nicht einmal erschwert haben. Die Verwaltung halte die von ihr geübte Art der Durchführung des Gesetzes für die Eigen⸗ brenner für eine durchaus annehmbare. Bie vorkommenden Beschwerden mögen in der Unkenntniß der zuständigen Er⸗ leichterungen ihren Grund haben. Man könne nicht mehr verlangen, als daß, wie der Vorredner an⸗ erkenne, in den höheren Instanzen Abhülfe eschaffen werde; und die Entscheidung werde auch in Zukunft immer in günstigem Sinne erfolgen. Auch der Landesausschuß sei seit 4 Jahren von der Anschauung zurückgekommen, als sei die bestehende Steuergesetzgebung drückend, er halte es jetzt viel⸗ mehr für gerecht, den Eigenbrenner als Konsumenten ebenfalls mit dieser Verbrauchssteuer zu belegen. Eine vollständige Be⸗ seitigung des Branntweinsteuergesetzes werde sich nach Lage der Dinge erst in Erwägung ziehen lassen, wenn im Deutschen Reiche eine Aenderung der Steuer überhaupt eintreten sollte. Was die Steigerung des Branntweingenusses anlange, so werde sie vielfach der Steuergesetzgebung zur Last gelegt. Es lasse sich allerdings behaupten, daß der Branntwein billiger und dadurch sein Konsum stärker geworden sei, zumal der Weinpreis sich gesteigert habe. Angesehene Gewährsmänner versicherten, daß die früher in Wein verzehrten Quantitäten jetzt in Branntwein genossen würden. Hülfe hiergegen werde aber nicht durch eine Aenderung der Steuergesetzgebung, fon— dern nur durch eine Erschwerung des Verkaufs und eine Er— 4 der Steuern für denselben geschaffen werden können. tach dieser Richtung werde der Antrag des Landesausschusses Seitens der Regierung Berücksichtigung finden.
Der Abg. Br. Buhl bemerkte, eine höhere Besteuerung des Branntweins in Süddeutschland setze eine Gleichheit der Verhältnisse in Nord- und Süddeutschland voraus. In Süd⸗ deutschland sei die Branntweinbrennerei aber nur ein land— wirthschaftliches Nebengewerbe der kleineren Besitzer. Man habe dort circa S800 solcher kleiner Brennereien. Er wünsche nicht durch eine Aenderung dieser Steuergesetzgebung und Ver⸗ schiebung der Produktionsverhältnisse den Norden und Osten des deutschen Vaterlandes zu schädigen, aber die freie Cirku⸗ lation des Branntweins in ganz Deutschland müsse dadurch hergestellt werden, daß eine der jetzigen norddeutschen Steuer entsprechende Fabrikatsteuer in Süddeutschland eingeführt
werde.
Die Diskussion wurde geschlossen. Persönlich bemerkte der Abg. Winterer, daß die Partei des Abg. Schneegans aller⸗ dings ein freies Wort in Elsaß-Lothringen sprechen könne, er und seine Partei könne dies seit 8 Jahren nur noch von der Reichstagstribüne. Darauf wurden Titel 5 und Titel 6 (GBrausteuer) genehmigt.
Bei Titel 7 — 9 (Aversa für die außerhalb der Zollgrenze liegenden Gebietstheile des Reichs) fragte der Abg. Dr. Gareis an, ob Ermittelungen über den Umfang des Exports und Imports von Hamburg und Bremen Seitens der Regierung angestellt seien; und wie weit die Verhandlungen gediehen seien über die festen Zuschläge bei den Aversen mit 3 pro Kopf, deren Ablösung von den Hansestädten beantragt sei?
Der Direktor im Reichskanzler-Amt Pr. Michaelis er⸗ widerte, bei der Feststellung der Averfen habe man auf zwei Punkte besondere Rücksichten zu nehmen. Einmal sei es un⸗ möglich, bei den Hansestädten Bremen und Hamburg, die außerhalb des Zollgebiets lägen, genaue Verbrauchszahlen zu gewinnen; auch sehr eingehende Ermittelungen über die Ein— und Ausfuhrstatistik Bremens, wie auch Ermittelungen über die Einkommensverhältnisse, die übrigens zum Theil noch im Gange seien, hätten ein ganz zuverlaͤssiges Material ergeben, und erst bei dem Vorliegen der vollständigen Ergebnisse werde es möglich sein, mit positiven Vorschlägen über die ander⸗ weitige Festsetzung der Aversen hervorzutreten. Das Be⸗ mühen der Kommissarien sei unverwandt darauf gerichtet, zu Resultaten zu gelangen, die sowohl den Interessen der Hanse⸗ städte, als denjenigen der Reichsfinanzen besser entsprächen.
Der Abg. Dr. Delbrück erklärte, er begrüße die wohl— wollenden Erklärungen des Bundeskommissars mit um so größerer Freude, als neulich der Präsident des Reichskanzler⸗ Amtes Maßregeln in Aussicht gestellt habe, die einen der be— deutendsten Gewerbszweige der Hansestädte einer Umwälzung entgegenführen dürften. Derselbe habe nämlich mitgetheilt, daß die Reichsregierung damit beschäftigt sei, zu erwägen, wie diesem Theil des deutschen Gewerbefleißes, der deutschen Rhederei aufzuhelfen sei. Da jene Bemerkung mit der weite⸗ ren eingeleitet sei, daß der augenblicklich nicht günstige Zu⸗ stand des Rhedereigewerbes auch ein Beweis für die Unzweck— mäßigkeit der bisherigen Zollpolitik sei, so habe er (Redner) die Mittel zur Abhülse nur auf einem Gebiete fuchen können, das nicht dasjenige der bisherigen Zollpolitik sei. Die Gesetz⸗ gebung des Zollvereins und jetzt des Reiches habe in Be— a ns auf, die Rhederei als Ideal immer die ab— olute Freiheit im Auge gehabt, deren sich die Rhederei der Hansestädte erfreue. Seit einer Reihe von Jahren habe er dahin
estrebt, in allen Häfen der Welt der deutschen Flagge die⸗ *r Behandlung zu sichern wie im eigenen Lande, die Zoll⸗ abfertigung so viel als möglich zu erleichtern, die Massenartikel ganz vom Zoll zu befreien, für die übrigen möglichste Erleich⸗ terung zu schaffen und dem Schiffbau möglichst alle Materia— lien zollfrei zu verschaffen. Da dieses alles zur Hebung der Rhederei bereits geschehen sei, so könne eine andere Abhülfe nur gejucht werden auf dem Gebiet, welches bis zur Mitte dieses Jahrhunderts die Mehrzahl aller Nationen zum Theil mit großer Vorliebe kultivirten, später aber verlassen hätten, nämlich auf dem Gebiete des sogenannten Schutzes der nalio⸗ nalen Flagge. Dieser Schutz könne ja in verschieden⸗ ster Weise gedacht werden; er wolle auf die einzelnen Kombinationen nicht näher eingehen; sie ließen sich dahin usammenfassen, daß die nakionale Flagge auf Kosten zer fremden Schiffe geschützt werde. Sel dies wirklich beab⸗ sichtigt, so werde bei den Hansestädten das zweite Gewerbe (das erste sei ja der Handel), die Rhederei, vollständig aus ihrer Bahn gebracht. In der Gesetzgebung fast aller See⸗ staaten finde sich der Satz, daß das Schiff eines fremden Landes, in welchem die eigenen Schiffe ungünstiger behandelt würden, einer vergeltenden ungünstigen Bestimmung unter⸗ liege. Redner wies auf die schädlichen Folgen solcher Be⸗ handlung für die deutsche Schiffahrt hin, welche sich haupt— sächlich in drei Richtungen bewege. Es seien die Frachtschiff⸗ fahrt von einem deutschen Hafen zum andern, die so⸗ de, . Kabotage, die Frachtfahrt von deutschen nach aus⸗
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indischen Häfen und umgekehrt, und endlich die Frachtfahrt
deutscher Schiffe zwischen außerdeutschen Häfen. Von den be⸗ ladenen Tonnen deutscher Flagge auf dem Meere seien etwas über 8 Proz mit Kabotage beschäftigt, 51 Proz. betrieben den Verkehr der zweiten, ca. 41 Proz. den der »dritten Rich⸗ tung. Wollte man, dem Schutz der deutschen Flagge
folgend, die fremden Flaggen ungünstiger behandeln, so würde
zunächst die gesammte Fracht der dritten Richtung von selbst aufhören. Aber auch den Schiffen, die den Verkehr mit außerdeutschen ang pflegten, würde eine völlige Umwälzung aller Verhältnisse drohen; wenn ein deutsches Schiff von Hamburg nach England gehe und dort höherer Abgabe unter⸗ liege als ein englisches auf der gleichen Route, so werde der Verkehr zwischen Hamburg und England ausschließlich der englischen Flagge anheimfallen. Es werde ferner die Zahl der Ballastfrachten sehr vermehrt werden, worin der Keim zu einer weiteren Umwälzung liege. Er wolle indessen dies Gebiet nicht weiter betreten, um sich nicht in Kon⸗ jekturalpolitik zu verlieren; er glaube aber, es werde, um solche we a Umwälzungen in den Verhältnissen der hanseatischen Rhederei nicht eintreten zu lassen, nütz⸗ licher sein, es bei den bisherigen Aversen zu belassen.
Der Abg. von Kardorff bemerkte, er müsse die Frage der Aversen mit dem Vorredner als außerordentlich schwierig und wichtig erklären. Vorläufig sei ihm nichts davon be annt, daß die vom Vorredner angedeuteten Maßregeln von der Reichsregierung wirklich beabsichtigt würden. Aber jede Frage habe ihre zwei Seiten, und auch das Exempel, welches der Vorredner aufgestellt habe, inwieweit solche Maßregel günstig resp. nachtheilig wirken könne, könne doch sehr bedeutenden Anfechtungen unterliegen. Er erinnere nur daran, wie man heute gezwungen sei, den gesammten Bedarf Deutschlands an roher Baumwolle und Kolonialwolle aus England zu holen, dies sei das Land des Zwischenhandels, direkt bezögen die deut⸗ schen Handlungshäuser fast gar nichts. Es fei doch fraglich, ob man nicht zu einem Import direkt aus den Erzeugungsländern ge— langen könne, wenn solche Maßregel eingeführt würde. Es sei bekannt, daß die deutsche Rhederei bei der chinesischen Kustenschiffahrt sehr interessirt sei. Er führe diese Dinge nur an, um zu zeigen, daß die Berechnungen des Vorredners möglicher Weise nicht ganz zuverlässig sein könnten. Der Abg. Rickert habe außerdem neulich ein sehr beredtes Klagelied angestimmt über die üble Lage der Ostseeprovinzen. Der Verfall stamme aber hauptsãächlich von jenen Differentialtarifen her, die die Güter gezwungen hätten, die Eisenbahnrouten zu wählen. Er führe zugleich an, daß auch bei dem russischen Sprit die Eisenbahnen in der Konkurrenz die Rhederei geschlagen hätten; das habe * , i mit den Verfall der deutschen Rhederei herbei⸗ geführt.
Der Präsident des Reichskanzler ⸗Amts, Staats⸗-Minister Hofmann erwiderte, keine von den verbündeten Regierungen denke daran, in der Richtung vorzugehen, in welcher sich die Befürchtungen des Abg. Dr. Delbrück bewegten. Aber er möchte darauf aufmerksam machen, daß das Prinzip der Gegenseitigkeit noch keineswegs überall durchgeführt sei, sondern noch vielfach zum Nachtheile Deutschlands verletzt werde. Könne man hier Nutzen stisten, ohne neue Nachtheile auf sich zu nehmen, so werde dies Vorgehen voraussichtlich auf Dank zu rechnen haben. Es beständen z. B. in verschiedenen deut⸗ schen Staaten ganz verschiedene Normen für die Zulassung fremder Kauffahrteischiffe zur Küstenfrachtfahrt. In den preußischen Ostseeprovinzen gelte das Prinzip der Gegen—⸗ seitigkeit. Wenn also ein russisches Schiff z. B. von Königsberg nach Stettin fahren wolle, dann würde dies ver— boten sein, fahre es Aber nach Lübeck oder Rostock, so würde es zulässig sein, während umgekehrt die deutschen Schiffe an den russischen Küsten gar nicht Küstenschiffahrt treiben dürfen. Hier liege ein Punkt vor wo der deutschen Khederei und Schiffahrt Nutzen geschafft werden könne, ohne ihr neue Nachtheile aufzubürden.
Der Abg. Meier (Schaumburg-Lippe) erklärte, als Re⸗ präsentant einer der größten deutschen Rhedereien müsse er den Ausführungen des Abg. Delbrück zustimmen. Die Be⸗ hauptung des Abg. von Kardorff, daß die Baumwolle über England nach Deutschland komme, sei positiv unrichtig. Die deutschen Baumwollen⸗Fabrikanten bezögen telegraphisch ihre sämmtliche Baumwolle direkt aus Amerika, die Vertheuerung durch den Umweg über England könne der Fabrikant gar nicht ertragen. Der Antheil Deutschlands an der ostasiatischen Küstenschiffahrt sei ein verschwindend geringer. Bezüglich der Differentialzölle könne Redner versichern, daß nach den eigenen Aussagen der oberschlesischen Herren in der Enquetekommission die Rhederei gegenüber den Tarifen der Eisenbahnen billiger transportire. In keinem Lande übrigens liege die Rhederei so sehr darnieder als in Frank⸗ reich, dem gelobten Lande der Schutzzöllner; dieselbe werde dort durch die „surtaxe«“ oder „drosts de pavilloné sehr ge⸗ schädigt. Sollte das, was der Präsident angedeutet habe, hier vorgebracht werden, so müsse er sich entschieden ablehnend da⸗ gegen verhalten; denn der Effekt würde der sein, daß die Ein⸗ juhr überseeischer Produkte per Land höher besteuert würde. Dies würde Norddeutschland, Rheinland und Westfalen sehr schwer treffen, und das würde geschehen, trotz aller Rederei vom Schutz der nationalen Arbeit, und was solcher Phrasen mehr seien. Die deutsche Rhederei verlange keinen Schutz, nur das möge man ihr lassen, was sie besitze.
Der Abg. Rickert knüpfte an die eben gehörten Ausfüh⸗ rungen an und wies auf Amerika hin, das eine Bestimmung besitze, wie sie der Präsident des Reichskanzler⸗Amts in Aus⸗ sicht gestellt habe. Dort sei die Rhederei trotzdem fast völlig zu Grunde gegangen. Der erst ganz kürzlich im krassen Wider; spruch zur sonstigen Politik der Reichsregierung durch den preußischen Handels⸗-Minister eingeführte Differentialtarif zu Gunsten der oberschlesischen Kohle schädige den Handel der Istseeprovinzen in schlimmster Weise. Derartige Mittel zur Abhülfe habe er (Redner) nicht im Auge gehabt, als er die e mn wirthschaftliche Lage der Ostseeprovinzen geschildert abe.
Der Abg. von Kardorff bemerkte, der Abg. Meier habe sich als Vertreter eines großen Seehafens gerirt. Er habe noch gar nicht gewußt, daß Schaumburg-Lippe einen großen Seehafen habe. Er wolle zugeben, daß unter gewissen Um⸗ ständen die Rhederei ein besseres Geschäft machen könne mit dem Freihandel, aber dennoch würden stets überwiegende Be⸗ denken dazu führen müssen, im Interesse der Allgemeinheit zum Schutz der nationalen Arbeit zurückzukehren. Der Abg. Meier sage, alle seine (des Redners) Zahlen seien falsch — er habe aber keine einzige Zahl angeführt. Das Haus werde ja im Uebrigen die Angelegenheit der Rhederei eingehend prüfen müssen, und werde es thun, ohne an einer Theorie sestzuhalten, allein vom praktischen Gesichtspunkte aus. Der Abg, Rickert habe sich empört gezeigt, daß den oberschlesischen Kohlenbesitzern jetzt ein den Transport erleichtern der Diffe⸗ rentialtarif zugestanden sei. Im Gegentheil verdiene diese That des preußischen ,, die Tausenden von Arbeitern Brod verschaffe, den Dank der Nation.
Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, wohin die Schutzzoll⸗
politik die Rhederei führe, zeige die Absicht Frankreichs, jetzt 14 Millionen Mark an Schiffsrheder zu verausgaben. Das sei die Perspektive des deutschen Staates, wenn man auch diesen Weg der Politik betrete. Das Hauptinteresse der deut schen Rhederei bestehe in der Einfuhr von Rohstoffen. Wenn diese noch mehr als bisher beschränkt werde, müßten die Schiffe, die in deutsche Häfen einliefen, Ballast führen. Das vertheuere naturgemäß die Ausfuhr und schädige die deutsche Industrie, die auf die Ausfuhr angewiesen sei. Die Statistik der Ostsee⸗ provinzen weise schon heute nach, daß viele Schiffe mit Ballast einlausen und mit Fracht ausgehen. Diese Zahl werde noch größer sein, wenn der Bezug englischer Kohle verhindert werde. Er sei kein Gegner der Differentialtarife, aber man dürfe sie nicht einfach zum Vortheil der oberschlesischen Kohlen⸗ und Forstbesitzer einmal verfolgen, das andere Mal empfehlen. Bei den Privatbahnen setze deren eigenes Intreresse, nicht unter dem Selbstkostenpreis zu fahren und einen Gewinn zu machen, den Differentialtarifen eine Grenze. Bei den Staatsbahnen sei das nicht der Fall und es frage sich, ob man nicht durch diesen Differentialtarif einen Kohlenexport aus Oberschlesien vermittele, der den Ueberschuß der Staatsbahnen vermindere, so daß aus den Taschen der preußischen Steuer⸗ zahler eine Exportprämie gezahlt werde. Er sei nicht der Meinung, daß sich diese ganze Wirthschaftspolitik um die Kohlen⸗ und Forstbesitzer in Oberschlesien zu drehen habe, son⸗ dern daß das, was dem Einen recht, auch dem Andern billig sei. Der Abg. Graf Bethusy⸗Huc bemerkte, ohne sich hier zum spezifischen Vertreter des Staates aufzuwerfen, betrachte er es in der That nicht als eine Schande, sondern rechne es sich im Gegentheil zur Ehre an, die Regierung in den Bestre bungen zu vertreten, in welchen sie, wie er glaube, das rechte Wort gefunden habe, ohne deshalb in Abrede zu stellen, daß die Politik der Regierung die sozigle Krisis, in der Deutschland sich befände, allerdings zum Theil verschuldet habe, wenn auch in einem ganz anderen Sinne, als es sonst gemeint werde, nämlich nicht durch ihre Thaten, sondern durch die Unterlassungen, denen sie sich selbst neulich schuldig erklärt habe. Und diese Schuld theile die Regierung mit vielen Mitgliedern dieses Hauses. Er selbst habe sich vor noch nicht langer Zeit auf der Seite der allerentschiedensten Freihändler befunden und sei dort auch dann geblie— ben, als er erkannte, daß dieses System seine eigenen Interessen schädige. Aber nicht diese Erkenntniß habe ihn auf einen an— deren Standpunkt gebracht, sondern die Ueberzeugung, daß die Einheit der deutschen Nation nicht blos auf der Einheit der Sprache, des Rechts, der Wissenschaft und der äußeren Macht⸗ mittel, wie sie sich im Heere und der Diplomatie darstelle, sondern wesentlich auf der Erkenntniß der Einheit der wirth⸗ schaftlichen Interessen beruhe. Die Sicherheit der Arbeit sei es, die vor Allem zu erstreben sei, und diefe Sicherheit könne nur durch die Sicherheit der Industrie gewährleistet werden. Höre man endlich auf, die Mitglieder des Reichstages in Frei⸗ händler und Schutzzöllner zu scheiden, und bekenne man sich gemeinsam als deutsche nationale Wirthschaster. Die Herren von der Linken wollten die Differentialtarife für Kohlen, die von Oberschlesien nach den Ostseeprovinzen geschafft würden, nicht zulassen, dagegen schützten sie die Differentialtarife, welche für österreichische und russische Produkte Exportprämien bil⸗ deten. Seine Partei sei gewillt, der Industrie in allen ihren n , auch der Rhederei möglichsten Schutz angedeihen zu assen.
Der Abg. Meier (Schaumburg⸗Lippe) bemerkte, dem Abg. von Kardorff gegenüber berufe er sich auf Artikel 29 der Reichs⸗ verfassung, wonach er hier nicht Vertreter von Schaumburg sei, sondern das ganze deutsche Volk und feine Interessen ver⸗ trete. Er könne mit demselben Recht sagen, der Abg. von Kardorff spreche nur für Oels, denn was Schiffahrt angehe, so stehe Schaumburg und Oels wohl auf derselben Stufe.
Die Diskussion wurde geschlossen. Persönlich bemerkte der Abg. von Kardorff, er kenne die vom Vorredner angezo⸗ gene Verfassungsbestimriung auch und er würde den Abg. Meier auch nicht als Vertreter von Schaumburg angesprochen haben, wenn er nicht felbst gesagt hätte, er vertrete hier im
Hause eine der größten Hafenstädte Deutschlands. Hierauf wurden die Aversen bewilligt.
Es folgte auf Antrag des Abg. Rickert der mündliche Bericht der Budgetkommission über bie derfelben zur Vorbe⸗ rathung überwiesenen Theile des Marine-Etats
Bei Kap. 51 Militärpersonal 4971 724 S065) beantragte die Budgetkommission bei Tit. 15 Löhnung und Zulagen für ein See⸗-Bataillon“ die Mehrforberung zur Verstärkung des See⸗-Bataillons um 6 Sergeanten, 6 Unteroffiziere, 18 Ge⸗ freite und 102 Seesoldaten mit 20 530 M abzulehnen.
Diesem Antrage stimmte das Haus nach kurzer Motivi⸗ rung durch den Referenten Abg. Rickert trotz des Widerspruchs des Chefs der Admiralität zu. Ebenso wurden dem Antrage der Kommission entsprechend bei Tit. 26 „Fur Unterhaltung der Waffen und Lederzeugstücke 211 M6, bei Tit. 21 „All⸗ gemeine Unkosten“ 343 ½ abgesetzt.
Bei Kap. 52 (Indiensthaltung der Schiffe und Fahrzeuge 3 230 000 6) wurden 5090 000 6 abgesetzt, eben fo be Kap. 53 Naturalverpflegung 2 062 485 6) 25653 006 S½ς = Bei Kap. 54 (Bekleidung 119 455 S6) wurden 8267 s6, bei Kap. 59. (Unterricht 112879 6 S0 S, bei Kap. 60 Werstbetrieb II 782 416 S) 950 000 gestrichen.
Bei den einmaligen 1 wurden die zum Bau der Panzerfregatte E. als erste Rate geforderten 876 9060 S6 ge⸗ strichen. Zur Erbauung eines Dienstgebäudes für die deutsche Seewarte wurden als erste Rate 300 9600 M gefordert, indeß trotz des Widerspruches des Abg. Möhring nur 205 000 bewilligt. Damit war der Marine Ctat in zweiter Lesung erledigt.
Der Etat für den Spielkartenstempel mit Netto L216 909 S wurde bewilligt, ebenso die Einnahme an Wech selstempel steuer mit 6577 300 6
Beim Etat der Eisenbahnverwaltung (Tit. 1 der Einnahmen: Personenverkehr 9 950 000 Me) führte der Abg. Dr. Hammacher aus, es seien im Ganzen keine erfreulichen Resultate, die hier vorlägen. Wiederholt sei die Reichsregie⸗ rung zu größeren Ersparnissen bei den Eisen bahnen der Reichs lande aufgefordert worden. Befonders bezüglich des Personals sei aber immer von zuständiger Seite erklärt wor— den, Ersparnisse herbeizusühren sei unmöglich, da man den dortigen Beamten eben höhere Gehalte bewilligen müsse, als im übrigen Deutschland. Indessen sei es anzuerkennen, daß die Regierung bestrebt gewesen sei, die Zahl der angestellten Beamten zu vermindern, was ebenfalls zu bedeutenden Er— sparnissen führe. Immerhin seien die den Bahnen des Reichs⸗ landes vom Reiche gewährten Zuschüsse viel zu groß.
Der Abg. Rickert bemerkte, mehrere kleine Linien von
zusammen 207 km, die eigentlich Sekundärbahnen sein könn⸗ ten, beanspruchten eine Ausgabe von 111 Proz. der Brutto⸗ Einnahmen. Die Kommission habe im vorigen Jahre bean⸗ tragt, billigere Betriebseinrichtungen zu schaffen, die Regierung habe erklärt, daß diese Frage erwogen werden solle. Wie stehe die Sachlage jetzt? .
Der Unter⸗Staatssekretär Herzog erwiderte, der Abg. Hammacher habe anerkannt, daß der Etat das Bestreben zeige, die Ausgabe zu vermindern. Mit welchem Erfolg dies geschehen sei, mögen folgende Zahlen beweisen: 1874 hätten die persönlichen Ausgaben 10 871 M pro Kilometer, nach dem vorliegenden Etat 7737 6 betragen. Die Erfahrung habe gelehrt, daß hierbei eine Grenze sei, wenn nicht die Zahl der Bewerber um Stellen im Eisenbahndienste abnehmen solle. Die Zuschüsse zu der Luxemburger Eisenbahn beeinträchtigten die finanziellen Ergebnisse der eichs⸗ Eisenbahnen allerdings sehr. Der Anregung, auf Seitenlinien den Betrieb zu er⸗ mäßigen, sei Folge gegeben; auf 5 Linien von zusammen ß5 km habe man die Fahrgeschwindigkeit ermäßigt, was jähr— lich 49 000 6 Ausgaben ersparen solle; in wie weit sich Er⸗ sparnisse noch weiter ergeben würden, wegen geringerer Ab— nutzung des Oberbaues 2c., werde sich später herausstellen. Die Einrichtung sei versuchsweise gemacht und von ihrem Erfolg werde es abhängen, ob die Maßregel weiter aus— gedehnt werde. ö ö. .
Hierauf wurde dieser Titel bewilligt, desgleichen Titel 2: Güterverkehr 24 284 000 M und schlieslich die Einnahmen im Ganzen mit 36 337 000 M, desgleichen die Ausgaben mit 26427 000 6, Ebenso die einmaligen Ausgaben mit 416888 , darunter 400 088 6 als Beitrag zu der vom Deutschen Reich übernommenen Subvention zum Bau der Gotthard⸗Eisenbahn (siebente Rate).
Der Etat der Verwaltung der vormaligen von Decker⸗ schen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei in Berlin wurde in Einnahmen mit 1 270 500 M6, in Ausgaben mit 1990 5090 6 bewilligt, ebenso der besondere Beitrag von Elsaß⸗Lothringen mit 157 450 M, sowie der Gewinn bei der Ausprägung der Reichs münzen und sonstige Einnahmen aus der Münzreform 100 000 S, worauf sich das Haus
um 41“ Uhr vertagte.
— In der heutigen (23.) Sitzung des Reichstages, welcher der Kriegs-Minister von Kameke und mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundesrath und Kommissarien desselben beiwohnten, setzte das Haus nach einer Bemerkung des Abg. Sonnemann vor der Tagesordnung, in welcher derselbe die neu⸗ liche Behauptung des Abg. Stumm, betreffend den Abdruck eines Artikels der Wiener „Neuen Freien Presse“ in der „Frankfurter Zeitung“ dementirte, die zweite Berathung des Etats pro 1879180 mit der Diskussion der der Budgetkommission Üüberwiesenen Theile des Militär-Etats fort. Bei Kap. 5 der einmaligen Ausgaben Tit. 13 beantragte der Referent Abg. von Schmid (Württemberg), unterstützt von den Abgg. Windthorst, von Benda und Richter (Hagen), die Streichung des Tit. 13 „Ankauf und Einrichtung eines Dienstwohngebäudes für den Commandeur der 4. Dirision in Bromberg ..: 190 000 “, während der Bundesbevollmächtigte General Lieutenant von Voigts-Rhetz und die Abgg. von Puttkamer (Löwenberg) und Frhr. von Maltzahn-Gültz für die Bewilligung derselben plaidirten. Der Kommissionsantrag wurde angenommen. Beim Schluß des Blattes dauerte die Debatte fort.
ü
2 0, , n 2 — — — — Das französische „Journal officiel vom I5. När; enthält folgenden Artikel: .
„Gegenwärtig tagt in Paris eine internationale Konferenz unter dem Vorsitz des Herrn Cochery, Minister der Posten und Telegraphen. An derselben nehmen Vertreter der deutschen, belgischen, niederländischen, spanischen, portu⸗ giesischen und französischen Postverwaltungen Theil. Die an dem internationalen Transitverkehr betheiligten deutschen, niederländischen, belgischen, spanischen und französischen Eisenbahngesellschaften sind gleichfalls auf der Kon⸗ ferenz vertreten. Dieselbe hat zum Zweck, eine Beschleu⸗ nigung in der Beförderung der Korrespondenz aus Deutschland und den nördlichen Ländern Europas nach Südfrankreich, Spanien, Portugal und denjenigen überseeischen Ländern herbeizuführen, nach welchen der Post— verkehr durch die von Bordeaux und von Lissabon ausgehenden Dampfschiffe vermittelt wird. Diese Korrespondenzen treffen gegenwärtig in Paris um 9 Uhr 5 Minuten Abends ein und gehen erst am folgenden Morgen weiter,. .
Zwischen den verschiedenen Betheiligten ist ein Einver— nehmen erzielt worden; in Folge der auf dieser Konferenz beschlossenen Maßregeln werden die betreffenden Eisenbahn⸗ züge binnen Kurzem derart zusammenschließen, daß die fran— zösische Postverwaltung im Stande sein wird, die von Nor⸗ den kommenden Korrespondenzen ohne Aufenthalt nach dem Süden weiterzusenden.“ . .
Das Ergebniß dieser Konferenz ist für den Briefverkehr aus Norddeutschland, besonders aus Berlin und Hamburg, insofern sehr wichtig, als namentlich für die Korrespondenzen nach Bordeaux bez. Spanien und Portugal eine Beschleu— nigung bis zu 24 Stunden erreicht wird. ö
Es kommt dazu, daß vor einiger Zeit, als Vorläufer der Pariser Konferenz, in Wien Vereinbarungen zwischen den be⸗ theiligten Post! und Eisenbahnverwaltungen stattgefunden haben, durch welche für die Verbindung Konstantinopel (bez. Odessa) Berlin in Zukunft ein unmittel barer Zusammen⸗ hang mit dem Berlin — Pariser Nachtcourierzuge gesichert worden ist.
Bei Mitberücksichtigung der hierdurch erlangten weiteren Vortheile ergiebt sich für den betreffenden Briefverkehr eine Beschleunigung bis zu 48 Stunden.
Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Gotha, 18. März, (zLeipz. 6 Den gothaischen Spezial-Landtag hat neben einigen Gegenständen von blos lokaler Beziehung, die Beschlußfassung über die neue Gerichtsorganisation, ein Gesetz über die Wittwensozietät, sowie der Gesetzentwurf über Feld⸗ und Forstvergehen beschäftigt. Der letztere schließt sich im Wesentlichen dem preußischen Gesetze über den Forst⸗ diebstahl an und ist ziemlich unverändert angenommen worden. Eine bemerkenswerthe statistische Angabe ist die, daß in den gothaischen Bezirken Zelle und Ohrdruff ein Forstdiebstahl auf 6 Köpfe bezüglich 9 Köpfe kommt, während im rudol⸗ städtischen Justiz⸗Amtsbezirke Oberweisbach nur auf 386 Köpfe der Bevölkerung, im Justiz-Amtsbezirk Eisenach auf 27 Köpfe der Bevölkerung ein Forstdiebstahl entfällt. . ;
Coburg, 18. März. (L. Ztg.) Der Magistrat unserer Nachbarstadt Neu stadt hat mit Genehmigung des Herzoglichen Staats⸗Ministeriums die Entrichtung einer Fleischsteuer zu
Gunsten der Stadtkasse von allem in der Stadt geschlachteten Vieh und eingebrachtem Fleisch nach einem festgesetzten Tarife wieder eingeführt.
Desterreich Ungarn. Wien, 18. März. Die „Presse“ schreibt: „Es gilt heute schon als ziemlich gewiß, daß der Schluß der Reichsrathssession erst in der zweiten Hälfte des Monats Mai erfolgen wird. Demnach wäre das Projekt, die Landtage in der Zeit zwischen Ostern und Pfingsten tagen zu lassen, nur in dem Falle realisirbar, wenn die Land⸗ tagssession über Pfingsten hinaus ausgedehnt würde. Die Frage, wann das Abgeordnetenhaus in die Budgetdebatte eintreten wird, ist noch in Schwebe, doch hält man es kaum ö möglich, das Budget noch vor den Osterferien zu er— edigen.“
Pest, 18. März. (W. Abdpst. Sämmtliche Blätter widmen der Rzise des Kaisers nach Szegedin Worte der innigsten Dankbarkeit und schöpfen aus derselben den Trost und die zuversichtliche Hoffnung, daß Szegedin wieder auferstehen werde. .
— 19. März. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Unterhauses sprach sich der Minister⸗-Präsident Tis za gegen die hinsichtlich der Katastrophe in Szegedin ein⸗ gebrachten Anträge auf Entsendung von Reichstagsausschüssen aus, indem er hervorhob, daß das Erforderliche schnell ver— fügt werden müsse. Die Regierung werde nach Anhörung ausländischer Experten dem Hause Vorschläge unterbreiten. Alle bezüglichen Anträge wurden hierauf abgelehnt.
Schweiz. Bern, 19. März. (W. T. B.) Entgegen⸗ dem Antrage, die Berathung der Vorlage wegen Wieder einführung der Todesstrafe zu verschieben, beschloß der Ständerath in seiner heutigen Sitzung mit 25 gegen 16 Stimmen, sofort in die Debatte über diese Vorlage ein⸗ zutreten. Dieser Beschluß ist für die Anhänger der Todes— strafe günstig.
Belgien. Brüssel, 19. März. (W. T. B.) Die Repräsentantenkammer hat das gesammte Budget für das Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten, mit Ein— schluß der Position für die belgische Gesandtschaft beim Vatikan, einstimmig angenommen.
Großbritannien und Irland. London, 18. März.
(Allg. Korr. Der Dampfer „Osborne“, welchen Se. Königliche Hoheit der Prinz von Wales zur Disposition der Hohen Neuvermählten, des Herzogs und der Herzogin von Connaught, Königlichen Hoheiten, für einen Ausflug nach dem Mittelländischen Meere gestellt hat, wird, den neue— sten Verfügungen zufolge, am 24. d. M. mit dem prinzli— chen Paare abgehen. Die Reise soll 9 Wochen dauern.
Im Kolo nialamte ist ein Telegramm von Sir Bartle Fräre eingegangen, welches meldet, daß die Boers sich fried—⸗ lich verhalten und eine Störung der Ruhe in Trans vaal nicht besorgt wird. — Auf Ersuchen Lord Chelmsfords wird mit dem nächsten, nach dem Kap abgehenden Dampfer ein vollständiger Feldtelegraphenapparat nach dem Kriegs— schauplatze abgesandt werden. s
Im Oberhause lenkte gestern der Herzog von Somerset die Aufmerksamkeit auf den Bericht des Comites, welches die Ursache des Berstens der 38 Tonnen schweren Kanone an Bord des Thurmschiffs „Thun derer“ er—⸗ mittelte, Er hielt eine gründliche Untersuchung für erforder— lich, weil das jetzige Ergebniß der Bedienungsmannschaft und deren Offizieren die Schuld beimesse und die Regierung von jeder Verantwortlichkeit befreie. Er glaube, daß die Maschinerie der Kanone eine zu komplizirte gewesen sei. Lord Sudeley erklärte sich mit dem Comitéberichte für einverstanden, glaubte aber, daß die Admiralität sich der neuesten Geschützverbesserungen nicht schnell genug bedient habe. Lord Elphinstone, der Vertreter der Admiralität, erklärte mit Bezug auf das Ergebniß der Untersuchung, daß zwei Ladungen in der Kanone gesteckt hätten, als dieselbe barst, und daß, wenn Geschütze zu gleicher Zeit abgefeuert würden, nicht immer sofort ermittelt werden könnte, ob eines derselben nicht entladen worden. Das Kriegs⸗Ministerium erwäge gegen⸗ wärtig einige in dem Laden und Abfeuern von Kanonen einzufüh— rende Verbesserungen, wodurch eine Wiederholung eines solchen Unglücks in der Zukunft verhindert werden dürfte. Es sei im Plane, die andere Kanone des „Thunderer“ nach England kommen zu lassen und dieselbe einem ähnlichen Experimente zu unterziehen, wie das, welches die Ursache des Unfalls bildete. Lord Cardwell, der ehemalige Kriegs⸗-Minister, drückte seine a,,, . diese Erklärung aus, und damit war
Gegenstand erledigt.
. . März. S. T. B. Ihre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kron— prinzessin haben mit dem Prinzen Wilhelm gestern über Calais die Rückreise nach Berlin angetreten. Vor der Abreise stattete der Kronprinz dem Herzog und der Herzogin von Edinburgh in Eastwell einen Besuch ab. — Ihre König— lichen Hoheiten der Herzog und die Herzogin von Connaught sind in Windsor⸗Castle eingetroffen und wer— den dort bis zum Antritt ihrer Reise nach dem Mittelmeer verweilen.
Frankreich. Paris, 18. März. (Fr. K.) In der heu⸗ tigen Sitzung der Deputirtenkam mer wurde ein Kredit von 200 500 Fr. für den Umbau des französischen Bot⸗ schaftshotels in Berlin bewilligt. Der Siegelbewahrer Le Royer brachte den bereits mehrfach angekündigten Gesetz⸗ entwurf zur Reorganisirung des Staatsraths ein. Die Hauptbestimmung der von dem Siegelbewahrer vorge⸗ schlagenen Staatsrathsreform besteht in der Einführung einer fünften Sektion, nämlich einer Sektion für Gesetzgebung. Die Zahl der Staatsräthe soll von 22 auf 32 erhöht werden. Dann wurde die Verhandlung über die Paul Bertsche Vorlage wieder aufgenommen und der Hauptartikel votirt.
Das Finanz⸗Ministerium veröffentlicht im „Journal officiel“ folgende Anzeige: „Der Finanz⸗Minister hat an die Bank von Frankreich die 64 700 900 Fres. zurückzahlen lassen, welche ihr der Fiskus auf ihre Vorschüsse aus den Jahren 1870 und 1871 noch schuldig war. - Diese große 5 ist mithin heute definitiv abgewickelt. Herr Léon Say wird übrigens dem Präsidenten der Republik noch in einem ausführlichen Berichte über die Art und Weise, wie die Vorschüsse geleistet und zurückerstattet worden sind, Rechen⸗
legen. kö „National“ schreibt: „Die Gerüchte von be⸗ vorstehenden Ministerveränder ungen haben, nachdem
sie schon einige Tage lang verbreitet waren, heute einen ziem⸗ lich ernsten Charakter angenommen. Die Herren Waddington und Leon Say, heißt es, würden angesichts der Feindseligkeit, auf welche sie bei einem Theile der Kammer stoßen, sich zurück⸗ ziehen und ihre Portefeuilles, der erstere an Herrn Fournier, zur Zeit Botschafter in Konstantinopel, der letztere an Herrn Cochery, den dermaligen Minister fur Post und Telegraphen, abtreten. Wir glauben nicht, daß diese Veränderung, wenn überhaupt, schon so bald stattfinden soll. Zunächst würde sie für den Augenblick nichts rechtfertigen. Die Herren Waddington und Say sind mit allen ihren Kollegen vom Kabinet vollkommen einig; sie haben vor dem Parlament keine Nieder⸗ lage erlitten, und es scheint auch nicht, baß bis zum April, zu welcher Zeit die Osterferien der Kammer beginnen, irgend eine störende Frage, die ihre Stellung zu erschütiern geeignet sein könnte, aufgeworfen werden soll. Jene Gerüchte haben also keine andere Grundlage als die versteckte Feindselig⸗ keit einer gewissen Anzahl von Deputirten, welche aller Orten wiederholen, daß eine neue Situation auch neue Männer erfordere. Wir glauben übrigens versichern zu können, daß Hr. Fournier durchaus nicht geneigt ist, seinen Botschafter⸗ posten in Konstantinopel zu verlassen und daß er jede Er⸗ öffnung bezüglich des Portefeuilles des Aeußeren entschieden zurückweisen würde.
— 19. März. (W. T. B.) Die Zolltarifkommission hat mit 23 gegen 3 Stimmen beschlossen, das System der Handels verträge aufrecht zu erhalten, und die Feststellung der Ziffern des Generaltarifs für verschiedene Kategorien von Produkten in Angriff genommen.
Spanien. Madrid, 18. März. (Ag. Hav.) Alle Parteien rüsten sich zu dem nächsten Wahkkampfe. Die Senatoren und Deputirten der konstitutionellen Partei haben ein Wahlcomité erwählt, welches demnächst ein Manifest er lassen wird. — Die amtliche „Gaceta“ veröffentlicht ein Cirkular, welches alle Konsuln Spaniens auffordert, zur Aufdeckung der Verfälschungen des Weins durch Fuchsin beizutragen.
— 19. März. (W. T. B.) Die Regierung hat beschlossen, für die Dauer der Wahlperiode über die baskischen Provinzen den Belagerungszustand zu verhängen.
Italien. Rom, 19. März. (W. T. B) In der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer machte, in Beantwortung der von dem Deputirten Della Rocca an die Regierung gerichteten Interpellation, der Minister⸗Präsident Mittheilung von den Schritten, die der italienische Bevoll⸗ mächtigte zu dem Berliner Kongreß gethan habe, um ein billiges Arrangement über die kürkische Schuld herbeizu⸗ führen. Der Kongreß habe davon Akt genommen. Er selbst habe später bei der Türkei remonstrirt, die Pforte habe indeß eine wenig befriedigende Antwort ertheilt, und habe er darauf in sehr energischer Weise die Proteste erneuert, damit die italienischen Gläubiger gegen die Gläubiger anderer Nationen nicht hintangesetzt würden. Die bezüglichen Verhandlungen seien noch in der Schwebe, und werde die Regierung nicht nachlassen in ihren Bemühungen, die gerechten Interessen der italienischen Gläubiger zu wahren. Der Deputirte Della Rocca erklärte sich durch die Antwort zufriedengestellt, empfahl der Regierung indeß, die Unterstützung der Signatarmächte des Berliner Vertrages anzustreben.
Türkei. Konstantinopel, 19. März. (W., T. B.) Nach hier umlaufenden Nachrichten hätte die Pforte in Folg des Mißerfolges, den das Tocqueville'sche Finanzprojekt erlitten, ein anderes Projekt genehmigt, wonach künftig alle Abgaben zu 45 in klingender Münze, 13 in Kaimes zum Course von 4 Prozent bezahlt werden sollten. Letztere würden dann fofort durch Verbrennen vernichtet werden.
Griechenland. Athen, 19. März. (W. T. B) Nach hier eingegangenen Nachrichten aus Prevesa haben die griechischen Kommissäre in der gestrigen Sitzung der griechisch— türkischen Kommission erklärt, daß sie keine andere Demar— kationslinie annehmen würden, als die in dem 13. Pro— tokoll zum Berliner Vertrage erwähnte. Die griechischen Kommissäre haben sich heute in Prevesa ein eschifft, um nach Athen zurückzukehren.
Rußland und Polen. Moskau, J19. März. (W. T. B. Von den deutschen Delegirten haben Professor Hirsch und Dr, Küßner gestern Wetljanka verlassen, um sich zu— nächst in Samianowskaja der Qugrantäne zu unterziehen, während Dr. Sommerbrodt noch in Wetljanka verbleibt.
Amerika. Washington, 19. März. (W. T. B.) Der Präsident Hayes hat eine Botschaft an den Kongreß gerichtet, in welcher er darauf hinweist, daß die außerordent— liche Session des Kongresses nothwendig sei, um die Kredit— vorlagen zu berathen. .
New-⸗York, 17. März. (Per Kabel.) Ihrer britischen Majestät Schaluppe „Osprey“ und der amerikanische Kutter „Walott“ sind in Alaska angekommen und fanden, daß die Indianer jenes Territoriums die Regierung der Vereinigten Staaten mit Krieg bedrehten. Der „Osprey wird in Alaska bleiben, bis er durch ein amerikanisches Kriegs— schiff abgelöst wird. . .
Bayard Taylors sterbliche Ueberreste wurden am 16. d. M. in Kennet⸗square unweit Philadephia mit großer Feierlichkeit zur Ruhe bestattet. Der Gouverneur von Penn⸗ sylvanien, das Comité der Legislatur und zahlreiche Personen von Auszeichnung waren zugegen.
Aus dem Wolffschen Telegraphen-Bureau. ern, Donnerstag, 20. März. Der Ständerath hat mit 27 ö 16 ö chi Aufhebung des Art. 65 der Bundes— verfassung, welcher die Todesstrafe verbietet, unter der Be— schränkung beschlossen, daß politischen Vergehen gegenüber die
Todesstrafe nicht in Anwendung gebracht werden darf. Brüssel, Donnerstag, 206. März. Der Moniteur Belge“ veröffentlicht ein Dekret, durch welches das Verbot der Einfuhr von Vieh aus Deutschland vom 25. d. M. ab auf⸗ oben wird. geh Bukarest, Mittwoch, 19. März, Abends. Im Sengte und in der Deputirtenkammer gelangte heute die Vorlage be⸗ züglich der Abänderung der Verfassung zur zweiten Lesung. — In der Deputirtenkammer wurde der Antrag der Ma⸗ jorität fast ohne Debatte mit 67 gegen 13 Stimmen ange⸗ nommen. Für den Minoritätsantrag stimmten nur 17 De⸗ putirte. Auf eine Interpellation, betreffend das Verbot der Vieheinfuhr aus Oesterreich, erwiderte der Minister des