1879 / 105 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 05 May 1879 18:00:01 GMT) scan diff

Jahre 1883 38 Millionen betragen würden. Indeß reichten diese Ueberschüsse zur allmählichen Abschaffung der Mahl⸗ steuer nicht aus, welche im zweiten Halbjahre dieses Jahres eine Mindereinnahme von 1815 Millionen, in den Jahren 1880, 1881, 1882 eine Mindereinnahme von 361 Mil⸗ lionen und 1883 eine solche von 751 Millionen zur Folge haben werde. Es sei demzufolge die Beschaffung neuer Einnahmen nothwendig. Der Finanz⸗Minister besprach demnächst die der Kammer vorgelegten Gesetzentwürfe, betreffend die anderweite Regulirung einiger Steuern und berechnete aus denselben eine Einnahme von mindestens 30 Millionen. Durch diese Steuern und unter Hinzunahme der Budget⸗Ueberschüsse würde das Gleichgewicht in dem Budget nicht allein nicht gestört, sondern, wenn man ein fünfjähriges Durchschnittsergebniß annehme, sogar ein Mehr von 23 Mil⸗ lionen erzielt werden. Schließlich äußerte sich der Minister noch über die beabsichtigte Reform im Steuer- und

ollwesen, sowie über die Bedingungen, unter welchen der Zwangscours abgeschafft werden könne, und beantragte, daß die Kammer bezüglich der vorgelegten Gesetzentwürfe die Dringlichkeit beschließen möge.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 4. Mai. (W. T. B) Nach einem amt ichen Telegramm aus Oren⸗ burg, vom 3. d. M., ist der Brand daselbst nunmehr ge— löscht, mit Ausnahme weniger Stellen, an welchen noch Holz unter dem Schutte glimmt. Es sind energische Maßregeln zum vollständigen Löschen getroffen worden. Die meisten Dbdachlosen sind bereits untergebracht. Brot wird unentgelt⸗ lich vertheilt. Das Unterstützungscomité hat die Stadt in 5 Bezirke eingetheilt, um das Einziehen zuverlässiger In⸗ formationen über die Nothleidenden zu erleichtern. Die Rentei, sowie einige Banken, haben ihre Thätigkeit wieder aufgenom⸗ men. Bei dem Oeffnen eines feuersicheren Schrankes in der Abtheilung der Reichsbank ergab sich, daß in demselben gegen 300 000 Kreditrubel verkohlt waren, während Silber und 1 sowie andere Werthpapiere unbeschädigt vorgefunden wurden.

Süd⸗Amerika. (Allg. Corr.) Ueber den Krieg zwischen Peru und Chile ist bei Lloyds folgende Depesche eingegangen: „Die chilenische Flotte hat sich von der peruanischen Küste zurückgezogen, um Valparaiso und andere Häfen, welche jetzt von der peruanischen Flotte bedroht sind, zu beschützen.“

Valparaiso, 6. April. (via Lissabon). Unweit Calama hat zwischen den chilenischen und bolivianischen Trup— pen ein Scharmützel stattgefunden, in welchem letztere besiegt wurden. Die chilenische Flotte hat die Blokade von Iquique, wo die peruanischen Truppen sich konzentriren, begonnen. Sie hat Befehl erhalten, alle peruanischen Kriegsschiffe, denen sie begegnet, zu engagiren. Die peruanische Regierung hat die Nation zu den Waffen gerufen und die gesetzgebende Kammer für den 23. April einberufen. Die bolivianische Regierung hat einen Bevollmächtigten an die La Plata-Republiken ge⸗ sandt und auch in der argentinischen Konföderation eine große Anzahl Maulesel für Transportdienste während des Krieges gemiethet.

Buenos⸗Ayres, S8. April. (via Lissabon). Eine 2000 Köpfe starke Indianer bande ist in die Provinz San Zuez eingefallen.

Aus dem Wolffschen Telegraphen-Bureau.

Paris, Montag, 5. Mai. Der „Agence Havas“ wird aus Alexandrien gemeldet: Der Khedive habe das Verlangen Englands und Frankreichs, daß er englische und französische Minister ernennen solle, dahin beantwortet, daß er diesen Vorschlag dem Ministerkonseil unterbreiten werde. Man glaubt, daß der Vorschlag auf Schwierigkeiten stoßen werde.

Paris, Montag, 5. Mai. Wie der „Agence Havas“ weiter aus Alexandrien gemeldet wird, sind die Vorschläge Englands und Frankreichs bezüglich der Minister⸗Ernennungen nicht als ein Ultimatum der beiden Regierungen anzusehen. Der Ministerrath ist bereits mit der Berathung der englisch⸗ französischen Vorschläge beschäftigt; man nimmt an, daß die— selben einer Versammlung von Paschas und Notabeln unter— breitet werden würden.

Rom, Montag, 5. Mai. Garibaldi hat ein Schreiben an die demokratische Liga gerichtet, in welchem er dieselbe auf—

fordert, mittelst der Presse und in Versammlungen eine loyale Agitation zu Gunsten des allgemeinen Stimmrechts zu ver— anstalten.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Die Nummern 17, 18 und 19 der vom bayerischen Gewerbe⸗ musenm in Nürnberg herausgegebenen Zeitschrift ‚Kunst und Gewerbe“, Wochenschrift zur Förderung deutscher Kunstindusttie (redigirt von O. v. Schorn), bringen u. A. einen interessan⸗ ten Beitra über die „Heimberger Thonwaaren⸗Industrie“, ferner die K der Artifel über die Pariser Aus⸗ stellung (Tertilarbeiten), kleinere Mittbeilungen für die Werkstait,

aus Museen, Vereinen, Schulen, Ausstellungen, aus dem Buchhan⸗ del ꝛc. Außer zablreichen Abbildungen im Text liegt jeder Nummer

ein sorgfãltig ausge fũhrtes Kunstblatt bei, von denen diesmal die prächtigen , . eines versischen und eines maurischen

axencetellers besondere Hervorhebung verdienen. Auch die „Mit- theilungen des bavyerischen Gewerbemuseums, welche alle 14 Tage der Zeinschrift beigelegt werden, enthalten manches für den Kun ft indu striellen Interessante und Anregende.

Der neue Dampfer NVordenskjöld' in Malmö zur Auffuchung des gleichnamigen wissenschaftlichen Reisenden hat am 29. April eine Probefahrt gemacht, nachdem am 14. April das Schiff vom Stapel gelaufen und Namens der Frau Professor Nordensköld von der Gräfin Adlerkreuz getauft worden war. Das Schiff wird wahrscheinlich schen am 10. Mai in See gehen können. Als Ge⸗ lebrte nehmen an der Exxedition Theil Hr. Grigorieff aus St. Petert⸗ burg als Ethnograrh als Physiker und Meteorologe.

Von dem Prachtwerk: Italien“ (Verlag von J. Engelhorn in Stuttgart), zweite Auflage, liegt die 14. Lieferung vor, in welcher FlIoren (pon Eduard Paulus) beschrieben wird, defsen Bauwerke auch H. „Freitag“,

den Stoff iu den Textillusteationen gegeben haben; dieselben sind sãmmt⸗ lich von Gustar Barnernjeind gezeichnet: Ponte vecchio, Neptuns brunnen auf Piazza della Signoria, Palazzo Pitti, Via degli Strozzi und Loggia bei Mercato nuovo. PValano vecchio in Florenz. vorgenannten Ftünftler ausgeführt. Das dritte Tondruckbild, von Arthur Calame entworfen, ist eine Arsicht von San Remo.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

(N. A. 3.) Die Berichte über den Stand der Saaten lauten aus den meisten Theilen der Provinz Brandenburg nicht günstig. Auf gutem Boden ist bei dem vorjährigen über⸗ aus günstigen Herbste der Roggen, besonders der früh gesäete, sehr üppig geworden und nun wahrend des Winters unter der dich⸗ ten Schneedecke so ausgefault, daß ganze Flächen kahl stehen, und daß sogar schon manche Landwirtbe Theile der mit Wintersaat bestellt gewesenen Felder wieder umgepflügt haben, um sie mit Kartoffeln oder Sommersaat zu bestellen. Auf niedrigen 6 ist die Nässe noch so groß, daß sie nicht beackert werden können, und überall

sehnt sich die Landwirthschaft nach trockenem warmem Wetter.

Gewerbe und Sandel.

Zufolge Bekanntmachung des Gouverneurs des Staates Loutsiana vom 8. April d. J. müssen alle Schiffe, welche vom 30. April ab nach dort von Westindien, oder aus einem südlich von Texas gelegenen Hafen des Gelfes von Mexiko mit Einschluß der Inseln Ruatan, Utilla und Bonaca, sowie den Festlandshäfen der Caraibischen See oder den Hafenplätzen Südamerikas am Atlan tischen Ocean bis Buenos Aires kommen, eine Quarantäne von 20 Tagen abhalten.

Essen, 3. Mai. In der heute abgehaltenen zwölften ordent⸗ lichen Generalversammlung der Westdeutschen Versicherungs⸗ Aktien⸗Bank, in welcher 20 Aktionäre, die 536 Aktien mit 86 Stimmen vertraten, anwefend waren, wurde Bericht über das Rech= nungsjahr 1878 erstattet. Dasselbe hat danach eröffnet mit einem Beftande von 69 102 Versicherungen, welche 841 592 659 M Ver⸗ sicherungssumme repräsentirten, und für welche 943 855 S 34 3 Prämien ⸗Reserve übertragen waren, und schließt mit einem Bestande ron 76 23 Versicherungen mit 885 214 885 6. Versicherungẽ summe und 967 229 M 85 3 Prämien⸗Reserve. Die Prämien! und Ge⸗ bühren-Einnahme ist von 1345 372 1 36 3 auf. 1 435 583 51 G gestiegen. An Entschädigungen sind für eigene Rechnung 449 928 S 39 3 gezahlt und 57 318 * reservirt. Die Prämien Reserve erhöht sich für eigene Rechnung auf 492 119 S6 08 3. Die Abschreibungen auf Immobilien und Verluste bei den Agenten sind mit 3381 S 89 3 erfolgt taere, .

Von dem sich hiernach ergebenden Jahresgewinn von 173 079 4 32 fließen zunächst 34 592 S 88 8 zur Kapitalreserve, welche dadurch auf 234 646 M 76 3 steigt und kommen sodann, neben den statut⸗ und vertragsmäßigen Tantismen 1200090 S6 60 4M für die Aktie als Dividende an die Aktionäre zur Vertheilung.

An Stelle des wegen seiner Uebersiedelung nach Dortmund aus dem Vorstande ausgeschiedenen Hrn. Ober -Bürgermeisters E. Lindemann wurde Hr. Kaufmann Ludwig Huyssen zu Essen in den Vorstand gewählt.

Das laufende Jahr zeigt einen Zugang an Versicherungen und Prämien; die Schaden stellen sich für die ersten 4 Monate etwas höher als für den entsprechenden Zeitraum des Vorjahres.

Leipzig, 5. Mai. (W. T. B.) Der Quartalabschluß der Allgemeinen deutschen Kreditanstalt ergiebt einen Gewinn von S5ß 624 M, welcher ca. 27 / des ÄAktienkapitals entspricht. 1 und Zinsen aus dem Kontokorrent sind darin nicht ent⸗

alten.

Straßburg, 3. Mfãai. (W. T. B.) In der heute stattgehabten 7. ordentlichen Generalversammlung der Aktionäre der Aktien⸗Ge⸗ sellschaft für Boden⸗ und Kommunal-⸗Kredit in El saß⸗ Lothringen waren 45 Aktionäre anwesend, welche 6313 Aktien mit 302 Stimmen vertraten. Die Dividende pro 1878 wurde auf 69 festgestellt und der Direftion sowie dem Aufsichtsrath Decharge ertheilt. Die ausgeschiedenen Aufsichts rathsmitglieder Herren Ritter von Marx, Herrmann Marcuse, Rud. Sendenwald und Ed. Fleisch⸗ hauer wurden in den Aufsichtsrath, die Herren Jules Sengen⸗ wald, Cd. Klose und Ed. Birckel zu Rerisoren pro 1879 wieder⸗

gewählt.

Wien, 3. Mai. (W. T. B.) Der Verwaltungsrath der Albrechtsbahn hat in beutiger Sitzung beschlossen, den uneingelöst gebliebenen Januarcoupon mit 1 Fl. und den am 1. Juli e. fälligen

Ceupon mit 1,50 Fl. einzulösen.

Verkehrs⸗Anstalten.

Auf der Moskau-Brester Eisenbahn ist der Verkehr wieder vollständig hergestellt worden. ;

Triest, 5. Mai. (W. T. B.) Der Lloy ddampfer Flora“ ist mit der ostindisch⸗chinesischen Ueberlandpost heute aus Alexandrien hier eingetroffen. 3

Plymouth, 5. Mai. (W. T. B.) Der Ham burger Post⸗ dampfer Herder ist hier ein troffen.

New⸗JYPork 5. Mai. (W. T. B.) Der Dampfer „Canada“ von der National ⸗Dampfschiffs⸗Compagnie (C. Messingsche Linie) und der Dampfer „Oder“ vom nord⸗ deutschen Lloyd sind hier eingetroffen.

Berlin, den 5. Mai 1879.

Königsberg i. Pr., 5. Mai. (W. T. B.) Die heutige 50 jährige Dienstjubiläumsfeier des Ober⸗Praͤ⸗ sidenten und Wirklichen Geheimen Raths Dr. von Horn wurde durch eine Morgenmusik der Musikecorps der Garnison eingeleitet.

Empfang der zur Beglückwünschung erschienenen Behörden,

und Frhr. von Danckelmann aus Leipzig

eine Florenz von San Miniato aus und ein zweites den Hof des Beide Bilder sind ebenfalls von dem inländische Hengste und Stuten, welche noch keinen klassifizirten

Korporationen, Deputationen, Vereine und Privatpersonen statt, von denen eine große Zahl theils sehr werthvoller Ehrengaben überreicht wurde. Die Stadt Königsberg verlieh dem Jubilar das Ehrenbürgerrecht dieser Stadt. Von den Ehrengaben zeichnen sich jene der Königlichen Regierungs—⸗ behörden, der Universität, der Generallandschaft, der Kauf⸗ mannschaft ganz besonders aus. Der Empfang der Gratu⸗ lanten dauert zur Stunde noch fort. Sämmtliche im hiesigen Hafen liegenden in⸗ und ausländischen Schiffe haben den fest⸗ lichsten Flaggenschmuck angelegt.

Berliner Rennbahn zu Hoppegarten. rũühjahrs⸗ meeting 1879. Zweiter Tag: Sonntag, 4. Mai, Nach⸗ mittas 3 Uhr.

Das prächtige Frühlingswetter, welches den gestrigen Sonntag auszeichnete und ihn gewissermaßen zum ersten Frübjahrssonntag dieses Jahres machte, hatte eine große Menschenmenge nach Hoppegarten geführt. Zuerst begann um 3 Uhr:

Jun gfern Rennen. Staatspreis 1500 16 Für 3 jähr. und ältere inländische Hengste und Stuten, die noch nie gesiegt. 60 46 Eins., ganz Reugeld. Distanz 16090 m. Dem zweiten Pferde die Hälfte der Einsätze und Reugelder. Zu dem Rennen waren 10 Pferde genannt. Am Ablauf erschienen: des Kgl. Haupt⸗Gestüts . 3 jahr. br. H. Walzer“, 55 Eg (C. Fist), des Fürsten Hohenlohe Oehringen 3jahr. br. H. Direktor“, 55 kg (Madden),

des Frhrn. Ed. von Oppenheim 3 jaͤhr. dbr. H. Moltken, 55 Eg (Serp), des Grafen Plessen 3 jähr. br. St. „Javelin', 534 kg (Whiteley), des a Hohenlohe ⸗Oehringen 3 jähr. FJ. St. Symphonie“, 534 Eg (Hunter) und des Hrn. Raimund 3 jahr br. 55 Eg (Johnson). Im Kanter siegte mit 4 Länge dann folgte Direktor“, ‚Moltten kam als dritter ein.

eit 1 Minute 25 Sekunden. Werth 1800 Æ für Walzer“, 300 ür Direktor. Wetten 2: 1. Um 31 Uhr folgte diesem

Il. Staatspreis I. Klasse 1500 Æ Für alle dreijährige

Waljer

Von den Tondruckbildern zeigt das Rennen:

Staate preis L, II. oder III. Ri gewonnen haben. 120 S Eins., halb Reug. Gewicht Hengste 55 Eg, Stuten 535 kg. Distanz

Von 10 Uhr Vormittags ab fand der

160) m. Dem zweiten Pferde die Hälfte der Einsätze und Ren⸗ gelder. Das Rennen hatte 5 Unterschriften. Für 3 Pferde wurde Reugeld gezahlt und am Ablauf erschienen nur des Fürsten Hohen⸗ lohe⸗Oehringen br. H. Blue Rock 55 Eg (Madden), des Frhrn. Ed. von Oppenheim F⸗H. Page 564 Ee (Sopp). „Blue Rock“ siegte sicher mit einer Hals änge. Zeit 1 Min. 20 Sek. Werth des Rennens 1710 M für Blue Rock‘, 210 M für „Page!. Wetten 5: 3. Um 4 Uhr schloß sich diesem Rennen an:

III. Flibustier⸗ Handicap. Klubpreis 1200 M Herren⸗ Reiten. Für 3jähr. und ältere Pferde aller Länder 60 M Einsatz, 40 S Reugeld, Distanz 1809 m. Das dritte Pferd rettet seinen Einsatz; der Rest der Einsätze und Reugelder wird zwischen dem ersten und zweiten Pferde getheilt. Von den 13 Pferden, die zu diesem Rennen genannt waren, starteten: Frhrn. v. Langens 6jähr. br. H. „Rococo“, 79 kg (Reit.: Besitzery, Prinz Fr. Hatzfeldtga 4jähr. br. H. „Cantabre, 773 Eg (Reit. ö Lieuf. v. Sydows J. 5jähr. br. H. „Bugle“ (Reit. Besitzer, Baron B. Wesselenyi's ösäbr. br. St. Queen of Spades. 73 kg (Reit: Baron Twickel) Nach hartem Kampfe siegte Rococo“. Zeit: 1 Min. 48 Sek. Werth: 1470 M für „Rococo“, 270 für Cantabre“, 60 SL für Bugle'. Wetten 4: 1. Es folgte diesem Rennen um 4 Uhr:

II. Preis von Neuenhagen: Klubpreis 1560 4 Für 3 jähr. und ältere inländische und österreichisch⸗ungarische Pferde 100 S Einsatz, halb Reugeld (mit GewichtsausgleichungenJ, der Sieger ist für 6000 M käuflich; nicht verkäufliche Pferde 35 kg ertra. Distanz 1200 m. Der Sieger, falls verkäuflich, wird gleich nach dem Rennen versteigert; der etwaige Ueberschuß fällt an die Rennkasse. Erreicht kein Gebot den angesetzten Verkaufspreis, so verbleibt das Pferd dem bisherigen Besitzer. Von den 11 Unter⸗ schriften, welche dieses Rennen aufwies, erschienen beim Starter Hrn. Q DOehlschlägers 5 jähr. schwör. OH. „Schnellläufer (6000 MÆM 65 Fg (Sopp), Graf M. Schmettows 4jähr. br. H. „Sefer Pascha“ (3000 M6), 623 Eg (Whiteleyy, Kapt. Joss 3 jähr. F. St. Seagull! (3000 Æ ) 48 kg (Hibbert). Hrn. Heyse⸗Mehrows jähr. br. St. „Lining! (6000 S6), 50 kg (Johnson). Die Pferde kamen ziemlich in Linie die Anhöhe herunter. Dann machte sich Schnellläufer' von den übrigen los und ging mit einer klaren Länge durchs Ziel. Zeit 1 Min. 8 Sek. Werth 2250 In der darauf folgenden Auktion wurde letzterer für den Preis von 6200 6 vom Besitzer zurückgekauft, so daß Hr. Oehlschläͤger noch einen Gewinn von 2050 S erzielte. Wetten 2: 1. Die um 5 Uhr gerittene Konkurrenz war:

J. Preis von Hoppegarten. Staatspreis 1500 M Für zjährige und ältere inländische Hengste und Stuten, die nie ein Rennen mit einem ausgesetzten Preise von 3000 M und darüber ge⸗ wonnen haben. 60 S Einsatz, ganz Reugeld. Distanz 1600 m. Dem zweiten Pferde die Hälfte der Einsätze und Reugelder. Das Rennen hatte 8 Unterschriften, von denen 3 Reugeld zahlten. Am Pfosten erschienen: Frhrn. Ed. von Oppenheims 3jähr. br. H. Bismarck! 58 kg (Sopr). Hrn. Raimunds 3jähr. F. O. . Mars“ 566 kg (Johnson), Graf Solms ⸗Baruths 4jahr. F. H. „Stolz 62 Eg (E. Fisk), Fürst Hobenlohe⸗Dehringens 3jähr. br. H. „Elias“ 55 kg Madden), Hrn. O. Oehlschlägers 4jähr F. St. „Starlight“ 605 Eg (G. Milne). Der Favorit Elias“ rechtfertigte das in ihn gesetzte Vertrauen nicht. Die Pferde waren sehr unruhig und erst nach mehreren vergeblichen Versuchen gelang ein guter Ablauf. „Stolz“ führte, gefolgt von Elias“, dann Bismarck', zuletzt Starlight“. Bismarck 6 sicher mit J Längen. Acht Längen hinter Mars“ kam „Stolz“ als Dritter an, R Länge hinter diesem „Elias“, dann Starlight“. Zeit 1 Min. 30 Sec. Werth des Rennens 1740 4 für Bismarck, 240 M für „Mars“. Wetten: 4: 1. Den Schluß des Tages bildete um 55 Uhr:

VI. Hürden ⸗Rennen. Staatspreis 1200 M Herren⸗Reiten. Für inländische und österreichisch⸗ungarische Hengste und Stuten S60 6 Einsatz, halb Reugeld. Distanz 1890 m. Dem zweiten Pferde die Hälfte der Einsätze und Reugelder. Von den 10 Unterschriften, welche dieses Rennen aufwies, erschienen am Pfosten: Prinz Fr. Hatz⸗ feldts 4. br. OH. Dieppen (Reit. Besitzer, Hrn. O. Oehlschlaäͤgers bjäbr. br. H. „Wachtel“ (Reit. Lieut. v. Tresckow J.), Lieut. v. Goß⸗ lers (Garde ⸗Hus. Regt.) a. br St. „Kühlte“ (Reit. Besitzer), und Baron B. Wesselenyi's 4jähr. schw. St. ‚Banilla“ (Reit. Baron Twickeh). Es waren 6 Hürden zu nehmen. Der Ablauf fand vor der Tribüne statt, wo auch das Ziel war. „Dieppe“ zeigte der Gesell⸗ schaft die Wege, ihr dicht auf ging ‚Wachtel' dann Banill a“, zu⸗ letzt Kühlte“. Nach längerem Kampfe ging Dieppe“ mit 3 Längen Vorsprung durchs Ziel. Werth des Rennens: 1410 für Dieppe“, 210 6 für das zweite Pferd, als welches „Kühlte“ erklärt wurde, da Wachtel“ wegen des Vorfalles an der letzten Hürde distanziirt werden mußte. Die nächsten Rennen des Meetings finden am Sonntag, 11. Mai, Nachmittags 3 Uhr statt.

Unter dem Vorsitz des Unter⸗Staatssekretärs Herzog trat am Sonntag Mittag der Berliner Verein für häusliche Ge⸗ sundheitspflege zu einer Generalversammlung zusammen, um den Bericht über sein erstes Vereinsjahr entgegenzunehmen. Wenn auch nur über Anfänge und Versuche berichtet werden kann, so darf der eingeschlagene Weg doch als der richtige bezeichnet werden. Nach⸗ dem in Folge des ersten Aufrufes dem Verein zahlreiche Mitglieder an ihrer Spitze Ihre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin beigetreten waren, wurde in der Ackerstr. 133 eine Poliklinik eröffnet, die sehr segensreich wirkt. Da Frauen und Kinder daselbst vorzugsweise berücksichtigt werden sollen, so wurden außer zwei Aerzten auch zwei durch medizinische Studien vorberei⸗ tete Damen mit der Konsultation betraut, doch beabsichtigt man nicht, diese Mitwirkung zu einer dauernden zu gestalten. Am anderen Ende der Stadt, Steinmetzstraße 16, hat der Verein in Anlehnung an einen Volkskindergarten einen zweiten Anknüpfungspunkt gefunden und macht in jenem Stadttheile durch häusliche Besuche in den Fa⸗ milien, durch Vorträge und Besprechungen über Gesundheitspflege in kleineren Kreisen besonders für Mütter und durch Errichtung eines Depots für Stärkungsmittel, Wäsche u. s. w. Propaganda. Ein literarischer Ausschuß wirkt durch die Presse und öffentliche Vorträge, von denen 4 abgehalten wurden, für die Zwecke des Vereins. Auf Veranlassung Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Kron⸗ prinzessin sprach noch Miß Lees über die Einrichtung eines von ihr in London geleiteten Instituts für Armenkrankenpflege. Das nächste Streben des Vereins richtet sich auf die Anlegung von Depots von Hülfsmitteln für Gesundheitspflege. Die Einnahmen betrugen 8253 s, darunter 1500 1 als Zuwendung Ihrer Kaiserlichen und König⸗ lichen Hoheiten des Kronprinzen und der Kronprinzessin, 4978 S an einmaligen, 1352 M an Jahresbeiträgen; die Ausgaben beziffern sich auf 2219 6 Die Versammlung ermächtigte für das laufende Geschäftsjahr den Vorstand zur Fortführung der Geschäfte auf Grund des provisorischen Statuts.

Im heftigsten Schneestum fand am 1. d. M. die Eröffnung der Saison in Karlsbad, die Quellenweihe und die feierliche Uebernahme der neuen eisernen, von den Architekten Fellner und Hellmer während des Winters erbauten Sprudelkolonnaden unter Assistenz der Geistlichkeit und des Schützencorps in Gegenwart der S70 anwesenden Fremden statt. Unter den Gästen befanden sich i Auersperg, die Prinzen Camill Rohan und Thurn und Taxis,

eldmarschall Frhr. von Manteuffel und General Dumoulin.

Redacteur: J. V.: Riedel.

Verlag der Ewedition (Kessel). Druck: W. Elsner.

Vier Beilagen (einschließlich Börsen⸗ Beilage).

Berlin:

(387)

Jahrhunderts mitgemacht habe, der Grund uͤnd uberflügelt sei. * ö

der neuen Gesetzgebung gestaliel hätten. Im

zum Deutschen M105.

Erste Beilage Reichs⸗Anzeiger und Käniglich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Montag den 5. Mai

1829.

Aichtamtliches.

Berlin, 5. Mai. 6 weiteren Verlaufe der vor⸗ estrigen (37.) Sitzung setzte der Reichstag die erste erathung des Gesetzentwurfs, betreffend den Zoll⸗

tarif des deutschen Zollgebietes, fort. Nach

dem Abg. Reichensperger (Olpe) erhielt der Abg.

Dr. Bamberger das Wort gegen die Vorlage. Derselbe

drückte sein Befremden über den Wechsel in den An⸗

schauungen der deutschen Staatsmänner aus, dem die öffentliche Meinung zu fulgen sich beeile. Bis vor Kurzem habe es geheißen, man müßte in der Gesetzgebung eine Ruhe⸗ pause eintreten lassen, jetzt solle nun plötzlich eine volle Um⸗ kehr der ganzen Gesetzgebung eintreten. Ob man die Vor⸗ lagen in Plenar⸗ oder Kommissionsberathung berathe, sei für ihn ziemlich irrelevant. Die Zeit, die betreffenden Fragen genü⸗ gend zu prüfen und zu lösen, sei dem Reichstage gegen⸗ wärtig doch nicht gegeben. Er würde daher immer noch die Plenarberathung vorziehen. Auf die Kon⸗ troversen von Freihandel und Schutzzoll in dieser Versammlung noch einmal einzugehen, halte er für überflüssig. Der vor⸗ gelegte Tarif habe wesentlich den Zweck, aus den Vorräthen der Nation Nutzen zu ziehen, um gewisse Interessen zu be⸗ friedigen. Bedenklicher fast noch sei ihm die Finanzpolitik des

Reichskanzlers. Die künftige Verbesserung ihrer Lage,

welche derselbe in einer Zeit, die von sozialistischen Be⸗

strebungen erfüllt sei, den deutschen Wählern von Seiten des

Staats versprochen, sei eine große politische Gefahr für das

deutsche Volk. Er (Redner) gebe sich darüber keinen Illu⸗

sionen hin, daß er sich mit seinen Freunden dem Strom mit

Erfolg nicht widersetzen werde, der jetzt über sie hinweggeleitet

werde. Er bewundere vielmehr die politische Geschicklichkeit

des Reichskanzlers, bedauere aber, daß diese Geschicklichkeit, welche den Ruhm des Vaterlandes nach außen begründet habe, jetzt diejenigen im Innern des Vaterlandes vor sich nieder⸗ strecke, die bisher der politischen Richtung des Reichs⸗ kanzlers bereitwillig gefolgt seien. Worin die Wandlung des Reichskanzlers in wirthschaftlichen Dingen ihren eigent— lichen letzten Grund habe, sei ihm immer noch nicht recht klar. Zu den bekannten früheren drei Compagnien des Reichs⸗ kanzlers im Reichstage sei gegenwärtig noch das Centrum als eigentliche Kerntruppe gekommen. Das Centrum verfolge seinem ganzen Wesen nach, auch in der Wirthschaftspolitik, mehr die nach rückwärts liegende Richtung, es sei denn auch von je schutzzöllnerisch gewesen. Der Bundesrath habe bei diesen Vorlagen ein großes Selbständigkeitsgefühl nicht aufzu⸗ weisen. Die ganze Verantwortung trage der Reichskanzler allein. Das Hauptargument des Reichskanzlers sei inimer, man müsse dem armen Manne Erleichterung verschaffen, in der That aber käme das ganze System darauf hinaus, daß man nach französischem Muster das Schaf scheeren müsse, ohne daß es dies merke. Bei all den Steuererlassen, welche der Reichs⸗ kanzler in Aussicht stelle, bleibe nur die große Frage, woher diese Mittel genommen werden sollten, um den Ausfall zu decken. Die Klassensteuer solle beseitigt werden, die

Grund- und Gebäudesteuer solle den Kommunen über⸗

wiesen werden; dann komme hierzu die Abschaffung

der Einkommenfteuer für diejenigen, welche nur 3— 6006

Einkommen hätten, und weiter die Herabsetzung dieser Steuer

für Leute, die kein fundirtes Einkommen hätten; es bliebe

dann nur die Zahl der Einwohner des Deutschen Reiches, welche über S000 (S6 Einkommen hätten, und deren

Zahl bekanntlich in Deutschland eine sehr geringe im

Verhältnisse zu, der anderer Länder sei. Auf einen

Unterschied zwischen Besteuerung von fundirtem und nicht—

fundirtem Einkommen sei allerdings wohl einzugehen; die⸗

selbe existire auch bereits thatsächlich in Bayern und Baden.

Was ihm ferner in den 6 n des Reichskanzlers be⸗

sonders bedenklich gewesen, sei die starke Betonung der

agrarischen Anschauungen, in denen vielfache Gedanken von

Lassalle und Rodbertus durchgeklungen, wie denn ja auch die

agrarische Bewegung in ihrem Ursprunge mit der sozialistischen

verknüpft gewesen ken wenn sie auch seitdem verschiedene Wege gegangen. Die Finanzprojekte des Reichskanzlers erregten möglicher Weise nicht zu befriedigende Hoffnungen im Volke, und das in einer Zeit, wo die ganze Welt von sozialistischen Bestrebungen durchwühlt sei, als deren Brennpunkt Deutsch⸗ land gelte. Sei denn der Reichskanzler über die Wir⸗ kungen des Sozialistengesetzes bereits so beruhigt, daß er glaube, die Keime des sozialistischen Wesens seien in Deutschland unterdrückt und man könnte mit Ideen, er wolle nicht sagen spielen, aber verkehren, die eine innere Verwandtschaft zur Sozialdemokratie hätten, ohne dem gefährlichen Feinde Nahrung zu geben? Er habe zwar für das Sozialistengesetz mitgestimmt, aber stets für eine sehr be⸗ denkliche Seite dieses Gesetzes den Umstand angesehen, daß es geeignet sei, über den wahren Stand der Dinge in den

Massen zu täuschen. Weil die Ve. waltung und Polizei ver⸗

möge ihrer Vollmachten jede möglicherweise beunruhigende

Aeußerung sofort unterdrücken könne, glaube man denn wirk—

lich, daß die Sozialdemokratie unterdrückt sei? Durch Steuer⸗

erlaß könne allerdings der Werth des Bodens gehoben und die Lage des Bodenbesitzers me, ,, werden, so gut wie dies durch ufhebung von Lehnsverpflichtungen, Zehnten, Robott⸗ verpflichtungen oder Servituten geschehen sei; aber eine Ver⸗ änderung der Getreidepreise könne dadurch nicht bewirkt wer⸗ den in einem Lande, das wie Deutschland den zehnten Theil seiner Getreide dedurfniffe vom Auslande beziehe, und wie der

Abg. Reichensperger richtig ausgeführt habe, lnimer mehr be—

stimmt sei, Industrieland zu werden. Hier hänge der Preis

des Getreides nicht von dem Verhältniß der Bobenrente zum

Lapital, sondern von den Getreidepreisen des Weltmarktes ab.

Daß in den landwirthschafilichen Kreisen viel Noth existire,

gehe er zu; dieselbe sei um deshalb größer, als in den in⸗

dustriellen Kreisen, weil die Industrie die Fort . .

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sei zwar wohl bereit, die Verhältnisse des

Grund und Bodens darauf zu priifen, wie sie sich in Folge

llgemeinen

aber sei zu bedenken, daß naturgemäß die Bodenrente in allen Kulturstaaten mit Steigerung des allgemeinen Wohlstandes sinke; der Grundbesitz biete aber den ehrenvollsten und sicher⸗ sten Berufszweig. Der Appell des Reichskanzlers an das Mitgefühl. des Reichstages für die armen östlichen Provinzen stehe in einem sonderbaren Widerspruche mit der völligen Unzufriedenheit der Ostseestädte mit dem vorgelegten Tarife. Wenn der Reichskanzler am Freitag gesagt habe, die Reichstagsabgeordneten seien ja alle Schutzzöllner, so könne er das nicht zugeben; aber die prinzipiellen Freihändler stellten sich als praktische Leute auf den Boden der gegebenen Ver⸗ hältnisse. Der Vorwurf, daß die Rede des Abg. Delbrück verfrüht, sei durchaus unbegründet; sie habe gewisser⸗ maßen aus der Vogelperspektive gezeigt, in welcher bedenk— lichen Weise die vitalsten Interessen des deutschen Volkes in diesem Tarife von denen wahrgenommen seien, die sich für berufen hielten, die nationale Industrie zu heben. Die schlimmste Folge des neuen Systems sei die, daß die anderen Staaten sich noch viel mehr abschließen würden, man warte, wie jetzt schon in Frankreich, bis Deutschland mit dem Schutz⸗ zoll vorangegangen sei, um dann sofort einen stärkeren Schutz⸗ zoll einzuführen. Gleiches gelte von England. Vor Allem sei die Tarifreform mit großer Hast überstürzt worden. In den zwei Monaten, in denen der Reichstag nöch berathen könne, hätte man kaum Zeit, die Tabaks— steuer zu erledigen, jetzt komme noch die Brausteuer- und die Tarifvorlage dazu, deren Vorbereitung eine ab— solut ungenügende gewesen sei. Man habe zunaͤchst Enquete⸗ Kommisstonen eingesetzt zur Vorberathung und Untersuchung der Verhältnisse einzelner Industriezweige. Zunächst hätten die Kommissarien sämmtlich die Ueberzeugung gehabt, daß die beantragten Zölle zu hoch feien, trotzdem seien schließlich die Zölle beantragt. Bis 1877, sage die Baumwoll-Enquete⸗ Kommission, sei der Zustand der Industrie ein guter und ge— deihlicher gewesen, von dieser guͤnstigen Aussage habe man dem Reichstage nichts mitgetheilt, aber die ungünstigen noch übertrieben, oder unrichtig dargestellt, kurz dem Reichstage ein ganz entstelltes Spiegelbild gewährt. Die Eisenenquete⸗-Koni— mission sei für die Verfasser der Motive günstiger zusammen— gesetzt gewesen, aber auch deren Aussagen seien dem Reichstage nicht ganz getreu berichtet. Dann habe man aber die Berichte volle zwei Monate liegen lassen, ehe man sie dem Reichstage zuge⸗ stellt habe. In Frankreich und England werde das Material und die Erg ni s⸗ jeder Untersuchung sofort zublizirt, nie— mals würde man es wagen, eine Reform mit solcher Hast zu überstürzen. Nun wollten die modernen Volksbeglücker auf einmal alle Schäden kuriren und jeden Nachtheil, den ein Zoll gebracht, durch einen neuen Zoll kuriren. Der Abg. Reichen⸗ sperger habe gesagt, Deutschland importire mehr Eisen, als es exportire; das gerade Gegentheil sei der Fall. Durch den neuen Zolltarif müsse konsequent eine ungeheure Reihe von

hervortretendsten Schäden abzuhelfen. Das werde einer der zuerst fühlbar werdenden Uebelstände sein, welche das neue kom⸗ plizirte System hervorrufe. Wie sehe denn die Kehrseite der Me— daille aus? Die deutschen Eisenproduzenten verkauften dem Aus— lande zu 10 6 pro Tonne Schienen, für die sie dem inländischen Konsumenten 150 160 ½ abnähmen; sie lieferten also dem Aus⸗ lande mit dem Schweiße der Steuerzahler Schienen, auf welchen vielleicht später Truppen befördert würden, die Deutschland angreifen sollten. Das sei die nationag'e Politik des Schutzzolls! Redner kam dann noch auf die Weißblech— produktion, sowie endlich auch auf die Verhältnisse der See— städte und den Flaggenzoll zu sprechen, wobei er die vom Reichskanzler gemachte Unterscheidung zwischen Handel und , . abfällig kritisirte. Es sei schließlich sogar die Frage er Erfahrungen gemacht habe, hervorgesucht worden, gleich als ob alle alten Scharteken wieder Revue hätten passiren müßten, um das neue System zu stützen. Schließ⸗ lich dringe der Reichslanzler auf eine rasche Entschei⸗ dung. Diese rasche Entscheidung würde dem gleichkommen, was man in der medizinischen Terminologie Euthanasie nenne, nämlich eine möglichst schmerzlose Tödtung der deutschen In— dustrie! Allerdings werde die Nation durch den neuen Zoll⸗ tarif nicht ruinirt werden, aber eine Zeit schweren Druckes und herber Erfahrungen werde sie zu bestehen haben. Er und seine Partei wüschen den kommenden Zuständen gegenüber ihre Hände in Unschuld! Die Zeit werde lehren, wer für das Wohl der deutschen Nation habe sorgen wollen, die, welche ohne Vorbereitung und Prüfung der sachlichen Verhaltniffe nach bloßen Schlagwörtern eine grundstürzende Veränderung im Handumdrehen herbeiführten, oder die, welche warnten, den gesetzlichen Boden der Gegenwart nicht zu verlassen, bis man it gehabt habe, unter besseren Umständen und in richtigerer Würdigung die Verhältnisse zu prüfen.

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath Staats⸗Minister Hobrecht das Wort:

Meine Herren! Der Hr. Abg. Bamberger hat sich in der zweiten Stunde seiner Rede ausschließlich auf die ec des Tarifs beschränkt, und ich will die Beantwortung der Angriffe, die er gegen die Vor⸗ lagen der verbündeten Regierungen erhoben hat, anderen Berufeneren überlafsen. Ich habe aber die Empfindung, daß eine Anklage gegen den zu meinem Bedauern abwesenden Reichskanzler, die si urch den ganzen ersten Theil seiner Ausführungen zog, von dieser Stelle nicht ohne ein Wort der Erwiderung gelassen werden darf. Es thut mir nur leid, daß es mir schwer werden wird, einer so durchdachten und in der Form so ausgearbeiteten Auseinandersetzung in genü—= gender Weise zu erwidern.

Meine Herren! Die Anklage, die sich durch den ganzen ersten Theil zog, lautete, daß die gestrige ker, rer, und Einführung der Vorlagen der verbündeten R ierungen hinauslief auf eine sozialistische Agitation, welche gerade die Elemente stärkt und fördert, gegen die das Sozialistengesetz gerichtet ist, für welches der Herr Abgeordnete, wie er erwähnte, selbst mitgestimmt hat.

Meine Herren! Ich halte eine solche Anklage für sehr bedenklich; ich glaube, daß in diesem Vorwurf sehr viel mehr Agitatorisches liegt, als in der angeblichen Agitation, die dem Reichskanzler vor geworfen wird, denn es liegt ihr eine Verschiebung und Verdrehung des Begriffs, des Wesens der Sozialdemokratie, gegen die e ,,

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worden ist und gegen die wir staatlicherseltsß ankämpfen, zu Gru ier fn sst gh re rn fich alf

Exportbonifikationen zur Einführung gelangen, um nur den

Was wir bekämpfen und bekämpft haben, ist nicht eine wirth—= schaftliche Irrlehre. Meine Herren! Darin hatten die Sozialdems⸗ kraten vollkemmen Recht, daß die wirthschaftliche Irrlehre durch polizeiliche Maßregeln oder durch irgend welche Gescße nicht zu be⸗ seitigen ist. Was wir mit dem Sozialistengesetze bekämpft haben, liegt auf einem ganz anderen Gebiet. Es ist unmöglich, daß ein Volk, welches kein Opfer und keine Anstrengungen scheut, um Schulen zu gründen, in denen die Kinder herangezogen werden sollen zur Ar— beitélust, zur Bescheidenheit, zur Dankbarkeit, zur Gottesfurcht, daß ein solches Volk in sich eine geschlossen? Gesellschaft dulden kann, welche den Schutz der Gesetze in Anspruch nimmt, um ganz offen programmmäßig an der heranwachsenden Jugend das zu zer⸗ e m mühsam Gegenstand der Erziehung der Kinder ge⸗ wesen ist.

Das ist der Sinn, in dem ich als Mitglied des preußischen

Staats · Ministeriums für ein Gesetz genen diese bestimmt organisirte Verbindung gestimmt habe, nicht weil es sich um die Bekämpfung wirthschaftlicher Irrthümer handelte; die sind ja eigentlich im Grunde nichts anderes, als in mehr oder minder veränderter Gestalt der alte Wunschjettel, mit dem die Menschheit sich plagt, feit Adam grub und Eya spann, der sich immer in neuer Gestalt wiederfindet. Es ist unrecht, und, wie ich glaube, gefährlich denn es ist eine Protektion der Sozialdemokratie wenn man den Gegensatz zwischen Schutzzoll und Freihandel oder wie Sie es nennen wollen, in Ver⸗ bindung bringen will mit dem Kampf gegen die Sozialdemokratie. Das, was wir dort bekämpfen, ist nicht ein wirthschaftlicher Irtthum, sondern es ist eine ethische Verwilderung. Ich will auf dieses Thema, so interessant es ist, nicht weiter eingehen, obgleich ez vielleicht dazu dienen könnte, um eine Reihe ron ganz eigenthümlichen Irrthümern nachzuweisen, die die erklusiee ich will mich des Ausdruckes bedienen Manchesterpartei in der Begründung ihrer wirthschaftlichen Sätze sich hat zu Schulden kommen lassen; denn wenn sie den Vorwurf macht, daß es die Pro⸗ tektion, die Fursorge des Staates sei, die in ihrem Zuweitgehen gerade die Entwickelung der Sozialdemokratie hervorgerufen habe, so wird man, glaube ich, mit größerem Recht sagen können, daß durch nichts diese Richtung so sehr gefördert worden ist, als durch die Uebertreibung der Theorie des help vourselt! „Brichst Du zusam⸗ men, kannst Dir nicht mehr helfen, da ist das Arbeitshaus!“ das ist die Lösung!

Ich muß auf eine andere Seite des dem Reichskanzler gemachten Vorwurfs kommen: Ez ist ihm vorgeworfen, agitatorische Ver⸗ sprechungen‘, Steuererleichterungen und Erlasse speziell fär Preußen in Aussicht gestellt zu haben, einen Wechsel ausgestellt zu hasen, den Niemand werde accepticen können, und ich habe umsomehr Anlaß, darüber zu sprechen, weil bei Gelegenheit der Berathung des letzten Etats im preußischen Abgeordnetenhause ich den Umfang der Re⸗ formen und Aenderungen in unserem Steuersystem, den ich für zu⸗ lässig und wünschenswerth hielt, meinerseits angegeben habe, der nicht so weit geht wie die Ziele, die der Herr Reichskanzler sich ge⸗ stellt hat. Nun, meine Herren, bitte ich Se. im Gedächtniß zu ke—⸗ halten, daß der Herr Reichskanzler ausdrücklich erklärte, er wolle nur die Richtung bezeichnen, nach der hin er seinen Einfluß geltend zu machen beabsichtige, und daß er ausdrücklich hinzufügte, er spräche in diesem Punkte lediglich für sich und nicht auf Grund einer Vereinbarung mit dem preußischen Staats⸗Ministerium oder mit dem preußischen Finanz⸗Minister. Die Frage aber, ob das preußische Staats⸗Ministerlum gerade bis zu dieser Grenze zustim⸗ men würde eine Frage übrigens, in Bezug auf deren Lösung ich durchaus keine Besorgniß habe die Frage, ob ich Willens bin, die Verantwortung für eine Umgestaltung unserer direkten Steuern zu übernehmen, die weiter geht als das, was ich im preußischen Abzgeordnetenhause erklärt habe, das ist eine Frage, die hier an dieser Stelle nicht zum Austrag gebracht werden kann; es ist aber auch eine Frage, deren Beantwortung für den deutschen Reichstag nur in einem Fall interessant wäre, nämlich in dem Fall, wenn aus einer Berechnung des Bedürfnisses, wie sie

sich ergiebt bei Zugrundelegung des Reformprogramms, wie ich es

angegeben hatte, etwa eine geringere Summe herauskommen sollte als diejenige, welche in den dem Reichstag gemachten Vorlagen ge⸗ fordert wird. Dann hätten Sie in der That ein Interesse, diese bis jetzt doch nur theoretische Frage, diese Frage der Zukunftspolitik jetzt entschieden zu sehen. Ich glaube Ihnen aber sehr leicht beweisen zu

olonien, mit denen Frankreich und England so traurige

können, daß dieser Fall nicht vorliegt. Ich muß schon ein paar Zahlen anführen, aber ich werde mich möglichst kurz fassen.

Das Bedürfniß nach einer Vermehrung der Einnahmen im Reich hat einen doppelten Grund, es ist ein zwiefaches. Es handelt sich darum, ein wirklich vorhandenes Defizit zu decken, es handelt sich darum, die Mittel zu gewinnen, um gewisse Steuerreformen durch⸗ zuführen. Meine Herren! Ich kann es mir erlassen, auf diese Ziele näher einzugehen. Wenn in irgend einem Punkt, so war in diesem Pankt die Auseinandersetzung des Herrn Vorredners falsch, daß es sich hierbei um etwas so plötzlich und ganz willkürlich durch die Person des Herrn Reichskanzlers Hervorgerufenes handle. Es han= delt sich um ein Ziel, mit dem sich die Majoritaͤt des Reichstags schon vor Jahr und Tag einverstanden erklärt hat. Werden die preußischen Verhältnisse zu Grunde gelegt, so stellt sich heraus, daß das zu deckende Deßtzit freilich darum nicht genau feststeht, weil wir alle darüber einig sind, daß der Betrag, der in dem laufenden Etat als Defizit erscheint, nicht als ein dauernder wird angesehen werden können. Ich möchte mich aber doch dahin aussprechen, und glaube, daß die Mehrzabl der bier anwesenden preußischen Mitglieder des Reichstags mir zustimmen werde, daß der Betrag, den Preußen an reinen , ,, , . zahlt, ungefähr gleich sein wird dem Be⸗ trage seines dauernden Defists. Das ist mindestens die Ueberzeu⸗ gung, zu der ich gekommen bin. Ich habe diese Ueberjeugung schon dor einem Jahre gehabt. Ich habe dafür die Zustimmung sehr er—⸗ fahrener Beiräthe, ich finde eine Bestätigung in der steigenden An⸗ meldung neuer Forderungen denn es liegt ja ein wesentliches Moment in den steigenden Bedürfnissen und ich habe eine Be stätigung in den / des eben abgeschlossenen Jahres. Leider ift der Abschluß noch nicht vollständig fertig, es läßt sich aber schon übersehen, daß diesmal, die Rechnung des vergangenen Jahres nicht nur mit keinem Ueberschuß, selbst nicht mit dem kleinsten, sondern mit einem Defizit von wahrscheinlich 12 oder 13 Millionen enden wird; die Zahl der ununterbrochen herantretenden angemeldeten neuen Bedürfnisse ift eine solche, daß ich nicht wa ze, das dauernde Defizit wesentlich niedriger anzunehmen, als den Betrag, den Preußen an Matrikularbeiträgen zahlt.

Nun, meine Herren, lassen Sie mich ich will nur Bekanntes wiederholen wiederholen, was im preußischen Landtage als Ziel einer Steuerreform hingestellt wurde, wenn auch nicht mit Zustim. mung, so doch ohne einen nennen werthen Widerspruch, ja zum Theil wenigstens mit Zustimmung des Abgeordneten hauses: Die Ueberwei⸗ ung der Hälfte der Grunde und Gebäudesteuer an die kommunalen erbände verlanet einen Beitrag von 33 Millionen, die Summe, welche ich damals genannt habe für eine Reform der Klassen⸗ und Einkommensteuer, kann ich auß dem Kopf nicht genauer an⸗ geben, ich glaube, sie war näher an 30 als an 20 Millionen, ich will aber den an, Betrag annehmen, J. 20 Millionen, so d das 53 Millionen, und wenn Sie die damals ange⸗

egebene Summe von 3 Millionen zur Korrektur der Gewerbestener heren gn, so wären das 56 Millionen; dazu den Betrag den