre eine umfassende Zusammenstellung aller Beträge für Gefängnißbauten vorzulegen. Der Regierungs— kommissar Geheime Ober⸗Justiz⸗Rath Starke bemerkte, es liege im Interesse der Justizverwaltung, dem Wunsche des Vorredners zu willfahren, indeß sei eine umfassende Zusammenstellung nur da möglich, wo besondere Gefängnißgebäude vorhan⸗ den seien.
Der Referent Abg. Pilet befürwortete den Kommissions⸗ antrag zur Annahme. Er bemerkte dabei, daß die Budget⸗ kommission in Folge dieser Kürzung keineswegs einen Sill stand in der erforderlichen Fortführung der nothwendigen Bauten wünsche, im Gegentheil, es solle mit aller Energie vorgegangen werden, um schleunigst diejenigen Bauten herzu⸗ stellen, welche die Justizorganisation erfordere, sowie inzwischen die erforderlichen Lokalien miethsweise zu beschaffen. Es sei aber völlig unmöglich, die geforderten Beträge in einem Bau⸗ jahre zu verwenden. Deshalb habe die Budgetkommission die Forderung um 4 Millionen Mark gekürzt. Das sei die Tendenz des Antrages. Der Referent theilte noch mit, daß es sich um 2000 Gerichtssitze in Preußen handle, worunter für 113 Neubauten nöthig sein würden.
Der Abg. Dr. Horwitz erklärte, daß die Justizverwaltung bisher den andern Zweigen der Verwaltung gegenüber stets als Stiefkind behandelt worden sei. Speziell aber legte er seine Wünsche betreffs der Ausstattung des zukünftigen Land⸗ 6 Berlin J. dar, wobei er im Einzelnen die aktuellen
erhältnisse des gegenwärtigen Stadtgerichts als vollständig
in folgender Fassung
unertrãglich darstellte.
Diese Verhältnisse führten, abgesehen von den persönlichen Unzuträglichkeiten, zu einer positiven Schä⸗ digung des Rechtsbewußtseins In der Duldung solcher Zustände liege eine so souveräne Gleichgültigkeit, daß man zweifeln könne, ob die Justizverwaltung von lebendigen Indi⸗ viduen geleitet und nicht vielmehr durch ein abstraktes Prinzip geregelt würde.
verwaltung dem berechtigten Wünschen in der Provin; jetzt
des Justizetats beendet war.
Der Regierungskommissar, Geh. Ober⸗Justiz⸗Rath Starke rechtfertigte die Justizverwaltung gegen die vom Vorredner aus gesprochenen Vorwürfe. Wenn auch M materielle Inhalt der Rede im Ganzen richtig sei, so seien die Uebelstande doch auf Ursachen zuruͤckzuführen, die zu beseitigen nicht in der lacht der Regierung liege. Namentlich sei der Raummangel bei dem Stadtgericht durch das enorme Wachsthum der Haupt⸗ stadt bedingt worden, welchem die bauliche Erweiterung der Gerichtsgebäude nicht in gleich schnellem Tempo habe folgen können; zum Anderen wäre es doch unthunlich gewesen, kurz vor dem Eintritt der Justizorganisation mit Neubauten vor⸗ zugehen. Eine souverane Gleichgültigkeit könne der Regierung nicht vorgeworfen werden, da sie speziell beim Berliner Stadt gericht allen Wünschen des Präsidenten sofort gerecht gewor⸗ den sei. Der Abg. Ottow (Hirschberg) erkannte an, daß die Justiz⸗
mehr Rechnung trage als früher, im Allgemeinen aber seien derartige Klagen, wie sie der Abg. Horwitz vorgebracht habe, nur zu berechtigt.
Der Abg. Hoffmeister hoffte, daß die Justizverwaltung in Zukunft einen anderen, besseren Weg einschlagen würde, um solche Uebelstände, wie sie zum Nachtheile der Würde der Justiz in Berlin vorlägen, aus der Welt zu schaffen. Das beste Beispiel könne sich die Regierung an der Berliner Kommunalverwaltung nehmen, welche für die Ele⸗ mentarschulen prachtvolle Räume herzustellen vermocht habe. Der Redner rügte sodann das Verfahren, nach welchem die Kommunen zur Tragung der Baulasten der Justizverwaltung in zu weit gehendem Maße herangezogen würden.
Der Regierungskommissar, Ministerial-Direktor Rind⸗ fleisch erklärte es für leicht, sich wegen der Abwälzung der Baulast vom Staate auf die Kommune zu beschweren, aber schwer dürfte es sein, einen Ausweg anzugeben. Solle etwa der Staat — in seiner jetzigen Finanzlage — auch noch alle Bauten, die die Kommunen zu tragen hätten, auf sich nehmen? Die Beschwerden der Kommunen hätten öfter sonderbare Ur⸗ sache. 3. B. Städte erbäten ein Gericht, sie offerirten den Beitrag zur Baulast, und wenn dann auf Grund des Versprechens den Städten ein Gericht zugesagt würde, erklärten sie, nicht in der Lage zu sein, die Lasten auf sich zu nehmen. Wenn die Kommunen so sich ihrer Verpflichtung entziehen wollten, dann sei das zu be⸗ dauern, in der Art aber könne die Staatsregierung nicht auf die Erfüllung gegebener Zusagen verzichten. Solche Fälle wären übrigens nur ganz vereinzelt vorgekommen, im Allge— meinen wären die Städte mit dem Vorgehen der Regierung einverstanden gewesen, und es dürfte schwer sein, in dieser
Richtung einen berechtigten Vorwurf gegen die Staatsregierung
zu erheben. Hierauf wurde Kap. 11 den Anträgen der Budgetkommission gemäß erledigt, womit die zweite Berathung
Eine Anzahl von Petitionen, welche sich auf die letzten Kapitel des Etats bezogen, werden durch den Beschluß des Hauses für erledigt erklart.
Bei der Berathung des Etats der direkten Steuern brachte Abg. Seelig zur Sprache, daß die Regierung in Schleswig-Holstein seit 3 Jahren bei der Grundsteuerreguli⸗ rung insofern ein gigen han ches Verfahren eingeschlagen habe, als sie gegen die Entscheidungen in der ersten Instanz regelmäßig die Provokation auf Ablösung einlege und dadurch den Rechtsweg sistire; die Folge davon sei, daß Prozesse seit 3 Jahren vor dem Revisionskollegium schwebten. Da dieses Verfahren geradezu zu einer öffentlichen Ka⸗ lamität geworden sei, so bitte er die Regierung, dieser Gefahr Einhalt zu thun und frage, inwieweit sie von der Sachlage unterrichtet sei.
Der Regierungskommissar erwiderte, daß von der An⸗ gelegenheit im Finanz-Ministerium eigentlich gar nichts bekannt sei. Die Regierung in Schleswig habe die Führung der Vrozesse für den Fiskus wahrzunehmen und daher das Recht, die Provokation auf Ablösung zu stellen. Die Verwaltung der indirekten Steuern habe in dieser Beziehung keinen Ein⸗ fluß geübt, nur stets um möglichste Beschleunigung ge— beten. Von einer öffentlichen Kalamität könne nicht wohl die Rede sein, da sonst gewiß Beschwerden eingegangen sein würden, das sei aber nicht der Fall. Im Uebrigen gebe er Namens der Regierung die Zusicherung, daß sie der Sache näher treten werde.
Bei Tit. 2 der Einnahmen (Gebäudesteuer) fragte Abg. Richter (Hagen), wie viel die Gebãäudesteuerrevision an Plus für die Staatskasse ergeben habe? Er finde die Mehr— belastung der Hausbesitzer ziemlich hoch und frage an, ob es nicht möglich sei, einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher die Erhöhung der Gebäudesteuer mindestens auf ein Vierteljahr, bis 1. April 1889 hinausschöbe. Der Regierungskommissar Geheime Finanz⸗Rath Dillenburger erwiderte, das Plus der Ge⸗ bäudesteuer sei, obwohl es noch nicht definitiv festgestellt sei, auf höchstens 63, Millionen Mark anzugeben. Was die Einbrin⸗ gung des vom Vorredner gewünschten Gesetzentwurfs angehe, so habe die Regierung dieselbe noch nicht in Erwägung gezogen. . .
9 Abg. Seyffarth glaubte einen Wunsch zahlreicher Be⸗ amtenklassen dem Finanz ⸗Minister ans Herz legen zu sollen. Nach der Kabinetsordre vom 27. April 1876 solle den Hinter— bliebenen von Beamten das Gehalt von 1ñ—3 Monaten gezahlt werden. Hier werde nun insofern nicht nach gleichen Grund⸗ sätzen verfahren, als die Beamten bei Kollegialbehörden, selbst Kassendiener, einen Vorzug vor den Beamten anderer Kate⸗ gorien genössen. Redner bat den Finanz⸗Minister, dieser An⸗ gelegenheit seine wohlwollende Beachtung zu schenken.
Zu Kap. 5 Titel 2 (der einmaligen und außerordentlichen Ausgaben, nämlich 1 500 000 M zur Herstellung eines Dienst⸗ gebäudes für die Direktion der Verwaltung der direkten Steuern in Berlin) beantragte die Budgetkommission, diesen Titel nicht zu bewilligen.
Der Abg. von Benda begründete den Antrag der Budget⸗ kommission damit, daß die mangelnde Beweisführun für das Bedürfniß eines neuen Dienstgebäudes Seitens der egierung, End außerdem die schwierige Finanzlage des Staates die Motive zur Stellung des mitgetheilten Antrages seien. Nach— kräglich habe der Kommissar in der Kommission sich bereit er— klärt, den Nachweis des Bedürfnisses aufs Eingehendste zu führen. Indeß sei der betreffende Referent, Freiherr von Deereman, erkrankt, die Geschästslage immer drängender, und die Ueberhäufung der Budgetkommission immer größer ge⸗ worden, so daß er von einer nochmaligen Berathung dieses
Titels innerhalb der Kommission Abstand genommen habe und es dem Hause anheim gebe, entweder den Titel zu noch⸗
maliger Berathung an die Kommission zurück zu verweisen, J hob zwar die unbedingte Nothwendigkeit des projektirten Neu⸗
oder sich im Hause selbst schlüssig zu machen.
Der Regierungskommissar 33 Finanz⸗Rath Dillen⸗ burger wies nach, daß das Bedürfniß für ein neues Gebäude für die Direktion der direkten Steuern unabweislich sei, die Bureaus seien in den verschiedensten Häusern in unzweckmäßigster Weise untergebracht; er bitte dringend, den Antrag der Kom⸗ mission abzulehnen. — Hierauf wurde der Antrag der Budget⸗ kommission verworfen, die betreffende Position nach dem Antrage des Grafen Limburg⸗Stirum zu nochmaliger Berathung der Budgetkommission überwiesen und saͤmmtliche übrigen Titel des Etats der direkten Steuern in den Ein— nahmen und dauernden Ausgaben genehmigt.
Beim Etat der indirekten Steuern nahm der Abg. Dr. Serlo das Wort: Der Abg. für Hagen habe ihm einen Vorwurf daraus gemacht, daß er zum Vorsitzenden der Eisen⸗ Enquete⸗Kommission ernannt worden sei, obwohl er (Redner) vorher öffentlich erklärt hätte, daß er die Wiedereinführung der Eisenzölle befürworten würde. Er habe aber seit dem Ge⸗ setze vom Jahre 1873, welches die Eisenzölle aufhob, niemals eine solche Erklärung abgegeben, am wenigsten eine öffentliche. Zwei Monate, nachdem er Vorsitzender der Kommission geworden, habe ein Bekannter seine Ansicht über Eisenzölle ergründen wollen und da habe er allerdings einen Brief geschr eben, bei dem er aber hinzugefügt habe, daß er eine Veröffentlichung seines Inhalts nicht wünsche; diese Veröffentlichung sei indessen durch eine Ungeschicklichkeit erfolgt. In dicsem Briefe habe er sich allerdings dahin ausgesprochen, daß eine Wieder⸗ einführung der Eisenzölle den Produzenten keinen Nutzen und den Konsumenten keinen Schaden zufügen, daß dieselbe aber einer grsßen Klasse von Interessenten Muth und Ver—⸗ trauen zurückbringen würde. Mit dem ersten Theile dieser Behauptung stehe er in Uebereinstimmung mit einer großen Zahl von Sachverständigen, ja sogar ein frei⸗ händlerischer Eisenkonsument habe in der Kommission geradezu erkärt, daß er heute gerade so viel für das Eisen zahlen müsse, wie vor 1873. Er habe die Verhand⸗ lungen der Eisen-Enquete⸗Kommission damit begonnen, daß er die Theilnehmer zur Bewahrung der größten Ohbjekti⸗ vität aufgefordert habe und sei sich bewußt, daß er stets be— strebt gewesen sei, sie zu beobachten. Was über die Beschlüsse der Kommission durch die Zeitungen gegangen sei, beruhe zum größten Theil auf unrichtiger Darstellung. Die Kommission habe sich bestrebt, mit der größten Objektivität zu verfahren. Ferner habe der Abg. Richter gerügt, daß nicht die geeigneten Sachverständigen vernommen seien. Die Kom⸗ mission hätte sich doch nicht an die Redacteure liberaler Zeitungen wenden können, deren ganzer Eisenkonsum in Stahlfedern bestehe. Wenn dann der Abg. Richter gesagt habe, die Sachverständigen hätten von dem Generalsekretär Bueck Instruktionen erhalten, so sei ihm davon nichts bekannt. Ihre Stenogramme habe er gleichfalls nicht korrigiren können, da die Mitglieder dies selbst hätten thun müssen; außerdem seien materielle A nderungen zurückkorrigirt worden. Er glaube, die Kommission könne ein Vorwurf nicht treffen, sie habe ihre Schuldigkeit gethan und sich um das Vaterland ver— dient gemacht. ⸗
Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte hierauf, der Vor⸗ redner habe im Wesentlichen Alles bestätigt, was er (Redner) behauptet habe, nicht um ihn persönlich anzugreifen, sondern die Einrichtung einer solchen Enquete zu charakterisiren. Es habe in der Oeffentlichkeit von ihm eine Erklärung vorgelegen vor Beginn der Enqueteverhandlungen, daß er die Wieder⸗ einführung von Eisenzöllen für nöthig halte. Allerdings sei die Erklärung nicht mit des Vorredners Willen in die Oeffent— lichkeit gekommen. Aber nachdem es geschehen, also der berufene Richter zur Sache einen Ausspruch gethan habe, hätte die Re— gierung ihn abberufen müssen; oder besser noch, er selbst hätte seine Entlassung fordern müssen. Allerdings sei die Kom— mission einseitig besetzt gewesen. Drei erklärte Schutzzöllner, Schlöhr, Stumm und Serlo, ein abhängiger Geheimer Rath, Huber. Diesen Vieren habe gegenüber, als unabhängiger Frei⸗ händler, allein der Konsul Meier aus Bremen, gestanden. Der Vorredner habe zugegeben, daß die Sachverständigen nicht eidlich vernommen worden seien. Der schutzzöllnerische Centralverband habe für seine Sachverständigen vorher Materialien zur Frage— beantwortung autographiren lassen. Zugegeben sei, daß die im Kaiserhof korrigirten stenographischen Aussagen wieder hätten zurückkorrigirt werden müssen. Er konstatire, daß heute noch unmittelbar vor der Reichstagsentscheidung Nichts über die Enquete amtlich veröffentlicht sei. . .
Der Abg. Dr. Dohrn hemerkte, auch er habe den Eindruck gehabt, als ob man mit der Berufung der Sachverständigen einseitig verfahren sei. Es seien Männer als Sachverständige vernommen, nur wegen ihres schutzzöll nerischen Standpunktes. Das sei namentlich auch mit der Berufung des Sachverstän— digen aus Stettin der Fall gewesen. ö
Der Abg. von Wedell (Malchow) erklärte hierauf, er müsse die Behauptung des Abg. Serlo, daß ein freihändleri⸗ scher Sachverständiger in der Kommission gesagt habe, er be— zahle das Eisen nach Aufhebung der Zölle eben so theuer wie vorher, auf sich beziehen. Er habe nun erklärt, daß er dem Schmied, den er in seinem Dienste habe, für Schmiedearbeiten noch denselben Akkord wie früher zahle. Das sei etwas Anderes, als was der Hr. Serlo mitgetheilt habe.
Nach weiteren kurzen persönlichen Bemerkungen der Abgg. Richter, Or. Serlo und von Wedell (Malchow) wurde die Dis⸗ kussion geschlossen, und der Etat der direkten Steuern bewilligt, worauf sich das Haus um 51 Uhr vertagte.
— In der heutigen (.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Handels-Minister Maybach und mehrere Regierungskommissarien beiwohnten, erklärte das Haus die Uebersicht über die Verwaltung der fiskalischen Berg—⸗ werke, Hütten und Salinen während des Etats jahres 1877.78 durch Kenntnißnahme für erledigt. Dasselbe beantragte Namens der Budgetkommission der Referent Abg. Dr. Dohrn in Betreff der Denkschrift über die Lage der im Nessort des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal⸗Angelegenheiten seit dem Jahre 1872 einschließlich begonnenen und in der Vorbereitung begriffenen Staatshauten in Berlin und Pots⸗ dam. Dagegen beantragte der Abg. Freiherr von Huene: Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, . daß es sich die Entscheidung über die Hineinziehung des zur Zeit von dem Staats-⸗Ministerium benutzten Hauses Behrenstraße 72 in den Erweiterungsbau des Kultug⸗Ministeriums vorbehält bis zur Vorlage der tevidirten Kostenanschläge für den Bau des letzte ren 5 und bis zur erfolgten Mittheilung darüber, welche Kosten die anderweitige Unterbringung des Staatz. Mintfteriums verursachen wird. . l .
Der Negierungskommissar Ministerial-⸗Direktor Greiff
baus des Kultus⸗Ministeriums hervor, da die jetzige Wohnung des Ministers selbst gesundheitsgefährlich sei, bemerkte aber, daß er die budgetmäßige Berechtigung des Antrages von Huene nicht verkenne und gab dem Hause die Entscheidung darüber anheim. Letzteres verwies den Antrag an die Budget⸗ kommission.
Der Abg. Dr. von Bunsen beklagte die Verzögerung, welche der Bibliotheks neubau in Berlin erfahre, und lenkte die Aufmerksamkeit der Staatsregierung auf verschiedene fiskalische Grundstücke nördlich des Akademiegebäudes, welche sich zur Aufnahme des Kasernements der Schwadron Gardes du Corps eignen würden. Die Kunstakademie könnte auf den Lützowplatz verlegt werden. So würde Raum für eine neue Bibliothek geschaffen. Für eine augenblickliche Trennung der Bibliothek in verschie⸗ dene Theile könne er sich nicht aussprechen. Der Abg. Dr. Virchow bemerkte dagegen, er halte eine partielle Verlegung der Bibliothek für die einzig mögliche Lösung der Frage. Bezüglich der Akademie der Künste trete er dem Vorschlage des Abg. von Bunsen, dieselbe auf den Lützowplatz zu ver⸗ legen, entgegen; in seiner Eigenschaft als Stadtverordneter habe er diesen Platz, der als Erholungsplatz für die junge Generation erhalten bleiben müsse, bereits zweimal gerettet.
Beim Schluß des Blattes ging das Haus zur Fort— setzung der zweiten Berathung des Entwurfs, die Reichshaus⸗ halts-Etats für 1879/80, über und erledigte ohne Debatte zunächst die Positionen betreffend die Verwaltung der direkten Steuern.
— In allen den Ländern, in welchen der telegraphische Verkehr durch eine Staatsanstalt besorgt wird, haben die zur Ausgabe an den Adressaten gelangenden Depeschen, nach einem Erkenntniß des Reichs-Ober-Handelsgerichts“ II. Senat, vom 22. Januar 1879, civilrechtlich die Beweiskraft öffentlicher Urkunden. Wird von einer Partei behauptet, daß die von der Gegenpartei zum Beweise ihrer Behauptung produzirte Depesche in dem Ankunftsort unrichtig ausgefertigt worden, so hat sie dies nachzuweisen.
— Die Verletzung eines von den Verwaltungsbehörden eines Staates erlassenen Vieheinfuhrverbots, welches zur Verhütung der Einschleppung der Rinderpest erlassen wird, ist, nach einem Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 9. Januar 1879, wenn die Verletzung eine wissentliche gewesen, in ideeller Konkurrenz sowohl aus 5§. 328 des St. G.-B. wegen Verletzung der gesundheitspolizeichen Vorschriften als auch aus 5. 134 des Vereinszollgesetzes vom 1. Juli 1869 wegen Contrebande zu bestrafen; ist dagegen die Verletzung eine nicht wissentliche gewesen, so tritt nur die Bestrafung wegen Contrebande ein.
— Der selbständige Verwalter eines fremden Besitz— thums — beispielsweise ein mit voller Selbständigkeit aus⸗ gestatteter Gutsinspektor — ist, nach einem Erkenntniß des Ober⸗Tribu nals vom 8. Januar 1879, zur Stellung von Strafanträgen gegen Personen, welche strafbare, gegen das von ihm verwaltete Besitzthum gerichtete Hand⸗ lungen verübt haben, berechtigt.
— In den deutschen Münzstätten sind bis zum 1. Februar 1879 geprägt worden, an Goldmünzen: 1248 057 140 6 Doppelkronen, 404 873 2209 66 Kronen, 27 969 845 M½½ Halbe Kronen, hiervon auf Privatrechnung 359 903 340 9 Vorher waren geprägt: 1247 626 900 S. Doppelkronen, 403 g20 280 6 Kronen, 27 969 g25 S6 Halbe Kronen, hiervon auf Privatrechnung 361 427 150 (4 Summa 1 650 880 205 M
— Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Bürgermeister der freien und Hansestadt Hamburg Dr. Kirchenpauer, ist hier angekommen.
Bayern. München, 6. Februar. (All. Ztg.) Die II. Abtheilung der Kammer der Abgeordneten hat heute Abend die wiederholten Wahlen des Wahlkreises Schweinfurt geprüft und beschlossen, daß der gegen die— selben erhobenen Reklamation eine Folge nicht zu geben, vielmehr die drei schon zweimal „kassirten,“ aber wieder ge⸗ wählten Abgeordneten als legitimirt zu erklären seien.
Schwarzburg⸗Sondershausen. Sondershausen, 6. Februar. (Leipz. Ztg.) Die Gesetz⸗ Sammlung ver⸗ öffentlicht das mit dem versammelten Landtage vereinbarte Gesetz, einen Nachtrag zur Geschäftsordnung des Landtags betreffend, nach welchem Fachdeputationen und bestellte besondere Deputationen des Landtags durch Beschluß des letzteren und mit Zustimmung der Staatsregierung ermächtigt werden können, auch während der Zeit, in welcher der Land⸗ tag nicht versammelt ist, die ihnen überwiesenen Geschäfte zu betreiben, bezugsweise fortzusetzen und Deputationssitzungen zu halten. Der Landtag hat in seiner zweiten Sitzung diese Deputation zur Vorberathung sämmtlicher mit den Reichs⸗ Justizgesetzen im Zusammenhange stehenden Regierungs⸗ vorlagen gewählt. Dem Landtage ist der erwartete Gesetz— entwurf über Besteuerung der Wanderlager zu⸗
gegangen. Reuß j. L. Gera, 6. Februar. (Leipz. Ztg. Der Landtag schloß mit seiner heutigen Sitzung die diesmalige Session. Zunächst kamen noch einige auf die Ju st ixreor⸗ ganisation bezügliche Vorlagen zur Erledigung. Die für die Aufnahme des gemeinschaftlichen Landgerichts bestimmten Gebäude erfordern für Umbau, Reparaturen ꝛc. einen Auf⸗ wand von 40 000 6, welcher Betrag vom Landtage ungekürzt genehmigt wurde. Sodann fanden nach theils längerer, theils kürzerer Diskussion u. a. die nachstehend genannten Vorlagen im Wesentlichen unveränderte Annahme, als: das Gesetz, die nach dem deutschen Gerichtsverfassungsgesetze zu errichtenden ordent⸗ lichen Landesgerichte betreffend; das Ausführungsgesetz zum deutschen Gerichtsverfassungsgesetze; das Ausführungsgesetz zur deutschen Civilprozeßordnung; das Ausführungsgesetz zur deutschen Konkursordnung; das Gesetz, die Uebergangs⸗ bestimmungen zur Civilprozeßordnung, Konkursordnung und Strafprozeßordnung betreffend, und das Gesetz, das polizeiliche Straffestsetzun gs und Strafansorderungsrecht betreffend.
Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 6. Februar. (Prag. Abendblatt. Die Verhandlungen wegen der Neubildung des Ministeriums nehmen ihren Fortgang. Alle Mel— dungen, welche die Persoͤnlichleiten der küntigen Minister betreffen, sind verfrüht, da die bezüglichen Kesprechungen noch im Zuge sind. — Der russische Botschafter von Novikoff hat