1879 / 120 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 24 May 1879 18:00:01 GMT) scan diff

Güterverkehr, b. das zweite Hauptgeleis von der Haltestelle Geora⸗ grube bis Bahnhof Schoppinitz⸗Rotdzin am 14. August 1878 für Personen· und Güterver lehr. In ihrer gegenwärtigen Ausdehnung umfaßt die Rechte Oder⸗ Ufer Bahn 31797 km. Das Gesammt ˖ Anlage⸗ kapital besteht aus 68 595 480 M Die Bauausführungen haben bis zum Schlusse des Jahres 1878 gekostet 60 670 391 41, so daß am Rechnungs⸗ schluß ein Bestand von 7925089 vorhanden war, wovon 6 500 000 ƽ unausgegebene Obligationen. Pro Kilometer kostet der Bau 190 805 4 An Fahrbetriebsmittel! besaß die Bahn am Schlusse des Jahres 1878 112 Lokomotiven, darunter 8 Tender⸗ lokomotiven, 104 Tender, 88 Personenwagen mit 222 Achsen, 42 Ge⸗ päckwagen mit 106 Achsen, 505 bedeckte Güterwagen mit 1022 Achsen und 5332 t Ladungsfähigkeit, 1721 offene Güterwagen mit 3205 Achsen und 18112 t Ladurgsfähigkeit. Das finanzielle Ergebniß des Betriebes für das Jahr 1878 ist, da trotz des Darniederliegens der Industrie und des Handels eine Mehreinnahme von 461 679 66. gegen das Vorjahr erreicht worden ist, als befriedigend zu bezeichnen. Die erzielte Dividende von Too für die Prioritäts⸗ Stammaktien und die Stamm Aktien, also 0,67 ½ mehr als im Vorjahre und O,60 υο mehr als die höchste bis jetzt überhaupt gezahlte Dividende, ist dadurch mög⸗ lich geworden, daß die Ausgabe gegen das Vorjahr wesentlich er— mäßigt werden konnte. Zur Tilgung der unverzinslichen Staats Bauprämie (1'095 480 M) können an den Staat in diesem Jahre 225 776 6 zurückgezahlt werden, so daß jetzt im Ganzen 647 353 zurückgezahlt sind und 448 126 (S noch zurückzuzahlen bleiben. Die Gesammteinnahmen betrugen pro Kilometer 25 071 ( Der Personenverkehr umfaßte 1878 971 808 Personen mit 1215535 S Einnahme; der Güterverkehr 1789 90) t mit 7335428 09 Einnahme. Die Gesammteinnahme betrug 9 289 565 (gegen 8 827 8866 S im Jahre 1877). Die Betriebsausgabe pro 1878 betrug in Summa 3 888 265 1 (1877 4032 g50 4A), pro Kilo⸗ meter 12 147 ½ (1877 17 614,8 S). Die laufende Betriebsausgabe inkl. der Restaus gabe für das Vorjahr berechnet sich zur Brutto⸗ einnahme pro 1878 auf 4185 υί˖, dagegen 1877 auf 45,58 0. Für das Jahr 1878 sind zum Reserve⸗ und Erneuerungsfonds zusammen 1057219 S zurückgezahlt worden, das sind 11,88 ½ der Brutto einnahme. Nach Hinzurechnung dieser zurückgelegten Summen schließen diese Fonds ultimo 1878 mit folgenden Be— ständen ab: 1) der Reservefonds, Abtheilung I.ů, Baar und in Effekten nach dem Course ultimo 1878 mit 92745 (M, 2) der Reservefonds, Abtheilung II., baar 20 914 M, 3) der Er⸗ neuerungsfonds baar und in Effekten nach dem Course ultimo 1878 mit 4 585 875 6 Die Einnahme aus dem Personenverkehr betrug 1878 pro Person und Kilometer 3,50 8, dagegen 1877 3,52 5. Die Einnahme aus dem Güterverkehr incl. Viehtransport berechnet sich pro Tonnenkilometer 1878 auf 3710 , dagegen 1877 auf 3,90 8 und einschließlich der Nebeneinnahmen 1878 auf 3,81 , dagegen 1877 auf 3,880 . Die Gesammt ⸗Transport⸗Einnahmen pro 1878 von 9289 565 S, rertheilt auf sämmtliche Personen⸗ und Güter Tonnenkilometer (196 700 534), ergeben pro Tonnenkilometer 4,723 8, dagegen 1877 4,961 4.

Dem Geschäftebericht der Direktion der Aachen⸗Mast⸗ richter Eisenbahn pro 1878 entnehmen wir Folgendes: Die finanziellen Betriebsergebnisse der Eisenbahn Grand Central Belge pro 1878 sind folgende: Die Einnahmen betrugen 14735 622 Frs. gegen 14986 537 Frs. des Jahres 1877. Der Reinertrag, abzüglich der Antheile der verschiedenen, den Grand Central Belge bildenden Eisenbahnen betrug 2 154041 Frs. gegen 1933 699 Frs. des Jahres 1877; den A,ltionären des Grand Central Belge ist pro 1878 die nämliche Dividende, wie pro 1877, nämlich 21 Frs. oder S, 40/0 bezahlt worden. Die Linie Aachen Mastricht⸗ Hasselt parmizipirt an den obigen Einnahmen mit 1454084 Frs. gegen 1432074 Frs. pro 1877. Am 31. Dezember 1878 waren Aachen. Mastricher Prioritäts⸗Obligationen planmäßig ausgeloost für 850 887 c Die Bahn und Betriebemittel sind im besten Zustande und Unfälle nicht vorgekommen. Der Reingewinn der Grube zu Kirchrath beträgt 34 9338 Gulden, aus welchem den Stamm- Aktiocnären der Aachen⸗Mastrichter Eisenbahngesellschaft eine Dividende von Ro oder 3 M pro Aktie bezahlt wird.

Dem Geschäftsbericht des Verwaltungsrathes der Erz— ber;og Albrechtbahn für das Jahr 1878 entnehmen wir, daß trotz der Verkehrsabnahme ein Betriebküberschuß von 101691 Fl. Oe. W. 99046 Fl. in Silber erzielt wurde. Es slanden näm⸗ lich den Transporteinnahmen per 555 795 Fl. und verschiedenen Ein nabmen per 54 827 Fl., zusammen 610 625 Fl., Ausgaben im Ge— sammtbetrage ven 5068 932 Fl. gegenüber. Die Einnahmen aus dem Personen⸗, Geräck⸗ und Eilgutverkehr haben gegen das Vorjahr eine

lbnahme von 17491 Fl., beziehungsweise von 626 Fl. erlitten, da⸗ gegen haben die Militärtrarsporte einen Mehrertrag von A4 Fl. ergeben. Die höhere Einnahme aus dem Gütertransporte von 12731 T1. findet in der geänderten Kartellabrechnung ihre Erklärung. Die Gesammtausgaben betrugen im Jahre 1878 um 50 824 Fl. und 1 Ausgaben per Zugskilcmeter um O20 Fl. weniger als im Vor—⸗ jahre.

Paris, 23. Mai. (W. T. B.) Die Bank von Frankreich hat den Diskont von 3 auf 20 herabgesetzt.

Verkehrs⸗Anstalten.

Das Kursbuch der Deutschen Reichs⸗Post verwaltung Mai · Juni 1879 mit Eisenbahn ⸗Uebersichts karte in Schwarz⸗ und Blaudruck, ist soeben in R. v. Deckers Kommissione verlag, Mar⸗ guardt u. Schenck hierselbst (Preis 2 ), erschienen. Dasselbe enthält die vem 15 Mai d. J. in Kraft tretenden Scmmerfahrpläne der deutschen und ausländischen Eisenl ahnen, die Reiseverbindungen der größeren Städte, den Gebührentarif für Telegramme, Briefporto⸗ tarif u. s. w. Verschiedenfarbiger Schnitt und verschiedenfarbiges Papier scheiden äußerlich die Fahrplaͤne der einzelnen Landestheile von einander ab; dabei ist durch eigenthümliche Einheftung, sowie durch besondere Titelblätter und Routenverzeichnisse für jede der 5 Abtheilungen (östliches mittleres und nordwestliches süd—⸗ iches Deutschland DOesterreich⸗ Ungarn fremde Länder) Sorge getragen, daß man eine beliebige Abtheilung aus dem Buche heraus—⸗ lösen, nach Willkür falten und zu sich stecken kann. Fahrpläne neu eröffneter Eisenbahnen sind hinzugekommen für die Linien: Posen— Neustettin (172), Groß⸗Streb litz˖Tost (59), St. Egidien ⸗Stol berg (84), Berlin Blankenheim (Wet lar) (105), Niederhohne Malsfeld (105), Hagen Hörde ( 65), Wiesbaden ⸗Niedernhausen (172), Coblenz⸗ Ebrarg (Trier) (177), Neckargemünd⸗Neckarel; (225), Neckarelj⸗ Jagstfeld (219), Schweinfurt Gemünden (234), Weilheim— Murnau (236).

New⸗JYJork, 23. Mai. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Neckar ist hier eingetroffen.

Berlin, den 24. Mai 1879.

nntag fand in Freienwalde die feierliche Ein⸗ es Kriegerdenkmals des Kreises Oberbarnim Dank der Thatkraft mehrerer patriotischer Männer , auf der Wilhelmshöhe, einem bewaldeten,

das Land schauenden Berge, mit einem Kosten⸗

von ca. 1200 erbaut worden ist. Militär⸗ and Cirilbehörden, Offiziere, die Kriegervereine des ganzen Kreises, Korporationen und Einwohner aus Stadt und Land bildeten einen langen glänzenden Festzug, welcher sich vom Rathhause aus durch die reich geschmückte Start bewegte und auf dem Fest— xlatze in musterhafter Ordnung Aufstellung nahm. Ein Musikchor intonirte von der oberen Gallerie des Denkmals einen Choral, dann folgte die Festrede und unter Kanonen⸗ donner die feierliche En hüllung der fünf ehernen Gedenk⸗ Hafeln, welche in goldenen Lettern die Namen der in den drei letzten Kriegen für König und Vaterland Gefallenen tragen. Nach Ver⸗ senkung der Urkunde erklärte der Landrath Namens des Kreises die Annahme der Widmung und brachte, eben falls unter Kanonendonner,

ein begeistertes Hoch auf Se. Majestät den Kaiser aus. Hierauf fand die Uebernahme des Schlüssels an den Bürgermeister der Stadt stat, der Namens der Stadt Obhut und Erhaltung des Denkmals zusagte und dem Comité den Dank und die Anerkennung der Stadt aussprach. Den Schluß der erhebenden Feier bildete ein von dem Superintendenten gesprochenes Gebet. In der Stadt ent wickelte sich ein wahres Volksfest: unter Musik zogen die Kriegervereine in den Straßen umher, überall mit herzlichen Zurufen empfangen. Im Kursaale des Cesundbrunnens fand ein glänzendes Festdiner statt, an welchem die Spitzen der Militär- und Civilbehörden Theil nahmen und wobei begeisterte Toaste auf den Heldenkaiser, auf die Armee und das Comits ausgebracht wurden, während man das Gedächtniß der Gefallenen durch ein stines Glas ehrte. Am Abend verwandelte bengalisches Licht das Denkmal in eine intensiv rothalühende Metallsäule, von deren Spitze aus eine elektrische Sonne ihre Strahlen weit über die Berge sandte. Ein neu angelegter, bequemer und schattiger Weg ermöglicht auch den weni ger guten Bergsteigern den Besuch der Wilhelmshöhe.

Marburg a. Lahn, im Mai. Nachdem Rektor und Senat der Universität die ehemaligen Studirenden zur Feier der Einweihung des Universitätsgebäudes eingeladen haben, hat das Comits ehemaliger Studirenden folgendes Programm versandt: Mittwoch, den 28. Mai: Vorfeier, Begrüßung der Fest⸗ theilnehmer auf dem Schlosse, gesellige Vereinigung daselbst. Don nerstag, den 29. Mai: Festzug durch die Stadt zum neuen Uni⸗ versitätsgebäude, Uebergabe desselben, Enthüllung des Bildes Sr. Majestät des Kaisers und Königs im Senatssaale, Festakt in der reformirten Kirche mit Festrede des Rektors. Nach—⸗ mittags: Festmahl im Rittersaale des Schlosses. Abends: Commers im Saalbau. Freitag, den 30. Mai, Vormittags: Besichtigung des neuen Universitätsgebäudes, der Universitäts-Institute und Se—⸗ h enswürdigkeiten. Nachmittags: Waldfest auf dem Dammelsberg.

„Beschreibung des Ober⸗Amts Tuttlingen.“ Her⸗ ausgeg ben von dem Königlich württembergischen statistisch⸗ topographischen Bureau. Stuttgart. H. Lindemann, 1878.

Von den trefflichen, in ihrer Art geradezu einzigen württember⸗ gischen rr , . liegt nunmehr der 58. Band vor. An diesen knüpft sich in sofern ein besonderes Interesse, als es die letzte von den nicht weniger als 27 Beschreibungen ist, welche den unermüdlichen, im vorigen Jahre verstorbenen, um die Heimath⸗ kunde seines engeren Vaterlandes hochverdienten Dr. Eduard von Paulus zum Hauptrerfasser haben. Die Schlußredaktion haben, da derselbe ganz plötzlich durch den Tod abberufen wurde, sein Sohn und Mitarbeiter, Professor Dr. E. Paulus und das Bureaumitglied Prof. Dr. J. Hartmann besorgt. Der erste Ab— schnitt enthält, wie gewöhnlich, die Beschreibung des Oberamts im Allgemeinen, nach der geographischen und natürlichen Lage, den Grenzen, der Größe, der Figur, den Bestandtheilen, der natür— lichen Beschaffenheit: nämlich der Bildung der Oberfläche, den Höhen nebst einer Reihe von Tafeln mit trigonometrischen Höhen bestimmungen, den Gewässern, dem Boden, der Luft und den Witte⸗ rungsverhältnissen, den Gebirgsarten, Versteinerungen und Mineralien, sowie der hier besonders reichen Flora und Faung. Sehr anziehend ist der Unterabschnitt, welcher sich mit den Einwohnern, der Bevölke⸗ rungsstati stik, den Stammeseigenschaften, den Volks sagen, Gebräuchen und Belustigungen, der Volkstracht und der Mundart beschäftigt. Dem Volkscharakter stellt Pfarrer P. Hartmann in Hausen ob Verena ein sehr günstiges Zeugniß aus; er sagt von ihm, er sei im Allgemeinen gutartig und zeige sich in Fleiß, Sparsamkeit, religiösem Sinn, Stetigkeit in der Sitte und Muth. Die Bevölkerung habe den alten deutschen Bauerncharakter in besonderer Reinheit bewahrt, und die Sitte sei ihr ein Stück ihrer Religion. Dem Abschnitt, welcher die Volkssagen behandelt, sind die gesammelten Aufzeichnungen ron E. Meier und A. Birlinger zu Grunde gelegt. Besonders be⸗ merkenswerth ist, daß sich hier die Vorstellung von Wuotan in den Sagen ron dem „Lapphut“, „Schlapphut“, „Breithut“ noch ganz lebendig erhalten hat. Sehr gründlich ist auch das mit zahlreichen dialektischen Proben illustrirte Kapitel über die Mundart des Oberamts. Daran schließt sich cine Statistik und Charakterisirung der Wohnorte nach Zahl, Gattung, Areal 2c und ferner ein auf vielseitigen statisti⸗ schen Erhebungen beruhender Abschnitt über den Nahrungsstand. Was den Gewerbefleiß betrifft, so hat sich die Messer⸗ und Schuhwaarenfabrikation in Tuttlingen längst in weiten Kreisen Ruf erworben. „Die Produkte der ersteren werden, wie es in dem betreffenden Abschnitt heißt, wenn auch leider vielfach unter fremder Firma, in der alten und neuen Welt häufig gefunden und ge— schätt. Ju diesen älteren Industriezweigen gesellten sich aber in neuerer Zeit zwei weitere: die Fabrikation von chirurgischen Instrumenten, wohl im Anschluß an die Messerfabrikation, und diejenige von Harmonikas, die ihren Erzeugnissen rasch den Weg zum Theil in das ferne Aus⸗ land bahnten.“ Der folgende Theil betrifft die gesellschaftlichen Zu⸗ stände, nämlich die grundherrlichen Verhältnisse, die Staats- und kirchlichen Einrichtungen. In dem geschichtlichen Ueberblick finden zunächst der politische Zustand des Bezirks von den ältesten Zeiten an, sowie die kirchlichen Verhältnisse ihre Darstellung, dann folgt ein Verzeichniß der römischen und germanischen Alterthümer und ihrer Orte, und sch ließlich die Ortsbeschreibungen der den Ober⸗ Amtsbezirk bildenden 23 Gemeinden oder Schultheißereien in alpha⸗ betischer Reihenfolge, jedoch unter Voranstellung der Ober⸗Amtsstadt und Versetzung von Hohentwiel an den Schluß.

Die Oberamtsstadt Tuttlingen an der Donau, die, wie schon bemerkt, eine nicht unbedeutende Industrie treibt, ist in neuester Zeit auch gelegentlich einer interessanten hydrographischen Untersuchung viel genannt worden. Man hatte nämlich beobachtet, daß das Wasser der oberen Donau oberhalb der Stadt so sehr versinkt, daß das Bett derselben bei niedrigem Wasserstande, zum Nachtheil der Werk besitzer von Tuttlingen und weiter hinab, nahezu leer wird. Längst vermuthete man, daß die Aach das versunkene Donauwasser wieder zu Tage bringe, weshalb die badische Regierung Versuche darüber anordnete, welche Dr. A. Knop geleitet und darüber im

„Neuen Jahrbuch für Mineralogie“ berichtet hat. Am 24. Sep⸗ tember 1877 Mittags wurden an der größten und zugänglichsten Versinkungsspalte zwischen Möhringen (im Badischen) und Tutt⸗ lingen 200 CEtr. Kochsalz eingeschüttet, und zwar so, daß die Masse im Laufe einer Stunde vom Wasser in die Tiefe gespült wurde. Unmittelbar über der Felsenspalte aber, aus welcher die Aachquelle see⸗ oder topfartig, bei hohem Wasserstande sprud lartig hervor⸗ kommt, wurde vom 24. September, Nachmittags 45 Uhr, bis zum 28. Morgens 8 Uhr Wasser geschöpft (anfangs alle 90 später alle 60 Minuten), auf Flaschen gefüllt und in Bezug auf Tag und Stunde gekennzeichnet, numerirt und in das mineralogische Laboratorium tes Polytechnikums zu Karltruhe zur Untersuchung geschickt. Hier ergab sich nun in der That, daß die gesammte Menge Kochsalz im Laufe von ungefähr 70 Stunden in der Aachquelle wieder zum Vorschein gekommen ist. Ein Nachversuch mit 10 kg Fluoresein⸗ Lösung bestätigte das Resultat, denn dadurch wurde auch für das Auge der direkte Zusammenhang zwischen Donau und Aach sichtbar gemacht, insofern letztere ungefähr nach 60 Stunden anderthalb Tage lang prachtvoll grün leuchtete. Indessen soll nach Knop's Ausführungen die Aach doch nicht austschließlich von der Beraubung der Donau leben, sondern das Wasser nur zur Hälfte aus dieser entnehmen. Der Zusammenhang zwischen beiden Flüssen wird durch ein Spaltensystem im Kalkstein des weißen Jura von etwa 1000 Fuß Mächtigkeit vermittelt, in den es wahrscheinlich bis auf die thonige und mergelige Unterlage versinkt, um nach einem unterirdischen Laufe von 11 Em nach dem Prinzip der kommunizirenden Röhren in der Aachquelle wieder emporzusteigen. Vorauszusehen ist, unserem Ge⸗ währsmann zufolge, daß die Donauspalten durch die auflösende Wirkung des fre im Laufe der Zeit sich immer mehr erweitern und in Folge dessen auch immer mehr das Donauwasser verschlingen müssen. . ee r,.

In der Nähe von Tuttlingen liegt das große Königliche Eisen⸗ hüttenwerk Ludwigethal. Von den anderen Beschreibungen erwähnen

wir die von Oberflacht, mit dem durch die dort aufgefundenen Todtenbäume“ (alte Särge aus Baumstämmen) bekannt gewordenen Kreuzbühl, und Thalheim, den Geburtsort des Dichters der Wacht am Rhein‘, Max Schneckenburger.

Den meisten Antheil beansprucht jedoch naturgemäß der Hoh en— twiel im Hegau, jene über einen schroffen, gewaltigen Felsenblock gethürmte, jetzt in Trümmer geworfene und wieder zu Wald gewor⸗ dene, einst unbezwingliche Feste, umrankt von geschichtlichen Erinne—⸗ rungen heldenmäßiger Art, umflüstert von uralten Sagen und den reizenden Scheffelschen Poesien. Der Verf. nennt die Gegend des Hegau den schönsten Fleck in deutschen Landen, ja noch weit darüber hinaus, und zwar wegen jener mit Burgen gekrönten, von Laubwäl⸗ dern ummantelten, frei aus der Ebene sich erhebenden ö mit ihren scharfen, kühnen, hochedlen, vulkanischen Umrissen, die der übrigen Landschaft ein so ganz eigenartiges Gepräge geben. Der Hohentwiel (7095,53 m über dem mittelländischen Meere) ist der kühnste der aus der Ebene des Hegau schroff aufsteigenden vulkanischen Berge, und die Geschichte seiner Entstehung durch unter⸗ irdische Kräfte ist ihm mit deutlicher Schrift an seine Felsenstirne geschrieben. Seine jetzige Gestalt verdankt er der Arbeit des Alpen , der einst nech die Höhe des Hohentwiel überragte und einen Moränenschutt beim Abschmelzen auf dem Gipfel liegen ließ.

Nach einer sehr gründlichen und eingehenden Darlegung der geognostischen Verhältnisse des Berges von Professor Dr. Fraas und einer Uebersicht seiner reichen Flora und Fauna folgt die Beschrei⸗ bung der Burg und die Geschichte derselben.

Neuerdings aufgefundene Alterthümer beweisen, daß der Berg schon von den Römern besetzt gewesen ist; indessen tritt er erst mit dem Anfang des 9. Jahrhunderts aus dem Dunkel hervor. Im Jahre 806 soll Pipin, Carls d. Gr. Sohn, Besitzer der Burg gewesen sein; dies ist aber ebenso un— verbürgt, wie die Nachricht, daß sich 814 40 unter Ludwig d. Frommen Mönche dort angesiedelt hätten. An der Grenze des g. und 109. Jahr underts kommen die sog. Kammerboten Erchanger und Berchtold in den Besitz. 915 wurde die Burg von Konrad . be lagert. Dann gelang es dem alemannischen Insurgenten Burkhard, sich zum Herzog aufzuschwingen (bis 926). Anf ihn folgten der Franke Hermann und Kaiser Otto's I. Sohn Liutolf (bis 954), darauf Burkhard II.ů, wahr⸗ scheinlich der Sohn des ersten C54 73), dann aber seine Wittwe, die berühmte Hadwig, Nichte Kaiser Otto's 1. Beide stellten das verfallene Kloster wieder ber, wenn sie es nicht vielmehr erst gründeten; als erster Abt wied Walfried genannt. Neben ihr st and als Herzog ihr Verwandter Otto, Liutolfs Sohn; sie scheint aber selbst auch an der Verwaltung des Herzogthum Theil ge— nommen zu haben. Hierbei, wie in ihren wissenschaftlichen und aske—⸗ tischen Bestrebungen soll ihr, nach den St. Galler Ge— schichten, der Pförtner Ekkehard II. zur Seite gestanden haben, welche ganz mit Recht berühmt gewordene Erzählung aberwiederum bedeutenden historischen Schwierigkeiten unterliegt. Hadwig starb, etwa 55 Jahre alt, im Jahre 994 und vererbte die Burg ohne Zweifel auf ihren Bruder, Herzog Heinrich II. von Bayern. Um diese Zeit weilte auch Kaiser Otto III. zu wiederholten Malen auf dem Hohentwiel, das Kloster aber wurde nach Stein am Rhein ver⸗ legt. Die weiteren mannigfachen Schicksale der Burg übergehen wir bis zu dem Zeitpunkte, wo sie wieder eine historische Rolle spielt. Der vertriebene Herzog Ulrich von Württemberg war es, der sie im Jahre 1521 zu großem Mißfallen Kaiser Karls V. erwarb. Dieser erließ 1525 im Bauernkriege vom Hohentwiel aus die Erklärung, daß er sein Erbe wie der erobern wolle, und trat selbst in die Genossenschaft der Bauern ein, deren er 300 auf der Burg um sich schaarte. Im Jahre 1536 aber gestand ihm der Kaiser selbst auf seine Bitte den Hohen⸗ twiel zu. Herzog Ulrich ließ Hobentwiel durch den Baumeister Kon⸗ rad Zeller von Martinszell im Allgäu und seinen Sohn Johannes ganz neu herstellen. Nach dem verunglückten schmalkaldischen Kriege mußte er 1546 hierher flüchten, und Herzog Christof erlangte den sicheren Besitz erst 1552 durch den Passauer Vertrag. Während des 30jährigen Krieges hatte der Hohentwiel besonders viele Belagerungen auszuhalten, wurde aber von dem Kommandanten Konrad Widerholt von 1634 bis zu Ende tapfer gehalten. Bei der Berennung durch den Kaiser⸗ lichen Feldzeugmeister Sparr und 3009 Mann (während die Besatzung der Festung nur 200 Mann zählte), sollen nicht weniger als 2736 Kanonenkugeln, 176 Granaten, 0 Feuerballen, 41 Ernstkugeln und 50 Stück Feuerwerk gegen den Hohentwiel abgeschossen worden, aber nur 47 Granaten, 25 Feuerballen und 1 Ernstkugel in die obere Burg gelangt sein, wo auch diese, aus den spöttischen Worten Widerholts zu schließen, nur geringen Schaden anrichteten. Wie un innehmbar die Feste war, geht daraus schlagend hervor, daß der Kommandant während dieser harten Belagerungen in den Jahren 1639—45 sogar hat eine Kirche auf dem Hohentwiel bauen lassen können. Seit dieser Ruhmesepoche jedoch spielte die Festung schon in Folge der veränderten Kriegführung nie mehr eine bedeutende Rolle. Die Besatzung wurde 1650 auf 81 Mann vermindert und im 18. Jahrhundert aus der Burg eine Strafanstalt gemacht. Als Gefangene sind namentlich J. J. Moser und der Oberst Rieger bekannt, der zwar eine sehr strenge, aber durch— aus keine so schlechte Behandlung erfahren hat, wie sie in Laube's ‚Karlsschülern“ dargestellt wird. Recht schimpflich war das Ende der Festung. Im Laufe der Jahre fast zur Ruine verfallen, wurde sie bei dem Heranrücken des Generals Vandamme im Früh— jahr 1500 von dem Kommandanten an die Franzosen übergeben und auf Befehl Bonapartes in der Zeit vom 16. Oktober bis zum 1. März gänzlich zerstört.

Das jetzt in der Registratur des Kriegs⸗Ministeriums aufbe—⸗ wahrte alte Fremdenbuch, welches von 1652 —1799 reicht, enthält eine Menge, auch in poetischer Form gehaltener Einträge, darunter viele von fürstlichen Personen. Merkwürdig sind die Anordnungen des Stifters des Buches, des Herzogs Eberhard III. von Württem⸗ berg, welcher sich an der Spitze eingetragen hat. In einer derselben heißt es, daß Jeder, der die Festung betreten wolle, einen Stein herauftragen müsse, „fünffzig oder allerwenigstens Vierzig Pfundt“ schwer. Das höchste Gewicht erreichte ein Leibgardist mit einem 210 Pfund schweren Steine. ö

Manches Anziehende bieten die beigefügten Auszüge aus den Beschreibungen der mit charakteristischen Inschriften ausgestatteten alten Geschütze, von welchen 25 große nebst anderen kleineren auf dem Hohentwiel vorhanden waren, darunter ein 48pfünder.

Der ziemlich umfangreiche Band ist mit den Holzschnittabbildungen einiger Städtewappen, einer sorgfältigen, geognostisch kolorirten Karte des Oberamts, zwei Ansichten von Tuttlingen (nach Merian aus dem Jahre 1643 und aus der Gegenwart) und einer ebensolchen von Hohentwiel (nach Merian aus dem Jahre 1643) ausgestattet und enthält ferner am Schluß mehrere Tabellen über die Einwohner und Gebäude der 23 Gemeinden des Oheramtsbezirks, den Viehstand, Aecker, Gärten, Weinberge, Wiesen, Waldungen, Weiden und Ge⸗ wässer, die Staatssteuern, den Gemeinde⸗ und Stiftungshaushalt, sowie endlich eine sehr praktische tabellarische Uebersicht der Reise - Entfer⸗ nungen nach sämmtlichen Ortschaften des Bezirks in Kilometern.

Nach der erfolgten Veröffentlichung dieses 535. Bandes naht sich das große Werk der württembergischen Heimathkunde immer mehr seinem Ende, denn die noch fehlenden sechs Beschreibungen von Ba— lingen, Mergentheim, Neckarsulm, Künzeltzau, Crailsheim und Ell⸗ wangen befinden sich in Vorbereitung.

Das Germania Theater wird in den nächsten Tagen ein Lustspiel in 4 Akten von Albert Lindner zur Aufführung bringen.

; Redacteur: J d Riehen, Berlin: . . ö. Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elgner. Vier Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).

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Erste Beilage zum Deutschen Reichs⸗-Anzeiger und Königlich Preußischen Stuats⸗Anzeiger.

Berlin, Sonnabend, den 24. Mai

1829.

Nichtamtliches.

Berlin, 24. Mai. Im weiteren Verlaufe der gestrigen G1.) Sitzung setzte der Reichstag die zweite Berathung des Zolltarifs mit der Position 8 (Getreide) fort. Der Kommissarius des Bundesraths, Geheime Regierungs⸗-Rath Tiedemann, bemerkte, die Motive sowohl wie auch die neulich von ihm gemachten Ausführungen seien so häufig erwähnt worden, hätten Angriffe erfahren von so verschiedenen Seiten, daß er sich nicht versagen könne, auf einzelne Einwendungen zu antworten. Er folge aber dabei nicht der Reihenfolge der Redner, sondern versuche, an einzelne Gesichtspunkte, wie sie die Debatte in den Vordergrund gestellt habe, anzuknüpfen. Er gebe Hrn. Delbrück, der ja in allen wirth⸗ schaftlichen Fragen im Deutschen Reiche große Autorität ge— nieße, den Vortritt, Herr Delbrück habe in seiner letzten Rede das Bild citirt, welches er gebraucht habe, von der Stadt umgeben von zehn Rittergütern. Zu seiner großen Freude habe derselbe es zutreffend genannt, wenn nur nicht die Mög— lichkeit vorhanden wäre, daß der zehnte Gutsbesitzer, der das Chausseegeld bezahlen solle, sich mit seinem Getreide zur näch— sten Stadt begebe, wo er das Chausseegeld nicht zu bezahlen habe. Wenn man von dem Beispiel absehe und zur Realität zurückkehre, so glauhe er, werde Herr Delbrück, wenn er sich einzelner Zahlenverhältnisse erinnere, ihm zugeben müssen, daß seine Ausführung gerade in Bezug auf Rußland zutreffend gewesen sei. Deutschland sei der Abnehmer des russischen Korns; wohin sollte Rußland mit seinem Roggen gehen, wenn die Deutschen ihn nicht kauften? Die einzigen außer Deutschland Roggen verzehrenden Länder seien Schweden, Norwegen, Dänemark und theilweise die Niederlande. Schweden und Dänemark bauten so viel Roggen als sie gebrauchten, Norwegen und wahrscheinlich auch die Niederlande nicht hin⸗— reichend. Aber würden diese kleinen beschränkten Märkte in der Lage sein, alles russische Korn aufzunehmen? Der gesammte russische Roggenexport habe 1872 2700 000 Tschetwert, unge— fähr acht Millionen Centner betragen. Davon seien nach Deutsch⸗ land 4 600 000 Ctr. gekommen. 1873 seien exportirt 7 300 000 Tschetwert 22000 000 Ctr., wovon nach Deutschland 8 800000 Etr., 1871 9700000 Tschetihert = 360 066 000 Etr., davon nach Deutschland 13 600 000 Ctr. Hieraus ergebe sich, daß fast die Hälfte des gesammten russischen Roggenexports nach Deutsch⸗ land gehe. Seitdem seien die Verkehrsverhältnisse in Ruß— land so entwickelt worden, daß der russische Landwirth ge— zwungen sei, mehr und mehr zu produziren, und daß er den Export nicht als ein beilaufiges, sondern als ein Lebens⸗ . ö müsse. Das . Eisenbahnnetz habe . ö ois; . ö. gane . es ö. vst auf 19 17 500 Werst betragen. Man möge bedenken, welchen kolossalen Um⸗ schwung diese Steigerung hervorrufen mußte, der nur immer größer werden könne, je engmaschiger das Netz werde. England habe aus Rußland jährlich nur 52 000 Ctr. Roggen importirt, komme also absolut nicht in Betracht. Er wende sich, nun zu den Herren von Saucken und Flügge, welche beide seine Aus⸗ führungen sowohl, als die Motive als widerspruchs voll be⸗ zeichnet hätten. Hr. von Saucken sage, wenn der Importeur den Zoll trage, dann werde der Preis des Getreides nicht steigen, und die Landwirthschaft werde keinen Nutzen haben. Das sei nicht richtig; der Vortheil für die Landwirthschaft werde darin bestehen, daß die russische Spekulation durch die geringen Zoll— beträge, die an der Grenze erhoben werden sollten, in etwas ein⸗ geschränkt werde. Bei dem eigenthümlichen System der Refaktien, wie es in Rußland herrsche, sei es vortheilhaft, das Getreide in ganz gewaltigen Massen auf die Eisenbahnen zu geben, in Massen von 5000 Wispel etwa, wie auch schon der Reichskanzler ange— führt habe. Diese Maffen führen auf den russischen Bahnen un⸗ gemein billig; solle aber an der Grenze nun ein Betrag von ca. 50 000 Me Zoll erlegt werden, dann werde die Spekulation sich doch etwas bedenken und nicht mehr auf gut Glück diese 5000 Wispel auf den deutschen Markt werfen. Hr. Flügge habe die ausländische Konkurrenz für wunderschön erklärt, aber für wen? Für den Handel gewiß, aber Hr. . sei der erste Landwirth, gus dessen Mund er höre, daß sie auch für die Landwirthschaft gut sei. Wäre diese Theorie richtig, so würden ja z. B. die Herren, die in Eisen Geschäfte machten, triumphiren müssen. J müsse also auch dieses Argument als unbegründet zurückweisen. , , hin (Elsaß) erklärte, der Ausschluß der elsaß⸗ lothringischen Abgeordneten aus der Tarifkommission habe in den Reichslanden den Eindruck gemacht, als sollten die Be⸗ wohner desselben immer als Parias behandelt werden. Werde doch die Industrie in den Reichslanden von keinem anderen deutschen Gebiet übertroffen und habe doch die Annexion von Elsaß⸗Lothringen speziell in die Verhältnisse seiner engeren Heimath so tief eingegriffen, daß es schon deshalb wünschens⸗ werth gewesen wäre, einen Sachkundigen aus Elsaß⸗-Lothringen in die Kommission aufzunehmen. Elsaß⸗Lothringen verdanke seine ehemalige Prosperität der früheren französischen Wirth⸗ schaftspolitik, während jetzt im Elsaß die Lage eine üble geworden sei. Darum habe sich der Landesausschuß bei der in Frage stehenden Tarifreform entschieden und einstimmig für den Schutz der nationalen Arbeit ausgesprochen. Die Bezirke des Elsaß er⸗ nährten so viel Menschen mehr, je größer der Entwickelungs⸗ grad der Industrie sei. Die dortige Großindustrie habe seit einem Jahrhundert ihren Aufschwung genommen, und die Be⸗ völkerung sei seit 100 Jahren von 650 090 auf 1119285 Ein⸗ wohner gewachsen. Was den Kornzoll betreffe, so habe, der Landesausschuß an die Reichsregierung einen Antrag einge⸗ reicht, nach welchem eine Einrichtung ähnlich der früher in Frankreich bestehenden échelle mobile, getroffen werden möge. Das amerikanische Getreide sei nicht so hohen Steuern unterworfen, wie das einheimische und die Produktionskosten seien im Eisaß gestiegen, ohne eine entsprechende Zunahme des Ertrages. Die Een fach daß der Werth des Grund⸗ besitzes in den letzten Jahren um 26 Proz gefallen sei, be⸗ weise die Nothwendigkeit eines Schutzes für den Ackerbau. Müsse die Industrie geschützt sein, so könne man dem Acker⸗ bau einen mäßigen Schutz auch nicht versagen. Verhessere sich die Lage der Bauten, so werde Deutschland im Stande

sein, seinen Ackerbau derart zu verbessern, daß es den inlän— dischen Konsum an Getreide vollständig decken könne. Was den Tabak betreffe, so seien die elsässer Bauern große An— hänger des Staatsmonopols und verkauften jetzt ihre Tabak— ernte um ein Drittel billiger, als bei der französischen Regierung, weshalb die Kultur um die Hälfte ge— fallen sei. Hinsichtlich des Weinzolles sei man im Elsaß der Ansicht, daß der jetzige Satz von 185 pro 100 kg beizubehalten, und von einer Erhöhung abzusehen sei, weil dieselbe nicht den Weinbau, sondern nur die Fabrikation künstlichen Weines fördern würde. Jeden— falls stimme er für die von der Regierung vorgeschlagenen Kornzölle bezw. für die Erhöhung des Satzes von Roggen auf L-, nach dem Antrage von Mirbach. Der Freihandel solle billigere Waare schaffen, der Schutz der nakionalen Arbeit aber solle das Mittel geben, überhaupt kaufen zu können. Er wolle Schutz für die Industrie, aber auch Schutz für die Landwirthschaft.

Der Abg. Dr. Braun führte aus, die Unterscheidung des Bundeskommissars zwischen Bedarfs- und Spekulationszüfuhr verstehe er nicht; denn Spekulation und Handel sei nicht zu trennen. Wo seien denn die mehr als 100 Millionen Tentner Getreide, die sich zuviel am Markt befänden? Der Abg. Delbrück habe richtig den Zeitpunkt angegeben, wo sich das meiste Getreide auf Lager befinde, nämlich am Schluß des Jahres. Vor Schluß der Wasserstraßen suche Jeder feinen Bedarf zu decken. Der Kommissar habe in seiner Rede merk— würdiger Weise das Hauptabsatzgebiet für russisches Getreide neben Deutschland, namlich Irkand vergessen. Die Russen seien so klug wie die Deutschen, wenn die Deutschen ihre Grenzen verschlössen, würden sie schon wissen, was sie mit ihrem Getreide thäten. Der Kommissar weise auf die gestie— genen Armenlasten hin und behaupte, der Freihandel sage die⸗ sen gegenüber „laß sie betteln gehen, wenn sie hungrig find.“ Das habe er nie gesagt, aber der Kommissar imbge ihm einmal den Mann zeigen, den er satt gemacht habe. Mit neuen Steuern konne man das nichk. Der alte Bauernstand solle nach den Ausführungen des Kommis— sars ruinirt sein, weil 3000 Subhastationen stattgefunden hätten. Darunter befänden sich eine Unmasse Parzellen von kaum ein Zehntel Morgen. Im Frankfurter Gebiet, das er kenne, sollten 30 Bauerngüter subhastirt worden sein. Bauern gebe es dort gar nicht, sondern nur eine flottirende arme Bevölkerung auf kleinen Parzellen. Ebenso verhalte es sich mit dem Spessart, der schon vor den russischen Eisenbahnen und unter der Herrschaft der Getreidezölle 1816, 1617, 1646, 1847 und 1852 Hungersnoth erlitten habe, als deren wahrer mäßig geringem Gödlöztich, dichte Bevölkerung bei verhältniß= änderten das nicht. Bei ben Cehnt. 2 sẽiẽen doch licher nicht die Bauern interessirt, welché Sich, Hanf, Tabak, Hopfen, Wein und so weiter bauten. Die Bauern seien über⸗ haupt mißtrauisch gegen schöne Redensarten, sie verlangten erst die versprochene Verminderung der direkten Steuern, bevor man zur Vermehrung der indirekten schreite, sie verlangten vor der. Be⸗ steuerung der nothwendigen Lebensmittel die vom Reichs⸗ kanzler am 22. November 1875 in Aussicht genommene Be⸗ steuerung der Luxusartikel, sie sagten, wenn Brot und Fleisch, Kittel und Mütze, Wärme und Licht, Hacke und Hufnagel so vertheuert werde, was nütze ihnen dieser Kornzoll? Man verwechsele immer Grundeigenthum und Landwirthschast. Der Bauer arbeite mit seiner Familie von Sonnenaufgang bis Untergang, seine Haupteinnahmequelle sei seine Arbeit, die Bodenernte bilde nur einen Minimalbestandtheil derselben; der Großgrundbesitzer arbeite aber mit dem in Grund und Boden angelegten Kapital. Er habe ganz Europa bereist und behaupte, es gebe keinen Bauer, der dem deutschen an Charakter, Sparsamkeit, Fleiß und Wohlstand gleichkomme. Das verdanke derselbe neben seiner Tüchtigkeit der jetzt vielfach angefeindeten liberalen Gesetzgebung, welche ihn befreit habe. Es gebe auch Schutzzöllner unter den Bauern, aber von diesem Zoll sagten fie, damit könne man keinen Hund vom Ofen locken. Man könne Fleisch- und Brotpreise künstlich theuer machen, aber nicht billig. Das werde man auch nicht mit Fleisch' und Brottaxen erreichen. Der Reichskanzler, sei stets klar über das, was er wolle und wende seine Mittel an mit einer Willenskraft und Rücksichtslosigkeit, die einzig sei. Die Beweisführung, die das Haus von ihm gehört habe, scheine ihm aber auf der Voraussetzung zu basiren, daß blos die Landwirthe Einkommensteuer zahlten. Die Einkommensteuer sei keine spezifisch landwirth⸗ schaftlich Steuer, auch der Städter müsse sie zahlten. Wenn fortwährend der liberalen Partei der Vorwurf ge⸗ macht werde, daß sie kein Herz für die Landwirthschaft habe, so widerspreche das den Thatsachen. Die liberale Partei habe im preußischen Abgeordnetenhause wiederholt auf die Miß⸗ stände aufmierksam gemacht, ohne Gehör zu finden, und jetzt schiebe man ihr die Schuld für diese Mißstände in die Schuhe. Die Ausführungen des Reichskanzlers basirten ferner auf der Voraussetzung, daß das Ausland eine Grundsteuer gar nicht kenne. Das sei nicht richtig. In England, Frank⸗ reich, Oesterreich, ja sogar in Rußland sei das Grundeigen⸗ thum höher belastet als in Deutschland. An und für sich feien niedrige Getreidepreise kein Glück. Hohe seien aber auch kein Glück, und man thue am besten, wenn man künstlich weder das eine, noch das andere mache, sondern der Natur ihren Lauf lasse. Die Getreidepreise, wie sie sich stell⸗ ten durch die Natur der Dinge, das seien die vernünftigsten und richtigsten. Wenn der Reichskanzler hinzugefügt habe, wären niedrige Getreidepreise ein Glück, dann müßten ja die Leute an der unteren Donau die glücklichsten sein, so bemerke er, daß die Leute in der That dort glücklich seien. Und die deutschen Bauern, die dort wirthschafteten mit dem Fleiß, der Willenskraft und der Sparsamkeit des deutschen

auern, die gediehen dort 3 vortrefflich. Was den Ge⸗ treidepreis anlange, so werde derselbe auf dem Weltmarkt ge⸗ macht. Getreide? und Brotpreise ständen dagegen in engstem Zufammenhange, die Brotpreise folgten den Getreidepreisen

dicht auf den' Fuß. Er sei immer noch der Mei⸗ . . der Reichskanzler, als er im Jahre 1868

in den Motiven zum Gewerbegesetz gesagt habe, daß nur auf dem Grundsatze der freien Bewegung' eine Einigung des Reichs möglich sei. Hier handle es sich aber nicht um Aufrechterhaltung einer Beschränkung, sondern um die Ein⸗ führung neuer Beschränkungen. Der Unterstützungswohnsitz, von dem der Reichskanzler auch gesprochen, sei nur zu Gun⸗ sten des platten Landes gemacht, damit nicht die Städte nach Ausnutzung der Kräfte der Arbeiter die Lasten auf das Land abwälzen könnten, das sollte ein preußischer Staatsmann doch nicht verkennen. Dieser Krieg zwischen Stadt und Land, zwischen Industrie und Handel, zwischen Nord und Süd, der durch diese Zölle neue Nahrung erhalte, sei das direkte Ge— gentheil von deutscher Einheit, denn die Einheit könne nur erreicht werden auf der Grundlage der freiheitlichen Be— wegung.

Der Kommissarius des Bundesraths, Geheime Regie— rungs⸗Rath Tiedemann bemerkte, in der Ausführung des Vor— redners fange fast jeder dritte Satz mit den Worten an: Der Herr Bundeskommissar Tiedemann; es sei versucht, ihm alle möglichen Widersprüche und Inkonsequenzen zur Last zu legen. Er werde ganz kurz, gewissermaßen in persoönlicher Bemerkung, diese Angriffe widerlegen. Den von dem Abg. Braun nicht verstandenen Unterschied zwischen Bedarf zufuhr und Spekulationszufuhr charakterisire er da— hin: Die Bedarfszufuhr komme gerufen, die Speku— lotionszufuhr ungerufen; erstere liege im Interesse des Inlan⸗ des, letztere lediglich in dem des Auslandes. Hr. Braun frage ferner, wo das viele Getreide lagere von dem immer die Rede sei. Hr. Braun habe große Reisen gemacht durch ganz Europa, er möchte ihm vorschlagen, die nächste nicht nach der Türkei oder Rumänien zu machen, sondern auf die heimischen Märkte zu beschränken. In jedem Dorfe werde er diese Massen lagern finden, wie ihm die Landwirthe durchaus be—

stätigen würden. Dann werde ihm vorgeworfen, er habe

unter den Konsumtionsländern Irland nicht erwähnt, das doch́

eine große Menge russischen Getreides konsumire. Er habe nur vom Roggen gesprochen. Bezüglich seiner Subhastations⸗ angaben müsse er zugeben, daß die Exemplifikation auf Frank⸗ furt a. M. nicht glücklich gewählt gewesen sei, die Angaben selbst aber bezögen sich auf die alten Provinzen Preußens, wo doch von zersplittertem Grundbesitz nicht die Rede sein könne. In Be⸗ treff der Brotpreise habe er noch nachzuholen, daß der neu— lichen Behauptung des Hrn. Dr. Delbrück, die Differenz des Preises für 5 kg betrage zwischen Hamburg und Altona 10 , der Umstand entgegenstehe, daß zwischen beiden Städten das große Gebiet der Vorstadt St. Pauli liege. Hier seien, wie die Senatsprotokolle von 1864 auswiesen, die Brotpreise

von denen Hamburgs nicht verschieden, das Brot loste in Cr guoe rr Feen. , inn, Męictet-- 3 D D , rt

Leuten, die Nichts zu essen hätten, zwar nicht Brat, aber Arbeit geben wolle, und wer Arbeit habe, habe auch Brot. . Der Abg. Freiherr von Mirbach äußerte, er könne sich den. Ausführungen des. Abg. Braun, in keiner Weise an— schließen, nur in dem Einen müsse er ihm völlig. Recht geben, daß der Bauer heute das Gefühl einer Zurücksetzung habe. Gerade dieses Gefühl wolle die Wirthschaftsreform austilgen. Wenn der Abg. Braun schon einmal eine Hungersnoth mit— gemacht habe, fo müsse das schon recht lange her sein. Der⸗ selbe habe durch das, was er damals erlebt habe, sich nicht bewegen lassen, die Aufhebung der Grundsteuer anzustreben, seine Freunde und er würden aber einen solchen Antrag sicher einbringen. Es sei ihm wohl entgegengehalten worden, daß die Aufhebung der Grundsteuer den Landbau gleich⸗ wohl nicht besser stellen werde, aber er denke doch, derselbe müsse besser gestellt sein, wenn ihm durch den Wegfall einer drückenden Steuer ein größeres Betriebskapital zur Disposition stehe. Dem Abg. Flügge müsse er leider sagen, daß ihn seine Ausführungen nicht zu überzeugen vermocht hätten, Auch mit Hrn. von Saucken, seinem Landsmanne, sei er vielfach nicht einverstanden, dennoch aber habe dessen Rede auf. ihn einen sehr wohlthuenden Eindruck gemacht, sie sei von tiefer Sach⸗ kenntniß durchdrungen und stehe in, vortheilhaftem Gegensatze zu den Ausführungen bloßer Theorie. Aber Hr. von Saucken gehe von der unrichtigen Voraussetzung aus, daß ganz Ost⸗ preußen gegen die neue Politik des Reichskanzlers sei. Er könnte im Gegensatz zu den Resolutionen von Vereinen, auf die der Abg. von Saucken sich berufen habe, demselhen eben so viele andere anführen, die sich mit der neuen Zoll⸗ und Steuerpolitik durchweg einverstanden erklärt hätten. In früheren Jahren sei die Landwirthschaft nicht zu nunde ge⸗ angen, solle jetzt auf einmal der Getreidezoll Alles um⸗ ehren? Er könne das nicht zugeben. Ihm wolle es über⸗ haupt scheinen, als habe man bisher die Frage der Getreidezölle bezüglich ihrer Tragweite und ihres Einflusses auf die Getreidepreise einseitig behandelt, es werbe! immer nur gefragt, was solle in Mißwachs⸗ jahren aus dem armen . werden; man vergesse dabei ganz, daß es in solchen Jahren dem armen Landwirth noch viel hier ner gehe als dem Konsumenten. Er als Ost⸗ preuße sei selbstverständlich für die Forderung der Handels⸗ und Seestädte, bas Fiecht der freien Getreidedurchfuhr zu er⸗ halten, ja er würde sogar für Königsberg gern Differential⸗ zölle durchzusetzen sich bemühen, wenn die, Landwirthe nur einen genügend hohen Zoll bekämen. Er sei nun fest davon überzeugt, daß der kleine Zoll gar keinen Einfluß auf den Preis des Brotes haben werde, denn dieser kleine Zoll stehe weit unter den gewöhnlichen Preisdifferenzen für Brot an einem und demselben Orte. Jedenfalls hoffe er dagegen, daß die deutschen Landwirthe durch die auswärtige Kon⸗ kurrenz in Folge des Zolles nicht mehr so sehr zu leiden haben würden, daß der Absatz also gesicherter werde und, das liege in dem nationalen Juteresse, daß die deutschen Land⸗ wirthe bestehen könnten. Der Zoll von 50 5, sei aber ent⸗ schieden zu niedrig für Roggen, die Landwirthe müßten bürchaus einen Zoll von 1 6 haben, und wenn das Haus diesen Zoll nicht bewillige, dann könne er und seine Partei auch nicht für die Erhöhung der Eisenzölle stimmen, denn eigentlich müßte der Zoll, wenn man der Landwirthschaft überhaupt helfen wolle, noch bedeutend höher sein. Sollte