1879 / 76 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 29 Mar 1879 18:00:01 GMT) scan diff

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Anzeige, betreffend die Veröffentlichung der Meßtisch⸗Auf⸗ nabmen vom preußischen Staate im Maßstabe 1: 25000 der natürlichen Länge.

Nachdem höheren Orts verfügt worden ist. daß die Meßtisch⸗

Aufnahmen vom preußischen Staate im Maßstabe des Original 1: 25 000 der natürlichen Länge, mittelst Lithographie alljäbrlich veröffentlicht werden sollen, wird hierdurch angezeigt, daß bis jetzt 20 im Jahre 1877 aufgenommenen, im Frübjahr 1878 in Zeichnung fertig gestellte Meßtischblätter erschienen sind, nämlich: Süderwilstrup, Halk ⸗Hoved, Tarup auf Alsen, Sterup, Gel⸗ ting, Dehe, Westermarkelsdorf, Krumm ensiek. Burg, Giekau,

Preetz, Selent, Hansühn, Oldenburg, Stolpe, Eutin, Neu⸗

stadt, Süsel, Rettin und Curau.

Im Ganzen werden alle Meßtischblätter des Jahres 1877 (115 Sektionen) successive im Laufe dieses Jahres erscheinen. Die obengenannten Blätter, welche sich ausschließlich auf einer neuen Triangulation bezw. topographischen Aufnahme gründen, ent⸗ balten Theile des Regierungsbezirks Schleswig, des Großherzog⸗ thums Oldenburg (Fürstenthum Lübeck und der Freien und Hansestadt Lübeck. Außer der rollständigen Situations⸗ zeichnung (Gewässer, Wiesen, Moore, Hutungen, Wälder, Gärten, Eisenbahnen, Wege, Ortschaften, Höfe, Häuser, Mühlen ꝛc.) bringen diese Kartenblätter eine reiche Nomenclatur, sowie auch die äqui⸗ distanten Niveaukurven (Horizontalen) von 5 SBzzu 5 m Bertikal⸗ abstand und zahlreiche Höhencoten zur Darstellung. Die Niveau⸗ kurven sind bei 20, 40, 60, 80, 100 m u. s. w. verstärkt. Jedes der lithographirten Kartenblätter enthält durchschnittlich eine Fläche von 22 geogr. Quadratmeilen. Der Preis eines Blattes beträgt Eine Mark und kann dasselbe nach vorgängiger Bestellung durch jede Buch⸗ und Kunsthandlung bezogen werden, ohne daß der Käufer verpflichtet ist, mehr als ein Kartenblatt dieses Werkes zu nehmen. Der General⸗ Kommissionsdebit ist der Simon Schroppschen Hof ⸗Landkartenhand⸗ lung in Berlin, Charlottenstraße Nr. 6l, übertragen.

Berlin, den 29. März 1879.

Königliche Landes⸗Aufnahme. Kartographische Abtheilung. Geerz, - Oberst und Abtheilungs⸗Chef.

Per sonalver änderungen.

Königlich Bayerische Armee.

Ernennungen, Beförderungen und Versetzunger. Im aktiven Heere. 16. März. Miehr, Sec. Lt. vom J. Inf. Regt., zum 1. Train⸗Bat. versetzt. 19. März. v. He⸗ rigoyen, Pr. Lt. à la suite des Inf. Leib -Regts, von der Funktion als Adjut. der 2. Inf. Brig. enthoben und in den etatsm. Stand des gen. Regts. zurückversetzt. Frhr. von und zu der Tann⸗ Rathsamhausen, Pr. Lt. des 2. Inf. Regts. unter Stellung à la suite dieses Truppentheils, zum Adjut. bei der 2. Inf. Brigade ernannt.

Abschiedsbewilligun gen. Im aktiven Heere. 16. März. Schultheiß, Pr. Lt. des 1. Train⸗Bats., auf Nachsuchen mit Pens. und der Erlaubniß zum Tragen der Uniform verabschiedet. Unger, Pr. Lt. a. D, unter die zur Disp. stehenden Offiziere ein⸗ gereiht. Dettel, Sec. Lt. a. D., auf Nachsuchen in die Kategorie der ohne Berechtigung zum Tragen der Uniform verabschiedeten Offiziere versetzt. I9. März. Speer, Hauptm. und Comp. Chef des 8. Inf. Regts., auf Nachsuchen mit Pens. und der Erlaub⸗ niß zum Tragen der Uniform verabschiedet.

Aichtamtliches.

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 29. März. Se. Majestät der Kaiser und König hörten heute Vormittag den Vortrag des Chefs des Militär-Kabinets, General-Adjutanten von Albe⸗ dyll, und empfingen später Se. Königliche Hoheit den Prinzen Albrecht, Höchstwelcher zu den Beisetzungsfeierlichkeiten aus Hannover hier eingetroffen ist.

Ihre Majestät die Kaiserin⸗Königin war gestern Abend bei der Abreise des Kronprinzlichen Paares nach Potsdam auf dem Bahnhofe anwesend und begab Sich heute zu dem Leichenbegängniß des Hochseligen Prinzen Waldemar nach Potsdam.

Gestern Abend um 6 Uhr fand im Kronprinzlichen Palais ein Haus-Trauergottesdienst statt. Die Leiche des Hochseligen Prinzen Waldemar war in der Gedenkhalle aufgestellt, die in einen Wintergarten umgewandelt worden war.

Um S8 Uhr wurde die Leiche im Hofe des Palais auf den sechsspännigen Königlichen Leichenwagen gesetzt.

Der Zug wurde eröffnet durch eine Abtheilung Gardes du Corps; es folgten im ersten Wagen der Hofmarschall Graf zu Eulenburg, im zweiten der Militär⸗Gouverneur, Obers Mischke und der Erzieher des Hochseligen Prinzen Pr. Delbrück, hierauf der Leichenwagen, unmittelbar dahinter Ihre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten der wer, und die Kronprinzessin mit Sr. König⸗ lichen Hoheit dem Prinzen Wilhelm und Sr. Hoheit dem Erbprinzen von Sachsen-⸗Meiningen, und demnächst die Groß⸗ i dl badischen Herrschaften und 2 Wagen mit dem Ge— olge. Geschlossen wurde der Zug wieder durch eine Ab⸗ theilung Gardes du Corps. Derselbe nahm den Weg die Nordseite der Linden entlang, durch das Brandenburger Thor, die Siegesallee, Victoriastraße und Potsdamerstraße nach Potsdam, während Sich die Höchsten Herrschaften nach dem Bahnhof und um 9 Uhr mit dem Eisenbahnzug ebendorthin begaben und im Stadtschlosse abstiegen.

Der Leichenzug traf Nachts gegen 11/ Uhr in Potsdam ein und wurde von Sr. Kaiserlichen Hoheit dem Kronprinzen und Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Wilhelm in die Friedenskirche geleitet, wo der Sarg vor dem Altare nieder⸗ gesetzt wurde. Den Ehrendienst daselbst übernahmen die Offi⸗ ziere des Ersten Garde-Regiments z. F.

Das Leichenbegängniß fand heute Vormittag um 11 Uhr mit den einem Königlichen Prinzen gebührenden Ehren— bezeugungen statt.

Der erste Zug der Leib⸗Compagnie des 1. Garde⸗Regi⸗ ments z. F. gab von 9!“ Uhr an die Ehrenwache gegen⸗ über der Kolonnade der Friedenskirche. Von 10 bis 11 Uhr wurden die Glocken der Friedenskirche sowie sämmtlicher Kirchen der Stadt Potsdam und der Kirche in Bornstedt in drei Pulsen geläutet.

Sobald der erste Glockenton erschallte, traten der Hof⸗ marschall Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kron⸗ prinzen, Graf zu Eulenburg, hinter das Kopfende des Sarges, der Militär- Gouverneur des . Prinzen, Oberst Mischke, hinter das auf der rechten Seite des Sarges auf— gestellte Tabouret, auf welchem das Kissen mit dem Stern

und dem Bande des Schwarzen Adler-Ordens lag, und der

nicht eingegangen werden.

Erzieher des Hochseligen Prinzen, Dr. Delbrück, hinter den Obersten Mischke.

r dem auf der linken Seite des Sarges aufgestellten Ta t, auf welchem sich die Kette des Königlichen Haus⸗Ordens von Hohenzollern sowie die dritte Klasse des Rothen Adler⸗ und des Königlichen Kronen⸗-Ordens befanden, nahm der Commandeur des J. Garde⸗Regiments zu Fuß, Oberst von Derenthall Stellung.

Auf dem Kopfende des Sarges, der unter Blattpflanzen, Blumen und Kandelabern aufgebahrt war, ruhte die Prinz⸗ liche Krone; auf dem Sarge waren der Degen des Hochseligen Prinzen, die Schärpe und die Handschuhe befestigt.

Nach 10 Uhr versammelten sich die Generalität und die

Provinz Brandenburg, der Chef⸗Präsident der Ober⸗Rechnungs⸗ kammer und die sonstigen Spitzen der Civilbehörden zu

so zusammenhängend sei, daß jede einzelne Position die andere berühre, so würde nothwendig der Ausschuß die ganze Arbeit der Tarifkommission von vocne anfangen müssen und wenn nun später im Plenum ein ein⸗ ziger Majoritätsbeschluß die ganze Sache wieder umstoßen könne, so müßte wiederum von vorn angefangen werden. Solchen Verzögerungen solle vorgebeugt werden, zumal ein kleiner Aufenthalt schon durch die beiden Lesungen im Bundes⸗ rath herbeigeführt werden würde. Ein weiterer Punkt sei gewiß auch dem Abg. Bamberger nicht entgangen. Die In⸗

dustrie, das gesammte Erwerbsleben leide in Deutschland unter

ich t der augenblicklichen Unsicherheit der 2 Stabsoffiziere der Garnison Potsdam, der Ober⸗Präsident der

Es sei das

ein Uebel, das man ertragen müsse, das man nicht ändern

könne. In Deutschland befinde man sich in einem Ueber⸗

Potsdam, die daselbst wohnenden Kammerherren und die Geist⸗ lichkeit der Stadt Potsdam und von Bornstedt sowie das Offizier

corps des 1. Garde⸗Regiments z. F. in dem unteren Raume

kommission gewesen.

der Friedenskirche. Gegen 11 Uhr trafen die aus Berlin zum

Leichenbegängniß eingeladenen Personen ein. Sobald die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften erschie⸗

gangsstadium, aber diesen Zustand möglichst abzukürzen, so⸗ weit es möglich sei, das sei die Pflicht und Aufgabe der ver⸗ bündeten Regierungen, das sei auch die Aufgabe der Tarif⸗ ki Wenn man von der Raschheit, mit der sie gearbeitet habe, spreche, dann sollte man dies nicht blos

tadelnd erwähnen, sondern auch anerkennen, daß darin ein

Vortheil liege, weil dadurch die Hoffnung begründet werde,

nen waren und dem Sarge gegenüber Ihre Plätze eingenom⸗ men hatten, auch Höchstderen Suiten hinter Höchstdenselben sich

rangirt und die zu dieser Feierlichkeit berufenen Geistlichen am Altare ihre entsprechende Stellung eingenommen hatten, begann der Gottesdienst.

bei der ersten Lesung habe sich erfüllt. 14 Millionen Mark sei bis auf 3 Millionen Mar

Denselben leitete der Königliche Domchor mit dem ersten z tt 0 : es nach ihm gegangen wäre. So sei es ihm und seiner ein; der Prediger an der Heiligengeistkirche zu Potsdam, Persius, früher Lehrer des Hochseligen Prinzen, sprach das Eingangsgebet, die Gemeinde und der Domchor sangen den zweiten Vers des genannten Chorals. Alsdann hielt der

Verse des Chorals: „Was Gott thut, das ist wohlgethan“

Ober⸗Konsistorial⸗Rath und Hofprediger Dr. Kögel die Leichenrede, welcher er die dritte Bitte: „Dein Wille geschehe“ zu Grunde gelegt hatte. Bei dem Segen wurden dreimal zwölf Kanonenschüsse abgefeuert, während die Ehrenwache die Honneurs machte. Inzwischen fuhr die Orgel mit der Musik fort, bis die

Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften und die anderen An⸗ wesenden die Kirche verlassen hatten.

Der Bundesrath hielt vorgestern eine Plenar⸗ sitzung unter Vorsitz des Präsidenten des Reichskanzler— Amts, Staats⸗Ministers Hofmann.

Nach Feststellung des Protokolls der vorigen Sitzung wurde die erfolgte Ueberweisung von Anträgen Bayerns zu dem Gesetzentwurfe, betreffend Abänderung der §§8. 30 und 33 der Gewerbe⸗Ordnung, und Mecklenburg-Schwerins zu dem Gesetzentwurfe, betreffend das Pfandrecht an Eisenbahnen, an die bezüglichen Ausschüsse genehmigt.

Ueber den Antrag des Reichskanzlers, betreffend die Aus⸗ arbeitung eines Gesetzentwurfs zur Regelung des Gütertarif— wesens auf den deutschen Eisenbahnen, soll in der nächsten Sitzung Beschluß gefaßt werden.

Vorlagen, betreffend a. den Entwurf eines Gesetzes über die Vollstreckung der Freiheitsstrafen; b. Maßregeln gegen die Einschleppung der Rinderpest; . den Entwurf eines Nachtrags zur Geschäftsordnung des Dber⸗Seeamts, wurden den Aus—⸗ schüssen überwiesen.

Ein Antrag des Ausschusses für Zoll⸗ und Steuerwesen, betreffend die Kontrole der Händler mit denaturirtem Vieh⸗ salz, wurde genehmigt.

Mündliche Ausschußberichte wurden erstattet über a. die Wanderlager und Waarenauktionen. lung dieser Gewerbebetriebe vom Ausschusse gemachten Vor— schläge wurden genehmigt; b. den Entwurf eines Gesetzes über die Anfechtung von Rechtshandlungen außerhalb des Konkursverfahrens. Der Gesetzentwurf wurde mit einigen Aenderungen genehmigt; c. die Abstempelung von Spielkarten. Die bezüglichen Ausschußanträge wurden genehmigt; d. die Erhebung einer deutschen Hagelstatistik. Es soll auf die Er— hebung einer solchen Statistik von Reichswegen zur Zeit

Hierauf folgte die Ernennung von Kommissarien zur Be— rathung von Vorlagen im Reichstage.

Endlich wurden einige Eingaben vorgelegt und theils den betreffenden Ausschüssen überwiesen, theils zur Kenntniß ge— nommen.

Der Bundesrath, die vereinigten Ausschüsse dessel⸗ ben für Eisenbahnen, Post- und Telegraphen und für Justizwesen, sowie die vereinigten Ausschüsse für das See—⸗ wesen und für Handel und Verkehr hielten heute Sitzungen.

Ein Telegramm des Professors Dr. Hirsch meldet, daß die ärztlichen Delegirten, welche in Samiana ihre Quarantäne abgehalten, sich am 30. d. M. von dort nach Astrachan weiter begeben, wo sämmtliche fremden Aerzte zu⸗ sammentreffen werden, und daß in Wetljanka kein weiterer Epidemiefall vorgekommen sei.

Der Stabsarzt Or. Som merbrodt hat am 28. d. M. Wetljanka verlassen und sich zuvörderst, zur Abhaltung der Quarantaine, nach Samiani begeben, um demnächst von dort den übrigen Delegirten nach Astrachan zu folgen.

Im weiteren Verlaufe der gestrigen (28.) Sitzung setzte der Reichstag die dritte Berathung des Etats pro 1879 80 fort. In der Generaldiskussion erklärte der Präsident des Reichskanzler⸗Amts, Staats-Minister Hofmann den Aus⸗ führungen des Abg. Dr. Bamberger gegenüber, die verbün⸗ deten Regierungen hätten es sich versagt, auf die Wirthschafts⸗ reformpläne näher einzugehen aus dem Grunde, weil sie erst konkrete Vorlagen abwarten wollten. Er werde auch heute, da der Abg. Bamberger auf diese Fragen zurückgekom⸗ men sei, von der bisherigen Linie des Verhaltens nicht ab⸗ weichen. Er wolle nur die formelle Kritik des Verfahrens der verbündeten Regierungen, die der Vorredner auch etwas verfrüht hier schon kund gegeben habe, mit zwei Worten widerlegen. Derselbe . den Bundesrath aufgefordert, zu prüfen und seine Beschlüsse erst nach einer Berichterstattung der Ausschüsse zu fassen, wie ja bei solchen Fragen in der Regel die Vorlagen erst an einen Ausschuß verwiesen würden. Der Bundesrath würde gewiß so verfahren, wenn nicht die Zolltarif⸗Revisions⸗ Kommission bereits die Funktionen eines Bundesraths⸗ Ausschusses übernommen hätte. Wenn die Regierung jetzt, sobald der Bericht vorliege, die Arbeit der Kommission zunächst wieder an den dritten Ausschuß für Zoll⸗ und Steuerwesen verwiese, so würde die Folge sein, daß die Beschlüsse des

in Deutschland möglichst bald aus dem Zustande der jetzigen Ungewißheit herauszukommen.

Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, seine Voraussicht Das ur, von aus⸗ geglichen, welche auch hätten erspart werden können, wenn

Partei 6 Jahre hindurch trotz magerer Zeiten gelungen, bei eingehender Budgetprüfung die Matrikularbeiträge auf gleicher Höhe zu erhalten, indem er die erhöhten Forderungen der Regierungen innerhalb der 6 Jahre um zusammen 90 Mil⸗ lionen verkürzt habe. Die Verwaltung habe darunter nicht

gelitten, sei im Gegentheil vielfach noch zu reichlich dotirt worden.

Die finanzielle Ordnung sei nicht gestört; im Gegentheil gebe es noch manche überflüssige Behörde. Grade Unbefangene müßten sich angesichts dessen überzeugen, daß man sich so noch einige Zeit helfen könne, bis mit Besserung der allge⸗ meinen Verhältnisse die natürliche Steigerung der vorhandenen Einnahmequellen die Mittel biete zu einer Ermäßigung der Matrikularbeiträge und einer Erleichterung der Einzelstaaten, welche diese alsdann auch aus der Steigerung der eigenen Ein⸗ nahmen erfahren würden. Er und seine Partei habe sich bestrebt, die bis dahin von den Anschauungen der Milliardenzeit ge— leiteten Verwaltungen wieder mit mehr haushälterischen Sinn zu erfüllen; jetzt sollten die Matrikularbeiträge abgeschafft werden, deren Festsetzung die Handhabe für die deutsche Finanz⸗ politik gewesen sei. Allerdings mögen die Verwaltungen die Bedeutung des Geldbewilligungsrechts und der Matrikular⸗ beiträge unbequem empfunden haben; darum scheine die Finanzpolitik der Regierung jetzt nicht blos darauf gerichtet, mehr Geld zu bekommen, sondern auch durch Einführung dauernder Steuern das Geldbewilligungsrecht des Reichstages thatsächlich seiner Bedeutung zu entkleiden. So erkläre er es sich auch, daß sich die Forderung der Regierung auf mehr Steuern ange⸗ sichts des Ergebnisses der Etatsberathung nicht vermindert, sondern gesteigert habe. In diesem Augenblick werde das Land beunruhigt durch eine Tabakssteuervorlage, welche eine so exorbitante Belastung des Tabaks herbeiführe, wie sie wohl von keiner Seite erwartet sei. Erachtete man doch schon im Vorjahre die 42 S Zoll, welche Minister Camphausen ver⸗ langte, auf dem Boden der Gewichtsbesteuerung als zu weit

gehend. Nun wolle man gar 60 oder 70 6 Zoll einführen. Derselbe falle gleichmäßig auf die Cigarre von A oder von

Die wegen Behand⸗

Ausschusses in irgend welchen Punkten von denjenigen der Tarifkommission abwichen. Da aber der Tarif in sich

30 5. Das Pfund Rauchtabak werde um 70 höher be— lastet, möge es sonst 25 3 oder 3 S kosten. Da jetzt im Detailpreis das Pfund Rauchtabak nur einen Werth von 60 3 im durchschnittlichen Konsum habe, müsse der Preis also hier auch mehr als das Doppelte steigen. Die Tabaksfabrikate im deutschen Verbrauch hätten einen jährlichen Verkaufswerth im Detail von 300 Millionen Mark; die Regierungsvorlage selbst nähme an, der Verbrauch werde sich in Folge erhöhter Steuern um ein Viertel vermindern, um 75 Millionen also werde sich der Erwerb aller am Tabaksgeschäft betheiligten Klassen min— dern; unter 140 000 Arbeitern in Tabaksfabriken, 12000 größeren Handelsgeschäften müsse ein Viertel den bisherigen Erwerb verlassen. S1 000 Landwirthe, wovon 76 000 diesseits der Elbe, bauten bisher ihren Tabak steuerfrei, das werde ihnen jetzt verboten und damit der Anbau unmöglich gemacht. Allerdings handele es sich hier nur um kleine Leute, welche auf diese Weise die Arbeitskraft ihrer Angehörigen oder selbst alters— schwacher Personen, wie es in der Enquete heiße, verwerthen. Aber möge die rechte Seite darüber sagen, was sie wolle, die Rücksichtslosigkeit, mit der man hier gegen die Tabaksindustrie vorgehen wolle, steche grell ab gegen die Zartheit, mit welcher die großen Branntweinbrenner und Rübenzuckerfabrikanten be— handelt würden. Man bringe ein Gesetz ein gegen Verfäl— schung der Nahrungsmittel und lege zugleich Zölle auf die unentbehrlichsten derselben; damit werde eine Prämie auf die Verwendung von Surrogaten gesetzt. Dem Bauer sage man, er bekomme durch Getreidezölle einen höheren Preis für seinen Roggen, verschweige ihm aber, daß er seinen Tabak theurer bezahlen solle. Die Eisenindustriellen würden vielleicht aus Reziprozität für Getreidezölle eintreten, wenn die Land⸗ wirthe Eisenzölle bewilligten und umgekehrt. Man munkele immer so viel von Kompromissen; er glaube nicht daran; man könne dieselben wohl schließen, um einen theilweisen Fortschritt, nicht aber, um einen Rückschritt theilweise sicher zu stellen. Es sei dringend nothwendig, wieder zu den gesunden Bahnen der bisherigen Finanzpolitik zurückzukehren.

Der Abg. Stumm hielt dem Vorredner entgegen, daß derselbe eine Unsumme von Behauptungen aufgestellt habe, ohne dafür Beweis anzutreten. Wozu solten überhaupt derartige Debat⸗ ten führen, denen thatsächlich jede Unterlage fehle. Redner be⸗ mängelte sodann die thatsächlichen Angaben des Abg. Bam⸗ berger und ging auf eine eingehende Beleuchtung derjenigen Schäden ein, welche durch die Beseitigung der Eisenzölle der gesammten Eisenindustrie widerfahren seien. Diese Zustände müßten beseitigt werden. Es handle sich durchaus nicht um Kompromißpolitik in wirthschaftlichen Fragen, sondern um eine abzutragende Schuld. Kein Mensch, der in der Eisenind ustrie bewandert sei, werde auch nur einen Moment darüber in Zweifel sein, daß, wenn man diese Industrie noch länger schutzlos lasse, sie völlig zu Grunde gehen müsse. Bei den zu erwar⸗ tenden Vorlagen werde er näher auf diese Dinge eingehen.

Hierauf wurde die Generaldiskussion geschlossen. In der Spezialdiskussion wurde zunächst das Ordinarium der Aus⸗

aben der Etats: Reichskanzler, Reichs kanzler⸗Amt, Bundesrath und Reichstag ohne Debatte nach den Be⸗ schlüssen zweiter Berathung unverändert genehmigt.

Bei dem Etat des Auswärtigen Amtes bedauerte der Abg. Dr. *. daß der Berliner Vertrag nur in seinem Tert dem Hause vorliege; ohne gleichzeitige Vorlegung der Protokolle habe eine solche Vertheilung gar keinen Sinn. Redner lenkte sodann die Aufmerksamkeit des Hauses auf die Bestimmung des Vertrages, welche sich mit der Gleich⸗ stellung der Kulten in Rumänien beschäftige und wies darauf hin, daß man in Bukarest nur mit großen Reserven an der Ausführung jener klaren Bestimmung des Ber⸗ liner Vertrages herangehe. Man glaube den Anforderungen zu entsprechen, wenn man einen Artikel der Verfassung auf⸗ hebe und wenn man die Möglichkeit gewähre, daß auch aus⸗ wärtige Juden naturalisirt werden könnten. So viel er wisse, habe diese Auffassung der rumänischen Regierung den ent⸗ schiedenen Widerspruch sowohl der französischen, als auch der deutschen Regierung gefunden. Er richte deshalb an den Ver⸗ treter des Auswärtigen Amtes die Frage, ob Seitens der Re⸗ gierung die strikte Ausführung dieser Bestimmung von der rumänischen Regierung gefordert werden würde. Er seiner⸗ seits spreche die Erwartung aus, daß die Anerkennung der Unabhängigkeit Rumäniens in Bukarest deutscherseits nicht eher erfolgen würde, als bis von Seiten der rumänischen Re— gierung der Berliner Vertrag nach Sinn und Geist zur Aus— führung gekommen sei. .

Der Abg. Windthorst erklärte, er ersehe mit hoher Be⸗ friedigung aus dem Vertrage, welchen großen Einfluß Deutsch⸗ land im vorigen Jahre für die Befestigung des Weltfriedens siegreich zur Geltung gebracht habe. Man habe ferner auf die Gleichstellung aller Konfessionen in Rumänien hingewiesen; er wünsche nur, daß, was für die Donauländer bestimmt sei, doch auch für Preußen gelten möge! .

Der Etat wurde im Ordinarium genehmigt, desgleichen der Etat des Reichsheeres ohne Diskussion.

Bei dem Etat der Marineverwaltung richtete der Abg. Meier (Schaumburg-Lippe) an den Chef der Admiralität die Anfrage, welche Schritte beabsichtigt seien, um den zweiten Eingang in den Hafen von Wilhelmshaven zu verbessern. Um die Gefahren für das Einlaufen der Schiffe zu beseitigen, habe man die Moolen vielleicht etwas anders zu legen und die Schleuse zu vertiefen. Ferner hielt es Redner für be— denklich, die Baggerarbeiten vor dem Hafen einzustellen, da dadurch im Frühjahr das Fahrwasser eine ungenügende Tiefe erhalte.

ö Der Chef der Admiralität, Staats-Minister von Stosch, erwiderte, der ursprüngliche Plan für den Hafenbau sei wieder zur Erörterung gekommen, als der betreffende Baumeister ge⸗ storben und auch von militärischer Seite Bedenken gegen die Zweckmäßigkeit des Planes erhoben worden seien. Der zu diesem Zweck berufene Admiralitätsrath habe sich indessen im Großen mit dem Plane einverstanden erklärt und nur im Detail Abänderungen vorgeschlagen; namentlich die Civil⸗ Wasserbau⸗Techniker zollten dem Plane ihren Beifall. Am Auslauf der Moolen sei eine kleine Korrektur vorgenommen und die Tiefe der Schleuse um 0,s m vermehrt. Dadurch werde erreicht, daß die Schiffe, die sonst nur während der Hochwasserzeit, d. h. höchstens 11 Stunden täglich, einlaufen könnten, jetzt mehr als 3 Stunden Zeit hätten. Die ganze Fahrrinne durch Baggerung zu erhalten, werde nicht beabsich⸗ tigt; die Bauten seien so angelegt, daß der Strom, der in der Mitte der Fahrrinne laufe, an der Baggerarbeit tüchtig mithelfe, und gerade nach dem Ausspruch des Baudirektors aus Bremen sei dies das zweckentsprechendste Verfahren.

Der Abg. Dr. Hänel kam auf seine bei Gelegenheit der zweiten Lesung des Etats an den Chef der Admiralität gerichtete Frage zurück, ob derselbe geneigt sei, dem Hause 53 Monat nach dem entsetzlichen Unglück mit dem „Großen Kur⸗ fürst“ eine Auskunft über die Ursachen zu geben. Es sei ihm damals nur eine ausweichende Antwort zu Theil geworden. Er habe in Folge dessen den Antrag gestellt, das Gehalt des Chefs der Admiralität einstweilen nicht zu bewilligen, bis die gewünschte Auskunft erfolgt sei. Die Majorität des Hauses sei seinem Antrage nicht beigetreten, indeß sei doch von keinem Redner bestritten, daß der Reichstag ein volles und ganzes Recht habe, eingehende Aufklärung über die Katastrophe zu verlangen. Er wisse nicht, ob eine solche Auskunft heut er—⸗ theilt würde; aber jedenfalls müsse dem Reichstage eine definitive Absage oder Zusage werden. Er richte an den Admiralitätschef die ausdrückliche Mahnung, nicht zu glauben, daß Schweigen oder Verdunkelung die Sache aus der Welt zu schaffen vermöge, man müsse Klarheit haben, und werde die Frage so oft wiederholt werden, bis dem Reichstage die schuldige Auskunft geworden sei. .

Der Staats⸗Minister von Stosch erwiderte, er könne sich aller weiteren Ausführungen enthalten, da er nicht im Stande sei, seinen bei zweiter Lesung abgegebenen Erklärungen irgend etwas hinzuzufügen. . . ö

Der Abg. Dr. Lasker bemerkte, er sei der Meinung, daß man nicht wohl thue, auf die Regierung eine Pression aus⸗ zuüben bezüglich der Mittheilungen, so lange der Prozeß noch schwebe. Nach Beendigung des Prozesses aber und das werde auch der Chef der Admiralität zugeben müssen müsse der Reichstag volle Klarheit erhalten. .

Der Abg. Meier (Schaumburg-Lippe) erklärte, verschiedene Aeußerungen, die bei der zweiten Lesung hier gefallen seien, hätten bei ihm schwerwiegende Bedenken hervorgerufen. Er verzichte jetzt darauf, dieselben geltend zu machen, er behalte sich das bis dahin vor, wo den Reichstag die Sache selbst in Gestalt einer Vorlage beschäftigen werde. .

Der Abg. Dr. Lucius bemerkte, er habe in der zweiten Lesung nicht gesagt, daß die Regierung bei der dritten Lesung die geforderten Aufklärungen geben solle, sondern nur, daß das Haus bei der dritten Lesung auf diesen Gegenstand zu⸗ rückkommen könne. Im Uebrigen bestätige er seine damals gethanen Aeußerungen selbst auf die Gefahr hin, daß gewisse Zeitungen dieselben am anderen Tage als förmliche Angriffe gegen den Admiral von Stosch und als inspirirt von außer— halb des Hauses stehenden Personen darstellten. Er ver⸗ schmähe es, auf derartige verleumderische Insinuationen in der Presse zu antworten. Als Abgeordneter nehme er das Recht in Anspruch, seine Meinung auszusprechen, zumal er selbst zwei Jahre lang auf Königlichen Kriegsschiffen gefahren sei und daher für die meisten der betroffenen Offiziere ein inniges kameradschaftliches Gefühl habe. . .

Der Abg. Rickert konstatirte, daß in der Kommission der Vertreter des Marine⸗-Ministers erklärt habe, die Verwaltung sei bereit, diejenigen Bureauassistenten in die Klasse der Subalternbeamten zu versetzen, welche als solche beschäftigt seien, das sei die Veranlassung, weshalb der Antrag Hänels zu ihren Gunsten abgelehnt sei. .

Der Etat der Marineverwaltung wurde genehmigt.

Bei dem Etat der Reich s ju stiz⸗Vervwaltun g fragte der Abg. Windthorst, ob die Stellen des Reichsgerichts bereits alle

besetzt seien, und ob es möglich sei, den zu Reichsrichtern Be⸗

rufenen von ihrer Ernennung vor dem 1. April Kenntniß zu geben. Dies sei nöthig, damit die Ernannten schon jetzt ihre Wohnung zu kündigen vermöchten, zudem sei von der- Be⸗ setzung des Reichsgerichts auch die fernere Besetzung der höch— sten Gerichte in den einzelnen Staaten abhängig.

Der Kommissar des Bundesraths Geh. Ober⸗Regierungs⸗ Rath Dr. Meyer bedauerte, daß es bisher nicht möglich gewesen sei, bestimmte Wahlen zu treffen, da erst der Etat die dazu nöthigen Mittel gewähren müsse. Nachdem der Etat bewilligt sei, werde man die Ernennungen so viel als möglich be— schleunigen. Bis zum 1. April werde man aber, so bedauer— lich dies auch sei, den Betreffenden noch nicht von ihrer Er— nennung Nachricht zu geben in der Lage sein.

Auf eine weitere Frage des Abg. Windthorst, ob für die Richter des Amtsgerichts auch die Amtstracht vorgeschrieben sei, erwiderte der Bundeskommissar, daß Preußen dafür sei, von den anderen Bundesstaaten aber eine Entschließung noch nicht vorliege.

Beim Ordinarium des Reichs⸗Eisenbahn-Amts wandte sich der Abg. Struve gegen zwei Artikel der „Nord— deutschen Allgemeinen Zeitung“, welche seine bei Gelegenheit der zweiten Etatsberathung gemachten Angaben, daß die Fracht von Ungarn nach Bochum höher als von Friedrichsruh nach Bochum sei, als unwahr bezeichneten. Er sei bereit, durch amtliche Auskünfte alle seine früheren Behauptungen als richtig zu erweisen.

Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, die Ausführungen der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ und der anderen offiziösen Blätter seien in mehr als 100 09000 Exemplaren ver—⸗ breitet, aber der Nachweis, daß sie falsch seien, werde von ihnen nicht gebracht. Wenn die Angaben der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ richtig wären, dann müßten die öster⸗ reichischen Bahnen umsonst fahren. Aber man möge von den österreichischen Holzhändlern und den österreichischen Bah⸗ nen denken wie man wolle, so schlecht seien sie doch nicht, daß sie ihr Holz umsonst geben und umsonst fahren würden, blos um den Reichskanzler zu ärgern.

Der Etat wurde im Ordinarium genehmigt, desgleichen der Etat des Reichs kanzler-Amts für Elsaß-Lothrin⸗ gen, der Reichsschuld, des Rechnungshofs, des All⸗ gemeinen Pensionsfonds und des Reichs-Invaliden— fonds.

Es folgte das Extraordinarium. Bei der Verwaltung des Reichs heeres klagte der Abg. von Schalscha über die zu theuren Bauten der Kasernen. Er wünsche, daß dieselben weniger luxuriös wären und bat besonders, die Forderung von 1506000 S für den Bau einer Kaserne in Lichterfelde ab— zulehnen. Dem Antrage leistete das Haus keine Folge.

Bei Kap. 6 Titel 48 wünschte der Abg. Büxten die Posi⸗ tion von 50 000 6 für den Neubau und die Ausstattung eines Kasernements nebst Zubehör für das 1. Bataillon des 6. West— fälischen Infanterie⸗Regiments Nr. 55 in Detmeld erste Rate zum Terrainerwerb und zur Projektbearbeitung welche in der zweiten Lesung gestrichen worden sei, wieder ein—⸗ gestellt zu wissen. s

Das Haus blieb indeß seinem früheren Beschlusse treu und genehmigte ebenso die übrigen Titel des Kapitel 6 nach den Beschlüssen zweiter Berathung. .

Die Extraordinarien der Marine⸗ und Reich s-Justiz verwaltung gaben zu keiner Debatte Veranlassung.

Beim Etat des Reichs-Schatzamts sprach sich der Abg. Dr. Reichensperger (Crefeld) gegen den zum Bau eines Kollegienhauses in Straßburg gewählten Plan aus. Der— selbe trage mehr ästhetischen als praktischen Rücksichten Rech— nung. Redner tadelte, daß die Verwaltung keinem der gothi⸗ schen Baupläne irgend welche Beachtung geschenkt habe.

Der Unter⸗Staatssekretär Herzog führte aus, es treffe für die vom Vorredner berührten Mängel des Bauplanes die Verwaltung kein Vorwurf, man habe das beste Projekt ge— nehmigt, das die Konkurrenz, die ausgeschrieben sei, zu bieten vermöcht habe. Wenn der Vorredner den Bau in gothischem Styl ausgeführt wissen wolle, so sei zu entgegnen, daß unter den 101 eingegangenen Bauplänen nur zwei in gothischem Style gehalten seien, die beide weder zur Prämirung noch zur Ausführung geeignet erschienen. 2

Der Abg. Freiherr Nordeck zur Rabenau erklärte sich wesentlich mit der Wahl einverstanden, welche die Regierung unter den Projekten getroffen habe. Nicht den kirchlichen gothischen Baustyl wolle man wieder im Reichslande etabliren, sondern den bürgerlichen Baustyl, der dem Verständniß der bürgerlichen Kreise näher stehe.

Der Abg. Dr. Reichensperger (Crefeld) beantragte:

den Bauplan dem Reichskanzler zur wiederholten Prüfung zu überweisen, mit dem Auftrage, den Bau der Fagade einstweilen zu sistiren und dann über das Ergebniß der neuen Prüfung dem Reichstage Mittheilung zu machen.

Der Abg. Dr. Lasker erklärte sich gegen diesen Antrag— da die Regierung nach jeder Richtung hin so gehandelt habe, wie es der Reichstag selbst verlangt habe. . ö.

Nachdem der Abg. Dr. Reichensperger (Crefeld) seinen Antrag kurz vertheidigt hatte, wurde die Diskussion geschlossen und die Position selbst bewilligt. Der Antrag Reichensperger wurde mit 135 gegen 105 Stimmen angenommen.

Die übrigen Theile des Extraordinariums wurden ohne Debatte genehmigt.

Es folgten die Einnahmen. Die Etats der Zoll⸗ und Verbrauchssteuern, Spiel kartenstempel- und Wechselstempelsteuer wurden ebenfalls genehmigt. Zum Etat der Post- und Telegraphenver waltung brachte der Abg. Liebknecht eine Verfügung des General⸗-Postamts, ab⸗ gedruckt in der Nummer 109 des Postamtsblatts zur Sprache, in welcher den Postbeamten zur Pflicht gemacht werde, darauf zu achten, daß verbotene Zeitschriften dem Empfänger nicht ausgeliefert würden. Da die meisten Postsendungen unter Coubert gingen, so sei nicht klar, wo das Recht der Post zur Eröff⸗ nung von Briefen aufhöre und der Schutz des Briefgeheimnisses anfange. Die Briefsendungen seien heute vollständig jeder Einsicht von oben her preisgegeben, so daß die Geschäfte darunter leiden müßten. Das habe man doch unmöglich bei Berathung des Sozialistengesetzes beabsichtigen können. In Amerika hätten schon hochgestellte Beamten von diesen Dingen Kenntniß genommen und geäußert, wenn solche Klagen weiter fubstantiirt würden, müßte Amerika auf Grund des Weltpostvertrages einschreiten, und wenn Deutschland bei dieser Praxis bliebe, werde der Austritt Deutschlands aus dem Weltpostverein nothwendig werden.

Der General⸗Postmeister Dr. Stephan erwiderte, er werde

dem Vorredner sehr gelassen antworten. Seine Worte hätten eine Bedeutung nur dann, wenn es wahr sei, daß das Brief⸗ geheimniß täglich im Deutschen Reiche verletzt werde. Diese Behauptung bedürfe keiner Widerlegung, täglich würden 3 Millionen Briefe geschrieben; 3 Millionen Absender und ebenso viel Empfänger seien täglich dabei betheiligt. Sollte, wenn das wahr sei, was der Abg. Liebknecht angeführt habe, diese große Schandthat, diese Ehrlosigkeit vor den Augen dieser 6 Millionen geschehen, ohne daß die öffentliche Meinung die Presse, das Parlament sie zur Sprache brächte? Der vom Abg. Liebknecht angezogene Artikel aus der „Times“ werde am schlagendsten widerlegt durch die vorgelesene, von ihm im Amtsblatt erlassene Verfügung. Diese stehe vollkommen im Einklang mit den Gesetzen; die Postverwaltung dürfe gar nicht die Zeitungen verbreiten, die unter das Sozialisten⸗ gesetz fielen, denn sie fiele sonst selbst unter das Gesetz; sie müsse dieselben an die Staatsanwaltschaft ausliefern. Der Vorredner verwechsele wiederholt Polizei und Staatsanwalt⸗ schaft, darauf heruhe die Mehrzahl seiner Irrthümer. Die Staatsanwaltschaft lege einfach Beschlag auf die Sendungen an diesen oder jenen Angeklagten, an dieselbe würden Zei⸗ tungen, Briefe, Packete ausgeliefert. Ferner fänden Beschlag⸗ nahmen in Konkursangelegenheiten statt; die Gelder würden auf Requisition der Gerichte dem Konkursverwalter ausgeliefert. Die amerika nische Aeußerung habe doch nicht etwa Beweis⸗ kraft für das Behauptete; amtlich sei ihm von der dortigen Verwaltung, mit der er die allertrefflichsten Beziehungen unter⸗ halte, nichts derartiges bekannt geworden. Ferner behaupte der Vorredner, das Geschäft leide unter dieser Praxis. Habe denn etwa das Geschäft der Sozialdemokratie darunter gelitten? Die Agitationen gingen ja ihren Gang und würden zum guten Theil durch die Post gefördert; er sollte doch der Post dafür nicht so undank—⸗ bar sein. Im Uebrigen werde Niemand im Hause die vor⸗ gebrachten Behauptungen für Beweise halten. Briefe könne man sich ja von allen Seiten schreiben lassen. Er lehne jedes weitere Eingehen auf Einzelheiten ad. Möge sich im einzelnen Fall der Betroffene beschweren, möge er zuvor den georsneten Instanzenweg beschreiten und sich erst dann schließlich an den Reichstag wenden.

Der Abg. Dr. Lasker bemerkte, die Frage des Briefgeheim⸗ nisses sei keine politische Parteifrage und unabhängig von dem Worte heute mir morgen Dir. Was die vom Abg. Liebknecht vorgebrachten Beschwerden angehe, so habe man im Reichstage schon einmal eine ähnliche Debatte gehabt, und er habe damals betont, daß die Postverwaltung nicht gezwungen werden könne zur Mithilfe an der Verbreitung verbotener Druckschriften. Wie weit der General-Postmeister berechtigt sei zu seiner erwähnten Verfügung, sei eine besondere Zweck⸗ mäßigkeitsfrage und vorsichtig zu behandeln. Das müsse er aber sagen, wenn Einzelnes von dem, was der Abg. Lieb⸗ knecht angeführt habe, wahr sei, dann befände man sich in Deutschland in einem unmöglichen Zustande, sobald der Name des Adressaten allein die Sicherheit der Sendung ge— fährde. Wo bleibe da die Rechtsgleichheit? Was das von dem General-Postmeister erwähnte Konkursverfahren angehe, so sei er der Meinung, daß in dem Falle, wo solches vor⸗ gelegen habe, wohl nicht solche Klage an den Reichstag ge⸗ langen würde. Was die erste Hälfte der Rede des General-Postmeisters angehe, so würde er sie, wenn sie nicht gehalten wäre, nicht vermißt haben. Der Redner schloß mit der Bitte an den General⸗Postmeister, die bezeichneten Fälle zu prüfen. Die Oeffentlichkeit würde das Unterlassen einer Prufung nicht verstehen, wenn solche Dinge von einem Reichs⸗ tagsabgeordneten hier zur Sprache gebracht seien. Eine Wider⸗ legung erscheine dringend geboten. Es solle auch nicht ein Schatten des Vorwurfes zurückbleiben auf der Integrität der Postverwaltung.

Der Abg. Windthorst erklärte, er sei auch der Meinung, daß diese Sache nicht leicht genommen werden dürfe. Wenn solche Vorwürfe erhoben würden, dann sei die Postverwaltung es sich selbst schuldig, derartige Fälle aufzuklären. Wenn Staatsanwalt oder Gericht requirirt habe, dann sei die Post frei, sonst nicht. Die Generalverfügung könne unter keinen Umständen aufrecht erhalten werden. Offene und Kreuzband⸗ sendungen verbotenen Inhalts brauche die Post nicht zu be⸗ fördern, aber sie müsse es verschmähen, die Rolle der Polizei zu übernehmen oder gar verschlossene Sendungen zu visitiren. Beschlagnahme nach der Adresse eines Namens halte er von Postwegen für absolut unzulässig. Jedenfalls sei das ein Beweis, daß die oft gehörte Behauptung, daß bei der großen Anzahl Briefe eine Kontrole unmöglich sei, unbegründet sei. Er hoffe, daß der General-Postmeister eingehende Untersuchung der hier vorgetragenen Fälle eintreten lassen und dem Reichs⸗ tage eingehenden Bericht über deren Ausfall erstatten werde.

Der General-⸗Poßmeister Dr. Stephan erwiderte, das Briefgeheimniß sei absolut gesichert, und es fände eine Nichtaus⸗ lieferung der Briefe nur in den Fällen statt, welche die preußische Verfassung und das Reichs-Postgesetz vorsehen. An⸗ schuldigungen seien keine Beweise, und die Postverwaltung lehne es ab, auf alle Klagen eines Abgeordneten hin Unter⸗ suchungen anzustellen. Auf Grund früherer Reden des Abg.. Liebknecht habe er Untersuchungen angestellt, die nie ein Re⸗ sultat ergeben hätten, weil die Angaben zu wenig substantiirt ge⸗ wesen seien. Ihm wäre es lieb, wenn das Haus eine Untersuchung durch eine Resclution veranlassen wollte, denn wie die lang⸗ jährigen Klagen der Postbeamten schließlich in der Kommission des Hauses sich als unbegründet herausgestellt hätten, so wür⸗ den mit einer Untersuchung auch die ewigen Klagen des Abg. Liebknecht widerlegt werden. Was die oft genannte. Ver⸗ fügung endlich anlange, so liege zu ihrer Aenderung kein An⸗ laß vor. Sie entspreche den Reichsgesetzen, sie sei noth⸗ wendig, um nach Kräften der Einfuhr einer verwerflichen Literatur entgegenzuarbeiten, die im Auslande die Zwecke der Sozialdemokratie fördere, und es würde eine geradezu unver⸗ antwortliche Schwäche sein, wenn die Postverwaltung das Mittel aus der Hand geben wollte, mit dem sie ihrerseits diesem Treiben zu steuern vermöge. .

Der Abg. 9 . erklärte in Bezug auf die Behand⸗ lung der einzelnen Fälle möge sich die Postverwaltung gut decken können. Die Verfügung des General-Postmeisters aber sei ein Aktenstück, bezüglich dessen der Instanzenzug nicht ein⸗ gehalten zu werden brauche. Sie habe der General⸗Postmeister hier zu vertreten, und namentlich dürfe über ihre Tragweite kein Zweifel obwalten. Bei offenen Sendungen dürfe und müsse er eine Beschlagnahme eintreten lassen, sofern dieselben verbotene Schriften enthielten. Dürfe aber die Verfügung auch auf Sendungen Anwendung finden, von denen nach dem Gesetz und dem Reglement anzunehmen sei, daß sie die Natur verschlossener Sendungen hätten! Maße sich die Postverwaltung an, auf Grund des Sozialistengesetzes