1879 / 107 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 08 May 1879 18:00:01 GMT) scan diff

2 , in Verbindung mit der graphischen Darstellung der Abscherungs kräfte, vom Reg. Baumeister Landsberg. Privat · Dozent an der Königl. Gewerbe Akademie in Berlin. Graphische Bestim⸗ mung der Momente von Flächen und Bögen ebener Kurven und Po— lvgone, vom Wasserbau⸗Direktor Chr. Nehls in Hamburg. Kon⸗ struktive und polychrome Details der griechischen Baukunst, Fort setzung, vom Professor Josef Durm in Karlsruhe. Eleutherae und Aigosthena, von B. Mittheilungen nach amtlichen Quellen. Anderweitige Mittheilungen. Mitheilungen Gus Vereinen. Verein für Eisenbahnkunde zu Berlin. Literatur.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Dem kürzlich erschienenen amtlichen Berichle über den Stand der Saaten in Oesterreich⸗ Ungarn Mitte April entnehmen wir die folgenden Mittheilungen: Die Wintersaaten waren in der nördlichen und mittleren Zone größerentheils schon kräftig in den Winter gekommen, haben denselben sehr gut über · standen und sind seither unter dem Einflusse der vorherrschend kühlen und feuchten Witterung der letzten Woche noch weiter gekräftigt und bestockt, so daß im Allgemeinen ein sehr erfreulicher, häufig geradezu ausgezeichneter Stand derselben zu verzeichnen ist. Von den einzelnen Wintersaaten steht der Weizen im Allgemeinen besser als der Roggen; der letztere hatte nämlich, da er schon ziemlich herangewachsen in den Winter gekommen war, von dem Schneedrucke auf ungefrornem Boden und von dem stehenden Wasser mehr zu leiden, als der noch weniger entwickelte Weizen. Der Stand des Rapses wird mit sehr wenigen Aus— nahmen sehr gelobt; derselbe schoßte in den Nordwestländern und dürfte in vielen Gegenden Ungarns schon in Blüthe stehen. Der Klee steht ebenfalls mit wenigen Ausnahmen sehr schön. Die Aus— nahmen beziehen sich größtentheils auf Beschädigungen durch die Feld— mäuse, über welche trotz des nassen Spätherbstes ziemlich viele Klagen aus den meisten Ländern der nördlichen und mittleren Zone vorlagen. Im südlichen Theile des ehemaligen Banats sollte Luzerne schon? in der nächsten Zeit schnittreif werden. Die Wiesen versprechen beinahe überall das Beste. Was die einzelnen Länder anbelangt, wird die Ueberwinterung aller bisher genannten Feldfrüchte, sowie deren gegen⸗ wärtiger Stand, besonders in Böhmen, Mähren und Siebenbürgen gelobt. Der Anbau der Sommersaaten begann in den Nordwest⸗ ländern beinahe ohne Ausnahme in den zur mittleren Zone ge⸗ hörenden Ländern der westlichen Reichshälfte in den meisten Lagen erst in den letzten Tagen des Maͤrz oder in den ersten Tagen des April. In den übrigen Lagen der letztgenannten Länder, in der Bukowina, in Ungarn und in den Ländern beziehungsweise Ländertheilen der füdlichen Zone war der Anbau schon in der ersten Märzhälfte in Angriff genommen worden, hatte auch schon hier größe e, dort kleinere Fortschritte ge⸗ macht, wurde aber in der südlichen Zone durch Regengüässe, in den übrigen Ländern durch den eingetretenen Nachwinter auf längere Zeit unterbrochen. In Galizien begann der Anbau zumeist ersf in den letzten Tagen der ersten Aprilhälfte. Die Sommersaaten gehen bei⸗ nahe ausnahmslos schön auf und bestehen für dieselben bei der reich lich vorhandenen Winterfenchtigkeit die besten Aussichten. Der Anbau von Kartoffeln und Rüben hatte schon begonnen und theilweise e, n. gemacht in allen jenen Gegenden, in welchen der Anbau der

erealien der Vollendung nahe oder doch im vollen Zuge war. Der Maisanbau wurde bereits in Angriff genommen, Nicht nur in den Ländern der südlichen Zone, sondern auch in den Vorländern der Alpen, sowie in verschiedenen Gegenden Ungarns und war in Siebenbürgen bereits in vollem Zuge. Der Hopfen in Böhmen zeigte sich gesund und kräftig und wurde berelts geschnitten. Der Wein hat im Allgemeinen gut überwintert. Das Rebholz zeigte sich meist gut ausgereift und reich mit Knospen besetzt. Kirschen blühten in Untersteiermark, Bozen und im ehemaligen Banate schon am 1. April; um die Mitte April blühten Zwetschken und Früh⸗ birnen in den meisten Gegenden der mittleren und füdlichen Zone. In Bozen und Görz wurde die Blüthe stark beregnet.

Gewerbe und Handel.

Durch Bekanntmachung des Königlich schwedischen Kommerz— Kollegiums vom 29. v. M. ist bestimmt worden, daß die Stadt Stelleftea mit Rücksicht darauf, daß dort kein zuständiger Veterinär mehr angestellt ist, nicht weiter zu denjenigen Städten gehören soll, über welche in Gemäßheit der Bekanntmachung vom 2. Januar d. J. die Einfuhr von Wiederkäuern und Pferden auf dem Seewege nach Schweden stattfinden darf.“)

Die Firma Louis Schmetzer C Co. in Rothenburg a. Tau— ber (Bayern) hat eine Neuerung an Kinderwagen erfunden, und solche gesetzlich schützen lassen, die von vielen medizinischen Autori⸗ täten günstig beurtheilt ist. Die sanitären Vorzüge diefer Kinder⸗ wagendächer sind, daß dieselben eine leicht zu verändernde Be— schattung der im Wagen liegenden Kinder erlauben, wodurch auch eine gute Ventilation bedingt ist, sowie ferner die Möglichkeit des Vorwärts statt Rückwärtsfahrens, was eine naturgemäße Erziehung des Gesichtssinnes ermöglicht.

Die ordentliche Generalversammlung der F. Wöhlert— schen Maschinenbau⸗-⸗Anstalt und EFisengießerei 'geneh— migte den vorgelegten Geschäftsbericht nebst Bilanz pro 1878 und ertheilte nach Anhörung des Revisionsberichts Vecharge.

Auf die Aktien der in Liquidation befindlichen Deutschen Creditbant in Frankfurt a. M. gelangt vom 13. d. M ab die erste Quote von 75 ( oder 450 S per Attie zur Rückzahlung.

In der Generalversammlung der Gladbacher Feuer« versicherungs-Gesellschaft wurde Seitens der FSirektion über den Rechnungsabschluß für 1878 Bericht erstattet. Die dauernd un— günstige Lage der wirthschaftlichen Verhältnisse und eine ungewöhn⸗ lich große Anzahl von Schäden haben auf das Resultat des abgelau⸗˖ fenen Geschäftsjahres nachtheilig eingewirkt. Bei einer Dotirung des Kapital ⸗Reservefonds von 16005 6 gelangen 105) der Ein zahlung oder 60 M per Aktie als Dividende zur Vertheilung. Die während des Jahres in Kraft gewesene Versicherungssumme betrãgt 2 M4 604 503 ½, ist also gegen das Vorjahr um 87 415 8338 M. ge⸗ stiegen. Von ersterer Summe waren 721 174 315 M in Rückdeckung gegeben, und verblieben Ende des Jahres 1111635 958 S6 oder 3625285 M mehr in Kraft, als beim Jahresschlusse 1877. Die Gesellschaft wurde während des Jahres von 835 Schäden betroffen, die während deselben gezahlten Ertfchädigungen betragen einschließ⸗ lich der pro 1879 vorgetragenen Schadenreserve für eigene Rechnung 102 522 1 mehr als im Vorjahre.

Nach Ausweis des Geschäftsberichtes der Cölnischen Lebens-Versicherungs⸗Gesellschaft „Concordia“ wur—⸗ den bei der Gesellschaft im Jahre 1878 auf den Todesfall neu ver⸗ sichert: 1994 Personen mit 11 531 773 ½ς Kapital und 1535 . Rente. Am 31. Dezember 1878 waren überhaupt auf den Todesfall versichert; 24181 Personen mit 136 142 7865 ½ Kapital und 49 597 M Rente. Der Gewinn des Jahres 1978 beläuft sich auf m, de „, woraus 160,0 Dividende an die Aktionäre vertheilt werden.

Aus dem Bericht des Aufsichtsraths der Aktiengesell⸗ schaft Saline und Soolbad Salzungen geht hervor, daß das im letzten Jahre erzielte Resultat ein gutes gewesen ist. Der Absatz hat sich um ca. 1000 gesteigert, während die Produktions kosten um 120, zurückgegangen sind. Der Gewinn von 154 6660 M. aus dem Produkten, Conto ist der höchste, welcher seit Bestehen des Werkes erreicht wurde. Außerdem figurirt im Gewinn ⸗Gonts neben 15 699 Hinsen ein Coursgewinn von 5346 an den Effekten des Betriebsfonds. Das Gewinn und Verlust⸗Conto schließt mit 105 464 M und gestattet die Vertheilung einer Dividende von 45569. Der Reservefond der Gesellschaft stellt sich inck der Dotirung aus dem Gewinn des abgelaufenen Jahres auf rund 40 000 *

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7 Siehe Nr. 14, 21 und 89 des Reichs · Anzeigers.

Die Restdividende der St. Petersburger inter— nationalen Handelsbank pro 1878 ist auf Sos festgesetzt worden. Da am 1 Januar er. auf das Erträgniß des vergangenen Jahres bereits 6oso abschläglich an die Aktionäre bezahlt worden sind, so beträgt die Sesammtdividende 140,60 gegen 1240 im Vorjahr.

Die St. Petersburger Diskontobank hat im ver- gangenen Jahre einen Reingewinn von 2415390 Rbl. bei einem Aktienkapital von 19000006 Rhbl. erzielt. Davon werden, nach dem Vorgange früherer Jahre, als Gewinnreserve auf das Jahr 1879 vorgetragen 191 105 Rbl. Der Rest des Gewinnes in Höhe von 25314285 Rhl., welch r 23, 1420/9 auf das Stammkapitat beträgt, unterliegt auf Grund des 5 60 der Bankstatuten nachfolgender Ver⸗ theilung: Als erste Dividende auf die Aktien entfallen 6 6, von 10 00000 oder 600 000 Rbl. Von den nachbleibenden 1714285 Rb. kommen 15969 zum Reservekapital mit 257 142 Rbl., 70 ί— zur Vertheilung als zweite Dividende auf die Aktien mit 12060 005 Rp und 15, zur Verwendung für den Verwaltungsrath, den Direktor und die Beamten mit 257 143 Rbl. Die Aktionäre empfangen demnach insgesammt 1 860 000 Rbl., d. h. 18539 auf das Kapital oder 45 Rbl. per Aktie.

Triest, 6. Mai. (W. T. B.) Der in der gestern abgehal⸗ tenen Generalversammlung der Aktionäre des Oesterreichifchen Lloyd verlesene Jahresbericht konstatirt pro 1878 eine Mehrein⸗ nahme von 2300070 Fl. gegen 1877; der Gesammtertrag des Jahres beträgt 4 622368 Fl.; der Reservefonds von 1450 6655 Fl. ist auf 19909999 Fl. erhöht; die Abschrcibungen belaufen sich auf LUIS 165 Fl. Der Assekuranzfonds ist mit 369 686 Fl. dotirt; die Verminderung der Schulden beträgt 819 457 Fl. Die Dividende von g ö per Aktie wird vom 10. Mai ab anstatt vom J. Juli ausgezahlt. Rotterdam, 7. Mai. (W. T. B.) Die heute von der Nieder⸗ ländischen Handelsgesellschaft abgehaltene Kaffee Auktion eröff nete für Nr. 1 zu 5143, Nr. 2 534, Nr. 3 58, Nr. 6 563. Rr. 9 443, Nr. 10 45, Nr. 13 421.

London, 6. Mai. (W. T. B.) Für die Wollauktion, die heute eröffnet wurde, sind im Ganzen 325 060 Ballen Wolle zum Verkauf angemeldet, die Auktion war gut besucht, australische und Kapwollen behaupteten die Preise der letzten Auktion, Wollen von gekreuztem Vieh stellten sich etwas tbeurer.

Verkehrs⸗Anstalten.

Dresden, 8. Mai. (Dr. J.) Nachdem der Bau der Staats: eisenbahnlinie St. Egidien Stollberg mit der Abzwei⸗ gung hlt eich⸗ Lu gau vollendet ist, hat das Finanz ⸗Ministerium, laut einer Bekanntmachung vom 6. beschlossen, dieselbe am 15. Mai d. J dem allgemeinen Verkehre zu übergeben. An der neuen Linie befinden sich die Stationen Lichten stein, Delsnitz bei Lichtenstein und Stollberg, sowie die Haltestelle Höhlteich. Die Leitung des Betrie⸗ bes erfolgt durch die General⸗Direktion der Staatseisenbahnen, welche die Tarife und Fahrpläne bekannt machen wird.

Bern, 6. Mai. (N. Zürch. Z) Zwischen der bundesräthlichen Gotthardkommission und Hrn. Favre hat letzter Tage unter Ratifikationsvorbehalt seitens des Verwaltungsrathes der Gotthardbahn ein Abkommen stattgefunden., nach welchem sich Hr. Fabre zum Rückzug seines Prozesses verpflichtet, wenn die monatlichen Abzüge an den 4 Millionen Fr. Installationskosten bis zum 15. Oktober 1881 sistirt werden, (Or. Fapre hat alsdann Alles zu bezahlen, an— dernfalls sich die Gefellschaft aus seiner Kaution bezahlt machen kann) und wenn ihm für die Ausweitung ein vom Bundesrath zu bestimmender Einheitspreis per Kubikmeter bezahlt wird. Der Pro⸗ zeß wird nach erfolgter Ratifikation zurückgezogen.

Bern, 6. Mai. (W. T. B.) Der Ünternehmer des Gott— hardbahn⸗Tunnels, Favre, hat, dem „Bund“ zufolge, seine Einsprache gegen die Verpfändung der Bahn zurückgezogen und die Arbeiten wieder aufgenommen. Der Richtungsstollen wird bis zum Schluß dieses Jahres vollendet, und beabsichtigt Favre bis dahin, wo die Zufahrtslinien eröffnet werden, den Betrieb der Strecke Göschenen⸗Airolo durch komprimirte Luft einzuführen.

Southampton, 6. Mai. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Main ' ist hier eingetroffen.

New⸗York, 7. Mai. (W. T. B) Der Hamburger pPost— ö Lessing“ ist gestern Nachmittag 2 Uhr hier einge⸗ roffen.

Berlin, den 8. Mai 1879.

Berliner Gewerbe-Ausstellung. 11

Rechts vom Haupteingang hat in der ersten Hälfte der Vorder— halle, in der hinter ihr liegenden Gartenanlage und in einigen Bogen der Staatsbahn das Bau. und Ingenieurwesen (Gruppe XIV.) seine Stätte gefunden. In vier Klassen getheilt Baumaterialien, Grund, und Tiefbau (16 Aussteller, Gegenstände des äußeren Ausz⸗ baues (32 Aussteller), Gegenstände des inneren Ausbaues, vollständige Zimmereinrichtungen u. s. w. (75 Aussteller) und Entwürfe (3 Aus⸗ steller) geben die zur Schau gestellten Artikel ein beredtes Zeugniß von der Gediegenheit, dem Geschmack und dem Komfort, mit denen die Gegenwart ibre Häuser aufzubauen, die Zimmer behaglich einzurichten und selbst den Küchen eine den weltestgehenden Wünschen der Haus⸗ frau entsprechende Ausstattung zu geben versteht. Ein geschmaͤckvoll in Zinkblech ausgeführter Pavillon, vom Baumeister Schwenke ent— worfen und von P. Thielemann, Leipzigerstr. 117, angefertigt, fesselt das Auge durch seine schönen Verhältnisse und durch faubere Arbeit. Vor diesem Pavillon hat der Verein der Inhaber von Steinmetz geschäften eine sehenswerthe Mustersammlung von hierorts verwende ten Sandsteinen, Kalksteinen, Marmoren, Graniten und Sieniten in den verschiedenen Arten der Bearbeitung zur Schau gestellt. Drei vollständig eingerichtete Küchen von J. Tiede, Leipzigerstr. 79, E. Cohn, Haus⸗

voigteiplatz 12, und Jacob Ravens Söhne, Stralauerstr. 2 / 27 sind

ein starker Anziehungspunkt für das weibliche Publikum; die letzt⸗ genannte Firma hat ihren Raum mit Koch“, Speise⸗, Trink, und Cßgeräthen von bemaltem emaillirten Eisenblech (Berliner Emaille= Malerei) versehen, die vielen Beifall finden. Ünter den Koch⸗ maschinen erregen ein großer Spießbratenwender mit selbstgehendem Gewerk von F. W. Kayser C Co. und die Maschinen von E. ä. Damcke, Dorotheenstr. 44, viel Aufmerksamkeit. Eine von Fr. Pe⸗ ters, Köthenerstr. V2, ausgestellte Vase in getriebenem Zink nach einem Modell von Schinkel, zeigt mit den Balkonbrüftungen und der Kassettendecke in Messing und Kupfer, daß auch dieser Zweig der Ornamentik eine genügende Vertretung in Berlin findet. Kamine und Oefen, Waschtoiletten, Eisschraͤnke, Eismaschinen, Water— klosets c. in den verschiedensten Größen und nach verschiedenen Sy⸗ stemen füllen in reicher Auswahl den mittleren Raum der Vorder halle. Die zu beiden Seiten gelegenen Nischen, im offiziellen Kata— lag als Kojen bezeichnet, sind für komplete Zimmereinrichtungen bestimmt, zur Zeit aber noch nicht vollendet. Hier ver⸗ einigen sich in dem leitenden Architekten und ausführenden Hand⸗ werker Kunst und Gewerbe; es wird diefe Abtheilung später einen Glanzpunkt der gesammten Ausstellung bilden. In dem zu der Gruppe gehörigen Garten befindet sich der Pavillon der Stadt Berlin, der ebenfalls noch nicht fertig gestellt ist. Das gefällige Formen zeigende Gebäude ist vom Architekten W. Heyden ausgeführt; mit der Malerei des äußeren Frieses und der inneren Decke ist der Distorienmaler M. Meurer beschästigt. Die Bauverwaltung der Stadt Berlin fungirt hier zunächst als Aussteller; Zeichnungen, Pläne und Entwürfe aus dem Gebiete des Hoch⸗ und Tiefbauet, Photographien und Modelle, Maschinen, Dampfwalzen und Erzeugnisse der Osdorfer Rieselfelder süllen einen Theil des Pavillons und des Gartens, dessen Wege die Bauverwaltung mit verschiedenen Arten von Probe⸗ pflaster hat belegen lassen. In ausgiebiger Weise wird der Magistrat

zu Berlin vertreten sein. Neben den Modellen des Rathhauses, dem neuen Thurmbau der St. Nikolaikirche, einer Turnhalle und zweier Schulklassen, sowie neben einigen Schulsubsellien werden sich Zeich= nungen und Photo raphien von hervorragenden städtischen Gebäuden so die Irrenan talt bei Dalldorf, das städtische Arbeitshaus bei ,,, . die städtischen Krankenanstalten im Friedrichshain und in Moabit, verschiedene Gymnasten und andere Schulhäuser befinden. Formsteine und Terrakotten, Verblendsteine, Bauor⸗ namente aus gebranntem Thon von verschiedenen usstellern herrührend, lehnen sich an die den Garten begrenzenden Wände des Ausstellungsgebäudes. Unter dem Stadtbahnviadukt zeigt sich die Breslauer Aktiengesellschaft für Möbel, Parquet und Holzarbeit Leipʒigerstr. 136, Fabrik in Breslau), mit einer getäfelten Zimmer⸗ wand in geschnitztem Eichenholz mit Intarsien in Natur und Schwarz⸗ eiche; nicht geringeren Werth besitzt eine sehr stilvoll gehaltene eichene Hausthür von Emil Koch, Elisabeth⸗Ufer 55, und eine eichenholz⸗fournirte Dausthür von C Hardt, Dorotheen str. 44. Einen freundlichen Anblick gewährt die von Osec. Nast, Belle. Alliancestr. 74, ausgestellte dolektion von Intarsien in Holz, Metall, Elfenbein Perlmutter und Schild⸗ att; ebenso seine fertigen Tische und Chatoullen mit Intarsien. Die Fabrikation des Asphalts, des Holicements, der Dachpappen ist durch eine größere Anzahl angesehener Firmen vertreten. In der reichen zon der Firma Töpffer C Schädel, Berrburgerstraße 4, bewirkten Ausstellung von atmosphärischen und elektrischen Haustele⸗ graphen, Ventilationsverschlüffen und Fernsprechern ist eine dem System der Rohrpost nachgebildete pneumatische De⸗ peschenbeföorderung sehr beachtenswerth. Als eine bautech⸗ nische. Spezialität zeigen Vilain & Co. Leipzigerstraße 107, ihr Mittel gegen den Hausschwamm: „Schwammtodt?“. Neben den verschiedenen Spiegeln und Salontischen von Karl Abel, Markus⸗ strahe 33 a, den Holzmosaik, und Marquetterie ˖ Einlagen von Stern, König u. Cie., Bukowerstr. 7, seien auch die Gold. und Politur⸗ leistenfabrifate von A. Werkmeister, Prinzenstr. 12, genannt.

In der oberen Etage des Deut schen Gewerbe⸗Museumt ist so⸗ eben die vor Kurzem augekaufte, ebenso umfangreiche wie in ihrer Art völlig einzig dastehende von Brandtsche Sammlung chinesischer und japanischer Kunstgegenflände in übersichtlicher und geschmackvoller Anordnung zur öffentlichen Ausstellung gelangt. So sehr der seit Jahren fortdauernd zunehmende Import aus jenen bei⸗ den Ländern die Kenntniß ihrer mannigfachen kunstinduftriellen Er= zeugnisse und die denselben gebührende hohe Werthschätzung bei uns verbreitet hat, so giebt doch erst ein so stattliches En semble, wie es uns hier entgegentritt, einen völlig zutreffenden Begriff von der geradezu erstaunlichen Fülle künstlerischer Schönheit und der nicht minder bewunderungswürdigen fouveränen technischen Meisterschast, üher die das vielgestaltige kunstgewerbliche Schaffen beider Volker gebietet. Unter den denkbar günstigsten Verhältnissen von dem früheren Minister⸗Residenten in Jedo, jetzigen Gefandten des Deutschen Reichs in Peting, Herrn M. von Brandt, vor Jahren angelegt und mit feinem Kennerblick fort und fort vervollständigt, umfaßt die Sammlung fast sämmtliche Zweige ostasiatischer Kunst⸗ industrie, beschränkt sich dabei aber unter vollstänvigem Ausschluß aller gewöhnlichen Marktwaare und aller etnographischen Raritäten auf die erlesensten Probestücke und vereinigt in sich vor allem eine in gleicher Reichhaltigkeit nicht blos in Deutfchland zum zwei⸗ ten Mal überhaupt kaum vorhandene Auswahl der besten Produkte älterer Zeit. Kostbare, in. Seide und Gold⸗ brokat gearbeitete Prachtgewänder nebst reich gemusterten Stoffen und Stickereien, denen sich drei herrliche chinesische Teppiche in Seide und Seidensammet hinzugesellen, repräsentiren die blühende Textilindustrie beider Länder. Daran schließen sich japanische Papier= tapeten und zahlreiche Malereien auf Papier und Seide, unter denen eine stattliche Kollektion von Fächern mit eft entzäckend anmuthiger Dekoration zu erwähnen ist. Zwei in Lackmalerei ausgeführte mehr⸗ theilige japanische Wandschirme, deren miniaturartig behandelte figür⸗ liche Darstellungen durch die geistreichste Frische ber Erfindung und Charakteristik fesseln, nebst einer alten, in geschnittenem Lack herge⸗ stellten chinesischen Wand leiten sodann zu den seltensten Lackarbeiten über, von welchen außer einem originellen Schränkchen in Gestalt eines Schiffes aus geschnittenem rothen Lack vor allem ein mit ganz hnlich behandeltem Ueberzug versehenes Glasgefäß, zwei schlanke Vafen, die nach Art von Zellenemail dekorirt sind, verschiedene Stücke aus völlig metallifch wirkendem Goldlack und namentlich auch zwei große in ebenfo reicher wie vollendet harmonischer Farben gebung mit unvergleichlichem Ge—= schic bemalte Theebreiter die eingehendste Beachtung fordern. Auf gleicher Höhe tadelloser Vollendung stehen ferner die in Jade ge⸗ schnittenen Arbeiten. unter denen ein zierliches Schreibzeug in Gestalt eines Kürbisblüthenzweiges auffällt, die unüber« trefflichen Schnitzereien in Holz und Elfenbein und die zum Theil verschiedenfarbigen und in Gold und Silber tauschirten Bronze—⸗ arbeiten, von denen in der gegenwärtigen Aufstellung ein schwung⸗ voll geformtes, mit Silber eingelegtes Becken mit zwei mächtigen emaillirten kupfernen Kohlenbehältern, zwei kolossalen Vasen und zwei flachen Schüsseln in feingetönter hellfarbiger Emaillirung zu einer imposanten Gruppe vereinigt ist, der fich überdies noch ein aus acht großen Emailplatten zusammengefetzter Wandschirm anschlteßt. Eine an⸗ sehnliche Kollektion von Stücken mannigfaltigster Form und Größe, unter welchen nur auf die graziös bemalten Theekannen aus dem Sommer⸗ palast zu Peking ausdrücklich hingewiesen sein möge, illustrirt neben jenen Prachtstücken sowohl die verschiedenartigen Techniken wie die gesammte geschichtliche Entwickelung des Emails in Japan und China, und daran reihen sich wieder auf der einen Seite die ganz eigenartigen, mit tranelucidem Schmelz in vertieften Feldern gezierten silbernen YJumanarbeiten sowie die in Gold und Silber mit Hinzu— nahme von Perlen, von verschiedenartigem Schmelz und aufgelegten blauen Federn gefertigten chinesischen Schmuck⸗ sachen, in denen die üppige Phantastik der aus Blüthen-⸗ jweigen und frei schwebenden Schmetterlingen, aus Schlangen, Drachen und anderem Gethier sich gestaltenden Formen im Vereine mit der denkbar raffinirtesten Technik wahrhaft wunderbare Schöpfun⸗ gen hervorruft. Den Beschluß der ganzen Sammlung endlich biiden die werthvollsten Porzellane, Fayencen und Steingutwaaren beider Länder, sowie ganze Reihen darunter allein 110 Tabakflaͤschchen von Vasen, Flaschen, Schalen und Dosen aus chinesischem Glas, das, in Europa bisher fast unbekannt, uns hier zum ersten Male in höchster technischer Vollendung und in einem fast unerschöpflichen Reichthum bald glühend leuchtender, bald weich und mild getönter Farben entgegentritt.

Bremerhaven, 2. Mai. (Ma deb. Zig.) Mit dem Lloyd⸗ dampfer „Neckar“ traf gestern eine aus 11 Perfsonen, nämlich 8 Indianern,? indianischen Squaws und 1 Halbblutmexikaner, be= stehende ,,, vom Stamme der Irokesen aus Canada, unter Führung ihres Häuptlings Okanewanka, hier ein, um sich auf dem europäischen Festlande sehen zu lassen und ihre ver⸗ schiedenen Gebräuche vorzuführen. Dieselben sind von dem bekannten Händler Reiche in Alfeld gewonnen worden und werden zuerst nach ie, er, a. M. gehen, von wo die auf drei Monate bestimmte

undreise ihren Anfang nehmen soll.

Redacteur: J. V.: Riedel.

Verlag der Expedition (Kessesl) Druck: W. Elsner.

Drei Beilagen seinschließlich Börsen⸗Beilage).

Berlin:

M 107.

Erste Beilage K zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Dannerstag, den 8. Mai

1879.

Aichtamtliches.

Berlin, 8. Mai. Im weiteren Verlaufe der vorgestrigen G8.) Sitzung setzte der Reichstag die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend den Zolltarif des deut schen

ollgebietes, fort. Der Abg. Freiherr von Varnbüler er⸗ lärte, er würde in der Generaldiskussion das Wort gar nicht ergriffen haben, da dieselbe die Gegensätze mehr zuspitze als ausgleiche, und da er sich in einer Art Zollübersättigung he— finde, aber seine persönliche Stellung zur Frage und die An— griffe auf den Tarif hätten ihn vermocht, es doch zu thun. Der Abg. Delbrück habe dem Zolltarif den Vorwurf gemacht, daß er einer systematischen Logik huldige. Diesen Vorwurf könnte er acceptiren, als Schild gegen den Vorwurf der Kopf⸗

ö—

losigkeit, Gedankenlosigkeit und des Mangels an Logik, den

der Abg. Bamberger gegen den Tarif erhoben habe. In⸗ dessen schn im April, 187, habe er (Redner) den Satz aufgestellt, ein Prinzip solle zwar nicht den ganzen Zoll— tarif beherrschen, aber die Willkürlichkeit, welche durch die Ent— stehung des bisherigen Tarifs und das lihernm veto der ein— zelnen Staaten bedingt sei, müßte abgeschafft werden. Red—⸗ ner ging alsdann zu den einzelnen Behauptungen des Abg. Delbrück über, von denen die meisten in der Spezialdiskussion widerlegt werden würden. Er wolle nur auf einige derselben jetzt eingehen. Zunächst die Steuer auf Eier anlangend, die theil⸗ weise zur Photographie⸗Industrie benutzt würden, so importire Deutschland jährlich 765 000 Ctr. Eier, von denen 72 900 Ctr. zur Herstellung von 20 000 Ries photographischen Papieres verbraucht würden, es blieben also noch fast 700 000 Centner Eier, um den Frühstückstisch zu garniren; deswegen brauche man also keine Besorgniß zu haben. Ein Ries photographi⸗ schen Papiers habe einen durchschnittlichen Werth von 150 4; bei einem Zollsatze von 1,50 auf den Centner betrage die Steuer auf ein Ries, zu dem 360 Eier, also etwa MM Ctr. gebraucht würden, gerade 50 8, um so viel würde das Photographische Papier also vertheuert werden; und trotz dieser Kleinigkeit ergebe die vorgeschlagene Steuer bei einem Import von 65 900 Ctr. Eiern etwa eine Million Mark Einnahme für das Reich, die dasselbe keinenfalls entbehren könne. Dann sei der Zoll auf Floretseide als ganz besonders erschwerend hingestellt, da die Crefelder Seidenindustrie dieselbe nöthig habe und man ihr durch einen 369. entziehe, was man in Deutschland nicht er⸗ setzen könne. Deutschland habe 11 Fabriken für Floretseide, im Elsaß und 4 in Baden, mit 40 000, oder nach anderen Nachrichten 51 000 Spindeln. Von diesen würden 320 000 Ctr. Floret⸗ seide produzirt; die Crefelder Industrie gebrauche 1590 000 Ctr., man könne also nicht sagen, daß Crefeld durch den Zoll seine Floret⸗ seide verliere Wenn auf 1090 kg ein Zoll von 124606 gelegt werde, so sei das 1/3 Proz., vom Werthe. Die Spezialdiskussion werde das Nähere ergeben, aber man ersehe doch schon hieraus, daß die Tarifkommission auch ihre Gedanken gehabt habe. Was die. Menschenhaare anlange, so könnten Diejenigen, welche Chignons und Pexrücken trügen, auch wohl noch einen Zoll dazu tragen. Dieser Industriezweig könne sich also durch eine Erhöhung der Proyvision schadlos halten. Der Baumwollen⸗ zoll sodann betrage höchstens 1 Proz., durchschnittlich 1/ Proz., aber oft weniger. Ein Zoll von 1 Proz. mache auf den Centner ungefähr 9,6 , und dadurch würde der arme Mann, der für ein Paar Baumwollenhosen ? 3 mehr bezahlen müsse, doch wirk⸗ lich nicht geschädigt. Darin stimme er aber mit dem Abg. Delbrück überein, daß, nachdem Oesterreich durch Annahme eines höheren Zolltarifs die Erwartungen, die man 1868 von dem⸗ selben hatte, nicht erfüllt habe, Deutschland seinen Tarif er— höhen könne. Nicht nur Oesterreich, auch Nordamerika, Frank— reich und Rußland hätten ihre Tarife erhöht, während Deutsch⸗ land den seinigen seit 1868 stetig erniedrigt habe. Zu einer Revision des Tarifs zwinge Deutschland, außer dieser Disparität schon die Rolle, welche die deutschen Unter— i in Wien gespielt hätten, die mit dem entblätterten olltarif, den der Reichstag noch mehr herabsetzen wollte, überall ausgelacht seien. Wenn das Haus auf Handelsverträge so großen Werth lege, so mache man einen Zolltarif, mit dem man in Wien gehörig auftreten könne. Nun sei der Aus⸗ arbeitung des Tarifs der Vorwurf der Eile und Oberflächlichkeit gemacht worden. Keiner habe dies mehr empfunden als die Kom— mission selbst. Aber wer . dieselbe denn in diese Zwangs—⸗ lage gebracht? Habe er (Redner) nicht schon im April is 7 im Namen von 143 Mitgliedern dieses Hauses den Antrag ge⸗ stellt, ganz gründlich die wirthschaftlichen Verhältnisse Deutsch— lands zu untersuchen? Habe nicht gerade die Partei Bam— berger und Genossen den Antrag auf eine Enquete verhin⸗ dert? Der Kommission könne man den Vorwurf nicht machen, wenn die Zeit so beschänkt gewesen sei. Die be⸗ schränkte Zeit liege auch in der Nothwendigkeit, in diesem Jahre die Sache abzuschließen. Hätte die Nothwendigkeit vor⸗ gelegen, einen autonomen Tarif auf anderer Basis zu grün⸗ den, so wäre der provisorische . mit Oesterreich nicht abgeschlossen worden. Dieser laufe mit dem 1. Januar 1880 ab. Die größte Schwierigkeit aber liege in der mangel⸗ haften Statistik. Nie habe er den Satz Alexander von Hum⸗ boldts, daß der Mensch durch seine Verhältnisse beherrscht werde, mehr bestätigt gefunden, als jetzt. Die Interessen ätten die Meinungen unklar gemacht, und es sei chwer, das Richtige zu finden. Der Deutsche ei geneigt, Alles in ein System zu bringen und so solle auch beim Tarif zwischen Finanzzoll und Schutzzoll unter⸗ schieden werden. In jedem Finanzzoll aber sei noch ein kleines Stück Schutzzoll. Der Schutzzoll sei nach feiner Auffassung das Gegentheil eines inanzzolles, denn wenn er richtig gedacht sei, vermindere er die Einnahmen, statt sie zu ie, Ueber die finanzielle Wirkung des Tarifs zu sprechen, sei kaum zweckmäßig, da es sich noch einer genauen Berechnung entziehe, wie viel er der Reichskasse eintragen würde, seiner Berechnung nach im Maximum 55 Millionen, im Minimum 45 Millionen. Ueber 58 aber werde man ein— chließlich der Finanzzölle, das heißt der sogenannten Heidel⸗ erger Artikel nach seiner Ueberzeugung nicht kommen. Ob diese Ziffern richtig seien, wisse er nicht; er könne nur sagen, daß er gesucht habe, sie genau festzustellen. So viel stehe aber bei ihm fest, daß der Tarif an und für sich für das Einnahme—

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bewilligungsrech! des Reichstages nicht von entscheidendem Ein— Einfluß sei, denn der Tarif werde jedenfalls weit unter dem Be⸗ trage der Matrikularumlagen stehen bleiben. Zur Charakterisirung des Zolltarifs könne er zu den heutigen Ausführungen des Regierungskommissars noch hinzufügen, daß es beinahe gar kein Halbfabrikat gebe, welches nicht selbst unabhängig ange— wendet werde und in dieser Eigenschaft ein vollständiges Fa—⸗ brikat sei. Die Unterscheidung zwischen Rohstoff und Halb— und Ganzfabrikat sei eigentlich eine willkürliche. Trotzdem habe man mit diesem Begriff zu rechnen. Die Kommission habe beinahe ausnahmslos Dasjenige, was man im gewöhnlichen Sprachgebrauch „Rohstoff nenne, vom Zoll freigelassen. Nur bei der Holzborke könnte man das bestreiten. Hier sei entscheidend, daß man sage, in einem Lande, wo die Gesetz— gebung aus Wohlfahrtsgründen den Eigenthümer ausnahms—⸗ weise so beschränke, wie es beim Waldbesitze der Fall, sei sie auch verpflichtet, den Waldbesitzer, weil er seinen Wald nicht devastiren dürfe, gegen die Konkurrenz der Waldbesitzer in Kroatien, Slavonien, Galizien zu schützen, welche ihre Wälder nach Belieben ausbeuten könnten. Belaste man die Halbfabrikate, wie Garn, mit einem Zoll, so erschwere man die Anwendung desselben Demjenigen, der es zu ver— wenden habe. Wenn man davon ausgehe, daß die Aufgabe der Zollpolitik die Theilung der Arbeit sei, daß also das Spinnen Sache der Engländer, das Weben Sache der Deutschen sei, so komme man natürlich bei Ermessung der Garnzölle auf einen andern Standpunkt, als derjenige, welcher das Gesammtgebiet der Industrie zusammenfassen und es möglichst dahin bringen wolle, daß die Nation mit den ein— zelnen Zweigen ihrer Industrie selbständig dastehe und ein abgerundetes Ganzes bilde. Die Positionen des Tarifs möchte er nun so stellen, daß die fremde Waare nicht absolut ausge⸗ schlossen sei aus Deutschland, daß es ihr aber nicht gar so bequem gemacht werde, Deutschland zu überfluthen, und zwar dadurch überdies nicht so bequem gemacht werde, daß die fremde Waare in ihren Frachtverhältnissen viel besser bedacht sei als die inländische. Dem Satze des Zollschutzes stehe der Satz der Freihändler gegenüber, man habe stets da zu kaufen, wo man am wohlfeilsten kaufe. Der Abg. Reichen⸗ sperger habe diesen Satz in klassischer Weise widerlegt. Er verneine auch den Satz, daß eine Nation in erster Linie den Export berücksichtigen müsse. In erster Linie müsse eine Nation sich auf den inländischen Markt stützen. Eine Industrie, die nur mit dem Auslande zu verkehren habe, sei stets in einem fieberhaften Zustande. Der ganze Export sei mehr spekulativer als produzirender Art. Das gelte aber doppelt von dem deutschen Export. Deutschland seipolitisch heute vielleicht die mächtigste Nation der Welt, aber auf dem ausländischen Markte eine Art Aschenbrödel. Der Engländer träte auf den fremden Markt entweder in seinen Kolonien oder gestützt auf sein altes Renommèé, seine außer⸗ ordentlich mächtige Flotte, theilweise auch auf seine persönliche Brutalität. Der Franzose habe den Nimbus der Eleganz für sich und die Mode. Die deutschen Waaren müßten sich auf dem fremden Markte erst einbürgern, und dies thäten die auf dem innern Markt geschützten Industrie am meisten. Je . der Zoll, desto größer der Export. Die Zollerhöhung önne also den Export nicht schäbigen. In Nordamerika sei das Schutzzollsystem erst 1860 eingeführt, werde also erst 1870 angefangen haben zu wirken. Nun habe die Tragfähigkeit der aus Nordamerika exportirenden Schiffe in Tons im Jahre 1870 600 009, im Jahre 18735 aber 960 900 betragen. Un⸗ efähr ebenso groß sei der Import gewesen. Einfuhr und usfuhr, namentlich letztere hätten also unter dem Schutzzoll nicht gelitten. Auch er freue sich mit dem Vorredner stets, wenn neue Hebel angesetzt würden zur Belebung des nationa⸗ len Gefühls, und er glaube, Nichts diene hierzu so sehr als eine nationale, in sich abgeschlossene Industrie, nicht allein im Innern, sondern auch dem Auslande gegenüber. Das Aus⸗ land würde sehen, daß Deutschland sich seiner Nationalität bewußt sei, wenn es nun auch eine Gesetzgebung mache, durch welche es die Arbeit seiner Nation schütze. Deutschland sei in dieser Beziehung viel schlimmer daran als andere Länder, denn es habe in seinem Geschmack gar nichts deutsches. Die Redens⸗ art: „es ist nicht weit her“ drücke es auf eine entschiedene und beschämende Art aus, daß die Deutschen geneigt seien, das Fremde höher zu achten als das Eigene. Um so mehr bedürfe daher die Industrie eines gesetzlichen Schutzes. Dieser Schutz sei noch lange keine an n gh Agitation. Er verstehe den Kampf mit dem Sozialismus nicht dahin, daß man nicht die Pflicht haben sollte, dem deut⸗ schen Arbeiter so viel Arbeit als möglich zu schaffen. Er habe für das Sozialistengesetz gestimmt, weil er die Bewegung * eine ungesetzliche, destruktive gehalten habe. Aber darum iege ihm die Arbeit des deutschen Arbeiters nicht weniger am . als irgend einem Anderen, und wenn man von taatswegen darauf hinwirke, so agitire man nicht sozialistisch, sondern erfülle nur eine Pflicht der Moralität. Er schließe mit einem Worte, welches der berühmte Staatsmann und Nationalökonom Thiers im Jahre 1870 ausgesprachen habe: „Wir wollen der Nation Arbeit schaffen und sie ihr erhalten, wo sie welche besitzt.“

Der Abg. Sonnemann bemerkte, in Betreff der Finanz⸗ und Schutzzölle stehe er ganz auf dem Standpunkt, den der Abg. Richter in seiner letzten Rede entwickelt habe. Der Vor⸗ redner habe aus den Verhandlungen über den österreichischen Handelsvertrag gefolgert, daß auf diesem Wege für das Reich nichts mehr zu erreichen sei; Deutschland müsse erst einen selbständigen Tarif haben, Er möchte doch fragen, ob die deutschen Unterhündler nicht mehr erreicht hätten, wenn sie andere Instruktionen gehabt hätten, und wenn der Zolltarif vielleicht etwas freihändlerischer gewesen wäre. Frankreich sei in derselben Lage gewesen wie Deutschland; es habe Verträge mit Italien und England. Und dennoch habe Frankreich sich Zeit gelassen; es habe den Handelsvertrag mit England verlängert, nur um Zeit zu gewinnen zur Feststellung seines Tarifes, und es würden bis dahin vielleicht noch zwei Jahre vergehen. Hier sei die Sache in zwei Monaten abgemacht worden. Von den Baummwollen⸗ waaren habe man gesagt, der innere Markt falle hauptsächlich ins Gewicht, der Export sei prekär. Man müsse doch erst

untersuchen, ob die deutschen Fabrikanten nicht weiter vorge⸗ schritten seien, ob sie nicht den inneren Markt beherrschten und daneben noch exportirten. In Betreff der Baumwolle kümmerten sich die Motive gar nicht um die Resultate der Enquete. Die Krefelder Handelskammer habe gegen diesen Theil der Motive eine so scharfe Anklage erhoben, daß man eine Erwiderung der Regierung wohl erwarten könne. Wenn man die Enquete mit den Moltiven vergleiche, so müsse man wirklich sagen: von einer Regierung seien selten zwei so ver— schiedene Aktenstücke ausgegangen. Man habe die Protokolle und den Bericht der Enquete nur darum so lange sekretirt, um dem Reichstag nicht die genügende Zeit zu lassen, sie genau zu studiren. Der Redner führte nun aus, wie die Motive den Resultaten der Enquete, wie sie im Bericht niedergelegt seien, vollkommen widersprächen; nach den Moti— ven sollten die Ursachen des Rückganges der Spinnerei schon älteren Datums sein, während der Enquetebericht sage, daß erst mit Anfang 1877 die Schwierigkeiten hervorgetreten seien. Dann werde der Import von Baumwollenwaaren in ganz verschieden gearteten Jahren verglichen: 18456 sei ein exceptionell großer Import, 1864 ein sehr geringer ge— wesen, weil der amerikanische Krieg überhaupt die Baum— wollenindustrie herabdrückte. Was Deutschland an baumwolle— nen Garnen importire, seien zur Hälfte Spezialitäten, zur Hälfte solche Sachen, bei denen es sich um die billigere Fracht handele. Süddeutschland verarbeite nur 2 Proz, aus⸗ ländischer Garne. Die Rentabilität der Spinnereien sei noch lange nicht so schlecht, als man annehme; wo wirklich un⸗ günstige Resultate erzielt seien, seien die Etablissements irrationell angelegt oder schlecht geleitet gewesen. Speziell in Elsaß⸗Lothringen hätten die Spinnereien, die sich den Be— dürfnissen des deutschen Marktes anbequemt hätten, von 1872 75 entschieden prosperirt; dagegen müsse man auch darauf hinweisen, daß die elsässische Spinnerei trotz der enormen Schutzzölle, die sie unter französischer Herrschaft ge— nossen habe, doch nicht leistungsfähig genug geworden sei, um eine freie Konkurrenz aushalten zu können. Als die süd— deutschen Spinner sich vereinigten, um die herrschende Ueberproduktion zu mäßigen, hätten sich die Elsässer geweigert, darauf einzugehen. Die höheren Zölle würden das Rohmaterial vertheuern und damit, den Export er— schweren, der schon jetzt unter den ungünstigsten Konkurrenz⸗ verhältnissen leide. Auch die Herren vom Centrum würden sich wohl noch überlegen, ob sie den Schutzzöllen voll und ganz zu⸗ stimmten; denn sie hätten sich schon vielfach für die Erhaltung der Kleinindustrie interessirt. Die Spinnereien seien Groß⸗ industrien, und was machten die 193 000 Arbeiter der Spinnereien gegen die 1061 000 Arbeiter der übrigen Textil⸗ industrie aus? Er hoffe, trotz der Erklärung des Abg. Reichen⸗ sperger würden die Herren vom Centrum seine Partei noch unterstützen und es werde das Wort des Abg. Windthorst zur. Wahrheit werden, daß jeder Versuch, die handels— politischen Grundsätze von 1865 gänzlich zu beseitigen, scheitern werde. ö . Der Abg. von Bennigsen führte aus, der Reichstag stehe jetzt vor der schwierigsten und verantwortungsvollsten Aufgabe, welche denselben seit der Errichtung des Deutschen Reichs be⸗ schästigt habe. Dadurch werde die Schwierigkeit noch bedeu— tender, daß sich die wirthschaftlichen Anschauungen, wie sie im Reichstage vertreten seien, sich nicht vollkommen mit dem poli— tischen Programm der einzelnen Parteien deckten. Es sei eine ungewöhnliche Situation, der der Reichstag sich gegenüber sehe, sie stehe im vollkommensten Gegensatz zu den Inten— tionen, die noch vor kurzer Zeit in den Regierungen und deren hervorragendstem Leiter geherrscht hätten. In rascher Folge hätten sich die Anschauungen des Reichskanzlers über wirthschaft⸗ liche Fragen außerordentlich geändert; noch vor Kurzem sei nicht die Rede von einem umfassenden Schutzzollsystem ge⸗ wesen. Man habe in erster Reihe das Finanzbedürfniß des Reichs mit einer allgemeinen Eingangsabgabe zu decken ge— sucht und eine Reihe von einträglichen Finanzartikeln in Aus— sicht genommen für bestimmte nothleidende Industrien. Wenn er nun hoffe, daß trotz der außerordentlichen Schwierigkeiten der Situgtion dennoch das Resultat im Großen und Ganzen ein für Deutschland heilsames und ersprießliches sein könne, so entnehme er das Recht zu dieser Hoffnung daraus, daß man im Reichstag genug Sachkunde und Patriotismus habe, auch einer schwierigen Aufgabe gegenüber nicht zu verzweifeln. Seine Partei zähle sich eigentlich weder zu den Freihändlern, noch zu den Schutzzöllnern; er halte es gar nicht für die Aufgabe der Ge⸗ setzgebung, von solchen doktrinären Gesichtspunkten die Gesetze für die Nation aufstellen zu sollen; das sei die Aufgabe der Lehrer der Wissenschaft. Die n,, , habe die Verpflich⸗ tung, an der Hand der wirthschaftlichen Verhältnisse, wie sie im großen Zusammenhang im Lande sich darstellten, die That⸗ sache klar zu erkennen und danach die Gesetze einzurichten. Es handele sich dabei nicht blos um die Verhältnisse in Deutsch⸗ land, sondern auch um Verhältnisse in anderen Ländern, mit denen Deutschland in erster Reihe in Verkehr stehe. Vom legislatorischen Standpunkte aus halte er daran fest, daß die Behandlung der wirthschaftlichen Fragen eine wechselnde sein könne, nach dem Wechsel der augen⸗ blicklichen Situation, nach dem Wechsel der Verhältnisse. (Abg. Richter Hagen: und der Ansichten des Kanzlers. Wenn der Abg. Richter glaube, daß die Ansichten des Kanzlers einen erheblichen Einfluß auf seine Meinung hätten, so müsse er das zurückweisen. Er habe die Unabhängigkeit seiner Mei⸗ nung genügend und noch vor einem Jahre in eklatanter Weise be⸗ wiesen. Wenn allerdings jetzt die europäischen Staaten mehr autonome Zolltarife machten, als Verträge speziell mit Deutsch⸗ land abschlössen, so müsse auch die Zollpolitik Deutschlands natürlich zu anderen Resultaten gelangen. Wenn man be⸗ haupte, ba die deutsche Zollpolitik die ö Rich⸗ tung in andern Ländern befördert habe, so sei das eine Ver⸗ wirrung in der Chronologie. Für die Entschließung anderer Länder sei nicht die Agitation, sondern die gesetzgeberischen Akte in Deutschland maßgebend, und in dieser Beziehung habe man unter der Herrschaft des französischen und österreichischen Han⸗ dels vertrages hn. Gegenleistung dieser Länder die deutschen Gesetze im freihändlerischen Sinne geändert. Von den Vor⸗