1879 / 123 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 28 May 1879 18:00:01 GMT) scan diff

Die Schrift des Prof. Julius Otto Opel, Die An⸗ fänge der deutschen Zeitungspresse 1609 = 1650, die als 3. Band des „Archivs für Geschichte des deutschen Buch— handels“ vor Kurzem veröffentlicht worden, ist soeben in einer Separatausgabe zu Leipzig im Verlage des Börsenvereins der deutschen Buchhändler erschienen. Wir haben diese gediegene und werthvolle Schrift, die von genauer und umsichtiger Forschung, wie von sorgfältiger Kritik des Verfassers zeugt, bereits eingehend ge⸗ würdigt und beschränken uns daher darauf, hier nur noch nachträglich zu bemerken, daß der Schrift am Schluß auf 9 Tafeln die Titel von mehreren alten Zeitungen (der Straßburger Ztg. vom Jahre 1609 und 1634, der Unparteiischen Frankfurter Ztg. vom Jahre 1633 und 1634, der Berliner Ztg. vom Jahre 1619, der Nürnberger Ztg. vom Jahre 1620), sowie von alten Postblättern über Ankunft und Abgang der Posten aus den Jahren 1626 und 1631 in treuer Ab⸗ bildung beigegeben sind.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

(St. Pet. Herold). Wie der Tifl. Westn. mittheilt, haben sich die Heuschrecken, welche im Jelissawetpolschen Gouver⸗ nement in den ersten Tagen des Aprilmonats 3 Werst von Jelissa⸗ wetpol zuerst auftraten, so vermehrt, daß sie in die Stadt und in die Gärten drangen und anfingen, die Weinstöcke und überhaupt jegliche Vegetation zu vernichten. Allmählich bedeckten sich die Straßen und Höfe mit so ungeheueren Massen von Heuschrecken, daß das Gehen auf den Straßen erschwert wurde. Am 21. April mußten die Kaufleute endlich auf Verfügung der Behörden ihre Magazine und Läden schließen, um mit rereinten Kräften sich an die Vernichtung der schädlichen Insekten zu machen. Das gemeine Volk verhielt sich diesen Mitteln gegenüber vorurtheils voll. Anfänglich hielt dasselbe es für eine große Sünde, die Heuschrecken zu tödten, besonders, als noch keine darauf bezüg—⸗ liche Verordnung der Behörden erfolgt war. Da erließ die Polizei einen Befehl, nach welchem die Bewohner eines jeden Hauses verpflichtet waren, in einer bestimmten Zeit getödtete Heu— schrecken in einem Gewicht von zwei Pud vorzustellen. Gegenwärtig sind alle Kanäle mit Heuschrecken angefüllt, so daß man das Wasser nur mit einer gewissen Ueberwindung geniessen kann. Viele Familien konnten eine ganze Woche hindurch nicht kochen und Brod backen, weil ihre Häuser und die Oefen in denselben buchstäblich mit Heu⸗ schrecken angefüllt waren. Wohin man tritt, findet man Massen von 3 Heuschrecken, welche verwesen und die Luft mit Miasmen erfüllen.

Gewerbe und Sandel.

Dem Geschäftsbericht der Berlin⸗Hamburger Eisen⸗ bahn pro 1878 entnehmen wir folgende Daten: Die Gesammtzahl der beförderten Personen betrug 2 071 235 mit einer Einnahme von 3 634180 S, An Passagiergepäck wurden 5 548 370 kg befördert und dafür eingenommen 104 780 S. Der Güterberkehr umfaßte ein Gewicht von 1206086 t und brachte eine Einnahme von 11 604 302

egen 1244 894 t mit 12 972 971 6 im Vorjahre. Es betrugen die

esammt⸗Brutto⸗Einnahmen 16586 184 M (1877 17 554 122 M), die Betriebsausgaben 9 689372 4 (1877 10402738 6), d. i. in Prozenten der Einnahme 584 S (1877 59,2 C). Es resultirt ein Ueberschuß von 6 8936 811 10 (1877 7151 384 S6) Davon wurden verwendet: Für Ver⸗ zinsung, Amortisation der Prioritäten und Antheile anderer Bahnen 3513 529 M (1877 3552 365 M), daher bleibt reiner Ueberschuß 3 383 182 S (1877 3 599019 MS). Davon kommen zum Reserve⸗ fonds 1 592 557 ƽ (1877 1 620 894 M), Steuer 215 625 M (8377 253 125 S, Dividende an die Aktien A. 1575000 M (1877 17250900 ), d. i. 10509 (gegen 1190, in 1877). Der Bestand des Reservefonds erhöht sich nun auf 5 570 925 von 3397 61641 Die Beträge, aus Betriebsreservefonds entnommen, für Ergänzung des Unternehmens belaufen sich jetzt auf 25 848 4583 S gegen 24 999961 Æ Ende 1877, die amortisirten Prioritãten auf 3550 8)0 p 1877 3 252 390 M). Die Anlagekosten der Zweigbabn Wittenberg⸗Buchholz stehen 31 57 932 SY. zu Buche (1877 31150788 S), die Betheiligung an der Berliner Stadtbahn mit 80 000 S, nachdem 400 000 S abgeschrieben wurden (in 1877 1 801 800 40).

Nach dem Jahresberichte der Allgemeinen Unfall⸗ Ver sicherungs⸗Bank in Leipzig sind am 31. Dejember 1878 249 212 Personen versichert gewesen und im Jahre 1878 6773 Un— fälle angemeldet worden. Der Bericht konstatirt noch, daß seit dem Bestehen der Bank (1. Juli 1871) 32781 Unfälle zur Anmeldung gelangten, von denen 13581 als haftpflichtig anerkannt und durch Gewähr einer Entschädigungssumme von 4576 590 4M erledigt, wäh⸗ rend 14165 Unfälle der Zweiggenossenschaft (die gegen die Folgen nichthaftpflichtiger Unfälle versichert) überwiesen und von dieser mit 1402192 0 entschädigt werden konnten. Aus der Jahresrechnung ist zu ersehen, daß die Reserve⸗ und Rentenfonds der Bank sich auf 14165275 6 beziffern und der in mündelsicheren Werthen angelegte EGffektenbesitz von 833 365 S bei der Kaiserlichen Reichsbank in en nnn der Allgemeinen Deutschen Credit⸗Anstalt in Leipzig de⸗

onirt ist.

Der Geschäftsbericht der Deutschen Unfall⸗-Versiche—⸗ rungs-⸗-Genossenschaft, die mit dem ersteren Institut gemein sam verwaltet wird, bekundet, daß die Genessenschaft im Geschäfts⸗ jahre 1378 eine Zunahme von 323 Etablissements mit 932 Per sonen zu verzeichnen hatte. Am 31. Dezember 1878 belief sich der Versicherungsbestand auf 96 809 Personen in 2452 ECtablissements mit einer Versicherungssumme von 198 793 245 606 und einer Jahres⸗ vrämie von 426 988 S Für 3579 Schadensfälle waren im Ganzen 314 504 0 auszuzahlen, während für unerledigte Unfälle 78 570 . in Reserve gestellt worden sind. Die Gelder der Reservefonds sind in Effekten in 5 und 450/igen Oberschlesischen Eisenbahn⸗Prioritä—- ten zinstragend angelegt und bei der Allgemeinen Deutschen Credit⸗ Anstalt in Leipzig deponirt.

Der Rechnungkabschluß der Vorarlberger Bahn pro 1873 konstatirt, daß im abgelaufenen Jahre zum ersten Male seit der Eröffnung des Betriebes ein Rückgang in den Einnahmen gegen das Vorjahr eingetreten ist. Dieselben betragen 454 886 Fl. gegen 466 784 Fl. in 1877. Im Personenverkehr ergab sich eine Minder⸗ frequenz von 5256 Personen und eine Mindereinnahme von 1772751. Der Güterverkehr ist gegen das Vorjahr um 17732 t gestiegen, hat jedoch um 1127 Fl. geringere Einnahmen erzielt. Die Ausgaben betragen 503 521 Fl. und sind gegen diejenigen des Vorjahres um I82 Fl. vermindert. Das finanzielle Ergebniß gipfelt in einem Betriebs ausfalle ron 148 635 Fl., in dem jedoch außerordentliche Auslagen im Betrage von 23 248 Fl. enthalten sind. Die Ver⸗ zinsung und Amortjsation der Aktien und Prioritäten erfordert den Betrag von 677999 Fl,; die bisherigen Gesammtzuschüsse aus dem Titel der Staatsgarantie belaufen sich auf 4 820 760 Fl. in Silber und 1208 642 Fl. in österreichischer Währung.

Die Allgemeine Versicherungs⸗Aktiengesellschaft Fortuna hierselbst vertheilt für das vergangene Jahr eine Divi⸗ dende von 3 oder 48 M Per Aktie. Die Gesammt⸗Einnahmen bezifferten sich auf 1083 400 M, die Gesammt Ausgaben auf 1956297 , so daß ein Gewinn von 27 113 0 verbleibt. Derselbe wird verwendet mit 24000 4 zur Bezahlung der Dividende in der angegebenen Höbe und mit 2711 4 zur Vertheilung der statuten ˖ mäßigen und kontraktlichen Tantième, während 407 S auf neue Rechnung vorgetragen werden. Die Schaden⸗ und Prämienreserve beträgt zur Zeit 223 200 1, die Kapitalreserve 300 M50 M, die ge⸗ sammte Reserre somit 523 000 M

Dem Rechen schaftẽbericht der Reuter schen Telegraphen⸗ gGeiellschaf t in London zufolge beläuft sich der Reinertrag des FGeschäfts auf 33827 E, welche Summe die Vertheilung einer Jahree⸗ Dividende von 71 o/ gestattet.

Wien, 28. Mai. (W. T. B.) Die heutige Generalver⸗ sammlung der Südbahn ertheilte ein Absolutorium und ge⸗ nehmigte den Antrag der Verwaltung, daß der Ueberschuß per 712 540 Fl. der Reserve zuzuweisen sei. Der Verwaltungsbericht konstatirt, daß die letzte Serie der Bons zurückgezahlt und die ein⸗ zige schwebende Schuld die Rothschildschen Vorschüsse seien, zu deren Rückzahlung der Verwaltungsrath die letzte Serie der 30/0 Obliga⸗ tionen (200 000 Stück) jetzt emittiren wolle.

Preßburg, 21. Mai. (W. T. B.) Das von den Besitzern Strousbergscher Partia lobligationen gegen die Waagthal⸗ Bahn überreichte Konkursgesuch ist nach mehrtägigen Verhand⸗ . von dem hiesigen Gerichtshofe als unbegründet zurückgewiesen worden.

Am sterdam, 27. Mai. (W. T. B.) Die niederlän⸗ dische Bank hat den Diskont von 35 auf 39so herabgesetzt. Bei der heute von der niederländischen Handelsgesell⸗ schaft abgehaltenen Zinnauktion wurden 23 6 Blöcke Banca⸗ zinn zu 391 à 39 zum Verkauf angeboten. Der Mittelpreis be⸗ trug 35,55 und wurde Alles verkauft.

1 26. Mai. (W. T. B.) Weizen verschiffungen der letzen Woche von den atlantischen Häfen der Vereinigten Staaten nach England 94 000, do. nach dem Kontinent 120 000, do. von Kalifornien und Oregon nach England 30000 Qrtrs. Visible Supply an Weizen 15 375 000 Bushel.

Verkehrs⸗Anstalten.

New- York, 27. Mai. (W. T. B.) Der Da mpfer Erin von der National-⸗-Dampfschiffs⸗ Compagnie (C. Mes⸗— singsche Linie) ist hier eingetroffen.

Berlin, den 28. Mai 1879.

Die „Allg. Ztg. veröffentlicht nachstehenden Aufruf:

Gestern wurde unsere Stadt von einem furchtbaren Brand⸗ unglücke heimgesucht. Das Feuer entstand auf bis jetzt unerklär— liche Weise in einem Oekonomiegebäude und verbreitete sich mit so rapider Schnelligkeit, daß in kurzer Zeit mehr als ein Drittel der Stadt in Flammen stand. An Löschen und Retten war kaum zu denken. Zur Zeit liegen gegen 100 Wohnungen nebst allen dazu ge⸗ hörigen Nebengebäuden in Asche; darunter die Post, das Amthaus, die 5 Pfarrhäuser, eine Lehrerwohnung und was das Schlimmste ist, viele Wohnungen blutarmer Menschen, die kaum mehr als das nackte Leben gerettet haben und sehr schwer hier Obdach finden können. Auch unsere alte, schöne Kirche ist niedergebrannt, desgleichen die Synagoge und israelitische Schule. Kaum ist die durch den Typhus entstandene Noth gelindert, so trifft hiesige Bewohner dieses unbe⸗ schreibliche Unglück. Schnelle Hülfe thut sehr noth, weshalb das unterzeichnete Comits die dringende Bitte um Gaben jeder Art an Alle richtet, die gern den Nothleidenden beistehen.

Tann a. Rhön, den 13. Mai 1879.

Das Unterstützungs⸗Comits für die Abgebrannten: Oberst⸗Lieutenant Arthur Freiherr von Tann⸗Rathsamhausen. Schmidt, Stadtvorsteher. Baumann, Oberpfarrer. Baumann, Pfarrer. Wehmeyer, Oberförster. Grün korn, Posthalter. Ed. Simon. Fr. Fleischmann. Dr. Grau. Knorz, Apotheker. Kalb, Lehrer. Heilbronn, Fabrikant. Stern. Freudenthal. Jung, Kantor.

Bauer, Lehrer.

Der Erfurter Dom hat einen neuen Schmuck dadurch er— halten, daß das von Sr. Majestät dem Kaiser gestiftete letz te Glasfenster im Kirchenschiffe eingesetzt worden ist. Die Er⸗ furter Ztg. theilt darüber Folgendes mit:

„Das Fenster befindet sich in der sogen. Blutkapelle *), hat eine Breite von ca. 12 Fuß, eine Höhe von über 40 Fuß und ist somit das größte Fenster des ganzen Domes. Durch die 5 steinernen Fensterstöcke ist dasselbe nach der Höhe in 6 lange Felder geth eilt, welche im Couronnement durch reiches Maßwerk geschlossen sind.

Für den Künstler, welcher die Komposition der Figuren und Ornamente für die Glasmalerei zu entwerfen hatte, war die Aufgabe dadurch eine sehr schwierige, daß bei der bedeutenden Höhe des Fen⸗ sters die Hauptdarstellungen; das Abendmahl, die Kreuzigung und die Grablegung die Mitte der Fensterfläche einnehmen mußten. Dies ist dadurch erreicht worden, daß in dem ornamentalen Aufbau die einzelnen Darstellungen etagenweise über einander angebracht worden sind. Unten am Fuße des Fensters sind die 6 Wappen schilder unseres Herrscherhauses, von geflügelten Engelfiguren ge⸗ tragen, dargestellt. Darüber befinden sich in den 4 Mittelfeldern des Fensters die Propheten Jeremias, Jesaias, Jonas und Simeon; die Eckfelder sind durch gothische Baldachine ausgefüllt.

Nun kommt als Hauptbild das Abendmahl, welches die Breite von 4 Feldern einnimmt; in den Außenfeldern daneben befinden sich zur linken Seite die Jungfrau Maria und rechts Johannes der Täufer. Die Gruppirung der Figuren bei dem Abendmahlsbilde ist von ganz besonderer und sehr glücklicher Lösung; trotz der Theilung des steinernen Stabwerks und der eisernen Querstäbe erscheint die Darstellung mit dem Teppichhintergrunde und der reichen Gewölbe⸗ und Baldachinkrönung als ein einheitliches Bild.

Darüber befinden sich die beiden obengenannten bildlichen Dar⸗ stellungen, getheilt durch den mittleren Hauptstab des Fensters, und zwar zur linken Seite des Beschauers: die Kreuzigung Christi mit den dazu gehörigen historischen Darstellungen, darüber der segenspen⸗ dende Gott Vater mit der Taube, als Zeichen des heiligen Geistes. Zur rechten Seite oist die Grablegung Christi, gleichfalls mit den dazu gehörigen hist rischen Nebenfiguren und 6e, dargestellt, darüber ein Kreuz und als Schlußkrönung in der Mitte der Bilder we, . Engel mit der Monstranz und zu beiden Seiten schwebende

ngel.

Von hier ab entwickelt sich in allen 6 Feldern des Fensters ein reiches vielverzweigtes Baldachin system, welches in seiner weiteren Verästelung sich zu einem luftigen und durchsichtigen Fialen⸗ und Wimpergenwalde auflöst, der in verschiedenen Absätzen kleine Nischen für Heiligensiguren enthält.

Im unteren Aufbau daselbst sind Moses und David als Außen⸗ figuten und darüber die Gestalten des St. Michael, der St. Elisa⸗ beth, der St. Helena, des St. Christophorus, des St. Georg und des St. Martinus dargestellt.

Zu oberst in dem Vierblatt des Couronnements ist als Haupt- bild Christus als Weltenrichter, umgeben von der Madonna im Sternenhimmel über der Erdkugel ihronend dargestellt. Zunächst dieser Darstellung sind oben und zur Seite betende Engel dargestellt, während in den vier Ecken die Attrihute der vier Evangeliften den Abschluß dieser ganzen bildlichen Darstellung im Couronnement bilden.

Der Entwurf der gesammten bildlichen Darstellung des Fensters rührt vom Professor Eberlein in Nürnberg her. Derselbe hat auch, nach Anleitung des Geheimen Regierungs⸗ und Bauraths Drewitz hierselbst und des verstorbenen Konservators Geheime Rath von Quast zu Berlin, die Kartons gefertigt und mit seinen eigenen Glasmalern die Ausführung der ganzen Glasbilder besorgt. Dieselbe ist als eine höchst gelungene und glückliche zu bezeichnen, denn sie lehnt sich unmittelbar an die alten Vorbilder der Glasmofaik des Mittelalters gem im Gegensatz zu den Bestrebungen der neuen Münchener

ule.

J Der Name Blutkapelle rührt von dem alten Gebrauche her, an dieser Stätte, wo die Leichrame der beiden ersten Bischsfe Erfurts

Adolar und Foban, zur ewigen Ruhe bestattet sind, daz Sakrament des heiligen Leibes und Blutes Christi auszutheilen.

Wir erblicken in dem neuen Erfurter Domfenster (wie auch in den übrigen, seit den letzten 5 Jahren durch den Geheime Rath i restaurirten Glasfenstern des Kirchenschiffs nach Art der alten Glasmalereien die einzelnen kleinen farbigen Glasstücke durch Verbleiung ineinander gefügt in voller Durchsichtigkeit der Farbe und nicht ein bloßes Durchschimmern. Durch die Verbleiung wird die Kontur der Tiguren und die Zeichnung der Ornamente verstärkt resp. hergestellt. Die verschiedenen Striche der Einzeichnungen sind durch die schwarzbraune Schmelzfarbe (Schwarzloth) eingebrannt oder an einzelnen Theilen durch Abschleifen des Ueberfangglases hergestellt. Dadurch gewinnt das Ganze eine überau kräftige und licht volle Farben⸗ tönung und durch die volle Durchsichtigkeit der einzelnen Glastheile einen farbenprächtigen Glanz. Mag der Beschauer des Fensters in der frühen Morgenstunde oder später in der vollen Sonnenbeleuchtung vor dasselbe treten, immer wieder wird er von Neuem durch die Schönheit der Zeichnung in den Figuren und Ornamenten und durch die harmonische Farbenwirkung gefesselt.

Ven den „Mittheilungen des Vereins für Ham burgische Geschichte“ liegen uns die Monatshefte für Februar bis April d. J. vor. Dieselben bringen an Originalbeiträgen u. A. Kalender Notizen der alten Rathmänner - Familie Bekendorp, als ältestes Beispiel ihrer Art in Hamburg, insossern sie bis 1573 zurück= reichen (von Carl Koppmann), und weitere „Zur sinnbildlichen Darstellung von Städten“ (von Martin Gensler) und über den Namen „Hammonia“ (von K. E. H. Krause und Koppmann). Der Letztere macht ferner interessante Mittheilungen über die „Sage vom Lachsessen‘. Dieselbe ist nicht nur in Hamburg, sondern auch in Münden, Hameln, Bremen, Stade, Lüneburg und Rostock, also im ganzen unteren Elb⸗ und Wesergebiete verbreitet und lautet dahin: s habe früher dort so viele Lachse ier. daß die Dienstboten sich beim Rath über das tägliche Lachzessen beschwert hätten, und in eln dessen jährlich in der Bursprake eine Verordnung erlassen worden ei, wonach die Herrschaften ihren Dien stboten nicht häufiger als wöchent⸗ lich zweimal Lachs zu essen geben sollten. In England kennt man dieselbe Geschichte am Severn und dessen Nebenfluß, dem Wye, und ebenso in Irland. In Bezug auf Schottland aber ist Wal ter Scott Ge⸗ währsmann, welcher in seinen „Presbyterianern“ (Kap. 8) schreibt: „Ein großer gekochter Lachs würde in unsern Tagen eine bei weitem reichlichere Haushaltung anzeigen; zu jener Zeit (1679) aber ward er in den ansehnlichen Flüssen Schottlands in solchem Ueberfluß gefan— gen, daß er gewöhnlich den Dienstboten zur Kost angewiesen ward, die sogar bisweilen in ihrem Dienstkontrakt ausgemacht haben sollen, daß man ihnen eine so widrige und magen⸗ verderbende Speise nicht mehr als fünfmal die Woche geben dürfe.“ Weitere Beiträge beziehen sich auf: eine alte Urkunde des Dom⸗ kapitels vom Jahre 1312, welche seit dem gewaltsamen Einbruch in das Domarchiv im Jahre 1804 verschleppt war und sich seitdem in privatem Besitz befand, und auf die sogenanuten Kreuzpfennige (Crucepenninge); vieles Andere, wie die Hamburgensia aus Boger Etherologium oder „Heterologium“ von 1506, ist dagegen nur mehr von lokalem Interesse.

Aus den Vereinsnachrichten verdienen die gehaltenen Vor- träge eine kurze Erwähnung. So sprach Hr. Koppmann über die Neun Helden“ (neuf preux, nine worthies, de neghen besten), jene Zusammenstellung von dreimal, drei Männern, die sich nach der Meinung des Mittelalters im Heiden thum, Judenthum und Christenthum am meisten durch Ritter tugenden ausgezeichnet haben, und als welche gewöhnlich Hektor, Alexander der Große und Julius Caesar, David, Josua und Judas Makkabaeus, Arthur, Karl der Große und Gottfried von Bouillon angenommen und vielfach dargestellt worden sind. Der Vortragende machte den Versuch, diese eigenthümliche Zusammenstellung von je drei Repräsentanten der drei Bekenntnisse der Bretagne zuzueignen und die Gründe ausfindig zu machen, welche hier zu einer Abweichung in den Personen, dort zu einer Vergrößerung ihrer Anzahl in Hamburg wie auch anderswo auf zwölf geführt haben.

Derselbe sprach ferner über das Amt der Reper und den Jo⸗ hannis⸗Krugtag der Repergesellen; Dr. F. Voigt über die Hol zschnitz⸗ werke im Hamburgischen Museum für Kunst und Gewerhe, sowie über die Gründung der Schiffergesellschaft in Hamburg (im Jahre 1492 als St. Annen⸗Brüderschaft der Schiffer und Seefahrer, zu kirchlichen und geselligen Zwecken) und die aus ihr hervorgegangene Stiftung des Seefahrer ⸗Armenhauses. Aus dem letzteren Vortrage erscheint die Mittheilung bemerkenswerth, daß die jetzige Wittwen⸗ kasse Hamburger Schiffskapitäne aus der ehemaligen Casse der Stücke von Achten“ hervorgegangen ist, die zum Loskauf Awvon durch muselmännische Kaper in Gefangenschaft gerathenen Schiffern beftimmt war.

Anläßlich des Hamburger Straßennamens „Pilatuspool“, den man vergeblich durch Wilhadus⸗ oder Platz Pfuhl zu er— klären versucht hat, stellt Koppmann schließlich die Frage, ob der Name jenes römischen Statthalters noch an anderen Oertlich⸗ keiten hafte, als dem Pilatusberge und dem Pilatussee im Kanton Luzern. Der Pastor zu St. Michaelis Carl Bertheau bittet da—⸗ gegen um Mittheilung, ob sich irgendwo in öffentlichem oder pri—⸗ vatem Besitz eine ältere Handschrift von Johannes Bugen⸗ hagens „Der Erbaren Stadt Hamborg Christlike Orde ninge vom y. 1529 in niederdeutscher Sprache finde.

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Das Germania⸗Theater eröffnet morgen, Donnerstag, seine Som merbühne mit einer Novität ven Albert Lindner.

Nedacteur: J. V.: Riedel.

Verlag der Gypedition (Kessel). Druck: W. Elter. Vier Beilagen

Berlin:

(einschließlich Börsen⸗Beilage).

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

n 123.

ES79.

Berlin, Mittwoch den 28. Mai

Nichtamtliches.

Berlin, 28. Mai. Im weiteren Verlaufe der gesteigen (54.) Sitzung setzte der Reichstag die zweite Berathung des Gesetz⸗= entwurfs, betreffend die vorläufige Einführung von Aenderungen des Zolltarifs fort. Zu diesem Gesetz⸗ entwurfe lagen außer dem schon mitgetheilten Prinzipal⸗ Antrage der Abgg. Windthorst und Dr, ammacher noch fol⸗

ende Anträge vor: Zu dem Antrage Windthorst⸗Hammacher ker regen die Abgg. von Bötticher (Flensburg) und von

Schmid (Württemberg):

Für den Fall der Annahme des Antrages 2 der Abgg. Windt⸗/ horst und Dr. Hammacher hinter die Worte: aller Art von Eisen einzuschalten: „Kaffee, Thee, Petroleum.“ .

Ferner beantragte der Abg. von Kleist-Retzaw, in dem 8. 1 des . ö. , n , ,, unter ichung der Worte: „un ein“ hinzuzufügen: Irn ,, . aller Art Branntwein aller Art, Wein, Kaffee, Thee und Petroleum“.

Dagegen der Abg. Stumm, in dem Prinzipalantrgge des Abg. Windthorst sub 1, zweite Zeile die Worte; „Nr. 6a. (Roheisen aller Art ꝛc. zu streichen und an deren Stelle zu setzen:

Nr. 6 Eisen und Eisenwagren), Nr. 15 b. 2) (Maschinen)“ ; in dem eventuellen Antrage sud 2 die Worte: Roheisen aller Art, ß und Abfälle aller Art von Eisen“ zu streichen und dafür zu setzen:

f u fen und Eisenwaaren (Nr. 6 des Tarifentwurfs),

Maschinen (Nr. 15 b, des Tarifentwurfs) ;

endlich der Abg. Richter (Hagen): .

1) im Eingang des 5§. 1 desselben Antrages die Worte zu fired n „in Nr. 6a. el isẽ aller Art ꝛc.; 2) in Zeile 6 statt „Anordnung des Reichskanzlers“! zu setzen: Anordnung des Kaifers“; 3) in der letzten Zeile vor noch genehmigen wird die Worte einzuschalten: „unter Bezugnahme auf diesen Paragraphen“.

Nach dem Referenten Abg. Benda ergriff der Präsident des Reichskanzler⸗Amts, Staats⸗-Minister Hofmann, das Wort:

Meine Herren! Die verbündeten Regierungen waren bei der Vorlegung des Gesetzentwurfs von der Ansicht ausgegangen, daß in unserer Zollgesetzgebung eine Lücke vorhanden sei, die durch eine bleibende Einrichtung auszufüllen sei. Die verbündeten Regie⸗ rungen stehen auch heute noch auf diesem Standpunkt, indessen hat fie das nich, abhalten können, in der Kommissioa den Änsichten, die dort, wie auch bei der ersten Berathung hier im Hause vertreten waren, entgegenzukommen und einen erentuellen Vorschlag zu machen, der die ganze Ma regel zunächst beschränkt auf, gewisse Positionen des neu vorgeschlagenen Taxifes. Die verbündeten Regierungen glauben, daß, wenn in diesem Falle ein Präzedens geschaffen würde, es dann späterhin wohl leichter sein werde, die vorhandene Lücke auch für die Dauer auszufüllen. Als solche Artikel, auf welche sich die Vollmacht zur vorläufigen Hebung der neuen Sätze zunächst erstrecken soll, wurden von den verbündeten Regierungen in der Kommission bezeichnet: die Position 6, also Eisen und Eisenwagren, die ganze Position 25 Materialwaaren ꝛc., welche namentlich auch die größeren Finanz- artikel enthält, und Position 29, Petroleum .

Der vorliegende Antrag der Kommission weicht nun von dem Vorschlage der verbündeten Regierungen sehr weit ab, indem er von all den Positionen nur die beiden Artikel Tabak und Wein als Ge⸗ genstände der sogenannten Sperre bezeichnet. In dieser Beschrän⸗ kung, meine Herren, würde das Gesetz, wie ich glaube, nicht eine genügende Wirksamkeit haben, um überhaupt eine Maßregel, wie die vorliegende, zu rechtfertigen. . ; ö

Was den Tabak betrifft, so ist schon früher hier und auch in der Kommiffion darauf hingewiesen worden, daß es mannigfachen Bedenken unterliegt, gerade beim Tabak mit einer vorläufigen He— bung der höheren Jollfätze voranzugehen; es würde also für den . daß die verbündeten Regierungen beim Tabak zunächst von der

ollmacht keinen Gebrauch machen, nur der Wein übrig bleiben. Ich glaube, meine Herren, daß es doch nicht der Wichtigkeit einer solchen Maßregel entspricht, wenn man nur einen einzigen Artikel wie Wein herausgreift, und andere, bei denen ganz diesel ben Gründe wie beim Weine vorliegen, in dem Gesetze außer Acht läßt. Ich möchte deshalb das hohe Haus bitten, wenn es, wie ja das vorauszusehen ist, der Regierungsvorlage nicht zustimmen wird, dann doch wenigstens diejenigen Anträge anzunehmen welche der Regierungsvorlage am nächsten stehen. In dieser Hinsicht kemmt zuerst der Antrag der Herren Windthorst und Hammacher in Betracht, infofern er den Kreis der Gegenstände, auf welchen sich die Sperre beziehen soll, ganz in dem Sinne bezeichnet, wie es die Ver⸗ treter der verbündeten Regierungen in der Kommission gethan haben. Allerdings fügt dieser Antrag eine Beschränkung hinzu, die in der ursprünglichen Vorlage wenigstens nicht in dleser Form enthalten war. Er knüpft nämlich, die Vollmacht an die Be⸗ schlüsse der zweiten Berathung. Hierin würde in Bezie· hung auf das Eisen kein Hemmniß für die vorläufige Sperre liegen, da beim Eisen bereits die Beschlüsse der zweiten Lefung gefaßt find; bei anderen Artikeln entsteht durch. die Beschrän⸗ kung allerdings der Nachtheil, daß die Sperre nicht sofort eintreten kann, sondern erst in dem Augenblicke, wo der Beschluß der zweiten Lefung vorliegt, in dessen, meine Herren, mache ich darauf aufmerksam, daß auch die verbündeten Regierungen in ihrer Vorlage zur vor läu⸗ figen Inkrastsetzung eines Zolles die Genehmigung des Reichstages vorbehalten haben, und es nähert sich insofern der Antra Windthorst⸗ n n. der Regierungsvorlage, als er den Beschluß der zweiten efung jugleich alt Genehmigung. der vorläufigen Inkraft⸗ setzung des von dem Reichstag bewilligten Zollsatzes charakterisirt. Ich kann also hier eine allerdings unerwünschte, aber doch nicht prinzipielle Abweichung von der Regierungsvorlage sehen, und da der Antrag Windthorst⸗Hammacher sich im Uehrigen am meisten der Regierungs vorlage nähert, fo möchte ich die hohe J, bitten, sich diesen Antrag eventuell anzueignen. Für den Fall, da er nicht angenommen werden sollte, würden sich die verbündeten Regierungen mit den von den beiden genannten erren gestellten' eventuellen Anträgen mit den aus dem Hause hereits beantragten Erweiterungen am messten einverstanden erklären können.

Ich möchte nur noch auf einen Punkt ausmerksam machen in Bezichung auf welchen auch ein Abänderungsantrag estellt lst. Es war in lich schon in der Regierungtzvorlage und das ist auch in dem Kommissionsantrage 3 eine Anordnung des Reichs kanzlerz, nicht eine Kalserliche Verordnung vorgesehen, um die Sperre ins Leben zu rufen. Meine Herren, der Grund, warum die ver · bündeten Regierungen in viesem Falle eine Anordnung Pes Reicht kanzlerg für richtiger gehalten haben alt eine Kaiserliche Verordnung, ist ie, , gr. der, daß es sich hier nur um rovisorische Maßregeln handelt, die einfa h durch einen wech g des Relchtztags in dritter Lesung, nicht einmal augdrüqhlich, fondern stillschweigend, indem der Beschluß abweichend gefaßt wird, wieder außer Kraft gesetzt werden. Etz schlen nicht angemessen, Kalserliche Verordnungen im eichs- Gesetzbatt zu verkündigen, die dann einfach wieder durch einen abweichenden Be⸗

.

schluß der dritten Lesung außer Kraft gesetzt werden könnten. Dies war der Grund, weshalb man in diesem Falle eine Anordnung des Reichs⸗ kanzlers für richtiger gehalten hat, und ich möchte das hohe Haus bitten, in der Beziehung bei der Vorlage beziehungsweise dem Kom— missionsantrage zu bleiben.

Der Abg. Windthorst befürwortete seinen Antrag; sowohl der Kommisstonsantrag, wie der seinige, hielten daran fest, daß hier nicht eine dauernde Anordnung getroffen, sondern nur für die spätere Durchführung des Tarifs das Nöthige vorgefehen werden solle; auch handele es sich in beiden nicht um alle . des Tarifs, sondern um bestimmt bezeich⸗ nete Artikel; nur in Beziehung auf die Anzahl der heranzu⸗ ziehenden Gegenstände wichen beide Anträge von einander ab; es komme ihm aber auf die Aufrechterhaltung des Prinzips an. Nehme man den Antrag der Koömmission an, so statuire man in diesem Falle die Zulässigkeit der Erhebung eines 8 auf Gegenstände, über welche der Reichstag noch nicht

eschluß gefaßt habe. Man wisse also weder, ob der Reichs— tag diese Gegenstände überhaupt mit einem Zoll be— legen wolle, noch wisse man, in welcher Höhe. Das scheine ihm denn doch etwas zu weit zu . Nun hahe die Kom⸗ missson nur zwei Gegenstände vorgeschlagen. Rücksichtlich des einen Gegenstandes fei nach seinem Dafürhalten die Maß⸗ regel durchaus nicht mehr nothwendig und wirksam. Er glaube, es sei bereits so viel Tabak nach Deutschland ein⸗ geführt worden, daß man von Seiten der Spekulation schwer⸗ lich Lust haben werde, noch mehr einzuführen. Was den Wein betreffe, so sei er im Ganzen gesonnen, für die Erhöhung des Weinzolles unter allen Umständen zu stimmen, indeß wisse er darum noch nicht, ob der Reichstag sich zu Gunsten des Weinzolles entscheiden werde. Mit den Vorschlägen seines Antra es in Bezug, auf Material⸗ waaren und Petroleum solle in keiner Weise ein Präzedens für die künftige Abstimmung, geschaffen wer en, Werde nun durch seinen Antrag der damit verbundene Zweck nicht völlig erreicht, so liege die Schuld mehr in den Ver⸗ ältnissen selbst, als im Äntrage. Es sei in den Motiven chon hervorgehoben worden, daß derartige Spekulationen deshalb leicht einträten, weil die Vorbereitungen zu einem der⸗ artigen Gesetz nicht geheim blieben, namentlich für Leute, die den Regierungskreisen näher ständen als das große Publikum. . wolle er das große ganze Publikum in gleiche Lage bringen und eine Ueberrumpelung desselben verhüten. Zu seinem Antrage seien nun verschiedene Anträge gemacht, der Abg. Richter wolle aus der Position das Eisen ganz entfer⸗ nen; der Abg. Stumm wolle die ganze Position 6 aufgenommen haben. Unmittelbar praktisch wäre für den Fall der Annahme seines Antrages die Anwendung gerade für Eisen; denn bezüg⸗ lich des Eisenzolles sei bereits in der zweiten Lesung abgestimmt. Da es feststehe, daß ein Eisenzoll unter allen Umständen angenom⸗ men werde, fo sei es von der höchsten Wichtigkeit, daß der damit verbundene Zweck sofort erreicht werde. Er fei keines⸗ wegs für eine so große Erhöhung des Zolls, aber er lege roßes Gewicht darauf, daß in Bezug auf das Roheisen so⸗ ort die Sperrung einträte und er müsse sich daher gegen das Amendement Richter zu seinem Antrage erklären. Ebenso aber auch gegen den Antrag Stumm, da er eine sofortige Sper⸗ rung für die Eisenwagren, auf welche derselbe seinen Antrag ausgedehnt wissen wolle, nach den Umständen nicht für sofort nothwendig halte. Die Gründe, welche die Regierung veran⸗ laßt hätten, hier den Reichskanzler und nicht eine Kaiserliche Verordnung eintreten zu lassen, finde er durchschlagend und müsse deshalb bei seinem Antrage verharren. Gründliche Beach⸗ tung verdiene allerdings der Antrag des Abg. Richter, der be⸗ zwecke, daß man hinzusetze, es solle bei den einzelnen Positionen der betreffenden Abschnitte jedesmal beschlossen werden mit Bezugnahme auf dieses Gesetz, es sollten also nur diejenigen Positionen getroffen werden, welche der Reichstag speziell her⸗ vorhebe. Für diese Absicht könne man geltend machen, daß namentlich in dem Abschnüt 25 eine Reihe von Gegenständen vorkamen, die in der That einer Sperre nicht ausgesetzt werden dürften, z. B. die Butter. Er sei aber überzeugt, daß die Regierungen gar nicht daran denken würden, in Bezug auf diese Gegenstände eine Sperre eintreten zu lassen. Ueber⸗ dies habe der Reichstag es ja vollkommen in der Hand, den Zeitpunkt zu bestimmen, wo derselbe in der zweiten Berathung diefe Sätze feststellen wolle. Auf den Tabakszoll würden, glaube er, die verbündeten Regierungen im gegenwärtigen Uugenblick kein großes Gewicht legen. Ob er persönlich, wenn Eisen aufgenonimen werde, für den Kommissionsautrag stimmen werde, hänge, wie er wiederhole, von den Verhand⸗ lungen ab, denn das Prinzip, daß der Reichstag erst be⸗ willigt haben müsse, stehe bei ihm außerordentlich hoch und er möchte es auch da nicht an . wo unzweifelhaft feine materiellen Bedenken vorlägen. Für die anderen Gegen⸗ tände Petroleum, Kaffee, Branntwein ze. könne er in der an des Kommissionsantrages unter keinen Umständen

flnlmen. Dagz sei ja gerade der große Zweifel, wie weit, man

auf diese Finanzzölle werde eingehen können. Rüchsichtlich dieser könne er nicht zugeben, daß eine vorläusige Hebung staitfinde, so lange der Reichstag 6. nicht schlüssig ge⸗ worden, ob und wie weit er auf diese Positionen eingehen wolle. Es sei ja richtig, daß der Reichstag selbst sich nicht binde, daß eventuell das Gezahlte zurückerstattet werden würde, indeß das vorläufige Einziehen von Zöllen, auch wenn sie demnächst restituirt würden, sei für die betreffenden Personen keine Kleinigkeit. Dieselben müßten aus ihrem Betriebs⸗ kapital den Vorschuß entnehmen und sestlegen und nicht

edermann habe . Summe. Es sei hier zu sehr an die Großhändler gedacht, an die kleinen gewiß nicht und diese wolle er ohne die dringendste Noth nicht in die Lage bringen, solche Aud d en zu machen, selbst wenn sie restituirt würden. Endlich würde die Hebung von Zöllen, deren Bewilligun noch gar nicht in feste Aussicht genommen, sei, doch im Volle die Unsicht herbeiführen, als sei die Bewilligung hen en Sache. Daburch würden viele neue Kombinationen des Ge chäfts eintreten, welche nachher zerstört würden, wenn man die Zölle nicht ein⸗ führe. Au diefen Gründen könne er auf diese Vorschlage nicht eingehen, obgleich er . daß, wenn man nicht rasch beschließe, in der That Spe ulationen eintreten könnten, wie

man sie beim Tabak zum Uebermaß gesehen habe. Er wünsche, daß erst die prinzipielle . festgestellt würde, bevor man die einzelnen in Frage stehenden Positionen diskutire.

Der Abg. von Kleist⸗Retzow erklärte, die Vorlage der Kommission habe vor der der Regierung den Vorzug, daß die heikle Frage nach der Berührung der Geschäftsordnung des Reichstages durch ein Gesetz unter Mitwirkung der Staats⸗ regierung, dadurch von der Tagesordnung entfernt werde. Die Regierung hätte eigentlich nach früheren Erfahrungen voraussehen können, daß der Reichstag nicht leichten Kaufs geneigt sein würde, in diesem Falle der Regierung die Mit⸗ wirkung an der Regelung der Geschäftsordnung zuzugestehen. Der zweite Grund, weshalb er die Vorlage der Kommission für besser halte, sei, daß der doppelte Akt, welcher nach der Regierungsvorlage vorgenommen werden müsse, erst ein all⸗ gemeines Gesetz und dann für die speziellen Fälle, die einzelnen Posten festzustellen, die gesperrt werden sollten, vermieden werde. Die Fragen seien von dem größten In⸗ teresse nicht nur für die Wähler, sondern auch für das ganze Land. Zweimal aber dieselben Verhandlungen vorzunehmen, sei unnütz und zeitraubend, es erleichtere die Sache, wenn der Reichstag gleich speziell ausspreche, für welche Positionen er bereit sei, eine Sperre eintreten zu lassen. Es sei aber nach seiner Auffassung die Aufzählung dessen, was im 5§. 1 des Kommissionsentwurfes in dieser Beziehung vorgeschlagen sei, viel zu eng, er würde es sogar für nothwendig erachten, daß bei einer ganzen Reihe anderer Artikel in gleicher Weise eine Sperre eintrete. Er habe von den jetzigen Zollverhandlungen den Eindruck, daß die Masse der Details und der Detail— interessen den eigentlich leitenden Gesichtspunlt vielfach ver— rückt habe. Der leitende Gesichtspunkt bleibe, daß unter Zu— stimmung des Reichstags der Bundesrath durch in— direkte Steuern bedeutende Mittel schaffen wolle, um die Bedürfnisse des Reiches, vor Allem aber der Einzel— staaten zur Erleichterung der Gemeinden und der ärmeren Klassen zu befriedigen. Man müsse dahin streben, mit den neuen Zöllen eine Finanzreform im großen Stile zu ver⸗ binden und zwar in der Art, daß die Kommunen und die unteren Klassen der Klassen- und Gewerbesteuer erleichtert würden. Dazu aber müsse man die Summen etwa erreichen, die in dieser Beziehung der Finanz⸗Minister dem Reichstag vor einigen Wochen mitgetheilt habe. Es seien ungefähr 100 Millionen Mark für Preußen, 60 Millionen für die anderen deutschen Länder und wenn etwa dabei das Unterrichts⸗ gesetz mitgezählt sein sollte uud dasselbe in Uebereinstimmung mit den AÄnsichten des Abg. Windthorst vom Hause demnächst abgelehnt würde, so würden dadurch für ganz Deutschland etwa 40 Millionen weniger gebraucht werden, dann aber immerhin eine Summe von 120 Millionen absolut noth⸗ wendig sein. Deutschland habe da nichts übrig, zu ver⸗ schenken, sondern, wo sich ein Gegenstand finde, der überhaupt vom Zoll mit Recht getroffen werde, müsse man ihn auch voll damit belegen und besonders eine Hinterziehung der Steuern vermeiden. Es müßten daher diejenigen Artikel, die massenhaft schnell in das Land hineingeworfen werden könnten, einer Sperre unterworfen werden. Gewiß hätte die Regierung schon früher mit einem desfallsigen Entwurf vor⸗ angehen sollen, aber der Grund der Verzögerung sei, daß die Regierung die Sperre des Tabaks, die er für sehr nothwen⸗ wendig halte, nicht wollte und, um eine Vereinbarung zu finden, das allgemeine. Gesetz vorgeschlagen habe. Nehme das Haus das Gesetz nicht an oder beschränke es, so könne die Regierung den Vorwurf der Verzögerung auf das Haupt des Reichstags zurückwerfen, weil derselbe nicht ausreichend unter⸗ stuͤtzt sei. Auf der anderen Seite füge er hinzu, daß, wenn die Regierung durch ihre Erklärung für den Antrag des Abg. Windthorst sich ihrerseits einen wesentlichen Theil dieser Ein nahmen entgehen lassen würde, sie dem Hause nachher nicht den Vorwurf machen könne, daß von demselben von den Steuern Millionen fortgenommen seien. Denn Millio— nen würden hier fortgegeben, wenn bei allen Gegen⸗ ständen erst nach der zweiten Lesung die Sperre ein⸗ träte, welche nach Lage der Sache nur bei dem Eisen wirksam werde, die definitive Absperrung in keiner Weise präjudizire. Er fürchte, die Regierung habe sich zu schnell geneigt erklärt, auf den Vorschlag Windthorst einzugehen. weil derselbe nur formell der Regierung entgegen komme. Nach demsel ben könne die Regierung auch jetzt noch aus der Positien 25 heraus— wählen, welche Gegenstände sie wolle, während seiner Meinung nach der Reichstag die einzelnen zur Sperre geeigneten Gegen⸗ stände speziell bezeichnen sollte. Die Betheiligten würden da⸗ durch nicht geschaͤdigt, weil die Steuer ihnen kreditirt werde. Die Tabaksperre halte er für sehr wichtig; wenn man glaube, daß die Nachsteuer dadurch weniger Aussicht auf Annahme habe, gebe er das nicht zu. Uebrigens sei ein Sxerling in der Hand ihm lieber als eine Taube auf dem Dache. Aber auch für Branntwein und für Eisen dürfe man der Speku latlon nicht noch länger Freiheit gewähren und müße dem Reiche die Einnahmen zuführen. Redner bat deshalb um Annahme seines Antrages. . .

Der Abg. Richter (Dagen) konstatirte zunächst mit Freu den, daß der Vorredner seine Berechnung anerkenne, daß die Vorlage das Volk um 160 Millionen Mark mehr au Steue nm und Zöllen belaste. (Gderr von Kleist: Nein, das habe ich nicht anerkannt. Ja wohl, Alle, welche weniger als 180 Millionen Mark bewilligen wollten, würden sich also um g.. vor⸗ sehen müssen, daß sie nicht zu viel bewilligten, der Antrag Windthorst wahre das konstitutionelle Prinziy besser, als es von einem Theil der nationalliberalen Partei, der in der Kommission für die Masorität den Ausschlag gegeben habe, geschehen sei. Das lonstitutionelle Prinzip liege ja darin. daß eine vorläufige Inkrastsetzung einer Steuer oder eines Zolles nicht eher eintrete, als bis eine Majorität des Reichstages sich für das Desinitivum, wenn auch nur in der zweiten Lesung erklärt habe! Außerdem erschwere doch die Annahme des Konmnissionsvorschlages immer die taktische Stellung ir die nachherige Abstünmung über die im Kommi sions vor schlage enthaltenen Artikel. Ueberdies sei, wenn bereits eine Sperre eintreten könne, bevor eine Abstimmung stattgefunden babe, die Wahrscheinlichkeit eine größere, daß nachher dieses Provi