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stellungen, durch Wahrnehmung aller sonstigen Interessen der Vieh zucht, bezüglich Viehhandel, Transport von Vieh auf Eisenbahnen, Seuchen Gesetzgebung u. s. w., sowie durch Anregung, durch Aus— tausch, Sammlung von Erfahrungen u. s. w.
— Der „K. Hart. Ztg.“ schreibt man unterm 14. Mai: Lau— auswärtigen Nachrichten ist am letzten Sonnabend ein Strich des Gumbinner Regierungsbezirks, sowie der Rastenburg und Allensteiner Kreis von einem schrecklicher Ha gelwetter heimgesucht worden, welches viele Raps. und Roggenfelder fast total zerschlagen hat. Die Schlossen in der Größe von Taubeneiern lagen noch bis zum andern Tage auf den Feldern. An mehreren Stellen in Litthauen entlud sich gleich darauf ein wolkenbruchartiger Regen, der ganze Gräben ausriß und die frisch gesetzten Kartoffeln aus der Erde spülte.
— Dem jüngst veröffentlichten Berichte des österreichischen X. K. Ackerbau ⸗Ministeriums über den Stand der Saaten 'in Oesterreich Ungarn Ende April entnehmen wir folgende Mittheilungen: Die zweite Aprilhälfte war durch anhaltend niedere Temperatur, welche jedoch nur ausnahmsweise den Gefrierpunkt er— reichte der unter denselben herabging und durch oft wiederholte Niederschläge charakterisirt. Die Abweichungen von diesem Witte rungsgange waren verhältnißmäßig wenig bedeutend. Für die Wintersaaten war die Witterung in den meisten Fällen günstig, da erstere, von schnellerem Wachsthum zurückgehalten, in dem feuchten Boden sich kräftig bestocken konnten, und ist der Stand der Winter— saaten im Allgemeinen als ein befriedigender, zu den besten Hoffnun— gen berechtigender zu bezeichnen. Ueber den Raps liegen beinah. durch— gehends nur günstige Nachrichten vor. Der Anbau der Som mersaaten ging auf sandigem Boden und in den Gegenden, welche sich einer mäßig seuchten Witterung erfreuten, rasch vor fich, war dagegen auf schwerem Boden und in Gegenden mit anhaltenden Regengüssen sehr gehemmt, zu einem nicht ganz unbeträchtlichen Theile fogar fast gänzlich auf— gehalten. Die zeitlich gebauten Saaten sind größtentheils sehr gut aufgelaufen und bestocken sich theilweise bereits kräftig. So weit die Berichte reichen, war der Anbau der Kartoffeln und Zucker— rübsen nur im Binnenlande Böhmens und eirigen angrenzenden Bezirken, dann in einigen namentlich südlicheren Gegenden Unzarnk, scwie in Siebenbürgen beendet, während in Galizien und in vielen Gegenden Niederösterreichs, Mährens und Ungarns der Anbau sich mit Rücksicht auf die große Bode nnässe voraustfichtlich ungewöhnlich lange verzögern wird. Das Gleiche gilt von Mais in meisten Gegenden, namentlich Ungarns und Kroatiens, sowie des Küsten— landes und Südtirols. Klee und Wiesengras entwickeln sich in den meisten Lagen gut, sind namentlich meist dicht gewachsen, versprechen demnach reiche Futterernten. Im südlichen Ungarn wurde Luzerne und im Küstenlande wurde Inkarnatklee bereits ge— mäht. Der Hopfen entwickelte kräftige Trlebe; in Böhmen war derselbe geschnitten und wurde an die Stangen geführt; in Galizien war man Ende April noch mit dem Schneiden beschäftigt. Der Wein hatte bei Arad bereits 15, bei Herman stadt 5 em lange Teiebe ent— wickelt und in Dalmatien seit 0. April, in den besten Lagen Süd⸗ tirols in den letzten Tagen des Monats Ap il Träubchen anzusetzen begonnen. In den meisten Gegenden aber zeigt er sich zwar gesund, wächst aber nur langsam. Der Blüthenknospenansatz war bei den wichtigeren Obstsorten in den meisten Gegenden ein sehr reichlicher. Vom Regen wurde viel, von den Frösten hingegen bisher nur sehr wenig Blüthe betroffen.
Rudelstadt, 15. Mai. (Leipz. Ztg.) Die Ernteaus— sichten sind für weite Gebiete Thüringens nicht günstig. Die großen Schneemassen des lang anhaltenden Winters und der an— dauernde kalte und trockene Nordostwind haben die Wintersaaten so geschädigt, daß inan viele Felder hat umpflügen müssen; was übrig geblieben, hat bei der mangelnden Wärme kein rechtes Wachsthum; ebenso steht es mit den Futterkräutern. Die Obftkäume, die mit reichen Knospen bedeckt sind, können nicht zur Blüthe kommen. Die Sommersaaten sehen ebenfalls noch kümmerlich aus. Die Aus— sichten sind trübe, wenn nicht bald Wärme und milder Regen eintreten.
Gewerbe und Handel
Nachrichten aus Warschau zufolge ist daselbst die Rinder— pest ausgebrochen.
Ein Stück ist gefallen, während zwei getödtet worden sind.
— In der Generalversammlung der Preußischen Kredit— An stalt in. Ligu. vom 15. d. M. wurde der Verkauf der restlichen zur Zeit uneinziehbaren Außenstande genehmigt und Decharge ertheilt Die auf die Aktien entfallende Schlußquote beträgt M 5,16 pro Stück.
— Dem Rechenschaftsberichte der „Germania“, Lebeng⸗— Versicherungs⸗Aktien Gesellschaft zu Stettin für das Jahr 1678 entnehmen wir Folgendes: Für saͤmmtliche Abtheilungen des Geschäftes, umfassend die eigentliche Lebensversicherung, Be— gräbnißgeldversicherung, Versicherung von Kapitalien auf den Lebens— fall und mit bestimmter Verfalljeit, Rentenversicherung auf den Todes- und Lebensfall, lagen zur Erledigung vor: M737 Änträge auf 30 267 121 ½ Kapital und 27 545 M. jährlicher Rente. Hiervon wurden angenommen: 6541 Anträge mit 20137596 M Rapital und 26 311 „. jährlicher Rente, abgewiesen und nicht realisirt: 2939 Anträge mit 9 565 200 S½ Kapital und 1034 S jährlicher Rente, als unerledigt auf 1879 übertragen: 257 Anträge auf 564 325 M Kapital und 199 66 jährlicher Rente. Nach Abzug der durch Tod und bei Lebzeiten Ausgeschiedenen blieben Ende 1878 versichert! 124 858 Personen mit 223 877 505 S, Ka- bital und 105554 S jährlicher Rente. In diesem Be— stande sind 15 599 Versicherungen mit 74 175 896 S Kapital ent— halten, welche nach dem von der Germania 1871 eingeführten Modus der Versicherungen mit Anspruch auf Dividende abgeschlossen sind. Die Jahresprtämse für diese Versicherungen stieg um 395 110 4. auf 2736 428 M , die seit 1871 aus dem Gesainmtreingewinn des Ge— schäftes zur Vertheilung überwiesene Dioidende um 738 836 S6 auf 2810211. 4, der Prozentsatz der Dividende auf 270½ der gezahlten Jahrekprämie gegen 2609/0 im Vorjahre, während die verficherte Summe um 8 711 444 6 genachsen ist. Das finanzielle Ergebniß des letzten Jahres ist das günstigste seit dem Bestehen der Gesell⸗ sckaft Die Prämieneinnahme stieg um 327 107 ½ auf? 496 352.6, die Zinseneinnahme auß den Geldanlagen um 167 513 66 anf 16186000 M (Durchschnittszinsfuß 5.064 ͤ65. Von dieser Einnahme wurden rerausgabt 37½ mit 3 401 59i „ für durch Tod und bei Lebzeiten der Versicherten fällig gewordene Kapitallen und Renten, sgs-für Prämien⸗-Rückgewähr, Rückversicherung und Abgangẽent— schädigung an ausgeschiedene Versicherte Und nahezu 130½ für Ver— waltungskosten. Dem Prämien Reserrefond wurden aus der Ein— nahm« des vorigen Jahres 28060 mit 2572 307 0 überwiesen und dessen Gesammtsumme hierdurch auf 31 850 304 „ gleich 14, 235 des versicherten Kapitals erhöht. Nach Deckung aller Ausgaben und Verpflichtungen der Gesellsc aft verblieb ein Reingewinn von 1295489 S, aus welchem die Aktionäre 133, ihrer auf die Aktien (eleiseten Einzahlungen mit 240 000 M und die mit Anspruch auf Dividende Versicherten 276 ihrer 1878 gezahlten Jahresprämien mit 738 836 66 erhalten, während 129 5435 ½ò der Kapitalreferve überwiesen und 166 946 „, auf dem Konto für unvorhergesehene Ausgaben zarückgestellt wurden.
. as „Dresdn. Journ. theilt folgenden weiteren, vom 16. d. M. datirten Bericht ron der Leipziger Ostermeffe mit: In Seidenwagren ist die Messe außerordentlich still verlaufen. Sie beschränkte sich auf wenige Tage und hatte nur eine kleine An— zal Käufer des In und Auslandes herangezogen. Glatte Taffete und Vaffetbänder waren ganz vernachläfsigt. In Cachemirs zeigte sich etwas mebr Begehr. Sammete, namentlich Velours, gazes und roxyés, waren gesucht, und Sammeibänder fanden reichlichen Absatz. Diese Artikel scheinen einer besseren Zukunft entgegen zu gehen. Wahrscheinlich werden sie eine Preiserhöhung erfahren. — In Leinen“, Halbleinen Baumwollenwaaren, sowie in Bettzeug, Drell, Tischzeug und Handtüchern war die Ostermesse recht flau. Der Grund dafür dürfte darin zu suchen sein, daß Käufer, welche haupt—
sächlich wieder schwerere Waaren suchten, niedrigere Preise als bisher anlegen wollten, welche indeß von den Fabrikanten nicht bewilligt werden konnten, da eben die gebotenen Preise mit dem um 5 = 16 0, theurer gewordenen Rohmaterial nicht in Einklang zu bringen sind; Fabrikanten behielten daher bedeutende Lager übrig.
— Ueber die telegraphisch bereits gemeldeten Fallim ente im englischen Eisengeschäft theilt die „Allg. Corr.“ Folgendes mit: Die mit einander assoeiirten Eisenfirmen Hopkins, Gil kes K Go. (Limited) und Lloyd & Go. in Middlesborough haben ihre Zahlungen eingestellt. Die Passiea der letztgenannten Firma belaufen sich auf circa 400 06 Pfd. Ster, während die Ver⸗ bindlichkeiten von Hopkins, Gilkes Co. nur circa 196 005 Pfd? Sterl. betragen und durch die Aktiva mehr als gedeckt werden dürften. Das nominelle Kapital der Compagnie betrug 675 000 Pfd. Sterl. in Aktien von je 15 Pfd. Sterl., und 540 005 Pfd. Sterl. oder 12 Pfd. Sterl. pro Aktie sind bis jetzt eingezahlt. Man er⸗ wartet, die Liquidation werde einen beträchtlichen Üeberschuß für die Aktionäre ergeben. Die Zahlungseinstellung von Lloyd C Co. wurde dadurch veranlaßt, daß die Firma, Kraft eines richterlichen Befehles, eine beträchtliche Summe an den Erben eines verstorbenen Associés zu zahlen hatte. Die Skerne Iron Company (Limited) in Darlington hat in Folge empfindlicher Verluste ebenfalls ihre Zahlungen eingestellt. Das Kapital der Gesellschaft beträgt 200000 Pfd. Sterl. und ist voll eingezahlt.
Verkehrs⸗Anstalten.
, Dampfer . A. E. Norden skjsld!⸗ ist heute früh von hier abgegangen. Derselbe hat eine Besatzung
von 16 Mann. New⸗9York, 16. Mai. (W. T. B.) Der Dampfer des
Norddeutschen Lloyd Main!“ ist hier eingetroffen.
Berlin, den 17. Mai 1879.
Berliner Gewerbe-Ausstellung 1879. VI.
Die Papierindustrie (Gruppe III.) rechtfertigt in der Man nichfaitigkeit der ausgestellten Artikel, in der Sauberkeit und Eleganz der Arbeit, den alten Ruf, dessen sich die Berliner Fabrikate im In— und Auslande erfreuen. Neben einem Aufbau zon Glacs-⸗ und Natureartonpapieren in verschiedenen Farben finden wir eine durch ihr reizendes Arrangement, die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich lenkende Gruppe von Farbenpapieren, Bouquetpapierer, Bouquetdüten aus Papier, Carton, Tarlatan, Sammet und Seide, von Haltern, Topf⸗ schleiern, Blumenkörben ze., sowie eine reiche Sammlung der aus- erlesensten Luxus- und Spitzenpapiere, Blonden, Manschetten in Atlas, Sammet und Mull, Brüsseler Tortenpapiere, Tablettes, Enveloppen, Topfmanschetten und Streifenpapiere. Ein zierlich gearbeiteter Kiosk birgt Muster von Gratulationskarten, Reliefs, Chromobogen, Karten und Patent-Papierbuchstaben. Ebensowenig fehlen auggeschlagene und geprägte Beuquet«, Torten, und Konfektpapiere; Zilerftücke Körbchen 2c. — aus Papier, wie auch aus Papier in Verbindung mit Atlas, Seide und Sammet; GCotillon⸗ und Dessertgegenstände, als Knallbonbons mit scherzhaften Ei lagen, Papierkostüme in natür⸗ licher Größe wie auch en minjature. Sauber hergestellte Papier— wäsche gleicht täuschend dem seinsten Linnen und ist für einen billigen Preis zu erstehen. Von der Bearbeitung des Papierstoffes zu hen verschiedensten gewerblichen Zwecken wenden wir uns zu den Buregu— artikeln, zu den Mal und Zeichenapparaten, zu den fein präparirten Oel“, Aquarell- und Pastellfarben, den farbigen Krelden, zu den Paus, Chablonen, Mal und Kopirpapieren in allen Farben, zu den Dinten, Ausziehetuschen, Farben, Firnissen, Druckfarben, zu dem flüssigen Leim und dem Gummi. Auch Tapeten aller Art, in Velours und farbigen Bronzen, Nachahmungen von Brokatstoffen und Leder tapeten in Hechpräge, sowie echte Ledertapeten sind in allen Farben und Mustern vertreten; in nächster Nähe alsdann die derberen Stoffe der Pack und Dütenpapier‘, sowie der verschiedenen Sorten
von Pappe aus Tauen, Lumpen, Papier, Stroh und anderem!
Material. . Einen ausgedehnten Raum im Ausstellungs gebäude nimmt die Kurz- und Galanteriewagren«Industrie (Gruppe VI.)
in Anspruch. Vorüber an den Spielwaaren, Puppen und Bürsten,
welche die erste Klasse füllen, wenden wir uns zu ener überraschend reichen Auswahl von Gegenständen der verschiedensten Art, die aus Bronze, Zinkguß, Galvanoplastik, aus Leder, Elfenbein, Meerschaum und Perlmutter kunstvoll gefertigt sind. Hier sehen wir por Allem die Modelle zur deutschen Kalser⸗ und Kaiserinkrone, daneben RKüstungen in Eisen, verschiedene getriebene Helme in Bronze unf, Eisen, Schilde und altgermanischen Bronzeschmuck. Aus einer reichen Ausstellung von Kannen und Leuchtern, Vasen und Schreibzeugen und anderen Kunst⸗ und Luxusgegenständen ragt eine gelungene Nachbildung des Hildesheimer Silber— fundes hervor. Die bekannte Firma Koch und Bein zeigt die mächtigen Wappen Deutschlands, Preußens, Oesterreichs und Rußlands, während eine zweite Firma die Wappen des Hohen— zollernhauses in historischer Folge ausstellt. Ein besonderer Tisch führt uns Jardinièren, Blumenkörbe und Tafelaufsätze aus Rohr, Holz und Drath vor, ein zweiter die datentirten Salon Platina— Zündmaschinen, ein dritter Maulkörbe und Halsbänder für Hande. Unter den Lederwaaren fallen die Handschuh⸗ und Taschentuchsoufflets, die Damennecessaires und Nähkassetten, die Arbeitskörbchen and Visitenkartentäschchen, die Notizbücher und Mappen, die Gebrauchs und Promenadentaschen, die Portemonngies und Damengürtel in dle Augen. Der unter dem Protektorate Ihrer Kaiserlichen und König⸗ lichen Hoheit der Kronprinzessin stehende Lette⸗ Verein hat in deeser Gruppe eine Anzahl von Handarbeiten, als Kunst- und gewerb— lichö Zeichnungen, sowie aus dem Victoria“ Bazar Wãäsche⸗ gegenstände, Malereien auf Holz, Prozellan, Seide u. s. w. ausge⸗ stellt. Kostbare Büchereinbände, prachtvolle Photographie⸗ und Staffel ⸗Albums, Gold und Schwarzdrucke stellen dem Fleiß und Kunstsinn ihrer Verfertiger ein glänzendes Zeugniß aus. Wie Bronze und Leder, so sind auch Elfenbein, Perlmutter, Schildpatt, Alabaster und ähnliches Material zu Kunstarbeiten und Schmuck sachen verarbeitet worden. Ein Lichtschirm aus Elfenbein zeigt un die Porträts Ihrer Kaiserlichen Majestäten; aus gleichem Stoffe er⸗ blicken wir eine Kopie des Denkmals König Friedrich Wilhelms III. im Thiergarten. Vie Drechslerinnung hat sich zu einer Kollektiv— ausstellung vereinigt, in der zahlreiche, sehenswerthe Artikel enthalten sind. Den Schluß dieser Gruppe endlich bilden die Sonnen-, Regen⸗ und Touristenschirme, sowie die Spazierstöcke.
Im Verlage von Hermann Bahr hierselbst ist vor Kurzer er schienen; Getreidezölle. Studie von Hr. Udo Eggert.“ In dem ersten Abschnitte dieser Schrift entwickelt der Verfasser seine Ansichten über die herrschende Behandlung volkswirthschaftlicher Fragen, indem er den individualistischen Standpunkt, welcher gegen— wärtig allein die Volkswirthschaft dominire, bekämpft. Die moderne
Wirthschafte lehre leide an einer unberechtigten, isolirenden Betrach—
tungsweise wirthschaftlicher Vorgänge, daß sie meist ihren Aus—
gang nehme vom einzelnen Menschen und seiner Bedürstigkeit, und
dabei unberücksichtigt lasse, daß volkswirthschaftlich ein solcher ein— zelner Mensch nicht existire; daß er nur ein unbedeutendes Theilchen sei großer sozialer, selbst physisch bedingter Schichten im Völkerverbande; daß die Basis sein und bleiben müsse eine wirthschaftliche Gesammt⸗ heit mit ihren wechselnden und national verschiedenen Perhältniffen und Zielen. Betrachtungen der Wirthschaftslehre sein, sondern der Mensch als Glied einer solchen im Laufe der Zeit sich ändernden, großen wirthschaftlichen Gemeinschaft. Eine gewisse Slabi⸗ lität, die der Einzelne in scheinbar fester sozialer Position für
die Beurtheilung seiner ökonomischen Lage annehme, werde meist
auch für die Gesammtheit als maßgebend in Betracht gezogen; doch mit Unrecht! Man übersehe das ewige Auf- und Niederwogen, das
Nicht der Mensch als solcher müsse das Substrat der
stete Wachsen und Vergehen, den nie pausirenden Repréduktion“« prozeß, diese ewig wechselnde endlose Kette alles Lebens. Wodurch erwerbe der Einzelne den Anspruch auf einen Theil des jährlichen Ertrages der Volksarbeit? Wenige Prozente ausgenommen, die von Renten leben, nur durch eigene Arbeit, nur dadurch, daß der Mensch mithelfe, das große Rad zu drehen. Es sei ein folgenschweres Miß⸗ verständniß und eine traurige Konsequenz der individualistisch privat⸗ wirthschaftlichen Auffassung der Volkswirthschaft, den Konfumenten dem Produzenten in der jetzigen Wirthschaftsweise voranzustellen. Der physische Mensch sei freilich nur Konsument, bis er zur Theil— nahme an der Volksarbeit heranreife; aber als ein Glied der volks— wirthschaftlichen Gemeinschaft sei er zuerst und vor Allem Produzent, erst müsse er mithelfen am gemeinsamen Werke, dann mag er den Theil konsumiren, der ihm nach der herrschenden sozialen Ordnung zufällt; sei es ihm unmöglich Produzent zu sein, fo werde er bald aufhören müssen zu konsumiren, zu existiren. Werde, wie von frei⸗ händlerischer Seite gewöhnlich, behauptet, daß jeder Schutzzoll die Konsumtion vertheuere und die Kaufkraft der Ration schwäche, so dokumentire sich eben hierin der noch vorherrschend individua— listische privatwirthschaftliche Standpunkt, der jedes Einkommen als etwas Fixes, fest Gegebenes, vom Bestande des Ganzen Unabhängiges ansehe. Die Arbeit, die Mithülfe bei der Produktion des Volkes gebe der weit überwiegenden Mehrzahl (fast 50 ½ ) erst ein Anrecht auf einen Theil des Ertrages derselben. Der Staat habe die Pflicht, wie er Eigen, Erbe und Besttz schütze, auch die Arbeit, die einzige Einnahmequelle der Mehrheit der Nation, zu schützsen. So er— halte das Wort: „vom Sd utze der nationalen Arbeit“ seine wahre Bedeutung. So werde dem Hauptstamme der Nation ermöglicht, auch Konsument zu sein, nachdem ihm Gelegenheit gegeben zur Ver⸗ wendung seiner Arbeit, aus der allein sein Einkommen fließe. Habe man im Innern noch viel feiernde Hände, oder beschäftige man sie nur, wie jetzt vielfach, zu halber oder stark beschränkter Arbeitszeit, importire man dafür fremde, im Lande herstellbare Fabrikate, so nehme man unsern Arbeitern ihr einziges Einkommen, oder weise ihnen einen kleineren Antheil am Ertrage der Volkeproduktion zu, nur soviel vielleicht, daß sie karg ihr Leben fristen; man ersticke da durch den belibenden Einfluß, den ein gutbeschäftigter Arbeiterstand durch seinen Massenkonsum auf die untereinander in innigster Wechsel⸗ wirkung stehenden Gewerbe ausübe. Unserer Industrie müsse deshalb nothwendiger Weise der stärkste Konsument fehlen, gerade deshalb, weil demselben die Gelegenheit fehle, seinen Kräften entsprechender Produzent zu sein. Von gleicher Bedeutung, wie die Arbeit, fei für den Nationalwohlstand auch das Land, als Arbeitssubtrakt und Ar— beitsmotor. Nach der Darlegung der grundlegenden Gedanken seiner volkswirthschaftlichen Ansichten geht der Verfasser in ken folgenden Abiechnitten zu seinem eigentlichen Thema der Besprechung der Ge— treidezölle über, indem er zunächst eine kurze Geschichte derselben, eine Uebersicht der Zolltarife der verschiedenen Länder giebt, um sich dann in längerer Ausführung zuerst mit Deutschlands Getreide produktion und Getreidehnndel und alsdann mit dem internationalen Getreidehandel zu beschäftigen. Auf breiter statistischer Grundlage sind die Produktionsverhältnisse der wichtigsten Konkurrenzländer, der Ein— fluß der Differentialtarife und der Börse auf die Getreidepreise behan— delt; am Beispiele Norwegens werden die Folgen der auch Deutsch— land bevorstehenden Ueberfüllung des Marktes mit fremden Cerealien gezeigt, am Beispiele Englands der Einfluß des von den Produktions kosten völlig losgelösten Preises der eigenen Ernte. Die Summe der aus dieser Untersuchung gewonnenen Resultate zieht der Ver— fasser in dem „Unsere Lage“ betitelten Schlußkapitel, indem er aus— führt, daß kein Produktionszweig so wenig die Konkurrenz ertrage, wie die Landwirthschaft, keiner im gleichen Grade des Schutzes bedürfe. Abgesehen von der Menge der sie betreibenden und direkt von ihr ab— hängigen Personen ertrage schon die Produktionsweise die großen durch steigende Zufuhr verursachten Schwankungen nicht. Die Anlagen im landwirthschaftlichen Betriebe sind laagjährige; Bodenverbesserungen, die Aufzucht des Viehes erfordern jahrelanges Warten. Dazu kommt der unberechenbar sich erweiternde Konkurrentenkreis. Seit der Aus— bildung des Verkehrswesens, seit der steigenden Ansammlung von Kapitalien, die in ihrem internationalen Charakter zukunftsreiche Länder so gern aufsuchen, sei die Konkurrenz am internationalen Getreidemarkt sofort jedem reichen Boden ermöglicht. Es be- dürfe nicht mehr der Einfuhr „fremder Hände“, der genügsame Inder, der bedürfnißlose Neger können in ihrer Heimath bleiben und drücken doch mit ihrer Arbeit den heimischen Markt. Zu jenen zukünftigen Getreideexportländern brauche man indeß nicht einmal zu gehen, die jetzigen seien uns schon verhängnißvoll genug und könnten und müßten es noch mehr werden. Zu billiger Arbeit komme ein reicher, auf Jahre hinaus unerschöpflicher Boden, der Bauer des Alfölds, des Tschernozem, der Raubbau treibende Farmer hätten keine oder nur eine sehr niedrige Belastung ihres Ackerlandes mit Steuern, auf ihnen ruhe nicht die durch Entwickelung der Grundrente den west— euüropäischen Landwirth drückende Hypothekenlast, der noch unerschöpf— liche jungfräuliche Boden be dürfe nicht des Düngers und kostspieliger Meliorationen. Nicht die Grundrente allein, fondern auch di- AÄr— beit selbst bedürfe im Getreide des Schutzes. In Preußen beschäf— tige die Landwirthschaft nach den Zählungen von 1871 und 1875 mindestens ebensoviel, wenn nicht viel mehr Arbeiter, wie die In— dustrie. Mit den Interessen der Landwirthschaft eng verbunden selen noch die der kleinen Gewerbetreibenden, des Kleinhandels ꝛc., so daß man annehmen dürfe, daß alle ländlichen Gemeinden, direkt oder indirekt, in der Landwirthschaft und für dieselbe thätig seien. Sei das Land mcht mehr kauffähig, so verarme auch die Stadt. Der Verfasser schließt mit den Worten: Schützen wir die Land— wirthschaft, so erhalten wir uns nicht nur den politisch wichtigen Bauernstand, sondern wir ermöglichen nur so die Existenz der großen Menge in und von der Landwirthschaft beschäftigter Arbeiter, die nur leben konnen, wenn sie nicht müßig sein müssen; wir sichern ferner Millionen ein Rentencinkommen, das belebend auf den Pro— duktionprozeß einwirkt und dem industriellen Arbeiter auch erst Arbeitsgelegenheit und damit Anspruch giebt auf einen Antheil am Nationalprodukt. Nicht zum Verderben, sondern zum Segen der Arbeit gereicht uns ein Kornzoll. Ist der Landwirth wieder kon— sumtionsfähig, so hat die Industrie in allen ihren Zweigen volle Be— schäftigung, der Arbeiter hohen Lohn.
Die Anforderungen an die Unterstützungslassen des Vereins Berliner Presse haben sich in den letzten Jahren ganz wesent⸗ lich vermehrt; es ist wohl dieser Umstand, der den Herrn General— Intendanten von Hülsen bewog, für die diesjährige Vorstellun3 des Schauspielhauses zum Besten dieser Unterstützungs⸗ kassen einen Abend zur Disposition zu stellen, der bei den Witte rungsverhältnissen des Frühjahrs eine ganz besonders reiche Einnahme verspricht. Die Vorstellung findet nämlich am Abend eines Festtages, des Himmelfahrtstages, am nächsten Donnerstag, den 22. 8. Mis, statt. Die Vertreter des Vereins, die sonst für ähnliche Veranstaltungen, wenn irgend möglich, ihre Wahl auf Stücke gerichtet hatten, die der klassischen Richtung angehören, haben diesmal das heitere Genre auserkoren und für den Abend die Mitwirkung von ersten Kräften des Schauspielhauses und anderer Bühnen, auch von autzwärts, sich gesichert.
— Im Germania ⸗-Theater gelangt morgen Nestroy's drastische Posse „Till Eulenspiegel, oder: Schabernack über Schabernack“ zur Aufführung. Die gute Besetzung der einzelnen Rollen, sowie neue Gesangseinlagen versprechen dem Stück eine günstige Aufnahme. Der im schönsten Frühlingsschmuck prangende Garten des Haufes bietet den Besuchern des Theaters einen angenehmen Aufenthalt.
Redacteur: J. V.: Riedel.
Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner. Drei Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).
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zum Deutschen Reich
⸗Anzeiger und
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Berlin, Sonnabend, den 1
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. 92 . Aichtamltliches.
Berlin, 17. Mai. Im weiteren Verlaufe der gestrigen (46) Sitzung setzte der Reichstag die zweite Berathung des Zolltarifs mit der Position 6 (Eisen) . Abg. Richter (Hagen) bemerkte, bevor er auf die Sache selbst eingehe, möchte er sich die Anfrage an die schutzzöllne— rische Majorität, speziell an die Centrumsfraktion, er⸗ lauben — denn dieselbe sei ja jetzt ausschlaggebend im Hause — wie es mit den konstitutionellen Garantien stehe, mit dem Vorbehalt des Einnahmebewilligungsrechts? Der Eisenzoll werde mindestens 9 bis 16. Millionen eintragen; der Ausfall bei Aufhebung des Zolles im Jahre 1877 sei von der Regie— rung auf 5i“ Millionen berechnet, dazu würde noch der Roh— eisenzoll kommen, der bekanntlich schon seit 1373 aufgehoben sei und der auch mehrere Millionen eintragen werde. Wenn man behaupte, das lasse sich nicht berechnen, so wäre es möglich, eine Formulirung zu finden, , Ein⸗ nahmebewilligungsrecht in anderer Gestalt wieder auflebe, bis zu der Ziffer, die sich demnächst als Mehrbetrag ergäbe, um die demnächst die Matrikularbeiträge vermindert werden könnten. Es sei ja eine solche Formulirung im preußischen Landtag von jener Seite beantragt werden. In Betreff der von dem Abg. Stumm citirten Erklärung des Herrn Schwartzkopf könne er erklären, daß die von Schwartzkopf geleitete Koalition an die Obeschlesische Bahn allerdings nicht um 20 Proz., wohl aber um 181 Proz. theurer verkauft habe, als das Schwartzkopfsche Etablissement an die Warschau⸗Wiener Bahn. Die Lieferung für die Oberschlesische Bahn sei nicht von Schwartzkopf, sondern von der Firma Hentschel und Sohn diejam Turnus gewesen sei,übernommen worden. Herr Schwartz— kopf, aber, der für die Warschau⸗Wiener Bahn die Loko— motivenlieferung erhalten, habe auch bei der Oberschlesischen gleichwohl eine Offerte, und zwar bei letzterer um S500 l⸗ höher als er angegeben, gemacht. Dies sei aber eine Schein— offerte, eine „Schutzofferte“, wie die Koglition es nenne, ge— wesen. Die ernsthafte Offerte der Koalitinn, diejenige von Hentschel und Sohn in Cassel, sei um 1670 M06 niedriger. Die Oberschlesische Bahn habe also ihre Lokomotiven 6830 6 höher bezahlen müssen als die Warschau-Wiener und die Ver⸗ theuerung betrage demnach 1813 Proz., nicht, wie er gesagt habe, 26 Proz. Die gedachte Koalition setze durch zwei Drittel Majorität die Preise fest; die Schutzofferten, die von konkurrirenden Werken oder Firmen abgegeben würden, müßten mindestens 1000 MSG höher sein, als die mindest— fordernde, dem die Lieferung nach dem Turnus zufallen solle. Nach dem Auslande hin hätten dagegen die rheinischen Werke z. B. die englischen und französischen Werke unterboten. Dieses eigen— thümliche Verhältniß werde durch den Schutzzoll auf Lokomotlven und Schienen eine Art von rechtlicher Grundlage erhalten. Nach den gestrigen Bemerkungen des Regierungskommissars könnte es scheinen, daß alle Bahnen glänzende Geschäfte machten, während sich doch im preußischen Abgeordneten—
ihr An⸗ lagekapital nicht einmal voll
hause herausgestellt habe, daß die Staatsbahnen verzinsten. Der Schutzzoll
wurde also einfach auf Kosten der Steuerzahler gezahlt werden müssen. Herr Stumm habe nun wieder vom Export gesprochen. Er (Redner) und seine Partei wollten den Export erhalten; hier aber schlage man zu diesem Zwecke den Weg vor, den inländischen Markt durch Vertheuerung der Fabrikate zu beschränken. Auf diesem Wege könne er nicht folgen. Die Dortmunder Union verkaufe nach allen Weltgegenden; noch neuerdings habe sie nach Brasilien ein sehr gutes Schienen⸗ geschäft cht. Diese Art von Seehandel wollten die Herren sich sehr gern gefallen lassen; aber sobald die Schiffe auf ihrer Rückkehr nach Deutschland etwas zurück— bringen sollten, so heiße es: das sei nicht rationell gehandelt; hier würde der Handel Selbstzweck. So kämen denn Ur— theile zu Stande, wie sie eben Herr Stumm ausgesprochen habe. Herr Krupp habe in der Engquetekommission gesagt, er exportire nach allen Richtungen, mit Ausnahme nach Frankreich und Australien. Bei solcher Geschäftsausdehnung dürften die Herren doch nicht beansprüchen, daß nur der in— ländische Markt durch Vertheuerungen mittelst Schutzzoll ihnen diese Exportgeschäfte noch mehr erleichtern solle. Der Abg. Dr. Rentzsch habe sich früher in seinem volkswirthschaftlichen Lexikon sehr warnend vor den üblen, alle Nothlagen nur noch verschlimmernden Folgen der Schutzzölle geäußert, jetzt denke er anders, Ohwohl der Abg. stumm sonst von der Statistik nicht viel wissen wolle, habe der Me doch heute mit ihrer Hülfe nach⸗ weisen wollen, daß die Roheisenproduktion in Deutschland zu— rückgegangen sei. Zunächst habe er argumentirt, daß die Arbeiterzahl sich nicht sehr vermindert habe, aber schon der Abg., Bamherger habe darauf hingewiesen, daß die veränderte Betriebsweise es ermögliche, mit einer geringeren Arbeitskraft ein größeres Arbeitsquantum zu liefern; daher bewiesen diefe Zahlen nichts. Er rathe dem Abg. Stumm, lieber nalh Amerika zu gehen, wo durch die Schutzzölle zwei Drittel der in der letzten Zeit errichteten Hochöfen aus— geblasen seien. Man müsse. doch bei Entscheidung dieser Frage vor, Allem das Arbeitsquantum in Betrachk ziehen. Von 1 Millionen im Jahre 1861 sei die Förderung' bis zum Jahre 1871, also exel. Elsaß-Lothringen auf 25 Millionen gestiegen trotz der Abnahme des Roheisenzolls seit 1865. Im Jahre 1876 fei e — ob mnel. Elsaß⸗-Lothringen wisse er nicht — auf 29 Millionen gestiegen. Die Einfuhr von Roh⸗ eisen, über welche der Abg. Stumm gesprochen habe, sei zum großen Theil Durchfuhr, und fogar zum Theil inländisches Eisen, daß aus Rheinland und Westfalen über Belgien in das Ausland gehe, um an der Ostsee per Schiff wieder eingeführt zu werden. Von der Ausfuhr es deutschen Roheisens habe der Abg. Stumm aber gar nicht
gesprochen. Dieselbe sei von 100 060 Ctr. im Jahre 1861 bis zum Jahre 1871 auf 71 z Millionen gestiegen und unter der Zollfreiheit sogar so weit, daß man zum ersten Male in Deutschland mehr Roheisen ausführe als einführe. Der Abg. Stumm schiebe die Schuld des neuen Ruins auf den Glasgow⸗ krach vom Dezember v. J. Dennoch habe sich das eben an— gegebene Verhältniß der Mehrausfuhr in Roheisen in den
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ersten beiden Monaten dieses Jahres nicht geändert. Was ferner das ausländische Gießerei-Roheisen anbetreffe, so könne die deutsche Eisenindustrie es gar nicht entbehren; Eben dasselhe gelte von der Bessemerstahlfabrikation; erst gestern beim Reichstage eingelangte Petitionen aus schutzzöll— nerischen eisenindustriellen Kreisen verlangten hier Ermäßigung der vorgeschlagenen Sätze, schreckten also bereits vor der Füh— rung des Hrn. Stumm zurück. Am schwersten würden durch die Zölle die Ostprovinzen getroffen werden, und man könne sich hier nicht damit entschuldigen, daß für diese eine große Anzahl Eisenbahnen gebaut sei und daß man nicht ferner ein— seitig ihr Interesse bevorzugen könne. Aber was stehe in den Regierungsmotiven zur Begründung dieser Linien? „Nicht blos für den Lokalverkehr habe bie Bahn Wichtigkeit, son— dern vor Allem auch für den russisch-polnischen Durchgangsverkehr!“ Diesen letzteren aber wolle man ja durch den Tarif den Ostprovinzen vollständig rau— ben; das sei der unlösbare Hauptwiderspruch der Politik, die sich heute vollziehe. Was die Bemerkung des Hrn. Stumm betreffe, so beweise seine Wahl das Gegentheil; der Freihandel der Kleineisenindustrie im Kreise Hagen sei ein Märchen. Redner führte im Einzelnen u. A. die Hufnagelfabrikation an, die im Kreise Hagen sehr florire und durch die Zölle unfehlbar rüinirt werden würde. Es seien ferner die Arbeiter zu Gunsten der Schutzzölle citirt worden und der Abg. Stumm habe von Hungerlöhnen wie sonst die Sozialisten gesprochen. Die Vertheuerung der Waare aber vermindere die Nachfrage nach Arbeitern. Eisenbahn— direktor Büchtemann habe vor der Enquetekommission gesagt, daß, weil die Lokomotiven-Koalition statt 10 000 jetzt 12 066 Thaler fordere, seine Bahn sich lieber noch mit dem alten Material behelfe. Ein Eisenindustrieller habe in der Enquetekom— mission die Frage des Abg. Stumm, ob er, wenn sein Ge—
schäft in günstigere Lage komme und er mehr Maschinen an-
schaffen könne, deshalb größere Arbeiterentlassungen vornehmen werde, ganz, rückhaltlos bejaht, ö Bochum habe in der Enquetekommission ein Arbeiterbudget zu—
sammengestellt, daraus ergebe sich, daß ein Bochumer Arbeiter mit seiner Familie von 4 Personen an Brod, Fleisch, Kaffee, Fett, Butter und Schmalz jährlich für 372 ½½ gebrauche. Bei
einer Vertheuerung dieser Artikel um nur 5 Proz. durch Zölle — Schmalz solle ja mit 12 Proz. belegt werden und gerade Rheinland⸗Westfalen werde, weil es seine Lebensmittel nicht selbst produziren könne, die Vertheuerung durch Schutzzölle voll zu tragen haben — erhöhe sich das Arbeiterbudget um 18 6, soviel wie nach Hrn. Baare der Bochumer Arbeiter an Staats-, Kommunal-, Schul- und Kirchensteuer zu zahlen habe, Petroleumzoll und Tabaksteuer belasteten ihn ebenfalls wieder mit 18 S6, die anderen Steuern und Zölle fügten noch weitere Belastungen hinzu, so daß die Steuerlast für den Bochumer Arbeiter über das Vierfache steige. Auf der anderen Seite gebe Hr. Hobrecht zu, daß alle diese Vorlagen noch nicht reichten, um die halbe Staats⸗ klassensteuer, d. h. für den Bochumer Arbeiter drei Mark, zu erlassen. Hr. von Puttkamer möge daraus entnehmen, wie in der That die neue Wirthschaftspolitik sich auf Kosten des armen Mannes vollziehe. Was die Stellung des Centrums zur Getreidezollfrage anbetceffe, so habe noch am 13. Dezember im Abgeordnetenhause Hr. von Schorlemer-Alst erklärt: „Er sei gegen Getreidezölle, weil er der Bevölkerung das Brod nicht ver— theuern wolle.“ Der Abg. Windthorst habe jüngst gesagt: Seine Partei sei heute, was sie gestern gewesen und werde morgen sein, was sie heute sei. Das stimme nicht mehr; das Centrum sei gestern gegen Getreidezoll gewesen, heute sei es für 25 Z, und vielleicht werde es morgen für 50 8 sein. Darin habe Herr Stumm Recht, wenn es jedem Einzelnen gut gehe, gehe es Allen gut; aber unter diesem Hollsaystem gehe es Allen mehr oder weniger schlecht, und nur bei Weni— gen überwogen die Vortheile die Nachtheile, weil diese Zölle eine Prämie darauf setzten, daß das Kapital und die Arbeits— kraft der Nation weniger vortheilhaft verwendet werde, als es die Eigenthümlichkeit des Landes mit sich bringe. Wiederum müsse er Herrn Rentzsch eitiren, wie er in seinem Lexikon schlagend auseinandergesetzt habe, daß, wenn die Schutzzöllner aut die Arbeiterinteressen hinwiesen, es gerade der stärkste Vor— wurf gegen das Schutzzollsystem sei, gerade die Arbeitskräfte unwirthschaftlich zu vertheilen, wie es den natürlichen Hülfsquellen der geographischen Lage des Bodens und des Klimas nicht entspräche, und sie deshalb in ungünstigere Verhältnisse bringen müßte. Man beachte nicht bei Eifen— zöllen, schreibe Hr. Rentzsch, wie sehr dadurch die Arbeiter der Eisenwerkzeuge, der Stahlfabrikation, der Drahtzieherei, Eisen— gießerei, des Maschinenbaufachs und der vielen Handwerke— stätten, welche Eisen verarbeiteten, benachtheiligt würden; wie ganz anders denke dieser Herr jetzt. Nun, er wisse ja, die Eisenzölle würden trotz alledem bewilligt werden, und zwar nicht blos von solchen, die sie grundsätzlich bewilligten, sondern von solchen, die aus einem gewissen Ge⸗ fühl der Mildthätigkeit meinten, sie bewilligen zu müssen. Letztere hätten in der Eisenzollfrage immer nur die eine Seite gesehen, die sich so sehr in den Vordergrund dränge. Er aher sei überzeugt, es werde kommen der Tag, wo man all— seitig zugestehen werde, die wahren Freunde der Eisenindustrie und ihrer Bezirke seien Diejenigen, welche heute gegen die Wiederherstellung der Eisenzölle stimmten.
Von dem Abg. von Kardorff waren Anträge auf nament— liche Abstimmung sowohl, über den Antrag von Wedell— Malchow als auch über die Position 6a. des Zolltarifes ein— gebracht. .
Der Abg. Berger (Witten) gab zunächst eine Uebersicht der Entstehungsgeschichte der Aufhebung des Eisenzolles; das Reich habe sich 1872 in einer Geldverlegenheit befunden, d. h. in einer Verlegenheit des Ueberflusses, deshalb sei von ver—⸗ schiedenen Abgeordneten die Ermäßigung der Salzsteuer be— antragt. Die Salzsteuer laste mit ca. 1 S6 per Kopf und, wenn es durch die Zollreform gelingen sollte, den Preis des Salzes von 10 auf 3 oder 4 4 pro Pfund herabzudrücken, so würden sämmtliche Frauen Anhänger der Reform werden, wenn auch die Männer sich über die Erhöhung der Tabak— steuer u. s. w. beklagten. Bei der damaligen Berathung sei vom Abg. von Wedell⸗Malchow die Aufhebung der Salzsteuer
und entsprechende Erhöhung der Tabaksteuer beantragt. Aus der Sache sei nichts geworden. 1873 habe der Abg. v. Behr⸗ Schmoldow, um dem Volke doch etwas von den Milliarden zukommen zu lassen, die Aufhebung der Eisenzölle beantragt. Der allein nüchterne unter den damaligen Rednern sei der Abg. Lasker gewesen, der diese Art der Reformpolitik in Steuer- und Tariffragen als nicht gedeihlich bezeichnete. Der Antrag Behr sei ad acta gelegt, weil die Regie⸗ rung selbst mit einem Gesetze gekommen sei, das 'in den letzten neun Tagen der Session durchberathen sei. In den Motiven sei gesagt, daß die deutsche Eisenindustrie den Bedarf nicht decken könne, daß die Maschinenfabrikation für den deutschen Eisenbahnbau nicht ausreiche. Die Eisen— zölle seien nicht sofort aufgehoben worden, follten aber mit dem 1. Januar 1877 in Wegfall kommen. Was sei aus all den Voraussetzungen geworden, auf Grund deren das Gesetz erlassen sei? Gleich nach der Berathung des Gesetzes, im Juli 1873 sei der formidable Rückschlag erfolgt. Der Abg. Bamberger hahe damals gesagt: Ja, das Klappern der Mühle halte, jeder Müller für die Harmonie der Sphären. Der Abg. Windthorst habe 1875 beantragt, das Gesetz nicht einzuführen, der Antrag sei an dem Widerstande der frei⸗ händlerischen Majorität gescheitert. Endlich sei die Regierung mit der schwächlichen Maßregel der Retorsionszölle ge⸗
kommen, die, Gott sei Dank, nicht durchgegangen seien. Bie freihändlerische Partei habe stets den Nothstand bestritten. Auch der Abg. Rickert habe 1877 gesagt, man sei über den Berg hinüber; als er ihn unterbrochen hätte, habe derselbe Abgeordnete gesagt: Der Zuruf komme von dein Abg. Berger, der aus einem Landestheile stamme, wo die Klagen in lauten Tönen erschallten. Jetzt seien die Klagen aus dem ganzen Lande so eindringlich geworden, daß man sie heute hören müsse. Der Umschlag im Lande habe nicht auf sich warten lassen. Wie habe sich die freihändlerische Majorität vermindert und die schutzzöllnerische Minorität ver— mehrt. Der Abg. Richter habe so oft gesagt, die Wahlen im Jahre 1878 seien lediglich unter dem Eindruck des Sozialisten— gesetzes gehalten worden. Dies sei durchaus nicht richtig; so weit er unterrichtet sei aus seinem Wahlkreis, könne er sagen, daß sämmtliche Wähler fest entschlossen gewesen seien, nicht blos mit dem Sozialistengesetz vorzugehen, sondern auch der seitherigen Wirthschaftspolitik eine andere Wendung zu geben. Man stelle dann die Sache so vor, als wenn lediglich der Kanzler— brief vom 15. Dezember die jetzige Wendung hervorgerufen hätte. Er sei der Letzte, die großen Verdienste des Reichs— kanzlers verkleinern zu wollen, aber das Verdienst, diese mäch— tige Bewegung allein durch den Brief hervorgebracht zu haben, könne er ihm nicht vindiciren. Von der freihändlerischen selle mal dee, dar, wenn
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habe Der Fölg ref, und Me, Alle
heute: der Kanzler rief, und Alle, Alle kamen. Rein, Alle, Alle riefen, und dann sei erst der Kanzler gekommen. Auf die gestrigen Ausführungen des Abg. Bamberger eingehend, wies Redner die Grundlosigkeit der Be— hauptung nach, daß Deutschland i Enferntesten mit England ernstlich konkurriren könne. ie Vortheile Englands gegenüber den deutschen weit vom Meere entfernten, an den verschlossenen Grenzen Oesterreichs und Rußl
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ußlands, oder Frank— reichs und Belgiens gelegenen Eisendistrikten zeigten auch dem Laien die Inferiorität Deutschlands. Die Steinkohlenpreise seien etwas heruntergegangen, gleichwohl verlangten die Bergwerks— besitzer keinen Zoll für Steinkohlen, weil diese Industrie in Deutschland fest genug fundirt sei, um mit England konkurriren zu können. Das Material des Hrn. Bamberger be züglich der Dortmunder Union zeige erhebliche Lücken, von Generalunkosten, Abschreibungen und Aehnlichem sei darin keine Rede, die ganze Deduktion sei somit hinfällig geworden. Der Reichskanzler war in das Haus getreten.“ Der Abg. Richter sage: „Nur die Hochöfen, Puddel- und Walzwerke schrieen nach Zoll, die Kleineisenindustrie sei freihändlerisch!“ Er (Redner) kenne die Verhältnisse des Kreises Hagen besser als der Abg. Richter, denn er habe fast 40 Jahre dort gele
— er behaupte, Hr. Richter wäre nicht Abgeordneter, wenn er nicht zufällig im Besitze des Mandats gewesen wäre; er verdanke dasselbe seiner Beredtsamkeit, seiner unermüdlichen Agitationslust und schließlich der Freundlichkeit seiner wirthschaftlichen Geg— ner, der Anhänger des CDentrums. Was dann die Ausfüh⸗ rungen des Hrn. Richter über Petitionen 2c. angehe, so be— merke er: „peccatur intra muros et extras. Alle Abgeordneten wüßten ja, wie solche Petitionen zu Stande kämen. Der Abg. Richter habe das Statut der sogenannten Maschinen— koalition heute mitgetheilt. Der Eindruck seiner früheren Rede über die Submission der Schwartzkopffschen Maschinen— fabrik sei bereits durch Herrn Schwartzkopff beseitigt. Sus pen— dire man deshalb das Urtheil über Hrn. Richters Duplik, bis Hr. Schwartzkopff sich abermals ausgesprochen habe. Das Statut datire aber vom 10. April 1877, also lange nach Aufhebung der Eisenzölle. Sei es nun von Fabrikanten meiser und ver— ständiger, sich gegenseitig die kolossalste uneingeschränkteste Konkurrenz zu machen, sich das Brod gegenseitig aus den Zähnen zu ziehen oder sich zu arrangiren und zu sagen; man wolle die wenige Arbeit, die noch am Markt sei, unter sich vertheilen, damit wenigstens alle etwas zu leben hätten? Wenn eine Lokomotivfabrik, wie die Schwartzkopffsche, immer à tout prix alle zur Submission kommenden Lokomotiven ihren minder kräftigen Konkurrenten wegnähme, dann würde sie alle Arbeiten allein machen und alle anderen Maschinen- und Lokomotivenfabriken könnten nicht existiren. Anstatt also diese Koalitionen zu tadeln, lobe er sie — von Modalitäten sehe er natürlich ab — und wünsche, daß alle Gewerbetreibenden und Industriellen im Lande bei diesen so schlechten Zeiten sich so verstänbigten, wie diese Fabrikanten. Wenn man nun von Hrn. Richter in seiner drastischen Weise dieses Koalitions— ß darstellen höre, sollte man meinen, es würde recht hohe Preise im Gefolge haben. Aber wie lägen die Thatsachen? Vor 5 Jahren kostete eine Lokomotive 60 500 bis 90 000 , heute 30 000 bis 40 9000 S6 Das Haus habe gehört, daß Hr. Büchtemann von der Berlin-Potsdamer Bahn 12 90090 Thlr. bezahlen und nur 10 000 Thlr. geben wollte und daß es des⸗