1879 / 66 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 18 Mar 1879 18:00:01 GMT) scan diff

wahrscheinlich aus dienstlichen Rücksichten ihre Namen nicht unter den Protest gesetzt.

Die Blätter der Rechten haben nur Worte des Hohns für die von Herrn Rameau ausgeführte Brandmar— kung der früheren Minister, und in der That läßt sich nicht leugnen, daß das Votum ein Schlag ins Wasser war. Dle Zusammensetzung der Majorität ist übrigens dem Ministerium günstiger, als anfänglich vermuthet wurde. Von den 317 Stimmen, welche die Anklage verwarfen, gehörten 183 den republikanischen Parteien, 134 den Monarchisten an, wäh⸗ rend die 159 Stimmen für die Anklage mit einer Aus— nahme des Bonapartisten Janvier de la Motte nur Republikaner umfassen. Für Clemenceau's einfache Tagesordnung wurden 144 bonapartistische Stimmen und 18 republikanische abgegeben; die 200 Gegner waren Re⸗ publikaner, 138, die sich enthielten, bis auf 5 Bonapartisten, Mitglieder der äußersten Linken. Die Tagesordnung „de flétrissuren des Herrn Rameau endlich wurde mit 217 Stim— men, sämmtlich republikanisch, gegen 135 Stimmen angenom— men. Letztere waren Bonapartisten oder Royalisten. 156 Mit⸗ glieder des Hauses außer zehn Monarchisten sämmtlich von der äußersten Linken und der Union républicaine enthielten sich der Abstimmung.

Die anfänglich bealsichtigte Interpellation im Senat über das Votum der Deputirtenkammer soll aufgegeben sein, angeblich, weil die Rechte befürchtet, der Senat könnte durch eine Abstimmung das Urtheil der Kammer bestätigen.

Im heutigen Ministerrathe wurden zwei wichtige Gesetzentwürfe genehmigt, welche der Unterrichts— Minister Jules Ferry ausgearbeitet hat. Der eine der— selben modifizirt in liberalem Sinne sowohl die Zusammen— setzung als die Befugnisse des Unterrichtsraths; der zweite entzieht den katholischen Universitäten die Verleihung der akademischen Grade, welche ihnen das Gesetz vom 12. Juli 1875 eingeräumt hatte. Der Unterrichts rath soll nach der Vorlage des Herrn Jules Ferry fortan aus 50 Mit— gliedern bestehen, die sämmtlich dem staatlichen Unterrichts körper angehören. Es würden also davon alle kirchlichen und sonstigen Elemente, welche ihm bisher an— gehörten (vier Erzbischöfe oder Bischöfe, ein Vertreter der Armee, ein Vertreter der Flotte, je ein Vertreter der refor— mirten Kirche, der evangelischen Kirche Augsburgischer Konfession, des israelitischen Konsistoriums, zwei Mitglieder des Kassations— hofes u. s. w.) ausgeschlossen bleiben. Der Unterrichts- rath soll, wie bisher, zweimal jährlich zusammentreten und von dem Minister auch sonst, wenn es ihm gut dünkt, einbe— rufen werden können. Zwanzig Mitglieder des Unterrichts— raths sollen endlich als permanenter Ausschuß für alle Unter— richtsangelegenheiten dem Minister das ganze Jahr hindurch zur Seite stehen.

Die neue Präfekten bewegung, die 24 Präfekturen berührt, wurde durch den Rücktritt oder durch anderweitige Anstellung von 8 Präfekten veranlaßt. Bei dieser Bewegung wechseln 16 Präfekten ihre Stellen, drei General-Sekretäre und vier Subpräfckten wurden zu Präfekten ernannt, und ein am 24. Mai abgesetzter Präfekt tritt wieder in die Ver— waltung.

15. März. (Köln. Ztg.) Auch der General Borel, Befehlshaber des Armee⸗Corps in Rouen, hat in Folge der motivirten Tagesordnung der Deputirtenkammer sein Ent—⸗ lassungsgesuch eingereicht. Ein Erlaß des Ministers des Innern an die Präfekten bestimmt, daß alle Am— nestirten nach ihrer Ankunft in Frankreich kostenfrei nach ihrer Heimath befördert werden sollen. Der Budgetaus— schuß nahm den Bericht Spullers über den Neubau der französischen Botschaft in Berlin an.

16. März. (Fr. C.) Die Minister vom 23. November haben auch protestirt, ihren Protest aber nicht in die Blätter gerückt, sondern dem Präsidenten der Republik eingereicht. Der Protest lautet:

„Die unterzeichneten Mitglieder des Kabinets vom 23. November 1877 verwahren sich, nachdem sie von der Tages ordnung Kenntniß genommen, welche gegen sie in der Sitzung vom 13. d. M. von 217 Algeordneten votirt worden ist, entschieden gegen die Angaben dieser Tagesordnung und weisen mit Entrüstung die Anklage zurück, »die Regierung, der sie dienten, verrathen und Frankreich an den Rand des Büræerkrieges geführt zu haben?. Sie protestiren ferner gegen die Form dieses Aktes, der kein Richterspruch ist, weil er ron einer Versammlung ohne richterliche Kompetenz herrührt, und gleichwohl eine Strafe, die der öffentlichen Kundmachung, vererdnet, welche nur ein Gericht verhängen kann. General ven Rochebouet Welche. Marquis von Banneville. Dutilleul.“

Die Herren Ozenne, Lepelletier, Graeff, Faye und Admiral Roussin haben diesen Protest nicht unterzeichnen können, weil

sie öffentliche Aemter bekleiden.

Das Gesetz über die Freiheit des höheren Unterrichts, welches von dem Minister Ferry auf dem Tische des Hauses niedergelegt worden ist, enthält im Wesent⸗ lichen folgende Bestimmungen. Die Prüfungen und prak⸗ tischen Probearbeiten, welche die Ertheilung der Grade be— dingen, können nur vor den Institutionen des höheren Staatsunterrichts abgelegt werden. Die von Privaten oder Gesellschasten gegründeten Schulen für den höheren Unterricht dürfen nur den Namen von „freien Schulen“ sühren. Die Titel oder Grade eines Aggrégè, Doctors, Licencié, Bachelier 2 können nur denjenigen ertheilt werden, die sie nach vorschrifts⸗ mäßigen Prüfungen vor den staatlichen Fakultäten erworben haben. Wer einer nicht autorisirten religiösen Kongregation angehört, darf an dem Unterrichte der freien Schule nicht theilnehmen, noch ein derartiges Institut leiten.

17. März. (W. T. B.). Der Marine ⸗Präfekt in Cherbourg, Vize⸗Admiral Roussin, welcher zu dem Kabinet vom 23. November gehörte, hat seine Entlassung ge— nommen.

Versailles, 17. März. (W. T. B) Die Depu⸗ tirtenkammer berieth heute den Antrag Bert's, betreffend die Gründung von Normal⸗-Elementarschulen für Töchter. Im Laufe der Debatte erllärte der Unte rrichts⸗Minister Ferry, daß er einen Gesetzentwurf einbringen werde, betref— fend die Aufhebung der sogenannten Obedienzbriefe, durch welche den Mitgliedern von Kongregationen gestattet ist, ohne staatliche Bestallung Unterricht zu ertheilen. (Veifall feitens der Linken. Der Deputirte Keller (Katholik) bekampfte den Gesetzentwurf, indem er ihn als ein Gesetz bezeichnete, das auf Kampf und Unterdrückung hinziele. Bert hob in Erwiderung auf die Behauptung Kellers die Nothwendigkeit hervor, den Unterricht Lehrern anzuvertrauen, welche die Gesetze des Staates anerkennen und keinem anderen Herrn gehorchen, als dem durch die allgemeinen Wahlen mamifestirten Willen“ der Nation. Die Kammer beschloß, in die Berathung der ein⸗ zelnen Artikel einzutreten.

Spanien. Madrid, 17. März. (W. T. B.) Der Mi⸗ nister des Innern hat ein Rundschreiben an die Be— hörden gerichtet, in welchem dieselben aufgefordert werden, sich bei den bevorstehenden Wahlen jeder Pression auf die Wähler zu enthalten und jeden gerichtlich zu verfolgen, welcher eine Pression ausüben sollte, gleichviel, ob zu Gunsten der ministeriellen Kandidaten, oder zu Gunsten der Kandidaten der Oppositionspartei.

Italien. Rom, 17. März. (W. T. B) Der „Popolo romano“ meldet: Der Ministerrath hat die Vorlage über die Wahlreform genehmigt. Der Entwurf, welcher demnächst in der Deputirtenkammer eingebracht werden wird, besteht aus 103 Artikeln und ist im Allgemeinen mit dem von Zanardelli formulirten übereinstimmend. Das für die Wähl⸗ barleit vorgeschriebene Alter ist auf 21 Jahre festgesetzt und die erforderliche Schulausbildung auf die höheren Stufen des Elementarunterrichts reduzirt. Bei den Wahlen wird das Listensystem zur Anwendung gelangen. Demselben Blatte zufolge hat der Ministerrath in der Frage des bereits in der Konvention vom Jahre 1873 vereinbarten Rückkaufs der römischen Bahnen beschlossen, den der Regierung von dem Verwaltungsrath der gedachten Bahnen vorgelegten Entwurf als prinzipielle Basis anzunehmen. Das Turiner Wahl kollegium hat Thomas Lamarmora zum Depu⸗ tirten gewählt.

Türkei. Konstantinopel, 17. März. (W. T. B.) Die Pforte hat an Moukhtar Pascha nach Prevesa aus⸗ führliche In struktionen gesandt. Nach weiteren Mel— dungen aus Philippopel sind der General Stolipin, der französische Kommissär Coutouly und der Finanzdirektor Schmidt in Jamboli eingetroffen. General Stolipin hielt eine Revue über die Milizen und die Freiwilligen ab, welche auf den Kaiser Alexander, den General Stolipin, auf Bul⸗ garien und Frankreich Hochrufe ausbrachten. Die Stadt war Abends festlich erleuchtet.

J ö. ö Rumänien. Bu karest, 18. März. (W. T. B.) *Im Senate und in der Kammer findet heute die zweite Lesung der Vorlage über Abänderung der Verfassung statt. Die Konvention über den Anschluß der Bahnen Or— sowa⸗Vercierowa soll heute in Wen unterzeichnet werden. . Rußland und Bolen. St. Petersburg, 18. März. (W. T. B.) Nach einem hier eingegangenen Telegramm aut Wetljanka vom 16.8. M. sind der österreichische Delegirte Dr. Biesiadecky, der türkische Delegirte Kabiadis, der ungarische Delegirte Dr. Roszahely und der rumänische Delegirte Pe⸗ trescu an diesem Tage nach Astrachan abgereist, werden aber bei dem Austritt aus dem Seuchengebiete in Semjany vorerst den bestehenden Quarantänemaßregeln unterworfen werden.

Tand⸗ und Forstwirthschaft.

Für die in der Zeit vom 20. bis 25. Mär; hier statffindende Deutsche Molkerei -Ausstellung bat das Comits eine Ein- richtung getroffen, die den Fachleuten ein eingehendes Studium der verschiedenen Abtheilungen ermöglicht und vielen Beifall finden wird. Die eigentliche Eröffnung wird nämlich immer erst Vormit— tags 10 Uhr erfolgen, während für den Besuch der Frühftunden von 3 bis 10 Ubr der Eintritt., gegen befonders Partoutkarten (a. 10. MM, die auch für die ganze übrige Zeit gelten, zu⸗ lässig ist. Unsere frühere Mittheilung über die werthvollen Ehren⸗ preise können wir heute dahin ergänzen, daß die Sammlung noch eine reiche Erweiterung erfahren hat. So stiftete der Groß⸗ herzog von Oldenburg eine kunstroll gearbeitete Pendule und der Klub der Landwirthe in Berlin, der Landwirthschaftliche Verein des Teltower Kreises, sowie der Dresdener Landwirthschaftliche Verein ebenfalls werthvolle Kunstgegenstände. 2 ——

Gestern Vormittag nahm der Minister für die landwirth⸗ schaftlichen Angelegenheiten die Vorbereitungen zur Aus⸗ stellung in Augenschein. Eine große Anzahl landwirthschaftlicher Vereine Deutschlands hat Delegirte hergefandt, welche seit mehreren Tagen beschäftigt sind, die betr. Kollektionen zu ordnen. Der fertig vorliegende Kataloa umfaßt nicht weniger als 16 Druckbogen.

Die feierliche Eröffnung der Ausstellung findet am Doanerstag, den 20. d. Mts., Vormittags 10 Uhr, statt. Bis dahin werden die Preisrichter (deren etwa 65 aus allen Theilen Deutschlands berufen sind und die gestern Abend zu einer ersten Besprechung im Klub der Landwirthe sich versammelt hatten) ihre Aufgabe bereits gelöst haben und in einem schriftlichen Bericht das Ergebniß ihrer Erhebungen dem Publikum vorlegen.

Gewerbe und Sandel.

Gestern früh rerschied hier der Wirkliche Geheime Ober— Regierungs⸗Rath a. D. Hartwich. Derselbe hat viele Jahre dem preußischen Handels Ministerium angehört und auf dem Gebiete des Eisenbahnbaus eine hervorragende Thätigkeit entwickelt. Der tech nischen Baudeputation hat derselbe bis zu seinem Tode angehört.

Dresden, 17. März. (W. T. B.) Wie heutige Generalvr⸗ sammlung der sächsischen Bank war von 61 Aktionären besucht, welche 7975 Aktien mit S9 Stimmen vertraten. Der Jahresabschluß und die vorgeschlagene Dividende von 5 , welche von morgen ab erhoben werden kann, wurden einstimmig genehmigt. Die kooptirten, heute ausscheidenden Verwaltungsrathemitalieder, Guftav Hartmann in Chemnitz und Geheimer Kommerzien. Rath Ferdor Ischille, wurden einstimmig wiedergewählt.

London, 1J. März. (W. T. B.) Die Getreidezufuhren betrugen in der Woche vom 8. bis zum 14. März: Ergl. Weizen 3340, fremder 26 572, engl. Gerste 1800, fremde 6296, engl. Malzgerste 23 828, engl. Hafer S70, fremder 33 835 Orts. Engl. Mehl 15634, fremdes 10 520 Sack und 5164 Faß.

Verkehrs⸗Anstalten.

London, 15. März. (Allg. Korr.) Das Schatzamt hat die hauptsächlichsten Fabrikanten von Telegraphenkabeln, sowie die Di⸗ rektion der orientalischen Telegraphengesellschaft in London auf⸗ gefordert, bis zum nächsten Dienstag Submissionen für die Her⸗ stellung einer Telegraphenverbindung mit den süůdafrika⸗ nischen Kolonien und Mauritius einzureichen.

PIymouth, 17. März. (W. T. B Der Hamburger Postdampfer Frisia“ ist hier eingetroffen.

Kopenhagen, 17. März. (W. T. B.) Die Leuchtschif fe „Schultzs Grund*, „‚Gjedför Reff ', ‚Knoben“ und „Kobbergrunden“ baben ihre Stationen wieder eingenommen. Das Po st dam pf⸗ schiff geht heute Abend von Korsör nach Kiel.

New⸗Jork, 17. März. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd Mosel“ und der Dampfer Erin“ von der Nati onal⸗Dampfschiffs⸗ Compagnie (C. Messingsche Linie) sind hier eingetroffen.

In der Sitzung der Anthropolcgischen Gesellfcaft am Sonnabend berichtete Prof. Virchow zu nächst über die bisherigen anthropologischen Resultate der Bastianschen Reise. Prof. Bastian hat vor Allem seinen durch Unwohlsein herbeigeführten längeren Aufenthalt in Asam dazu benutzt, die umliegenden Stämme, deren Studium von besenderem Werth erschien, aus eigner Anschauung kennen zu lernen. Es ist ihm hier auch gelungen, seine Sammlun⸗ gen ganz erheblich zu bereichern; ebenso hofft er, ein werthvolles Material an Schädeln mitbringen zu körnen. Jene Stämme, die sich oft gegen seitig blutig befehden, haben rämssch die Sitte, die Köpfe der gefallenen Feinde abzuhauen, um sie als Sieges zeicken. mitju jühren. Die englische Regierung Fat nun neueidings die Stämme gezwungen, alle jene Köpfe abzuliefern. Bei einem kür(lichen Ueberfall. gelangten fo nicht weniger als 40 Köpfe in die Hände der englischen Regierung, von der Bastian die interessantesten zu erhalten hofft. Die im Vorjahr hier anwesen⸗ den Nu bier sind, wie Professor Virchow weiter berichtete, im Ganzen glücklich in ihre Heimath angelangt. Nur ein Unfall, und zwar ein sehr Kedauerlicher, hat die Karavane betroffen. Die Nubier hatten sich in Triest Revolver gekauft, und auf der Straße von Suakin nach den Nubierdörfern machte Abd - ul Scherij, jener schlanke Nubier, der die Karavanenzüge im Zoologiscken Garten anzuführen pflegte, von seinem Revolver ungeschickten Gebrauch, erschoß aus Verfehen einen Chadenduemann und fiel der Blutrache jenck Stammes, dem gegenüber die kleine Kararane ohn⸗ mächtig war, zum Opfer. Den ersten Vortrag des Abends hielt Professor Hartmann über die O stafrikaner und machte hierbei einige Vorschlãge, die zur Erweiterung der Völkerkunde überhaupt beizu⸗ tragen geeignet erscheinen. Er empfahl den jenigen Reisenden, die photographische Apparate nicht mitnehmen können, sich dadurch genaue Abbildungen der Völkertvpen zu verschaffen, daß sie die Schattenrisse der Leute nachzeichnen, zur Kontrole die Maße unter Beobachtung der Ver⸗ kürzungen einfügen und das so gewonnene Bild alsdann schattiren und wenn möglich auch aquarelliren. Nicht minder empfehlen werth erschien es dem Redner, vorhandene gute Abbildungen mitzunehmen, um mit ihnen Veraleiche anstellen zu können. Hierauf sprach der Missionar Hubrig über die Hakachinesen, unter denen er selbst 13 Jahre hindurch gewirkt. Die Hakachinef en, die Bewohner der Kantonprovin, ist derjeni e Theil der Bewoh ser Chinas, bei dem das Christent. um am meisten Verbreitung gesunden hat. Es hat dies wohl darin seinen Grund, daß der Hakachinese gleich dem Euro⸗ PFäer, dem Fan- due, dem fremden Teufel, verachtet ist. Das gleiche Schicksal hat sie dem Europäer nährr gebracht. Nach Schluß der Sitzung verahschiedete fich Prof. Virchow, welcher im Laufe dieser Woche seine Reise nach Troja antreten wird, von der Gesellschaft.

Im Vietoria⸗ Theater ging am Sonntag das mit Spannung erwartete neue großarti ze Ausstattungsftück Die Kinder des Kapitäns Grant' mit glänzendem Erfolge in Scene. Dasselbe hat. zu Verfassern den bekannten Erfinder des phantastisch⸗natur⸗ wissenschaftlichen Romans, Jules Verne, der auch zu der Reise um die Welt“ die Idee gegeben, und den dramatischen Schrift- steller d Ennery, von dem wir hier ebenfalls schon mehrere geschickt arrangirte Sensationsschauspiele gesehen haben. Was sie hier bieten, ist eine höchst abenteuerliche Entdeckungsreise zur Auffindung des Kapitäns Grant und seines Sohnes, welche eine Expedition nach dem Südpol unternommen, von der meuternden Schiffs mannschaft aber auf einer unwirthlichen Insel des Polarmeeres ausgesetzt werden. Ein hochherziger Lod rüstet auf Bitten der in England zurück—⸗ gebliebenen Kinder des Kapitäns seinen Dampfer aus, und es gelingt ihm auch, nach mannigfachen Irrfahrten und Gefahren, mit denen Elemente, Thiere und Menschen die Mitglieder bedrohen, den Todt⸗ geglaubten noch lebendig aufzufinden und in die Heimath zurückzu⸗ führen. Es läßt sich nicht leugnen, daß es den Verfassern gelungen ist, trotz großer Unwahrscheinlichkeiten, die Zuschauer durch die abwechselnd heiteren und komischen, dann Wieder ernsten und gufregenden bunten Scenen in fortwährender Spannung zu erhalten. Aber was wäre hier der Dramatiker allein, ohne den Maschinenmeister, den Dekorationsmaler, den Kostümschneider! Ihnen fällt doch der Löwenantheil an dem Erfolge zu, denn das Stück selbst ist ja nur das Recitativ, welches wie die einzelnen Rummern ber alten Oper, die scenischen Ueberraschungen geschickt verbindet. Was aber in letzterer Beziehung geboten wird, stellt Alles bisher hier Gesehene in den Schatten. Auf die prächtigen Details hier ein⸗ zugehen, würde zu weit führen. Besonders hervorgehoben sei indeß das fünfte Bild „Der Bergrutsch“ in Patagonien, in welchem auch ein Condor als Knabenräuber eine Rolle srielt, ferner vor Allem das „Erdbeben“ im folgenden Tableau, welches mit der furchtbar grandiosen Neubildung eines feuerspeienden Berges endet, die als ein Meisterwerk der Maschinentechnik zu bezeichnen ist. Auch das zehnte Bild: „Die Verlassenen“, mit Ansicht der von Eis umthürmten wüsten Insel, und daz elfte, welches den Abgang der furchtbaren Eis⸗ berge und das Aufgehen der Polarsonne zeigt, sind von großartiger Wirkung. In Bezug auf scenische Pracht aber werden alle diese Bilder noch weit übertroffen ven dem achten, dem „Feste der Goldgräber. Etwas ähnliches dürfte, was Glanz der Aukstattung und der Kostüme be⸗ trifft, hier überhaupt noch nicht gezeigt worden sein. Die Ballets und Ensembles, mit der südlich feurigen Musik dazu und dem Auf⸗ wande unzähliger Lampions bieten ein Gesammtbild von feenhafter Schönheit. Nicht weniger als 130 Personen find darin beschãftigt. Schon um dieses einen Tableaus Willen, welches von dem Ballet⸗ meister Gredelue vorzüglich arrangirt ist, lohnt sich ein Besuch des Theaters reichlich. Ein Meisterwerk der Bühnenmaschinerie ist da⸗ gegen wieder das Schlußbild, in welchem der Steamer Duncan“, ein wirkliches Schiff, mit Segeln und dampfender Feueresse mit den Rettern und Geretteten unter dem brausenden Jubel der Menge in den heimathlichen Hafen einläuft. Das Publikum stimmte Haut in diesen Jubel ein und bezeugte Hrn. Direktor Hahn seinen Enthusias⸗ mus durch immer wiederholte Hervorrufe. Das Stück selbst wird ganz rorzüglich dargestellt. Die leine, aber nicht leichte Rolle des Kapitäns Grant hatte in Hrn. Hahn einen vorzüglichen Interpreten; neben ihm verdient in erster Linie Hr. Pauly genannt zu werden, der aus dem zerstreuten alten Geographen, Prof. Paganel, welcher schließlich aber durch seine wissenschaftlichen Berechnungen Allen das Leben rettet, ein kleines Kabinetsstück schuf, wie man es gar nicht vollendeter denken kann. Aber auch die Damen Frls. Lauber, Kirch⸗ höffer, Gräffner (Kinder des Kapitäns), Frl. Gauger (Lady AÄra— bella Glenarvan), Frl. v. Csepscanye, die die hübfche kleine Episoden⸗ figur einer Matrosenfrau reizend darstellte, Hr. Junker, der treffliche komische Liebhaber (Matrose Bob), der das Publikum in, fortdauernder Heiterkeit erhielt, sowie die Derren van Hell (Lord Glengrvan) und C. Weiß (Kapitän Wilson) ver⸗ dienen sämmtlich lobende Anerkennung, welche ihnen auch von Seiten des Publikums reichlich zu Theil wurde. Die wirkfame, lebendige Inscenirung ließ deutlich die bühnenkundige Hand des Direktors er⸗ kennen. Das Stück war offenbar mit ungemeinem Fleiß studirt, denn Alles vollzog sich mit außerordentlicher Präzision. In dem Ballet wirkte die von früher her bekannte französische Solotänzerin Sgra. Dorina Merante aus Paris mit, welche vielen verdienten Beifall erntete.

Am Donnerstgg tritt Hr. Julius Ascher in einer seiner beften Rollen, als Isaac Stern in Einer von unsre Leut“ als Gast im Germania⸗Theater auf.

Berlin, den 18. März 1879.

Nach Allerhöchster Bestimmung Ihrer Majestät der Kaiserin-Königin findet die diessahrige Ge neral⸗Verfamm⸗ lung des Vaterländischen Frauenvereins am Moniag, den 24. März. Abends 6 Uhr, im Saale des Ministeriums für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten (Leipzigerplatz Nr. 8) statt.

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Redacteur: J. V.: Riedel. Verlag der Ewwedition (Kessel). Druck: W. Eltner.

Vier Beilagen (einschließlich Börsen Beilage).

Berlin:

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Stagts⸗Anze M GG.

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Erste Beilage

Berlin, Dienstag, den 18. Nätʒ

Deu tsches Reich. Uebersicht . . . über die von den Rübenzucker⸗Fabrikanten des deutschen Zollgebiets versteuerten Rübenmengen, sowie über die Einfuhr und Ausfuhr von Zucker im Monat Februar 1879.

Einfuhr vom Zollauslande.

Aus fuhr nach dem Zollauslande (mst und ohne Steuerrückver gütung).

6 Naffinirter

Rohzucker aller Art

Nelasse Wer - FRaffinscter Nelasse asse Art und Syrup ] Zucker aller Art Art und Syruy

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Zucker aller Art steuert e . . ben⸗

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Verwaltungs⸗ Bezirke.

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unmittelbar in den freien unmittelbar aus dem freier Niederlagen. unmittelbar aus dem freien unmittelbar aus dem , aus Niederlagen.

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Ueberhaupt

Hierzu i. d. Vormonaten Sept. 1878 bis Januar 1879

ss Lal 30 30 os 20 Sid 10 334 30 109 37 936

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Zus. Sept. 1878 bis Febr. 1879

In demselben Zeitraum 1877/78 w

Sl 149 029 55 9 4947 9551

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gl 801 719 35 . 3 215 11 254 10 354 46 052 39 219

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2 790774 64 2291173 78 29 187

. nerkung. Zufolge einer nachträglichen Berichtigung sind die in der Uebersicht für Monat Januar 1879 bei der Provinz Hannover . t 5 Spalte 11 angegebenen 4976 Ctr. in Spalte 12 nachzuweisen. Berlin, im März 1875. Kaiserliches statistisches Amt.

Aichtamtlich es. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 18. März. Die Rede, welche in der gestrigen (21.) Sitzung des Reichstages der Bevoll— mächtigte zum Bundesrath, Staats⸗Minister Graf zu Eulen⸗ burg, bei Gelegenheit der Berathung der Anordnungen, welche von der Königlich preußischen Staatsregierung mit Genehmi— gung des Bundesraths gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie getroffen worden sind, gehalten, hat folgenden Wortlaut:

Meine Herren! Aus den Ausführungen des Herrn Vorredners haben die beiden Vorwürfe wiedergeklungen, welche sich auch schon andererseits gegen die offiziell gegebene Begründung der Anwendung des 8. 28 des Gesetzes vom 21. Oktober v. J auf die Stadt Berlin und deren Umgebung haben vernehmen lassen, der Vorwurf nämlich erstens, daß in dieser Begründung zu viel enthalten sei, indem un⸗ gerechtfertigte Besorgnisse über die Zustände der öffentlichen Sicherheit in dieser Stadt hervorgerufen würden, und der entgegengesetzte Vor wurf, daß nicht genügendes thatsächliches Material angeführt worden sei, um die Anwendung jener Maßregel zu rechtfertigen. Ich werde im weiteren Verlauf meiner Aus führungen Gelegenheit haben, auf diese beiden Vorwürfe noch näher zurückkommen. Schon jetzt aber möchte ich darauf hinweisen, daß sie sich gegenseitig aufheben und deshalb wohl der Schluß gestattet sein möchte, daß gerade die Art und Weise, wie in einer knappen, klaren und einfachen Form die Begründung für diese Maßregel gehalten ist, die richtige Mitte ge⸗ troffen haben wird. ö .

Nicht minder unbegründet ist aber der Vorwurf, daß gegenüber den Erklärungen, welche bei Verhängung dieser Maßregel und dem⸗ nächst bei den Verhandlungen im preußischen Abgeordnetenhause abge⸗ geben worden sind, die Ihnen gegenwartig vorliegenden Darlegungen nichts Neues enthalten. Nicht darauf, meine Herren, wird es ankommen, ob noch nachträglich neue Thatsachen und, neues Material angeführt werden können, sondern nur darauf, ob die angegebenen Gründe zu⸗ 3 und ausreichend sind, die getroffenen Maßregeln zu recht⸗ ertigen.

3 Voraussetzung, welche allein für die Anwendung derselben verlangt wird, ift in dem Eingange des 5§. 28 dahin angegeben, daß für Bezirke und Ortschaften, welche durch die in 5§. 1 Abf. 2 be⸗ zeichneten Bestrebungen mit Gefahr für die öffentliche Sicherheit be⸗ droht sind, die in dem Paragraphen angeführten Anordnungen ge⸗ troffen werden können. Es fragt sich also, ob in Berlin und dessen Umgehung Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorhanden war, als jene Maßregeln verhängt wurden. In welcher Weise läßt sich das nun nachweisen?

Es ist zunächst unrichtig, wenn der Herr Vorredner gesagt hat, daß die öffentliche Gefahr nur bestehen könne in der Gefahr eines Krieges oder Aufruhrs; es ist gerade der spezifische Unterschied der Maßregeln des §. 28, daß sie die schärferen Bedingungen, welche in . die Verhängung des . erfordert, nicht zur Voraussetzung haben, sondern daß bereits unter anderen Ver⸗

hältnissen und Umständen die Anwendung dieser im übrigen auch leichteren Maßregeln zulässig ist. Es ist ferner nothwendig, wie es

an anderer Stelle bereits geschehen ist, noch einmal darauf hinzu weisen, daß die Gefahr für die öffentliche Sicherheit, um die es sich handelt, nicht eine direkte zu sein braucht. Das Wort unmittelbar“, das früher im Eingange dieses Paragraphen stand, ist schon in der Kommission des Reichstags, in welchem dieses Gesetz vereinbart worden ist, gestrichen, und seine Wiedereinfügung im Plenum dem— nächst von neuem abgelehnt. .

Meine Herren, dies sind die gesetzlichen Grundlagen, auf welchen die Regierung sich schlüssig zu machen hatte, ob Grund zur Anwendung jenes Paragraphen vorhanden war. Welches waren und das ist die zweite Frage, auf die es ankommt die that— sächlichen Grundlagen, die zur Anwendung dieses Paragraphen nöthigten? Das ganze Gesetz vom 21. Oktober v. J. geht davon aus, daß in den Bestrebungen der Sozialdemokratie in ihrer agita— torischen, den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise eine Gefahr vorhanden war. Das Maß dieser Gefahr wird naturgemäß nach den verschiedenen Lokalitäten ein verschiedenes sein und es wird sich in dem Maße erhöhen, als die Anzahl, die Bedeutung der Soꝛʒialdemo⸗ kraten, die an einem Orte vereinigt sind, sich vermehrt und gleich⸗ zeitig die Intensität ihrer Agitationen und ibres Zusammenhanges sich steigert. Daß in allen diesen Beziehungen, meine Herren, Berlin einen hervorragenden, ich möchte sagen exceptionellen Charakter ein nimmt gegenüber den anderen Landestheilen, in dieser Beziehung wird es schwerlich nothwendig sein, noch einen näheren Nachweis zu führen. Ja, meine Herren, wir haben andere Akte der Staatsgewalt, welche bereits diesen Nachweis ohne Anfechtung geführt haben. Ich erinnere Sie daran, daß bereits mehrere Monate vorher Se. Majestät der Kaiser von der ihm nach dem deutschen Paßgesetze zustebenden n l. Ge⸗ brauch gemacht und die Paßpflicht zeitweise hier eingeführt hat unter Voraussetzungen, welche denjenigen entsprechen, die der 5. 28 des 6 vom 21. Oktober v. J. enthält. ;

tun, meine Herren, wenn diesem gegenüber der Einwand ge⸗ macht worden ist auch aus der Rede des Herrn Vorrednert war er zu hören —, daß auf dieser Grundlage eben überall der 5. 28 hätte zur Anwendung gebracht werden können, wo Sceʒialdemokraten sich befinden, dann glaube ich zunächst darauf hinweisen zu müssen, daß dieser Einwand thatsächlich unbegründet ist. Denn in der That kann ich zu meiner Genugthuung konstatiren, daß an vielen Orten im Lande die sozialistische Agitation zurückgetreten ist, ja an manchen Orten ganz aufgehört hat. Ferner aber ist dieser Einwand nicht beweisend dafür, wofür er angeführt worden ist. Man könnte vielmehr auf Grund desselben die Frage aufwerfen, und sie ist auf⸗ geworfen worden, oh nicht an vielen anderen Orten Gelegenheit vorhanden war und Nothwendigkeit, den 5. 28 jenes Gesetzes in An⸗ wendung zu bringen. ; . .

Nachdem ich im Allgemeinen auf die Situation hingewiesen babe, wie sie in Berlin sich vorfindet, werde ich nunmehr im Einzelnen die Thatsachen vorführen nach Anleitung und Reihenfolge des gedruckten Rechenschaftsberichts, welche die Annahme, daß Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Berlin vorhanden war, zu begründen geeignet sind. In dieser Beziehung ist zunächst Bezug darauf genommen, daß die Sozialdemokratie bestrebt war, in geheimen Versammlungen und Verbindungen ihre bisberige Agitation fortzusetzen. Es ist daran bereits früher und jetzt wieder vom Vorredner geknüpft worden die Bemerkung, wenn das wahr

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wäre, dann müßte doch kriminalrechtliches Einschreiten auf Grund des 5. 128 oder 5 129 des Strafgefetzbuches erfolgen, Paragraphen, welche das Zusammentreten zu gebeimen oder rechtswidrigen Verbin- dungen mit Strafe bedrohen. Nun, meine Herren, wenn wir darauf hätten warten müssen, daß in der That strafbare Gesetz es verletzungen erst begangen sind, um zu Repressivmaßregeln zu kommen, dann hätten wir die ganze Gesetzgebung rom 21. Oktober v. J. nicht be⸗ durft. Es sollte durch diefe Gesetzgebung ein Mittel gegeben werden, um nicht blos repressiv zu wirken gegen die vollendete Thatsache, sondern auch präventiv gegen die Vorbereitung selcher Thatsachen, und gerade in dem Sinne, wie das ganze Gesetz, ist die Anwendung jenes 5. 28 erfolgt. .

Worauf wird aber nun gegenüber dem Bestreiten des Herrn Vorredners die Behauptung begründet, daß in der That eine Jolche Bewegung innerhalb der Sozialdemokratie stattgebabt hat? Meine Herren! Zunächst erinnere ich Sie daran, und das trifft bei allen folgen⸗ den Punkten gleichmäßig zu, daß die Anführungen in der Begründung der Hauptsache nach von dem Herrn Vorredner zu jestanden worden sind. Er bat es als vollkommen natürlich bezeichnet, daß bei dem Mangel der Möglichfeit von offentlichen Versammlungen und Vereinen seine Ge⸗ sinnungsgenosfsen in geheime Versammlungen und Verbindungen zu⸗ sammentreten, er hat im Wesentlichen das zugegeben, was in der Begründung dargestellt ist. Ebenso kann ich mich darauf berufen, daß weder in der Presse noch bei den Verhandlungen im preußischen Abgeordnetenhause diese Behauptungen von irgend einer Seite be⸗ stritten worden sind; im Gegentheil haben damals mehrere Redner und außerdem viele Preßorgane, guch noch vor ganz kurzer Zeit wieder, zugegeben und ausdrücklich konstatirt, daß das gerade start= findet und zu Besorgnissen veranlaßt. .

In der Begrundung ist ferner angeführt worden, daß die Sozial⸗ demokratie darauf ausgegangen ist, Unzufriedenheit in der Bevsͤl ke⸗ rung und Haß gegen die Regierung zu verbreiten, um auf diese Weise eine solche Gährung hervorzubringen, daß die Agitation, und nicht blos aus den Kreisen der Sozialdemokratie, sich gegen das Gesetz vom 21. Oktober v. J. als vermeintliche Ursache der vorhan— denen Uebelstände kehren solle. Nun, meine Herren, diese Wahr nehmung berahte zunächst auf Aeußerungen, die in der sozialistischen Presse vorgekommen waren. Sie beruht zweitens auf einer fort⸗ gesetzten Reihe sehr sorgfältiger Beobachtungen über das Benehmen derjenigen Personen, die demnächst aus Berlin ausgewiesen worden sind und gerade diese Art der Thätigkeit ist wesentlich bestimmend gewesen füͤr die Anwendung des 8. 28, in Uebereinstimmung mit der Auffassung, welche die Regierung nicht ohne rielseitige Zustimmung zu finden, bereits bei Berathung des Sozialistengesetzes dahin kund gegeben hat, daß es nicht möglich sein würde, auch nur äußerlich Frieden zu bekommen, ohne daß die Agitatoren und Führer der Bewegung, von denen, auf welche sie Einfluß haben, getrennt und entfernt würden. .

Es ist ferner in dieser Richtung behauptet worden, daß die Sozialdemokraten darauf ausgehen würden, in die Ver sammlungen anderer Parteien einzutreten und sie auf diesem Wege in Mitleiden⸗ schaft zu ziehen. Auch dies war während der Verhandlungen des Reichstags bereits angekündigt und hat sich, wenn auch erst nach den Maßregeln auf Grund des §. 28 vollständig bewahrheitet. Ich glaube, daß die Thatsachen, die in dieser Beziehung vorliegen, nicht aus Ihrem Gedächtniß entschwunden sind. Das Eintreten der So⸗ zialdemokratie bei den Stadtverordnetenwahlen in Berlin, ihr Ein⸗ treten bei den Versammlungen der Fortschrittspartei hier in Berlin haben bewiesen, daß diese Annahme über ihr Vorgehen vollkommen begründet und thatsächlich richtig war.

Vor Allem aber, meine Herren, liegt vor Ihnen der Beweis der ferneren Behauptung, die sich bezieht auf, die Importa— tion aufrührerischer und revolutionärer Schriften aus dem Auslande. Nun hat der Vorredner gesagt, in dieser Be— ziehung walte in der Begründung eine Verwechselung zwischen Ur—⸗ ache und Wirkung ob. Ich bitte Sie aber, mich den betreffenden Satz der Begründung noch einmal verlesen zu lassen, und Sie wer⸗ den sofort . daß dieser Einwand gänzlich unbegründet ist. Es steht dort: . ö

Wenn ferner in Folge der Ausführung des mehrerwähnten Gesetzes die sozialdemokratische Partei in der Benutzung der Presse zur Verbreitung ihrer Lehren beschränkt war, so suchte sie, wie es seitdem in wachsendem Maße geschehen ist, einen Ersatz dadurch zu schaffen, daß sie Zeitungen und Flugblätter ihrer Richtung im Auslande drucken und heimlich einführen ließ. .

Es ist also die Behauptung aufgestellt, daß das bereits vor Anwendung des 5§. 28, daß es aber seitdem in wachsendem Maße g schehen ist. Nun hat der Hexr Vorredner selbst zugestanden, daß di »Tagwacht“ in Zürich ein altes Organ ist, und daß sie sofort nach dem Erlaß des Sozialistengesetzes vom 21. Oktober in umfangreichem Maße hier eingeführt worden ist. Es liegt also hierin das Zuge⸗ ständniß der Richtigkeit dieser Behauptung. Und seitdem, meine Herren, hat in der That die Importation solcher Schriften nament⸗ lich von Zeit⸗ und Flugschriften in außerordentlichem Maße zuge⸗ nommen. Der Vorredner hat bereits die beiden hauptsächlichsten dieser Schriften Ihnen genannt, es ist die von Karl Hirsch heragus— gegebene Laterne! und das von Most in London herausgegebene Organ, die Freiheit“, wie es ursprünglich hieß, ein Organ, das chamäleonartig mit jeder Nummer, die jedesmal als Probenummer bezeichnet wird, seinen Namen wechselt, dagegen in seiner Tendenz vollkommen gleichmäßig die Revolution mit einer Offenheit predigt, mit einer Unverblümtheit, wie in der That Schriften dieser Art bisher noch selten vorgekommen sind. Ich erinnere Sie daran, meine Herren, daß der Vorredner soeben gesagt hat, er würde die Aeuße⸗ rungen seiner Parteigenossen im Auslonde nicht desavouiren, und ich glaube, daß es lehrreich ist, wenn auch nur mit kurzen Werten Einiges von dem Inhalte der letzten Nummer dieses Organs Ihnen mitzutheilen. Es ist roth gedruckt und zur Erinnerung an den 18. März erschienen, bezeichnet sich als Agitationsnummer und hat folgenden Inhalt. Es beginnt mit der wilden Dichtung Freiligraths, welche die Ueberschrift tragt: „Die Todten an die Lebenden, Es folgen sodann; Stimmen aus dem Pantheon der Revolution“, ein Extrakt aus Aussprüchen von Marat, Baboeuf, Hebert, von denen ich einen einzigen Satz von Hebert vorlesen will: . 3.

Weil das Volk einmal gesagt hat, es wolle Freiheit und Gleich⸗ heit, so sind alle, welche das nicht wollen, seine Feinde; sie müssen sterben.

Es wird dann übergegangen zu einem eigenen Produkte der Re⸗ daktien, einem Artikel, welcher die Ueberschrift trägt: Ich war, ich bin, ich werde sein, welcher die Verherrlichung der Revolution nach allen Richtungen hin sich zur Aufgabe macht und aus welchem folgender Passus charakteristisch ist: ;

Nur zu lange hatten sich preußilche Junker das Vergnügen egönnt, das arbeitende Volk mit der Aussicht auf „fried⸗ kee, und gesetzliche? Lösungen sozialer, und politischer Fragen zu narrenseilen. Denn wenn auch kein tieferer Denler an solchen Seifenblasen sich ergötzt, so gab es doch arme Teufel enug, welche das allgemeine Stimmrecht und ähnliche goldene . für mehr hielten als Dudelsäcke, die man dem Arbeiter zu Selbsteinschläferungen in den Schoß geworfen. Jetzt ist es auf einmal vorbei mit diesen Illusionen.“

Dann weiter ein Artikel, überschrieken Schließt die Phalanx“, welcher die Darstellung der Entstehung jenes Blattes giebt, wie der Redacteur desselben, Hol er ist einer der aus Berlin Ausge⸗