1879 / 146 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 25 Jun 1879 18:00:01 GMT) scan diff

Abends 93 Uhr traf Se. Kaiserliche Hoheit wieder in Berlin ein und begab Sich um 10 Uhr nach dem Neuen Palais bei Potsdam zurück. ö

In der Begleitung Sr. Kaiserlichen Hoheit befanden sich der Staats Ninister Maybach, der Hofmarschall Graf zu Eulenburg, der Kammerherr von Normann und die persön⸗ lichen Adsutanten Major von Panwitz und Hauptmann von Pfuhlstein.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für

ll⸗ und Steuerwesen, für Handel und Verkehr und für

isenbahnen, Post und Telegraphen, der Ausschuß für Zoll⸗

und Steuerwesen, die vereinigten Ausschüsse für Justizwesen

und für Elsaß-Lothringen, die vereinigten Ausschüsse für

Handel und Verkehr und für Justizwesen, und der Ausschuß für Justizwesen hielten heute Sitzungen.

Im weiteren Verlaufe der gestrigen (55.) Sitzung setzte der Reichstag die zweite Berathung des Zolltarifs mit Pos. 26 (Oel anderweit nicht genannt und Fette) fort.

Pos. 266.

Rückstände; feste von der Fabrikation fetter Oele, auch ge—⸗ mahlen frei.“ wurde ohne Debatte angenommen.

Pos. 26 c. 1 lautet:

Schmalz von Schweinen und Gänsen rer 100 kg 10 46

Hierzu beantragten die Abgg. Richter (Hagen) und Dr. Lasker:

Schmalz; von Schweinen und Gänsen frei.“

Der Abg. Richter (Hagen) befürwortete seinen Antrag. Der Reichskanzler habe in seiner Rede zum Getreidezoll her⸗ vorgehoben, daß man bei den Zöllen auf Rindvieh nicht den Nothstand der armen Leute ins Feld führen könne. Hier handle es sich in der That um ein Nahrungs- und Genuß⸗ mittel auch des armen Mannes, und zwar um das amexikanische Schmalz, welches durchweg geringwerthiger und deshalb billiger sei als das inländische. In dem Maße, als man dasselbe ver⸗ theuere, schließe man große Klassen der Bevölkerung, die keine Butter, sondern nur noch bh iges Schmalz bezahlen könnten, auch von dem Genusse dieses Mittels aus. In manchen Gegenden werde das amerikanische Schmalz gemischt mit hiesigem verzehrt. Die Ansicht, daß das amerikanische Schmalz in allen seinen Sorten in der Hauptsache eine Konkurrenz des inländischen sei, finde er widerlegt in dem Berichte der Handelskammer von Bielefeld, d. h. demjenigen Bezirk, in dem die Schweine⸗ fabrikation und Alles, was damit zusammenhänge, am meisten blühe. Dort werde ausgeführt, daß trotz des amerikanischen Schmalzes von dem westfälischen seiner unerreichten Qualität halber nicht genug habe beschafft werden können. Es sei un⸗ richtig, daß sich in Deutschland relativ die Zahl der Schweine im Verhältniß zur Bevölkerung vermindert hätte. Ihre Zahl habe sich vielmehr 1873 bei der letzten Zühlung gegen 1864 und 1867 im Verhältniß zur Bevölkerung größer heraus—⸗

estellt. Hiermit stimme auch das Urtheil in dem Bericht des inisters für Landwirthschaft überein, welcher die Ausdehnung der Schweinezucht ihrer größeren Einträglichkeit halber her⸗ vorhebe. Es zeige auch die Statistik, daß Deutschland überhaupt gar nicht im Stande sei, das inländische Bedürfniß an Schmal; durch die inländische Schweinczficht zu befriedigen. Drei Viertel der Konsumtion bestehe aus amerikanischem Schmalz. Je nachdem man den Gewinn an Schmalz aus dem Schwein berechne, müßten 4 bis 6 Millionen Schweine mehr zur Deckung der amerikanischen Schmalzeinfuhr jährlich geschlachtet werden. Man habe in Deutschland nach der letzten Zählung im Inlande überhaupt nur 7 Millionen Schweine; angenommen, daß hiervon jährlich ungefähr 3 Millionen zur Schlachtung kämen, so würde, um den jetzigen Schmalz— konsum befriedigen zu können, eine Verdoppelung oder Ver⸗ dreifachung der inländischen Schweinezucht stattfinden müs⸗ seu. Das sei aber vollkommen ausgeschlossen. Die Preise des Schmalzes würden eine Höhe erreichen, bei welcher der bei Weitem größte Theil der Bevölkerung auf das Genuß—⸗ mittel überhaupt verzichten müßte. Man lasse Häute und Felle zollfrei, weil man davon mehr bedürfe, als von Vieh— produkten sonst. Dasselbe müßte vom Schmalz gelten. Man werde sagen, viele Schweinezüchter seien kleine Leute, das gelte nur von etwa 119, und auf diejenigen darunter, die das Schmalz nicht verkauften, sondern selbst äßen, habe ein Zoll überhaupt keine Wirkung. Der Zoll sei vorwiegend Finanz— oll und könne bis zu 5 Millionen einbringen. Der Abg. indthorst habe zwar gestern gesagt, das Centrum bewillige nicht des Geldes wegen die Zölle, sondern wegen des Schutzes der nationalen Industrie; aber dem Reichskanzler sei es ganz gleichgültig, aus welchen Gründen ihm das Geld bewilligt werde, wenn er nur recht viel bekomme. „schauderhaften Maigesetze“ und dergleichen nehme derselbe dem Centrum nicht übel, wenn dasselbe nur brav Geld bewillige. Mit den konstitutionellen Garantien sehe es auch schlecht ge⸗ nug aus. Der Reichskanzler scheine nach zwei Seiten zu ver— handeln, um unter der freien Konkurrenz die Unterhändler im Preise zu drücken; es werde sich ja bald zeigen, wer der billigste Mann sei; jedenfalls werde dies für die Steuerzahler

der theuerste sein. Es handele sich hier in der That um eine wesentliche Vertheuerung der Lebens⸗ mittel der Arbeiter gerade in den rheinisch⸗westfälischen

Industriebezirken, wie ihm dies mehrfache Briefe bestätigten; ohne amerikanischen Speck und Schmalz werde dort die Nah⸗ rung wesentlich verschlechtert werden. Baare in Bochum

be vor der Eisen⸗Enquetekommission den Tagesbedarf einer

rbeiterfamilie an Butter und Schmalz auf 15 8 berechnet, eine Vertheuerung dessen um 12 Proz. durch Zölle mache auf das Jahr 6 M aus. Das komme einer Verdoppelung der Klassensteuer gleich. Man empfinde es unliebsam, wenn man auf den armen Mann hinweise. Es sei noch nicht lange her, da habe er gegen unberechtigte Ansprüche, welche von anderer Seite angeblich im Interesse dieses armen Mannes

erhoben würden, die besitzenden Klassen vertheidigen müssen;

heute drehe sich die Sache um. Die Reichstags⸗ mitglieder seien verpflichtet, die ärmeren Klassen gegen unberechtigte Anforderungen im Interesse der Besitzenden zu schützen; es wäre schlimm, wenn man jemals auf Seite der Aermeren sich überzeugen müßte, daß ihr Recht hier nur vertreten würde von Sozialisten, die sich als besondere Ver⸗ treter der arbeitenden Klassen ausgäben. Je mehr Jemandes Einkommen aus Bodenrente und Kapital bestehe, desto mehr Vortheil habe er vom Tarif; je mehr das Einkommen aus Arbeitslohn bestehe, desto größer seien die Nachtheile. Han⸗

dele es sich um die billige Einfuhr von Lebensmitteln aus dem OHsten, so sei der Zoll angeblich wegen der Diffe⸗ rentialtarife der Eisenbahnen

nothwendig, hier bei der

Auch die R den über die

wanderung wieder zunehmen.

Einfuhr aus Amerika handele es sich nicht um Eisen⸗ bahnen, sondern um den Seeweg. Da werde auf den großen Naturreichthum Amerikas, den menschlichen Scharfsinn, die Triumphe der Wissenschaft hingewiesen, welche es ermöglichten, billige Lebensmittel aller Welt zugänglich zu machen. Durch olle solle Alles dieses neutralisirt werden. Dies zeige in der hat, wie dieses ganze Werk für Deutschland ein durchaus kulturfeindliches sei. Wenn es heute eine Junkerpartei gäbe, die es für ihre Aufgabe hielte, die großen Städte zu zerstören, die Mittelpunkte der Industrie, sie könnte ihre Politik gar nicht besser einleiten als mit einem solchen Tarife. Die dichtbevölkerten Industriebezirke Deutschlands könnten nicht genügend ernährt werden ohne die Zufuhr aus dem Auslande. Sperre man diese ab, so werde die Bevölkerung dahin gehen, wo die billigen Lebensmittel seien und die Aus⸗ Der erste Schritt auf dem ver⸗ hängnißvollen Wege sei der Getreidezoll, dies sei der zweite. In einem Augenblick, wo in Schlesien furchtbare Ueber⸗ schwemmungen die Feldfluren verwüsteten, und schon appellirt werde an Staatsvorschüsse zur Beschaffung von Lebensmitteln für dort, seien es schlesische Abgeordnete, welche darauf aus⸗ gingen, für die Verdoppelung des Getreidezolles Stimmen zu werben! Wenn das Haus überhaupt noch Be en zugäng⸗ lich sei, dann bitte er dringend, einen wer stalf' Schritt in dieser verhängnißvollen Wirthschaftspolitik zu u. erlassen. Der Kommissarius des Bundesraths, Geh. Ober—

Regierungs-Rath Rothe bemerkte, ob und in welchem Grade

der Konsument die Steuer tragen werde, sei doch nicht so sicher zu sagen, wie der Vorredner meine. Bei Schmalz werde wohl der Konsument in erheblichem Grade den Zoll tragen müssen. Indessen sei zu berücksichtigen, daß nicht nur Schweine, sondern auch Gänseschmalz verzehrt werde. Was den Verbrauch anlange, so betrage die Fettnahrung des Menschen im Durchschnitt jährlich l/ kg. Die Preise für Schmalz variirten nun so, daß im Jahre 1874 der Centner 69, im Jahre 1877: 50, 1879: 460 und das amerikanische Schmalz sogar nur 35 37 6 gekostet habe. Wenn nun auf 100 kg ein Zoll von 10 6 gelegt werde, so mache das pro Kopf noch lange nicht so viel als die Preisdifferenz innerhalb dreier oder zweier Jahre betrage. Daß aber die Schweinezucht zurückgegangen sei, könne kein Mensch leugnen, und dies ser lediglich die Folge des kolossalen Imports aus Amerika. Aller im vergangenen Winter seien im Westen Amerikas 7 Millsonen Schweine zur Verpackung geschlachtet, d. h. mehr als man überhaupt in Deutschland habe. Gerade für den kleinen Mann sei es aber wichtig, sich ein oder mehrere Schweine aufziehen zu können, um sie nachher vortheilhaft zu verkaufen, und gerade im Interesse des kleinen Mannes bitte er das Haus, den von den verbündeten Regierungen pro— ponirten Zoll anzunehmen.

Der Abg. Graf Udo zu Stolberg (Rastenburg) erklärte als den Zweck des Tarifes, den Arbeitern höhere Löhne zu schaffen, dann könnten sie auch ein paar Pfennige für Schmalz mehr bezahlen. Es handele sich aber nicht blos um die Interessen des armen Mannes, sondern um das Interesse zweier armen Männer, des armen Mannes, der die Schweine züchte, und des armen Mannes, der sie konsumire. Der Zoll stelle also auch für den kleinen Grundbesitz einen gewissen Schutz her. Denn wenn der Zoll auch insoweit ein Finanz— . sei, daß er Geld einbringe, so . derselbe doch wesent⸗ ich die Natur des Schhtzzolles. Wenn der Abg. Richter meinte, daß die deutsche Schweinezucht einer Ausdehnung nicht fähig sei, so sei das ein Irrthum; denn gerade die Schweinezucht könne mit Leichtigkeit fast ins Unermeßliche ausgedehnt werden.

Der Abg. Frhr. von Schorlemer⸗A1lst bemerkte, der Abg. Richter erfreue sich jetzt daran, tagtäglich Angriffe auf das Centrum zu machen; diese Angriffe ließen das Centrum sehr kalt. Als es sich um die höchsten Fragen der Freiheit gehandelt, habe sich der Abg. Richter unter den Gegnern befunden, so daß er ihn jetzt sehr gern entbehre. Mit seinen Angriffen . das Centrum werde derselbe sehr wenig erreichen, höch— tens, daß er in seinem Wahlkreise nicht wieder gewählt werde; er werde in Zukunft nicht mehr Richter Hagen heißen. Wenn der Abg. Richter meine, es komme dem Reichs kanzler weniger auf den Schutz, als auf das Geld an, so wolle er sich nicht in diesen Streit mischen. Er glaube aber, der Reichskanzler habe sich so sehr für den Schutz der Industrie und Landwirthschaft engagirt, daß derselbe auch sein Wort halten werde. Der Abg. Richter sei ja auch nicht abgeneigt, hohe Finanzzölle zu bewilligen. Derselbe habe mit solcher Sicherheit über Schmalz und Schweinezucht gesprochen, daß ihn das ganz außer Fassung gebracht habe. Derselbe meine, Schmalz sei nur ein Nahrungsmittel für arme Leute; er kenne sehr wohlhabende Leute, die ganz gerne Schweineschmalz äßen. Die Schweinezucht solle nicht zurückgegangen, aber für den Bedarf nicht groß genug sein; der Stückzahl nach habe sie vielleicht nicht abgenommen, wohl aber dem Gewicht nach. Dann komme es bei diesem Zoll auch auf den Schutz des kleinen Landwirthes und des Arbeiters an; derselbe mache sein Schwein fett, um es zu verkaufen, nicht um es selbst zu essen, und wenn die Bielefelder Handelskammer den Import ameri⸗ kanischen Schmalzes für nothwendig und nützlich erkläre, so komme das daher, daß sie das Organ der Handeltreibenden sei, die ein Interesse am Schmalzhandel hätten. Bisher habe eben die Gesetzgebung viel zu sehr die Interessen des Handels berücksichtigt, die der Produktion, namentlich der Landwirth⸗ schaft, aber vernachlässigt. Dann meine der Abg. Richter, dieser Zoll mache die Erfindungen des Auslandes für Deutsch⸗ land illusorisch, deshalb sei der Tarif kulturfeindlich. Sei denn die Schmalzproduktion eine Erfindung Amerikas? Wenn der Tarif eingeführt sein werde, würden die Leute im Westen nicht, wie der Abg. Richter meine, vor Hunger auswandern; das komme nur nach dem Rück— gang der Industrie durch das Freihandelssystem vor;

da wanderten die Leute aus den Industriebezirken nach den

ländlichen Kreisen zurück. Für die landwirthschaftliche Pro⸗ duktion sei die amerikanische Konkurrenz die gefährlichste; e e der billigen Korneinfuhr habe man die Landwirth— chaft auf die Viehzucht verwiesen; jetzt komme die amerika⸗ kanische Konkurrenz mit billigem Schmalz, Speck, Schinken, auch mit billiger Butter. Die Amerikaner seien sehr praktische Leute; wenn sie in einer bestimmten Gegend die Industrie oder Landwirthschaft ruiniren wollten, dann verkauften sie sogar mit Verlust die betreffenden Produkte dorthin. Des⸗ halb sei eine Aenderung der Zollverhältnisse absolut noth— wendig.

Der Abg. Dr. Beseler hielt die Handelsfreiheit nicht absolut unvereinbar mit dem Schutz in gewissen Industriezweigen, wo derselbe nothwendig sei. Man könne nun wohl von einer

Förderung der Landwirthschaft Vortheil erwarten, ein Schutz derselben sei ihm aber sehr zweifelhaft. Der vorliegende Zoll erscheine ihm wesentlich als Finanzzoll. Der Abg. von Schor⸗ lemer⸗Alst habe von der Verwendung von Schmalz im Allge⸗ meinen gesprochen, die ja auch in wohlhabenden Haushaltungen stattfinde; derselbe habe aber nicht gesagt, daß er amerikanisches Schmalz verwende, das allerdings nur von armen Leuten ge⸗ nossen werde. Diesen werde ein nothwendiges Lebensmittel vertheuert. Eine Steigerung des Lohnes sei kaum zu er⸗ warten, da der neue Tarif den Export erheblich schmälern, also die Produktion zum Theil einschränken werde. Mindestens sei die Steigerung der Löhne nur eine Hoffnung, die Mehr⸗ belastung des Volkes durch diesen Tarif aber eine Gewißheit. Denn alle wirthschaftlichen Zustände hingen nicht vom Schutz— und Freihandelssystem, sondern von anderen Faktoren ab, die man nicht willkürlich in cinem Zollgesetz bestimmen könne.

Die Diskussion wurde geschlossen; es folgten persönliche Bemerkungen.

Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, dem Abg. Frhrn. von

Schorlemer wolle er nur entgegnen, daß seine Wiederwahl im Kreise Hagen doch nicht von ihm abhange, und daß seine Stellung in den wirthschaftlichen Fragen, besonders zu den Eisenzöllen, dazu beitragen werde, seine Aussichten im Wahl⸗ kreise Hagen zu befestigen. Der Abg. von Schorlemer werde das nicht ändern können. . Der Abg. Frhr. von Schorlemer⸗Alst erwiderte, ob es von ihm abhängen werde, daß der Abg. Richter wiedergewählt werde oder nicht, das wisse er nicht. Das letzte Mal habe es von ihm abgehangen.

Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, das sei gerade so richtig, wie, daß die Wahl des Abg. Moufang in Mainz den Sozialdemokraten zu danken sei. Die Herren (vom Centru n) hätten ihn gewählt, weil sie ihn wählen mußten, sonst hätten sie einen schlimmeren Abgeordneten bekommen. Er sei eben von zwei Uebeln das kleinere gewesen.

In der folgenden namentlichen Abstimmung wurde die Regierungsvorlage ad c. 1 mit 184 gegen 79 Stimmen an⸗ genommen, womit der Antrag Richter erledigt war.

Zu Pos. 26. 2; Stearin, Palmi in, Paraffin, Wallrath, Wachs 6 6, 3: Fischspeck, Fischthran 3 6, 4: anderes Thier⸗ fett 2 M per 1066 kg beantragten die Abgg. Haerle und Ge— nossen, Stearin mit 10 Æ statt mit 6 S zu tarifiren; die gg, Dr. Simonis, Kablé beantragten, in 26 c. hinter „Wachs“ einzuschalten: „Abfall-,, Stumpen⸗ und Tropfwachs.“

Der Abg. hr. Simonis vertheidigte seinen Antrag, die Wachsabfälle mit einem Zoll von 6 6 zu belegen, während die Vorlage sie als Abfälle frei eingehen lasse.

Der Abg. von Kardorff erklärte, er möchte die Frage an⸗ regen, ob sich der Zweck des Antrags nicht besser erreichen lasse durch eine Einfügung in das amtliche Waarenverzeichniß. Er würde lieber diesen Weg wählen, statt eine Abänderung des Tarifes selbst.

Der Bundeskommissar gab dem Hause anheim, ob es dem Antrage Simonis Folge geben wolle.

Der Abg. Haerle befürwortete sein Amendement, wonach der Zoll auf Stearin von 3 auf 109 (6 erhöht werden solle. Wenn man die fertigen Lichte so hoch verzollen wollte, wie es der Tarif thue, dann müsse man auch auf das Stearin einen höheren Zoll legen, da die bei weitem größte Arbeit in der Herstellung des Stearins stecke, während dessen Verarhei—⸗ tung zu Lichtern verhältnißmäßig wenig Zeit und Mühe in Anspruch nehme.

Der Bundeskommissar bat, den Antrag Härle abzulehnen. Das Verhältniß der von der Regierung vorgeschlagenen Zollsätze auf rohes und auf verarbeitetes Material sei wohl bedacht und beruhe auf sorgfältigster Prüfung der Bedürfnisse der Industrie.

Der Abg. von Bötticher (Flensburg) bat, den Antrag Simonis und Genossen abzulehnen. Er sei mit dem⸗ selben zwar an sich einverstanden, insofern derselbe darauf gerichtet sei, das Abfalls- und Tropfwachs dem Wachs gleichzustellen. Es würden aber Zweifel entstehen, wie dieser Wachsabfall sich zu dem Wachsabfall verhalte, der bereits in Position 1 des Tarifs behandelt sei. Dort nämlich seien die Abfälle von der Wachsbereitung zollfrei gelassen, und in dieser Hinsicht wollten gewiß auch die Antragsteller keine Verände⸗ rung herbeiführen; es komme ihnen vielmehr nur darauf an, Rückstände von Wachslichten, Stumpen u. dgl. ebenso behan⸗ delt zu sehen, wie fertiges Wachs. In dieser Beziehung brauchten sie aber keine Sorge zu haben. Die gedachten Rück⸗ stände fielen eben unter die allgemeine Kategorie: Wachs und würden von dem Zoll unter c. 2 getroffen. Im amt—⸗ lichen Waarenverzeichniß ständen allerdings diese Gegen⸗ stände nicht besonders aufgeführt, gleichwohl aber glaube er, liege es in der Natur der Sache, daß hier der allgemeine Be⸗ griff Wachs zur Anwendung kommen müsse, und er zweifle gar nicht, daß in der Praxis so verfahren werden würde. Für den Antrag Haerle möchte er sich, trotz der Bedenken des Bundeskommissars erklären; die Ausführungen des Antrag— stellers hätten ihm von der Nothwendigkeit eines erhöhten Schutzes für die Stearinfabrikation überzeugt, er würde in der Annahme desselben eine Verbesserung der Vorlage erblicken. Sollten . die Bedenken des Bundeskommissars, betreffend die schwere Unterscheidbarkeit des Stearins und Palmitins, bewahrheiten, so würde er für die dritte Lesung sich den Antrag vorbehalten, Stearin und Palmitin gleichzustellen.

Der Antrag Simonis wurde zurückgezogen, der Antrag Haerle mit großer Majorität angenommen, desgl. die Positionen 26 c., 2, 3, 4 der Vorlage.

Pos. 23, Lichte pro 100 kg 15 S, und Pos. 28, Pelzwerk (Kürschnerarbeiten), welche lautet:

a. überzogene Pelze, , ,. Handschuhe, gefütterte Decken, Pel futter, Besätze und dergl. 150 16;

b. fertige, nicht überzogene Schafpelze, desgl. weißgemachte und gefärbte, nicht gefütterte Angora oder Schaffelle, ungefütterte Decken, Pelzfutter und Besätze 6 AM pro 100 kg.

wurden ohne Debatte genehmigt.

Es folgte Pos. 31, Seife und Parfümerien:

a. Schmierseife 5 AM, b. feste Seife, soweit sie nicht unter é. fällt, 19 6, c. Seife in Taͤfelchen, Kugeln. Büchsen, Krügen, Töpfen u. s. w.; parfümirte Seife aller Art 30 M, d. Parfü-⸗ merien aller Art 100 4

Die Abgg. Dr. Stephani und Möring beantragten eine Theilung der Poj. 314:

d. Parfümerien aller Art, d. h. verkauf fertige Parfümerien, als alkoholhaltige Extrakte, PaanƷf, Haaröle, Schönheitsmittel in Töpfen, Tiegeln, Stangen, Giäsern, Schachteln re. 100 Eg

100 .

6. Wohlriechende Fette, fette Oele, wohlriechende nicht alkohol- . Wasser in Umhüllungen, nicht unter 10 Eg! 20 M per 1 8

Dieser Antrag wurde auch von den Abgg. Dr. Delbrück und Frhrn. von Varnbüler unterstützt.

Der Abg. Dr. Stephani bemerkte, daß die Antragsteller bezweckten, die Rohmaterialien, welche zur Herstellung der Parfümerien dienten, niedriger zu besteuern, und daß darum die 4 der im Tarif aufgeführten Position vorgeschlagen werde.

Der Bundeskommissar erklärte sich gegen das Amende⸗ ment. Es handle sich wesentlich um den Schutz der heimischen Industrie, und daß man in Deutschland ebenso vorzügliche Parfümerien herstellen könne, wie in Frankreich, beweise augenblicklich die Berliner Gewerbeausstellung, welche in Blumenextrakten Außerordentliches biete.

Der Antrag Stephani wurde darauf angenommen, desgl. die Ansätze der Position 31.

Position 32, Spiel karten, neben der inneren Abgabe 60 9S½ für 100 kg Brutto wurde ohne Debatte ge— nehmigt.

Pos. 33, Ste ine und Steinwaaxen, lautet:

a. Steine, rohe oder blos behauene; Flintensteine, Mühlsteine, auch mit eisernen Reifen; Schleif⸗ und Wetz steine aller Art; grobe Steinmetzarbeiten, z. B. Thür⸗ und Fensterstöcke, Säulen und Säulenbestandtheile, Rinnen, Röhren, Tröge und dergleichen unge— schliffen, mit Ausnahme der Arbeiten aus Alabaster und Marmor; Schusser (Knicker) aus Marmor und dergleichen frei.

b. Dachschiefer und Schieferplatten 0, 20 A6 per 100 Kg.

c. Edelsteine, auch nachgeahmte, und Korallen, bearbeitet, Perlen, alle diese Waaren ohne Fassung; bearbeitete Halbedel steine und Waaren daraus, 60 M0

d. Andere Waaren aus Steinen mit Ausnahme der Statuen: 1) außer Verbindung mit anderen Materialien oder nur, in Ver⸗

bindung mit Hol; oder Eisen ohne Politur und Lack, Schiefer⸗

tafeln in Holjrahmen, auch lackirten oder polirten. .. 3 6

2) in Verbindung mit anderen Materialien, soweit sie nicht unter

Nr. 20 (Kurzwaaren) fallen.. . 24 4

Ju dieser Position lagen folgende Abänderungsanträge vor:

Die Abgg. Dr. Lieber, Dr. Freiherr von Hertling, Freiherr von Wendt und Dr. Frege beantragten 1) die Litt. b. in fol— gender Fassung anzunehmen:

„b. Dachschiefer 100 kg (0,50 b.“ .

3) in Titt. d. unter Ziffer J vor dem Worte tafeln“ einzuschieben:

Schieferplatten. 109 kg 3 gi.“ ö

Die elsaß⸗lothringischen Abgg. Schneegans und Genossen wollten 334. 1 noch einbegreifen: „Marmor, Granit ꝛc. in ge— sägten Platten.“ .

Der Abg. Dr. Delbrück beantragte, in 33 c. „auch nachgeahmte“ zu streichen. . . Der Abg. Dr. Lieber befürwortete seinen Antrag. Die Schieferindustrie sei in Deutschland eine sehr leistungsfähige und tüchtige, bedürfe jedoch gegen die ausländische Industrie dringend des Zollschutzes. Der deutsche Schieferbergbau be— finde sich gegenwärtig im größten Nothstand. Das werde nicht nur von den Interessenten, sondern auch durch die Aus— führungen des Königlich preußischen Statistischen Buregus be⸗ stätigt. Der von der Regierung proponirte Schutzzoll sei ent⸗ schieden zu niedrig, und wenn der Reichstag keinen höheren bewillige, dann werde es bald keinen Kapitalisten mehr geben, welcher noch Lust hätte, sein Geld in dieser Industrie zu riskiren, der Schutzzoll solle ein Erziehungszoll für den deutschen Schiefer⸗ bergbau sein und zugleich dem Arbeiter und den Industriellen zu Gute kommen. Der deutsche Schiefer entspreche allen Anfor⸗ derungen, welche man vernünftigerweise irgend an ein solches Material' machen könne, während von dem ausländischen Schiefer dieser Beweis bisher noch in keiner Weise erbracht sei. Auch die Behörden hätten leider sehr mit Unrecht den ausländischen Schiefer nur allzulange begünstigt. Hoffentlich würden sie der nationalen Industrie in Zukunft auch in dieser Branche freundlicher entgegentreten. Die Gegenden, wo sich Schiefer finde, seien meist steril, und die Bevölkerung sei auf diefen Arbeitszweig angewiesen. Im Interesse dieser großen Arbeiterbevölkerung bitte er das Haus, seinen Antrag an— zunehmen. .

Der Kommissarius des Bundesraths, Geheime Regierungs— Rath Tiedemann, erklärte sich mit der Tendenz des Antrages ein⸗ verstanden und glaubte, daß auch die verbündeten Regierun⸗ gen, wenn sich der Reichstag für ihn entscheiden sollte, ihm ebenfalls ihre Zustimmung nicht versagen würden.

Der Abg. Sonnemann wandte sich mit Entschiedenheit gegen die Ausführungen des Vorredners und behauptete, daß der deutsche Schiefer viel schlechter sei als der englische; die Noth der deutschen Schieferindustrie rühre von ihrer Ueber⸗ produktion her. . .

Der Abg. Frhr. von Wendt führte aus, er habe sich durch den Augenschein von der Nothlage der Schieferindustrie überzeugt. Es seien in Schiefergrüben, wo vor einem Fahr für S006 6 Material vorräthig läge, jetzt für S 000 Schiefer gelagert. Von Ueberproduktion könne aber da gar nicht die Rede sein, da nur ganz ebenso viel Arbeiter beschäftigt würden, wie in früheren Jahren. Lediglich die aus ländische Konkurrenz verschulde den Nothstand.

Hierauf wurden Pos. 334. und b. mit dem Amendement Lieber angenommen. . ;

Der Abg. Pr. Delbrück zog darauf sein zu Pos. 33 ( gestelltes Amendement zurück, um es bei der zweiten Lesung der Position Glas wieder aufzunehmen. ;

Die Pos. 33 c. und d. wurden ebenfalls mit den Amen⸗ dements Lieber angenommen, worauf sich das Haus um 5 Uhr auf Donnerstag 10 Uhr vertagte.

Der hiesige japanische Gesandte, Siu zo Aok i, hat Berlin verlassen, um sich für längere Zeit nach Japan zu begeben. Bis zu seiner Rückkehr ist der Legations⸗Sekretär Hoshitane Sannominya mit der Wahrnehmung der Ge⸗ schäfte der japanischen Gesandtschasft beauftragt worden.

Die im Reich s-Eisenbahn-Amt aufgesten e, in der Ersten Beilage veröffentlichte ebersicht der Be⸗ triebs-Ergebnisse der Eisenbahnen Deutschlands ausschließlich 8 für den Monat Mai d. 895 giebt für die 87 Bahnen, welche in dem Heitraum vom J. Januar 1878 bis Ende Mai d. J. im Betriebe waren und zur Vergleichung gezogen werden können, nachstehende, theil⸗ weise auf provisorischen Ermittelungen beruhende Daten: die Einnahme aus allen Verkehrszweigen war im Monat Mai d. J. bei 58 Bahnen 66, Proc. der Gesammtzahl höher und bei 29 Bahnen 33,3 Proc. der Gesammtzahl geringer, als in demselben Monat des Vorjahres, und pro Kilometer bei 54 Bahnen 62,1 Proc. der Gesammtzahl h, und bei 33 Bahnen 37,9 Proc. der Gesamintzah (darunter 7 Bahnen mit vermehrter Betriebslänge) geringer, als in dem⸗ selben Monat des Vorjahres. Die nnahme aus allen Ver⸗

„Schiefer⸗

die Worte

kehrszweigen

vom 1. Januar bis ult. Mai d. J. war bei 40 Bahnen 46,9 Proc. der Gesammtzahl höher und bei 47 Bahnen 54,0 Proc, der Gesammtzahl geringer, als

in demselben Zeitraum des Vorjahres, und pro Kilometer bei 35 Bahnen 41,4 Proc. der Gesammtzahl höher und bei 51 Bahnen 58,6 Proc. der Gesammtzahl (darunter 11 Bahnen mit vermehrter Betriebslänge) geringer, als in dem⸗ selben Zeitraum des Vorjahres. Bei den unter Staats⸗ verwaltung stehenden Privatbahnen betrug Ende Mai d. J. das gesammte konzessionirte Anlagekapital 1 251 215 300 6 (408 495 900 S Stamm⸗Aktien, 44 595 000 M Prioritäts⸗ Stamm⸗Aktien und 798 124 400 S6 Prioritäts-Obligationen) und die Lange derjenigen Strecken, für welche dieses Kapital bestimmt ist, 4474,93 kin, so daß auf je 1 Em 279 606 6 entfallen. Bei den unter Privatverwaltung stehenden Privat— eisenbahnen betrug Ende Mai d. J. das gesammte konzessio⸗ nirte Anlagekap tal 3 069 559 957 S6 (1 099 930 258 6 Stamm⸗Aktien, 334 59 150 C6. Prioritäts⸗-Stamm-Aktien und 1634669 649 S Prioritäts⸗Obligationen) und die Länge der— jenigen Strecken, für welche dieses Kapital bestimmt ist, 11 861,00 Km, so daß auf je 1 km 256 631 S kommen.

In Bezug auf den privilegirten Zerichtsstand in Preußen hat das Reichs⸗Ober⸗Handelsgericht, J. Senat, durch Erkenntniß vom 2. Mai d. J. den Rechtssatz ausgesprochen, daß für diejenigen mittelbar gewordenen Reichsfürsten und Grafen, deren Besitzungen nicht in den Jahren 1815 und 1856 der preußischen Monarchie einverleibt sind, der durch die Verordnung vom 2. Januar 1849 aufgehobene privilegirte Gerichtsstand nicht wiederhergestellt ist, ihnen also in Preußen nicht zusteht. Die Königliche Verordnung vom 12. November 1855, betreffend die Wiederherstellung des privilegirten Ge— richtsstandes für die mittelbar gewordenen deutschen Reichs— fürsten und Grafen, hat den durch den Art. XV. der deut⸗ schen Bundesakle vom 8. Juni 1815 zugesicherten, durch die Gesetzaebung seit dem Jahre 1848 aber aufgehobenen privile— girten Gerichtsstand nur für diejenigen mittelbar gewordenen Reichsfürsten wiederhergestellt, deren Besitzungen in den Jahren 1815 und 1850 der preußischen Monarchie einverleibt oder wieder einverleibt sind.

Als Aerzte haben sich niedergelassen die Herren Hr. Elzel in Friedeberg a. / O., Dr. Koch in Alt⸗-Scherbitz, Dr. Uhr⸗ han in Jesberg, Hr. Berlein in Gudensberg, Dr. Lenzner in Hofgeismar, Dr. Brill in Eschwege, Dr. Scriba in Windecken, 2 Sponholz in Salzschlirf und Dr. Blittersdorf in Oedels— heim.

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 23. Juni. (Presse.) In der schon seit längerer Zeit zwischen England und der Re— publik Nicaragua schwebenden Streitfrage, die, nachdem sie durch einen Verkrag beglichen war, neuerdings, weil man sich nicht über die Auslegung des Vertrages einigen konnte, zum Ausbruch gelangte, haben bekanntlich beide Mächte den Schiedsspruch des Kaisers von Oesterreich angenom⸗ men. Se. Majestät hat sich kürzlich zur Uebernahme des Schiedsrichteramtes bereit erklärt und auf Antrag des Grafen Andrassy die Präsidenten der beiden höchsten Gerichtsstellen der Monarchie den Präsidenten des obersten Gerichtshofes, Ritter von Schmerling, und den Judex Curia Georg von Majlath, sowie den ehemaligen Minister Dr. Unger mit der Berichterstattung über die Angelegenheit betraut.

K n ie Wahlen zum Reichsrath haben heute begonnen. In den sieben Landgemeinden Ober⸗-Oesterreich; wurden 7 Kon⸗

servative, in den fünf Landgemeinden Lrains 5 Nationale, darunter Graf Carl Hohenwart, in den zehn Landgemeinden Nieder⸗-Desterreichs 8 Liberale und 1 Konservativer gewählt. Aus einem Wahlbezirk fehlt das Resultat noch.

Gegenüber der „Neuen Freien Presse“ ist die „Polit. Corr.“ zu der Erklärung autorisirt, daß in der egyptischen Frage eine bsterreichische Noe nicht existire. Alles, was Seitens Oesterreich-Ungarns in dieser Angelegenheit ge⸗

schehen, beschränke sich auf die einfache Mittheilung des Beitritts Oesterreich⸗Ungarns zu den Schritten Englands und Frankreichs in Egypten. Die

vom Londoner „Standard“ gebrachte Nachricht von einem Schlaganfalle des österreichisch-Ungarischen Botschafters in St. Petersburg, Baron von Langenau, wird von der „Pol. Corr.“ als erfunden bezeicknet. Aus Belgrad wird der „Pol. Corr.“ gemeldet: Die serbische Regierung habe bie Absicht aufgegeben, sich bei der Ankunft des Fürsten von Bulgarien in Sofia durch einen besonderen Reprä⸗ fentanten vertreten zu lassen. Der proviso rische Han⸗ delsvertrag zwischen Serbien und Frankreich sei unter— zeichnet worden. H

25. Juni. In dem 10. niederösterreichischen Land⸗ gemeinde⸗Wahlbezirk wurde ein Konservativer gewählt. Bei den gestrigen 22 Wahlen haben die. Konservativen sonach je einen Sitz in Niederbsterreich, Oberösterreich und Krain ge⸗

wonnen.

Prag, 24. Juni. (W. T. B.) Die beiden Parteien des böhmischen Großgrundbesitzes haben einen Kompromiß vereinbart, wonach den Konservativen 10 Reichstagsmandate

überlassen werden.

Schweiz. Bern, 23. Juni. (N. Zürch, Ztg.) Zur Ver⸗ meidung von Mäißverständnissen macht die, Ober⸗Zoll⸗ dire ktlon darauf aufmerksam, daß die sofortige Anwendung der erhöhten Zollansätze sich einzig auf Tabak und Tabak⸗ fabrikate erstrecke. Die Anwendung des erhöhten Zolles für Branntwein und Weingeist ist dem weiteren Entscheide des Bundesraths vorbehalten.

24. Juni. (W. T. B.) Der Bundesrath hat die Bestellung eines in erster Stelle einzutragenden Pfand⸗ rechtes an sämmtlichen Linien der Bahn wegen der am 12. Februar 1878 zwischen der Gotthardbahn und einem Finanzkonsortium abgeschlossenen Anleihe von 74 Millionen bewilligt.

Großbritannien und Irland. London, 24. Juni. (W. T. B.) Der großbritannische Gesandte bei der argentini⸗ schen Republik, Fo d, ist zum Gesandten am bra sil ia⸗ nischen Hofe, und der bisherige Legationssekretär in Teheran, Thom son, zum Gesandten in Persien ernannt worden.

25. Juni. (G. T. B.) Dem Diner, welches zu Ehren Sr. Königlichen Hoheit des Erbgroßherzogs von Baden am Montag bel dem deutschen Botschafter. Grafen Münster, stattfand, wohnten auch der russische BVotschafter

Graf Schuwaloff und der großbritannische Botschafter in St. Petersburg, Lord Dufferin, bei.

Frankreich. Paris, 24. Juni. (W. T. B.) Nach hier ein⸗ gegangenen Nachrichten hat Rouher seine Abreise von London verschoben und trifft erst am Donnerstag hier ein. Ueber das angeblich vom Vrinzen Louis Napoleon hinterlassene Testament ist bis jetzt Näheres noch immer nicht bekannt. Man will wissen, daß ein Testament vorhanden sei, daß dasselbe aber keinerlei politischen Charakter habe.

Spanien. Madrid, 24. Juni. (W. T. B.) Die „Epocg“ meldet von einer Bande Aufständischer, die sich in Katalonien erhoben und in mehreren Ortschaften Zwangslieferungen von den Bewohnern eingetrieben hatte. Von der zur Herstellung der Ruhe aufgebotenen Gensd'armerie waren 6 Aufsständische getödtet und mehrere andere ver— wundet worden.

Italien. Rom, 24. Juni. (W. T. B.) Die in der gestrigen Sitzung des Senates beantragte Tagesordnung Serras wurde abgelehnt und die einzelnen Artikel des Mahlsteuer-Gesetzentwurfs in der Fassung des Central— bureaus angenommen. Die Aufhebung der Mahlsteuer wurde auf die geringeren G treidesorten beschränkt. Der so amendirte Entwurf wurde sodann in geheimer Abstimmung im Ganzen mit 136 gegen 50 Stimmen angenommen. Hierauf geneh— migte der Senat den Gesetzentwurf, betreffend die Reform der Zuckerbesteuerung, sowie den Entwurf wegen

ahlung einer Entschädigung von 41 Millionen an die Stadt Florenz.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 25. Juni. (W. T. B.) Wie aus Kiew gemeldet wird, begannen am 20. d. M. vor dem dortigen Strafgericht die öffentlichen Verhandlungen gegen 48 Angeklagte, welche der Organi⸗ sirung und Zugehörigkeit zu der gesetzwidrigen geheimen Gesellschaft, welche im Jahre 1877 unter den Bauern des Tschigirinschen Bezirks entstand, angeschuldigt werden. Unter den Angeklagten befinden sich 43 Bauern. Die Verhandlungen finden unter dem Vorsitz des Kiewschen Strafgerichts-Präsidenten Staaburoff statt; die Angeklagten werden durch drei vereidete Advokaten vertheidigt.

Wie hier vorliegende Tifliser Blätter melden, würde die gesammte muhamedanisch⸗-grusische Bevölkerung Ober- und Niederadschariens nach Armenien aus⸗ wandern und die Zahl der zur Auswanderung Entschlossenen 60 000 Familien und darüber betragen. In den Vilajets von Erzerum, Wan und Diarbekir würden denselben Grundstücke angewiesen werden. Mehrere Familien hätten bereits ihre Heimath verlassen.

Tiflis, 24. Juni. (W. T. B.) Nach einer Depesche des „Tifliser Boten“ aus Tschikischljar besteht die am 20. d. M. ausgerückte Avantgarde aus 3 Bataillonen In— fanterie, 500 Mann Kavallerie, einem Zug Sappeurs und 4 Geschützen, unter dem Oberbefehl des Commandeurs des Kabardinschen Regiments, Fürsten Dolgorukoff. Am 17. d. M. wurden 5. Sotnien Kavallerie in das Dorf Wodja⸗ tadshi am Atrek vorgeschoben. Bei Bajandashi wurde die erste Station hinter Tschikischliar gemacht. Bei den Truppen sind zwei Sterbefälle an Lungenentzündung vorgekommen; im Uebrigen ist der Gesundheitszustans ein guter. Die Hitze ist mäßig.

Schweden und Norwegen. Christiania, 20. Juni (Hamb. Nachr.) Nach einer kurzen Sitzung, in welcher das Staatsbudget endgültig genehmigt wurde, fand heute Nach⸗ mittag die feierliche Luflösung des Storthings statt. Der Staats-Minister Stang verlas den Königlichen offenen Brief, wodurch er ermächtigt wird, die Versammlung aufzulösen, und erklärte darauf das 28. Storthing für aufgehoben.

Amerika. Washington, 21. Juni. (Allg. Corr.) Der Senat hat die Armee-Budgetvorlage mit 23 gegen 19 Stimmen angenommen, einschließlich des Paragra⸗ phen, der die Gelder für den Unterhalt oder Transport von Truppen verweigert, die als Polizei auf den Abstimmungs⸗ plätzen bei Wahlen fungiren sollen. Die Majorität verwarf alle Zusätze der Vorlage, die nunmehr unverzüglich dem Prä⸗ sidenten unterbreitet werden wird. Die Ju stiz⸗Kredit⸗ vorlage harrt der endgültigen Schritte des Senats. Der Präsident hat die Kreditvorlage für die Legislatur unterzeichnet. Der Senat genehmigte durch ein Parteivotum den Bericht der Konferenz Üüber die Vorlage, betreffend das Justizbudget. Sammtliche Kreditvorlagen sind jetzt zur An⸗ nahme gelangt und dem Präsidenten zur Unterzeichnung unter⸗ breitet worden. Der Präsident hat die Ernennung des Kriegssekretärs Mr. George M Crary zum Bundesrichter in Jowa rückgängig gemacht.

Aus dem Wolffschen Telegraphen-Bureau.

Kiew, Mittwoch, 25. Juni. Das Urtheil in dem Pro⸗ zesse gegen die 48 Angeklagten, welche der Organisation und Zugehörigkeit zu der gesetzwidrigen geheimen Gesellschaft, welche im Jahre 1877 unter den Bauern des Tschigirinschen Bezirks entstand, angeschuldigt sind, lautet gegen 5 Angeklagte auf Uebergabe an eine Korrektionsabtheilung auf die Zeit von 1Jahr 7 Monaten bis zu 2 Jahren 9 Monaten; ein An⸗ geklagter wurde zu einer zweimonatigen Festungshaft ver⸗ urtheilt, die übrigen freigesprochen.

Nr. 25 des „Central- Blatts für das Deutsche Reich“, herausgegeben im Reichskanzler -Amt, hat folgenden In— halt: Allgemeine Verwaltuagssachen; Verbote einer aus ländischen Druckschrift; Ausweisung von Ausländern aus dem Reichs- gebiet. Finanzwesen: Nachweisung der Einnahmen an Zöllen und Verbrauchssteuern bis Ende Mai 1879. Münz- und Bank wesen: Uebersicht über die Ausprägung von Reichs Goldmünzen; Goidankäufe der Reichsbank; Status der deutschen Notenbanken Ende Mai 1879; Statistik der deutschen Banknoten Ende Mai 1878, Ueberficht über die bis Ende Mai d. J. eingezogenen Landes münzen. Post⸗ und Telegraphenwesen: Herausgabe einer Karte der überfeeischen Postdampfschiffslinien im Weltpostverkehr. Marine und Schiffahrt: Beginn einer Seesteuermanns- Prüfung. Kon— fulatwesen: Einziehung eines Konsulats; Neue Abgrenzung der Amtsbezirke der franzöfischen Konsulgte in Deutschland. Zoll und Steuerwesen: Uebersicht über Rübenzuckersteuer, sowie Zucker⸗ Ein⸗ und Ausfuhr für Mai 1879; Heel zweier Stations⸗ Kontroleure. Eifenbahnwesen: Wiedereröffnung des Stadt ⸗Baha⸗

hofs zu Hannover.