1879 / 142 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 20 Jun 1879 18:00:01 GMT) scan diff

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deutschen Münzge

knüpfen. Wünschen Sle es oer, bin ich bertel, Rede zu stehen,

jedenfalls aber bitte ich, damit Sie beurthellen können, ob ich mit Recht dieser Meinung nach die Silberverkäufe sistirt habe, zunächst

um das Wort für den Herrn Bankpräsidenten, um die Thatfachen

1 welche mich bestimmt haben, diese Anordnung wa reffen.

Der Kommißnrius des Bundesrathes, Präsident der Reichs⸗ bank Wirkl. Geh. Rath von Dechend konstatirte, es seaen bis jetzt Silbermünzen eingeschmolzen rund 629 Millionen und ver—

auft rund 539 Millionen, davon etwa n in den ersten vier Jahren durch die Deutsche Bank, die anderen ?/ 1877—8 durch die Reichsbank. Der Verlust an diesen Verkäufen be⸗ trage 1415 Proz., 89 484 073 S, davon gingen indessen 24 572 000 M6 ab für Abnutzung und unterwerthige Aus⸗ prägung der Münzen. Der Ti i Verkaufsverlust be⸗ trage nur 64 911 980 S Das Silber sei hierbei durchschnitt⸗ lich verkauft worden zu 54/3 Pence per Unze Standard ab— züglich der Kosten. Seitdem sei der Preis des Silbers sehr erheblich gesunken, in den letzten 7 Monaten bis zum 19. Mai d. J., dem Tage der Sistirung der Silberverkäufe bis auf 50, zeitweise bis auf 4877 Pence. Das ergebe für die Verkäufe einen Verlust von 21 Proz. Auch diesen Preis habe man sich gefallen lassen müssen. Das in diesem Jahre verkaufte Süälber im Betrage von 28 Millionen habe hierdurch einen weiteren Verlust von 7 Millionen ergeben und es stellten sich dadurch die Gesammtverluste an dem bisher verkauften Silber auf Ißl , resp. 78 Millionen. Wie viel das Reich noch an Silber zu verkaufen habe, und was das Reich daran noch verlieren werde, lasse sich ziffermäßig nicht bestimmen, weil Niemand wisse und wissen könne, wieviel von den Thalern, welche seit dem Jahre 1750 ausgeprägt seien, im Laufe der Jahre eingeschmolzen und verloren gegangen seien. Einen ziemlich sicheren Anhalt für die Schätzung der Werth⸗ bemessung gewährten die Erfahrungen bei der Einziehung der ganz gleichartigen, demselben Zweck dienenden Zweithalerstücke. Hierbei habe sich ergeben, daß 17 Proz. nicht mehr rechtzeitig zum Vorschein gekommen seien. Wende man dasselbe Verhältniß auf die Thalerstücke an, so würde sich noch ein weiterer Ver⸗ lust von 90 bis 100 Millionen ergeben, wenn Deutschland das Silber zu dem Preise der letzten fünf Monate verkaufen wollte und müßte. Er sei zwar an große Zahlen gewöhnt Uund könne sich auch wohl vorstellen, daß eine Maßregel, wie die Münzreform, ohne Opfer nicht durchzuführen sei, aber vor dieser Zahl sei er doch erschreckt, und er glaube beinahe, daß hier im Hause wenige Herren nicht dieses Gefühl theilten. Um Vieles werde sich diese Summe nicht vermindern. Als das Münzgesetz hier berathen sei, sei der Preis des Silbers in London von 61 auf 595/ gesunken. Wenn man doch auf einen weiteren Rückgang gefaßt gewesen sei, so kolossal habe ihn, sich doch keiner gedacht. Deshalb habe er es für seine Pflicht gehalten, dem Reichskanzler die Sistirung der Silberverkäufe auf das dringendste zu empfehlen. Was diese Sistirung für eine Folge haben werde, könne er in der That nicht genau beurtheilen, ob namentlich der Preis des Silbers sich in Folge .. Maßregel annähernd auf die Höhe erheben werde, die das Silber früher gehabt habe. Wenn behauptet werde, daß hauptsächlich das deutsche Silber an dem Fallen der Silberpreise schuld sei, und daß, wenn Deutschland nicht fort und fort ungeheuere Summen auf den Markt brächte, die Silberpreise schon längst in die öh ge⸗

angen wären, so werde sich jetzt Gelegenheit für die Richtig⸗ eit dieser Behauptung finden. Jedenfalls verliere Deutsch— land nichts durch die Sistirung der Verkäufe, da der einzige große Silberverkäufer Oesterreich⸗Ungarn, den Markt in⸗ zwischen verlassen habe. Die bloße Ankündigung der Maß⸗ regel habe den Silberpreis in wenigen Tagen um 6 Proz. ge⸗ steigert, von 497‚ bis 53 Proz. und der Preis halte sich noch zwischen 5 und 53 Proz. Das beweise, daß das deutsche Silber auf den Markt einen mächtigen Einfluß ausgeübt habe, und daß Deutschland wohl thue, erst abzu⸗ warten, welche Wirkung die Maßregel weiter ausüben werde. Eine Ausgabe von 100 oder auch nur 80 Millionen sei hier— für bedeutend genug. Er glaube, das Haus thäte wohl daran, die Reichsregierung in dieser ihrer Absicht zu unterstützen. Das Haus würde dem Lande wie der ganzen Welt einen fehr wesentlichen Dienst leisten, wenn es den Markt von der Angst vor dem deutschen Silber bleibend befreite und über— haupt kein Silber mehr verkaufen ließe. Deutschland leide unter den Thalern, die noch im Cours feien, in keiner Weise, und er sei überzeugt, daß selbst die Süddeutschen sich dieselben mit Vergnügen noch einige Jahre gefallen 6. würden, wenn sie erführen, daß dadurch eine erhebliche Ausgabe dem Neiche erspart werde, und das Ausland werde Deutschland dafür segnen, wenn es den Alp, der nun schon seit länger als 6 Jahren auf allen Verhältnissen laste, bleibend von ihm nehme. Er könne nur wiederholt dringend empfehlen, es bei der getroffenen Anordnung zu belassen.

Auf Antrag des Abg. Dr. Bamberger wurde in die Be— sprechung der Interpellation eingetreten. Der Abg. Pr. Bam⸗ berger führte aus, es sei durchaus nicht seine Absicht gewesen, eine Besprechung der Interpellation herbeizuführen. Wenn nicht von dem Reichskanzler behauptet worden wäre, die Interpellatign sei unüberlegt gestellt, man habe es nicht für nöthig gehalten, wie es parlamentarischer Brauch sei, sich dar— über zu orientiren, ob es der Reichsregierung genehm fei, über die Währungsfrage interpellirt zu werden, so würden er und seine Freunde ausdrücklich auf jede Befprechung ver— zichtet haben. Indessen sei die Behauptung des eichs⸗

kanzlers thatsächlich nicht richtig, und dies nöthige ihn zu einer Erwiderung. Etatsberathungen hätten seine politische Freunde bereits eine . dieser Angelegenheit herbeiführen wollen, welche nur at!

Vor drei Monaten bei Gelegenheit der

sein Betreiben unterblieben sei, da er be⸗ tont ha be, daß dies die öffentliche Meinung unnütz aufregen würde. Seitdem seien jedoch fortwährend in einer Anzahl vom der Reglerung nahe stehenden Blättern eine Neihe von Artikeln erschienen, welche auseinanderzusetzen bemüht gencesen wären. daß man mit der nationalen Gesetzgebung vollständig aufräumen müsse, daß man auch das Münzgesetz ändern und zur Doppelwährung zurückkehren müsse. Dieser Gedanke sei auch besonders in der „Volks—⸗ wirthschaftlichen Correspondenz“ ausgeführt, welche bekannt⸗ lich in nahen Beziehungen zu Hrn, von Kardorff stehe und sich ja auch in Bezug auf die Wirthschaftspolitik ö. prophe⸗ tisch erwiesen . Doch auch dies habe ihn noch nicht zur Stellung einer Interpellation bewegen können. Als jedoch in England die 6 von der beahsichtigten Aenderung der

etzgebung von eimm bedeutenden Mitglied des englischen Parlaments mit Sicherheit behauptet sei,

Da habe er es für feine Pflicht gehalten, Alles zu thun,

üm die Atmosphäre zu reinigen. Als vorige Woche die be⸗ treffenden Depeschen aus England eingetroffen seien, hätten sich 3 oder 10 Mitglieder des Reichstages, welche gewöhnt wären, sich mit diesen Fragen hi beschä tigen versammelt, und es sei beschlossen worden. daß Hr. Delbrück den Minister Hofmann von der Absicht, eine solche Interpellation zu stellen, benachrichtigen solle, um eventuell über die Grundlosigkeit der verbreiteten Nachrichten eine beschwichtigende Erklärung zu er— halten, damit, wenn sie unerwünscht sei, die Interpellation ganz unterbliebe. Am Montag habe Hr. Hofmann die Ant⸗ wort gegeben, daß die Interpellation zwar nicht angenehm sei, daß man sie aber beantworten wolle. Da er und seine Freunde sonach ohne die erbetene Auskunft geblieben seien, so sei ihnen nichts weiter übrig geblieben, als die Interpellation zu stellen. Freilich sei er dabei der Meinung gewesen, daß eine einfache Verneinung jede Diskussion entbehrlich machen würde. Da indeß Fürst Bismarck den Interpellanten für die Zukunft die Verantwort⸗ lichkeit für die Interpellation aufbürden wollte, sei es seine Pflicht, den wahren Sachverhalt hier darzulegen. Von der Andeutung, die der Reichskanzler gemacht habe, als könnten vielleicht Leute, die Silber verkauften, interessirt sein, die Silberverkäufe nicht sistirt zu sehen, nehme er an, daß sie keine Insinuation sein sollte und so wolle er darauf nicht eingehen. Es wäre unter der Würde des Reichtstags und seiner Person, dergleichen Konjekturen irgendwie auch nur zu widerlegen. Diejenigen, die ihn am meisten drängten, zu interpelliren, hätten gesagt, hier liege eine Nachricht von Lord. Odo Russell vor, der englische Generalkonsul in Berlin sei Mitglied des Ausschusses der Reichsbank, und was liege nun näher, als zu denken, daß Lord Russell, wenn er seiner Regierung einen offiziellen Be⸗ richt über die Ansichten in maßgebenden finanziellen Kreisen schicke, sich bei seinem Generalkonsul, der zugleich Mitglied des Ausschusses der Reichsbank sei, erkundigt haben werde, und diese Vermuthung sei dadurch noch bestätigt, daß der verfüg⸗ bare Silbervorrath nach dem Ermessen der Herren, die dar⸗

gemäß beziffert sei. Die Vermuthung, daß Lord Russell aus nicht ganz gleichgiltigen Quellen geschöpft habe, sei also nicht so unbegründet, zumal man wisse, daß die betreffenden Finanz⸗ leute, die sich für Autoritäten in diesen Dingen hielten, auch von jeher der Meinung gewesen wären, Deutschland hätte Unrecht ge⸗ than, die Doppelwährung zu verlassen. Natürlich hätten diese Kom⸗ mentare auch auf die Börsen in Deutschland und im Ausland, da diese ja von solchen Dingen sofort Akt nähmen, starken Einfluß ausüben müssen. Was die Frage der Silberverkäufe anlange, so seien das Fragen der Exekutive, die durchaus nicht zur Kompetenz des Reichstages gehörten. Ob die Regierung gut thue, weiter Silber zu verkaufen, oder nicht, dafür thue man auch am Besten, die Verantwortlichkeit der Regierung zu überlassen. Er lasse auch für heute die Frage ganz dahin gestellt, ob Deutschland durch die Demonctifkrung des Silbers einen Ein— fluß auf die Depression desselben ausgeübt habe, aber für Deutschland sei doch ein außerordentlicher Unterschied zwischen einer bloßen Sistirung der Silberverkäufe und einer Rückkehr zur Silberwährung. Gegen diese Sistirung spreche er gar nicht, aber daß das Avertissement des Herrn Reichskanzlers an Herrn von Dechend publizirt sei, halte er für einen großen Fehler. Von der heutigen Erklärung des Reichkanzlers habe er mit großer Freude Kenntniß genommen, ihm sei ja nur daran gelegen, daß die Absichten des Reichskanzlers, den man ja im Auslande noch viel mehr für omnipotent über die deutschen Geschicke halte als in Deutschland selbst, möglichst bekannt würden; darum scheine es sehr angezeigt, daß jeder Verdacht entfernt werde, und es wäre daher sehr erwünscht, daß Fürst Bismarck öffentlich erkläre, nicht die leiseste Absicht sei vorhanden, die gegenwärtige Münzgesetzgebung zu ändern. Ja am meisten hätte er sich gefreut, wenn Fürst Bismarck deutlich gesagt hätte, er halte es für lächerlich, an eine solche Aenderung zu denken. Denn es wäre in der That ein wahrer Ahderitenstreich und die höchste Frivolität, wieder zur Silber⸗ währung ö welche faktisch und gesetzlich in keinem civilisirten Lande bestehe. In den Aktenstücken der letzten Pariser Konferenz sei dies konstatirt. Die Silberwährung bestehe faktisch und gesetzlich in keinem civilisirten Lande, in ganz Europa nicht, auch nicht in Nordamerika, weil die Ausmünzung auf eine bestimmte Anzahl Dollars beschränkt sei. Nur die kleinen Abenteuerstaaten in Centralamerika hätten etwas der Art, und auch diese nicht einmal in Form einer wirklichen Gesetzgebung. Dabei sei Deutschland in der glücklichsten Lage von allen Ländern, es habe nur die 300, oder hoch gegriffen 400 Millionen Mark vielleicht noch zu verkaufen, wenn nicht auch eine kleine Ver⸗ änderung gemacht werde, die ja im Laufe der Dinge und Zeiten ganz wohl angebracht sein könne. Was wolle das gegen die anderen Länder heißen, gegen England, das in den . Verlegenheiten sei wegen seines Budgets für Indien, und das auf Deutschland drücke und es beständig verlocken wolle, noch etwas an der Währung zu machen, weil es seinen . diene. Holland habe auch seine Münzgesetzgebung sistiren müssen. Der anze lateinische Bund, der bis 1878 auf 15 Jahre abgeschlossen ei, sei mit Hängen und Würgen auf 6 Jahre nur unter der aus⸗ drücklichen Bedingung verlängert, daß alle Staaten sich ver— pflichteten, keine neuen Silbermünzen während dieser sechs Jahre zu prägen, und es solle der Widersprüch eines einzigen taates genügen, dieses Verbot aufrecht zu erhalten. In Oesterreich werde das Papier dem Silber entschieden vorgezo⸗— gen, und der österreichische Finanz⸗-Minister habe in dem oͤster⸗ reichischen Reichsrathe erklärt, er habe die Silberausprägung inhibirt, damit nicht ein Agio des Papiers auf Kosten des Silbers herbeigeführt werde. Demnach thäten die Staaten, welche die einfache Goldwährung verlassen wollten, besser zur Papierwährung anstatt zur Silberwährung überzugehen. Der ehemalige Minister Malou in Belgien, ein AÄnhänger der Doppelwährung und für das Centrum Hewiß eine Autorität, sage über die deutsche Münzreform in einer ihm geslern zugegangenen Brochüre; „Es scheine ö vollständig bewie⸗ sen, daß die deutsche Münzreformn zugleich nothwendig und opportun gewesen wäre. Diese weitgreifende Operation sei ausgezeichnet kombinirt und nicht weniger gut durchgeführt worden. Sie sei klug aufgefaßt, sowohl in der Beziehung auf ihre finanziellen Resultate als in den thatsächlichen Aen⸗ derungen.“ und: „Selbst wenn ein großes Defizit herausge⸗ kommen wäre, so seĩ die finanzielle Reform so sehr geboten stellement impérieuse), daß man keinen Grund ehh hätte, sie nicht durchzuführen.“ Unter den wirklich Cache nhl,

seien nur wenige originelle Köpfe, die behaupteten, Deutschland wäre jetzt wohlberathen, wenn es jetzt irgendwie den Gedan⸗ ken fassen könnte, an seiner Münzgesetzgebung zu rühren. Er

hoffe, der Reichskanzler werde das auch bestätigen; und ihm,

über eine Meinung zu haben glaubten, ziemlich der Wahrheit

da derselbe es noch nicht gethan habe, nachträglich auslachen, daß er die Interpellation n nöthig gehalten. ö Hierauf erwiderte der Reichskanzler Fürst von Bismarck:

Ich nehme allerdings das Wort, aber keinezwegs zu dem Zweck, den Herrn Vorredner auszulachen, dazu ist mir die Sache doch zu ernsthaft, sondern um meine Betrübniß darüber auszusprechen, daß er durch seine jetzige Rede eben den Eindruck, als ob gewichtige Finanzmänner und Kenner unserer Regierungsverhältnisse in der That Zweifel an der Stetigkeit unserer Gesetzgebung hätten, wesent⸗ lich gesteigert hat. Er hat zwar mehrmals die Interpellation unter gewissen Bedingungen als lächerlich bezeichnet, eine Andeutung, die ich mir niemals erlauben würde, aber er selbst hat sie gemacht. Aber ich frage: ist nicht die ganze letzte halbe Stunde seiner Rede ein Plaidoyer gewesen, wie es nur dann platzgreifen könnte, wenn hier von dieser Stelle bereits der Antrag zur Rückkehr auf die Doppelwährung vorläge? Er hat in der ganzen letzten Hälfte seiner Rede die er, wn oder die Veränderungen bekämpft mit der ihm eigenthümlichen Beredsam—⸗ keit und mit dem vielen Material, was er hierzu gesammelt zu haben scheint, so daß Jeder, der diese Rede liest, den Eindruck haben muß: mein Gott, der Herr muß doch sehr überzeugt sein von der Tendenz der Regierung, daß er so dringlich sie abmahnt und hier eine Rede zu Gunsten der Goldwährung mit Citirung aller Staaten hält, die der Goldwährung anhängen, mit Darlegung einer Anzahl von be— deutenden Autoritäten für die Goldwährung, als ob von hier aus eine Vorlage dagegen schon gemacht wäre, als ob ich den Inter— pellanten geantwortet hätte, ja, es ist allerdings die Absicht. Dann wäre die Rede des Hrn. Abg. Bamberger allerdings ganz am Platze gewesen, aber da das nicht vorliegt, so bestärkt sie nur den falschen Eindruck, den meiner Befürchtung nach die Interpellation überhaupt machen wird.

Der Herr Abgeordnete hat im Anfang seiner Rede, der viel weniger wohllautend und sehr viel schärfer war als das Ende er hat ja überhaupt die Gewohnheit, durch weichen, wohlwollenden Ton am Schluß einer sehr langen Rede den mitunter sehr verletzenden Anfang wieder in Vergessenheit zu bringen, und ich würde es kaum behalten haben, wenn ich es mir nicht aufgeschrieben häͤtte sich mit einer Aeußerung von mir beschäftigt. Ich habe gesagt: die Herren hätten meines Erachtens wohlgethan, wenn sie mich vor Ein— bringung der Interpellation gefragt hätten über die Art, wie ich sie beantworten würde, nicht darüber, ob sie mir genehm ist, denn das war wieder eine Andeutung eines diktatorischen Regiments und dergleichen ich habe mich vorsichtig ausgedrückt und habe gesagt: ich hätte gewünscht, daß sie sich vorher bei mir erkundigt hir . wie ich sie beantworten würde. Da sagt der Herr Vorredner: das ist den Thatsachen widersprechend, denn vor 3 Monaten habe ich dem Herrn Präsidenten des Reichskanzler⸗Amts etwas gesagt und habe von dem das und das gehört; ganz andere Dinge, die gar nicht zur Sache gehören und die mit der Interpellation, die vor 3 Monaten Niemand voraussehen konnte, nichts zu thun haben. Schon scheinbar näher kommt er der Widerlegung meines Vor— wurfs, wenn er sagt, vor einigen Tagen, in der vorigen Woche, sei der Herr Präsident des Reichskanzler ⸗Amts beauftragt worden, mir mitzutheilen, daß man beabsichtige, diese Interpellation zu ftellen. Das geschah, und darauf habe ich damals unter vier Augen zu dem hier gegenwärtigen Herrn Präsidenten zuerst gesagt: ich kann mir das doch kaum denken, namentlich, daß die Herren dergleichen thun sollten, ich kann es kaum glauben. Darauf habe ich wiederholt die Bestätigung erhalten: ja, es ist die Absicht. Gut, sage ich, ich habe noch nie einen Handschuh liegen lassen, den mir Einer hingeworfen hat; ich habe dem Sinne nach, wie der Herr Vorredner ausführt, gesagt, die Interpellation wäre mir unangenehm, aber ich würde sie beantworten. Ich habe mich aber dem Herrn Präsi= denten des Reichskanzler Amts gegenüber unter vier Augen sehr viel stärker ausgedrückt; natürlich war der zu höͤflich, diese meine Worte den Herren so wiederzugeben, und sie sind auch nicht von der Art, daß sie sich von diesem Platze wiederholen ließen. Aber, habe ich gesagt, wenn die Herren die Interpellation stellen wollen, nun, dann wie wir in Reihe, und Glied sagten dann „raus davor! Eine Interpellation ist an und für sich, da wo die Privaterkundi—⸗ gung ausreicht, eine Demonstration, die mir einen feindseligen Ein⸗ druck macht. Ich habe bei Lesung der Unterschriften viele gefunden, auf deren Beistand und Freundschaft ich einen sehr hohen Werth lege; aber in der Hauptsache und auch namentlich in den anderen Fraktionen, auf die der Hr. Vorredner sich vorher bezog, außer der seinigen, sind es doch hauptsächlich diejenigen Herren, die wir bei den Abstimmungen über die Tariffragen stets in der Opposition zu sehen pflegen, ich will sie Ihnen nicht namentlich eitiren. Ich habe also den Eindruck gehabt, daß vielleicht die Diskussion, die sich hierüber entspinnt, eine kleine Diversion zur Erholung vom Tarifkampf sein könnte, und in diesem Sinne habe ich den Herren anzudeuten gesucht, glauben Sie nicht, daß Sie mich ermüden können, ich stehe im Dienst und da werde ich nicht müde, und ich bin bereit wir haben den Sommer ja vor uns hier weiter auch über diese Sachen zu diskutiren, wenn das Ihnen recht ist; das habe ich damit andeuten wollen, daß auch diese Berechnung, die etwa der Sache zu Grunde liegen könnte ich will nicht sagen, zu Grunde liegt mich immer auf dem Posten finden und mich nicht davon verdrängen wird. Aber was ich erwartet hätte: ist denn der Weg zu mir weiter, als zu dem Herrn Präsidenten der Interpellation jahrelang in den intimsten amtlichen Verhältnissen des Reicht kanzler⸗Amts? Ich habe namentlich mit dem Herrn an der Spitze gestanden, wo wir Alles mit einander besprochen haben; ich schmeichle mir noch heut zu Tage, in persönlich freundschaftlichem Verhältniß mit ihm zu stehen, es wäre also doch eine große Leichtigkeit gewesen, mich über die Sache zu befragen. Ich würde in vier Wänden mich vollständig unumwunden ausgesprochen haben, und unumwundener, als ich glaube, es vor der Oeffentlichkeit thun zu sollen. Den Vor— wurf habe ich gemacht, daß Sie dies unterlassen haben, und daß Sie das unterlassen haben, hat der Hr. Abg. Bamberger in keiner Weise wider⸗ legt, obschon er sich vorher das Ansehen gegeben hat, als hätte er die en Vor⸗ wurf als einen unrechtmäßigen zurückgewiesen. Denn wenn er dem Herrn Präsidenten des Reichskanzler ⸗Amts angekündigt hat, Sie würden die Interpellation stellen, wenn ich nicht vorher freiwillig eine Erklärung gebe, was mir übrigens nicht gemeldet worden ist, so ist es doch himmelweit verschieden davon, daß Sie mich fragen, was ich Ihnen antworten würde. Der Herr Vorredner hat mein Beispiel von dem Lemberger Juden sehr viel schneller verwirklicht, als ich glaubte, daß es möglich wäre; ich bin schuld, daß die Inter— pellation gestellt ist, ich habe sie durch freiwillige Beantwortung und Beschwichtigung nicht verhindert; ja, es fehlt nur noch, daß er sagt; erst in Folge der Antwort, die ich auf die Interpellation ge—⸗

gegeben habe, sei sie gestellt worden. So ungefähr dreht sich die Sache herum. Ich kann nicht alle, und namentlich ganz unmotivirte ich will nicht den Ausdruck frivol gebrauchen, den

der Herr Vorredner gebraucht hat aber ganz unmotivirte Be⸗ fürchtungen beschwichtigen wie ich über die nachdenken soll und Zeitungen lesen und mir den Kopf zerbrechen, wie ich die beschwich—⸗ tigen soll, das fällt mir nicht im Traum ein, und Hr. Bamberger mag fürchten was er will, ich werde ihn nicht beruhigen. Ich thue meinen Dienst nach allen Richtungen hin und weiter nichts. Also deshalb zu sagen: wir haben die Interpellation stellen müsssen, ich glaube, er sagte, sir hätten Alles gethan, um die Interpellation zu vermeiden, nun, doch nicht Alles, Sie konnten sie einfach nicht stellen, dann wäre sie vermieden.

Zeitungsberichte, Zeitungen, wer hat denn diese Artikel in den Jeitungen geschrieben? Ich will das nicht untersuchen, jede Zei⸗ tung nimmt sie, wenn sie geschickt und von sachkundiger Feder ge⸗ schrieben sind. Der Herr Vorredner sagt, er hätte die Silberverkäufe gar nicht berühren wollen, aber seine ganze Argumentation knüpft er an die Gerüchte, die in Folge der Sistirung der Silberwverkäufe ent⸗ standen sind und die allerdings für jeden redlichen Deutschen ein viel rößereß Gewicht belommen haben, seit sie in englischer Sprache k als wenn sie in unserer eigenen zum Ausdruck ge⸗ angen.

Der Heur Vorredner hat von meiner Andeutung, daß zunächst Durch die Sistirung der Silberverkäufe Diejenigen, welche gewohnt waren, den Verkauf zu besorgen, empfindlich berührt waren, gesagt, er woll das nicht als Insinuation bezeichnen. Ich habe damit in der That eine Jasinuation nicht verbunden, sondern ich habe nur er klären wollen, wie auf ganz natürlichem Wege solche Redereien ent— stehen. Wenn der Herr Vorredner dagegen seinerseits insinuirt, daß der muthmaßliche Urheber dieser Gerüchte der britische General- Konsul, das Bankhaus Bleichröder sei, wenn durch skandalöse und schnöde Prozesse weltbekannt ist, daß dieses selbe Bankhaus mein Bankier und Geschäftsführer in Privatangelegenheiten ist, so ist mir dabei doch etwas die Empfindung geworden, als höre ich die Reichs⸗ glocke klingeln nicht die des Herrn Präsidenten, sondern eine andere und ich möchte dem Herrn Vorredner doch empfehlen, mich auf dieses Gebiet nicht herauszufordern; ich habe nicht geglaubt, daß solche Anklänge hier in dieser Versammlung auch nur in der vor— sichtigsten Andeutung möglich wären. Mir ist bekannk, daß der Bankier Bleichröder ein Gegner der Goldwährung ist und immer gewesen ist, das wird auch wahrschein⸗ lich dem Botschafter derselben Macht, für die Hr. Bleichröder Konsul ist, bekannt sein, und also wird er darauf weiter kein Gewicht legen. Wenn Hr. von Bleichröder nach wie vor nach seinem finan—⸗ ziellen Urtheil die Doppelwährung für richtig hält, so wird das für den Botschafter nichts Neues gewesen sein. Es müssen doch also noch andere Leute mit dieser Insinuation gekommen sein, auf die er Bezug nimmt, und ich kann das wiederholen, daß alle die Aktenstücke, die der Herr Vorredner nachher noch angeführt, von belgischen Zei—⸗ tungen, belgischen Ministern, von englischen Korrespondenten er hat einmal, wenn ich recht verstanden habe, englisch vorgelesen, aber das kann uns nicht den mindesten Eindruck machen. Ich bestreite absolut, daß die Aufregung und die Befürchtung vor unüberlegten Schritten der Reichsregierung in dem Maße vorhanden gewesen ist, daß sie irgend einer Beruhigung bedurst hätte, und wenn die Inter⸗ pellation keinen anderen Zweck gehabt hat, als diese Beruhigung für das Publikum herbeizuführen und die angeblich vorhandene Unruhe zu bekämpfen, dann sage ich nur: sie ist ein verfehlter Schritt gewesen. Der Wirkl. Geh. Rath von Dechend bemerkte, er habe die In— sinuation, die Hinweisung auf Hrn. von Bleichröder auf sich bezogen und beziehen müssen, da Hr. Dr. Bamberger ganz besonders darauf Bezug genommen habe, daß Hr. von Bleich⸗ röder Mitglied des Centralausschusses der Bank sei und daß er die Silberbestände der Reichsbank genau kenne. Er könne nur bestätigen, daß Hr. von Bleichröder in der That Mitglied des Centralausschusses sei und daß derselbe als solcher auch Kenntniß von den Silber- und Goldbeständen der Bank be⸗ sitze. Aber er verstehe nicht, wie dies in Zusammenhang 6 bracht werden könne mit der Reichsregierung. Die Bank sei doch nicht die Reichsregierung, und was derselbe von der Bank wisse, habe mit der Reichsregierung gar nichts zu thun. Die Reichsbank könne daher unmöglich die Quelle sein, aus welcher Hr. von Bleichröder geschöpft habe, wenn derselbe über⸗ haupt irgend etwas mit der Sache zu thun gehabt habe. Der Präsident des Reichskanzler⸗Amts Staats⸗Minister Hof⸗ mann erklärte, der 9 Abg. Bamberger habe, wenn er ihn richtig verstanden, angeführt, daß ihm bei den Unterredungen über die Abficht, die Interpellation zu stellen, mitgetheilt worden sei, daß die Interpellanten bereit seien, auf die Inter— pellation zu verzichten, wenn ihnen eine heschwichtigende Er— klärung zu Theil werde. Eine solche Mittheilung sei ihm gegenüber nicht erfolgt. Ihm sei die Absicht als feststehend mitgetheilt, zu interpelliren, und zwar mit dem Bemerken, daß man mit Rücksicht auf die Vorgänge in London nicht anders könne, daß es nöthig sei, die Interpellation zu stellen. Er sei ersucht, dem Reichskanzler von dieser Absicht Mitthei⸗ lung zu machen und gefragt, ob bei der Fassung der Inter— pellation etwa ein Anstand obwalte. Er habe dem Reichskanzler die Mittheilung gemacht und er habe, wie der Abg. Bamberger auch ganz richtig erwähnt habe, dann die Antwort gegeben, daß der Reichskanzler die Inter⸗ pellation nicht als erwünscht ansehe, daß aber, wenn sie er— folgen sollte, die Antwort werde gegeben werden. Der Abg. von Kardorff bedauerte, daß durch diese Inter⸗ ellation der Berathung des Zolltarifes so viel Zeit entzogen ei; er könne aber den Abg. Bamberger nicht unwidersprochen laffen. Goldwährung und Freihandel seien für denselben gewissermaßen ein religiöses Glaubensbekenntniß, derselbe besitze auf diesen Gebieten eine große Belesenheit. Er wolle aber nicht aus eigener Autorität antworten, er verweise auf den Franzosen Wolowski und, den Engländer Ernest Seyd, die für den Fall der Demonetisirung des Silbers prophezeit hätten, daß dann der internationale Geldhandel zurückgehen, daß alle Unternehmungslust, alle Eisenbahnbauten aufhören, daß der Preisrückgang alle Nationen zum Uebergang vom

reihandel zum Schutzsystem zwingen würde; daß das ö Eigenthum (solid property) und die arbei— tenden Klassen dadurch geschädigt und nur den Be—⸗ sitzern von Staatspapieren ein Nutzen erwachsen würde. Das englische Unterhausmitglied Goeschen habe mehr— mals geäußert, daß die Goldwährung für Deutschland kein Segen sei. In Frankreich und Amerika bestehe die Doppel— währung, und wenn sie in Deutschland bestände, würde es ebenso gut daran sein, wie Frankreich. Ein Mitglied des amerikanischen Repräsentantenhauses, Mr. Kelly, habe die Behauptung aufgestellt, daß Deutschland gar nicht freie Wahl haben werde, die Demonetisirung des Silbers rückgängig zu machen, sondern die Gewalt der Umstände würden es dazu zwingen. Wenn der Abg. Sonnemann die Entwerthung der Assignaten auf andere Gründe als die Demonctisirung des Silbers zurückgeführt habe, so sei das eine oberflächliche Be⸗ trachtung. Was Deutschland anbetreffe, so sei es in seiner Münzpolitik nicht unabhängig, sondern hänge sehr stark von der lateinischen Münzkonvention ab; wenn diese bei der Doppelwährung bleibe, könne Deutschland die reine Gold⸗ währung nicht aufrecht erhalten; man müsse der Regierung für den von ihr gethanen Schritt den aufrichtigsten Dank aussprechen.

Der Abg. Dr. Delbrück erklärte, er bedauere, daß zwischen dem Staats⸗Minister Hofmann und ihm ein Mißverständniß ob⸗ walte. Er habe ausdrücklich gefragt, ob besondere Gründe es

erathen erscheinen ließen, von der Interpellation abzusehen; olche Gründe seien aber nicht vorgebracht. Wenn er sich an den Präsidenten Hofmann, nicht an den Reichskanzler selbst gewandt habe, so sei es nur geschehen, weil er gewußt habe, Daß die Zeit desselben durch anderweite Regierungsgeschäfte zu sehr in Anspruch genommen sei.

Der Staats⸗Minister Hofmann bemerkte, er bedauere auf das Lebhafteste, daß zwischen dem Vorredner und ihm ein Mißverständniß obzuwalten scheine über dasjenige, was der— selbe ihm mitgetheilt habe, aber er müsse dabei stehen bleiben, daß er von einer Aeußerung der eventuellen Geneigtheit der Interpellanten, von der Interpellation abzustehen, wenn Seitens des Reichskanzlers eine beschwichtigende

Erklärung gegeben würde, ach nicht die mindeste Erinnerung

ö und daß er sicher sei, sich in dieser Beziehung nicht zu täuschen.

Der Abg. Schröder (Lippstadt) bemerkte, er habe bei dem Vortrage des Bank⸗Präsidenten den Eindruck gehabt, daß die von ihm angeführten hen klar und verständlich seien. Aber nirgends sei auch die Klarheit nöthiger, als gerade auf diesem Gebiete. Auch er habe mit dem Reichskanzler das Ge— fühl gehabt, die Interpellation sei jetzt nicht opportun. Die Centrumspartei habe schon seit März vorigen Jahres die Situation in der Dan en, erkannt und trotzdem nicht für an der Zeit gehalten, den Reichskanzler zu interpelliren. Hr. Bamberger und seine Freunde hätten dies damals auch erkannt und geschwiegen, sie hätten aber nur so lange geschwiegen, als die Dinge so gingen, wie sie wollten. Sobald aber Wolken an dem Bankier⸗Horizont aufgestiegen seien, welche andeuteten, daß die Dinge nicht mehr so gingen, wie sie wollten, da hätten sie nicht mehr geschwiegen, sondern den Reichskanzler interpellirt. Das sei der Unterschied zwischen dem Centrum und den Nationalliberalen. Er habe schon vor Fünfviertel Jahren die Sistirung der Silberverkäufe verlangt, ,. jetzt in kurzer Zeit schon eine erhebliche Preissteigerung zur Folge gehabt. Diese Maßregel hänge mit der Wirthschaftspolitik auf das Innigste zusammen; denn jeder Schutzzoll verliere durch die reine Goldwährung Oesterreich und Rußland gegenüber seine Wirkung. Deutschland . an den . schon 90 Millionen Mark ver⸗ oren und werde in Zukunft noch eben so viel verlieren müssen, ehe es alles üͤberflüssige Silber los werden könne, Daß die Sistirung eine für Deutschland heilsame Maßregel sei, könne man daraus entnehmen, daß die „Times“ dieselbe in geradezu unqualifizirbaren Ausdrücken kritisire, der Eng⸗ länder urtheile doch immer nach seinem Profit. Die Antwort, die der Abg. Bamberger heute erhalten habe, sei dieselbe, die Caspar im Freischütz von unbestimmter Seite erhalten: „Das werde sich finden!“

Die Diskussion wurde geschlossen und es folgte eine Reihe persönlicher Bemerkungen.

Der Abg. von Kardorff bemerkte, der Abg. Bamberger habe ihn in Verbindung gebracht mit der volkswirthschaft⸗ lichen Korrespondenz. Es sei richtig, er stehe insofern mit ihr in Verbindung, als er dieselben Tendenzen verfolge wie sie, Aber wenn er ihr Artikel ꝛc. einsende, so stehe jedes Mal sein Name darunter.

Der Abg. Dr. Bamberger erklärte, einen anderen Sinn als den angegebenen habe er auch gar nicht mit seinen Worten verbinden wollen. Was den Reichskanzler an⸗ gehe, so sei er erstaunt gewesen, daß derselbe glauhen konnte, daß ein Abgeordneter es wagen könnte, die Niederträchtig⸗ keiten hier wieder aufzunehmen, die vor Jahren in gewissen Zeitungsartikeln niedergelegt seien, am wenigsten er, auf dessen Person jene Artikel mitgemünzt gewesen sei. Es sei die Deutsche Bank erwähnt; er sei 1868 71 deren Verwaltungs⸗ mitglied gewesen, er habe aber 1871 jede derartige Thätigkeit niedergelegt, weil er schon damals alle die Insinuationen vorausgesehen habe, die innerhalb und außerhalb des Parla— mentes sich an eine solche Thätigkeit anschließen könnten.

Der Abg. Sonnemann erklärte, der Abg. von Kardorff habe das, was er von der Entwerthung der Assignaten sagte, als oberflächlich bezeichnet. Er könne es der Beurtheilung des Hauses überlassen, in wie weit gerade Hr. von Kardorff zu einem solchen Urtheil berechtigt sei, und ob derselbe im Stande sei, die Autoritäten, die er im Munde führe, zu ver⸗— stehen. Was derselbe heute über die Münzfrage gesagt, werde . Sachverständigen diese Fragen schwerlich beantworten assen.

Damit war die Interpellation erledigt und setzte das Haus die zweite Berathung des Zolltarifs fort. ö

Der Abg. Pr. Delbrück beantragte in die Position 15 „Maschinen“ folgende neue Nummer aufzunehmen: Druck— walzen für Gewebe, auch gravirte 3 S6 pro 100 kg. . dem Tarifvorschlage würden sie 8 „6 Zoll zu zahlen haben.

Der Antragsteller erinnerte an seine, schon in erster Le— sung gemachte Mittheilung, daß auch früher vor der Aufhebung des Zolles auf Maschinen der Zoll für Walzen niemals ge— zahlt worden sei, weil für die Druckereien die zollfreie Ein⸗ fuhr von Druckwalzen gestattet worden sei.

Der Bundeskommissarius Geh. Regierungs-Rath Burchard, sowie die Abgg. Melbeck und Schlieper empfahlen jedoch im Interesse der sich unter dem Drucke der englischen Konkurrenz nur langsam entwickelnden einheimischen Fabrikation dieser Walzen die Annahme der Vorlage, welchem Vorschlage das Haus auch beitrat. ; ö

Für Kratzen und Kratzenbeschläge schlug der Tarif in Positlon 155 3 einen Zoll von 36 60 vor, der bisher auf derselben Höhe gestanden habe.

Der Abg. von Waenker beantragte die Erhöhung des⸗ selben auf 65 seε; weil die zur Fabrikation dienenden Ma— terialien, Draht ünd Leder, bedeutend im Zoll erhöht seien, . man das fertige Fabrikat nicht mit dem alten Zollsatze belegen.

wer Bundeskommissar bemerkte dagegen, daß der jetzt vorgeschlagene Zoll ebenso hoch sei, als der zur Zeit des früheren Eisenzolles; während der letztere vermindert und zu⸗ letzt ganz abgeschafft sei, habe der Zoll für Kratzen stets in der gleichen Höhe bestanden. Der Zoll betrage jetzt ungefähr . vom Werth. Außerdem habe man ja den zur Kratzen⸗ fabrikation erforderlichen Draht bedeutend niedriger tarisirt, als er vor 1877 tarifirt gewesen sei. .

Das Haus genehmigte die Regierungsvorlage in dieser Position, sowie in Posilion 144. Wagen und Schlitten; I) Eisenbahnfahrzeuge, a. weder mit Leder- noch mit Polster⸗ arbeit 6 Proz. vom Werth, 5. andere 10 Proz. vom Werth; 2) andere Wagen und Schlitten mit Leder- oder Polster⸗ arbeit, Stück 150 M6

Nach Position 154. sollten See⸗ und Flußschiffe, sowie Schiffsutensilien und Maschinen zollfrei sein. .

Der Abg. Mosle wünschte den inländischen Schiffsbau zu schützen, und zwar dadurch, daß im Auslande gebaute Schiffe einer besonderen i , m. ebühr unterworfen würden; Redner hielt eine solche Gebühr für um so noth⸗ wendiger, als der häufige Ankauf alter ausländischer Schiffe die Gefahr einer Verschlechterung der deutschen Kauffahrtei⸗ flotte nahe lege. Einen Antrag wolle er jedoch erst in dritter

Lesung stellen. 4

Der Abg. Dr. Delbrück glaubte den Schiffsbau besser dadurch schützen zu können, daß die für denselben nöthigen Materialien frei gelassen würden.

Der Abg. Stumm bedauerte, daß der Abg. Mosle einen

Antrag nicht eingebracht habe, es sei aber wohl besser, die Materialien zum Schiffsbau freizulassen und dies im Gesetz k ,,, da es bei einer einzelnen Position nicht zu er⸗ edigen sei. Der Abg. von Kardorff sprach sich für einen Schutzzoll für den Schiffsbau aus, behielt sich aber Anträge bis zur dritten Lesung vor; der Abg. Rickert stellte für diesen Zeit⸗ punkt eine Opposition gegen diese Anträge in Aussicht. Der Abg. Graf Stolberg (Rastenburg) bemerkte, wenn irgend ein Erwerbszweig durch den Tarif geschädigt werden könnte, so sei es die Rhederei; deshalb müsse man jeden Zoll auf Schiffe vermeiden. Der Abg. Wolffson gab dem Abg. Mosle zu bedenken, daß eine besondere Registrirungsgebühr für im Ausland ge— baute Schiffe die Rhederei, wenigstens soweit sie nicht in den ö. von Privatversonen sei, ins Ausland treiben würde. ie Position wurde zollfrei belassen.

Pos. 16: Kalender frei, sowie Pos. 4: Literarische und Kunstgegen stände:

a. Papier, beschriebenes (Akten und Manuskripte); Bücher in allen Sprachen, Kupferstiche, Stiche anderer Art, sowie Holzschnitte; Lithographien und Photographien; geographische und Seekarten, Musikalien .. frei.

b. Gestochene Metallplatten, geschnittene Holzstöcke, sowie litho⸗ graphische Steine mit Zeichnungen, Stichen oder Schrift, alle diese Gegenstände zum Gebrauch für den Druck auf Papier ... frei.

E. Gemälde und Zeichnungen; Statuen von Marmor und an⸗ deren Steinarten; Statuen von Metall, mindestens in natürlicher Größe; Medaillen .. frei.

wurden ohne Debatte angenommen. Pos. 26. Oel und Fette:

a. Oel. 1) Oel aller Art, in Flaschen oder Krügen, 100 kg 20 , ) Speiseöle, als: Oliven⸗, Mohn⸗, Sesam⸗, Erdnuß⸗, Buchen⸗ kern., Sonnenblumenöl in Fässern 100 kg 8 M und 3) Olivenöl in Fässern, amtlich denaturirt ... frei.

wurde nach der Regierungsvorlage angenommen, nachdem ein Antrag der Abgg. Br. Stephani und Möring, auch Ricinusöl frei eingehen zu lassen, mit 124 gegen 102 Stimmen abgelehnt war. Hierauf vertagte sich das Haus um Uhr auf Sonn— abend 11 Uhr.

Literarische Neuigkeiten und periodische Schriften.

Soziale Fragen und Antworten. Heft 6. Das a1 e— meine Stimmrecht. Bremen, Nordwestdeutscher Volksschriften⸗ Verlag, A. G. 3 ;

Zeitschrift für preußische Geschichte und Landes- kunde, unter Mitwirkung von Droysen, Duncker und L. v. Ranke, herausgegeben von Constantin Rößler. 16. Jahrg. Mai⸗ Juniheft. (Nr. 5 u. 6.) Berlin 1879. Ernst Siegfr. Mittler u. Sohn. Inhalt: J. Duplik. Delbrück. II. Publikationen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zur Geschichte Fried— richs des Großen. Max Posner. III. Zur Geschichte des Berliner Montagsklubs. Max von Oesfeld. JV. Markgraf Johann von Brandenburg und der hessisch‚braunschweigische Krieg vom Jahre 1545. Christian Meyer. V. Bericht des churbranden burg. Ge⸗ sandten von Straßen an Markgraf Johann aus Trient. Christian Meyer. VI. Kriegszeitung aus dem Zuge der protestantischen Für⸗ sten gegen Karl V. im Jahre 1552. Christ. Meyer. XVII. Fried⸗

rich der Große und Montesquieu. Edm. Meyer. VIII. Neuere n, . IX. Aus den Veröffentlichungen der deutschen eschichts vereine.

Preußische Jahrbücher. Herausgegeben von H. von Treitschle und W. Wehrenpfennig. 43. Bd. 6. Heft. Juni 1879. Berlin 1879. Verlag von G. Reimer. Inhalt: Aus der Jugend zeit der deutschen Dichtung. 1772 —· 1775. Fragmente. 2. Der Hain. (Julian Schmidt. Raphaels Madonna di Terranuova auf dem Berliner Museum. (Hermann Grimm,) Das Bundes— gefetz über den Unterstützungswohnsitz, seine Väter und seine Feinde. (Th. v. Jlottwell. ' Die Pariser Kommune 1871. II. (Franz Mehring.) Politische Korrespondenz. Notizen.

Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes 1879. 5. Heft. Mai. Redacteur: Dr. Hermann Wedding. Berlin, Verlag von Leonh. Simion. 1879. Inhalt: JI. Abhandlungen. Ueber Anilinschwärze. Von Dr. R. Kayser. Ueber Anilinschwarz. Von Dr. R. Nietzki. Ueber die Einwirkung der Aschenschlacken auf feuerfeste Steine. Von Bernh. Kosmann Elementare Bestimmung des gefährlichen Querschnitts freiaufliegen⸗ der, zweifach unterstützter Balken. Von Adolph Ernst, Lehrer an der Königlichen Gewerbeschule zu Halberstadt. II. Amtliche Mit- theilungen. III. Kleinere Mittheilungen. Hierzu der Sitzungs—⸗ bericht vom 5. Mai 1879. ö

Forstliche Zeitschrift. Unter Mitwirkung der Lehrer der Forstakademie Münden, herausgegeben vön A. Bernhardt, Ober⸗ Forstmeister und Direktor der Forstakademie zu Münden. J. Jahrgang 1879. 6. Heft: Juni, Mit 2 lithographirten Tafeln. Berlin. Veilag von Jul. Springer. 1879. In⸗ halt: J. Abhandlungen. Ueber Formen und Abarten heimischer Waldbäume von Dr. M. Kienitz (Fortsetzung) Beleuchtung des Aufsatzes Vergleichung des Werthes böhmischen, sächsischen und Harzer Fichtenholzes zum Grubenbau von Forstrath Dr. Nördlinger in Hohenheim“ von W. Rettstadt. Erwiderung bezüglich des Be— griffz „Felddiebstahl“' von A. Leonhardt. Aus forstlicher Theorie und Praxis von Aug. Knorr. 11. Aus der Wirthschaft und Ver waltung. Ein Laie über Dampfpflug⸗Kultur. Vom Grafen Edgard zu Inn und -Knyphausen. Der Mittelwald. Von Vol mar, I11II. Forststatistik. Die forstlichen Verhälmisse von Belgien. Von A. Bernhardt. IV. Bücherschau. Vermischtes. .

Zeitschrift des Königlich bayerischen statistischen Bu reg ut. Redigirt von dessen Vorstand Dr. Georg Mayr. 10. Jahrg. 1878. Nr. 4. Oktober Dezember. München. Kom missionsverlag von Adf. Ackermann. Inhalt: Das G hurts und Sterblichkeits⸗Verhältniß in Bayern für das Jahr 1876. Vom statistisch geograph. Standpunkte aus dargestellt von Lr. med. Carl Meyer, K. R. Beiträge zur Statistik zur Gemeindebesteuerung in Bayern, von Ministerial⸗Rath Dr. Georg Mayr. Nachweisungen über den Verkauf von Getreide auf den bayerischen Schrannen, sowie über die erzielten Durchschnittspreise für die Monate Oktober bis Dezember 1878; desgleichen für die 6 hauptsächlichsten Schrannen nach einzelnen Wochen. Nachweisungen über den Verkauf, von Getreide auf den bayerischen Schrannen, sowie über die erzielten Durchschnittspreise für das Kalenderjahr 1878. Viktualienpreise an verschiedenen Orten Bayerns während der Monate Oktoher bis Dezember 18783 desgl. für das Kalenderjahr 1878. Literatur. Alphabetisches Inhaltsverzeichniß der Jahrg. 1869 bis 1878 der Zeit schrift des Königl. bayer. statestischen Buteaus. J

Mittheilungen der Kaiserlich und Königlich öster⸗ reichisch ⸗ungartschen Consulats- Behörden. Zusammen gestellt im statistischen Departement im R. K. Handelg-Ministerium. VII. Jahrg. 5. Heit (VI. Bd. der ‚Nachrichten über Industrie,

andel und Verkehr). Wien, 1879. Druck und Verlag der K. R. . und Staatsdruckerei. Inhalt: Wirthschaftliche Verhältnisse von Dünkirchen im Jahre 1878. Wirthschaftliche Lage von Livorno im Jahre 1878. Schiffabrts. und Handelsverkehr von Galatz im Jahre 1877. Waarenverkehr von Rustschuk im Jahre 1877. Wirthschaftliche Lage des Vila Koßsovo (Pxisren) im Jahre 1877. Wirthschaftliche Zustände des westlichen Bosnien im Jahre 1878. Schiffahrt und Handel von Hongkong im Jahre

1878. Personalnachrichten.