1441480 Ctr. (1878 224 325 Ctr.), in den erslen 5 Mo⸗ naten 1879 3760497 Ctr. (1878 29017546 Ctr); unbearbeitete Tabakablätter im Mai 1879 254 248 Ctr. (1878 25 582 Ctr.), in den ersten 5 Monaten 1879 1281585 Ctr. (1878 849 674 Ctr.); roher Kaffee im Mai 1879 442999 Ctr. (i878 185 367 Ctr.), in den ersten 5 Monaten 1879 1178718 Ctr. (1878 S859 419 Ctr.); Pfeffer im Mai 1879 25 267 Cr. (1878 2755 Ctr), in den ersten 5 Monaten 1879 46062 Ctr. (1878 19 474 Ctr); Korinthen und Rosinen im Mai 1879 85 623 Ctr. (1878 18621 Etr.), in den ersten 5 Monaten 1879 157 878 Ctr. (1878 1090 50 Ctr.); zubereitetes Fleisch im Mai 1879 176 369 Ctr. 1878 56 979 Ctr,), in den ersten Monaten 1879 533 880 Ctr. (1878 260 384 Ctr); Schmalz im Mai 1879 296524 Ctr. (1878 85 370 Ctr.), in den ersten 5 Mo⸗ naten 1879 773771 Ctr. (1878 489271 Ctr.). Eine bemerkens⸗ werthe Abnahme zeint sich bei der Einfuhr von Holz in Balken und n,. während die Holzausfuhr nicht unerheblich zugenom— men hat.
London. (Allg. Corr.) Einem parlamentarischen Ausweise zufolge, betrug im Jahre 1878 die Zahl der Todesfälle im haupt⸗ städtischen Bezirk (London), anläßlich welcher eine Leichenschau⸗Jury das Verdikt: Tod durch Hunger oder Tod beschleunigt durch Entbehrungen“ abgab, 77. Von dieser Gesammtzahl kamen 48 Todes fälle auf den Centralbezirk und 23 auf die östlichen Bezirke Londons.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Am 1. Oktober d. J. tritt die Strafrechtspflege in eine neue Aera. Von den strafbaren Handlungen werden die Uebertretungen und leichten Vergehen, gleichviel, ob sie in dem allgemeinen deutschen Strafgesetzbuch oder in einem der daneben geltenden Landesstraf⸗ gesetze vorgesehen sind, vor den zu bildenden Schöffengerichten, die schwereren Vergehen und diejenigen Verbrechen, welche mit Zuchthaus von höchstens 5 Jahren bedroht sind, vor den neuen Landgerichten, fast alle übrigen Verbrechen vor den Schwurgerichten verhandelt und entschieden. Den mit der Handhabung des Strafrechts betrauten Richtern und Anwälten wird nun bei dem Eintritt in die neue Aera der Strafrechtspflege ein praktisches Handbuch dargeboten in dem im Verlage von H. W. Müller hierselbst erschienenen Werke: ‚Straf⸗— recht und Strafprozeß, eine Sammlung der wichtigsten das Strafrecht und das Strafverfahren betreffenden Gesetze. Zum Handgebrauche für den preußischen Praktiker, erläutert und her— ausgegeben von A. Dalcke, Ober⸗Staatsanwalt. Um dem Buche nicht durch einen zu großen Umfang die handliche Form zu rauben, welche für ein Vademecum des Kriminalisten, wie es das vorliegende Buch sein soll, unerläßlich ist, hat der Verfasser davon abgesehen, eine vollständige Sammlung der noch neben dem Strafgesetzbuche in Preußen geltenden Strafgesetze zu liefern, doch ist so viel Material geboten, um in der weitaus größten Mehrzahl der Fälle die Zurhandnahme noch anderer Bücher entbehrlich zu machen. Wohl auch aus Gründen der räumlichen Sparsamkeit, um auf einem möglichst geringen Raum etwas möglichst Vollständiges dorzubieten, ist die Beschränkung auf das preußische Rechts⸗ gebiet eingehalten worden. Der Kommentar ist so eingerichtet, daß nicht nur der rechtsgelehrte Richter und Anwalt, sondern auch der Laienrichter (Schöffe und Geschworene), sowie der nicht rechts⸗ gelehrte Amts anwalt leicht Rath und Belehrung aus ihm schöpfen können. Die Rechtsprechung des Obertribunals ist überall be⸗ rücksichtigt. Auch ist wegen der Komplizirtheit der künftig maßgebenden Komp tenzbestimmungen bei jeder Strafbestimmung das zuständige Gericht bezeichnet. Die äußere Ausstattung des Buches ist eine sehr sergfältige und gefällige. Der Preis des geschmackvoll gebundenen Buches beträgt 5 M0
— Im Verlage von J. Guttentag (D. Collin) hierselbst sind neuerdings in der beliebten handlichen Ausgabe der „Deutschen Reichsgesetzgebung, Textausgaben mit Anmerkungen“ erschienen: L Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich nebst den ge— bräuchlichsten Reichs⸗Strafgesetzen. Text Ausgahe mit Anmerkungen von H. Rü dor ff. Zehnte Auflage. Taschenformat. Kartonnirt 1416 ä Diese neue zehnte Auflage ist in Uebereinstimmung mit den neuen deutschen Prozeßordnungen bearbeitet; bei jedem Paragraphen ist das zustandige Gericht bezeichnet; auch sind die Entscheidungen der Gerichtshöfe berücksichtigt. 2) Die Thätig⸗ keit der Polizei in Strafsachen, auf Grund der Reichs Justizgesetze und des preußischen Landesrechts für Bürgermeister, Amisvorsteher, Gutsvorsteher, Gemeindevorsteher und andere Polizei- beamte dargestellt von Genzmer, Staatsanwaltsgehülfe. Preis kartonnirt 40 5. Das Büchelchen giebt eine systematische, recht praktische Darstellung dieser schwierigen Materie und verdient des⸗ halb den betheiligten Kreisen empfohlen zu werden.
— G. A. Grotefend: Das allgemeine preußische Landrecht und die Gesetze und Verordnungen für den preußischen Staat aus der Zeit vor 18065. Düsseldorf, L. Schwannsche Verlagshandlung 1578-1879. 876 S. Lexikon⸗ Oktav. Broch. 18 , in Halbfranzband 20 4M
Der Herausgeber hat das gesammte praktisch noch gültige Ge⸗ setzes und Verordnungsmaterial des preußischen Staats und des Deutschen Reichs für die Zeit von 1806—1875 in drei handliche Oktavbände zusammengefaßt. Eine Ergänzung nach rückwärts bietet obiges Werk, dessen (II.) Schlußzlieferung jetzt erschienen ist. Es enthält: 1) den Tert des Allgemeinen Landrechts in seiner heutigen Gestalt mit genauer Hinweisung auf die gesetzlichen Bestimmungen, welche dasselbe abgeändert oder ergänzt haben; 2) die Gesetze und Verordnungen aus der Zeit vor 1806, welche und wie sie noch ietzt Geltung und Bedeutung haben, mit Ausnahme der durch die ent— sprechenden Reichs-Justizgesetze alsbald außer Kraft tretenden Allge⸗ meinen Gerichtsordnung und Kriminalordnung; 3) ein vollständiges Sachregister. Schon die Zusammenfassung in Einen Band empfiehlt diese Ausgabe gegenüber den mehrbändigen. Einen großen Vorzug vor allen anderen bildet aber die genaue Verweisung auf die um faßsende spätere Gesetzgebuag, welche viele Bestimmungen des Land⸗ rechts durch neue ersetzt hat. Die Verweisung ist in den Anmerkun⸗ gen geschehen, während der Text unversehrt wiedergegeben ist.
— (Wes. Ztg) Der interngtionale Meteorologen⸗ kongreß, welcher während der Osterwoche in Rom versammelt war, hat bezüglich des Weyprechtschen Planes, den Polar- forschungen durch Errichtung von eireumpolaren Beobach⸗ tungs stationen eine festere Basis zu geben, folgenden Beschluß gefaßt: Der Kongreß erkennt die hohe wissenschaftliche Bedeutung an, welche synchronische, meteorologische und magnetische Beobachtungen, ausgeführt in den Polargebieten durch gleichzeitige Expeditionen, be⸗ sitzen. Er empfiehlt allen Regierungen, ahnliche Unternehmungen auf das wirksamste zu unterstützen. In Anbetracht: 1) daß die Mehrzahl der Mitglieder des Kongresses bezüglich dieser Frage nicht mit Instruk⸗ tionen versehen ist, 2) daß solche Instruktionen unbedingt nothwendig sind, um zu definitiven Beschlüssen zu gelangen, beschließt der Kon⸗ greß, sein permanenteg Comité zu beauftragen, daß dasselbe den Zu⸗ jammentritt einer Spezialkommission veranlaßt, bestehend aus Delegirten derjenigen Regierungen, welche sich in irgend einer Weise an einem derartigen Unternehmen betheiligen zu können glauben, versehen mit den nöthigen Instruktionen und Vollmachten. In An betracht der einleitenden Schritte, welche von den Herren Graf Wilczek und Schiffs Lieutenant Weyprecht schon geschehen sind, hält es der Kongreß für thunlich, daß sich diese Kommifsion am 1. Ok— tober 1879 in Hamburg versammele, um Vereinbarungen über die Details und die Mittel zur Ausführung zu treffen.“
Deutz, J. Juli. Die Cöln. Ztg. schreibt: Diejenigen, welche sich für die Erforschung römischer Baureste am Rein interessiren, werden mit Freuden vernehmen, daß der Kriegs. Minifter bereit- willig die Mittel zur , . gestellt hat, die hier aufgedeckten Ueberreste römischen Mauermerks vom Schutt zu befreien. Ueber das Ergebniß dieser Nachgrabungen werden wir zu seiner Zeit
Dresden, 11. Juli. (Dr. J.) Die neu errichtete Abtheilung der Bildwerke des Mittelalters und der Renaissance im Königlichen Museum der Gipsabgüsse wird am nächsten Mon⸗ tag, den 14, eröffnet werden.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Aus Süderdithmarschen, 7. Juli, schreibt man dem Hamb. Corr.“ Die anhaltend kalte und regnerische Witterung wird der Beginn der Ernte über Gebühr verzögern. Während im verflossenen Jahre die Heuernte um diese Zeit schon beendet war, ist gegenwärtig mit derselben erst der Anfang gemacht. Die Erträge der Wiesen sind im Ganzen mäßig und erreichen kaum die Hälfte des Vorjahres. Auch der Graswuchs auf den Weiden ist stellenweise ein sehe mäßiger, namentlich da, wo man wegen Futtermangel im Mai zeitig aus⸗ treiben mußte; die Milch. und Buttererträge sind daher auch nur mittelmäßig. In den Sommerkögen hat die Graseule (Larve oder Fresser ) große Verheerungen unter den Gräsern an⸗ gerichtet. Der Schnitt der Rübsen steht vielleicht, falls die Witterung in nächster Zeit sich günstiger gestalten sollte, in nächster Zeit bevor; der Stand ist nur ein dünner und das Stroh fein. Der Raps ist besser ausgefallen, als man in diesem Frühjahr erwartete, die Schoten sind gut entwickelt und körnerreich und die Erwartung einer Mittelernte bei günstiger Witterung immerhin berechtigt, zumal auch die Schläge gut be— standen sind. Roggen steht gut, Weizen durchgängig sehr gut, an Stellen ausgezeichnet. Die gegenwärtige stürmische, regnerische Witterung ist leider der Blüthenperiode wenig günstig, auch stehen bei fortgesetzter Nässe dieser Kornart so verderbliche Lagerungen zu befürchten. Die Hauptkornart, der Hafer, weist einen verschiedenen, zwischen gut und mäßig schwankenden Stand auf; am besten ist der Weidehe fer (Fruchtfolge nach Weide); die Rispe will immer noch nicht zum Vorschein kommen. Die Kartoffeln sind jetzt erst zum zweiten Male gehäuft worden, ebenso sind die, Gemüsearten, als Erbsen, Wurzeln und Bohnen noch weit in der Entwickelung zurück.
— Der „Wes Ztg. wird geschrieben: Die bevorstehende Landes⸗ thierschau in Oldenburg vom 15. bis 17. August d. J. wird auch für weitere Kreise nach manchen Seiten hin interessant sein. Die Oldenburger Pferde und das Oldenburger Vieh erfreuen sich eines hervorragenden Rufs in ganz Deutschland und über seine Grenzen hinaus, und werden dieselben zur Ver⸗ besserung der Thierzucht in anderen 44 in großem Maße verwandt. Die in Oldenburg bestehenden staatlichen und Vereine⸗Einrichtungen zur Hebung der Thierzucht sind außerdem als ausgezeichnet anerkannt. Alle solche Einrichtungen sind aber nur dann sachgemäß zu beurtheilen, wenn die betreffenden Verhältnisse, für welche sie bestimmt sind, in Betracht gezogen werden. Zu einer solchen sachgemäßen Beurtheilung wird die Landesthierschau in Oldenburg ganz besonders geeignet sein, und darf um so mehr auf dieselbe hingewiesen werden, als man jetzt überall bestrebt ist, der Hebung der Thierzucht ganz besondere Aufmerksamkeit zu widmen und hierbei die bereits gemachten Erfahrungen in anderen Ländern zu berücksichtigen.
Der Jun i Bericht des Agrikultur⸗Departements zu Washing⸗ ton läßt ersehen, daß das unter Haferkultur befindliche Areal sich um 40/0 vermindert hat. Der allgemeine Durchschnitt ist 81 gegen 108 des letzten Jahres. Die Beschaffenheit ist ungünstig in fast allen Landestheilen der Union. Die Abnahme des unter Roggenkultur befindlichen Areals beträgt etwa 41e. Neu⸗ England hat im Vergleich mit dem Vorjahre dieselbe Qualität, New⸗Jork nur 80 und Pennsylvania 88 ½ aufzuweisen. Gerste steht nicht sehr günstig. Der allgemeine Durchschnitt ist 85, wäh⸗ rend er in 1878 102 war. Mais ist sehr zurück wegen der Dürre. In sechs Lokalitäten keimte der Samen nicht. Die Beschaffenheit des Klees ist im ganzen Lande schlecht, ausgenommen in den Neu -⸗England⸗Staaten und denjenigen, die an den Golf von Mexiko grenzen. Die Aussichten auf eine gute Obsternte sind traurig. Der letzte Frost war für die Früchte in vielen Regionen tödtlich. Es wird eine geringe Apfelernte eingebracht werden. Der Durchschnitt ist mit Ausnahme der Neu⸗England⸗Staaten niedrig. Die Ernte in allen Atlanticstaaten ist eine gute. In den Golfstaaten wird nur eine halbe Ernte erzielt werden. Die Pfirsiche haben sehr von Mai⸗ frösten gelitten. In den Oststaaten, besonders in denjenigen, die von der Bodenkultur leben, ist die Ernte gut, aber in den Atlantie⸗ staaten, südlich von Virginien, steht eine Mißernte zu erwarten, und dies ist auch der Fall in den Staaten, die an den Ohio grenzen.
— Die Ernte in Canada. Der in Toronto erscheinende „Globe“ bringt Berichte aus 400 Ortschaften in allen Theilen Ca—⸗ nadas, aus denen hervorgesft, daß die Frühjahrsweizenernte etwas unter dem Durchschnitt auszufallen verspricht. Der Herbstweizen steht 110 über der Durchschnittsernte, die Gerstenernte aber dürfte sich als eine durchschnittliche berausstellen. Der Stand des Roggens ist der schlechteste von allen Cerealien.
Gewerbe und Handel.
Zufolge amtlichen Nachrichten aus Algier werden mit Rücksicht auf die in Portugal vorgekommenen Fälle von gelbem Fieber, die von den Häfen der portugiesischen Küste kommenden oder dort an⸗ gelaufenen Schiffe bei ihrer Ankunft in Algerien wie Schiffe mit unreinen Gesundheitspässen behandelt und einer dreitägigen Be⸗ obachtungsquarantäne unterworfen.
Die New ⸗ Yorker Hdl. Ztg.“ bringt in ihrem vom 27. Juni datirten Wochenbericht folgende Mittheilungen über die Ge⸗ schäftslage: Der Geldmarkt hat nicht nur in der bestehenden Abundanz vorübergehende Anlage suchenden Kapitals verharrt, viel⸗ mehr ist diese mit jedem Tage drückender geworden und wird in nächster Woche, mit der Auszahlung gekündigter Bundesobligationen wie der Julizinsen und Dividenden und der gleichzeitigen Geschäfts⸗ pause, ihren Kulminationspunkt erreichen. Schon in den letzten Tagen ist on call gegen Hinterlegung gemischter Sekuritäten zu 3 bis 34, gegen Bundesobligatio nen zu 20g pr. a. leicht anzukommen. Auf feste Termine von 3 a 4 Monaten sind große Summen zu 3—3**0 pr. a. offerirt. — An der Börse hat das Geschäft in Bundes obligationen kaum denselben Umfang erreicht wie in voriger Woche, und außer der Steigerusß von o/ für die Vierprozen⸗ tige ist auch für die anderen Serien eine Avanz von 4 à oo zu verzeichnen. ,, sehr fest — Für Eisenbahn⸗Obli⸗ gationen hat sich in dieser Woche wieder verstärkte Kauflust ge⸗ zeigt, und bei vorherrschend steigender Tendenz haben in den leitenden Devisen sehr große Abschlüsse stattgefunden. Die Aktienbörse zeichnete sich durch die Geringfügigkeit der stattgehabten Umsätze aus. — Im Wechselmarkte machte sich schon in der ersten Hälfte dieser Berichtswoche ein so verstärktes Angebot von Produkten⸗ und anderen Tratten geltend, daß die Course sich einem weiteren Rück⸗ gang nicht entziehen konnten und zu den abermals herabgesetzten No= tirungen größere Posten sich so schwer plaziren ließen, daß die Aus⸗ führung einiger europäischer Kaufordres für Eisenbahn⸗Obligationen wegen des Verlustes am Rembours unterbleiben mußte. Neben dem Material, das der Export unseres eigenen Platzes lieferte, stellten auch andere Exporthäfen ein starkes Kon
andererseits fast mit Gewißheit anzunehmen ist, daß die Getreide⸗ verschiffungen nach Europa schon in den nächsten Monaten noch weit größere Dimensionen als die gegenwärtigen erreichen werden, hat der Markt gerade die entgegengesetzte Wendung von der eingeschlagen, an deren Vorabend wir uns vor Kurzem zu befinden schienen. Man hatte sich bereits mit der Nothwendigkeit starken Goldexports ver⸗ traut gemacht und hofft jetzt, diese, wenn nicht unvorhergesehene Ereignisse ungünstig einwirken, zu umgehen. Waaren und
Weiteres berichten.
Produ ktenmarkt lassen die meisten leitenden Artikel in ver⸗
tingent von Wechseln, und da der Bedarf augenblicklich sehr klein, Berlim
gangener Woche ein ziemlich lebhaftes Geschäst erkennen, obwohl wir uns immer mehr der sogenannten aieon morte“ nähern. Für volle Ge⸗ treideladungen wurden allerdings nur 23 Schiffe gechartert, dies ist jedoch auf die stattgehabte Schwänze“ in Weizen zurückzuführen, durch welche die Preise derartig in die Höhe geschnellt wurden, daß der Export nach Europa unrentabel wurde. In Baumwolle fand ziemlich lebbaftes Exportgeschäft zu unveränderten Preisen statt. Pro⸗ visionen hatten stilles Geschäft; auch in Speck ließ dasselbe nach. Petroleum ernte in enormen Quantitäten zum Export, wobei die Preise stark fluftuirten, schließlich aber eine Besserung erfuhren. Hopfren blieb für feinste und Mittelwaare gesucht und fest auf reis gehalten. Kaffee hatte schleppendes Sh * bei behaupteten Preisen. In Zucker fand sowohl in roher wie in raffinirter Waare lebhaftes Geschäft statt. Thee behielt äußerst geringfüͤgiges Geschäft zu wenig veränderten Preisen. . Manu fakturwaaren sehr still. er Import fremder Manufakturwaaren während der heute beendeten Woche betrug 16024 600 Doll. gegen 720 932 Doll. in der Parallelwoche des Vorjahres.
Wien, 12. Juli. (W. T. B.) Die mit den Vorarbeiten für den Wiener 7. Getreide ⸗ und Saaten markt beauftragte internationale Kommission hat einem vor längerer Zeit gemachten Vorschlage der Wiener Fruchtbörse entsprechend bestimmt, daß der Markt am 25. und 26. August abgehalten werden soll. Der Markt ist mit einer internationalen Ausstellung von Maschinen und Geräthschaften des Müllergewerbes, der Bäckerei, der Brauerei, des Spiritushandels und der Landwirthschaft verbunden.
Verkehrs⸗Anstalten.
Luzern, 9. Juli. (N. Zürch. Ztg. Das Bundesgericht er= theilte den Zuschlag der Kigi-Scheideckbahn an die neue Gesell⸗ schaft, auf Wunsch von mehr als z der Obligationäre für 60 960 Fr. 2 J bleibt somit erhalten und kommt zu Mitte Juli in
etrieb.
Jon sum, 8. Juli. (St. Pet. Herold) Heute fand die feier⸗ liche Eröffnung des Pielis-Kanals durch den Senator Norr— mann statt.
Triest, 11. Juli. (W. T. B.) Der Lloyd dampfer , ist gestern Abend 6 Uhr aus Konstantinopel hier ein⸗ getroffen.
Berlin, den 12. Juli 1879.
St. Petersburg, 9. Juli. (St. Pet. Herold) Der Ver⸗ waltende des Gouvernements Irkutsk meldet unterm 26. Juni / . Juli 9 , neuen verheerenden Brand in der Stadt Irkutsk
olgendes:
Am 24. Juni, 12 Uhr Mittags, brach in Irkutsk im Centrum der Stadt bei ungewöhnlicher Hitze und heftigem Sturm abermals Feuer auz und breitete sich ungeachtet der ergriffenen Maßregeln und der Anstrengung der Löschkommandos, die von dem vorhergehen— den Brande erschöpft waren, nach allen Seiten aus; die besten Gebäude wurden ein Raub der Flammen. Niedergebrannt sind fünf Tirchen, auch die katholische und die lutherische Kirche. Vem Feuer haben gelitten: die im Bau begriffene Kathedrale und Synagoge. Ferner sind niedergebrannt: die Gouvernements⸗Re⸗ gierung nebst der Typographie, der Kameralhof, der Kontrolhof, das Gouvernementsgericht, das Zollamt, die Duma, das Bezirks⸗ gericht, die städtische und Bezirks⸗Polizeiverwaltung, die Telegraphen⸗ station, das Postkomptoir, die Rentei, die Gouvernements⸗Accisever⸗ waltung, der Bezirksstab, die Hauptwache, das klassische Gymnasium, die technische Schule, das Mädchen⸗Gymnasium, die Kreisschule, mehrere Pfarrschulen, die 2. Abtheilung des Kinderasyls, der Kinder garten, das Findelhaus, die Ingenieur⸗Artillerie⸗ und Medizinalver⸗ waltung und alle drei Banken, alle drei Apotheken und der Adels⸗ klub. Von den Privathäusern ist über die Halfte der Stadt, dazu die bessere, zerstärt. Die Zahl der umgekommenen Personen ist noch nicht ermittelt.
Unversehrt sind: das Institut, das Gebäude des General⸗ Gouverneurs, die Oberverwaltung, die Goldschmelzhütte, das Labo⸗ ratorium, die allgemeine Gouvernements verwaltung, die Intendantur, das Militär⸗Progymnasium, die Gendarmerieverwaltung, das Ge⸗ fängniß, das Krankenhaus. Die Haupt⸗Kronekapitalien, die Vor⸗ räthe der Intendantur, das geschmolzene Geld und die Summen der Banken sind gerettet. Die Einwohner haben mit der geretteten Habe die Stadt verlassen und sich zum Ufer der Flüsse Angara und Uschakowka begeben. Das Feuer rast fort, ein geringer Theil der Gebäude am Angara⸗Ufer brennt. Maßregeln zur Versorgung und Befriedigung der dringendsten Bedärfnisse der Abgebrannten sind getroffen. Die Verluste der Privatpersonen und der Assekuranz⸗ Gesellschaften sind enorm. Alle großen Firmen der Stadt sind ab⸗ gebrannt, ebenso der Trödelmarkt mit allen Reihen und beide Kaufhöfe.
Se. Majestät der Kaiser hat aus der Prlvatchatouille 20000 Rubel zum Besten der Abgebrannten in Irkutsk gespendet.
Kopenhagen, 9. Juli. (C. Ztg) Die Einweihung der Eisenbahnbrücke über den Limfjord in Jütland ist gestern festlich vollzogen worden. Vormittags war die Königliche Familie zu Schiff in Aalborg angekommen, wo im neuerbauten Theater ein Festmahl von 170 Personen stattfand. Der Minister des Innern von Skeel brachte das Hoch auf den König aus, der mit herzlichen Worten darauf dankte und Dänemark hochleben ließ. Am Abend, während beide Seiten des Limfjords mit Pechfackeln erleuchtet waren und auf der Brücke ein prächtiges Feuerwerk abgebrannt wurde, gingen die Hohen Herrschaften wieder zu Schiff und werden heute Nachmittag hier wieder eintreffen. — Die Brücke ruht auf 7 Pfeilern, die durch den Morast 110 Fuß tief bis auf den festen Boden reichen. In der Mitte ist eine sogenannte „Schwingbrücken, die nur geschlossen wird, wenn Eisenbahn züge an⸗ gemeldet werden, sonst aber geöffnet bleibt, um den Schiffen freie Durchfahrt zu lassen.
Im Germania⸗Theater wird am Sonntag das beliebte Kneiselsche Volksstück mit Gesang: „Die Lieder des Musikanten“ zur Aufführung kommen.
Redacteur: J. V.: Riedel. Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elgner.
Drei Beilagen leinschließlich Börsen Beilage).
Erste Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
* 416R.
Berlin, Sonnabend, den 12. Juli
1879.
Aichtamtliches.
Berlin, 12. Juli. Im weiteren Verlaufe der gestrigen (79.) Sitzung setzte der Reichstag die dritte Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend den Zolltarif des deutschen Jollgebietes mit der Diskussion über Pos. 7 (Erze und edle Metalle) fort. Pos. 7 wurde ohne Debatte angenom—⸗ men, Pos. 8 (Flachs) war in zweiter Lesung frei belassen
orden.
. Der Abg. Frhr. von Ow (Freudenstadt) beantragte im Interesse der Landwirthschaft und angesichts der großen Be— günstigungen, welche der neue Tarif den Industrien gewähre, einen Zoll von 1 S6 pro 1090 kg. Jetzt gebe man in Deutsch⸗ land Über 43 Millionen Mark an das Ausland ab für im⸗ portirten Flachs und Hanf, das könne nicht das Interesse der nationalen Arbeit fördern, darum werde ein Schutzzoll auf Flachs den rationellen Flachsbau im Inlande heben und die Arbeit des kleinen Bauernstandes Deutschlands schützen.
Bei der Abstimmung wurde der Antrag mit 153 gegen 152 Stimmen angenommen. —
Es folgte Pos. 9. Nach den Beschlüssen zweiter Be⸗ rathung sollte Getreide, Weizen 146, Roggen 50 3 Zoll auf 100 kg bezahlen.
Die Abgg. Frhr. von Mirbach, Günther (Sachsen) und Genossen beantragten: .
Der Reichstag wolle beschließen:
in Nr. 9 der Tarifoorlage den Unserabtheilungen a. und b. folgende Fassung zu geben: a. Weizen, Roggen, Hafer und Hülsen⸗ früchte, sowie nicht besonders genannte Getreidearten 100 kg 1è M, b. Gerste, Mais und Buchweizen 100 kg 50 8.
Der Abg. von Kleist-Retzow führte aus, die Behauptung, daß das Getreide und darum auch das Brod durch den Ge— treidezoll vertheuert werde, sei in diesem Falle unrichtig, auch selbst wenn der Antrag des Abg. von Mirbach angenommen werde und zwar aus dem Grunde, weil man an den deut⸗ schen Grenzen eine Reihe von Nationen habe, die billige Produkte in großer Menge unmittelbar nach Deutschland ab⸗ setzten und daß diesen Nationen kein anderes Land so nahe liege, daß etwa die Transportkosten billiger wären wie der Zoll. Aber wenn wirklich infolge dessen das Brod vertheuert würde, so mache das für den täglichen Konsum einer Familie von 5 Personen A/ 8. Die Kraft der Nation, die in diesem Falle durch die Kaufkraft der Landwirthschaft bedeutend erhöht werde, mache das vollkommen unwirksam und unschädlich. Er wolle seine Ansicht über die Sache in drei Bildern darlegen. In den Straßen Berlins, in den Läden und Thüren stehe der Mann und die Frau harrend auf Kunden. Inzwischen habe diese erhöhte Einnahme der Landwirthschaft ihre Wir— kung geübt: die Siraßen füllten sich, Reihen von Käufern träten in die Läden ein und von der anderen Seite trete der Bäckerjunge ein und verkünde, daß jetzt A 8 mehr für das Brod gegeben werden müsse. Lauf! sage der Mann, und hole eine boppelte Ration Brod, er wolle sich mit seiner Fa⸗ milie jetzt einmal satt essen, weil er lange nicht genug gegessen habe und wolle fröhlich sein. Das zweite Bild: Berlin wolle seinen russischen Roggen nicht verlieren, der viel weniger Nährkraft habe als der gute deutsche Roggen. Wenn man im nächsten Jahre herkomme, so finde man die bleichen Farben der Berliner Gesichter in gesunde Farben verwandelt. Das dritte Bild führe ihn 86. die große Agitation in Berlin gegen die Kornzölle. Ein Theil der größten Städte protestire dagegen, um zu sagen, daß für sie das Gegentheil des gegenwärtigen Zolltarifs das An⸗ genehme wäre und es sei beschlossen, eine Agitation durch eine Anti⸗Kornzollliga einzurichten; der Zug bilde sich im Hofe des Berliner Rathhauses, die Führer seien die Ma— gistratspersonen von Berlin. Zwei Herolde seien Mitglieder des Reichstags, ein anderes Mitglied des Reichstags trage die schwarze Fahne voran, auf der ein Brod gezeichnet sei. Am Morgen erwachend, reibe man sich die Augen: der Zug sei nicht ausgezogen, hier finde man 3 Großgrundbesitzer als Präsidenten des Reichstags, einen aus den östlichen Provinzen, einen aus Bayern und einen dritten aus Thüringen. Wenn es den Freihändlern gelänge, eine solche Anti⸗Kornzollliga zu bilden, an deren Spitze die Berliner Stadtverordneten und der Berliner Magistrat ständen, so müßten Alle, Kleinstädter, Klein- und Großgrundbesitzer gegen die paar großen Städte zusammenstehen. Nun seien die Schutzzölle zwar nicht ohne Bedenken für die Landwirthschaft selbst, weil dieser die Mittel, die sie selbst brauche, vertheuert würden, und, wenn die richtige Grenze überschritten würde, Kapital und Arbeit sich von der Landwirthschaft ab⸗ und einer leichteren Fabrikation zuwendeten, weil endlich jede Er⸗ schwerung des Handels auch der auf ihn angewiesenen Land⸗— wirthschaft schade. Dabei hätten die nordöstlichen Provinzen Deutschlands nicht einmal, wie die westlichen, den Vortheil, daß die Hebung der Industrie durch die Zölle ihren Produkten Absatz verschaffe. Aber die Bedürfnisffe des Reiches und der Einzelstaaten, sowie das Verhältniß der Nachbarländer zwängen Deutschland zu dieser Zollpolitik. Die Landwirthschaft aber könne verlangen, daß sie nicht allein den Schaden dieser Schutzʒölle zu tragen habe, da Vertheuerung des Eisens für sie dasselbe sei, wie Vertheuerung des Brodes für die Eisen⸗ industrie. Die deutsche Landwirthschaft sei nicht, wie der Abg. Bamberger sage, hinter dem Jahrhundert zurückgeblieben. In der deutschen Landwirthschaft gehe Wissenschaft und Praxis verhältnißmäßig Hand in Hand. Aber sie lebe auf einem Vulkan wegen der Verschuldung, sie lebe wie ein Dorf, das jederzeit einer Sturzlawine ausgesetzt sei durch die Ge⸗ fahren, die in der Erleichterung der Verkehrsverhältniffe für das deutsche Vaterland insofern gegeben seien, als die Pro dukte der Nachbarländer, die soviel billiger produzirten, eingeführt würden. So sei die deutsche Schafwollzucht bereits kein erg iebiger sicherer Faktor für die Landwirthschaft mehr; die Getreide preise seien seik 1874 nicht höher als 1850, ein Verhält⸗ niß, das auf die Dauer für die Landwirthschaft un— möglich sei, und das amerikanische Fleisch bringe die deulsche Viehzucht in die größte Gefahr. Solle man da nicht versuchen, der Landwirthschaft mit dem Zolltarif zu helfen? Er hoffe, daß, wenn auch die östlichen Nachbar—
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länder Deutschlands noch ihren n nach Deutschland importiren würden, doch der amerikanische Roggenimport durch die Höhe des Zolles abgeschreckt werden würde, so daß die östlichen Provinzen für ihre Kornprodukte am Rhein leich— ter Absatz fänden. Der Zoll werde die Leichtfertigkeit der Spekulation und den von ihr auf die Preise geübten Druck vermindern. Dauernde Hülfe aber werde der Landwirthschaft erst die Abschaffung der ihr schädlichen Differentialtarife 1 Er empfehle den Antrag von Mirbach zur An— nahme.
Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, dem Vorredner werde auf seine Angriffe gegen den Städtetag und den Berliner Magistrat von zuständigerer Seite geantwortet werden. Die Berliner Geschäftsleute werde der Vorredner nicht glauben machen, daß es ihnen schlecht gehe, weil das Korn und Brod so billig sei. Die Herren von der Majorität schienen durch die Abstimmung über den Flachszoll in großer Verlegenheit; sie hätten ihren Sieg, welcher eine Industrie schädige, die es um die Schutzzöllner nicht verdient habe, wohl selbst nicht er⸗ wartet. Gleichwohl müsse er das Haus um Aufmerksamkeit bitten zur Frage der Verdoppelung des Roggenzolls. Wie die Motive der Regierungsvorlage selbst anfüͤhrten, sei der Roggen das Brod der Minderwohlhabenden. Der Roggenzoll solle gleichwohl auf die Höhe des Weizen— zolls gehoben werden, obwohl man selbst bei der früheren Mahlsteuer Weizen 4 mal so hoch als Roggen besteuert habe. Den Gerstenzoll wolle man nicht verdoppeln; aber sei denn das Biertrinken wichtiger als das Brodessen? Auch den Zoll auf Mais lasse man unverändert; aber verdiene denn nicht die Speisung der armen Leute mehr Rücksicht als die Viehfütterung? Der Antrag auf Verdoppe— lung des Roggenzolles sei hier eingebracht von 19 Grafen, 13 Freiherren, 31 anderen Adligen und nur einigen wenigen Bürgerlichen. Fast alle diese Herren seien Großgrundbesitzer. Wenn hier ein analoger Paragraph Geltung hätte, wie in der Städtzordnung, so müßten Diejenigen, deren Privat— interessen hier vorlägen, den Saal verlassen. Statt dessen stellten sie selbst Anträge zu ihren Gunsten. Den—⸗ jenigen, die mit Rittergütern auf die Welt kämen, müsse es allerdings schwer fallen, Verständniß für die Lage Derjenigen zu gewinnen, welche sich von ihrer Arbeit ernähren müßten und deshalb an billigen Lebensmitteln Interesse hätten. Wenn man hier spreche von Lasker, zorckenheck, Richter, Bebel, so ziehe man damit nicht seine arte herab, höchstens hebe man das Ansehen des Sbzialis⸗ mus, wenn man dieselbe mit der Fortschrittspartei in dieselbe Reihe stelle. Er wolle gewiß nicht an den geistigen In— halt der Reden des Abg. Frhr. von Schorlemer übertriebene Anforderungen stellen, aber, wenn er auch zugeben müsse, daß demselben die Kalauer leichter abgingen, während der kirchenpolitische Pathos seinem Gesicht gezwungen stehe, so müsse er sich doch verwundern, wie die Abgg. Frhr. von Schorlemer, Schröder⸗Lippstadt, von Kardorff und der Reichskanzler selbst in ihren Anspielungen auf das Verhältniß von Liberalismus und Sozialismus, von blauer und rother Republik sich mehrere Tage lang von den geistigen Brosamen genährt hätten, die vom Tische der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ fielen. Vor vier Jahren beim Militärseptennat habe der Graf Be— thusy gemeint, den Nagel auf den Kopf zu treffen, indem er die Opposition dagegen als eine solche geschilderte habe, in der dem Abg. Richter Graf Praschma und neben Windthorst— Meppen der Abg. Hasselmann stehe. Der stenographische Bericht bemerke dazu „Gelächter im Centrum“, nehme man ein für alle Mal Gelächter links an, wenn die Herren aus dem Centrum jetzt eine ähnliche Redeweise führten. Der Abg. von Kardorff habe gestern den Parlamentarismus herab⸗— zusetzen geglaubt, indem er gesagt habe, daß hier ost Polen und elsässische Protestler den Ausschlag gäben. Täusche ihn nicht Alles, so würden die Schutzzöllner in dieser Frage ihren Sieg in der That nur den Polen und Elsässern zu danken haben. Nicht allen Mitgliedern des Centrums stehe er hier gegenüber; ihm sei es nicht entgangen, daß sie, wie jede Partei, welche mit dem Reichskanzler in Verbindung trete, sich zu zersetzen beginne. Entgegen dem Abg. Frhr. von Schorlemer hätten Mehrere derselben gegen den hohen Schmalzzoll, Kaffee⸗ und Petroleum— zoll gestimmt, eine noch größere Anzahl und darunter gerade die Rheinländer aus dem Centrum, das sei wohl kein Zufall, habe bei der Abstimmung gefehlt. Nicht die Hälfte des Getreides, was sie verzehrten, könnten jene Gegenden selbst produ⸗ ziren. Gerade sie litten darunter, wenn man nicht den nöthi⸗ gen Zuschuß von Roggen ohne Zoll durch die Niederlande rheinaufwärts ihnen zuführen lasse. Wie der Abg. Frhr. von Schorlemer selbst stimmen werde, wisse er nicht. Habe der— selbe doch noch den 13. Dezember, zwei Tage vor dem Kanzler⸗ brief im Abgeordnetenhause versichert, er sei in der wirth⸗ schaftlichen Verhandlung des Reichstags der Erste gewesen, der erklärt habe, er wuͤnsche keine Getreidezölle, weil er der Bevölkerung das Brod nicht vertheuern wolle. An den bis— herigen Verhandlungen über Getreidezölle Theil zu nehmen, sei der Abg. Frhr. von Schorlemer durch Krankheit verhindert ge⸗ wesen. Er sei begierig, zu sehen, ob derselbe nun heute gar für Ver⸗ doppelung des Roggenzolls stimmen werde. Mehr noch als die parlamentarische Centrumspartei sprenge diese Politik die Wähler des Centrums auseinander. Das klerikale „Neue Bayerische Volksblatt“ schreibe zu einer Nachwahl in Neustadt W. N., indem es einen Kloster⸗ beichtvater zugleich als Oppositionskandidaten gegen das Centrum ö „das Centrum sei seinen Versprechungen untreu geworden, vor dem ersten Lächeln des Reichskanzlers sei seine Opposition dahin geschwunden, wie der Schnee vor der März⸗ sonne; das arme Volk müsse dieses Lächeln des Reichskanzlers mit 190 Millionen neuer Steuern bezahlen. Die katholische Volkspartei könne es mit ihrem Gewissen ferner nicht verein⸗ baren, das katholische Volk zur Wahl eines Centrummannes aufzufordern.“ Der Abg. Frhr. von Schorlemer habe sein Ver⸗ hältniß zu den katholischen Vahlern seines (des Redners) Wahl⸗ kreises so dargestellt, als ob er dieselben wie ein Husaren⸗-Ritt⸗ meister seine Schwadron beliebig nach rechts oder links schwenken lassen könne. Nach dieser Rede sei ihm von einem Manne, der unter dem Wahlaufruf des Centrums gestanden
Anschaffung der Lebensmittel.
habe, im Namen vieler Katholiken geschrieben worden, dies sei eine Ueberhebung sondergleichen, gerade seine (des Redners) Haltung in wirthschaftlichen Fragen trage unter den Katho⸗ liken zur Befestigung seines Mandats bei. Er sei überzeugt, die Bürger und Bauern in der Grafschast Mark und am Niederrhein seien, um das Bild des Abg. Frhr. von Schorlemer von gestern zu wiederholen, nicht solche Kameele, daß sie sich so geduldig fortgesetzt neue Lasten aufladen ließen. Achte man doch bevor das Haus zur Verdoppelung des Roggenzolles schreite, auf die Witterungsverhältnisse! Die Gewitter und die Kälte in diesem Maße vermöchten sich geschichtskundige Meteorologen nicht zu erklären. In Frankreich sagten die Klerikalen, das sei der Finger oder die Faust Gottes gegen die Republik, welche kein schönes Wetter verdiene. Seiner Nedeweise ent⸗ spreche es nicht, die Gottheit in diese Fragen zu ziehen, sonst könnte man diese Witterung auch als einen Finger Gottes erklären, das Haus zu warnen, es mit der Verdoppelung des Roggenzolles doch nicht zu eilig zu haben. Wie stehe es denn mit der Kartoffelernte und den Winterfrüchten? Unlängst sei der Ausfall allein an der schlesischen Ernte sach— kundig auf mehrere Millionen Centner berechnet. Die Ma— jöorität wolle die Ueberschwemmung mit billigen Lebensmitteln verhindern; Schlesien sei von einer wirklichen Ueberschwem— mung heimgesucht, viele Getreidefelder seien vernichtet, schon mache man öffentliche Aufrufe, verlange Staatsvorschüsse für die Und in solchem Augenblick stellten 9 oberschlesische Abgeordnete, sogar aus jenen beson— ders heimgesuchten Gegenden, einen Antrag auf Verdoppelung des Roggenzolles. Wenn dann die Zufuhr aus dem Nachbar— land erschwert sei und wieder der Hungertyphus unter den Hintersassen Schlesiens ausbrechen sollte, dann würden sie sich an die Mildthätigkeit der großen Städte wenden, denen ihre Politik es erschwere, selbst ihre ärmeren Klassen zu ernähren. Viel gefährlicher als die sozialistische Agitation sei es, wenn der Kanzler in seinen Reden hier und in dem Briefe an Hrn. von Thüngen die Agitation der so einflußreichen Besitzerklassen aufrufe, um die Staatsmacht einseitig für ihre Interessen aus— zubeuten. Derselbe habe die Kornzoll-Agitation erst in diese Klassen hineingetragen mit der ganzen Autorität des Staats⸗ beamten, von dem man solche Agitationsweise in Deutschland ö nicht gewohnt gewesen sei. Aber nicht genug damit, während man hier sich mit der seine Unterschrift tragenden Tarifvorlage mit 2½ Sgr. Roggenzoll beschäftige, agitire der Reichskanzler in seinen Reden und in seinem Briefe an Hrn. von Thüngen gegen seine eigene Vorlage. Wenn jene Charakteristik richtig sei, welche ein politisch so weit rechts stehender Mann, wie der Abg. Beseler gegen die gegenwärtige Wirthschaftspolitik ausgesprochen . dann gelte es nach Verdoppelung des Roggenzolls dreifach von derselben, daß sie ebenso unvernünftig, wie unchristlich und kulturfeindlich sei.
(Während dieser Rede war der Reichskanzler in den Saal getreten.)
Der Bundeskommissar Geheime Regierungs⸗Rath Tiede— mann gab zunächst im Namen der verbündeten Re— gierungen die Erklärung ab, daß sie, wenn der höhere Zoll angenommen werde, demselben nicht widersprechen würden. Redner wandte sich dann gegen die Ausführungen des Abg. Richter in zweiter Lesung, wonach die moderne Gesetzgebung das platte Land erleichtert habe, denn die Städte zahlten beinahe das Dreifache an Kommunalabgaben wie das Land. Die Zahlen habe der Abg. Richter wohl aus dem Werke des Geheimen Rath Herrfurth entnommen, dabei aber übersehen, daß sie nur für die Städte und Landgemeinden gälten, daß aber die Gutsbezirke dabei ganz außer Rechnung gelassen seien. Ferner seien bei den Kommunallasten der Landgemeinden die Naturalleistungen, die Abgaben für Kreis- und Provinzzwecke, für Kirche, Schule und Armenpflege ganz ausgeschlossen; was blieben dann noch für Ausgaben übrig? Die Feldwege würden doch nicht asphaltirt oder mit Gas beleuchtet. Die Zuschüsse des Staates für das Schulwesen beliefen sich nur auf ca. 9 Proz. der Gesammtkosten, während von Seiten der Patrone 72 Proz., der Rest durch Kommunalabgaben und andere Mittel gedeckt werde. Er glaube also, daß die statistischen Studien des Abg. Richter nicht gründlich genug seien, jeden⸗ falls habe derselbe seine Absicht, einen künstlichen Gegensatz zwischen Stadt und Land zu schaffen, nicht erreicht.
Der Abg. Frhr. von Mirbach erklärte, daß Abg. Richter (Hagen) den Antrag auf Erhöhung von Getreidezöllen durch seine Rede so vorzüglich vertheidigt habe, daß er selbst sich außer Stande sehe, noch etwas beizubringen und daher auf weitere Ausführungen verzichte.
Der Abg. Dr. von Forckenbeck bemerkte, er habe nicht die Absicht gehabt das Wort zu ergreifen. Er wisse, daß ein Ab⸗ kommen getroffen sei, das bei der Abstimmung perfekt werde. Zu seinem großen Schmerze habe ein Mitglied der liberalen Partei unter dem Beifall der Majorität, mit Verkennung aller parlamentarischen Grundsätze geäußert, in ein solches Abkommen habe die Minorität nicht hineinzusprechen. In solcher 9. diskutire man, wenn man das parlamentarische Wort nicht unnütz gebrauchen wolle, möglichst wenig, um unnütze Auf⸗ regung und unnützen Aerger zu vermeiden. Aber der Abg. von Kleist-Retzow habe das Verfahren des Berliner Magistrats angegriffen, und da konstatire er, daß derselbe gehandelt habe auf das Anrufen der Ostseestädte Königsberg, Danzig und Memel, auf das Anrufen von Städten, mit denen Berlin zu allen Zeiten Leid und Freud getheilt habe. Der Abg. von Kleist Retzow habe in seiner Rede eingeräumt, daß die vitalsten Interessen dieser Seestädte durch die Beschlüsse, welche jetzt gefaßt worden seien und gefaßt würden, aufs Tiefste geschädigt würden, und dem Magistrat von Berlin habe es sicher nicht angestanden, wenn sein Gewicht zu Gunsten dieser Städte angerufen sei, es ihnen zu verweigern. Der Magistrat zu Berlin habe erst gehandelt, nachdem eine übermäßige einseitige Agitation doku⸗ mentirt sei und den Städtetag erst berufen, nachdem der Brief des Reichskanzlers an Herrn von Thüngen bekannt und im Reichs⸗Anzeiger“ mitgetheilt worden sei. Der Magistrat zu Berlin habe vermöge seines verfassungsmäßigen Rechtes ge⸗ andelt, nachdem die Frage, ob er verfassungsmäßig zu diesem
erfahren berechtigt sei, auf das Allerschärfste und Kalt⸗