Den tsches Reich.
Flaggenatteste sind ertheilt worden: . I) vom Kaiserlichen Vize⸗Konsulat zu Coronel am 16. Juli d. J. der im Jahre 1853 in Sunderland erbauten, bisher unter der Flagge von Guatemala gefahrenen Bark „Kent“ von 445 t Ladungsfähigkeit nach dem Uebergange derselben in das ausschließliche Eigenthum von Gustav I. Jacobsen zu n,, . welcher Hamburg zum Heimathshafen des Schiffes ewählt hat; . ö 9 ö. Kaiserlichen General-Konsulat zu Valparaiso am 19. Juli d. J. der im Jahre 1854 in Hamden (V. St. v. A. erbauten Bark „Anita Delf ina“ von 621,58 Register⸗Tons Ladungsfähigkeit, sowie der im Jahre 1865 in Shoreham erbauten Brigg „Clara“ von 289,3 Register⸗Tons Ladungsfähigkeit, welche bisher unter der Flagge von Nica⸗ ragug gefahren sind, nach dem Uebergange derselben in das ausschließliche Eigenthum des im Königreich Preußen staats⸗ angehörigen Gottlieb Heinrich Wilstermann zu Valparaiso. Letzterer hat Altona zum Heimathshafen beider Schiffe gewählt; 3) vom Kaiserlichen Vize⸗Konsulat zu Caldera am 30. Juli d. J dem im Jahre 1873 in Honolulu erbauten, bisher unter der Flagge von Nicaragua gefahrenen Schooner „Eliza“ von 113 Register⸗Tons Ladungsfähigkeit nach dem Ueber— gange desselben in das ausschließliche Eigenthum des Ham— burgischen Staatsangehörigen Friedrich Julius Stahmer, welcher Hamburg zum Heimathshafen des Schiffes gewählt hat.
Königreich Preußen.
Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht:
den Ober⸗Landesgerichts-Rath von Rosenberg zum richterlichn Mitgliede und den Amtsgerichts-Rath Küster zum stellvertretenden richterlichen Mitgliede des Bezirks verwal⸗ tungsgerichts in Stettin für die Dauer ihres Hauptamtes am Sitze des letzteren,
den Landgerichts-Rath Oelzen in Erfurt zum richter— lichen Mitgliede und den Amtsgerichts⸗Rath Rohland ' da— selbst zum stellvertretenden richterlichen Mitgliede des Bezirks⸗ Verwaltungsgerichts in Erfurt für die Dauer ihres Haupt⸗ amtes am Sitze des letzteren zu ernennen und zugleich zu he— stimmen, daß der Bezirks-Verwaltungsgerichks-Direktor Nobbe zu Merseburg auch den Vorsitz bei dem Bezirks-Ver— waltungsgerichte in Erfurt zu führen hat; ferner
den Amtsgerichts-Rath Schießle zu Sigmaringen zum richterlichen Mitgliede des Bezirksverwaltungsgerichts in Sig⸗ maringen für die Dauer seines Hauptamtes am Sitze des letzteren zu ernennen; sowie ö
den Friedensgerichtsschreibern Pfitzner in Merzig und Finger in Grevenbroich bei ihrer Versetzung in den Ruhe⸗ stand den Charakter als Kanzlei⸗Rath zu verleihen.
Abgereist: Se. Durchlaucht der Reichskanzler und Prä—⸗ n des Staats⸗-Ministeriums Fürst von Bismarck nach arzin.
Bekanntmachung auf Grund des Reichsgesetzes vom 21. Oktober 1378.
Auf Grund des §. 12 des Reichsgesetzes gegen die ge⸗ meingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 51. Oktober 1878 wird hierdurch zur öffentlichen Kenniß gebracht, daß der II. Jahrgang der im Verlage von C. Ihrings Nach⸗ folger zu Berlin im Jahre 1874 erschienenen periodischen Druckschrift: „Sozial⸗politische Blätter.“ Zur Unter⸗ haltung und ö für die deutschen Arbeiter, sowie der IIl. Jahrgang derselben Druckschrift, welcher im Jahre 1875 im Verlage von C. Ihrings Nachfolger, später im Verlage von H. Rackow und der Allgemeinen Deutschen Associationz⸗ Buchdruckerei (C. G.) zu Berlin erschienen ist, nach 5. 11 des gedachten Gesetzes durch die unterzeichnete Landespolizeibehörde verboten ist.
Berlin, den 7. Oktober 1859. Königliches Polizei⸗Präsidium. von Madai.
Nichtamtliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 9. Oktober. Beide Kaiserliche Ma je stäten hatten gestern in Oos eine Begegnung mit Ihrer Majestät der Kaiserin von Rußland auf Allerhöchstderen Reise nach Cannes.
Beide Majestäten waren mit der Großherzoglich badischen Familie bei dem ersten Wettrennen in Iffezheim anwesend.
— In Betreff der reichsgesetzlichen Regelung des Versicherungswesens hat der Reichskanzler unter dem 4. August d. Is. das nachstehende Run dschreiben an die Bundesregierungen gerichtet:
Die baldige reichsgesetzliche Regelung des Versicherungs⸗ wesens ist in jüngster Zeit von verschiedenen Seiten bei mir in Anregung gebracht worden.
Den Hohen Bundesregierungen ist es bekannt, daß bereits auf Grund eines Beschlusses des Bundesraths des norddeut— schen Bundes die Vorarbeiten für diese Regelung in Angriff genommen waren. Die Arbeiten sind späler zum Stillstand gekommen, weil inzwischen eine Revision der Gesetzgebung über das Aktienwesen, mit welchem das Versicherungswesen manche Berührungspunkte hat, in Aussicht genommen wurde. Der Abschluß der Neform des Aktienwesens ist in naher Zeit noch nicht zu erwarten. Es wird sich deshalb den erwähnten Anregungen 1 zunächst fragen, ob der Erlaß eines Reichsversicherungtz⸗ gesetzes nach Lage der Verhältnisse in der That als ein drin⸗ gendes Bedürfniß anzuerkennen und demgemäß von den Er⸗ gebnissen jener Revisionsarbeiten nicht weiter abhängig zu machen ist. Ich gestatte mir hiernach eine Aeußerung darkber 9am . zu erbitten, inwieweit ein solches Bedürfniß vorliegt.
; ei der Beurtheilung des Bedürfnisses wird vor allem die Tragweite einer Reichsgesetzgebung auf diesem Gebiete
das Eingreifen der Reichsgesetznebung zur Zeit auf die veiwaltungsrechtliche Seite des Versicherungswesens zu be⸗ schränken i Die . des bürgerlichen Rechts, welche das Versicherungswesen berühren, werden ihre Erledigung sachgemäß an anderer Stelle zu finden haben und für die
vorliegende Aufgabe um so mehr auszuscheiden sein, als ihre Hineinziehung der Lösung der Aufgabe nur Hindernisse be— reiten könnte. Aber auch im Bereiche des Verwaltungsrechts dürften noch Einschränkungen zu machen sein, indem einer⸗ seits nur diejenigen Zweige des Versicherungsgeschäfts berück⸗ sichtigt werden, in Ansehung deren die allgemeinen wirth⸗ schaftlichen Interessen eine gleichmäßige Ordnung wirklich er— heischen, und indem andererseits nur solche Formen der Ver⸗ J geregelt werden, welche nach der Ent⸗ wickelung des Versicherungswesens in Deutschland eine praktische Bedeutung erlangt haben. Von dem ersteren Gesichtspunkte aus würde kein Anlaß vorliegen, die See⸗, die Transport⸗ und die Rückversicherung — von untergeordneten Versicherungszweigen ganz abgesehen — in die gesetzliche Regelung weiter hinein⸗ zuziehen, als etwa nöthig ist, um die in Ansehung des Ge⸗ schäftsbeginnes und Geschäftsbetriebes landesrechtlich bestehen⸗ den, sehr verschiedenen und deshalb dem Geschäftsverkehre hinderlichen Beschränkungen zu beseitigen. Von dem zweiten Gesichtspunkte aus würden Versicherungsunternehmungen jeder Art, soweit sie durch einen einzelnen Gewerbetreibenden oder durch einfache Handelsgesellschaften, einschließlich der Kommanditgesellschaften, betrieben werden, aus der gesetzlichen Behandlung auszuscheiden sein. Der Hauptsache nach würden demgemäß nur die Lebensversicherung in allen ihren Verzwei⸗ gungen, die Unfallversicherung, die Feuerversicherung und die Versicherung gegen landwirthschaftliche Schäden (Hagel⸗ und Viehversicherung) und auch diese Versicherungszweige nur in— soweit in Betracht kommen, als Aktiengesellschaften, Kom⸗ manditgesellschaften auf Aktien oder Gegenseitigkeitsgesellschaf— ten die Unternehmer sind. Dabei bleibt noch die Frage offen, inwieweit ein Bedürfniß vorliegt, diejenigen Unternehmungen auf Gegenseitigkeit dem Gesetz zu unterstellen, welche nur einen ganz ef g ink örtlichen Geschäftskreis haben und namentlich zur Unterstützung im Krankheits- oder Todesfall (Kranken⸗, Sterbe⸗, Wittwen⸗, Aussteuer⸗= Versorgungskassen) oder für Schäden, im landwirthschaftlichen Kleinbetriebe WViehladen, Kuhgilden, Bauernvereine) bestehen. Zum Theil sind ui. Unternehmungen, wie die Kranken— kassen in dem Gesetz über die eingeschriebenen Hülfs⸗ kassen vom 7. April 1876, Gegenstand einer besonderen reichsgesetzlichen Regelung geworden, oder doch, wie die Ar⸗ beiter⸗Invalidenkassen, für eine solche Regelung bestimmt. Zum Theil würde ein Eingreifen der Reichsgesetzgebung für diese eigenartigen und trotz ihrer Kleinheit segensreich wirken⸗ den Unternehmungen leicht empfindliche Beschränkungen schaffen, ohne damit die allgemeinen Interessen zu fördern.
Würden die Hohen Bundesregierungea — nach näherer Prüfung der hier angedeuteten Gesichtspunkte — für die Vor⸗ bereitung eines Versicherungsgesetzes sich entscheiden, so würde es für die Vorarbeiten von großem Werthe sein, bereits jetzt die Meinungsäußerung über einige Fragen zu erhalten, welche die Richtung der weiteren Arbeiten in wichtigen Beziehungen beeinflussen.
I) Das Gesetz würde in erster Reihe die Zulassung neu⸗ errichteter Gesellschaften regeln. Durch welche Behörde und unter welchen Vgyraussetzungen die Zulassung auch erfolgt, in jedem Falle wird sie die Wirkung haben müssen, daß die Ge— sellschaften damit zum Geschäftsbetrieb im ganzen Reiche er⸗ mächtigt sind. Die HZulassung erhält damit die Bedeutung eins weittragenden Aktes, und es ist eine wichtige Frage, ob sie ähnlich, wie bei den Aktiengesellschaften, auf Grund ' einer Anmeldung bei dem zustaͤndigen Richter oder einer sonst geeigneten Unterbehörde erfolgen, soll, derart, daß durch, die Zulassung im Wesentlichen nur das Dasein einer ausreichenden , den Normativen des Gesetzes entsprechenden Ordnung der rechtlichen Verhältnisse des Unternehmens festgestellt wird, oder ob sie in den Formen eines Konzessionsverfahrens erwirkt werden soll, in welchen auch gewisse thatsächliche Verhältnisse der Unternehmung, wie die Zuverlässigkeit der das Unternehmen begründenden Gesell⸗ schafter, die Solidität des Geschäftsplanetäz im Allgemeinen und die Richtigkeit seiner technischen Unterlagen insbesondere, nach näheren gesetzlichen Maßgaben zur Beurtheilung gelangen.
Die bei der Zulassung an das einzelne Unternehmen zu stellenden Anforderungen würden nach der Gesellschaftsform der Unternehmungen und nach den Versicherungszweigen, welchen die letzteren gewidmet sind, verschieden sein müffen. Vor Allem würden sie die finanzielle Fundirung betreffen können. Die Frage, wie weit gerade nach dieser Richtung hin gegangen werden darf, bildet noch heute in der Theorie wie in der Praxis den Gegenstand großer Meinungsverschieden⸗ heiten. Es wird darüber gestritten, ov die Zulassung eines neuen Unternehmens abhängig gemacht werden darf von einem bestimmten Umfange der ganzen Geschäftsanlage, wie solcher bei den Prämiengesellschaften in der Größe des Grundkapitals und in der Höhe, der darauf ge⸗ leisteten Einzahlung, bei den Gegenseitigkeitsgesellschaften in der Größe der ersten Betheiligung und imn der Höhe der von den ersten Gesellschaftern aufgebrachten Betriebs- und Deckungsfonds zum Ausdruck gelangt, und inwieweit daran weiter die Forderung geknüpft werden kann, daß mit einer, die Verbindlichkeiten des Unternehmens erheblich mehrenden, zunahme des Geschäftsbetriebes nach den bezeichneten tichtungen auch dessen Fundirung verstärkt, also bei den Prämiengesellschaften die Einzahlung auf das Grundkapital und unter Umständen dieses felbst, bei den Gegenseitigkeits⸗ gesellschaften der Betriebs⸗ und Deckungsfonds eine Erhöhung erfahren sollen.
Eine besondere Beachtung nimmt sodann in der Lebens⸗ versicherung der Prämientarif und die Prämienreserve in An⸗ spruch. Die Gesetzgebung wird eine Einwirkung auf die Fest⸗ setzung der Prämientarife nicht üben wollen; fraglich ist es aber, ob sie durch die Verpflichtung der Gefellschaften zu ge⸗ wissen Veröffentlichungen über die von ihnen angenommenen Prämientarife die betheiligten Kreise in den Stand setzen soll, die Solidität jedes Tarifs und die Höhe seiner Ansätze zu beurtheilen. Allerdings bildet hier die Mannigfaltigkeit der Tarife, welche für die verschiedenen Versicherungsmodalitäten zur Anwendung kommen, eine Schwierigkeit: vielleicht würde es aber schon von wohlthätigem Einflusse fein, wenn nur die Ver—= öffentlichung der einfachsten und üblichsten in den Geschäftsplan der einzelnen ,, aufgenommenen Tarife für die gewöhn⸗ lichen inländischen Risiken angeordnet würde. Gegen eine Ein⸗ wirkung auf die Berechnung der Prämienreserven werden
in Betracht kommen. Nach diesseitiger Auffassung durfte
Bedenken kaum obwalten können. Dessenungeachtet ist es
den bisherigen Gesetzen nicht gelungen, einen praktisch nzn: befriedigenden Weg für eine solche Ein mie sun cn n Inwiemeit eine Veröffentlichung der Grundsätze, nach welche zie, Hefe ischasten bie gcinrit det laußenhen Kr feln he! berechnen, verlangt, und inwieweit auf die Bestimmun ö für diese Berechnung zunächst maßgebenden Elemente dadurch eingewirkt werden soll, daß das Gesetz die Höhe des Grunde zu legenden Zinsfußes begrenzt und der Verwaltun das Recht giebt, eine in Aussicht genommene Wahrschein in keitstafel zu verwerfen, bedarf ebenfalls eingehender Cr. wägung.
7) In dem Geschäftsbetrieb der Versicherungsan kommt für die Gesetzgebung zunächst die er e ge sbln in Betracht. Für die zinsbare Anlegung der Reserven, welche die Lebensversicherungsgesellschaften zur Deckung der künftigen Ansprüche aus, den laufenden Verficherungen zurückzustellen haben, lassen sich, wie ich als unzweifelhaft annehmen darf bindende Verschriften nicht entbehren. Dagegen fragt es sich, ob für die Anlegung der sonstigen Bestände dieser Gesellschaß⸗ ten und der Bestände der sonstigen Versicherungsunternehmun. gen derartige Bestimmungen als ein Bedürfniß anzuerkennen sind, Zu strenge Anforderungen können auf denn letzteren Gebiete unter Umständen die Dispositionen der Verwaltun sehr empfindlich und selbst zum Nachtheil der Versicherten er schweren; es bedarf deshalb die Frage einer besondert sorg⸗ fältigen Prüsung, in wie weit hler den Gesellschaften gesetz⸗ liche Beschränkungen aufzuerlegen fein werden,
3) Ein eigenthümliches Moment in dem Geschäfts betriebe der Feuer versicherungsgesellschaften ist die Gefahr der Ueber⸗ versicherung. Daß der wissentlichen Ueberversicherung entgegen getreten werden muß, ist gewiß, Die Frage ist nur, ob dies durch eine regelmäßige polizeiliche Kontrole der Versicherungs⸗ abschlüsse, wie solche in manchen Theilen des Reichs besteht oder auf anderen Wegen bewerkstelligt werden soll; bei der Beantwortung dieser Frage können die Schwierigkeiten nicht außer Betracht bleiben, welche der Einführung einer — für die Versicherungsgesellschasten und Versicherungsnehmer in gleicher Weise lästigen — Präventivkontrole dort entgegenstehen würden, wo das Landesrecht sie zur Heit nicht kennt. Zweifel⸗ hafter ist die Behandlung der fahrlässigen Uebernersicherung. Sie wird häufiger vorkommen, als die wissentliche Ueber⸗ versicherung, weil die, höheren Prämieneinnahmen für die Gesellschaften und die höheren Provisionsbezüge für die Agenten unter Umständen bestimmend sein können, die Schätzungen der Versicherungsnehmer in sehr nachsichtiger Weise zu behandeln. Andererseits ha. sie vom Standpunkte der öffentlichen Interessen weitere Nachtheile nicht, als daß sie einem die Feuersgefahr vermehrenden Leichtsinn auf Seiten der Versicherungs nehmer förderlich werden kann und für die letzteren zu unwirthschaftlichen Aufwendungen führt.
4 Was den Geschäftsbetrieb im Uebrigen betrifft, so wird man sich dabei bescheiden müssen, daß die staatliche Aussicht nur einen beschränkten Einfluß auf die Umsicht und Redlichkeit der Unternehmer zu üben vermag. Es wird sich hauptsächlich darum handeln, diejenigen Gesellschafts einrichtungen zu vervoll— kommnen, durch welche Fehler und Mißbräuche im Geschäfts⸗ betriebe am ehesten an die Oeffentlichkeit gebracht werden. Es wäre in dieser Beziehung vielleicht auf eine Gesellschaftsorganisation Gewicht zu legen, vermöge deren die Versicherten selbst, in den Prämien⸗, wie in den Gegenseitigkeitsgesellschaften einen Einfluß auf die Geschäftsführung gewinnen können. Das Un— befriedigen de der jetzigen Einrichtungen ist bei denjenigen Ge— sellschaften, in welchen die Versicherüngen regelmäßig fun eine langere Zeit laufen, nicht zu verkennen und es kann in der That kaum schärfer hervortreten, als in den Lebensversicherungs⸗ Aktiingesellschaften, in welchen das Interesse an einer sachge⸗ mäßen Geschäftsführung auf Seiten der Aktionäre gegenüber dem gleichen Interesse der Versicherten ein verschwindend ge— ringes ist.
5) Zur besseren und leichteren Beurtheilung der jahrlichen Geschäftsergebnisse der Gesellschaften wird eine ausführlichere als die bisher übliche Rechnungslegung, welche insbe⸗ sondere auf solche Gebiete des Betriebes klarlegt, auf denen erfahrungsmäßig Mißbräuche am leichtesten sich einschleichen, vorzugsweise beitragen können. Ob indessen die Veröffent— lichung ausführlicher Rechnungsabschlüsse und Bilanzen ge— nügen wird, die Verhältnisse der Gesellschaft den betheiligten Kreisen klarzulegen, unterliegt manchem Zweifel. Anderer— seits wird auch derjenige, welcher geneigt ist, diesem Bedenken, wenigstens in Ansehung der Lebensversicherungsgesellschaften, sich anzuschließen, zugeben müssen, daß eine erschöpfende Prü⸗ fung jener Veröffentlichungen durch die ordentlichen Landes⸗ aufsichtsbehörden nicht bewerkstelligt werden kann, weil die— selben im Allgemeinen den Verhältnissen des Versicherungs— wesens zu fern stehen. Eine erschöpfende Prüfung würde nur durch eine Centralstelle, welche in dem gesammten Versicherungs⸗ wesen orientirt und dessen Entwickelung stetig zu ver⸗ folgen in der Lage ist, geschehen können. Wird eine solche Prüfung als Bedürßfniß anerkannt, so wäre zu erwägen, ob sie nicht im Anschluß an eine bestehende Be⸗ hörde, etwa an das Kaiserliche statistische Amt, ohne erhebliche Mühe und Aufwendungen sich schaffen ließe. Wird sie aber nicht für erwünscht gehalten, so möchte vorzuziehen sein, auf eine amtliche Kontrole des Geschäftsbetriebes überhaupt zu verzichten, um nicht durch den Schein einer solchen ein Ver⸗ trauen in die Versicherungsgesellschaften zu begründen, für welches eine staatliche Gewähr dann nicht übernommen wer— den könnte.
6) Es wird davon ausgegangen, daß eine reichsgesetzliche Regelung des Versicherungswesens keinenfalls soweit ausge⸗ dehnt werden soll, daß auch die Grundsätze für die Besteue⸗ rung der Gesellschaften und ihrer Agenten in den einzelnen Bundesstaaten ihren Platz darin finden. Eine andere Frage ist es aber, ob ein Reichsgesetz, welches die Geschäftsthätigkeit der Versicherungsgesellschaften im ganzen Reiche unter gleiche Bedingungen zu stellen bezweckt, nicht Vorsorge zu treffen hat, daß diese Absicht durch die in den einzelnen Bundesstaaten dem Versicherungsgeschäft auferlegten steuerlichen Verpflich⸗ tungen nicht wieder illusorisch werde. Bekannt ist es, daß Seitens der Versicherungsgesellschaften über die ungleichartige, zum Theil die Geschäftsentwickelun hemmende Besteuerung geklagt wird. Es würde daher von nteresse sein, eine Ueber⸗ sicht über die in den einzelnen Bundesstaaten bestehenden, die Besteuerung der Versicherungsgesellschaften und ihrer Agenten ö Gunsten des Staates oder der Gemeinden regelnden Vor— christen zu erhalten.
Ein Anlaß, die Verhältnisse der dur Landesgesetze oder erordnungen, namentlich für die Versicherung gegen
. gegründeten Anstalten in eine reichsgesetzliche Regelung hineinzuziehen, dürfte im Allgemeinen nicht vor⸗
liegen. Insbesondere würde der zu Gunsten mancher öffent⸗ licher Versicherungsanstalten bestehende Versicherungszwang vom Standpunkte der Reichsgesetzgebung aus unberührt bleiben können. Zweifelhafter wird es sein, ob die— jenigen Bestimmungen, welche, ohne einen Versiche⸗ rungszwang zu. Gunsten jener Anstalten zu begründen, doch dem Geschäftsbetrieb der Versicherungsgesellschaften Beschränkungen auferlegen, ob insbesondere solche Vor⸗ schriften, durch, welche Denjenigen, die nicht geneigt sind, bei den öffentlichen Anstalten Versicherung zu nehmen, die Versicherung überhaupt untersagt wird, sich gegenüber einer Gesetzgebung würden aufrecht erhalten lassen, welche die För⸗ derung des Versicherungswesens im Allgemeinen, nicht die Förderung der Geschäfte gewisser Anstalten bezmbeckt. Be— kunmungen der gedachten Art können, so weit fie nicht zur Versicherung bei den begünstigten Anstalten führen, in der That nur die Wirkung haben, die Verficherung zu erschweren oder zu verhindern.
Ich würde es mit lebhaftem Danke erkennen, wenn die Hohen Regierungen, welche das Bedürfniß des baldigen Er⸗ lasses eines Reichs⸗-Versicherungsgesetzes anerkennen sollten, die in Vorstehendem berührten Fragen, so weit die auf dem Gebiete des Versicherungswesens gesammelten Erfahrungen die geeigneten Unterlagen bieten, einer geneigten Beurtheilung . und zum Gegenstande einer Rückäußerung machen wollten.
— Die seit Kurzem schwebenden Verhandlungen wegen eines neuen Vertrages über den Austausch von Po st⸗ anweisungen zwischen Deutschland und den Ver—⸗ einigten Staaten von Amerika sind zum Abschluß ge— langt. Das Abkommen ist heute auf dem General-Postamte von dem Geheimen Ober-Postrath Günther und Mr. Maedo— nald, Superintendent des Postanweisungs-Amts der Ver⸗ einigten Staaten, unterzeichnet worden.
— Die Erste General-Synode der Evangelischen Landeskirche ist heute Vormittag um 10 Uhr in Gegen— wart des Ministers der geistlichen 2c. Angelegenheiten von Puttkamer und des Ministerialdirektors Lucanus im Sitzungs— saale des Herrenhauses eröffnet worden. Nachdem der General— Superintendent Dr. Brückner das Gebet gesprochen hatte, hielt der Präsident des evangelischen Ober-Kirchenraths Hermes die Eröffnungsrede, in welcher er als die wichtigsten. Vor⸗ lagen zur Berathung die folgenden ankündigte: die Ge— setze über die Trauungs-Ordnung und über die Ver— letzung kirchlicher Pflichten in Bezug auf Taufe, Konfir— maion und Trauung, ein Gesetz über Umgestaltung der Emeritenverhältnisse, verschiedene Denkschriften, durch welche theils eine Berathung der Behörde durch die gutachtliche Aeuße— rung der Synodalkörperschaft, theils nur die Darlegung ein⸗ zelner, die Kirche allgemein betreffender Verhältnisse an die Synode bezweckt wird, und die Jahresrechnung über die bis⸗ her vom Evangelischen Ober⸗-Kirchenrath verwalteten Fonds.
Nachdem die vier jüngsten Synodalen zu provisorischen Schriftführern bestimmt worden, und die Synode auf Antrag des Präsidenten Hermes beschlossen hatte, die anwesenden Synodalen vorläufig als legitimirt zu betrachten, wurde Graf v. Arnim⸗Voitzenburg einstimmig zum ersten Präsidenten, und Superintendent Rübesamen (Möhringen) mit 114 gegen 65 Stimmen zum zweiten Präsidenten erwählt. Graf v. Arnim⸗ Boitzenburg übernahm hierauf mit dankenden Worten den Vorsitz und veranlaßte die Wahl der Schristführer, die auf den Freiherrn von Maltzahn-Gültz, den Superintendent Pfeiffer, den Pfarrer Eilsberger und den Landgerichts⸗-Rath Schellberg fiel. So⸗ dann rief der Schriftführer Frhr. von Maltzahn⸗Gültz die Mit⸗ glieder einzeln auf, und der Präsident ließ sie das Gelöbniß ablegen.
Alsdann wurde beschlossen, an Se. Majestät den Kaiser und König sogleich ein Telegramm abzusenden, in welchem Aller— höchstdemselben von der Eröffnung der General⸗Synode An⸗ zeige gemacht wird. Demnächst wurde ein Schreiben des Evangelischen Ober⸗Kirchenraths verlesen, nach welchem der General-Superintendent Dr. Brückner zum König⸗ lichen Kommissar der General-Synode ernannt ist. Nachdem die nächste Sitzung auf morgen 1 Uhr Mittags anberaumt worden war, sprach der Ober⸗ Hofprediger von Hengstenberg das Schlußgebet, worauf die Sitzung gegen 12/½ Uhr Mittags geschlossen wurde.
— S. M. Kanonenboot „Hyäne“, 4 Geschütze, Kom— mandant Kapt. Lt. von Gloeden, ist auf der Reise nach der Westküste Amerikas am 8. d. Mts. von Wilhelmshaven nach Plymouth in See gegangen.
S. M. Aviso „Möwe“ ist am 8. d. Mts. von der Werft des Kommerzien⸗-Raths Schichau in Elbing glücklich vom Stapel gelaufen.
Elsaß⸗Lothringen. Straßburg, 8. Oktober. (W. T. B.) Der in das Ministerium für Elsaß-Lothringen be— rufene Reichstagsabgeordnete Schneegans hat sich heute von seinen Wählern im Kreise Zabern verabschiedet. In seiner Ansprache sagte derselbe: Das von ihm gegebene Ver⸗ sprechen, dahin zu wirken, daß die Verhältnisse des Landes im Lande selbst geregelt würden, sei durch das Zusammen⸗ wirken des Reichstages, der Regierung und seiner autono⸗ mistischen Kollegen in Erfüllung gegangen. Die Befugnisse des Landesausschusses seien erweiterk und derselbe zur An⸗ nahme von Petitionen ermächtigt worden; das Land schicke Kommissäre in den Bundesrath. Er hoffe, daß die neue Aera eine glückbringende sein und daß die regelmäßige Entwicklung des Landes demselben eine versöhnende Zukunft sichern werde. Diese Ueberzeugung habe ihn bewogen, auf Aufforderung der Regierung in das neugegründete Ministerium einzutreten. Er habe den Entschluß dazu erst gefaßt, nachdem er in dem Ein⸗ verständnisse seiner politischen Freunde die Ermuthigung dazu gefunden habe. Die Annahme seines neuen Amtes ziehe nach dem Gesetz die Niederlegung seines Mandats nach sich, und habe er daher dem Präsidium des Reichstags die bezüg— liche Anzeige gemacht.
Desterreich⸗ Ungarn. Wien, 8. Oktober. (W. T. B.) Die Thronrede, mit welcher der Reichsrath heute er—⸗ öffnet wurde, heißt zunächst die Vertreter beider Häuser des Reichsraths am Beginn einer neuen Periode verfassungs⸗ mäßiger Thätigkeit herzlich willkommen. Es heißt dann weiter: „Indem nun auch die Abgeordneten meines geliebten Königreichs Böhmen, meinem Rufe folgend, unbeschadet ihrer Rechtsüberzeugung und ungeachtet der Verschiedenheit ihrer Anschauungen, vollzählig den, Boden gemeinsamer Verhand⸗ lungen betreten, ist ein wichtiger Schritt geschehen, um zu
jener allgemeinen Versöhnung und Verständigung zu ge⸗ langen, die stets das Ziel meiner Wünsche waren, und sch gebe mich der zuversichtlichen Hoffnung hin, daß es bei allseitiger Mäßigung und gegenseitiger Achtung des Rechts Ihren Berathungen gelingen wird, dieses im Interesse der Machtstellung der Monarchie stets festzuhaltende Ziel auch wirklich zu erreichen, und so der Verfassung die gleich freu⸗ dige Anerkennung aller Völker zu sichern.“ Auf die Arbeiten, die des Reichsraths harren, übergehend, werden in der Thron rede vor Allem Gesetzentwürfe über das Wehrwesen angekün⸗ digt. Bei Berathung dieser Vorlagen werde den Reichsrath die patriotische Erwägung zu leiten haben, daß in der eigenen Kraft die verläßlichste Bürgschaft des Friedens liege, welcher der Bevölkerung die Früchte des Gewerbefleißes sichert, und daß die Monarchie immer im Stande sein müsse, mit dem vollen Gewichte ihrer Bedeutung einzutreten, wenn die Ereig⸗ nisse den Schutz ihrer Interessen erheischen. Ferner wird ein Gesetzentwurf angekündigt, betreffend die Aufbesserung der Invalidengebühren, die Versorgung hülfsbedürftiger Wittwen und Waisen der vor dem Feinde Gefallenen, sowie die Unterstützung hülfsbedürftiger Familien der im Falle der Mobilisirung Einberufenen durch Einführung der im Wehrgesetze vorgesehenen Militärtaxe; eine weltere Gesetzvor⸗ lage wird die Verwaltung Bosniens und der Herzegowina be— treffen. Das Bestreben zur Herstellung des Gleichgewichts im Staatshaushalte werde sich zunächst auf alle mit den bestehen⸗ den Einrichtungen vereinbarliche Ersparungen, speziell durch Vereinfachung der Verwaltung, erstrecken und auch das Kriegs⸗ budget umfassen, soweit dieses mit der Machtstellung und Sicherheit des Reiches vereinbarlich sei. Die Deckung des Abganges, welchen der nächste zur Vorlage gelangende Staatsausgaben-Voranschlag aufweist, soll ohne Inanspruch⸗ nahme des Staatskredits und ohne Schädigung der Pro⸗ duktionskraft der Bevölkerung durch Vermehrung der Ein⸗ nahme geschehen. Eine neue Vorlage, betreffend die Reform der direkten Besteuerung werde mit Benutzung umfassender Vorarbeiten eingebracht werden. Dem Reichsrathe werde es höffentlich gelingen, die im Interesse einer gerechten Verthei⸗ lung der Lasten so dringend nothwendige Verbesserung der Steuersysteme Oesterreichs endlich zur Ausführung zu bringen. Eine besondere Sorgfalt werde den Maßnahmen zur Hebung der heimischen Arbeit gewidmet sein. Bei der Erneuerung der demnächst ablaufenden Handelsverträge werde darauf Bedacht zu nehmen sein, die Rachtheile abzuwen— den, welche die Produktion, sowie den Handel und Verkehr Oesterreichs durch die geänzerte wirthschaft— liche und Zollgesetzgebung des Auslandes gefährden könnten. Die in letzter Zeit gepflogenen Besprechungen eröffnen eine erfreuliche Aussicht auf eine günstige Regelung des Verkehrs und der Handelsverhältnisse mit dem Deutschen Reiche. Die Einbeziehung der neuen Gebiete in dem Zollverband, sowie Errichtung von Lagerhäusern in Triest lassen eine dauernde Belebung des Handelsverkehrs erwarten. Die Entwickelung des Eisenbahnwesens und die nöthige Erleichterung der mit dem Systeme der Staatsgarantie verbundenen Lasten werde volle Aufmerksamkeit erheischen. Der Bau der immer wichti⸗ ger werdenden Arlbergbahn sei durch Verhandlungen bedingt, auf deren baldigen Abschluß die Regierung bedacht sei. — Weiter kündigt die Thronrede sodann Gesetzentwürfe an über die grund⸗ sätzlichen Bestimmungen für die Zusammenlegung von Grund— stücken, ferner eine Revision der Gewerbegesetze behufs Förde— rung der gewerblichen Interessen, insbesondere durch Kräfti⸗ gung des kleinen Gewerbes und zeitgemäße Regelung des Verhältnisses zwischen Arbeitgebern und Hülfsarbeitern, ein Gesetz über die Erleichterung und theilweise Auflassung der Besteuerung von Vorschußkassen ist in Aussicht genommen. Weitere Gesetzentwürfe, r n, die Abhülfe wider unred⸗ liche Vorgänge bei Kreditgeschäften und die Befreiung von der Legalisirungspflicht bei Tabularurkunden über Objekte von geringerem Werthe, ferner die Reform der Civilprozeßordnung und des materiellen Strafrechts, endlich die Verbesserung der Lage des Seelsorgeklerus. Die Thronrede betont, daß angefichts der längeren Dauer der letzten Session und der Neuwahlen die Landtage nicht vor dem Beginn der Reichsrathssession einberufen werden konnten; eine Selbstbeschränkung und weise Ausnutzung der Zeit behufs regelmäßiger Aufeinanderfolge der legislativen Körperschaften erschienen wünschenswerth. Die Thronrede konstatirt die ungetrübte Fortdauer der guten Beziehungen zu allen Mächten, die Durchführung des Berliner Vertrages in seinen wesentlichen Bestimmungen und den Vollzug des Ein— marsches in das Sandschak Novibazar auf Grundlage dieses Vertrags in freundschaftlichem Einvernehmen mit der Pforte; es werde die Aufgabe der Regierung sein, der nunmehr er— möglichten nachhaltigen Pflege und Entwickelung der wirthschaft⸗ lichen Beziehungen Oesterreichs zum Oriente ihre volle Aufmerk⸗ samkeit zuzuwenden. Die Thronrede schließt; „Die vielen Beweise treuer Liebe und Anhänglichkeit meiner Völker für mich und mein Haus, sowie die aus der Mitte der Bevölkerung immer lauter tönenden Rufe nach Erhaltung der Eintracht, in welcher meine Völker seit Jahrhunderten friedlich neben einander lebten, haben meinem Herzen wohlgethan. Diese Kundgebun⸗ gen sind mir eine Gewähr, daß auch Sie, von demselben Geiste der Eintracht und Mäßigung beseelt, auf dem Boden verfassungsmäßigen Wirkens zu ruhiger und stetiger Ent⸗— wickelung des allgemeinen Wohls sich verständigen werden. Oesterreich wird treu seinem geschichtlichen Berufe ein Hort sein für die Rechte seiner Länder und Völker in ihrem un— trennharen einheitlichen Verhande und eine bleibende Stätte des Rechts und der wahren Freiheit“. .
— Die heutige Eröffnung der Reichsrathssession erfolgte in sehr feierlicher Weise. Sämmtliche Logen und Plätze waren dicht besetzt, das diplomatische Corps war sehr zahlreich vertreten. Bereits vor 129 Uhr hatten sich die Mit— glieder beider Häuser des Reichsrathes, theils in großer Gala— Uniform, theils im Frack, theils in ihrer Nationaltracht im großen Saale versammelt. Punkt 12 Uhr erschien der Kaäiser unter Vorantritt der Erzherzöge, Minister, General— Adjutanten und Hoswürdenträger und wurde von den Anwesenden mit dreimaligem stürmischen Hoch be⸗ grüßt. Der Kaiser verlas sodann die Thronrede mit weit vernehmbarer Stimme, fortgesetzt durch lebhafte Zurufe und Hochs unterbrochen. Sehr stürmischen einstim— migen Beifalls erfreuten sich die Absätze der Thronrede, be⸗ treffend die Hebung der volkswirthschaftlichen Lage, und schließ⸗ lich ertönte namentlich bei den Worten: „Oesterreich wird treu , geschichtlichen Berufe ein Hort sein für die Rechte einer Länder und Völker in ihrem untrennbaren einheitlichen Verbande und eine bleibende Stätte des Rechts und der wahren Freiheit“ ein nicht endenwollender Beifallssturm, welcher in fortwährenden Hochs in deutscher und slavischer
Sprache Ausdruck fand. Bei dem Verlassen des Saales Seitens des Kaisers erscholl abermals ein dreimaliges be⸗ geistertes Hoch. . — .
— Aus Cettinje meldet die „Polit. Corresp.“:. Die Montenegriner schicken sich an, von den ihnen durch den Berliner Vertrag zuerkannten Gebieten von Gusinje und Plapa Besitz zu ergreifen. Da die Alba⸗ nesen sich in der Richtung von Andrijevica in starken Ab⸗ theilungen zusammenrotten und Miene machen, die Besitz⸗ ergreifung Seitens der Montenegriner mit den Waffen in der Hand zu verhindern, so treffen die Letzteren alle Vor⸗ kehrungen für einen Kampf. In Andrijevica ist viel montenegrinischer Proviant⸗ und Munitionsvorrath aufge⸗ stapelt. Der Herzog von Württemberg wird heute er⸗ wartet.
Y. Oktober. Die amtliche „Wiener Zeitung“ ver—⸗ öffentlich ein Handschreiben des Kaisers an den Grafen Andrassy vom 8. d. M., durch welches derselbe auf seine Bitte von dem Amte des Ministers des Kaiser⸗ lichen Hauses und des Aeußeren enthoben wird. Das Hand⸗ schreiben lautet: „Wenn Ich, obgleich mit Widerstreben und Bedauern, Ihrer Bitte um Enthebung vom Amte des Ministers Meines Hauses und des Aeußern entspreche, so möge Ihnen dies als Beweis des hohen Werthes gelten, den Ich auf die Erhaltung Ihrer Gesundheit lege. Sie haben wahrend einer Reihe von Jahren und einer der ereignißreichsten und denk⸗ würdigsten Epochen die Last schwerer Verantwortung mit Muth, Kraft und Erfolg getragen, und können mit vollberech⸗ tigter Befriedigung aus einem Wirkungskreise scheiden, in welchem Sie der Monarchie und Meinem Hause die hervor⸗ ragendsten Dienste geleistet haben. Ihren Rücktritt betrachte Ich jedoch keineswegs als den Abschluß Ihres staatsmännischen Wirkens; vielmehr bürgt Mir Ihre Ergebenheit für Meine Person und die aufopfernde Hingebung, mit welcher Sie die⸗ selbe bethätigten, dafür, daß Sie bereitwilligst Meinem Rufe folgen werden, sofort, auf welchem Felde immer Ich Ihre be⸗ währten Dienste wieder in Anspruch nehmen sollte. Mein vollstes Vertrauen bleibt Ihnen ebenso gewahrt, wie Meine dankbarste Anerkennung.“ — Ein weiteres Handschreiben des Kaisers an den Baron von Haymerle ernennt denselben zum Minister des Kaiserlichen Haufes und des Aus⸗ wärtigen und betraut ihn mit dem Vorsitze im gemeinsamen Ministerrathe.
Pest, 8. Oktober In der heutigen Sitzung des Unter⸗ hauses theilte der Minister-Präsident Tisza das für den Reichstag entworfene Arbeitsprogramm mit und kuͤndigte zahlxeiche Vorlagen an. Unter denselben befinden sich solche Über die Verwaltung Bosniens, über das Inkolat, über die Verleihung von Privilegien an Bodenkreditinstitute, über das Konkursverfahren, über die Einbeziehung der okkupirten Länder in das Zollgebiet und über die Modifikation des Wehrgesetzes. Das Budget werde im Laufe des Monats vor— gelegt werden. Sodann machte der Minister⸗Präsident Mit⸗ theilung über den Stand der Szegediner Rekonstruktions— arbeiten, die aus fast allen Ländern der Welt eingegangenen Spenden im Betrage von 2 600 009 Fl. seien bei den Spar⸗ kassen deponirt und würden s. 3. ihrer Bestimmung zugeführt werden. Der Bericht wurde vom Hause zur Kenniniß ge⸗ nommen. Schließlich erwähnte der Minister⸗Präsident die gegen einen etwa drohenden Nothstand zu ergreifenden Maß—⸗ nahmen und erklärte, die Befürchtungen von einer Hungers⸗ noth seien unbegründet; vor allem sei die Landbevölkerung mit Sämereien zu versehen, die Obergespane seien angewiesen worden, den dringendsten Bedürfnissen unverzüglich abzuhelfen und an die Regierung zu berichten.
Großbritannien und Irland. London, 7. Oktober. (Allg. Corr. Das Indische Amt hat von dem Vize⸗ König folgende Depesche, datirt vom 5. d. M., erhalten: „General Roberts wurde gestern in Zahidabad aufgehalten, da er auf Tranzportmittel warten mußte. Er rückt heute nach Chara siah, einen Tagesmarsch von Kabul, vor.“
Dem „Standard“ wird aus Zargunshar, vom 3. gemeldet: „Drei Leute vom 12. bengalischen Kavallerie⸗Regi⸗ ment, welche sich während der Meßzeleien auf Urlaub in Kabul befanden, flüchteten gestern aus dieser Stadt und trafen heute im Lager ein. Dieselben behaupten, daß der Aufstand in Kabul weder Haupt noch Leitung besitze, und daß die vollständigste Verwirrung herrsche. Die Artillerie habe sich den Aufständischen nicht angeschlossen, sondern halte ; gänzlich abseits; sie halte Bala Hissar für den Emir und beschirme sein Eigenthum und seine Familie, drohe jedoch offen, falls der Emir nicht unverzüglich nach Kabul zurück⸗ kehre und die Führung sämmtlicher Truppen gegen die Briten übernehme, Bala Hissar zu plündern und sich aufzulösen, da sie nicht ohne Führer kämpfen könne. Die afghanischen Regimenter errichteten starke Verschanzungen auf der Höhe, welche Bala Hissar vom Rücken aus beherrscht. Vor Kabul steht nunmehr eine entscheidende Aktion in Aussicht.“
— 8. Oktober. (W. T. B.) General Roberts meldet aus Charasaib, vom 6. d. M., Abends: Bei früh am Morgen auf allen nach Kabul führenden Straßen vorge—⸗ nommenen Rekognoszirungen stießen die englischen Trup⸗ pen auf starke von der Stadt her vorrückende feindliche Ab⸗ theilungen. Während die englischen Rekognoszirungs⸗Abthei⸗ lungen sich zurückzogen, erschienen afghanische Truppen und Bewohner von Kabul auf den Hügeln zwischen Eharasaib und Kabul. Zugleich sammelten sich Ghilzais auf den Hügeln zu beiden Seiten des englischen Lagers. Nach einem hartnäckigen Kampfe wurden die Hügel von den englischen Truppen besetzt und der Feind in allgemeiner Ver⸗ wirrung in die Flucht geschlagen. Die englischen Truppen verloren an Verwundeten und Todten etwa 85 Mann; außer⸗ dem sind 2 Offiziere und 1 Arzt verwundet. Ueber die Größe des von dem Feinde erlittenen Verlustes ist nichts bekannt. Den Afghanen wurden 12 Kanonen und 2 Fahnen abge⸗ nommen. Es sind starke Pikets ausgestellt worgen, da sich noch viele Ghilzais in der Nachbarschaft des englischen Lagers aushalten. General Roberts hoffte, am 7. d. bis auf eine geringe Entfernung von Kabul vormarschiren zu können. — Der Emir theilte mit, daß seine Familie nach der Stadt gegangen sei, weil Balahissar nicht mehr im Besitze von Leuten sei, denen er trauen könne. Die Häuptlinge von Chardeh und aus den Vorstädten haben sich bereit erklärt, dem General Roberts ihre Ergebenheit zu erzeigen. General Roberts ist der Meinung, daß diesem Beispiele andere Häupt⸗ linge folgen werden, und glaubt, daß das Land sich be⸗ ruhigen werde, sobald das Volk sehe, daß sein Widerstand nutzlos sei. ur Zeit herrscht in der Stadt mie auf dem Lande große Aufregung.
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