1879 / 280 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 28 Nov 1879 18:00:01 GMT) scan diff

icht in der Mathematik und Finanzwissenschaft ertheilt. Die . 1 . Fürsorge ist dem körperlichen Wohlbefinden, wie der Verbesserung der wirthschaftlichen Lage der Beamten zugewendet worden. Die seit 7 Jahren bestehende Einrichtung der Gewährung von Erholungsurlaub wurde auf die Telegraphenbeamten aug— gedehnt und hat sich nicht nur für die Beamten, sondern auch für die Verwaltung als eine ersprießliche Maßregel erwiesen.

Tas Institut der Vertrauensärzte erhielt, zunächst für Berlin, eine Erweiterung, indem vier Aerzte, jeder für einen beson. deren Bezirk, angenommen wurden, welchen die weitergehende Ver pflichtung obliegt, den sämmtlichen Post⸗ und Telegraphen⸗Unter⸗ kiten in Krankheitsfällen unentgeltlich ärztlichen Beistand zu eisten.

Die Post⸗Spar, und Vorschußvereine für Angehörige

der Reichs-Post⸗ und Telegraphenverwaltung liefern durch den zu⸗ nehmenden Aufschwung deutlichen Beweis für das Bedürfniß ihrer Einrichtung. Am Schlusse des Jahres 1878 hatte betragen:; die Zahl der Mitglieder 3) 401, gegen 1575 mehr 9553, das gefammte Ver— eins vermögen 4 624 942 Sς, gegen 1875 mehr 2483 693 S n Vor schüssen wurden an Vereinsmitglieder im Jahre 1878 gewährt in 17678 Fällen 2766 751 6 ÄUäBefonders segenzreich erwies sich das Vorhandensein der nunmehr auch auf die Angehörigen der Reichs⸗ Telegraphenverwaltung ausgedehnten Kaiser Wilhelm ⸗Stif⸗ tung für die Angehörigen der Deutschen Reichs- Postverwaltung, eine Stiftung, deren Vermögen durch mehrfache Zuwendungen bis Ende März 1879 auf 407 900 S6 gewachsen ist. Aus den Einkünften erfolgten in dem Zeitraum vom 1. Januar 1876 bis Ende März 1879 in 625 Fällen Bewilligungen an Reisestipendien, an Studien“ stipendien und an Unterstützungen in Höhe von 61 138 Aus dem Post- Armen und Unterstützun gsfonds, dessen Kapitalsvermögen 923 142 S beträgt, erhlelten im Rechnungsjahr 1878/79 11 294 Personen Geldunterstützungen. Die Gesammtzahl der unter Mitwirkung der Post« und Telegraphenverwaltung ab— geschlossenen Lebens versicherungen von Beamten und UÜnter— beamten belief sich Ende März 1879 auf 7134 Versscherungen mit einer Summe von 17 147 241 0

An Posthaltere ien waren vorhanden Ende 1875 1464, dar—⸗ unter 20 reichgeigene, Ende 1878 1333, darunter 8 reichseigene. Die Zahl der Postpferde belief sich auf 13 319 bz. 11 554, darunter h9 reichkeigene Pferde, wovon 454 auf die reichseigene Posthalterei in Berlin entfallen. Die Anzahl der Postwagen und Post schlitten stellte sich 1575 auf 13 1092, 1878 auf 12369, darunter gös reichseigene Bahnpostwagen, 305 Postabtheilungen in Wagen der Eisenbahnverwaltungen. Die Zahl der täglich zur Postbeforde⸗ rung benutzten Eisenbahnzüge belief sich Ende 1875 auf 2876, Ende 1878 auf 3282; von diesen letzteren wurden 789 durch Be⸗ amtenbahnposten, 1293 durch Schaffnerbahnposten begleitet. Bei 1209 Zügen fand die Beförderung von Briespostgegenständen durch Vermittelung des Eisenbahnpersonals statt.

Die Postkurse auf Eisenbahnen erstreckten sich Ende 1875 auf 22 091 km, Ende 1878 auf 24 527 km.

Auf Landstraßen betrug die Kurslänge der Posten Ende 13575: 58 901 km, Ende 1878: 55.289 km, die Zahl der Postkurfe Ende 18735: 4078, Ende 1878: 4175; die Zahl der Personenposten Ende 1875: 2311, Ende 1878: 1979. In Folge der Aufhebung von Personenposten aus Anlaß der Erweiterung des Eisenbahnnetzes sank lie Zahl der mit den Posten gereisten Personen von 4 455 922 im Jahre 1875 auf 3210 5595 im Jahre 1878.

An ziegelmäßigen Privat-Personenfuhrwerken bestanden Ende 1878: 865 mit einer Kurslänge von 160 021 km.

Zur Postbeförderung auf Wasserstraßen dienten in dem dreijährigen Zeitraum jährlich 52 Dampfschiffsverbindungen in einer Länge von 18600 km. JZurückgelegt wurden von den Bahnposten im Jahre 1875: 73 7665 014 kim, im Jahre 1878: S1 279 021 im, von den Posten auf Land straßen im Jahre 1875: 54 232 613 km, im Jahre 1878: 50 483 303 km, von den Posten auf Wasser“ straßen im Jahre 1875: 636 213 Km, im Jahre 1878: 656 536 km, insgesammt im Jahre 1875: 128 577 846 kin, im Jahre 1878: 132 412 860 km.

Die Erweiterung des Telegraphennetzes erstreckt sich auf oherirdische, unterirdische und unterseeische Linien. Die Länge der oberirdischen Linien betrug Ende Januar 1875: 33 245 Em, dagegen Ende September 1879: 51 484 km, es sind mithin in den letzten 43 Jahren neu gebaut 18239 km, was einer Vermehrung um rund 56h so gleichkommt. Die Länge der oberirdischen Leitungen betrug Ende Januar 1875: 120779 km, dagegen Ende September 1359: 166 208 Em, also mehr 48429 km, d. i. gegen 1875 mehr rund 1400/0. Diese erhebliche Verdichtung des Telegraphennetzes hat fich über alle Theile des Reichsgebiets verbreitet. Gebirgsdistrikte und Seeküsten sind mit in das Netz gezogen worden. Als ein wichtiger Fortschritt in der Telegraphie ist der Uebergang zu dem System der unterirdischen Telegraphenlinien zu bezeichnen. Von den im Plane vorgesehenen Linien, welche in ihrer Gesammtbeit darauf berechnet sind, die wichtigsten Verkehrsorte des Reichs, sowie dessen Festungen und Seepläͤtze in gesicherte unterirdische Telegraphenverbin- dung zu setzen, sind in den Jahren 1876 bis 1679 hergestellt worden:

a. die Linie von Berlin über Halle a. S. und Cassel nach Frank⸗

furt a M. und Mainz;

b. die Linie von Halle a. S. nach Leipzig;

die Linie von Berlin nach Hamburg; die Linie von Hamburg nach Kiel; die Linie von Berlin nach Cöln über Magdeburg, Braun— schweig, Hannover, Minden, Münster, Wesel und Düsseldorf; die Linie von Cöln nach Elberfeld und Barmen; „die Linie von Frankfurt a. M. nach Straßburg i. E. über Darmstadt, Mannheim, Karlsruhe, Rastatt und Kehl;

die Linie von Hamburg nach Cuxhaven;

i, die Linie von Hamburg über Bremen und Oldenburg nach . mit Abzweigung nach Bremerhaven und Wilhelms— aven;

„die zinie von Cöln über Coblenz und Trier nach Metz;

die Linie von Metz nach Straßburg i. E;

m. die Linie von Coblenz nach Mainz und

n. die Linie von Berlin nach Dresden.

Nach gänzlicher Fertigstellung der Linie Berlin-Dresden erglebt sich eine Ausdehnung von 3660 Km Linien. Die meisten diefer Linien zählen sieben, einige vier Leitungen, und es beträgt die Ge⸗ sammtlänge der fortlaufend unterirdisch geführten Leitungen des Reiches 24946 km. Außerdem wurde zwischen den Inseln Alsen und Fühnen in Gemeigschaft mit der Königlich dänischen Telegra— phenverwaltung ein unterseeisches Kabel gelegt. Durch dat im Sommer 1879 gelegte unterseeische Kabel zwischen Sylt und Arendal endlich ist eine unmittelbare telegraphische Verbindung zwischen Deut schland und Norwegen hergestellt worden. Die Länge des Kabels beträgt 466 km.

Wesentliche Fortschritte sind auf dem Wege der Ver kehrs⸗ erleichterungen ju verzeichnen. Die günstige Aufnahme, deren das Post auftragsverfahren bei dem Publikum sich erfreut, gab Anlaß, die Einrichtung im Jahre 1875 dahin zu erweitern, daß Postaufträge auch zur Einholung der Annahmeerklärung seitens des Bezo enen benutzt werden können. Es haben betragen: die Änzahl der P estauftragsbriefe im Jahre 1575: 1,5 Million, im Jahre 1818; 3,1 Millionen, der einzuziehen de Betrag 1875: 184 Millionen Mark, 1878: 306,3 Millionen Mark, der Gebührenertrag 446 307 bz. 858 443 . Gine außerordentliche Steigerung zeigte sich bei den Postan weisungen innerhalb des Deutschen Reichspostgebiets. Die Anzahl nabm zu von 18.5 Millionen Stück mit 1069,4 Millio⸗ nen Mark Einzahlung und einem Gebührenertrage von 4 Millonen Mark im Jahre 1875, auf 27,6 Millionen Stück mit 1777, 1 Millio⸗ nen Mark Einzahlung und einem Gebührenertrage von 6,1 Millionen Mark im Jahre 1875. Die Zunahme gegen dag Jahr 1875 berech net sich auf 49,? ( bei der Stückzahl, auf 66,2 0,9 bei dem ein⸗

gejahlten Betrage, und auf 53, 1 o/o bei dem Gebührenertrage. Der Meistbetrag für Postanweifungen ist von 300 auf 400 S erhöht worden, ohne daß eine Erhöhung der Postanweisungsgebühr einge treten ist. Der Bestel (dien st in Postorten erstreckt sich gegen⸗ wärtig allgemein auch auf Werthsendungen bis zum Betrage von 3000 SS In 2 Städten können die vom Auslande eingehen⸗ den zollpflichtigen Sendungen auf Wunsch der Empfänger durch Postbeamte verzollt werden.

Telegramme werden von sämmtlichen Postanstalten, auch von solchen, mit welchen eine Telegraphenbetriebsstelle nicht ver⸗ bunden ist, augenommen. .

Der Reichs ⸗Telegraphentatif hat im Jahre 1876 eine grundsätzliche Umgestaltung erfahren. An Stelle der früheren Drei⸗ Zonensätze ist eine einheitliche Taxe getreten, bei welcher ohne Rück= sicht auf die Entfernung die Taxe nach der Wortzahl bemessen wird. Der neue Tarif bezweckt die Vereinfachung der Gebührenerhebung und die Herstellung eines richtigen Verhältnisses der Gebühr zur Leistung. Die Einnahme an Telegrammgebühren beziffert sich für das Kalenderjahr 1875 auf 10594 538 , für das Etatsjahr 1878/79 auf 12 845 379 6, so daß sich für 1378 gegen 1875 eine Mehr einnahme von 2260 841 ½½, d. i. eine Steigerung um 21,24 Go, ergiebt. Tie große Zahl neu errichteter Stationen hat zur Vermehrung der Einnahme beigetragen. Auf der anderen Seite kommt in Betracht, daß der Rückgang in den Geschäften, den die anhaltende Handelskrisis verursacht, auf den telegraphischen Ver—⸗ kehr ungünstig einwirkt. Fast noch höher als der finanzielle Erfolg des neuen Tarifs ist für die Verwaltung die größere Schnelligkeit in der Depeschenbeförderung, sowie die Verringerung der Arbeit im Betriebe zu schätzen. Vor dem 1. März 1876 enthielt jedes Telegramm durchschnittlich 185,z. Worte, gegenwärtig beträgt der Durchschnitt 12, Worte, also 5, ß Worte oder rund 30 weniger. Auf den Gesammtverkehr übertragen, ergiebt sich für 1878 gegen 1875 ein Minderaufwand von über 40 Millionen Worten oder von rund 2 Millionen Telegrammen zu 20 Worten.

Erhebliche Verbesserungen hat der Post⸗ und Telegraphenbetrieb in Berlin erfahren. Der Ober⸗Postdirektion in Berlin, als der betriebsleitenden Bezirksbehörde, ist seit dem Jahre 1876 zu— gleich die Leitung des gesammten Telegraphenbetriebsdienstes zuge⸗ wiesen. Die Ver schmelzung dieses Dienstes mit dem Postbetriebe stellt sich für die Erfüllung der Anforderungen einer Großstadt, wie Berlin, als eine besonders günstige dar.

Die Verkehrsanstalten in Berlin, deren Zahl sich Ende 1875 auf 665 belief, sind bis Ende des Jahres 1878 auf 81 Be— triebsstellen vermehrt worden.

Post⸗Briefkasten waren am Schlusse des Jahres 1875: 384 Stück, zu Ende des Jahres 18378: 461 Stück in Berlin vorhanden.

Das Personal bei den der Ober⸗Postdirektion in Berlin unterstellten Verkehrsanstalten belief sich bis Ende des Jahres 1878 auf zusammen 4838 Personen. Die Telegrapheneinrichtungen im Stadtgebiete von Berlin erhielten durch die am 1. Dezember 1876 in Betrieb genommene Rohrposteinrichtung, mittels deren Briefe und Telegramme in unterirdischen Röhren unter Verwerthung des Luftdrucks befördert werden, eine wesentliche Erweiterung. Die Zahl, der Rohrpostämter in Berlin, anfänglich 16. b läuft sich gegen wärtig auf 23, welche die wichtigsten Theile der Stadt bedienen und mit dem Haupt-⸗Telegraphenamte sowie untereinander durch Röhren⸗ stränge in Verbindung stehen. Die Gesammtlänge der verlegten Röhren beträgt 38,71 Em. Befördert wurden mit der Rohrpost im Jahre 1878: 1 464 870 Sendungen. Der Telegraphenverkehr Ber⸗ lins umfaßte im Jahre 1876: 1243 487 aufgegebene, 1 057 290 ein— gegangene Telegramme; im Jahre 1878: 1362 174 aufgegebene, 1062352 eingegangene Telegramme.

Auch von den Fernsprech-Einrichtungen ist im Bereiche der QOber⸗-Postdirektion Berlin mit gutem Erfolge Gebrauch gemacht. Zur Zeit sind 12 Betriebsstellen mit Fernsprechern ausgestattet.

Im ganzen Reichs⸗Telegraphengebiete betrug die Anzahl der im Betriebe befindlichen Fernsprecher Ende September 1879 770.

Unter der Leitung der Post⸗ und Telegraphenverwaltung steht auch der Betrieb des Zeitballwesens. Es sind gegenwärtig 4 Zeitballstationen, und zwar in Cuxhaven, Neufabrwasser, Bremer“ haven und Swinemünde eingerichtet.

Hervorragende Leistungen lassen sich auf dem Geliete der in ter— nationalen Post« und Telegraphenbeziehungen auf— weisen. In erster Linie steht die Erweiterung des durch den Berner Vertrag vom 9. Oktober 1874 gegründeten Allgemeinen Postvereins zum Weltpostverein. Der hierauf bezügliche Vertrag ward zu Paris am 1. Juni 1878 von den Bevollmaͤchtigten der Regierungen von 37 Ländern aller Welttheile unterzeichnet. Die Ausführung begann mit dem 1. April 1879. Es besteht nunmehr eine ein?“ heitliche Norm für den gesammten Briefverkehr der eivilisirten Nationen der Erde. Die frühere große Anzahl von Portosätzen für frankirte Briefe nach den verschiedenen Ländern der Erde ist auf drei Sätze zurückgeführt. Es werden gegenwärtig erhoben: 10 3 im inneren Verkehr Deutschlands und im Verkehr mit Oesterreich⸗ Ungarn, 20 im Verkehr des Weltpostvereins, . 5 im Verkehr mit den noch nicht zum Weltpostverein gehörigen

andern.

In seiner geographischen Ausdehnung umfaßt der Weltpostverein 1328523 Quadratmeilen mit etwa 755 Millionen Einwohnern. Außer dem Weltpostvertrage sind auf dem Pariser Postkongreß zwei Verträge über die Geldvermittelung abgeschlossen worden; ein Ueber—⸗ einkommen über den Austausch von Briefen mit Werthangabe vom 1. Juni 1878, ein zweites Abkommen Über den Austausch von Post⸗ anweisungen vom 4. Juni 1878. Die Zahl der Versendungsgegen— stände, welche gemeinsamen Bestimmungen unterliegen, ist durch den Abschluß dieser beiden Uebereinkommen um zwei bedeutende Gattungen vermehrt. In den letzten drei Jahren sind noch eine Menge ande⸗ rer Erleichterungen im Wege der Vereinbarung mit fremden Ländern herbeigeführt. So können gegenwärtig im Verkehr mit Belgien Geld— beträge auf telegraphischem Wege, im Verkehr mit den Niederlän— dischen Kolonien in Ostindien mittels Poftanweisung Überwiefen werden. Auf die Hebung und Erleichterung des Packet verkehrs mit der Schweiz, mit Belgien, Niederland, Dänemark ist durch Ein⸗ führung von Einheitstaxen in Höhe von 86 für Packete im Gewicht bis 5 Kilogramm eingewirkt worden. Für Packetsendungen nach und aus Hesterreich⸗ Ungarn besteht eine noch weitergehende Porto— Ermäßigung, indem auf dieselben der für Packetbeförderung im inneren Verkehr Deutschlands geltende Tarif, also die Sätze von 25 3 für Beförderungen auf Entfernungen bis 10 Meilen, und von 50 3 auf weitere Entfernungen Anwendung findet. Gleich nach Verschmelzung der Post mit der Telegraphie im Jahre 1876 wurden die Be! ziehungen zu den auswärtigen Telegraphenverwal— tungen einer eingehenden Prüfung unterzogen. Zehn neue ÄAb— kommen mit Belgien, Niederland, Luremhurg, Schweden, Dänemark, Rußland, der Schweiz, Frankreich, Großbrikannien und Oesterreich⸗ Ungarn regelten die Verhältnisse, der Zelt und den Bedürfniffen ent— sprechend, in vortheilhafter Weise.

Der Statistik über alle Zweige des Post- und Telegraphen— dienstes widmet die Verwaltung eine sosgfältige Pflege. Auf Grund gesammelten statistischen Materials ist im Jahre 1878 bei dem Ge⸗ neral-⸗Postamte ein Werk bearbeitet und unter dem Titel: Das Reichs-Postgebiet' im Druck herausgegeben worden, welches eine nach Ländern und Provinzen geordnete Beschreibung sämmtlicher Postorte des Reichs ⸗Postgebiers nach Lage, Bodenbeschaffenheit und Klima mit Angabe über Zahl, Eigenart, Bekenntniß, Erwerbs verhältnisse der Einwohner, Mittheilungen über Entwickelung und Stand von Handel und Gewerbe, bei bedeutenderen Orten mit Än⸗ gabe der wichtigsten Ereignisse aus ihrer Geschichte, enthält.

Das finanzielle Ergebnäiß der Post und Telegraphen« verwaltung darf als ein günstiges bezeichnet werden, besonders wenn in Betracht gezogen wird, daß die Lage der Geschäftsverhältnisse eine andauernd ungünstige war, und daß die frühere, Telegraphen⸗ verwaltung für das Jahr 1875 mit einer Mehrausgabe von 35 Mil. lionen Mark abschloß. Die Einnahme an Porto und Telegtamm⸗

gebühren ist gestiegen in den Jahren 1876 um 3, 69 o, 1877/78 um 6,45 os9 und 1878/79 um 2,65 9g. J. ;

Dieses günstige Ergebniß ist, namentlich darauf zurückzuführen, daß, trotz der andauernden Geschäftsstockung, die während dieser Zeit getroffenen Verkehrserleichterungen eine ausgedehntere Benutzung der Post und der Telegraphie Seitens des Publikums zur Folge gehabt haben, und daß die Vereinigung der Verwaltung und des Betriebes beider Verkehrszweige eine erwünschte Einschränkung der Ausgaben neben gleichzeitiger Erhöhung der Leistungen gestattet hat.

Se. Majestät der Kaiser und König haben gestern mit Sr. Kaiserlichen Hoheit dem Großfürsten Wladimir von Rußland, Ihren Königlichen Hoheiten den Prinzen Carl und Albrecht von Preußen, und August von Württemberg, dem Herzoge Paul von Mecklenburg⸗Schwerin, Grafen Otto zu Stolberg⸗Wernigerode, Minister Dr. Lucius, Ober⸗Präsidenten von Leipziger und einer zahlreichen, von hier und aus Hannover geladenen Jagdgesellschaft, zusammen 38 Schützen, im Sau⸗ park bei Springe gejagt. In zwei Suchen mit der Finder⸗ meute auf Sauen wurden von Sr. Majestät dem Kaiser und König 1 Stück Rothwild und 13 Sauen, von Sr. Kaiserlichen Hoheit dem Großfürsten Wladimir von Rußland 1 Stück Rothwild und 12 Sauen, Sr, Königlichen Hoheit dem Prinzen Carl 9 Sauen, Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Albrecht 4 Sauen, Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen August von Württemberg 7 Sauen, Sr. Hoheit dem Herzog Paul von Mecklenburg⸗Schwerin 9 Sauen, von der übrigen Jagd⸗ gesellschaft 3 Hirsche, 7 Stück Rothwild, 88 Sauen und 1 Rehbock, zusammen also 3 Hirsche, 7 Stück Rothwild, 142 Sauen und 1 Rehbock zur Strecke gebracht.

Der Schluß der Anmeldungen für die II. Allgemeine Deu tsche Kunstausstellung in Düsseldorf (1880) ist auf den 15. Februar 1880, der Schluß der Ablieferungen auf den 15. April 1880 festgesetzt. Ausstellungsberechtigt sind sämmtliche Mitglieder der deutschen Kunstgenossenschaft. Die Lokalvereine sind im Besitze der Bedingungen, sowie der nothwendigen Formulare, und werden die Anmeldungen und Sendungen an den Vorstand der Kunst⸗ und Ge⸗— werbe Ausstellung in Düsseldorf, Schadowstraße 14, übermitteln.

Ein Comité im Elsaß veröffentlicht in der Straßb. Ztg.“ fol⸗ genden Aufruf zu Beiträgen für ein Denkmal in Sesenheim:

„Die Erinnerung an jene Idylle, welche Goethe in Sesenheim erlebt und später so wuntervoll beschrieben hat, wird Jedem am Herzen liegen, der die deutsche Dichtung kennt und liebt. Ihr ein angemessenes Denkmal zu weihen, ist schon vor mehr als zwanzig Jahren im Elsaß beabsichtigt worden. Ein Comité, dessen Mit⸗ glieder sich zum Theil unter den hier Unterzeichneten befinden, ver⸗ faßte einen Aufruf, zur Sammlung von Beiträgen, um den Hügel, auf dem einst „Friederikenruhe“ lag, anzukaufen und aufs Neue durch eine Laube, der ehemaligen möglichst gleich, zu krönen. Doch der Ausführung dieser Absicht traten damals unüberwindliche Hindernisse entgegen. Seitdem ist der gleiche Gedanke wohl in so manchem Besucher Sesenheims lebendig geworden. Wer das friedlich stille Dorf durchwandert, im Pfarrhause die treugehegten Erinne⸗ rungen aufgesucht hat, wird auch nach jenem traulichen Plätzchen fragen, auf dem einst Goethe mit Friederike Hand in Hand saß; es wird ihn betrüben, an, dieser Stelle nur ein Ackerfeld vorzufinden. Wie anders, wenn „Friederikenruhe“ wieder erstanden, die hier nach allen Seiten sich öffnende freundliche Aussicht in vier Taubrahmen faßte und zugleich im kühlen Schatten den Blick in die Vergangen⸗ heit zu werfen einlüde! Jetzt ist es möglich, diesen Wunsch zu erfüllen, sobald die nöthigen Mittel zu Gebote stehen. Und gewiß wird die dankbare Verehrung für den großen Tichter auch heute noch zu Opfern bereit sein, wie sie früher mit Sicherheit erwartet werden konnten. Die erforderliche Summe für den Ankauf des Grundstücks und die Herstellung der Anlagen beträgt 3000 1M. Zum dritten Theil ist sie bereits in früherer Zeit aufge⸗ bracht worden. Weitere Beisteuern bitten wir an den Kassirer des Comités, Hrn. Notar Haug in Niederbronn, oder an einen der Unterzeichneten einzusenden. Ueber die eingegangenen Beiträge wird seiner Zeit öffentlich Rechenschaft abgelegt werden. Sollte sich ein Ueberschuß ergeben, so wird er den Vorschlägen des früheren Comités gemäß als „Friederiken niftung“ der Gemeinde Sesenheim zu wohl thätigen Zwecken überwiesen werden. Straßburg, im Herb t 1875. Vberlehrer Albert Grün, Notar Heinrich Haug in Riederbronn, Pr. Karl Kochendörffer, Professor Dr. Ernst Martin, Professor ö Schmidt, Bibliothekar Dr. August Stöber in Mül— ausen.

Langenschwalbach, 25. November. Der „Rhein. Courier“ meldet: Die in der oberen Brunnenstraße gelegenen Gebäude: Stadt Straßburg, Kranich und Baseler Hof stehen seit heute Nacht in Flam men. Auch der Angrenzende Berliner Haf und das Haus Nege⸗ lein sind bereits vom Feuer ergriffen, und bis jetzt, 6 Uhr Morgeng, ist noch nicht ahzusehen, wie weit das entfesselte Element feine ver⸗ heerende Thätigkeit noch fortsetzen wird.

Im Residenz⸗Thegter eröffnete gestern Frau Josephine Gallmeyer ein Gastspiel, zu dem sich auch Hr. Siegmund Boll⸗ mann vom Thalia Theater in Hamburg gesellte. Es urden vier kleine cinaktige Stücke aufgeführt, die sämmtlich dem Genre der Posse angebören. Den Anfang machte: „Zwei Diebe“ von Maz Bern und Otto Leiten berger. Lustspiel nennt sich diese Arbeit der in der Bühnen⸗Literatur noch gänilich unbekannten Verfasser, doch kann dieselbe weder auf diese Bezeichnung noch auf Beifall. Anspruch machen, es ist eine ziemlich witz⸗ und pointenlose Burleske. Gespielt wurde die Nichtigkeit von FIrl. Dinstl und den HHrn. Haack, Keppler und Pauf recht gewandt. Die zweite Gabe des Abends war eine als Genrebild bezeichnete Kleinig⸗ keit Vom Touristenkränzchen“ von Zell, welche, an sich recht unbedeutend, durch das gelungene, wirksame Spiel der Fr. Gallmeyer und des Hrn. Bollmann einen belustigenden Eindruck machte. Weniger Geschmack noch ist dem dritten Stücke: ‚Ein Genie“, das an⸗ geblich nach dem Italienischen“ gearbeitet ist, abzugewinnen, jedoch gelang es der wirksamen Komik des Hrn. Bollmann mit dem Vortrage eines Couplets einen günstigen Erfolg zu erzielen. Die an⸗ sprechendste Nummer des gestrigen Programms war der letzte Schwank: »Gräfliche Irrungen von Sallmayer, in welchem Fr. Gallmeyer mit der Darstellung der ‚Mirzl“ Gelegenheit fand, ihr eigenartiges Talent und ihren zündenden Humor in den glänzendsten Farben schillern zu lassen. Die Zeichnung von dergleichen interesfanten Genrebildchen mit all ihren einzelnen, der Natur mit feiner Beobach⸗ tungsgabe abgelauschten und vielfach improvisirten Zügen bildet die eigenste, unbestrittene Domaine der Künstlerin. Fr. Gallmeyer empfing von dem vollbesetzten Hause vielfache Beweise lebhaften ,, wiederholte Hervorrufe und verschiedene Kränze und Bouquets.

Redacteur: J. V.: Riedel.

Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner.

Drei Beilagen leinschließlich Börsen⸗Beilage).

Berlin:

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Erste Beilage

zun Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Käniglich Preußischen Staats-Anzeiger.

A 2839.

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Aichtamtliches.

Preußen. Berlin, 28. November. Im weiteren Verlaufe der gestrigen (14) Sitzung setzte das Haus der Abgeordneten die zweite Berathung des Staatshaushalts-Etats pro 1880/81, und zwar den Etat der Verwaltung der direkten Steuern fort. Der Abg. Richter wandte sich gegen die Ausfüh— rungen des Abg. Windthorst. Seine Freunde und er erwarte— ten den Erlaß der direkten Steuern, aber sie würden wohl noch lange Zeit darauf warten können. Dagegen habe man die indi— rekten Steuern, die von einer Vereinigung der Konservativen und des Centrums im Reichstage bewilligt seien; wäre die Ver— einigung dieser Parteien nicht zu Stande gekommen, so wäre Deutschland von diesen Steuern verschont geblieben. Das Mährchen, daß die Zölle von der Spekulation getragen würden, solle man doch jetzt Niemand mehr aufbinden wollen. Wis nun das vom Abg. Windthorst ange— führte Petroleum anlange, so könne Niemand behaupten, daß der Petroleumverbrauch mit dem Einkommen wachse, deshalb drückten die neuen Steuern und Zölle stärker auf die minder leistungsfähigen Klassen, als auf die wohlhabenden. Wenn dann der Abg. Windthorst meine, ein Arbeiter habe ihm ge— sagt, er wolle lieber ein paar Pfennige mehr für Petroleum bezahlen, wenn er nur mehr Arbeit hätte, so sei die Sache nur die: der Arbeiter müsse höhere Preise bezahlen und be⸗ komme nicht mehr Arbeit. Aber er (Redner) sei erstaunt, bei dem Abg. Windthorst, der sich sonst immer durch klassischen Humor auszeichne, jetzt durch jede kleine gelegentliche Be— merkung eine ärgerliche und gereizte Stimmung versetzt zu finden. (Rufe rechts: zur Sache! Der Präsident bat, den Redner nicht zu unterbrechen, die Debatte habe sich daran geknüpft, daß eine Verminderung der Gehäudesteuer im Hin⸗ blick auf die Bewilligung der Zölle nöthig sei, deshalb habe er diese Debatte nicht gehindert. .

Der Abg. Richter fuhr fort: Diese gelegentlichen Be⸗ merkungen habe er vom Abg. Windthorst gelernt, dessen par⸗ lamentarischer Schüler er auch in vielen anderen, Dingen sei, wenn er es auch noch lange nicht zu solcher Meisterschaft gebracht habe, wie derselbe. Man möge sich der Zeit erin— nern, als der Abg. Windthorst die Nationalliberalen, die da⸗ mals noch lange nicht so nahe daran gewesen seien, Regie— rungspartei zu werden, wie heute das Centrum sehr oft solche gelegentliche Bemerkungen aufgestört habe. „Nun, was du nicht willst, das dir geschehe, das thue auch den Na— tionalliberalen nicht. Im Uebrigen sei er erstaunt, von dem Abg. Windthorst zu vernehmen, daß dessen Partei sich durchgängig als konservative Regierungspartei zur Verfügung stelle, abgesehen von Kirchen- und Schulfragen; da man doch bisher gewohnt sei, die Mitglieder des Centrums aus dem Westen, und namentlich vom Rhein, für liberal zu halten, oder wenigstens dafür, daß sie der liberalen Partei mehr Anknüpfungspunkte böten, als der konservativen. (Zuruf des Abg. Röckerath: Nein!) Wenn dies nicht der Fall sei, so sei ihm das lieb; er habe den Abg. Röckerath auch nicht so angesehen, aber die Erklärung des Abg. Windthorst sei doch dahin gegangen. Eigentlich sollte ihm der Abg. Windthorst dankbar sein, daß er ihm Gegelegenheit gegeben habe zu einer feierlichen Erklä⸗ rung. Zur Beruhigung gereiche es ihm, daß Centrum und Konservative noch nicht durchweg einig seien, denn wenn sie es wären, dann gäbe es noch mehr neue Steuern als bisher.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, den Ausführungen des Abg. Richter widersprechen zu müssen. Wenn Konservative und Centrum einig seien, werde es weniger Steuern geben, denn die Erfahrung habe es bewiesen, daß konservative Re⸗ gierungen und Ständeversammlungen am sparsamsten seien. Hälte man in Preußen in der letzten Zeit eine konservative Regierung und ein konservatives Haus gehabt, so würde man sich nicht in einer Lage wie die heutige, befinden. Seine Laune habe sich übrigens gegen früher nicht geändert. Er sei auch immer bereit, auf alle Fragen des Abg. Richter zu antworten, bezweifle aber, ob auch das Haus immer die Ge⸗ buld haben werde, wie heute. Er habe auch das Petroleum nicht ins Haus gebracht. Seine Freunde säßen noch nicht in der Regierung, auch sei das Centrum noch lange nicht Re— gierungspartei. Unzweifelhaft sei aber die Centrumspartei eine konservativ basirte Fraktion; so fest konservatiy, wie keine andere im Hause. (Zuruf): Es komme darauf an, was man unter konservativ verstehe; er bitte die Be⸗ griffe von konservativ und ministeriell nicht zu ver— wechseln. Das Maaß der Polizei sei nicht dasjenige kon⸗ servativer Gesinnungen. Es komme auf die Institutionen an, über die das Haus später verhandeln werde. Das Centrum sei und bleibe konservativ, ohne Unterschied, ob seine Mit⸗ glieder vom Rhein oder von der russischen Grenze seien.

Der Abg. Dr. Röckerath konstatirte, da der Abg. Richter ihn speziell genannt habe, daß nach seiner Auffassung in der Centrumspartei so viele wirklich staatserhaltende Elemente vereinigt seien, wie in keiner anderen; eine wirklich konser⸗ vative Regierung würde er gern unterstützen, aber die gegen⸗ wärtige Regierung und die jetzt sogenannten konservativen Parteien seien nicht konservativ.

Hierguf wurde die Gebäudesteuer genehmigt.

Zu Tit. 3 (klassifizirte Einkommensteuer 31 613 000 6) und zu Tit. 4 (Klassensteuer 41 441 000 M) erklärte sich der Abg. von Meyer (Arnswalde) gegen die jetzige Steuermethode, welche in ihrem Modus die Bevölkerung bedrücke. Wenn jetzt die Steuerschraube wieder stark angezogen werde, so mache er dem Minister daraus keinen Vorwurf, es wirkten vielleicht noch die Camphausenschen Traditionen nach. Bei der Ein⸗ schätzung zur Klassen⸗ und Einkommensteuer sei es eine übliche, jedoch falsche Methode, sich aus der Grundsteuer einfach den Einkommensteuerbetrag auszurechnen. Es seien namentlich

wei Punkte, bei denen er diese Methode der n in . Amte fühle. Es sei eine sehr übliche Art und Weise der , . zur Einkommen⸗ und Klassensteuer, daß die Regierungs- Dezernenten sich eine Schablone machten, in der sie aus der Grundsteuer eines Gutes ohne Weiteres den effektiven und einkommen⸗ steuerpflichligen Ertrag ablesen wollten; das wäre auch sehr bequem, wenn es ginge. Trotz verschiedener Remonstra⸗

Berlin, Freitag, den 28. November

tionen und mündlicher Debatten mit den Herren seien sie da— von nicht abzubringen, und da die Steuerdezernenten dem Vernehmen nach alle so verführen, so nehme er an, daß es auf einer Instruktion des Ministers Camphausen beruhe. Der jetzige Finanz⸗Minister habe vielleicht von den früheren Instruktionen noch nicht vollständig Kenntniß genommen. Das Verfahren sei so falsch wie möglich, denn die Grund— steuer sei gar keine Taxe, sondern eine bloße Bonitirung, das heiße nur ein Faktor zur Taxe. Die Grundsteuer gebe gar keinen Nachweis über den Zustand der Gebäude. Die Gebäude könnten brillant sein oder miserabel die Grundsteuer sei immer dieselbe. Dieselbe drücke nicht aus, ob Brennmaterial, ob Forst oder Torf da sei. Sie drücke nicht aus, wo das Gut liege, ob Eisenbahnen oder Chausseen in der Nähe seien, oder ob es in der sogenannten Hundetürkei liege. Man könne also die Grundsteuer zwar benutzen zur Einschätzung eines Gutes, aber man müsse das Gut selbst auch dazu ken⸗ nen. Wenn man das Gut nicht kenne, wie es bei den Regie⸗ rungen stets der Fall sei, dann sei die Schätzung nur nach der Grundsteuer seines Erachtens das allerschlimmste Ver— fahren, buregukratisch im höchsten Grade, und führe zu un— begründeten Steuererhöhungen, mindestens aber zu sehr weit— läufigen Erörterungen. Bekanntlich gebe es Jüter, die nach der Grundsteuer gleichwerthig seien und die man dennoch nicht in einem Athem zusammen nennen könne, wenn es sich um ihren effektiven Werth handele. Denke man sich ein abgelege— nes Gut mit etwa 20 000 Morgen abgeholzter Forst, das vielleicht 2000 Thlr. Grundsteuer-Reinertrag habe, und ein anderes von 1000 Morgen auch mit ebenfalls 3000 Thlr. Grundsteuer-Reinertrag, aber unmittelbar an einer Eisenbahn, so werde man außer Zweifel sein, daß das zweite zehnmal so viel werth sei als das erste. Sehr unangenehm und gehässig sei ferner die Verordnung, daß die Landräthe die Hypothekenbücher perlustriren müßten, um die Gläubiger an ihren Wohnorten als Kapitalisten zu denunziren; schon als diese Verordnung 1851 in Kraft gesetzt sei, habe er sich als Landrath gestattet darauf hinzuweisen, daß man diese gehässige Instruktlon aufheben sollte, denn das würde den Hypothekarkredit ruiniren, oder wenigstens aus den Händen der Einzelgläubiger an die Sparkassen, Hypothekenbanken u. s. w. bringen. Darauf habe er eine Verfügung erhalten, die man einen wohlkonditionirten Rüffel zu nennen pflege. Jene Verfügung sei von dem Miniser Camphausen wieder in Kraft gesetzt. Da aber der Hypothekar— kredit fast gänzlich in den Händen der Aktiengesellschaften ꝛc. sei, so sei die Verfügung eigentlich unnütz und sollte beseitigt werden.

Der Abg. Rickert erklärte, er wolle auf den vom Abg. von Meyer berührten Fall nicht eingehen, müsse aber sagen: nach den Camphausenschen Traditionen werde man sich sehr bald lebhaft zurücksehnen. Er bedauere, daß dieselben Herren, die früher nicht Lobes genug für Hrn. Camphausen hätten, jetzt, da derselbe nicht mehr am Ministertische sitze, mit ihren Vor— würfen kämen. Der Abg. von Meyer habe selbst gesagt, daß er früher die loyale Ausführung der Steuergesetze unter dem Minister Camphausen anerkannt habe und heute, da derselbe nicht mehr im Amt sei, mache man dem Pinister diese Vorwürfe! Die Verdienste des Ministers Camphausen um die Entwickelung des Landes würden unvergessen bleiben, auch wenn man heute über sie hinweggehe, ewig unvergessen vor Allem die Münz— reform, an der die konservative Partei hoffentlich ver— gebens rütteln werde. Der Abg. Windthorst habe behauptet, daß die konservativen Regierungen immer die sparsamen seien, die liberalen dagegen immer Steuererhöhungen machten. Habe man denn ganz vergessen, daß die neuen Steuern, die man in Preußen habe, lediglich von konservativen Kammern und Ministerien herrührten? Den ersten Versuch mit Steuer— erlassen habe, wie gesagt, der liberale Minister Camp— hausen gemacht. Seitdem habe man in Preußen, wie es in dem Generalbericht der Budgetkommission nieder— gelegt sei, mehr als 35 Millionen Entlastungen gehabt, theils an die Provinzen, theils an die Kom— munen abgegeben, theils seien auch einige drückende Steuern aufgehoben, z. B. die Chausseesteuer. Welche Steuererlasse seien durch die Landrathskammern perfekt ge⸗ worden? Man nenne sie! Aber eine Reihe von Steuern sei seit 1850 durch die konservativen Ministerien beschlossen und eingeführt. Der Grund, weshalb er sich zum Worte gemeldet habe, liege aber in dem Wunsche, daß die Nachweisung über die Veranlagung der Klassen⸗ und klassifizirten Einkommen⸗ steuer nicht mit in die Berathung des Etats hineingezogen werde. Er möchte beantragen, 36 Nachweisung der Budget⸗ kommission zur Vorberathung zu überweisen. Schon vor zwei oder drei Jahren sei man wegen einer Vereinfachung der Veranlagung der Klassensteuer in Verhandlungen getre— ten, die nicht zum Abschluß gekommen seien. Im vorigen Jahre sei die Budgetkommission so sehr mit anderen großen Arbeiten überlastet gewesen, daß sie zur weiteren Berathung der Angelegenheit nicht gekommen sei, hoffentlich gelinge es in dieser Session, die früher begonnenen Verhandlungen mit der Staatsregierung zu Ende zu führen.

Der Abg. von Meyer (Arnswalde) konstatirte, daß er dem Minister Camphausen zwar häufig gegenüber gestanden habe, ihn aber stets als einen bedeutenden Finanzmann anerkannt habe, und sei er sehr verwundert gewesen, daß die Partei, welche ihn auf den Schild erhoben, ihn in so schmachvoller Weise habe fallen lassen. Er (Redner) habe den Ministern oft Opposition gemacht, aber nur der Sache wegen und stets den lebenden Ministern nicht den gefallenen.

Der Abg. Freiherr von Minnigerode wandte sich gegen die Ausführungen des Abg. Rickert in Bezug auf die Finanz⸗ politik der rechten Seite des Hauses. Die Konservativen ver⸗ dankten dem Minister Camphausen die Kontingentirung, die Konsolidirung und die mit vielem Luxus ausgestatteten Etats, das sei der Dank, den die Rechte dem Minister schuldig sei; daß der Minister Camphausen aber Steuern habe erlassen können, sei nicht eine Folge seiner Han gi heft, sondern den Erfolgen der deutschen siegreichen Waffen zu danken. Wenn die konservative Partei neue Steuern habe be—⸗ willigen müssen, so sei sie dazu gezwungen worden, weil sie die Schulden der liberalen Wirthschaft bezahlen müße.

18 7X.

Der Abg. Richter führte aus, die Steuererhöhung durch die Konservativen beginne 1860 bei der Landrathskammer. 1851 habe die Klassen⸗ und Einkommensteuer gebracht; das Jahr 1852 den Zeitungsstempel, 1853 die Eisenbahnabgabe, 1854 eine Erhöhung der Branntweinsteuer, und 25 Prozent Zuschlag zur Klassen⸗ und Einkommensteuer für die Jahre 1854 1857, dann 1857 die Steuer auf Aktiengesellschaften, dann 1859 1862 wieder Zuschläge zur Klassen⸗ und Ein⸗ kommensteuer, 1861 die Grundsteuer anders umgelegt und erhöht und die Gebäudesteuer eingeführt, die ohne die Konservativen und das konservative Herrenhaus damals nicht hätte durchdringen können. Erst 1862, wo eine liberale Mehrheit in diesem Hause gewesen sei, hätten diese Be⸗ willigungen aufgehört, und von diesem Jahre an bis jetzt, wo wieder eine konservativ⸗klerikale Mehrheit vorhanden sei, sei keine neue Steuer eingetreten, sondern mehrfache Steuer⸗ ermäßigungen. Den Minister Camphausen habe seine Partei aus Gerechtigkeitsgefähl erst zu vertheidigen angefangen, als derselbe von der rechten Seite in ungerechtfertigter Weise an⸗ gegriffen sei. 1573 habe es sich nicht blos um die Kon⸗ tingentirung der Klassensteuer, sondern auch um einen Erlaß von 9 000 000 S6 gehandelt, und deshalb sei das Gros der Konservativen gegen die Kontingentirung gewesen. Bis 1873 habe es überhaupt keine liberale Mehrheit gegeben, da seien die größten Bewilligungen erfolgt. Bei allen diesen Ausgaben hätten die Konservativen mit einem Theil der National⸗ liberalen die Mehrheit gebildet und auch das Centrum habe nur gespart, als es sich um die eine Million für Schulinspektoren, oder um den obersten Gerichtshof für kirchliche Angelegenheiten handelte. Das Haus habe jetzt die Budgetberathung erst begonnen, und die Kommission habe zwei kleine Abstriche vorgeschlagen; die Funktionszulage für den Vorsteher des Centralbureaus wollten die Herren von der Rechten nicht ersparen und bei dem Hauskauf wollten sie auch nicht gleich Nein sagen, sondern sich die Sache noch einmal überlegen. Er werde die Sparsamkeitspolitik der Konser⸗ vativen genau kontroliren und sich freuen, wenn die Konser⸗ vativen zu den Grundsätzen der Sparsamkeit zurückkehrten, die die Fortschrittspartei längst befolgt habe. Wenn die Kon⸗ servativen aber Alles bewilligten, was die Minister ver⸗ langten, dann werde er das Land aufmerksam machen, wie wenig die konservative Partei ihre bei den Wahlen gegebenen Versprechungen halte und dann werde der Abg. Röckerath Recht haben, daß die Konservativen den Ast absägten, auf den dieselben sich gesetzt hätten.

Der Abg. Graf Wintzingerode hielt derartige Vorwürfe über Steuererhöhungen nach der einen oder anderen Richtung hier nicht am Platze, so lange man sich nicht die genaue Ge⸗ schichte dieser Erhöhungen vergegenwärtige. Er sei gewiß so wenig wie irgend Jemand ein Freund der Grundsteuerreform von 1861. Er wisse, daß heute dasjenige, was damals ge⸗ schehen, ein Hinderniß gegen Aenderungen bilde, die er für wünschenswerth halte. Aber er könne doch nicht vergessen, daß damals der Staat Geld gebraucht habe, und daß die⸗ jenigen, die es damals bewilligt hätten, durchaus ihrer Ueberzeugung gefolgt seien. Vorwürfe seien also hier weder nach rechts noch auch nach links hin gerecht⸗ fertigt. Diese Vorwürfe könnten nicht fördernd auf das Wohl des Staates, welches doch alle Parteien im Auge hätten, einwirken und würden dem einmüthigen Zusammenwirken ö ö. bevorstehenden Berathungen wahrlich wenig förder⸗ ich sein.

Hierauf wurde der Antrag Rickert auf Ueberweisung der Nachweisung über die Veranlagung der Klassen⸗ und klassi⸗ fizirten Einkommensteuer an die Budgetkommission ange⸗ nommen und die Tit. 3 und 4 unverändert bewilligt; ebenso ohne Debatte Tit. 5 „Gewerbesteuer 18 764 000 e; Tit. 6 „Eisenbahnabgabe 3 359 000 S6“ und die übrigen Titel der Einnahmen.

Bei den dauernden Ausgaben, Kap. 6 Tit. 1 (Direktion für die Verwaltung der direkten Steuern in Ber⸗ lin 272 460 G6) bemerkte der Abg. Leonhardt, daß nach den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen die Beamten, welche einem Kollegium angehörten, ihr Gehalt quartaliter pränume⸗ rando erhielten, während einzelne Beamte ihr Gehalt nur für einen Monat voraus bekämen. Die Hinterbliebenen der Be⸗ amten der ersteren Kategorie erhielten auch die Gnadenbewilli⸗ gung auf ein Vierteljahr, die der zweiten nur für einen Monat. Eine solche für die einzelnen Beamten so nachtheilige und in der Sache selbst nicht begründete Verschiedenheit bedürfe dringend einer Abhülfe.

Die Position wurde bewilligt.

Zu Tit. 2 „Verwaltung des Grund⸗ und Gebäudesteuer⸗ Katasters 1 666 980 M erklärte der Abg. Bachem, er könne den Friedensmahnungen des Abg. Graf Wintzingerode nicht folgen, da die Angriffe von beiden Seiten erfolgten und nicht das Centrum, sondern nur diejenige Partei trage die Schuld, welche den Streit provozirt habe. Dem Abg. Richter müsse er zunächst erwidern, daß eine konservativ⸗klerikale Majorität weder bis jetzt bestanden habe, noch jetzt bestehe. Von 1873 an müsse der Abg. Richter die Verantwortung für die Finanz⸗ politik übernehmen, denn von da an ih das Haus eine liberale Majorität gehabt, und von ihr sei der Finanz⸗Mini⸗ ster Camphausen gestützt, worden. Von jenem Zeitpunkt an datire aber auch die Periode des latenten Defizits, indem die großen Beträge aus der französischen Kriegskontribution zur Herstellung des Gleichgewichts zwischen Einnahmen und Aus⸗ gaben verwendet seien. Die Anführungen der Abgg. von Meyer und von Minnigerode über das durch die liberale Wirthschaft herbeigeführte Defizit träfen durchaus zu. Die Behauptung des Abg. Richter, daß die Fortschrittspartei stets ebenso sparsam gewesen sei, als das Centrum, müsse er entschieden zurückweisen. Die Fortschrittspartei habe den Kultusetat um viele Millionen erhöht, 20 neue Kultur⸗ kampf⸗Räthe im Kultus⸗Ministerium geschaffen, einen neuen altkatholischen Bischof angestellt und für die Kreis⸗Schul⸗ inspektoren große Summen bewilligt. Ferner habe die Fort⸗ schrittspartei entgegen dem Votum des Centrums für den Ausbau des Berliner Zeughauses 3 Millionen, und für das Berliner Polytechnikum 9 Millionen bewilligt. Er müsse jetzt