1879 / 175 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 29 Jul 1879 18:00:01 GMT) scan diff

jedoch nicht mehr als sieben Zehntheile des tarifmäßigen Betrages, gewährt wird. Bei der Festsetzung sind außerdem die im 5§. 19 be⸗ jeichneten Geschäfte zu berücksichtigen. .

Das im §. 20 bezeichnete, von der Anstellungsbehörde festgeseßzte Pauschquantum für die Wahrnehmung des Sitzungsdienstes ist in die Entschädigung nicht mit n, n,.

Der Gerichtsvollzieher hat auf die für die Amtshandlungen seines Irren d. erwachsenden Gebühren und sonstigen Vergätungen keinen

nspruch.

Abweichende Verabredungen zwischen dem Gerichtsvollzieher und dem ihm bestellten allgemeinen Vertreter sind mit Genehmigung der Anstellungsbehörde zulässig. Die letztere kann die Genehmigung da⸗ von abhängig machen daß der vertretene Gerichtsvollzieher mit seiner Kaution die Haftung für die Amtshandlungen des Vertreters über- nimmt.

Die im §. 20 bezeichnete Entschädigung wird auch im Fall einer Vertretung dem vertretenen fortgewährt.

Den Grrichtsvollziehern wird ein jährliches Mindesteinkommen vom Staate gewährleistet. Nach dem Staatshaushalts-Etat beträgt dasselbe zur Zeit, einschließlich des Wohnungsgeldzuschusses, 1800

Auf das gewährleistete Mindesteinkommen kommt das gesammte Diensteinkommen, jedoch mit Ausschluß der Vergütungen für baare Auslagen (55. 25, 25), zur Anrechnung.

Welcher Theil der im 5. 25 bezeichneten Entschädigung als Ver— gütung für baare Auslagen angesehen werden soll, ist von dem Prä— sidenten des Landgerichts bei Festsetzung der Entschädigung zu be—⸗ stimmen. ;

§. 28.

Die Gerichtsvollzieher sind nach Maßgabe des Gesetzes vom 27. März 1872 pensionsberechtigt. .

Nach dem Staatshaushalts⸗Etat beträgt das pensionsfähige Maximaleinkommen zur Zeit 3000 66. Die auf das gewährleistete Mindesteinkommen nicht anzurechnenden Beträge (5. 27) gehören nicht zu dem pensionsfähigen D n,

Die Gerichtsvollzieher gehören zu den Subalterubeamten.

Sie können aus dienstlichen Rücksichten versetzt und mit der einstweiligen Wahrnehmung des Gerichtsvollzieherdienstes bei einem anderen Amtsgerichte beauftragt .

3 59.

Die Gerichtsvollzieher führen ein Dienstsiegel. Dasselhe zeigt den Königlichen Adler mit der Umschrift: „Gerichtsvollzieher bei dem Königlich Preußischen Amtsgericht .... COrts name).

Das Dienstsiegel wird auf . beschafft.

Die Gerichtsvollzieher tragen eine Dienstkleidung. Sie haben dieselbe auf eigene Kosten zu beschaffen.

Die Dienstkleidung besteht aus einem dunkelblauen Ueberrocke mit stehendem schwarzen Sammetkragen und weißen Metallknöpfen mit Adler ohne Umschrift, und aus einer Mütze von der Farbe des Rockes mit Kokarde und . als Besatz.

Die Gerichtsvollzieher müssen an ihrem amtlichen Wohnsitze wohnen und ein Geschäftslokal haben. Die Haltung mehrerer Ge⸗ schäftslokale ist ihnen nicht 5

Die Gerichtsvollzieher haben, soweit es nach Lage der Verhält⸗ nisse erforderlich ist, zur Unterbringung gepfändeter Sachen ein Pfand⸗ lokal zu halten. .

§. 34.

Die Gerichtsvollzieher dürfen, vorbehaltlich der Bestimmung im 18 der Deutschen Gebührenordnung für Gerichtsvollzieher, die usführung eines innerhalb ihrer örtlichen Zuständigkeit und ihres

Geschäftskreises (658. 17 bis 21) erhaltenen Auftrags nur ablehnen, wenn sie im einzelnen ian von der Ausübung ihres Amts kraft Gesetzes ausgeschlossen sind (5. 156 des Deutschen Gerichtsverfassungs⸗ esetzes, S. 6 des Ausführungsgesetzes zu demselben vom 9 April 1878). 83

866.

Der Gerichteévoll zieher ist nicht befugt, die Ausführung eines Auftrags einer anderen Person zu übertragen.

Ist der Gerichtsvollzieher an der Erledigung eines unmittelbar von einer Partei ertheilten Auftrags rechtlich oder thatsächlich behin⸗ dert, so hat er hiervon unter Angabe des Grundes den Austraggeber unverzüglich zu benachrichtigen. Ist die Benachrichtigung des Auf⸗ traggebers nicht thunlich, oder erfordert das Interesse der Partei die sofortige Erledigung des Auftrags, so hat der behinderte Gerichts—⸗ vollzieher die Bestellung des Vertreters sofort bei dem Amtsrichter zu beantragen. Letzteres gilt auch dann, wenn der Auftrag unter Vermittelung des Gerichtsschreibers ertheilt oder die Ausführung der Amtshandlung von einer Behörde angeordnet ist,

Der Amtsrichter ist ermächtigt, für einzelne Amtshandlungen einen anderen Gerichtsvollzieher als Vertreter zu bestellen.

Ist einem behinderten Gerichtsvollzieher ein allgemeiner Ver treter bestellt, so gehen auf diesen die dem ersteren ertheilten Auf⸗ träge von selbst über. 66

Die Gerichtsvollzieher dürfen für ihre Amtshandlungen über die ihnen zustehenden Gebühren und baaren Auslagen hinaus keine Ver gütungen annehmen, fordern oder sich versprechen lassen. Desgleichen ist ihnen die Verabredung einer geringeren Vergütung als der ihnen zustehenden Gebühren und baaren Auslagen untersagt.

Bei der Zwangsvollstreckung dürfen sie die ihnen zustehenden Gebühren und Vergütungen an baaren Auslagen von dem Schuldner ihres Auftraggebers nur annehmen, wenn zugleich ihr Auftraggeber wegen seiner Forderung n, wird.

Die Gerichtsvollzieher dürfen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten als Prozeßbevollmächtigte oder Beistände nur für nahe Angehörige vor Gericht auftreten. 3u den nahen Angehörigen gehören die Ehe— frau, sowie diejenigen Personen, mit welchen der Gerichtsvollzieher in gerader Linie verwandt, verschwägert oder durch Adoption verbun⸗ den, in der Seitenlinie bis zum dritten Grade verwandt oder bis zum zweiten Grade verschwägert ist, auch wenn die Ehe, durch welche die Schwägerschaft begründet ist, , r besteht.

In Ansehung der Uebernahme von Nebenämtern und Neben⸗ beschäftigungen, sowie des Betriebes von Gewerben, unterliegen die Gerichts vollzieher den allgemeinen, für die Staatsbeamten bestehenden Einschränkungen.

8. 39. Das Recht der Aufsicht, einschließlich der in 8. 80 des Aus- führungsgesetzes zum Deutschen Gerxichtsverfassungsgesetze vom 24. April 1878 erwähnten Befugniß, steht hinsichtlich der Gerichts vollzieber dem in §. 79 jenes Gesetzes bezeichneten Amtsrichter, sowie den dem⸗ selben vorgesetzten Aufsichtsbeamten zu. Der Amttzrichter, welchem an sich nicht das Recht der Aufsicht . ferner der Untersuchungsrichter, der beauftragte Richter, die orsitzenden der Kammern und Senate, der Erste Staatsanwalt und der Ober -⸗Staatsanwalt haben die in 8. 80 des angeführten Ge—⸗ setzes erwähnte Befugniß gegenüber den Gerichtsvollziehern des Be—⸗ zirks, sofern es sich um die Ausführung eines von ihnen angeordneten Amtsgeschäfts handelt. Beschwerden über die Ertheilung von Rügen 2 Festsetzung von Ordnungsstrafen werden im Aufsichtswege erledigt.

5. 40.

Bei Erledigung einer Dienststelle durch Tod oder Entlassung, sowie bei eintretender Amtesuspension oder Verhaftang des Gerichts— vollziehers hat der Amtsrichter:

I) die Ablieferung des Dienstsiegels, der Dienstregister und n , dienstlichen Papiere an das Amtsgericht zu ver— anlassen;

2) für die Sicherstellung der aus Anlaß des Dienstes in den

Gewahrsam des Gerichtsvollziehers gekommenen Gelder, Pfandstücke, Schriftstücke und sonstigen Sachen, welche den Parteien gehören, Sorge zu tragen. Die unter Nr. 1 getroffene Vorschrift kommt auch im Falle der Versetzung eines Gerichtsvollziehers zur Anwendung. Zweiter Abschnitt. , Auftrags.

Im Falle einer erforderlichen Aushülfe oder Vertretung können mit der einstweiligen Wahrnehmung der Gerichtsvollziehergeschäfte beauftragt werden:

Personen, welche zu Gerichtsvollziebern (58. 1, 55) oder zu Gerichtsschreibern ernannt werden können, sowie Personen, welche die Gerichtsvollzieherpvrüfung (5. 1 Nr. 5) oder die Gerichtsschreiberprüfung bestanden haben. ;

In Ermangelung der vorstehend bezeichneten Personen können beauftragt werden: .

Personen, welche zu Gerichtsschreibergehülfen ernannt wer⸗ den können, sowie Personen, welche mit der einstweiligen . der Gerichtsschreibergeschäfte beauftragt werden önnen;

Personen, welche im Vorbereitungsdienste für das Gerichts vollzieheramt mindestens drei Monate bei einem Gerichts⸗ vollzieher beschäftigt worden sind;

Gerichts diener;

Unterbeamte der Justizverwaltung, welche auf Grund des §. 104 des Ausführungsgesetzes zum Deutschen Gerichtsver⸗ fassungsgesetze vom 24. April 1878 einstweilig in den Ruhe⸗ stand versetzt sind; .

sofern auf Grund eines von dem Vorstande der betreffenden Justiz⸗ behörde ausgestellten Zeugnisses anzunehmen ist, daß sie zur einst— weiligen Wahrnehmung des Gerichtsvollzieherdienstes befähigt sind.

Unter besonderen Verhältnissen kann der Auftrag mit Geneh⸗ migung des Justiz⸗Ministers auch anderen als den bezeichneten Per⸗ sonen ertheilt werden. 3.2

Mit der einstweiligen Wahrnehmung des Gerichtevollzieher— dienstes dürfen in jedem Falle nur Personen beauftragt werden, welche sich in geordneten Vermögensverhältnissen befinden. Die Er⸗ füllung der übrigen in §. 1 bezeichneten Voraussetzungen der defini⸗ tiven Anstellung ist nicht .

Die Bestimmungen des §. 13 Abs. 1 und der 55 14 bis 26, 29 bis 40 finden, vorbehaltlich der in den §§. 44 bis 47 enthaltenen Vorschriften, auch hinsichtlich der mit der einstweiligen Wahrneh— mung des Gerichtsvollzieherdienstes beauftragten Personen entsprechende Anwendung. .

§. 44. Bei Gefahr im Verzuge kann der Auftrag bis auf weitere An— ordnung der Anstellungsbehoͤrde ö den Amtsrichter ertheilt werden.

Die Anstellungsbehörde bestimmt über die Bestellung einer Kaution. Dieselbe kann bis zur Höhe von sechshundert Mark ge— fordert werden.

§. 46.

Zum Tragen der Dienstkleidung sind die mit der einstweiligen Wahrnehmung des Gerichtsvollzieherdienstes beauftragten Personen nicht verpflichtet. Es kann ihnen jedoch von der Anstellungsbehörde die Verpflichtung auferlegt , Tienstabzeichen zu tragen.

Wird ein etatsmäßig oder diätarisch angestellter Beamter der Justizverwaltung mit der einstweiligen Wahrnehmung des Gerichts vollzieherdienstes beauftragt, so ist in jedem einzelnen Falle von der Anstellungsbehörde zu bestimmen, inwieweit mit Rücksicht auf den Fortbezug des Diensteinkommens die in den §5§. 20, 26 gedachte Ent⸗ schädigung zu kürzen ist. ö.

. §. 48.

Bei Gefahr im Verzuge ist der Amtsrichter ermächtigt, mit der Wahrnehmung einzelner, den Gerichtsvollziehern zugewiesener Ge⸗ schäfte eine Person, welche zur einstweiligen Wahrnehmung des Ge— richtsvollzieherdienstes befählgt ist, und in deren Ermangelung jede andere von ihm für geeignet erachtete Person zu beauftragen.

Der Beauftragte ist, sofern er nicht den allgemeinen Diensteid geleistet hat, mittelst Handschlages an Eidesstatt dahin zu verpflich⸗ ten, daß er die Obliegenheiten eines Gerichtsvollziehers getreulich erfüllen wolle.

Er erwirbt für die ibm übertragene Amtshandlung die tarxif⸗ mäßigen Gebühren und Vergütungen an baaren Auslagen. Letztere Vorschrift findet auch Anwendung, wenn der Beauftragte etatsmäßig oder diätarisch angestellter Beamter ist.

Dritter Abschnitt. ö

Mit der Vornahme solcher Zustellungen und Zwangsvoll⸗ streckungen, welche von Amtswegen angeordnet werden, können be⸗ sondere Personen widerruflich beauftragt werden (Hülfsgeri tsvoll⸗ zieher). Der Auftrag kann auf einzelne Gattungen dieser Geschäfte beschränkt werden.

Die Gerichtsdiener sind zur Uebernahme der Geschäfte eines Hülfsgerichtsvollziehers neben den Gerichtsdienergeschäsften verpflichtet.

Die Bestellung von Hülfsgerichtsvollziehern soll, vorbehaltlich der Vorschriften der 85. 53 und 54, nur erfolgen, wenn die Geschäfts⸗ last durch die vorhandenen Gerichtsvollzieher nicht ordnungsmäßig bewältigt werden kann und die Vermehrung der Zahl der Gerichts⸗ vollzieherstellen nicht zweckmäßig . nicht thunlich ist.

Die Bestimmungen des §. 13 Abs. 1 und der §5§. 15 bis 17, 19 bis 22, 24, 25, 30 bis 32, 34 bis 42, 44, 46 und 47 finden, vor⸗ behaltlich der in 55. 51 bis 54 enthaltenen Vorschriften, auch hin⸗ sichtlich der Hülfsgerichtsvollzieher n, Anwendung.

Zur Wahrnehmung der Geschäfte eines Hülfegerichtsvollziehers sind die in §. 41 bezeichneten Personen gleichmäßig befähigt.

Die in 5. 41 Abs. 2 bezeichneten Personen können zu Hülfs— gerichtsvollziebern bestellt werden, wenn auf Grund eines von dem Vorstande der betreffenden Justiz behörde ausgestellten Zeugnisses anzunehmen ist, daß sie zur einstweiligen Wahrnehmung des Gerichts—⸗ vollzieherdienstes hinsichtlich der von Amtswegen angeordneten Zu⸗ stellungen und Vollstreckungen . hin zu erachten sind.

Einer Kautionsbestellung . es nicht.

Die von Amtswegen angeordneten Zustellungen in Strafsachen an Beschuldigte, welche sich nicht auf freiem Fuße befinden, können durch Gerichteschreiber oder Gerichtsschreibergehülfen sowie durch Sekretäre oder Assistenten bei der Staatsanwaltschaft als Hülfs⸗ ieren r r vorgenommen werden. Einer ausdrücklichen Be⸗ tellung derselben als Hülfsgerichtsvollzieher bedarf es hierzu nicht. Die bezeichneten Personen sollen mit der Ausführung solcher Zustel⸗ lungen nur am Orte ihres amtlichen Wehnsitzes beauftragt werden. Eine besondere Entschädigung i n nicht gewährt.

Die den Gerichtsvollziehern zugewiesene Thätigkeit bei Zu—⸗ stellungen, welche durch die Post oder durch Aufgabe zur Post er⸗ folgen, kann, sofern es sich um Zustellungen, welche von Amtswegen angeordnet sind, handelt, durch Gerichts diener als ile eer te n. zieher ausgeübt werden. Einer ausdrücklichen Bestellung derselben als Hülfsgerichtsvollzieher bedarf es hierzu nicht. Den Gerichts dienern wird für die Gerichtsvollziehergeschäfte dieser Art eine be— sondere Entschädigung nicht gewährt.

Vierter Abschnitt. Uebergangs⸗ und man gen.

Zu Gerichtsvollziehern können ohne Ablegung der Prüfung er⸗ nannt werden:

I) die vor dem 1. Oktober 1879 in dem Bezirke des Appellations⸗ gerichts zu Celle definitiv angestellten Gerichtsvögte und die in dem Bezirke des Aprellationsgerichtshofes zu Cöln ange⸗ stellten Gerichtsvollzieher; ;

2) Personen, welche vor dem 1. Oktober 1379 in dem Bezirke des Appellationsgerichts zu Celle durch die bisherige An⸗ stellungsbehörde für das Amt eines Gerichtsvogts für befähigt erklärt sind, oder im Bezirke des Appellationsgerichtshofes zu Cöln vor dem 1. Oktober 1879 die Gerichtsvollzieherprüfung bestanden haben;

3) Personen, welche auf Grund der Vorschriften in den §§. 10 bis 12 des Gesetzes, betreffend die Dienstverhältnisse der Ge⸗ richtsschreiber, zum Gerichtsschreiberamte befähigt sind;

4) Personen, welche bei den durch das Ausführungsgesetz vom 24. April 1878 aufgehobenen Gerichten im Geltungsbereiche der Verordnung vom 2. Januar 1849 als Exekutionsinspekto⸗ ren angestellt sind. 9.

56.

Ohne Zurücklegung eines , können zur Ge⸗ richtsvollzieherprüfung zugelassen werden: die vor dem 1. Oktober 1879 angestellten gerichtlichen Unterbeamten, sofern auf Grund eines Zeugnisses der Behörde, bei welcher sie angestellt sind, anzunehmen ist, daß sie zur einstweiligen Wahrnehmung der Geschäfte eines Ge⸗ richts vollziehers befähigt sind.

Die Prüfung der in 5. 56 bezeichneten Personen kann schon vor dem 1. Oktober 1879 erfolgen. Zu diesem Zwecke ist unter entspre⸗ chender Anwendung des S 6 durch den Präsidenten des Appellations gerichts und den Ober⸗Staatsanwalt (Kron-Ober⸗Anwalt) an dem Sitze eines Kollegialgerichts erster Instanz eine Prüfungskommission zu bilden, vor welcher die Prüfung unter entsprechender Anwendung der 58. J bis 11 erfolgt. Das Zeugniß über das Bestehen der Prü— fung wird von dem Präsidenten des Appellationsgerichts und dem Ober Staatsanwalt (Kron⸗Ober Anwalt) ertheilt.

Geeignetenfalls können in dem Bezirke eines Appellationsgerichts bei mehreren Kollegialgerichten erster Instanz Prüfungskommissionen gebildet werden.

§. 58. Die Vorschrift des §. 12 findet hinsichtlich der in 8. 55 Nr. 2 bis 4 und in §. 56 bezeichneten Personen entsprechende Anwendung. Die einstweilige Wahrnehmung des Gerichtsvogtsdienstes vor dem 1. Oktober 1879 steht der einstweiligen Wahrnehmung des Ge— richtsvollzieherdienstes, welche nach . Zeitpunkte stattfindet, gleich.

Personen, welche in den Bezirken des Appellationsgerichts zu Celle und des Appellationsgerichtshofes zu Cöln in dem Vorbereitungsdienst für das Amt eines Gerichtsvogts oder eines Gerichtevollziehers beschäf⸗ tigt worden sind, kann die zurückgelegte Zeit der Beschäftigung auf die im §. 2 vorgeschriebene angerechnet werden.

Wird ein in Gemäßheit des Ausführungsgesetzes zum Deutschen Gerichts verfassungsgesetze vom 24. April 1878 einstweilig in den Ruhestand versetzter Beamter mit der einstweiligen Wahrnehmung des Gerichtsvollzieherdienstes beauftragt oder als Hülfsgerichtsvoll⸗ zieher bestellt, so ist von der Anstellungsbehörde zu bestimmen, in⸗— wieweit mit Rücksicht auf die Fortgewaͤhrung des Gehalts (§. 104 Absatz 5 des angeführten Gesetzes) die oben in den §§. 20, 25 be— zeichnet: Entschädigung zu kürzen ist.

Wird den bezeichneten Personen von dem Amtsrichter auf Grund des §. 48 die Ausführung einzelner Gerxichtsvollziehergeschäfte übertragen, so findet die Vorschrift dis Schlußsatzes in §. 48 An— wendung. 8 6ᷣ

Die Gerichtsvollzieher erwerben für die Zwangsvollstreckungen, welche in Gemäßheit des Gesetzes, betreffend die Uebergangsbestim—⸗ mungen zur Deutschen Civilprozeßordnung und Deutschen Straf⸗ prozeßordnung, auf Grund eines richterlichen Exekutionsbefehles nach den Vorschriften der Deutschen Civilprozeßordnung auszuführen sind, die tarifmäßigen Gebühren und baaren Auslagen. Für die Zwangs vollstreckungen, deren weitere Erledigung in Gemäßheit des bezeich⸗ neten Gesetzes nach den bisherigen Vorschriften erfolgt, erhalten sie eine besondere Entschädigung nach Maßgabe der im 5§. 26 enthalte⸗ nen Vorschriften.

Die vorstehenden Bestimmungen finden in den Bezirken des Appellationsgerichts zu Celle und des Appellationsgerichtshofes zu Cöln keine Anwendung. 8 6e

Die in den 8§. 2, 5, 15, 2, 35, 40, 44, 48 den Amtsrichtern zugewiesenen Befugnisse werden bei den mit mehreren Richtern be— setzten Amtsgerichten von demjenigen Richter wahrgenommen, welchem das Recht der Aufsicht gebührt.

Die Anstellungsbehörden (5. 13), sowie die nach §. 57 zur Ein⸗ setung der Prüfungskommissionen berufenen Behörden sind ermäch⸗ tigt, zur Ausführung und Ergänzung der getroffenen Vorschriften allgemeine Anordnungen zu erlassen. Von dem Erlaß derselben ist dem Justiz⸗Minister Kenntniß zu geben.

Berlin, den 14. Juli 1878.

Der Justiz⸗Minister. In dessen Vertretung: von Schelling.

Ministerium für Landwirthschaft, Do mänen und Forsten.

Dem Ober⸗Forstmeister von Kalitsch ist die Ober⸗-Forst⸗ meisterstelle bei der Königlichen Regierung zu Schleswig, welche durch die Pensionirung des Ober-⸗Forstmeisters Föhrigen er⸗ ledigt ist, übertragen worden.

Ministerium der öffentlichen Arbeiten.

Der bisherige Regierungs-Baumeister Heinrich Ru⸗ dolf Rauch zu Königsberg ü /Pr. ist zum Königlichen Land⸗ baumeister ernannt und demselben die bisher von ihm ver— waltete technische Hülfsarbeiterstelle bei der Königlichen Re— gierung dortselbst definitiv verliehen worden.

Abgereist: Se. Excellenz der Staats⸗ und Minister des Innern, Graf zu Eulenburg, nach Schloß Neustadt in Westpreußen.

Aichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 29. Juli. Se. ö. der Kaiser und König erfreuen Sich, wie „W. T. B.“ aus Gastein meldet, des besten Wohlseins und nehmen regelmäßig die Vorträge des Militär- und des Civil-Kabinets, sowie des Geheimen Legations⸗Raths von Bülow entgegen. Die Bäder, Promenaden und Ausfahrten setzen Se. Majestät ebenfalls regelmäßig fort.

Wegen des Ablebens Sr. Hoheit des Herzogs Wilhelm von Mecklenburg- Schwerin sind heute keine Einladungen zur Kaiserlichen Tafel ergangen.

kJ

Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz ertheilte am 26. d. M. Nachmittags im Neuen Palais dem Geheimen Ober⸗Baurath im Ministerium der k Arbeiten Herrmann behufs Vorlage der Pläne und Entwürfe zum Neubau des Regierungsgebäudes in Königsberg eine Audienz.

Gestern Nachmittag hatten ebendaselbst der Unter⸗Staats⸗ sekretär Scholz und der Ministerial-Direktor Burchard vom Reichsschatzumt Audienzen, und nahm Se. Kaiserliche Hoheit demnächst die Meldungen des Oberst⸗Lieutenants vom Königlich württembergischen Generalstabe, kommandirt zum Großen Generalstabe, Freiherrn von Falckenstein, sowie des Haupt—⸗ manns Kuhlmay vom Großen Generalstabe entgegen.

Die Theilnahme an einer von Mehreren rechts⸗ widrig ausgeübten Jagd ist nach §. 293 des Strafgesetz⸗ buchs strenger zu bestrafen, als das von Einem allein verübte Jagdvergehen. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Ober⸗ Tribunal durch Erkenntniß vom 26. Juni 1879 den Rechtssatz ausgesprochen, daß nur dann für den einzelnen Theilnehmer eine strengere Bestrafung vorgesehen ist, wenn die übrigen Theilnehmer sich gleichfalls ein strafbares Jagdvergehen haben zu Schulden kommen lassen; sind dagegen die übrigen Theil— nehmer in Anbetracht der konkreten Thatumstände straffrei, so kann der schuldige Theilnehmer nur wegen einfachen Jagd⸗ vergehens bestraft werden.

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Nimmt Jemand eine fremde Sache in Verwah— rung, so hat er dieser Sache behufs ihrer Erhaltung die⸗ selbe Sorgfalt zu wiomen wie seiner eigenen Sache, er braucht sie jedoch nach einem Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 26. Juni 1879, nicht gegen Feuersgefahr zu versichern, selbst wenn er seine Sachen gegen Feuersgefahr versichert hat. Versichert dennoch der Depositar die fremde Sache im eigenen Namen gegen Feuersgefahr und wird in Folge eines ausge— brochenen Feuers dieselbe vernichtet, so braucht er die dafür empfangene Versicherungssumme nicht dem Eigenthümer der zu Grunde gegangenen Sache herauszugeben, es sei denn, daß jener ihn zur Versicherung der Sache aufgefordert hatte.

Der Kaiserliche Botschafter Fürst von Hohenlohe ist nach Paris zurückgekehrt und hat die Geschaäͤfte der Bot— schaft wieder übernommen.

Der Königliche Gesandte Graf von Werthern— Beichlingen hat am 27. . M. München mit Urlaub ver— lassen. Während seiner Abwesenheit fungirt als interimistischer Geschäftsträger der Legations-Sekretär von Hirschfeld.

Der Gouverneur von Berlin, General der Infanterie von Boyen, General-Adjutant Sr. Majestät des Kaisers und Königs, begeht heute sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum.

S. M. Kanonenboot „Cyclop“, 4 Geschütze, Kom⸗ mandant Kapt. Lt. von Schuckmann L., ist am 26. Mai er. in Swatow eingetroffen, hat am 29. die Reise fortgesetzt und am 30. dess. Mts. vor Amoy geankert.

S. M. Glattdecks⸗Korvette „Medusa“, 9 Geschütze, Kommandant Korv. Kapt. Matihesen, ist am 25. d. Mts. in Plymouth eingetroffen.

S. M. Kanonenboot „Wolf“, 4 Geschütze, Kommandant Korvetten-Kapitän Becks, hat am 12. Mai Hongkong ver— lassen, lief am 13. im Hafen von Swatow ein, erreichte am 15. Amoy, setzte am 21. die Reise fort, ankerte am 22. auf Pagoda Anchorage (Foochow) verließ diesen Hafen am 25., ankerte am 29. Mai im Hafen von Ningpo, ging am 4. Juni wieder in See, erreichte am 5. Shanghai und beabsichtigte am 10. Juni die Reise nach Japan sortzusetzen.

Wilhelmshaven, 26. Juli. (Wes. Ztg.) Heute Vor— mittag 10 Uhr traf Se. Königliche Hoheit der Prinz Friedrich Carl hier ein und fuhr mit Seinem Sohne, dem Prinzen Leopold, direkt nach den Molen, von wo Sich Höchst— berg sf⸗ mittelst einer Dampfbarkasse an Bord des auf der Rhede vor Anker liegenden Avisos „Falke“ begab. Um 105 Uhr betrat der Prinz das Schif, der Prinzenstander entfaltete sich am Großtop, und die Salutgeschütze des Fort Heppens feuerten den Salut von 21 Schüssen. Um 11 Uhr lichtete der „Falke“ unter Trommelschlag den Anker und dampfte nach See zu.

Bayern. München, 26. Juli. (Allg. Ztg.) Auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung der Abgeordneten— kammer stand die Spezialdebatte über den Eisenbahn⸗ gesetzentwurf. Der Abg. von Schlör vertheidigte in langer Rede den Artikel 1 seines Antrags unter entschiedenem Protest gegen den Kompromißweg der Regierung mit dem Ausschuß zur Feststellung der Linien, besprach den Einfluß des Reichszolltarifs auf den Verkehr und die Abschließung von Handelsverträgen in wirthschaftlicher und politischer Beziehung als günstig, und wünschte nur, daß die Kammer die vom Redner beantragten Bahnen beschließen möge; für alle weiter beantragten fehle ihr zur Zeit ohnehin die genügende Infor— mation. Der Staats⸗-Minister von Pfretzschner vertheidigte das Verfahren der Regierung, welche durch ihre Zu⸗ stimmung zu dem Ausschußantrage ihre Prinzipien nicht verletzt habe, sondern aus finanziellen Rücksichten nur die Ausführung des Prinzips theilweise habe vertagen müssen. Der General-Direktor von Hocheder vertheidigte gegenüber von Schlörs erneuten n die Organisation der Verwaltung. Pfahler, Vorstand des Eisenbahn-Aus—⸗ schusses, trat dagegen für dessen Antrag ein und erklärte Sekundärbahnen, wie von Schlör sie verlange, für Ungeheuer⸗ lichkeiten. Beckh äußerte sich nur für den Bau absolut noth⸗ wendiger Bahnen. Stenglein trat verschiedenen Aeußerungen von Schlörs bezüglich der Bahnverwaltung entgegen. von Hör— mann erklärte 1 gegen den Art. 1 des Ausschußantrags, be⸗ ziehungsweise gegen die Einleitung desselben. Fischer that dar, daß Kompromisse in dieser Sache erforderlich seien, denn ohne solche sei noch nie ein Eisenbahngesetz in der Kammer zu Stande gekommen, und erklärte sich für den Abs. 1 des Art. 1 des Ausschußantrags. Die Debatte wurde auf Mon⸗ tag vertagt.

Baden. Heidelberg, 28. Juli. (W. T. B.) Herzog Wilhelm von Mecklenburg⸗-Schwerin ist heute Nach⸗ mittag A Uhr hierselbst gestorben.

Hamburg, 27. Juli. Die Verhandlungen der auf Wunsch der Bürgerschaft niedergesetzten gel fe men Kom⸗ mission von 5 Senats⸗ und 5 Bürgerschaftsmitgliedern, betreffend Revision der Verfassung, haben laut der „H. B. H.“ zu einer Verständigung nicht geführt, und dürfte

von einer Fortsetzung derselben um so mehr abgesehen werden, als bereits mehrere Mitglieder dieser ö. inzwischen ihre Erholungsreisen angetreten haben.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 28. Juli. (W. T. B.) Die „Polit. Corr.“ meldet aus Konstantinopel: Am Sonnabend Abend hat ein längerer Ministerrath stattgefunden, an welchem Khereddin Pascha nicht theilgenommen hat. Der rumänische Gesandte bei der Pforte ist in Konstantinopel eingetroffen.

Salzburg, 28. Juli. Die Generalversammlung des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen wurde heute durch den Statthalter Grafen Thun eröffnet, welcher in seiner Ansprache die hohe Bedeutung der Versamm⸗ lung für die Wiederbelebung des Verkehrswesens betonte. Der Vorsitzende, Direktor Schrader (Berlin⸗Anhalter Eisen⸗ bahn), dankte Namens des Vereins der Regierung wie der Stadt Salzburg für den wohlwollenden Empfang. Die An⸗ gelegenheit der Vereinskarten wird von den Kommissionen für Statuten und für Vereinskarten für die nächste Generalver— sammlung vorberathen. An dem zu Ehren der Mitglieder des Eisenbahntags veranstalteten Festbanket und Gartenfest nahmen auch der Statthalter Graf Thun, sowie viele Mit⸗ glieder der Militär⸗ und Civilbehörden Theil. Hofrath Groß eröffnete die Reihe der Toaste mit einem Hoch auf die Monarchen der betheiligten Staaten.

Triest, 28. Juli. Gestern Abend kam auf der hiesigen Rhede ein sehr heftiger Orkan zum Ausbruch, welcher an den im Hafen befindlichen Schiffen großen Schaden anrichtete und auch mehrere Menschenleben gekostet hat. Im Ganzen sind 23 Schiffe mehr oder weniger erheblich beschädigt worden, ein österreichisches mit Holzkohlen beladenes Schiff ging zu Grunde. *

Pest, 28. Juli. Der Staatssekretär im Ministerium des Innern, Graf Zichy⸗Ferraris, hat den Präsi— denten der liberalen Reichspartei um Einsetzung eines aus Abgeordneten bestehenden Ehrengerichts zur Entscheidung über die von dem Redacteur Asboth gegen ihn erhobenen Beschuldigungen ersucht. Zugleich hat Graf Zichy, um auch nicht den Schein einer Beeinflussung des Ehrengerichts auf— kommen zu lassen, bei dem Minister des Innern die Ent⸗ hebung von seinem Posten beantragt. Der Minister⸗Präsident Tisza hat das Entlassungsgesuch des Grafen Zichy dem Kaiser bereits unterbreitet.

Niederlande. ga ag: 26. Juli. (Cöln. Ztg.) Es ist ein Gesetzentwurf in Vorbereitung, der das Verhältniß der regulären Armee und der Kolonialtruppen in Indien regeln und namentlich in den letzteren das niederländische Ele⸗ ment stärken soll. Von der Westküste Javas wird ein zweites Telegraphenkabel nach Australien und ein neues nach Singapore gelegt werden; im nächsten Jahre sollen beide fertig sein. Se. Königliche Hoheit der Prinz Albrecht von Preußen ist zu mehrwöchigem Aufenthalt in Scheve— ningen eingetroffen.

Großbritannien und Irland. (W. T. B.). In der heutigen Sitzung des Unter⸗— hauses erklärte in Beantwortung einer Anfrage Cowens der Unter⸗Staatssekretär Bourke: Die Regierung habe erfahren, daß wegen politischer Vergehen zahlreiche Ver— haftungen und Deportationen in Rußland vor— genommen worden seien, die Bestimmung der Verhafteten sei ihr aber nicht bekannt. Die nach Sakhalien deportir— ten Personen seien keine politischen Gefangenen; ihr Trans⸗ port nach Sakhalien habe in einem für diesen Zweck speziell gebauten Schiffsfahrzeuge stattgefunden. Uebrigens habe die englische Regierung nicht die Gewohnheit, in solchen Fällen einer fremden Regierung Vorstellungen zu machen, noch weniger aber habe sie Grund, zu glauben, daß solche Vorstellungen irgend wie ersprießliche und praktische Folgen haben könnten.

28. Juli. (C. Ztg.) Der Schatzkanzler Sir Stafford Northeote wurde am Sonnabend Nachts, von Richmond heimfahrend, von einem Vierspänner angefahren, umgeworfen und erlitt mehrere Verletzungen. Seine Herstellung wird jedoch in einigen Tagen erhofft.

(Allg. Corr. Aus Bombay wird unterm 24 d. M. gemeldet: Wassades Bulwunt Phadke, ein ehemaliger Beamter des militärischen Finanzamtes in Pung und bis vor Kurzem notorischer Führer der Räuberbande, welche so viele Brandstiftungen und Räubereien im Deccan verübte, ist von der Polizei, die lange auf ihn fahndete, festgenommen worden.

Frankreich. Paris, 26. Juli. (Fr. Corr.) Der Aus⸗ schuß des Senats für den Ferry'schen Gesetzent— wurf, betreffend die Freiheit des hoheren Unterrichts, berieth gestern die Artikel 2 und 3 der Vorlage. Der letztere, welcher von der Unentgeltlichkeit der akademischen Einschreihungen handelt, wurde wieder von den Herren Buffet und von Parieu eifrig bekämpft. Seine ersten beiden Absätze wurden mit 5 gegen 4 Stimmen angenommen, wobei Jules Simon mit den Liberalen stimmte; für den dritten, nach welchem der Tarif der neuen Prüfungsgebühren vom Unterrichtsrath fest⸗ gestellt werden soll, erzielte ein Verhältniß von 4 gegen 4 Stimmen, indem das neunte Mitglied sich der Abstimmung enthielt. Man beschloß, über ihn den Unterrichts⸗-Minister zu ören. Dem „Temps“ zufolge wäre sich der Senatsaus—⸗ . nun ganz klar darüber geworden, daß er in keinem

London, 28. Juli.

Falle mehr für die gegenwärtige Session rechtzeitig seinen Dericht erstatten könnte. Die Verhandlung wird also noth⸗ wendig auf den November vertagt werden müssen. Wahr⸗ 6 wird der Senat noch die andere Ferry 'sche Vor— age, das Gesetz, betreffend den Unterrichtsrath, durch— berathen und dann am 7. oder 8. August auseinandergehen.

27. Juli. (Cöln. Ztg.) Nunmehr sind sämmtliche 32 Stellen im Staatsrath besetzt. Der Redacteur der „Lanterne“ ist wegen Beleidigung der Sittenpolizei und Ver⸗ breitung falscher Nachrichten zu 4 Monaten . und 4000 Fr. Geldbuße verurtheilt worden. Der General Thibaudin, Kommandant der 20. Infanterie⸗Bri⸗ gade zu Orleans, ist zum Chef des Generalstabs des KIV. Armee⸗-Corps ernannt worden, an Stelle des Obersten Leperche, der wegen seiner Betheiligung an der Bonapartisten⸗ Kundgebung in Lyon zur Verfügung gestellt wurde, während die übrigen mitschuldigen Offiziere und Unteroffiziere nach 14tägigem Arrest nach Algier kommandirt worden sind. Der Kam merausschuß r die Tuilerien hat sich fast einstimmig für den Antrag von Proust ausgesprochen,

welcher den alten Königspalast niedergerissen und an seiner Stelle so wie in dem vor demselben liegenden Hofe einen Garten angelegt wissen will.

28. Juli. (W. T. B.) Die „République fran—⸗ gaise“ bespricht die Haltung der Pforte Egypten gegenüber und äußert u. A.: Wenn der Sultan bei seinem Verhalten beharren sollte, werde man sich über einen Inve⸗ stiture Frman für den Khedive überhaupt hinwegsetzen. Der Khedive werde fortfahren, seinen jährlichen Tribut nach Kon⸗ stantinopel zu schicken, und darauf würden die Beziehungen desselben zur Pforte beschränkt bleiben. Die französische und englische Regierung würden den Mächten die Bildung einer Liguidationskommission vorschlagen, um die Interessen der Gläubiger Egyptens soviel wie möglich zu wahren; man würde ferner an Stelle der früheren europäischen Minister wahrscheinlich General-Inspektoren einsetzen, bei denen der Charakter der Beamteneigenschaft weniger hervortrete, deren Eingreifen in die Geschäfte der Verwaltung darum aber nicht weniger wirksam sein und gegen deren Entschließung eine Berufung nicht zulässig sein würde. Die „République fran—⸗ gaise“ hält auch eine Berufung von europäischen Unterstaats— Sekretären in die wichtigsten egyptischen Ministerien für wahr— scheinlich.

Versailles, 28. Juli. (W. T. B.) Die Deputirten⸗ kammer hat heute das Budget für das Ministerium des öffentlichen Unterrichts genehmigt. Morgen wird die Kammer den Bericht des Deputirten Proust berathen, in welchem die vollständige Niederlegung der Ruinen der Tuilerien bean— tragt wird. Voraussichtlich wird die Kammer ihre Arbeiten am Sonnabend beenden.

Algier, 26. Juli. (Ag. Hav.) Ein Dekret des General— Gouverneurs von Algerien legt Sequester auf das ganze Territorium der Stämme oder Stammfraktionen, die an den neuesten Ereignissen im Auréès theilgenommen haben und legt ihnen ferner eine außerordentliche Kontribution von 355 0060 Fr. auf.

Italien. Rom, 27. Juli. (Italie) Die „Gazzetta ufficiale“ vom 25. Abends veröffentlicht das Gesetz, welches vom nächsten 1. August ab die Mahlsteuer für die niederen Getreidesorten aufhebt, und das Gesetz, welches den Zucker⸗ zoll modifizirt. Dann folgt ein Dekret, welches verordnet, daß der neue Tarif am 1. August in Kraft zu treten hat.

Ihre Majestäten der König und die Königin werden am 3. August in Genua eintreffen.

28. Juli. (W. T. B.) In der heutigen i ung er⸗ klärte der Minister-Präsident Cairoli auf mehrere an die Regierung gerichtete Interpellatio nen: Das Mi—⸗ nisterium werde dieselbe auswärtige Politik beobachten, die von dem früheren Ministerium beobachtet worden sei, nämlich die Erhaltung des Friedens und die Ausführung der Verträge, speziell die Ausführung von Art. 24 des Berliner Vertrages. Mit besonderer Wärme sprach sich Cairoli für Griechenland und Rumänien aus. Die Anerkennung der Selbständigkeit Rumäniens werde erfolgen, sobald in Ru⸗ mänien die Religionsfrage geordnet sei. Daß die in Egypten befindlichen Italiener den Schutz der fremden Mächte an⸗— gerufen hätten, sei unrichtig. Italien werde auch ferner eine versöhnliche, aber feste Politik beobachten. Der Senat ge— nehmigte hierauf das Budget, die Münzkonvention und die Verlängerung der Handelsverträge.

Türkei. Konstantinopel, 28. Juli. (W. T. B.) Der Sultan hat einen Irade erlassen, in welchem die Nothwendigkeit der Entlassung Khereddin Paschas konsta— tirt, das Großvezierat aufgehoben und Aaxifi Pascha zum Premier-Minister, Safvet Pascha zum Minister des Aus⸗ wärtigen ernannt wird. Bis zur Ankunft Safvet Paschas wird das Ministerium des Auswärtigen von Musteschar Sava Pascha verwaltet, Riza Pascha ist zum Minister der Civilliste, Ali Funad Bey zum ersten Sekretär des Sultans ernannt.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 27. Juli. (St. Pet. Ztg.) Von den Teke⸗Turkmenen, gegen welche jetzt eine russische Truppenmacht unter der Führung des General-Adjutanten Lasarew ins Feld gerückt ist, entwirft eine aus dem Expeditions-Corps dem „Russ. Invaliden“ zu⸗ gegangene Korrespondenz folgende charakteristische Schil⸗ derung:

Die Turkmenen vom Stamme Teke bewohnen die Oasen von AchalTeke und Merw, letztere erst seit dem Jahre 1834. Das Grundprinzip dieses Stammes ist: Wenn ein Feind die Kibitke deines Vaters überfällt, so schließe dich dem Feinde an und raube mit.“ Die Teke⸗Turkmenen besitzen vorzügliche Renner, sie sind außerordentlich ausdauernd in der Ertragung der mit ihren Inva—⸗ sionen (Alamans) verbundenen Strapazen und Entbehrungen; in ungeheuren Entfernungen von ihren Wohnsitzen tauchen sie auf. und bringen Schrecken in das afghanische Turkestan, in die Provinzen Herat, Chorassan und Ästrabad. Eine unglücklicher Be— völkerung als in diesen Landstrichen läßt sich schwer denken, Die Turkmenen sind allgegenwärtig, und diese Fähigkeit, überall plötzlich zu erscheinen und bei Erfolg oder Nichterfolg wieder schnell zu verschwinden, paralysirt das Leben der Völker vom Amu-Darja bis an die Küste des Kaspischen Meeres. Alle Traditionen haben die Invasionen der Teke⸗Turkmenen zum Gegenstand, und selbst ihre Chronologie datirt die Bevölkerung von dem einen oder anderen Turkmenenüberfall. Das ganje Leben dieser Gegenden ist nur darauf gerichtet, sich gegen die Turkmenen zu schützen; alle Städte urd Dör—⸗ ser daselbst sind mit hohen, zum Theil aus Backsteinen aufgeführ⸗ ten und mit Thürmen verfehenen Mauern umgeben, auf allen Feldern stehen Thürme, um den Ackerbauern beim Auftauchen der Banden einen Zufluchtsort zu gewähren. Und auf allen Feldern ohne Ausnähme befinden sich solche Thürme, mögen sie auch noch so nahe bei der Ansiedlung, selbst unmittel bar an der Umzäunung derselben gelegen sein. Selbst in den Gärten, welche dicht an die Stadtmauer von Meschhed, der Residenz. des Statthalters von Chorassan und Seistan stoßen, sind Thürme errichtet und durch Thürme, auf je 50 bis 109 Schritt von einander, ist auch der Zutritt zu den abgelegeneren Feldern geschützt. Selten kommt es vor, daß es Jemand wagt, ohne Waffen sich auf den Weg zu machen. Da es unmöglich ist, die Ansiedel ungen mit umfang: reichen Umzäunungen zu umgeben, welche überdies eine große Zahl von Vertheidigern erfordern würdea, liegen die Häuser eng bei ein⸗ ander, woraus Unsauberkeit, Schmutz und die damit verbundenen Krankheiten entstehen. Bis zum 6 gegen Chiwa im Jahre 1873 führten die Teke⸗ Turkmenen ihre Ueberfälle in Banden von 1000 Mann aus und brachen selbst in Städte und Dörfer ein. Nach der Niederwerfung Chiwas und Ab⸗ schaffung der Sklaverei in Mittelasien hielten sie eine Zeit lang Ruhe, dann aber erneuerten sich ihre Ueberfälle wiederum, obwohl bei Weitem nicht in dem 6 wie bis zum Jahre 1873, und gegenwärtig werden in allen Ansiedelungen Herats und Chorassans die Thore zur Nacht geschlossen und mit schwelen Steinen ver— legt. Bei jedem Cinwohner kann man für den Fall des Erschei⸗ neng der Turkmenen innerhalb der Stadt, und Dorfumzäunu ng auch jetzt einen riesigen Stein vorfinden, um den Eingang zum

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