1879 / 94 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 22 Apr 1879 18:00:01 GMT) scan diff

Darmstadt, 22. April. Die „Darmstädter Zeitung“ schreibt, die Mittheilung der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“, wonach zwischen Bayern und Hessen Verhandlungen schweben sollten, um eine in den Händen Bayerns liegende Bahnverbindung zwischen Unterfranken und der Pfalz herzustellen, sei unrichlig. Solche Verhandlungen schwebten weder zwischen der hessischen Regie⸗ rung und Bayern, noch auch seien dergleichen zwischen der Ludwigsbahn und Bayern wegen Abtretung von Linien der Ludwigsbahn im Gange, noch hätten überhaupt solche Ver⸗ handlungen stattgefunden.

Mecklenburg⸗ Schwerin. Schwerin, 18. April. (Post.) Gestern Abend hielt der hiesige kon servative Kreis⸗Wahl— verein eine Versammlung ab, zu welcher Hr. Fabrikant Hessel für einen Vortrag eingeladen war. Die 800 Personen zählende Versammlung beschloß die Absendung einer Zu stimmungs— adresse an den Reichskanzler zu dessen Zollreform. Hr. Gutsbesitzer Wiestel⸗Keen proponirte den Wortlaut zu einer solchen, welcher einstimmig anerkannt und befürwortet wurde. Mit der baldigen Absendung und Abfassung ist der Vorstand des Kreis-Wahlvereins beauftragt worden.

Sachsen⸗Meiningen⸗Hildburghausen. Meiningen, 17. April. (Dr. J.) Eine kürzlich erschienene Ministerial⸗ bekanntmachung betrifft die Verträge zwischen der sachsen⸗meiningenschen Staatsregierung und beziehungsweise den Staatsregierungen des Königreichs Preußen, des Groß— herzogthums Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach, des Herzogthums Sachsen⸗-Altenburg, des Herzogthums Sachsen-Coburg⸗-Gotha, des Fürstenthums Schwarzburg-Rudolstadt, der Fürstenthümer Reuß älterer und Reuß jüngerer Linie vom 159. Februar 1877, 23. April 1876, 17. Oktober 1878, 11. No⸗ vember 1878 über die Aufhebung des Gesammt-Ober— Appellationsgerichts zu Jena, die Errichtung eines gemeinschaftlichen Ober-Landesgerichts in Jena, den Beitritt des Königreichs Preußen für einige Ge— bietstheile zum Vertrage über das gemeinschaftliche Ober— Landesgericht, die Begründung einer Gerichtsgemeinschaft für einzelne Gebietstheile des Königreichs Preußen, des Herzog— thums Sachsen⸗Meiningen und des Herzogthums Sachsen— Coburg⸗Gotha, die Begründung einer Gerichtsgemeinschaft für einzelne Gebietstheile von Preußen, Sachsen-Meiningen und Schwarzburg⸗Rudolstadt und die Bildung gemeinschaftlicher Schwurgerichts Bbezirke.

Anhalt. Dessau, 18. April. (Magd. Ztg.) Der Bericht der Etatskommission über den Haupt⸗ Finanzetat für das Jahr 1879/80 liegt nunmehr im Druck vor. Bezüglich des Leopoldshaller Salzwerks spricht sich der Bericht folgendermaßen aus: Die schon bei Beginn der diesjährigen Landtagsverhandlungen durch die Eröffnungs—⸗ rede dem Landtage gewordene Mittheilung, daß die Ertraͤge des Salzwerkes Leopoldshall unerwartet zurückgegangen seien, findet in dem der Etatskommission vom Landtage zur Vor— berathung übergebenen Etat für das Etatsjahr 1879/80 in— joweit zahlenmäßige Bestätigung, als der Ueberschuß der Einnahmen des Werkes über die Ausgaben um 50 060 S gegen das Vorjahr zurückbleibt. Es ist das an und für sich, bei einem immerhin erfreulichen Ueberschuß von 1850 000 1M, keine so bedeutende Summe, daß Befürchtungen wegen eingetretener Verschlechterung der Finanzlage des Lan— des daran geknüpft werden könnten, und in der That läßt auch eine nähere Prüfung des Etats erkennen, daß zu einer solchen Befürchtung kein Anlaß vorliegt. Auch der ÜUmstand, daß zur Balanzirung des Etats die Entnahme von 250 000 aus den Beständen der Staatsschuldenverwaltung gefordert wird, wenn er auch die Behaglichkeit der durch die reichen Leopoldshaller Erträgnisse bisher verwöhnten Landesvertretung gestört haben mag, giebt keine Berechtigung zu ungünstiger Beurtheilung der Finanzlage, da dieser Zuschuß seiner eigent— lichen Natur nach nicht eine Insufficienz der Einnahmen für die laufende Verwaltung repräsentirt, sondern nur der That— sache Rechnung trägt, daß die von der Landesvertretung, in der Hoffnung auf Andauer der hohen Leopoldshaller Erträge, freigebig bewilligten dauernden Ausgaben bei Rückgang dieser Erträge sich als eine nothwendig zu tragende Last des Etats erweisen.

Sessen.

Hesterreich⸗» ungarn. Wien, 21. April. (W. T. B.) Im Abgeordnetenhause gelangte heute das Budget des Jing ns- Mini steriu ms zur Verhandlung. Der Referent, Abgeordnete Süß, unterzog die während der letzten Jahre von der Regierung befolgte Finanzpolitik einer eingehenden Beleuchtung und wies nach, daß die Handelsbilanz schoön feit dem Jahre 1877 mit einem Aktivum schließe; er empfehle daher der Regierung, auf die Abschaffung des Lottos, sowie auf die Regelung der Valuta Bedacht zu nehmen. Der Finanz⸗Minister erwiderte, daß auch er kein Freund des Lottos ei, indeß gestatteten die zeitigen finanziellen Verhältnisse die Aufhebung desselben noch nicht; betreffs der Regelung der Valuta sei der gegenwärtige Moment zur Inangriffnahme derselben nicht angezeigt. Die Regierung trage zunächst dafür Sorge, daß der Silberpreis von der Spekulation nicht zum Schaden des Staates ausgebeutet werde; sobald übrigens der Zeit— punkt geeignet erscheine, werde er eine Enquete über die Va— luta veranstalten. Es wurden hierauf die Kapitel 10— 26 des Budgets des Finanz⸗Ministeriums nach den Ausschuß— anträgen unverändert angenommen.

Ueber den bereits gemeldeten Ein fall türkischer Arnauten in den Distrikt von Kurschumlja gehen der „Polit. Korr.“ aus Belgrad noch folgende Mittheilungen zu: Gegen 1009 Arnauten, darunter auch Nizams, drangen am Freitag bei Prepoljac in den Toplicer Kreis ein und be⸗ setzten Kurschumlja, dessen 200 Mann starke Garnison sich vor der Uebermacht zurückziehen mußte. Fürst Milan ordnete die sofortige Entsendung von 5 Bataillonen mit 2 Batterien an. Gestern griffen die serbischen Truppen die Arnauten an und verdrängten sie aus Kurschumlja, doch gelang es den Arnauten, sich auf den Anhöhen bei Samokowo festzusetzen, von wo aus sie heute wiederum einen Angriff machten. Bei Kurschumlja verloren die Serben 4 Todte und 3 Verwundete, die Arnauten 6 Todte und 7 Verwundete. Die serbische Re— gierung forderte die Pforte auf, reguläre Truppen nach der Grenze zu senden, widrigenfalls Serbien angreifen und ohne Rücksicht auf das türkische Territorium die Arnauten exem— plarisch bestrafen müßte. Weiter meldet die „Polit. Korresp.“ Aus Belgrad: Der englische Ministerresident Gould ist zur Ueberreichung seiner Kreditive nach Nisch abgereist. Die

belgische Regierung hat Borchgrave zum diplomatischen Vertreter in Serbien ernannt. Aus Konstantinopel: n den armenischen und griechischen Kirchen fanden ankgottesdienste für die Errettung des Kaisers Alexander statt. Aleko Pascha wird heute hier er⸗ wartet.

Die „Presse“ meldet: Gleichzeitig mit den ungarischen Ministern langte auch Graf Andrassy hier an. Die Ver⸗ 6 in Angelegenheit der schwebenden Regierungs⸗ ragen haben in Folge dessen bereits begonnen, indem beim Vorsitzenden des Ministerraths, Dr. von Stremayr, gestern eine gemeinsame Konferenz stattfand. Wie der „Pester Korresp.“ aus Wien gemeldet wird, wurde gestern namentlich die Frage der serbischen Vertragsverhandlungen mit beson⸗ derer Berücksichtigung der wichtigen Eisenbahn⸗Anschlußfrage erörtert und auch eine spezielle Verständigung erzielt, die aber erst später in einem unter Vorsitz des Kaisers stattfindenden gemeinsamen Ministerrathe protokollirt wird. Die Berathungen über die anderen noch obschwebenden, gemeinsamen Angele⸗ genheiten werden in den nächsten Tagen in mehreren vorerst blos zwischen den beiderseitigen Ministern zu pflegenden Be⸗ rathungen verhandelt werden. Gestern Nachmittags sind die Minister Pauler und Szende hier angekommen und somit weilen bis auf Minister Trefort alle ungarischen Minister hier. Minister Trefort vertritt während der Zeit der Feier⸗ lichkeiten das Ministerium in Pest.

Prag, 20. April. (Pr.) Der Oberst⸗Landmarschall mit den Landesausschüssen und der Bürgermeister mit 15 Stadt⸗ räthen reisen heute nach Wien und werden übermorgen in Audienz empfangen. In allen Theilen der Stadt werden bereits großartige Vorbereitungen zur Illumination ge— troffen. Der Statthalter empfing heute 29 Glück— wunsch-Deputationen, darunter solche des landwirth— schaftlichen Klubs, des Landeskulturraths, des patriotischen Frauen⸗-Hülfsvereins, des Künstlervereins, der Bürger⸗ ressourcen, des medizinischen Doktorenlollegiums, böhmischen Notarenvereins, böhmischen Gewerbevereins, der deutschen evangelischen Gemeinde, der Prager Mitgliedergruppe des allgemeinen Beamtenvereins, ferner eine Deputation von 24 deutschen Vereinen in Prag. Viele dieser Deputationen, namentlich jene des Landeskulturraths im Namen von 207 landwirthschaftlichen und Fachvereinen, überbrachten prachtvolle Adressen. Auch mehrere Deputationen vom Lande sind heute bereits erschienen.

Niederlande. Amsterdam, 21. April. (W. T. B.) Der heutige Einzug Ihrer Majestäten des Königs und der Königin verlief in der glänzendsten Weise. Die Majestäten, welche mit dem Mittagszuge angelangt waren, wurden am Bahnhofe von dem Gouverneur der Provinz, dem Bürgermeister, dem Kommunalrath und den höheren Würden⸗ trägern vom Civil und der Armee empfangen. Der König— liche Zug nahm darauf vom Bahnhofe aus seinen Weg nach dem Königlichen Palais durch die Hauptstraßen der Stadt, welche durchweg aufs Reichste mit Flaggen geschmückt und mit einer dichten Menschenmienge besetzt waren, die das Königs⸗ paar mit den enthusigstischsten Kundgebungen begrüßte. Nach ihrer Ankunft im Palais zeigten sich die Majestäten wieder⸗ holt auf dem Balkon und hankten der versammelten Bevölke⸗ rung sichtlich bewegt. Dr König und die Königin werden während der von der Stadt zu veranstaltenden Festlichkeiten für eine Woche ihre Residenz hierselbst nehmen. Mehrere Vertreter auswärtiger Staaten sind hier eingetroffen.

Belgien. Brüssel, 19. April. (Cöln. Ztg.) Sas Re⸗ präsentantenhaus nimmt am Dienstag seine durch die Osterferien unterbrochenen Arbeiten wieder auf und wird sich zunächst mit der Schulgesetz vorlage beschäftigen. Die Gesellschaft der belgischen Kohlengruben hat be— schlossen, den Familien der bei Frameries verunglückten Bergleute noch weitere sechs Monate hindurch den Tagelohn ihrer verlorenen Ernährer auszuzahlen. Auch sonst ist man allerseits beeifert, den Armen durch Unterstützungen zu Hülfe zu kommen. Der König hat dem Buͤrgermeister von Frameries 5099 Fres. für die Angehörigen der verunglückten Bergleute einhändigen lassen.

Mons, 22. April. (W. T. B.) Die Arbeitseinstel⸗ lungen im Borinage greifen weiter um sich. Gestern trafen gegen 400 strikende Grubenarbeiter hier ein und ent— sendeten eine Deputation an den Gouverneur, welcher die Deputation empfing und längere Zeit mit derselben verhandelte.

Großbritannien und Irland. London, 21. April. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Unter⸗ hauses erwiderte der Schatzkanzler Northeote auf eine Anfrage Goldsmid's: es sei nicht richtig, daß der egyptische Finanz-Minister Rivers Wilson, seinen Rück— tritt vom Amte bis zum Empfange bezüglicher Mittheilungen der englischen Regierung verweigert habe. Kennaway gegen⸗ über erklärte Northcote: der Regierung sei keine Nachricht darüber zugegangen, daß der Sultan beschlossen habe, die Entscheidung in der Griechenland betreffenden Frage den europäischen Mächten zu übertragen. Der Unter⸗Staatssekretär für Indien, Stan hope, antwortete Dillwyn: es sei ihm nichts von einem Vormarsche der englischen Truppen in Afghanistan bekannt; es sei möglich, daß ein solcher stattgefunden habe, doch habe die Regierung den Vormarsch gegen Kabul weder gut geheißen, noch ihn überhaupt angeordet. Bei der Spezialberathung des Civildienst-Etats wurde die Streichung des für Rivers Wilson in Ansatz gebrachten Gehaltes in Anregung gebracht, weil derselbe jetzt in egyptischen Diensten stehe. Der Schatzkanzler betonte dem gegenüber die Nothwendigkeit, den fraglichen Etatsposten beizubehalten, da anderen Falles, wenn Wilson im Laufe des Jahres nach England zurückkehren und in sein hiesiges Amt wieder eintreten sollte, ein Nachtragskredit erforderlich sein würde. Der Gehalt wurde darauf bewilligt. Im Hinblick auf die jüngst vorgekommenen Bank-Fallissements be⸗ antragte der Schatzkanzler schließlich den Erlaß einer Bill, durch welche dem Uebelstande der unlimitirten und limitirten Haftbarkeit der Aktiengesellschaften gesteuert werde. Hauptzweck der Bill soll sein, den Banken zu gestatten, daß sich dieselben als Banken mit reservirter Haftbarkeit kon— stituiren und den Betrag der Haftbarkeit der Aktionäre üher den ursprünglichen Altienbetrag feststellen dürfen. Ferner enthält die Bill auch Bestimmungen über die Revision der Rechnungsablagen. Die Bill wurde in erster Lesung an—⸗ genommen.

22. April. (W. T. B.) Die Journale veröffent⸗ lichen eine Zuschrift Lord Derbys, worin derselbe er— klärt, daß er sich vorläufig von jeder Partei fern halten werde.

Nach aus der Kapstadt hier eingegangenen Nachrich⸗ ten vom 8. d. M. hatte der General Chelms ford am 6. d. M. Ghingolovo erreicht. In einem am 2. stattgehabten Ge⸗ fechte hatten die Zul us 1200 Mann an Todken verloren. Vom Kapitän Wood waren im Gebiete der Basutos 2206 Rinder, 240 Pferde und 3000 Schafe erbeutet worden, ohne daß Kapitän Wood mit seiner Truppe irgend einen Verlust erlitten hätte.

Frankreich, Par is, 21. April. Ein neues Amnestie—⸗ dekret, welches sich auf 661 Kommuneverurtheilte erstreckt, ist heute im „Journal officiel“ veröffentlicht worden.

Spanien. Madrid, 21. April. (W. T. B.) Nach dem bisher bekannt gewordenen Resultate der Wahlen zu den Cortes wurden?? Progressisten, 32 konstitutionelle und 220 ministerielle Deputirte gewählt. Unter den Gewählten be⸗ finden sich Sagasta und Castelar. Viele Wähler haben sich nicht an der Wahl betheiligt.

(Weitere Meldung.) Nach den über das Ergebniß der Corteswahlen weiter vorliegenden Nachrichten sind 275 Anhänger der Regierung, 32 Konstitutionelle und 38 andere Kandidaten gewählt, welche den verschiedenen anderen Parteien angehören. Unter den Gewählten befinden sich auch Canovas del Castillo und Romero.

Italien. Rom, 20. April. (Italie). Der „Sole“ er⸗ hält aus Aden die traurige Nachricht, daß nach dort ver—⸗ breiteten Gerüchten der Chef der italienischen wissenschaftlichen Expedition, Marchese Antinori bei Ankober, im Lande der Somali, gestorben wäre. Der „Sole“ hofft jedoch, daß sich die Nachricht als falsch erweisen möchte.

Griechenland. Athen, 21. April. (W. T. B.) Die gestern statgehabten Munizipalwahlen sind im ganzen Lande in der größten Ruhe und Ordnung vor sich gegangen.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 20. April. (St. Petersb. Herold Der „Regierungs bote“ veröffent— licht folgende Mittheilung:

Am 2. (14.) April, gegen 6 Uhr Abends, entstanden in der Stadt Rostowam Don Unruhen. Wie aus den Telegrammen des in Rostow angelangten Gouverneurs von Jekaterinosslaw, wie auch anderer offiziellen Personen zu ersehen ist, nahm der Tumult so große Dimensionen an, daß die lokalen Polizei kräfte sich als unzureichend erwiesen und es erforderlich war, Militär heranzuziehen. Mit Hülfe von 160 Kosaken, die aus Nowotscherkask requirirt wurden, und eines Militär⸗-Kom—

mandos aus Taganrog unterdrückte die lokale Polizei den

Tumult, so daß am 3. April gegen 4 Uhr Morgens die Ruhe in der Stadt wieder hergestellt war. Die Tumul— tuanten demolirten die Wohnungen des Polizeimeisters, des Pri⸗ staws und des Isprawniks und vernichteten und raubten alles in den Wohnungen der beiden Erstgenannten. In der Polizei⸗ verwaltung und in zwei Polizei⸗Stattheilhäusern sind alle lau— fenden Sachen vernichtet, die realen Beweisstücke aber geraubt. Sofort wurde zur Untersuchung des Vorfalls geschritten, und gleicherweise wurden Maßregeln zur Wahrung der Ordnung in der Stadt und zur Verhinderung neuer Unruhen ergriffen.

Nachdem der Minister des Innern Kenntniß von den vorgekommenen Unruhen erhalten, wurde am 4. April der Direktor des Departements der Exekutivpolizei, Geheimrath Kossakowskij, nach Rostow am Don abgesandt.

= 21. April. (W. T. B.) Heute wurde an den Straßenecken eine Verordnung des pro visorischen General-Gou— verneurs Gurko angeschlagen, durch welche folgende Sicher— heitsmaßregeln angeordnet werden: An der Thür eines jeden Hauses in St. Petersburg soll am Tage wie in der Nacht ein Hauswächter den Dienst versehen; die Hauswächter sollen ihr Augenmerk darauf richten, daß nirgends Plakate ohne eine beztigliche Erlaubniß angeschlagen und daß keine Gegenstände in den Straßen ausgestreut werden, welche Schaden bringen könnten. Die Personen, welche der⸗ artiges thun, sollen von den Hauswächtern verhaftet werden. Im Falle der Nichterfüllung dieser Pflichten haben die Hausaufseher beim ersten Male eine Geldstrafe von 25 Rubeln oder eine Haft von 7 Tagen zu gewärti⸗ gen; im Wiederholungsfalle erfolgt Ausweisung derselben aus der Stadt. Diejenigen Hausbesitzer, welche ihre Hauswächter den Dienst nicht bei der Hausthür versehen lassen, unterliegen einer Geldstrafe von 500 Rubeln. Obige Vorschriften treten 3 Tage nach Veröffentlichung derselben in der Polizei⸗ zeitung“ in Kraft. Dieselbe Verordnung verfügt ferner: Alle Waffenhändler sollen innerhalb? Tagen dem Stadt⸗ hauptmanne ein Verzeichniß des gesammten Inhalts ihrer Magazine, Buden und Lager einreichen. Feuerwaffen, sowie andere Waffen und Patronen dürfen fortan nur gegen Ein⸗ reichung eines vom Stadthauptmann ausgestellten Erlaubniß⸗ scheines verkauft werden. Die Nichterfüllung dieser Verfügung zieht das Verbot des ferneren Handels nach sich. Der Verkauf von Waffen vor Einreichung eines Waarenverzeichnisses oder ohne Entgegennahme eines Erlaubnißscheines wird beim ersten Male mit einer Geldstrafe bis zu 5090 Rubel bestraft, beim zweiten Male mit Konfiskation der Waaren und gänzlichem Verbote des ferneren Handels. Privatpersonen, welche Feuer⸗ waffen besitzen, sind verpflichtet, den Polizeibehörden davon Kenntniß zu geben, worauf nur solche Personen Waffen be⸗ halten dürfen, welchen dies vom Stadthauptmann erlaubt werden wird. Personen, welche ohne solche Erlaubniß Waffen behalten werden, haben außer der Konfiskation der Waffen eine Geldstrafe von 500 Rubeln oder 5 monatliche Haft zu erwarten.

—= „223. April. (W. T. B.). Der Reichskanzler Fürst Gortschakoff empfing gestern eine Deputation der in, gen Schweizer Kolonie, welche eine Glückwunsch⸗ adresse an Se. Majestät den Kaiser überreichte. Von der deutschen, der französischen und der italie⸗ nischen Kolonie sind ähnliche Kundgebungen in Vor— bereitung.

Moskau, 21. April. (W. T. B.) Der Moskwafluß ist ausgetreten und hat die benachbarten Orxtschaften überschwemmt. Ein Theil des Gartens beim Kreml sowie 2Stadttheile stehen unter Wasser, welches die niederen Etagen vieler Häuser übersteigt. In einigen Häusern wurden die Bewohner nur mit großer Mühe gerettet. Der bis jetzt durch das Wasser verursachte Schaden ist groß, und das Wasser ist noch im Steigen. ;

22. April. (B. T. B.) In Folge des Hochwassers ist der Eisenbahnbetrieb für Personen und Eilgüter auf der Eisenbahnstrecke Moskau⸗Smolensk ein gest ellt. Auch auf der Orel⸗Witebskbahn hat der Güterverkehr aufgehört; die letztere dürfte indeß bald wieder betriebsfähig sein.

Mittel⸗Amerika. Guatemala. Nach amtlichen Be⸗ richten weist der Export des Jahres 1878 eine stetige Zunahme im m n. u den früheren Jahren nach. Die esammtausfuhr belief sich auf 3 918 912,32 Doll., also auf 145 728,438 Doll. mehr als im Vorjahre 1877. Der Haupt⸗ artikel war Kaffee, der in den Ausfuhrlisten mit 3 349 740,32 Doll. verzeichnet ist. Der Betrag der übrigen Produkte, wie Cacao, Indigo, Cochenille, Häute, Muskobade u. s. w. kommt auf etwa 120 0090 Doll. zu stehen. An der Spitze der Länder, deren Produkte im Laufe des Jahres verschifft worden sind, befindet sich Kalifornien mit 1336713 Doll. ein beträcht⸗ licher Ueberschuß über den Export nach 66 während die Ausfuhr nach New⸗ork nur 149 126 Doll. betrug. Am 20. Februar d. J. ist die telegraphische Verbindung zwischen Guatemala und Nicaragua eröffnet worden.

Colum bien. Der Präsident Trujillo empfiehlt in seiner Botschaft an den Kongreß die thätige Ausbeutung der reichen Kohlenminen von Valley of Dupar und La Goajira, der Eisen minen von Samakä und der Goldminen

von Torlã.

Aus dem Wolffschen Telegraphen-Bureau.

Rom, Montag, 21. April, Abends. Heute fand unter dem Vorsitze Garibaldi's eine Versammlung der Häupter der demokratischen Partei statt. Garibaldi hielt eine langere Rede und beantragte eine Tagesordnung, nach welcher in Rom ein Centralcomité und in den übrigen Städten Subcomités be⸗ stellt werden sollen, um die gesetzliche Agitation zu Gunsten des allgemeinen Stimmrechts und zu Gunsten der Abschaffung des Deputirteneides zu fördern. Diese Tagesordnung Gari⸗ baldi's wurde genehmigt, dagegen eine weitere Tagesordnung, welche die Einberufung einer Konstituante beantragt, verworfen. Das deutsche archäologische Institut feierte heute den 40. Jahrestag seiner Begründung. Das Gerücht, welches die Ankunft Menabrea's mit der egyptischen Angelegenheit in Verbindung bringt, wird von unterrichteter Seite für unbe— gründet erklärt. ;

Konstantinopel, Montag, 21. April, Abends. Die Konvention bezüglich der Besetzung Bosniens und der Herze⸗ gowina, sowie hinsichtlich des Garnisonsrechts im Sandschak Novibazar ist heute von den Regierungen der Türkei und Oesterreich-Ungarns unterzeichnet worden.

Nr. 16 des „Central⸗Blatts für das Deutsche Reich“, herausgegeben im Reichskanzler ⸗Amt, hat folgenden In2— halt: Allgemeine Verwaltungssachen: Verbot aut ländischer Druck⸗ schriften; Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet. Herausgabe des Handbuchs des Deutschen Reichs für das Jahr 1879. Münz⸗ und Bankwesen: Status der deuntschen Notenbanken Ende März 1879. Statistik der deutschen Banknoten Ende März 1879; Uebersicht über die Ausprägung von Reichs⸗Goldmünzen; Goldankäufe der Reichsbank; Uebersicht über die bis Ende März d. J. eingezogenen Landesmünzen. Zoll⸗ und Steuerwesen: Bundesrathsbeschluß, betreffend Kontrole der Händler mit denatuir⸗ tem Viehsalz; Bestellung zweier Stations⸗Controleure; Nach⸗ weisung der Einnahmen an Wechselstempelsteuer in den Monaten April 1878 bis März 1879; Ergänzung der Ausführungsbestim⸗ mungen zu dem Gesetz, betreffend den Spielkartenstempel. Finanz⸗ wesen: Nachweisung der Einnahmen an Zöllen und Verbrauchs steuern, sowie vom Spielkartenstempel, bis Ende März 1879. Eisenbahnwesen: Eröffnung der Bahnstrecke Berlin⸗Blankenheim. Marine und Schiffahrt: Vorschriften, betreffend die Vermessung der Schiffe für die Fahrt durch den Suezkanal Konsulatwesen: Ernennung.

Nr. 27 des ‚Amtsblatts der deutschen Reichs⸗Post⸗ und Telegraphen verwaltung. enthält: Verfügungen: vom 19. April 1879. Verbot der in Wien erscheinenden periodischen Druckschrift „Kikeriki'; vom 17. April 1879. Uebersicht der Postdampfschiffverbindungen nach außereuropäischen Ländern.

Nr. 11 des Armee ⸗Verordnungs⸗ Blatts, heraus ˖ gegeben vom Kriegs⸗Ministerium, hat folgenden Inhalt: Kom mandirung von Mannschaften (Husbeschlagschülern) zu den Lehr⸗ schmieden. Anerkennung einiger Lehranstalten zur Ausstellung von Abiturientenzeugnissen im Sinne des 5§. 3 der Verordnung über Er⸗ gänzung, der Offiziere des stehenden Heeres sowie zu Reifezeuz⸗ nissen für Prima behufs Zulassung zur Portepéefähnrichsprüfung. Vorschrift zur Verwaltung der Königlichen Pulverfabriken. Ab- änderungen der Beilagen zur Instruktion, betreffend das Etappen und Eisenbahnwesen. Rechnungeerinnerungen über den Remonti— rungsfonds. Löhnungsgebührnisse der aus dem praktischen Trup— Pendienste abkommandirten Sergeanten. Mehrkosten der Begleit- Kommandos von Rekruten ꝛc. Transporten. Bekleidung der Mi⸗ litärgefangenen und Arbeitssoldaten. Reisegebührnisse der Offi⸗ ziere bei Kommandos mit Mannschaften. Fortschaffung der zum Ersatzgeschäft kommandirten Mannschaften. Ueberfüͤhrung der in Hamburg ankommenden und weitergehenden Militärtransporte von einem Bahnhof zum andern, Berichtigung der Loosnummer / ze. Tabelle für 1878. Ergänzung der Vorschrift für die Instand⸗ haltung der Waffen bei den Truppen. Bezüge des Direktors des Militär- Brieftaubenwesens zu Cöln an Wohnungsgeldzuschuß, Tage geldern, Fuhr und Umzugskosten. Ausgabe von Abänderungen zu dem Preistarife Nr. 1 Über Fabrikate der Artillerie⸗Werkstätten Berlin im Dezember 1877.

Neichstags⸗Angelegenheiten.

geilen twur , betreffend die Besteuerung des Tabaks.

(Fortsetzung. S. Nr. 9g93 des Reichs⸗Anz.).

Haftung für Entrichtung der Steuer.

§. 19. Zur Entrichtung der Steuer ist zunächst Derjenige ver⸗ pflichtet, welchem die Gestellung des Tabaks zur amtlichen Verwie⸗ gung obliegt (5. 5). . .

Bei der erstmaligen Veräußerung des Tabaks geht die Steuer pflicht auf den Käufer und sonstigen Erwerber über. In solchen Fällen hat der bisher Steuerpflichtige vor der Uebergabe des Tabaks die Steuerbehörde von der Veräußerung zu benachrichtigen und für die Steuer so lange solidarisch zu haften, als er nicht durch die Steuerbehörde ausdrücklich davon entbunden wird. Die Steuer behörde hat die Entlassung des ursprünglich Steuerpflichtigen aus dieser solidarischen Haftpflicht regelmäßig zu gewähren, sofern nicht im einzelnen Falle wegen der Persönlichkeit des Käufers oder mangeln⸗ der Sicherheit für die Steuerentrichtung besondere Bedenken ent⸗ gegenstehen. Hat die Uebergabe des Tabaks an einen Käufer oder sonstigen Erwerher nicht bis zum 31. März des auf die Ernte fol- genden Jahres stattgefunden, oder soll der Tabak vor der erstmaligen Veräußerung in den freien Verkehr gesetzt werden, so ist der Tabaks⸗ pflanzer zur Entrichtung der Steuer verpflichtet. In jedem Falle haftet der Tabak ohne Rücksicht auf die Rechte eines Dritten an demselben für die darauf ruhende Tabaksteuer, und kann, so lange deren Entrichtung nicht erfolgt, von der Stenerbehörde in Beschlag genommen oder zurückgehalten werden.

Kreditirung.

. 20. Auf Antrag des Steuerpflichtigen kann die Kreditirung der Steuer nach Maßgabe des von dem Bundesrath zu erlassenden Kredit ·˖ Regulativs bewilligt werden.

Um den Uebergang der Steuerpflicht (6 19) auf solche Händler, Fabrikanten u. s. w., welche in anderen Ste uerbezir ken domizilirt ind, zu erleichtern, können denselben nach näherer Vorschrift des Kredit-⸗Regulatios von dem Hauptamte, innerhalb dessen Bezirk sie domizilirt sind, auf eine bestimmte Summe lautende Tabaksteuer⸗ Kredit⸗Certifikate ertheilt werden.

Einziehung der Steuer für der Verwiegung entzogenen Tabak.

S5. 21. Ist nicht die ganze zu vertretende Blätterzahl beziehungs⸗ weise Gewichtsmenge (68. 6 ff.) zur Verwiegung gestellt oder ist anderweit ermittelt, daß ein Theil des steuerpflichtigen Tabaks der Verwiegung entzogen ist, so wird die dafür zu entrichtende Steuer unbeschadet der etwaigen Strafverfolgung gleichfalls festgesetzt und von dem für die Gestellung zur Verwiegung Verhafteten einge⸗ zogen. In Betreff dieser Steuerbeträge findet eine Kreditwährung nicht statt.

Vorschriften für den Tabakbau.

§. 22. In Betreff der Behandlung der Tabakpflanzungen sind die folgenden Vorschriften zu beobachten:

I) Die Pflanzung ist in geraden Reihen mit gleichen Abständen der einzelnen Pflanzen von einander innerhalb der Reihen und mit gleichen oder gleichmäßig wiederkehrenden Abständen der Reihen von einander anzulegen.

2) Tabak darf nicht mit anderen Bodengewächsen gemischt ge⸗ baut werden; jedoch ist bei gänzlichem Ausfall der Tabakpflanzen auf einer mindestens 4 qm haltenden Fläche der Nachbau anderer Ge⸗ wächse auf dieser Fläche gestattet.

3) Bis ju dem zur amtlichen Feststellung der Blätterzahl be⸗ ziehungsweise der Gewichtsmenge (5. 7) bestimmten oder dem etwa besonders in ortsüblicher Weise hierfür bekannt gemachten Termine muß die zur Regelung der Blattzahl erforderliche Behandlung der Tabakpflanzen (das Köpfen, Ausgeizen) vollständig bewirkt sein. Von dieser Vorschrift kann in denjenigen Fällen, wo die in 8. 6 gedachte Feststellung auf die Gewichtsmenge gerechnet wird, die Steuerbehörde die betreffenden Tabakpflanzer enkbinden. .

4) Bevor die zu vertretende Blätterzahl beziehungsweise Ge⸗ wichtsmenge amtlich festgestellt und über den etwa dagegen erhobenen Einspruch entschieden, oder aber die Abstandnahme von der amtlichen Ermittelung der Blätterzabl beziehungsweise Gewichtsmenge bekannt gemacht worden ist, dürfen Tabakblätter nur nach vorheriger Anzeige bei der Gemeindebehörde und unter Beobachtung der wegen Fest⸗ stellung der Menge von der Steuerbehörde zu erlassenden Anordnungen eingesammelt werden.

5) Alle vor der Ernte entstehenden Abfälle (Spindeln, Geize, , . Pflanzen u. s. w. sind auf dem Felde sofort zu ver⸗ nichten.

6) Will der Tabakpflanzer das Tabakfeld vor der Ernte wegen Mißwachses u. s. w. umpflügen, so ist hiervon der Steuerbehörde zuror Anzeige zu machen.

7) Spätestens am 10. Tage nach dem Abblatten müssen, soweit die Steuerbehörde nicht eine langere Frist gestattet hat, die Tabak⸗ pflanzen abgehauen oder in anderer Art beseitigt werden. Die Er— zielung einer Nachernte (das sogenannte Geizenziehen) kann nur aus— nahmsweise mit besonderer vor der Ernte einzuholender Genehmigung der Steuerbehörde und unter den von derfelben vorzuschreibenden Bedingungen hinsichtlich der Ermittelung und Entrichtung der gesetz⸗ lichen Steuer (8. 2) gestattet werden.

B. Besteuerung nach dem Flächenraum.

§. 23. Für Tabakpflanzungen auf Grundstücken von weniger als 4 a Flächeninhalt tritt, statt der im 5. 2 bestimmten Gewichts steuer, die Besteuerung nach Maßgabe des Flächenraums ein. Die Steuer beträgt von 1879 ab 17 3 fur ein Quadratmeter der mit Tabak bepflanzten Grundfläche jährlich.

Durch besondere Anordnung der Steuerbehörde können jedoch auch solche Pflanzungen der Entrichtung der Gewichtssteuer unter worfen werden.

§. 24. In Betreff der nach Maßgabe des Flächenraumes zu versteuernden Pflanzungen finden die Bestimmungen in den 55. 3 und 4 gleichmäßig Anwendung.

Nach geschehener Prüfung der Anmeldung (§. 4) wird die von dem Tabakpflanzer zu entrichtende Steuer berechnet und demselben bekannt gemacht. Der Inhaber des Grundstücks haftet für den vol⸗ len Betrag der Steuer, auch wenn er den Tabak gegen einen be⸗ stimmten Antheil oder unter sonstigen Bedingungen durch einen An— deren anpflanzen oder behandeln läßt.

Die festgestellten Steuerbeträge sind bis zum 1. März des auf das Erntejahr folgenden Jahres einzuzahlen. Ein Erlaß der Steuer soll eintreten, wenn durch Mißwachs oder andere Unglücksfälle, welche außerhalb des gewöhnlichen Witterungswechsels liegen, die Ernte ganz oder zu einem größeren Theile verdorben oder wenn durch . der noch im ganzen bei dem Tabakpflanzer vorhandene

abakgewinn vor dem vorbezeichneten Fälligkeitstermine erweislich mindestens zu einem Viertel zerstört ist.

Die Bedingungen und das Verfahren für diesen Erlaß werden von dem Bundesrath festgestellt.

§. 25. Ausnahmswelse kann die Steuerbehörde auch für Tabak⸗ pflanzungen auf Grundstücken von 4 a oder mehr Flächeninhalt, wenn die Gesammtfläche der Pflanzungen auf solchen Grundstücken innerhalb derselben Gemarkung im Vorjahre 2 ha nicht überstiegen hat und die örtlichen Verhältnisse nach ihrem Ermessen für die Durch⸗ führung der Vorschriften in den §§. 6 bis 15 nicht geeignet sind, die Besteuerung nach dem Flächenraume (5. 23) oder eine Fixation der Gewichtssteuer (5. 2) in der Weise anordnen, daß Menge und Gewicht des zu versteuernden Tabaks, vorbehaltlich der Berücksich⸗ tigung einer durch Unglücksfälle herbeigeführten Verminderung des Erntegewinns, nach Verhältniß des Flächeninhalts der Pflanzung und nach dem Durchschnittsertrage sich bestimmen, welcher in dem betreffenden Jahre in anderen Gemarkungen nach dem Ergebniß der Verwiegung erzielt wird. . . ö

Die hierbei zu beobachtenden allgemeinen Vorschriften erläßt der Bundesrath. . .

5§. 26. Die in das Ermessen der Steuerbehörde gestellten An⸗ ordnungen, welche die Art und Weise der Besteuerung bedingen (§. 23 und 5§. 25) sind zeitig und für diejenigen Ortschaften, in denen im Vorjahre steuerpflichtiger Tabakbau betrieben ist, wo möglich bis zum 15. April des Erntejahres, jedenfalls aber, sowie für andere Ortschaften innerhalb 14 Tage nach der Anmeldung (8§. 3) zu erlassen.

Verwendung von Tabaksurrogaten.

§. 27. Die Verwendung von Tabaksurrogaten bei der Herstellung von Tabakfabrikaten ist verboten.

Ausnahmen hiervon kann der Bundesrath gestatten und dabei über die nöthigen Kontrelen, sowie über die bei der Verwendung von Surrogaten zu entrichtenden Abgaben Bestimmung treffen.

§. 28. Die Steuerverwaltung ist befugt, behufs Ueberwachung des im 8. 27 ausgesprochenen Verbots Proben der einzelnen Tabak- fabrikate bei den Fabrikanten und Händlern entnehmen zu lassen und über den Bezug der betreffenden Fabrikate genauen Aufschluß zu verlangen.

Verjährung der Abgabe.

§. 29. Alle Forderungen und Nachforderungen an Tabaksteuer, desgleichen die Ansprüche auf Ersatz wegen zu viel oder zur Unge⸗ bühr entrichteter Steuer verjähren binnen Jahresfrist von dem Tage des Eintritts der Zahlungsverpflichtung beziehungsweise der Zahlung an gerechnet.

Auf das Regreßverhältniß des Staats gegen die Steuerbeamten und auf die Nachforderung hinterzogener Tabaksteuer findet diese Verjährungsfrist keine Anwendung.

Abgaben bei Versendung in das Ausland.

§. 30. Wer aus dem freien Verkehr Robtabak oder entrippte Tabakblätter in Mengen von mindestens 25 Eg über die Zollgrenze ausführt oder in eine öffentliche Niederlage oder in ein unter amt⸗ lichem Mitverschluß stehendes Privatlager niederlegt, kann außer in denjenigen Fällen, wo die Ausfuhr oder Niederlegung inländischen Tabaks nach den Bestimmungen in den §5. 11 und 16 bis 18 vor Entrichtung oder Kreditirung der Steuer erfolgt eine Steuer vergütung beanspruchen, welche beträgt von 100 Eg Netto:

I) Rohtabak

a. unfermentirt 1?“

J

Bei der Ausfuhr von grünen Blättern, von Geizen, Tabak⸗ stengeln und Abfällen wird keine Vergütung gewährt.

§. 31. Inländischen Tabakfabrikanten kann bei der Ausfuhr ihrer Fabrikate über die Zollgrenze oder bei Niederlegung derselben in eine öffentliche Niederlage oder in ein unter amtlschem Mitver⸗ schluß stehendes Privatlager eine Vergütung geleistet werden, welche je nachdem das Fabrikat aus ausländischem oder aus in ländischem Tabak heragestellt ist, beträgt von 100 Kilogramm Netto:

J. für Fabrikate aus ausländischen Blattern:

a. für Schnupf⸗ und Kautabak.... . 84 J R JJ II. für Fabrikate aus inländischen Blättern: a. für Schnupf⸗ und Kautabak .. . 56 JJ . w d nn III. für Fabrikate, theilweise aus ausländischem und theilweise aus inländischem Tabak, nach Maßgabe des Mischungsver⸗ hältnisses beider Gattungen nach den vorstehend zu 1. und IJ. aufgeführten Sätzen zu berechnen ist.

Diejenigen Fabrikanten, welche auf Gewährung der vorgedachten Vergütung Anspruch machen wollen, haben der Steuerbehörde hier⸗ von vor Herstellung der Fabrikate Anzeige zu machen und sich den von derselben ihnen bekannt gemachten Bedingungen, insbesondere bezüglich des Ausschlusses der Verwendung von Tabaksurrogaten, zu unterwerfen.

Die weiteren Bestimmungen wegen der vorstehend und im §. 30

gedachten Ausfuhrvergütungen erläßt der Bundetzrath. Derselbe hat insbesondere die näheren Bedingungen festzustellen, denen die Cigar⸗ retten, für welche eine Ausfuhrvergütung gefordert werden soll, ent- sprechen müssen, und den Zeitpunkt zu bestimmen, von welchem ab die vorstebend und im 8. 306 vorgeschriebenen Vergütungsfätze zur Anwendung kommen. ; 46936 zu diesem Zeitpunkte bleiben die bisherigen Vergütungssätze in Krast. * Strafbestimmungen. Begriff der Steuerdefraudation 5. 32. Wer es unternimmt, die nach diesem Gesetze von dem innerhalb des Zollgebiets erzeugten Tabak oder einer inländischen Tabakpflanzung zu entrichtende Steuer zu hinterziehen, begeht eine Defraudation.

Der Tabaksteuer⸗Defraudation macht sich insbesonde schuldig:

ID wer es unterläßt, die im 8. 3 und im ersten Absatz des 5. 24 vorgeschriebene Anmeldung hinsichtlich aller oder einzelner mit Tabak bepflanzten Grundstücke rechtzeitig zu bewirken;

2) wer die gesetzliche Verpflichtung, der Gewichtssteuer (8. 2) unterliegenden Tabak zur amtlichen Verwiegung zu stellen, nicht rechtzeitig erfüllt. 2

§. 33. Der Defraudation der nach Maßgabe des Gewichts zu entrichtenden Tabaksteuer (5. 2) wird gleichgeachtet:

1) wenn im Fall des §. 9 Ziffer J bei der amtlichen Erhebung des durch Unglücksfall eatftandenen Verlustes die vorhandene Menge des erzeugten Tabaks nicht vollständig angezeigt wird;

2) wenn der Tabakpflanzer vor der amtlichen Verwiegung sich des Besitzes des gewonnenen Tabaks oder eines Theils dabon' ohne Genehmigung der Steuerbehörde (§. 11) entäußert;

3) wenn vor dem im 5. 22 Ziffer 4 bestimmten Zeitpunkte Tabakblätter ohne die vorgeschriebens Anzeige eingesammelt, oder die eingesammelten Blätter der vorgeschriebenen Feststellung der Menge derselben entzogen werden;

4 wenn über inländischen, zur Ausfuhr über die Zollgrenze amtlich abgefertigten Tabak vor bewirkter Ausfuhr eigenmächtig ver⸗ fügt wird (§5§. 11, 16);

5) wenn nach dem im §. 22 Ziffer 7 bezeichneten Zeitpunkte eine Nachernte ohne vorherige Genehmigung erzielt oder der durch die Nachernte gewonnene Tabak der vorgeschriebenen Versteuerung ganz oder theilweise entzogen wird;

6) wenn unversteuerter inländischer Tabak ohne vorschriftsmäßige Abmeldung aus der Niederlage entfernt wird, sofern in diefem Falle nicht die Strafe der Zolldefraudation eintritt.

Strafe der Defraudation.

§. 34. Die Tabaksteuer⸗Defraudation (8§. 32 und 33) wird mit einer Geldstrafe, welche dem vierfachen Betrage der vorenthal⸗ tenen Abgabe gleichkommt, bestraft.

Die Steuer ist von der Strafe unabbängig zu entrichten.

Wird bei Verfolgung einer Gewichtssteuerdefraude ermittelt, daß das Grundstück, auf welchem der betreffende Tabak erzeugt worden, nicht angemeldet ist (5. 32 Ziffer 1), so soll gegen denselben Thäter die Defraudationsstrafe nur einmal und zwar nach demjenigen That⸗ bestande, welcher die höhere Strafe nach sich zieht, festgesetzt werden. Wird nachgewiesen, daß der Beschuldigte eine Defraudation nicht habe verüben können, oder daß eine solche nicht beabsichtigt gewesen sei, so findet nur eine Ordnungsstrafe nach Vorschrift des §. 40 statt.

Dasselbe gilt, wenn ein mit Tabak bepflanztes Grundstück zwar rechtzeitig angemeldet (6. 32 Absatz 2 Nr. J), die Größe desselben aber nicht angegeben oder dergestalt unrichtig angegeben ist, daß das verschwiegene Flächenmaß bei Grundstücken von 20 bis 40 a Fläche zwei Ar, bei kleineren Grundstücken den zehnten und bei Grund- stücken von mehr als 40 a den zwanzigften Theil der Fläche über—⸗ steigt. Bei geringeren Unterschieden zwischen der Angabe und dem Befunde findet eine Bestrafung nicht statt. ;

§. 35. Der Steuerbetrag, nach welchem die Strafe zu bemessen, bestimmt sich: .

I) bei einer Defraudation der im 5§. 32 Ziffer 1 bezeichneten Art in allen Fällen nach dem im 5. 23 für die Steuer nach dem Flächenraum festgesetzten Steuersatze, auch wenn der auf dem nicht angemeldeten Grundstück erzeugte Tabak der Gewichtsteuer unterliegt; letzterenfalls wird jedoch der nach dem Flächen raum berechnete Steuer⸗ betrag außer der Strafe nicht entrichtet;

Y) bei Defraudationen anderer Art nach Menge und Gewicht des Tabaks, welcher nicht rechtzeitig zur amtlichen Verwiegung ge⸗ stellt (5. 32 Ziffer 2) beziehungsweise welcher Gegenstand der den Thatbestand der Defraudation (5. 33) bildenden Handlung oder Unterlassung ist.

Insofern es behufs Feststellung des vorenthaltenen Steuerbetrags erforderlich wird, die Menge des auf einem oder mehreren Grund⸗ stücken erzeugten Tabaks zu bestimmen, wird in Ermangelung ander⸗ weiter genügender Grundlagen der höchste Ertrag, welcher in dem betreffenden Jahre für eine Tabakpflanzung in derselben oder der nächstgelegenen Gemarkung ermittelt ist, nach Verhältniß des Flächen⸗ raums als maßgebend angenommen. Ingleichen wird, sofern die Er⸗ mittelung des Gewichts nicht anders erfolgen kann, das höchste durchschnittliche Gewicht, welches für den Ertrag einer Pflanzung in derselben oder der nächstgelegenen Gemarkung durch amtliche Ver⸗ wiegung festgestellt ist, zum Grunde gelegt. .

§. 36. Kann der Betrag der vorenthaltenen Steuer überhaupt nicht festgestellt werden, so tritt statt des vierfachen Betrages der Steuer eine Geldstrafe von dreißig bis zu dreitausend Mark ein.

Der gleichen Geldstrafe unterliegt, wer dem in 5. 27 aus gesprochenem Verbote zuwiderhandelt.

Vergütung der