1879 / 106 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 06 May 1879 18:00:01 GMT) scan diff

6 und in Flaschen von 55 bis 80 Oere per Kanne; von öherem Alkoholgehalt auf Fässer von 14 auf 20 Oere per

fund und in Flaschen von 1575 Kronen auf 2 Kronen per

anne; 64 raffinirt, alle Arten, sowie unraffinirt, in irh! nicht dunkler als Nr. 18 des im Welthandel geltenden

olländischen Standard von 11 Kronen 60 Oere auf 14 Kro⸗ nen per Centner, und für dunklere als genannte Standard⸗ nummer von 8 auf 10 Kronen per Centner. Den Zoll auf Syrup, schlägt der Ausschuß vor, nicht zu verändern. Für Tabak, unbearbeitet, proponirt er dagegen eine Erhöhung von 29 auf 42 Oere per Pfund, für verarbeiteten (ausgenommen Cigarren, deren früherer Zollsatz von 1,30 Kronen per Pfund beibehalten werden soll), als gerippt, Schnupftabak, gespon⸗ nen in Stangen, einen gemeinschaftlichen Zollsatz von 50 Dere per Pfund. Die von der Regierung vorgeschlagene , me des Zolles auf Kaffee beantragt der Ausschuß ab⸗ zulehnen.

Asien. Birma. (Allg. Corr.) Aus Bom bay wird unterm 1. d. M. gemeldet: Die neueste Depesche von der bir—⸗ manischen Regierung ist sehr versöhnlicher Natur. Die angebliche Ermordung eines weiteren Prinzen wird von den birmanischen Ministern offiziell in Abrede gestellt.

Dagegen erhalten die „Daily News“ folgende, vom 2. d. M. datirte Depesche aus Mandalay: Im Palaste 6 beständig Truppenübungen statt. Die Minister wün— chen Frieden. Es werden aber noch immer Truppen, immer tausend Mann auf einmal, nach den Grenzstationen gesandt. Der Premier-Minister des Königs Thibo ist bei demfelben in Ungnade gefallen. Die Masse des Volkes ist für den Krieg.

Aus dem Wolffschen Telegraphen-Bureau.

Rom, Dienstag, 6. Mai. Das Journal „Italia militare“ bezeichnet es auf das Bestimmteste als unbegründet, daß der erste General-Adjutant des Königs, Cavaliere Medici, seine Demission gegeben habe.

Odessa, Montag, 5. Mai. Der General-Gouverneur, 1 Totleben, ist heute Abend 9 Uhr hier ein⸗ getroffen.

Washing ton, Montag, 5. Mai. Die Demokraten haben in der Repräsentanten⸗-Kammer einen besonderen Gesetz⸗ entwurf eingebracht, wonach bei Vornahme der Präsidenten— wahl die Anwesenheit von Bundestruppen in den Wahlorten verboten sein soll.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Irkutsk. In Sibirien wurde unlängst der Kopf eines vor historischen Nashorns gefunden, der sehr gut erhalten ist. Dieser werthvolle Fund ist, nach den „Russk. Wed.“, von der sibi— rischen Abtheilung der geographischen Gesellschaft dem Museum der Moskauer Universität geschenkt worden und soll nächstens auf der anthropologischen Ausstellung für die Dauer derselben einen Platz finden.

Gewerbe und Fandel.

Aus der Schwarzkopf'schen Maschinenfabrik hier⸗ selbst ist am Freitag die tausendste Lokomotive hervorgegangen.

In der am 3. Mai in Breslau abgehaltenen Generalver— sammlung der Schlesischen Feuerversicherun gs-Gefell= schaft waren 247 Aktien mit der gleichen Anzahl Stimmen ver— treten, Aus dem von dem General-Direktor Hrn. Heller, erstatteten Geschäftsbericht ist Folgendes hervorzuheben: Es betragen die Prãä⸗ mieneinnahme des Feuerversicherungsgeschäfts 2792 191 ½, der Ge— winn an Transportversicherungen 1460406 S, der Gewinn an Spiegelglasversicherungen 49141 S6, die Gesammteinnahme 4624401 6, die Brandschäden abzüglich des Rüͤckversicherungt⸗ antheils 3198284 S6, die Reserve für illiquide Brandschäden 194006 6, die Prämien für Rückversicherungen 1086 801 , die gezahlten Prozisionen 152 143 4, die Verwaltungs kosten 233 991 np, die Prämien⸗Reserven für Feuerversicherungen nach deren Verstärkung lum 62 446 6) 1473 032 M, die gesammte Ausgabe 4668 419 . Der erzielte Reingewinn von 555 882 ½ gestattet die Vertheilung einer Dividende von 21 0̃9. Nachdem der Rechnungsabschluß speziell erläutert worden war und der Verwaltungsrath über die Prü⸗ fung der Jahresrechnung Bericht erstattet hatte, wurde, da Moönita ui n ziehen gewesen waren, die beantragte Decharge einstimmig ertheilt.

Am 25. Februar d. J. fand in Bremen eine Ver— sammlung von Interessenten des Petroleumgeschäfts statt, in welcher Maßregeln zur Abstellung der berech⸗ tigten Klagen über die in letzter Zeit verschlechterte Qun— lität des amerikanischen Petroleums berathen wurde. Die .W. Z. veröffentlicht nunmehr eine Mütheilung des Ver treters der amerikanischen Raffineure Hrn. F. W. Lockwood in New⸗Jork, welcher an jener Versammlung theilgenommen hatte, über den Erfolg seiner bei seinen Mandanten unternommenen Schrittz. Danach hat die Standard Sil Company“ ihre Bereit willigkeit ertlärt, die hinsichtlich der künftigen Führung des Ge— schäfts gestellten Forderungen auf das Sorgsamste zu erfüllen. Diese Forderungen gingen dahin: „I) daß mehr Sorgfalt auf die Raffi⸗ nirung verwendet werde, damit eine gleichmäßige Qualität hinsichtlich Test, Geruch, Farbe und Brenneigenschaften herbeigeführt wird; 3 daß bei Herstellung der Fastage die äußerste Sorgfalt beobachtet wird, besonders bei dem Leimen, und daß kein Barrel efüllt werde, ehe nicht der Leimüberzug voll kommen hart geworden ist; 3) daß der Anstrich der Fastagen aus in sich dauerhafterem Materiale hergestest werde; 4) daß die Frage der Reifen gleichzeitig in Betracht gezogen werde, damit die Ladungen frei von Bemängelung in dieser Hinsicht ausgeliefert werden können.

Leirpzig, 2. Mai. (Weim. Ztg.) In Verfolgung des von der biesigen Gewerbekam mer in ihrer . Sitzung gefaßten Be⸗ schlusses erläßt diese Korporation unter dem heutigen Tage einen Aufruf an die selbständigen Handwerker Leipzigs und Um⸗ egend, worin die Aufforderung enthalten ist, gleichviel vob unter dem amen . Innung“, „Genossenschaft“ oder dergleichen zur Wahrung ihrer gemeinsamen Interessen sich zu vereinigen. Da wo alte und neue Innungen eines Gewerbes neben einander bestehen, räth die Gewerbekammer, etwa vorhandene Differenzen gütlich zu begleichen und sich im eigenen wohlverstandenen Intereffe einheit⸗ Lich zu verbinden. Alle Korporationen aber werden ersucht, der Leipziger Gewerbekammer mitzutheilen, in welcher Weise deren Aus⸗ hülfe zur Erreichung des Zweckes beansprucht wird.

Trie st, 6. Mai. (W. T. B.) Der in der gestrigen General⸗ versammlung der Aktionäre des Oesterreichischen Lloyd verlesene Jahresbericht konstatirt pro 1876 eine Mehrein⸗ nahme von 2300 099 F1. gegen 1877; der Gesammtertrag des Jahreg beträgt 4 5662 368 Fl.; der Reservesonds von 156 050 Fl. Ist auf 100090001. erhöht; die Abschreibungen belaufen sich auf 171816581. Der Asekuranzfonds ist mit 369 686 Fl. dotirt; die Verminderung der Schulden beträgt 819 457 Fl. Die Dividende von 72 FI. per Aktie wird vom 19. Maj ab anstatt vom 1. Juli ausgezahlt.

Paris, 4. Mai. (Fr. Korr.) Die Arbeitseinstellungen, nehmen in Herr fen noch immer an Umfang zu, statt sich zu ver⸗ mindern. n Lyon ist zwischen Maurern und Bauunternehmern

keine p erzielt worden, ebenso ruht in den anderen

Punkten, wo gestritt wird, die Arbeit noch. Neuerdingg sind auch in

mehreren mechanischen Webereien in Roub aix die Arbeiten plötzlich eingestellt worden.

Ne w- Jork, 1. Mai. (Per Kabel) Die mit der Verladung der atlantischen Dampfer beschäftigten Dockarbeiter beschlossen heute zu striken, Eine, weitere Depesche von demselben Datum meldet: Die Deckarbeiter haben gegen eine Lohnherabsetzung gestrikt, aber es entstanden keine Störungen, da die Schiffsmann⸗ schaften Arbeiter an Stelle der Strifenden anstellten. Es wird keine Verzögerung in der Abfahrt der Schiffe erwartet.

Verkehrs⸗Anstalten.

Luzern, 3. Mai. (N. Zürch. Itg) Heute fand die außer ordentliche Generalversammlung der Aktionäre ber Gotthardbahn statt. In seiner Eröffnungsrede schilderte der Vorsitzende, Hr. Feer⸗Herzog, den Verlauf der Rekonstruktionzarbeit und die erzielten erfreulichen Ergebnisse, nach denen die Genehmigung des Finanzausweises durch den Bundesrath nur noch als eine Form— sache erscheint und, ebenso wie die Genehmigung des Staats verkrages durch den italienischen Senat, in naͤchster Zeit zu erwarten ist; auch die von Hrn. Favre gegen die Verpfändung erhobene Einsprache werde durch Vergleich oder durch bundesgerichtlichen Spruch demnaäͤchst er⸗ ledigt werden. ;

Die sämmtlichen Anträge des Verwaltungsrathes, die wir seiner— zeit mitgetheilt haben, wurden sodann ohne Biskufsion angenommen Y also mit Jnbegriff der Statutenänderung, nach welcher schon jetzt (statt erst nach . der Bauperiode) die Neuwahl des Ver⸗ waltungsrathes stattfindet und dieser zufammenzusetzen ist aus 19 von der Generalversammlung und 6 vom Bundesrathe gewählten Mit- gliedern. Daraufhin wurde diese Neuwahl vorgenommen, in der Meinung, daß die 7 Mitglieder, welche die meisten Stimmen er. halten, als auf eine Amtsdauer von 6 Jahren, die in der Stimmen zahl nächstfolgenden 6 als auf 4 Jahre und die übrigen 6 als auf 2 Jahre gewählt zu betrachten sind.

Bei einer Stimmenzahl von 1717 erhielten alle Vorgeschlagenen mehr als das absolute Mehr in folgender Reihe: J. Direktor Zingg, Oberst Arnold, Oberst Rieter, Ständerath Dr. Stehlin, Nationalrath Feer⸗ Herzog, Regierungs-⸗Rath Moser Ott, Kommerzien⸗Rath Wendelftadt in Cöln. II. Advokat Philipp Bonzanigo, Nationakrath Karrer, Ständerath v. Hettlingen, Nationalrath Stoffel, Andr. Sulger, Senator Artom in Rom. 11I. Salomon sohn, Direktor der Berliner Diskonto⸗ gesell schaft, Natienglraih Tietler, Geheimer Regierungs⸗Rath Dül⸗ berg in Berlin, Alt Saatsrath Correnti in Mailand, Regierungs— Rath Schnyder -Cripelli, Ingenieur Tortarolo in Mailand. Bie neue Direktion ist nach Vorschrift der Statuten aus den Mit— gliedern des Verwaltungsraths zu wählen, und zwar durch den Ver— waltungsrath selbst.

Berlin, den 6. Mai 1879.

Berliner Gewerbe-Ausstellung. 1

Die am 1. d. M. eröffnete Berliner Gewerbe-⸗Ausstel⸗ lung im Jahre 1879“ ist von der polytechnischen Gesellschaft und einem von der Bauausstellung im Jahre 1874 her bestehenden Aus schuß ins Leben gerufen worden. Als leitender Gesichtspunkt wurde von vornherein der Privatcharakter des Unternehmens aufgestellt und festgehalten. Das Vertrauen der Betheiligten, daß die Be⸗ hörden, sowohl die Königlichen als die kommunalen, ihre Ün— terstützung nicht versagen würden, ging in Erfüllung. Die Ministerien bewilligten die unentgeltliche Benutzung des dem Fiskus gehörenden Ausstellungsplatzes gegenüber dem Lehrter Bahn— hofe und der Kaserne des 2. Garde Ulanen⸗ Regiments, ge—⸗ statteten die Abhaltung einer Lotterie und sagten eine Anzahl in Medaillen bestehender Staatsprämien für hervorragende Leistungen zu. Die Absicht, einen Ueberblick über die gewerbliche Produktion Berlins zu geben, konnte nur erfüllt werden, wenn der Kreis der Aussteller auf die wirklichen Fabrikanten und Gewerbetreibenden be⸗ schraͤnkt wurde. Es ließ sich daher nicht vermeiden, daß in Folge dessen renommirte Berliner Firmen, die lediglich Handel in ihren Artikeln treiben, von der Ausstellung ausgeschlossen blieben. Der ge— sammte eingehegte Platz der Ausstellung beträgt gegen ßb0 000 4m, von denen etwa 24 6900 m überbaut find; mitten durch das Ausstellungsterrain läuft der Viadukt der Stadtbahn mit 24 Bogen und einer Kronenhöhe von etwa 9 m. Die Grundform des gesammten Gebäudekomplexes, der die ausgestellten Gegenstände einschließt, gleicht nahezu einem Quadrat. Zwei Langbauten, die in einer Entfernung von je 195 m von der Stadtbahn und parallel derselben erbaut sind, werden an der Mitte und den beiden Endpunkten durch drei Querbauten rechtwinklig ge—⸗ schnitten, wodurch im Innern des Komplexes vier Höfe von 8065 4m entstehen, die, mit gärtnerischen Anlagen versehen, eine angenehme Abwechslung gegenüber dem Treiben im Innern der Ausstellungs⸗ räume bieten. Die Querhallen geleiten zu dem Stadtbahnviadukt, an dessen beiden Längsseiten sich 3m breite glasbedeckte Hallen anlehnen, wodurch eine bequeme und geschützte Kommunikation zwischen den ein⸗ jelnen Bogen ermöglicht ist; Lesezimmer, Konditorei und Weinstube sind nach den Plänen des Architekten J. Otzen unter diesen kühlen Räumen etablirt; die erwähnten Gärten werden für diese Anlagen mit benutzt. Die drei Querhallen führen unter den Bogen des Via⸗ dukts hindurch nach dem hinter demselben gelegenen Gebäudetheil, nach der Mittelhalle und der mit n parallel laufenden Ma⸗ schinenhalle nebst den Einbauten zwischen denselben. An die Ma— schinenhalle schließen sich endlich zwei Anbauten als Schluß der linken und mittleren Querhalle rechtwinklig an. Entlang der Grenze am südwestlichen Theile des Platzes, hinter der Maschinen⸗ halle befinden sich noch offene Hallen für landwirthschaftliche Maschinen und Ausschankstellen hiesiger Brauereien.

Die sämmtlichen Ausstellungsgebäude sind aus Holz hergestellt, die Dächer sind mit doppelter getheerter Pappe eingedeckt, die Fußböden aus Holz mit offenen Fugen hergestellt. Beleuchtet sind die Räume meist durch hohes Seitenlicht; Aberlicht ist soviel als möglich ver⸗ mieden worden. Die sichtbaren Holztheile im Innern, sowie auch die Außenseite der Gebäude sind mit finnischer Holzfarbe in weiß gelblichen Holztönen gestrichen und dunkel abgesetzt. Der Bau wurde begonnen am 15. Oktober 1878 und vollendet am 1. April 1879. Die Aus⸗ führung der gesammten baulichen Anlage geschah nach den Plänen Ludolff und Heußner unter der speziellen Leitung des Letzteren und der Assistenz des Bauführers Dücker.

Treten wir nunmehr durch geschmackvolle Gartenanlagen in die Vorderhalle des Ausstellungsgebäudes, dessen Front nach der Invaliden⸗ straße zu liegt, so führt ein triumpfbogenartiges, dreigegliedertes Portal in die prächtige Vorhalle, in deren Mitte eine stattliche Fontäne in zahlreichen Strahlen willkommene Kühlung verbreitet. Links vom Portal befindet sich Post und Telegraphle, rechts die Garderobe und das Zimmer für den Sekretär. Zu beiden Seiten des gemalten Rundbogenfensters sind die Wappen des Deutschen Reiches und der Stadt Berlin in Glasmalereien angebracht. Die Vorderhalle felbst ist ein dreischiffiger Bau von 170 m Länge, 28 m Breite und 12 m Höhe mit einem Grundflächeninhalt von 4916 m; derselbe ist in der Mitte und an den heiden Endpunkten darch Kuppelbauten von 22, bejw. 19 m Höhe unterbrochen und schließt an den beiden je 14 m Durchmesser enthaltenden halben Zehne Srotunden ab. Die Seitenschiffe der Vorderhalle sind zu 34 Kojen für Zimmereinrichtungen abgetheilt; entlang der Vorderfront, im Anschluß an die Thüren zu beiden Seiten des Haupteinganges, führen Arkaden, die sich auch um die beiden Endbauten der Haupthalle herumziehen und die zur Aufstel⸗ lung von Blumen und Topfgewächsen dienen.

Im Verein für die Geschichte Berlins fand am Sonn⸗ abend die öffentliche Schlußsitzung der Wintersaison statt, in der Hr, Postbaurath Tuckermann einen interessanten und zu Ver— Aleichungen mit anderen Städten anregenden . hielt, dessen The ma lautete: Die geschichtliche Entwickelung des Berliner Woh⸗

nungsgrundrisses in den letzten beiden Jahrhunderten. In dem Vortrage, der auf die bürgerlichen Wohnhäufer der letzten wei Jahrhunderte beschränkt war, wies Redner nach, daß im ittelalter Berlin einen durchaus dörfischen Charakter ge—⸗ babt und behalten habe. Erst seit der Zeit des G fürsten habe sich ein gewisser städfischer Anstand ent- wickelt, da die Einwanderung von Leuten, die schon an einen gewissen Komfort gewöhnt waren, zahlreiche und bessere Bauten * nöt ig machten. So entstand im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts ein bestimmter Bautypus, der zwar ziemlich verschwunden ist, dennoch aber in den noch vorhandenen Fre ihäufern feine , . Merkmale erkennen läßt. Dieselben, meist einstsckig, mit 7 Fenstern, haben eine einfache Mittelmauer, also keine Korridore, und einen durch das ganze Haus von vorn nach hinten durchgehenden Haus flur in dessen obere Theile die opulente Treppe führt; auf dem Hofe zas Waschhgus und die umfangreichen Holzställe. In der zufammen⸗ hängenden Bel-Etage wurde die Stube über dem Hausflur bald zum Entrée und theilte dieselbe wieder in zwei Wohnungen. Niedrige Fenster, schwere Kamine, durch welche der Regen ins Zimmer fällt, mangelnde Seitenflügel charaktersiren den Baustyl des ganzen Jahrhunderts, ob⸗ wohl vortreffliche Architekten vorhanden sind. Von großem Einfluß auf die Bauten war freilich der Umstand, daß diesel ten oft zwangsweise ausgeführt werden mußten, und das Baugeschäft nicht profitabel war. Im 2. Jahrzehnt der Regierung Friedrichs des Großen brach sich ein zweiter Bautypug Bahn, da französische Kultur und Sitte auch in das bürgerliche Leben eindrangen. Der Grundriß zeichnet sich durch Anlage eines Mittelkorridors aus, die Einfahrt ist an der Seite, nach vorn die Staatszimmer, nach hinten die Wohnzimmer. Obwohl derartige Häuser noch zahlreich vorhanden sind, fo haben sie doch nicht einmal in der Zeit ihres Entstehens großen Beifall gefunden. Dennoch boten sie gegen früher mancherlei Komfort, ersetzten allmäh— lich die offenen Kamine durch Oefen und zeigen einen entschiedenen Fortschritt. Schenkte doch der König, wenn Jemand bauen wollte, nicht nur das Grundstück, sondern auch Bauholz und Steine und be⸗ hielt sich nur zuweilen die Bestimmung Über die Archit ktur vor. Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts tritt der Einfluß Schinkels hervor, es entstand die organische Verbindung des Vorder und Seitengebäudes und damit die Berliner Stube. Das bürgerliche Haus legt Werth auf Repräsentation und schafft wenn auch unvollkommen, die hierzu nöthigen Räume. Redner schilderte schließlich die Vortheile und Nachtheile unserer jetzigen Bauart. Verein für deutsches Kunstgewerbe zu Berlin. Elfte zwanglose Sitzung am 23. April 1875. Der Vorsitzende Professor Vogel theilt in seiner Eigenschaft als Mitglied des Comitss zur Er—⸗ richtung des Obelisken auf dem Potsdamer Platz mit, daß der Be—⸗ schluß gefaßt worden sei, zur Beschaffung der noch fehlenden Bau— gelder eine Lotterie kunstgewerblicher Gegenstände zu veranstal en und daß zu dem zu bildenden Lotteriecomits 2 Mitglieder des Gewerbe—⸗ museums, des Architektenvereins, des Künstlervereins und des Kunst⸗ gewerbevereins zugezogen werden sollen. Man hofft durch diese Lotterie nicht nur den gedachten Zweck zu erreichen, sondern auch zugleich das Kunstgewerbe zu fördern, und ist es die Absicht des Comités, neue, noch zu schaffende Artikel für die Lotterie zu erwerben und zu deren Herstellung an⸗ zuregen. In Betreff der Weltausstellung in Sidney empfiehlt der Vor⸗ sitzende die Betheiligung an derselben, da viele Anzeichen dafür sprächen, daß sich dort für Erzeugnisse der deutschen Industrie und Kunst⸗ industrie lohnender Absatz finden werde. Als solche führt er an: Kupfer- und Stahlstiche, Lithographien und Chromolithographien, Möbel, Porzellan, Kinderspielzeug, Lampen und Aehnliches. Hr. Fa—⸗ brikant Elster befürwortet gleichfalls aufs Lebhafteste die Bethelli⸗ gung. = Der Vorsitzende verliest ein Schreiben der Herren Hirschwald Co. an den Vorstand, in welchem sie ihre Absicht mittheilen, in bester Gegend der Stadt eine Ausstellungs. und Veikaafshalle für kunstgewerbliche Gegenstände zu eröffnen. Hr. Hirschwald selbst, als Mitglied an⸗ wesend, theilt der Versammlung das Nähere über seine Absichten mit; dieselben begegnen mehrfachen Einwendungen, und wird be— schlossen, die Angelegenbeit der Kommission für die vom Verein ge⸗ plante Aus stellungs- und Verkaufshalle zur weiteren Berathung zu überweisen. Hr. Greller spricht über die Anfertigung gemalter Rouleaux, von denen er eine Anzahl in verschiedenen Mustern vor⸗= gelegt hat. Hr. Lünke, Friedrichstraße 32, legt die bei C. A. See⸗ mann in Leipzig erschienenen kunsthistorischen Bilderbogen ror. Dieselben enthalten auf 42 Tafeln, die in Summa nur 3 S kosten, und somit auch Unbemittelten die An⸗ schaffung ermöglichen, eine Fülle kunstgewerblichen Materials. Hr. Meder legt 7 neue Blätter aus der vom Virektor des Berliner Kupferstichkabinets, Hrn. Lippmann herausgegebenen Sammlung von Handzeichnungen vor, die von Hrn. Frisch vortrefflich in Farbenlicht⸗ druck hergestellt sind; ferner zeigt derselbe mehrere sehr geschmackvolle Leistenrahme und Leisten aus Nußbaumholz mit einfachen, in Papier machs gepreßten Ornamenten im Renaissancestyl, von Hrn. F. W. Röhlich, die allgemeine Anerkennung fanden. Hr. Treue zeigt der Versammlung die Handhabung eines nach seinen Angaben konstruirten zweckmäßigen Ellipfenzirkels.

Upsala, 30. April. (C. Itg.) Se. Majestät der König vollzog heute die Grundsteinkegung zu dem neuen Univer“ sitätsgebäude mit folgenden Worten: Am Morgen ihres fünften Jahrhunderts empfängt die Uaiversität als Pathengeschenk das Uni—⸗ versitätsgebäude vom schwedischen Volke. Möge innerhalb der Mauern, die sich bald erheben werden, stets der Glaube wohnen, aber nicht ohne Kenntniß und Aufklärung, nicht ohne Religson. Mögen hier alle edlen Werke in der Welt des Geistes gefördert werden! Dann entspringt hier eine strömende Quelle zum Lichte, zur Kraft und zum Segen unseres alten Volkes. Hierzu sei der Grundstein gelegt! Also geschehe es!“

Die große Frühjahrs-Ausstellung des Charlotten⸗— burger Gartenbauvereins ist am Sonntag in den Sälen des Flora⸗Etablissements eröffnet worden. Neue Zächtungen

zeigt ein Azaleensortiment des Kommerzien⸗Rath Dellschau (Ober-

Gärtner Schmidt), daran reihen sich prachtvolle Levkoyen des Hrn. Wardin, mustergiltige Azaleen aus dem Garten des Dr. Sltemens (Obergärtner Heydschmidt)h, blühende Oleander des Hrn. Knauft, prächtige Hortensien, Rhododendorn, ferner Pelargenien, Rosen⸗ Priemeln und buntblättrige Pflanzen, welche Hr. Heydschmidt zu einer farbenreichen Gruppe zusammengestellt hat, getrlebener Flieder, Magnolien, Goldregen z. des Handelsgärtners Birkel, fodann Rosen und Finerarien der Herren Kamoß und Schneider, Pal⸗ men und hochstämmige lattpflanzen des Gärtners Paech, blühende Azaleen aus dem Garten des Hrn. Ferd. Reichen heim (Gärtner Krohn), getriebenes Gemüse verschledener Aussteller 2c. zꝛc. Die Mitte des Saales nimmt eine große Kaisergruppe ein, welche Gärtner Moser (Bankier Güterbock) aus Farren, Palmen und Blattpflanzen aller Art hergerichtet hat. In dem Verbindungs⸗ saale haben Apparate aller Art für die Gartenkultur Aufstellung gefunden. Die Terrasse des Palmenhauses ist in einen Blumen⸗ garten verwandelt; Hortensien, Rosen, Cinerarien, Bouquets, Blu⸗ menkörbe aller Art vereinigen sich hier zu den prächtigsten Farben⸗ schattirungen. Auch ein effektvoller Blumentisch und der von Ihrer Majestät der Kaiserin als ,,. verliehene gemalte Tisch haben . rn Platz erhalten. Die Ausstellung dauert nur bis zum Mai.

Redacteur: J. V.: Riedel.

Verlag der Expedition (Kessell) . Druck: W. Elsner.

Drei Beilagen seinschließlich Börsen Beilage),

außerdem ein Fahrplan der Hannoverschen Staatsbahn“

Berlin:

roßen Kur⸗

r ste Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M Gch.

Berlin, Dienstag, den 6. Mai

18759.

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Aichtamtliches.

Berlin, 6. Mai. Im weiteren Verlaufe der gestrigen (38.) Sitzung des Reichstags fuhr der Abg. Richter (Hagen) bei der ersten Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend den ; des deutschen Zollgebietes, in seiner

ede fort: Es sei sehr bezeichnend, daß der Reichs kanzler immer betone, er wolle eine nationale Politik verfolgen, trotzdem richte er sich doch immer nach anderen Ländern; so sei Rußland das Steuerideal desselben. Der Reichskanzler habe gezeigt, welche Steuererleich⸗ terungen er gern bieten möchte, aber er habe vergessen anzugeben, woher er die Mittel dazu nehmen wolle. Der Minister Hobrecht habe nun, was er (Redner) gar nicht genug anerkennen könne, jene Verheißungen als „Zukunfts— musik“ bezeichnet. Freilich hätte Hr. Hobrecht, auch zohne Minister zu sein, selbst als einfacher gewissenhafter Beamter die Ausführungen des Reichskanzlers rektifiziren müssen.

Der Präsident bemerkte hierauf, er müsse den Redner unterbrechen, da derselbe soeben die Grenze des parla— mentarisch Zulässigen, überschritten habe, wenn er ge— sagt, der Finanz⸗Minister Hobrecht sei verpflichtet gewesen, als einfacher gewissenhafter Beamter das zu korrigiren, was der Reichskanzler hier gesagt habe. Er halte, das nicht für zulässig, denn es sei dadurch der Rede des Reichskanzlers ein Charakter gegeben, der ihr in diesem Hause nicht gegeben werden dürfe. . ;

Der Abg. Richter fuhr fort: Der Präsident würde aus seinen weiteren Ausführungen sofort selbst entnom— men haben, daß diese Auffassung ihm fern gelegen habe. Der Hauptwerth der Erklärung des Herrn Hobrecht liege darin, daß er sage, diese neuen Steuern hätten zunächst nicht den Zweck, die Steuern abzuschaffen, sondern sollten zur Deckung von Ausgaben benutzt werden, die für Preußen allein auf 144 Millionen Mark zu veranschlagen seien, für das Reich also 79 Millionen Mark betrügen. Also erst, wenn diese 70 Millionen vorab bestritten seien, kämen Steuererlasse in Frage. Zweitens habe Herr Hobrecht hervorgehoben, daß zu den vom Reichskanzler verkündeten Steuererlassen neue Steuern nicht im Betrage von 100 oder 166 oder 290 Millionen, sondern von noch weit größerem Betrage erforderlich seien. Er schätze den Ertrag der hier vorliegenden Zolltarife und Steuergesetze auf rund 166 Millionen. Da von diesen 166 Millionen aber 70 Millionen auf Ausgabedeckung kämen, so würde der Ueber— rest, wie Herr Hobrecht richtig bemerkt habe, nicht einmal aus⸗ reichen für diejenige Hälfte an Steuererlassen, die er für zu⸗ lässig halte, geschweige denn für die mehr als das Doppelte verlangenden Pläne des Kanzlers. Er stimme also mit Herrn

Dobrecht darin überein, wenn er den Ertrag der Steuern und lr die hier verlangt werden, auf 166 Millionen schätze. Von den 166. Millionen entfielen 46 auf Tabaksteuer, 18 auf Brausteuer und ca. 100 auf den Zolltarif. Was den letzte— ren betreffe, so rechne er 35 Millionen inkl. der 15 Millionen Petroleumzoll auf Finanzzölle und etwa 65 Millionen auf Schutzzölle. Die eigentlichen Matrikularbreitäge nach Abzug der sogenannten Aversen betrügen auch 65 Millionen Mark. Eine Trennung der Berathung von Schutz- und Finanz— zöllen sei durchaus geboten. Wenn einmal Schutzzölle bewilligt werden müßten, könnte man unmöglich dazu noch die Finanz— zölle bewilligen. Dem Reichskanzler komme es auch offenbar nur auf das Geld an; derselbe sei auch jetzt noch gar kein so schlimmer Schutzzöllner, wie es wohl scheine. Die Fortschritts⸗ partei stehe den ganzen Vorlagen nexativ gegenüber; fie sei einstimmig gegen die Tabakssteuer, gegen die Brausteuer, gegen die Besteuerung des Petroleums, wie gegen jeden Zoll auf Getreide und andere Nahrungsmittel. Aber in jede Steuerreform wolle seine Partei die Rüben⸗ zucker⸗ und Branntweinsteuer aufgenommen wissen. Jeder Gedanke an ein Kompromiß liege seiner Partei fern. Wie der Reichskanzler die Vorlagen zur Verminderung der Macht— stellung des Reichstags zu benutzen suche, zeige g. 5, der ihn ermäch⸗ tigen solle, ohne den Reichstag nach Belieben Zollkriege zu führen auf Kosten der deutschen Industrien, wiewohl schon in der olitischen Kriegsführung die Kosten vom Reichstage jedesmal ewilligt werden müßten. Das Einnahmebewilligungsrecht des Reichstages werde durch diese Vorlage thatsächlich beseitigt. Die Vorlage spreche davon erst gar nicht, entweder weil sie es als etwas Selbständiges oder als ein Internum des Reichstages wie beispielsweise die Festsetzung seines Bureauetats, ansche. Mit Recht habe Hr. von Forckenbeck im vorigen Sommer aber vor seinen Wählern bemerkt, daß die Erhaltung der Macht— befugnisse des Reichstages die Frage der Entwicklung des Reiches selbst sei. Selbst Hr. Camphausen habe dem Reichs⸗ tage noch im vorigen Jahre im konstitutionellen Interesse ge— rathen, die Matrikularbeiträge nicht zu beseitigen. Solle über⸗ haupt die Steuerlast vermehrt werden, so bedürfe man dazu ein Einnahmebewilligungsrecht auch in Bezug auf Steuern. Schon weil die eingeführten Steuern höhere Erträge gewährten oder sich drückender erweisen könnten, als die Majorität heute annehme, müsse der Reichstag die Steuerlast wieder ver⸗ mindern können. Eine politische Bedeutung hätten diese Steuern auch in der Machtstellung zu den Einzel— staaten, Der Reichskanzler sage, das Reich dürfe nicht mehr der lästige Kostgänger, der mahnende Gläubiger bei den Einzelstaaten sein. Wenn man aber wieder 156 Mil— lionen neue Steuern bewillige und damit wieder 101 Millionen Ueberschüsse an die Einzelstaaten verweise, so würden diese lästigen Kostgänger mahnende Gläubiger für das Reich. Der Reichskanzler bedauere die unverhältnißmäßige Vertheilung der Matrikularbeiträge auf Thüringer und Hanseaten. Aber würde nicht dasselbe Mißverhältniß bei der Vertheilung der Ueber⸗ schüsse nach der Kopfzahl eintreten? Derselbe beklage die Anarchie der Einzelbudgets; aher würde nicht die Vertheilung von Ueberschüssen aus der Reichskasse nur die Anarchie von dem Ausgabekonto auf das Einnahmekonto übertragen? In dem Maße, wie das Steuersystem der Einzelstaaten zurück= gedrängt werde und die Einzellandtage damit den Schlüssel zu dem Steuersäckel ihrer Bürger verlören, müßte auch ihr par— lamentarischer Einfluß sich vermindern. Es möge ja den ein⸗ zelnen Finanz-Ministern heute bequemer scheinen, sich mit dem

Kanzler, statt mit ihren Landtagen zu stellen, aber auf die Dauer folge doch aus diesem System die Herabdrückung der Einzelstaaten, die Aufsaugung in den Einzelstaat. Seine Partei aber wolle das bundesstaatliche Wesen erhalten wissen, besonders die Mittelstaaten, mit einem Wort: die politische Bedeutung dieser Vorlagen liege darin, daß sie den Parlamentarismus in der Richtung des Absolutismus, das Bundesstaatliche gegen den Einheitsstaat zurückdränge. Seine Partei aber wolle sich einer Entwickelung mit allen Kräften widersetzen, die zum absolutistischsten Einheits⸗ staat führen müsse. Die Partei sei gering an Zahl, aber er fordere alle Diejenigen auf, die in der Hauptsache mit seiner Partei auf demselben Standpunkte ständen, in dieser ernsten Gefahr von Kleinem und Vergangenem abzusehen und sich desto enger zusammenzuschließen zu gemeinsamer kräftiger Abwehr. Noch niemals sei einem Vo ke die Freiheit geschenkt worden, jede Freiheit müßte entweder im Kampfe behaupret oder erobert werden. Wirthschaftliche Freiheit habe keine Sicherheit, das erfahre man jetzt, ohne politische Freiheit und auch sie finde ihre Sicherheit nur in der wirthschaftlichen Frei⸗ heit. Möge man seine Anschauungen im Augenblick im Ein— zelnen zurückdrängen, harre inan nur aus, so werde, so wahr das Deutsche Reich eine Zukunft habe, schließlich der Sieg doch seiner Partei bleiben.

Von dem Abg. Löwe (Bochum), unterstützt von 155 Ab— geordneten, war folgender Antrag, die geschäftliche Behand lung der Zoll- und Steuervorlagen betr., eingegangen:

Der Reichstag wolle beschließen: 1) einer Kommission von 28 Mitgliedern zu überweisen: Den Gesetzentwurf, betreffend den Zolltgrif des deutschen Zollgebietes und alle Positionen des Tarifs mit Ausnahme der Abfälle, der Bürstenbinder⸗ und Siebmacher— waaren, des Eisens, der Erze und edlen Metalle, des Flachses und des Getreides, der Häute und Felle, des Holzes, des Hopfen, der Instrumente und Maschinen, des Oeles und der Fette, des Pelz⸗ werks, der Steine und Kohlen, des Viehes und einiger anderer weniger wichtigen Gegenstände; 2) einer Kommission von 28 Mit— gliedern: die Vorlagen über die Besteuerung resp. Nachverfteue⸗ rung des Tabaks; 3) einer Kommission von 14 Mitgliedern: die ; betreffend die Erhebung resp. Erhöhung der Brau⸗ euer. 3 . Bundesbevollmächtigte, Staats-Minister Hobrecht er⸗ ärte:

Meine Herren, ich glaube nicht, daß Viele das, was ich am Sonnabend gesprochen habe, in Wirklichkeit fo verstanden haben, wie es der letzte Herr Redner in einer von seinem Stand— punkte aus vielleicht ganz richtigen und geschickten Fechtertaktik sofort auslegte und ich würde es nicht für nöthig gehalten haben, darauf zu erwidern, wenn er diese Auslegung nicht heute des Breiteren wiederholt hätte.

Der Hr. Abg. Bamberger hatte das, was kurz vorher der Herr

Reichskanzler in Bezug auf die Richtung einer Umgestaltung in unserer direkten Steuerverfassung ausgeführt hatte, angegriffen und darin unerfüllbare Verheißungen erblickt. Ich hatte besonderen An— laß darauf zu erwidern, weil ich vor wenigen Monaten über den— selben Gegenstand das, was mir nothwendig schien, im Ab— eordnetenhause, im preußischen Landtage, auseinandergesetzt . Ich habe, nachgewiesen, daß es nicht nöthig sei eine nähere Auseinandersetzung darüber eintreten zu lassen, ob mit der Reform soweit gegangen werden solle, als es von mir be— zeichnet war, oder ob weiter zu gehen nöthig sei, weil auch in den engsten Grenzen diese Reform Mittel erforderte, die durch die jetzt Ihnen gemachten Vorlagen nur knapp gedeckt werden können. Ich habe das darum hervorgehoben, weil es mir darauf ankam, daß namentlich auch diejenigen preußischen Mitglieder des Reichs tages, welche im Wesentlichen mit den Zielen einer Steuer— reform, wie sie im preußischen Landtage erörkert worden sind, ein⸗ verstanden waren, nicht die Besorgniß haben müßten, es würden hier Mittel verlangt, die noch weit über das Ziel hinausgehen, son« dern daß auch in diesen Grenzen die Mittel eben nur ausreichen; weil ich wünschte, daß diese Mitglieder des Reichstages, denen es wirklich darauf ankommt, die Schwierigkeiten zu beseiti⸗ gen, die der dringend nothwendigen Reform entgegenstehen und denen bei dieser Aufgabe nicht die Machtfrage, wie dem letzten Herr Redner im Vordergrunde steht, daß die im Stande wären, ohne Bedenken anzuerkennen, daß hier nichts über das Be— dürfniß hinaus gefordert wird.

Die weiteren Zahlenausführungen des letzten Herrn Redners will ich nicht widerlegen. Ich glaube, Sie werden aus dem steno⸗ graphischen Berichte ersehen, daß sie nicht ganz übereinstimmen mit dem, was ich gesagt habe.

Der Bundeskommissar, Geheime Regierung s⸗Rath Tiede⸗ mann bemerkte, es könne nicht seine Aufgabe sein, alle die Unrichtigkeiten zu widerlegen, die in einer sorgfältig ausgear— beiteten, wohl durchdachten, fast dreistündigen Rede von dem Abg. Richter vorgebracht seien; er halte es aber für nothwendig, einigen seiner Behauptungen einen direkten Widerspruch vom Tische des Bundesrgths entgenzusetzen. Ein gut Theil der Dedultionen habe sich in dem Gedanken bewegt, die vorge— schlagenen Zölle seien im Interesse des Großgrundbesitzes und des Großkapitals, sie drückten den kleinen Mann und den Bauer. Ein Wort, wie dies mit solcher Emphase ausgesprochen und ins Land geschleudert, könnte einigen Eindruck machen. Diesen möchte er von vornherein verwischen. In einem Lande, in dem von 7 Millionen Censiten ungefähr 2 Millionen nicht ein Einkommen von 140 Thalern hätten und deshalb steuerfrei blieben, wie von den Steuerzahlern vielleicht nur 150 600 über 10990 Thaler Einkommen hätten und demgemäß einge— schätzt seien, da sei es gerade eine Aufgabe der Staatsregie⸗ rung, dafür zu sorgen, daß den Vielen, es wären vielleicht 20 . und mehr, welche von ihrer Hände Arbeit lebten, diese Arbeit nicht erschwert werde, sondern daß ihnen für dieselbe Naum geschaffen werde. Das sei das Leitmotiv gewesen, welches die verbündeten Regierungen veranlaßt habe, in die Steuer— reform einzutreten und er glaube, bei der Spezialberathung werde sich noch Gelegenheit genug finden, dies im Einzelnen nachzuweisen. Um das eine möchte er nur den Abg. Richter bitten, der sich sehr viel darauf zu Gute thue, die Verhältnisse Rheinlands und Westfalens genau zu kennen, sich in seinen Wahlkreis zu begeben oder auch in den benachbarten, den er glücklicherweise nicht lange als Landrath verwaltet habe, und dort nachzusehen, in ö. Weise die Armenlast gestlegen sei. Im Kreise Dortmund sei das Armenbudget der Stadt von 93 000 6 im Jahre 1874 auf 221 000 S im Jahre 1878 gestiegen, und ähnlich fe es mit den Armenbudgets aller übrigen ihm bekannten Gemeinden Rheinlands und

Westfalens. Die Herren von der Freihandelspartei saglen nun freilich, man müßte die Sachen gehen laffen, wie sie gin— gen. Es laufe das schließlich auf den Satz hinaus: Laß sie betteln gehen, wenn sie hungrig sind! Das könne doch nur von sehr extremer Seite gebilligt werden. Es heiße dann weiter, das Großkapital, der Großgrundbesitz werde geschützt, der Arbeiter und Bauer geschädigt; aber wer sei heute zu Tage am meisten in Noth? Jeder, der mit landwirthschaftlichen Verhältnissen auch nur an— nähernd vertraut sei, werde antworten müssen: Der Bauer leide am meisten! und Aufgabe der Regierung sei es, den alten soliden Bauernstand Deutschlands zu unterstützen! Nach einem ihm vorliegenden Subhastationsverzeichnisse beliefen sich die Subhastationen in den Jahren 1854 —56 auf 22 bei Rittergütern, 678 bei Bauerngütern; in den Jahren 1864 66 auf 427 bei Rittergütern, 3301 bei Bauerngütern. Nach einer weiteren Zusammenstellung belaufe sich die Anzahl der Sub— hastationen im Bezirk des Appellationsgerichts zu Frankfurt a. M. auf 95 für die Stadt (101 090 Einwohner), 30 für den Landkreis (30 0090 Einwohner). Dieses Verhältniß auf den preußischen Staat übertragen und die Stadt- und Landbevölkerung als gleich stark angesetzt, ergäbe für 1874 bis 76 durchschnittlich 7090, 1877 10000 ländliche Subhastationen. Betrachte man diese Steigerung von 600 auf 160000 Subhastationen in zwanzig Jahren, so werde man zugeben müssen, daß dem landwirthschaftlichen Betriebe Hülse gebracht werden müsse. Der Abg. Richter habe, wie der Abg. Bamberger, auf den Segen des entfesselten Verkehrs, des Aufschwungs der Eisenbahnen und der Eröffnung der Kornkammern Rußlands, Rumäniens ꝛc. hingewiesen; nun, die jetzige Hungersnoth im Spessart zeige, wie segensreich diese Wirkungen seien. Die Beschuldigung, der Reichskanzler habe Rußland für das Ideal seiner wirthschaftlichen Pläne erklärt, sei völlig unrichtig. Der Reichskanzler habe nur auf die außerordentliche Produktionsfähigkeit Rußlands hingewiesen. Wenn der Abg. Richter bemängelt habe, daß die Rede des Reichskanzlers im Teltower Kreisblatt abgedruckt sei, so be⸗ greife er, daß ihn dies verdrieße, da in den Flugblättern und Artikeln des Abg. Richter in den letzten Monaten hart— näckig nur von einer Mehrbelastung des Volkes die Rede ge— wesen sei; daß jetzt auch die Entlastung betont werde, müsse ihm (dem Abg. Richter) allerdings unangenehm sein.

Der Abg. von Kaͤrdorff erklärte, der erste Redner aus dem Hause, Abg. Delbrück, habe den Wunsch ausgesprochen, daß alle Redner, die über die Tarifvorlage sprechen würden, sich eine möglichste Beschränkung auferlegen möchten. So viel er beobachten konnte, seien die Abgg. Bamberger und Richter, . wirthschaftlichen Freunde, die jeder 2— 3 Stunden ge⸗ prochen hätten, diesem Wunsche am allerwenigsten nachge⸗ kommen. Er werde seine Bemerkungen möglichst kurz fassen, um das Haus nicht in den Zustand der Ermüdung zu ver⸗ setzen, der sich ohne Zweifel einstellen werde, wenn die Reden in der bisherigen Länge gehalten würden. Gleichwohl müsse er auf die Aeußerungen des Abg. Richter mit einigen Worten eingehen. Derselbe habe im Anfange seiner Rede die wesentlichste Schuld der großen, die Welt beherrschenden Krisis den schweren Kriegen zugeschrieben, die in allen Welt⸗ theilen geführt seien. Man müsse das ja bedingt soweit als richtig anerkennen, daß diese Gründe die Krisis mit hervorgerufen hätten. Aher damit sei doch nicht erklärt, warum diese Krisis in Frankreich, das doch schwerer gelitten habe als Deutschland, daß sie in Rußland, das an einer mangelhaften Valuta leide, schwere und kostspielige Kriege geführt und keine Milliarden bezahlt bekommen habe, sehr viel eher überwunden sei, als in Deutschland. Auch sei zuzugeben, daß die Spekulation die Krisis geschärft habe, dieselbe sei aber wesentlich durch die Unlust gesteigert, die man dadurch hervorgerufen, daß man einen Makel auf Alle ge— worsen habe, die sich an den industriellen Unternehmungen betheiligt hätten. Die Aktiengesetzgebung sei auch verderb⸗ lich dadurch gewesen, daß sie die Ausgabe von Inhaberpapieren freigegeben. Der Abg. Richter demonstrire sodann die bisherige gute wirthschaftliche Lage Deutschlands aus dem Export von Fabrikaten und dem Import von Rohprodukten. Wäre das richtig, dann müßte unsere Handelsbilanz doch anders aus⸗ sehen, als dies seit 1865 der Fall sei. Adam Smith lege auch in seinen welthistorischen Werken dem inneren Ver⸗ kehre einen vierundzwanzigfach höheren Nutzen für das Land bei als dem Export, und dieser Autorität folge er lieber, als dem Abg. Richter. Letzterer meine auch, wenn Deutschland jetzt weniger eportire und sich gegen den Import von Roh⸗ stoffen mehr absperren würde, so würde es zurückgehen in der wirthschaftlichen Entwickelung. Diese ,, überhaupt eine unrichtige. Es komme nicht auf die Höhe der wirth⸗ schaftlichen, sondern der sozialen Entwickelung, an. Es sei das en, plus ultra der Uebertrz ibung, wenn der Abg. Richter den vorliegenden Tarif als eine. Rückkehr noch hinter den Zolltarif von 18665. bezeichne— Der Abg. Richter behaupte, der Tarif käme überhaupt nur dem Großkapital zu Nutze, der Nutzen für die Lndwirthschaft sei sehr problematisch. Folgende Positionen schtzten aber in diesem Tarif das Interesse des Handwerks 1nd der Klein⸗ industrie: die Bürstenbinder und Siebmacher, die Perücken⸗ macher, die Böttcher, Drechsler, Wagner, Tischhler, Korbflechter, Instrumentenmacher und Maschinenfabrikar ken, die Kupfer⸗ schmiede, Gelbgießer, Uhrmacher, Goldarbeiter, Juweliere, Optiker, Schirmfabrikanten, die Hutmacher, Zinngieß er, Klempner u. s. w. Gerade die Rede des Abg. Delbrück fei die beste An⸗ erkennung für die Tüchtigkeit des von der Kommission ge⸗ schaffenen Tarifs. Denn wenn an demselben nichts e rg auszusetzen sei, ale. was jener Ab⸗ geordnete vorgetragen, so gehöre diese Vorlage. zu den besten Tarifen, die jemals, ausgearbeitet seien. Die Stabilität der Arbeitslöhne sei, nirgends geringer als in England, und nirgends größer als in Frankreich. Ebensowenig wie auf den Eisenzoll, werde er auf die Getreidezölle eingehen. Diese würden im Plenum berghen werden, und da werde es Zeit sein, die Ausführungen des Abg. Richter zu widerlegen. Nur daran möchte er denseloen erinnern, daß die Fortschritts⸗

partei es gewesen sei, die kurz oor 18570 noch einen Antrag