genossen und sei nicht von seinem Herrn, wie es jetzt geschehe, entlassen, wenn er nicht in dessen Sinne wählte. Der ober⸗ chlesische Bauer sei schlimmer daran als der irische; der letztere chlachté wenigfstens alljährlich ein Schwein, dle Nahrung des oberschlesischen aber bestehe fast nur aus Kraut und Kar⸗ toffeln mit etwas ranzigem Fett. Die Ober⸗Amtmänner an der Spitze der großen Besitzungen ständen der Bevölkerung nach Abstammung, Sprache und Interessen meist fremd gegen⸗ über und betrachteten das Gut lediglich als ökonomisches Objekt; die Verwalter bereicherten sich an den Tantismen und der Drescher komme auf kaum 30— 40 3 per Tag. Die Ver⸗ hältnisse des oberschlesischen Bauern seien so desperat, daß selbst das Leben der Neger unter den Sklaven⸗ altern ein besseres sei. Mit Recht habe man von dem a gf h Wucher in Oberschlesien gesprochen. Er scheue sich nicht, es auszusprechen, daß die dortigen Wucherer meistens Juden seien. Das Eine sei wenigstens doch in Oberschlesien erreicht worden, daß die Schenken nicht mehr an Juden verpachtet würden, das werde schon etwas helfen. Schnaps müsse aber der Bauer trinken, daraus dürfe man ihm keinen Vorwurfmachen. Der Abg. Schellwitz sagte, die oberschlesische Bevölkerung spreche kein Polnisch. Aber das Polnisch, daß sie spreche, werde in Warschau verstanden und als Polnisch anerkannt. Diese Sprachen ver⸗ hielten sich ähnlich, wie das Plattdeutsche zum Hochdeutschen. Er freue sich, in diesem Hause wenigstens den Vorwurf nicht gehört zu haben, zu dem sich ein Theil der Presse hergegeben, und der in ganz Oberschlesien einen Schrei der Entrüstung hervorgerufen habe, den Vorwurf, der Klerus habe die Noth verschuldet und ausgebeutet. Wer habe geholfen und getröstet, wo er konnte, wer die sozialistische Propaganda niedergehalten, wer die Bevölkerung von Ausbrüchen der Verzweiflung ab⸗ gehalten, wenn nicht der katholische Klerus? Daß die Schulen nichts leisten könnten, liege daran, daß der Kirche aller Ein⸗ fluß auf die Schule entzogen sei, und daß die Kinder den Unterricht in einer Sprache erhielten, welche sie nicht ver⸗ ständen. Die meisten Analphabeten seien Wai sen, die über⸗ haupt keine Schule besucht hätten, weil sie schon mit 8 oder 5 Jahren in Dienst geschickt seien, oder es habe an den Mit— teln zur Bekleidung der Anschaffung der Bücher gefehlt, und dadurch sei der Schulbesuch unmöglich geworden. Er sei für eine Verbesserung der Schulverhältnisse sehr dankbar, aber man müsse wirklich bilden und nicht blos germanisiren wollen.
Der Abg. von Meyer (Arnswalde) bemerkte, auch er wolle sich so wenig wie der Abg. Schellwitz gegen die Nothstands⸗
efühle im Allgemeinen aussprechen, obgleich ja sie auch viel⸗ eicht etwas an Uebertreibung litten, ebenso wie es damals beim Nothstand in Ostpreußen gewesen sei. Indessen das Thema sei unpopulär, er liebe derartige Themata nicht und werde sie daher nicht verhandeln. Er wolle sich eigentlich nur gegen eine spezielle Bestimmung des Gesetzes wenden, das sei die des §. 3, worin den Kreisausschüssen der sechs betreffenden Kreise eine sehr weit gehende Vollmacht gegeben werde. Es würden ihnen nämlich die Mittel zur Beschaffung von Vieh⸗ futter ꝛc. zur Verwendung nach pflichtmäßigem Ermessen über⸗ wiesen, allerdings mit dem Zusatz: „nach näherer Bestimmung der im 5§. 2 genannten Minister“. Also das Geld vertheilten die Kreisausschüsse nach den Instruktienen, die ihnen die Minister geben würden; dann aber heiße es weiter, „die Kreisausschüsse beschlössen selbständig darüber, ob die Empfänger eintretenden Falles wegen Leistungsunfähig⸗ keit von der Ersatzpflicht zu entbinden seien. Es sei das erste Mal, daß eine Behörde, wie der Kreis⸗ ausschuß eine solche Vollmacht erhalte, über Staats⸗ gut zu disponiren, Er halte das prinzipiell und prak⸗ fisch für im hohen Grade bedenklich; die Ansichten der Kreis⸗ ausschüsse würden ja natürlich verschieden sein; der eine gehe vielleich, so weit, Alles zu erlassen; glaube man denn, daß die anderen fünf dahinter zurückbleiben wür— den? Die würden auch Alles erlassen. Es werde ein förm— liches Rennen entstehen unter den sechs Kreisausschüssen, wer das meiste erlasse. So sehr er für die Selbständigkeit der Kreisausschüsse sei, so halte er es doch auch für zweckmäßig, sie unter eine wohlthätige Kontrole zu stellen. Er müsse sagen, wenn ihm als Vorsitzendem eines solchen Kreisausschusses eine so unbedingte Vollmacht gegeben würde, würde ihm der Angst⸗ schweiß aushrechen. Er empfehle der Budgetkommission, darüber nachzudenken, wer zweckmäßigerweise die Kontrole darüber zu führen habe. Dies sollte seines Erachtens die Re⸗ gierung sein; die sei aber unpopulär. Dann müsse es also der Regierungs⸗Präsident sein; daß aber überhaupt eine Kon— trole stattfinde über die Befugniß, solche Gelder im Namen des Staats zu erlassen, scheine ihm unerläßlich.
Der Abg. Dr. Virchow erklärte, die Behandlung dieser Angelegenheit sei hier nicht überall mit der Ruhe und Unbe⸗ fangenheit geführt worden, welche erforderlich sei, um den Ursachen des Nothstandes entgegenzutreten; es sei viel zu viel Kulturkampf und Polonismus in die Debatte hineingetragen worden. Er bitte daher um Entschuldigung, wenn er alte Erinnerungen wieder auffrische, die sich zum Theil an seine Broschüre über den oberschlesischen Nothstand von 1847 knüpften. Ein Hauptgrund für die gegenwärtige Nothlage solle nach dem Abg. von Huene der Wucher sein, dessen Ueberhand⸗ nehmen derselbe der Aufhebung der Wuchergesetze zuschreibe. Natürlich, denn die Ultramontanen wollten ja durch Wieder⸗ einführung der Wuchergesetze helfen. Aber ein Kom⸗ missionsbericht dieses Hauses vom Jahre 1851, also zur Zeit als die Wuchergesetze noch bestanden hätten, konstatire für Oberschlesien denselben Mißstand, den man heute beklage. Gerade um den heimlichen Wucher zu vermindern, habe man die Wuchergesetze aufgehoben. Was jetzt geplant werde, darüber lägen nur dunkle Andeutungen vor. Am 19. Dezember vorigen Jahres habe der Finanz⸗Minister von dem Unzerreißbaren Netz gesprochen, mit welchem der Wucher die Provinz übersponnen habe, und hinzugefügt, „Er enthalte sich billig jeder weiteren Bemerkung.“ Billig sei das allerdings, es möchte aber doch erwünscht sein, Genaueres über die Lage der Sache zu erfahren. Mit Strafbestimmungen werde man dieses Uebel jedenfalls nicht beseitigen, es werde fortbestehen, bis man die Leute entweder wohlhabend mache oder für ihr Kreditbedürfniß andere Anstalten schaffe. Es müsse ben bis— herigen Regierungen jedenfalls der Vorwurf gemacht werden, daß sie diesen Landstrich vernachlässigt hätten, denn schon 184748 seien die Befürchtungen ausgesprochen worden, daß die Nothstände sich dort wiederholen würden, und trotzdem sei seither nichts zur Aenderung der Verhältnisse geschehen. Der Kulturkampf hahe allerdings dort manches Unerfreuliche ge⸗ schaffen und hierin stimme er ganz mit dem Abg. von Huene überein. Er freue sich nicht über die staats kathollschen Pfarrer, die man den Leuten bis an das Sterbebette zur Dar⸗
reichung der Sakramente aufzwinge und er wünsche,
daß hierin Abhülfe geschehe; indessen überlasse er die Abhülfe der Initiative der Staatsregierung, welche die Sache besser ver⸗ stehe. Er werde aber seine Stimme für die Aufhebung des Kulturkampfes geben, er thue das ja schon jetzt. Das seien jedoch nur untergeordnete Momente (Zuruf); natürlich, er wolle zunächst nicht, daß die Leute stürben, sondern daß sie lebten, es handele sich jetzt weniger um Sterbesakramente, als um Lehens⸗ mittel. Auf die Weiterverbreitung des Typhus werde sich die Regierung wenigstens theoretisch vorbereiten . obwohl man dieselbe nicht mit derjenigen Gewißbeit voraussagen könne, wie es der Abg. von Huene thue, dazu sei man über die kau⸗ salen Momente der epidemischen Verbreitung des Typhus noch nicht genügend unterrichtet. Die Regierung werde also die Frage der Einrichtungen und Personen in Erwägung ziehen müssen. In Betreff der Personen habe zwar der Minister erklärt, eine möglichst milde Praxis handhaben zu wollen, er möchte aber noch eine diesbezügliche Frage an denselben richten. Nach §. 2 des Ordensgesetzes hätten die Minister des Innern und des Kultus die Befugniß, den sich mit Ira nen reg: lediglich be⸗ fassenden Orden die Aufnahme neuer Mitglieder zu gestatten. Er würde es indeß nicht den Intentionen des Gesetzgebers entsprechend erachten, wenn man die Aufnahme eines jeden ein⸗ zelnen Mitgliedes von der Genehmigung der Minister und dem . einer Reihe von Zwischeninstanzen abhängig mache. Vielmehr wünsche er, namentlich in Rücksicht auf die oberschle⸗ sischen Verhältnisse, daß einzelnen Orden vielleicht innerhalb einer beschränkten Zahl die generelle Erlaubniß zur Aufnahme neuer Mitglieder gegeben werde. Obwohl die Orden für Kranken⸗ pflege in manchen anderen Ländern sich etwas der Propaganda dienstbar erwiesen hätten, so könne man diesen Vorwurf gegen sie in Preußen nicht erheben. Er habe unter den mannig⸗ fachsten Umständen mit Mitgliedern solcher Orden zusammen⸗ gewirkt und könne keine Klage über sie erheben. Daß die Lebensmittel in den Formen der öffentlichen Armenpflege und von den Organen derselben, den ö Armenverbänden vertheilt werden sollten, halte er für keinen glücklichen Gedanken. Dieselben seien zu sehr gewohnt, sich in harten und nothwendig engen Grenzen zu bewegen. Viel besser würden dazu die Frauenvereine und die aus einer Verbindung von offiziellen
rganen mit Privatleuten hervorgegangenen Nothstands⸗ Comités geeignet sein, die einen weiteren Blick hätten und deren Mittel durch die in Folge der eintretenden Staatshülfe erlahmende Privatwohlthätigkeit nicht mehr so reichlich sein dürften als bisher. Diese Comités dürften sich in Folge ihrer vorzüglichen Lokal- und Personenkenntnisse auch am besten dazu eignen, diejenigen Leute herauszufinden, die von dem Nothstande profitiren wollten und sich künstlich in einen solchen versetzten. Das thäten seiner Meinung nach sogar jetzt ganze Landestheile, die sich ohne Bedürfniß an die Hülfe des Mi—⸗ nisteriums wendeten. Die Hauptaufgabe der Regierung werde . müssen, die Wiederkehr ähnlicher Nothstände in Ober— chlesien zu verhindern. Die Schuld der dortigen beklagens⸗ werthen Zustände trage wie vor 30 Jahren auch heute noch hauptsächlich die Indslenz der dortigen Bevölkerung selbst, welche Indolenz allerdings keineswegs angeboren, sondern ein Produkt mangelnder Erziehung sei. Schon im Jahre 1851 habe man im Abgeordnetenhause sich über mangelnde Fürsorge der Regierung für die dortigen Schulen beklagt. Dieser Mißstand sei allerdings in letzter Zeit sehr gemildert worden, aber immerhin fehlten dort nach der „Schle⸗ sischen Schulzeitung“ noch jetzt 350 Lehrer; also seien, wenn man nach dortigen Verhältnissen auf einen Lehrer 80 Kinder rechne, 28 000 Kinder ohne allen Unterricht. Diese Zahl wachse bedeutend, wenn man bedenke, daß der Unterricht in allen Klassen mit 80 Kindern für alle ein gedeihlicher nicht sein könne. In der Beseitigung dieses Mißstandes müsse man das Ministerium unterstützen. Die Ueberbürdung mit Schul⸗ lasten habe einen Grund zum guten Theil in der Gesetz— gebung selbst: durch die Ausscheidung des Großgrund⸗ besitzes, durch den Mangel von großen, präsentations⸗ fähigen Landgemeinden, deren Bildung eine alte For⸗ derung seiner politischen Freunde sei, und worauf man vor Allem sein Augenmerk richten sollte. Daß die Kinder neben polnisch auch deutsch sprechen lernten, liege, ganz abgesehen vom Germanisirungsprinzip, im direkten nationalen Interesse der Bevölkerung selbst. Die außer⸗ ordentliche Fruchtbarkeit der dortigen Bevölkerung, die fast über die Gebühr hinausgehe, schaffe ein solches Angebot von Arbeitskrästen, daß bei fast gleichen Lebensmittelpreisen wie in anderen Landestheilen dort die Löhne unverhältnißmäßig herabgedrückt würden, so daß sie an manchen Orten und in manchen Jahreszeiten auf 260 J pro Tag sänken. Zur Hebung der Löhne werde auch die neue Zollpolitik bei dieser Dichtigkeit der Bevölkerung nichts helfen. Selbst wenn in Folge derselben das oberschlesische Eisen etwas theurer werden sollte, werde die Großmuth der oberschlesischen Grubenbesitzer bei der Konkurrenz des Arbeitsangebots nicht die Löhne erhöhen. Die Regierung werde sogar die Frage erwägen müssen, ob nicht die Königlichen Werke mit einer spontanen Lohnerhöhung vorangehen müßten. Eine Besserung dieser Verhältnisse sei nur von einer Beförderung der Aus⸗ wanderung zu erwarten. Dazu sei aber die deutsche Sprache absolut nothwendig. Es müßte gegen den katholischen Klerus in Oberschlesien der Vorwurf erhoben werden, daß derselbe seinen früheren, fast souveränen Einfluß auf die dortige Schule nicht genügend dazu angewendet habe, das Volk geistig zu wecken. Erst in neuerer Zeit habe der Staat hierin etwas thun müssen. Der Finanz⸗-Minister habe in dankenswerther Weise manche erwägenswerthe Punkte ange⸗ regt, in denen der dortigen Bevölkerung dauernd zu helfen wäre. Derselbe habe aber die Oderregulirung nicht berück⸗ sichtigt, trotzsem die Ueberschwemmung den Nothstand meist mitverursacht habe und diese Gefahr in den letzten Wochen wieder gedroht habe. Man verstehe nun in Preußen unter Stromregulirung nur Schiffbarmachung, und betrachte diese in dortiger Gegend für abgeschlossen. Für die Schiffahrt könne aber manches günstig sein, was für das Land un⸗ günstig sei, und man müsse erwägen, welches Interesse die Berücksichtigung mehr verdiene. Ohne eine Regu⸗ lirung der Oder zur Verhütung von Ueberschwemmungen werde die Drainage allein nichts nützen. Ja er glaube, daß die Regierung aus demselben Grunde mit Oesterreich in inter⸗ nationale Verhandlungen wegen Regulirung der Weichsel eintreten müßsse. Der Eisenbahnbau sei für die dortigen Ge⸗ genden gewiß nothwendig, die vom Finanz⸗Minister vor⸗ geschlagenen Linien berührten indeß die Nothstandsbezirke nur theilweise, denn nach statistischen Belegen beschränke sich der eigentliche Nothstand auf die Kreise Rybnik und Pleß und deren nächste Umgebung. Die vorgeschlagene Linie Oppeln⸗Neisse mit ihrer Zweigbahn Cziekau⸗Grottkau sei eine alte Seeschlange.
Drei Grafen hätten ku dieser Bahn die Konzession gehabt, hätten sie aber dennoch nicht gebaut, jetzt wolle sie der Staat bauen. Auch die Linie Creutzburg-Tarnowitz berühre die eigentlichen Nothstandsbezirke nicht, dagegen sei eine Linie Rybnik-Loßlau⸗Annaburg zu empfehlen. Im Uebrigen sollte sich doch die Staats fürsorge auch auf den Ackerbau selbst, die Einführung besserer und rationellerer Methoden richten, kurz, dem landwirthschaftlichen Ministerium biete sich hier ein mächtiges Arbeitsfeld. Namentlich scheine ihm dies Ministe⸗ rium dert nicht die geeigneten Organe zu haben und sich zu sehr auf die landwirthschaftlichen Vereine verlassen zu haben. Wäre es rechtzeitig von der dortigen Kartoffel mißernte unterrichtet gewesen, dann hätte früher entweder die Kar⸗ toffelzufuhr dorthin veranlaßt oder die Kartoffelausfuhr von dort beschränkt werden müssen. Nichts von dem sei geschehen, aber hoffentlich werde es in Zukunft anders. Auch der Land⸗ tag werde sich durch jährliche Nachweise des Ministeriums stets davon überzeugen müssen, ob letzteres seine dortigen Aufgaben genügend verfolge und löse, Dem vereinigten Bemühen müsse und werde es zweifellos gelingen, den Bewohnern eines sonst von der Natur mannigfach gesegneten Landstriches günstigere Verhältnisse zu schaffen.
Hierauf erwiderte der Minister der geistlichen 2c. Ange⸗ legenheiten von Puttkamer:
Meine Herren! Ich erbitte mir nur einmal noch das Wort, um im Wesentlichen einen von dem Herrn Vorredner im Eingange seiner Rede an mich gerichtete Frage zu beantworten, weil ich diese Beantwortung allerdings für wichtig halte.
Er knüpfte an den 5§. 2 des Gesetzes, betreffend die Aufhebung der geistlichen Orden und ordengähnlichen Kongregationen der katho⸗— lischen Kirche vom 31. Mai 1875 an und fragte, ob in der Er⸗ mächtigung, welche der 5. 2 des Gesetzes dem Minister des Innern und dem Minister der geistlichen Angelegenheiten verleiht, den mit der Krankenpflege sich beschäftigenden Niederlafsungen die Aufgahme neuer Mitglieder zu gestatten, die Ermächtigung genereller Aufnahme einbegriffen sei. Meine Herren! Ich muß diese Frage verneinen. Es ist bei Erlaß dieses Gesetzes die Absicht gewesen, die Aufnahme jedes einzelnen Mitgliedes võn der ministeriellen Genehmigung ab⸗ hängig zu machen, und ich glaube hinzufügen zu müssen, daß wenn man die Absicht des Gesetzes eine wirksame Staatsaufsicht über diese Niederlassungen zu üben, billigt, man auch nicht wird umhin können, der Auslegung detz Gesetzes, welche die ministerielle Praxis konstant festgehalten hat, beizupflichten.
Ich habe nun noch einige von dem Herrn Vorredner erörterte Punkte, so weit sie mein Ressort berühren, zu beleuchten. Der Herr Vorredner hat eine Zeitungsnotiz mitgetheilt, nach welcher in Oberschlesien — ich vermuthe, es wird der ganze Bezirk Oppeln gemeint sein — ein Lehrermangel in der Bezifferung von Zö0 statt—⸗ findet. Daraus ist dann die weitere Konsequenz gejogen, daß also 23 000 schulpflichtige Kinder Oberschlesiens des vollen Schulunter⸗ richts entbehrten. Ich habe darauf zu erwidern, daß diese Ziffer unrichtig ist, allerdings nur in so weit, als sie um hundert den wirklichen Sachverhalt übersteigt. Etz sind allerdings eine erhebliche Anzahl von Lehrerstellen in Oberschlesien vakant; daraus folgt aber nicht, daß nun auch die 28 000 Schulkinder ohn? Schul⸗ unterricht sind, sondern im Wege des Halbtageunterrichts, der auch in vielen anderen Gegenden als nothwendiges Aus⸗ kunftsmittel sich hat bewähren müssen, ist für den Unterricht auch in dieser Gegend gesorgt. Indeß ich kann daran die Bemer⸗ kung knüpfen, daß, wenn hierin ein Mißstand und mit Recht gefun⸗ den wird, die Verwaltung schon seit Jahren auf das Erfolgreichste bemüht ist, ihm für die Zukunft abuhelfen. Meine Herren! In Oberschlesien sind unter der Verwaltung meines Amtävorgängers 4 provisorische kathollsche Schullehrer⸗Seminare gegründet, welche le⸗ diglich den Zweck verfolgen, diesem Mangel allmählich abzuhelfen. Die Besserung schreitet in dieser Beziebung von Jahr zu Jahr stetig fort und der Zeitpunkt ist nicht mehr fern, wo die sinanzielle Mög“ lichkeit vorausgesetzt, der Lehrermangel in Oberschlesien völlig ver- schwunden sein wird, wie hoffentlich überhaupt in der ganzen Monarchie.
Sodann glaubte der Herr Vorredner noch ein bestimmtes Rechts- verhältniß berühren ju müssen in Bezug auf die Unterhaltung pflicht der Grundbesitzer gegenüber den Elementarschulen. Ich bin in diesem Augenblick nicht mit dem aktenmäßigen Material versehen, um diese mich unvorbereitet treffende Frage zu beantworten. Ich muß mich also auf mein Gedächtniß verlassen, welches indessen, wie ich glaube, ziemlich treu ist. Die Sache verhält sich so: nach dem katholischen Schulreglement von 1801 ist den Gutsherrschaften den katholischen Elemeatarschulen gegenüber eine weit gehende Unter⸗ haltungspflicht auferlegt, und ein Allerhöchster Landtageabschied, dessen Jahrgang mir nicht gegenwärtig ist, hat diese Verpflichtung auch den evangelischen Schulen gegenüber zu Recht als bestehend hingestellt, indessen durch rechtskräftiges Erkenntniß des Königlichen Ober ⸗Verwaltungsgerichts ist diese Verpflichtung den evangelischen Schulen gegenüber verneint worden. Uebrigens will ich doch gleich zur Steuer der Wahrhelt hier hinzufügen, daß die Fürstlich Pleßsche Verwaltung dem Vorredner wahrscheinlich eine sehr ausgiebige Liste von Prästatlonen würde vorlegen können, die ihr den Elementar⸗ schulen gegenüber obliegt, und die sie, wie ich glaube, treulich erfüllt.
Zum Schluß will ich nur noch eine Bemerkung machen, dle sich auf die von dem Abg. von Stablewski schon in die Debatte gezogene und auch von dem Hrn. Abg. Dr. Virchow berührte Frage bezieht, das ist die des deutschen Sprachunterrichtz. Meine Herren! Ich erkläre, daß ich mir keine preußische Unterrichtsverwaltung denken kann, welche nicht dafür sorgt, daß jedes Schulkind die deutsche Sprache ausgiebig und vollständig erlernt.
Demnächst ergriff der Finanz-Minister Bitter das Wort:
Der Herr Abg. Virchow hat mit Bezug auf diejenigen Eisen⸗ bahnen, welche von mir bei Einbringung des Gesetzentwurfs dem hohen Hause als diejenigen bezeichnet worden sind, welche in Aus— sicht genommen werden müßten, um den Nothstandsverhältnissen von Oberschlesien abzuhelfen, zu verstehen gegeben, daß eine von Oppeln nach Neisse zu führende Bahn eigentlich nur im Interesse von Pri⸗ vatpersonen, die er drei Grafen nannte, gebaut werden sollte, und hat daran den Rath geknüpft, die Staatsregierung möge dann auch andere entferntere Bahnen bauen, die mit den Nothstandkdistrikten gleichfalls in keiner Verbindung ständen. Ich muß bemerken, daß diese Voraussetzung, ich will sie nicht anders bezeichnen, eine absolut unbegründete ist. Die Staatzregsierung hat nicht entfernt daran gedacht irgend einer Privatperson aus Veranlassung des Nothstandes, noch dazu in einem Distrikt, der mit dem Nothstand nicht in Verbindung steht, irgend welchen Vorlbeil zuwenden zu wollen, am wenigsten dadurch, daß sie große Eisenbahnen blos im Interesse von Privatpersonen anlegt; dies liegt ihr vollständig fern. Die Bahn, um die es sich handelt, ist im Provinzialausschuß einstimmig als eine solche bezeichnet worden, welche im Interesse der Nothstandebezirke Oberschlesiens dringend noth vendig sei. Diese selbe Bahn ist bei der Konferenz, die der Herr Minlster des Innern und ich abhielten (Zuruf) — ich habe von dem PYrovinzialausschuß gesprochen — dieselbe Bahn ist bei der Konferenz, die der Herr Minister des Innern und ich in Oppeln ab-
ehalten haben, als eine sehr dringende bezeichnet worden, mit der Hen lun daß sie durch diejenigen Theile des Kreises Oppeln ginge, die außerordentlich arm und jetzt ebenfalls dem Nothstande verfallen seien. Der Kreis Oppeln ist von dem Hrn. Abg. von Huene als einer derjenigen bezeichnet worden, der der Aufmerksamkeit der Königlichen Staatsregierung empfohlen werden müsse. Das stimmt absolut mit denjenigen Nachrichten über⸗ ein, welche die Staatsregierung erhalten hat; ich kann also die Vor⸗ . des Herrn Vorredners nur als eine durchaus irrige be zeichnen.
hohen Hause über Kredit- und Wucherverhaͤltnisse in i ,
Ich möchte aber an diese Bemerkung noch eine andere anknüpfen, die an Aeußerungen anknüpft, die vorhin ausgesprochen worden find, und die dahin gingen, daß ich bei Einbringung des Gesetzentwurfs in Betreff der Wucherfrage eine Drohung ausgesprochen hätte. Das Wort „Drohung“ ist dabei bestimmt ausgesprochen worden; worauf das beruht, weiß ich nicht. Ich habe bei der Interpell ation des Hrn. von Huene wörtlich erklärt: Zudem meldet die Provinzialver⸗ waltung leider, daß der Wucher die dortige arme und schwer be⸗ drängte Bevölkerung, wie es scheine, mit einem unzerreis⸗ baren Netz umsponnen habe“. Seitdem find wir den Verhältnissen näher getreten, und hat es sich allerdings in Oppeln zur Evidenz erwiesen, daß ein solches Netz von Wucherern in der That vorhanden ist. Wir haben seitdem aus den Mstthei⸗ lungen, die gemacht worden sind, nur die ganz bestimmte Beftätigung dieser Voraussetzung finden können — ich kann aut den Bemerkungen, die heut hier gefallen sind, etwas anderes als eine Bestätigung jener Auffassung nicht herausfinden. Wenn ich bei Einbringung des Gesetzes hierauf zurückgekommen bin, so habe ich es für meine Pflicht ge— halten, darauf aufmerksam zu machen, daß gegen den Wucher ein— geschritten werden müsse. Ich hake dieses Ginschreiten wesentlich darauf bastrt, daß Die wirthschaftliche Lage der Bevölkerung durch die Vorschläge der Regierung. verbessert werden sollte — darauf gehen ja fast alle Vorschläge der Regierung hinaus — und daß außerdem die Regierung vorzugsweise darauf aufmerk— sam sein würde, die Treditverhältnisse der kleinen Grund besitzer, des ärmeren Theils der Bevölkerung, derjenigen,
die nicht zu den größeren Grundbesitzern gehören, zu verbessern, sie
leichter zu gestalten. Von einer Brohung ist mir dabei gar nichts in den Sinn gekommen; ich glaube auch nicht, daß irgend ein Mensch in meinen Worten eine Drohung gefunden haben kann. Ich habe den stenographischen Bericht hier und habe ihn soeben durchgelefen, ich bin aber außer Stande, darin irgend etwas zu finden, was nur annähernd an eine Drohung erinnert. Ich habe gesagt:
»Es ist als ein sehr schwerwiegender Umstand bezeichnet wor⸗ den, daß die Kreditverhältnisse für die kleineren Leute dort sehr bedenkliche und bedauerliche seien. Ich habe bereits die Ehre ge— habt darquf hinzuweisen, daß die dortige arme Bevölkerung mit einem, wie es scheint unzerreißbaren Netz von Wucherern umgeben sei, und es ist durchaus nothwendig, daß dieses Netz durchbrochen ö überhaupt der dorligen Bevölkerung Fehol fen wer—
en solle.“
Lag darin eine Drohung?
Und dadurch wird es möglich sein, Licht und Sonnenschein in diese Verhältnisse zu bringen. In welcher Weise das möglich sein wird, darüber enthalte ich mich augenblicklich billig jeder weiteren Bemerkung.
Das Einzige, was ich dem Hrn. Abg. Virchow zugestehen kann, i daß ich statt des Wortes „billig“ hätte billigerweise sagen können.
Schließlich habe ich gesagt:
Nach dieser Richtung hin muß Wandel geschaffen werden. Es wird aber auch darauf Rücksicht genommen werden, daß durch Kreditinstitute mit leichter Zugänglichkeit es möglich gemacht wird, daß der kleinere ö in die Lage kommt, seine Bedürfnisse an baarem Gelde und Vorschüssen nicht ausschließlich bei Wucherern und solchen, die sich an ihn ansargen, zu beschaffen.
Ich glaube, daß das Alles dem entspricht, wagt wir vorhin im
gehört haben; ich glaube aber auch außerdem darauf aufmersam machen zu dürfen, daß bei Weiterberathung der Wucherfrage, die ja im Reichstage schon ihren Anfang genommen hat, wenn sie auch noch nicht zum Abschluß gelangt ist, die Verhältnisse von Ober schlesten nicht unberütsichtigt bleiben werden.
Der Abg. Loewe (Berlin) erklärte als Gegner der Vorlage aufzutreten, natürlich nur in einem eng beschränkten Sinn, denn in der Hauptsache sei er nicht nur kein Gegner der Vorlage, sondern er beklage es, daß sie nicht schon sehr viel früher ein⸗ gebracht sei im unvortheilhaften Gegensatz zu der ungemeinen Raschheit, mit der die französische Regierung einem viel
mäßigeren Nothstande durch eine Kreditforderung begegnet
sei. Der Minister habe die Anlage der Eisenbahn Oppeln⸗
Neisse damit motivirt, daß der Provinzialausschuß sie für
nöthig halte. Im Provinzialausschusse aber säßen hauptsäch⸗ lich die dabei interessirten Herren. Er hoffe, der Minister werde in der dritten Lesung genaue Auskunft darüber ge⸗ ben, welche Kreise unter den Nothstand fielen, dem allein durch dieses Gesetz abgeholfen werden solle. Es scheine, daß neben der im Reich herrschenden Interessenpolitik eine Landes⸗ politik gehen solle, welche bei dieser so betrübenden Gelegen⸗ heit wieder nur den Zweck verfolgen solle, gewissen interessirten Kreisen unter die Arme zu greifen. Der Finanz⸗Minister habe an Versprechungen so viel geleistet, wie wohl noch keiner seiner Amtsvorgänger; aber auf die Dauer werde mit allen seinen Vorschlägen dem Elend nicht abgeholfen. Die Kornzölle ständen zwar als Ursache nicht in unmittelbarem Zusammen⸗ hange mit dem jetzigen Nothstande, aber sicher werde durch die ,,, des Reiches der Nothstand erschwert, und seine Aushebung fast unmöglich gemacht. Die industriellen 53 seien im Gegensatze zu den nur Ackerbautreibenden vom Noth⸗ stande verschont geblieben. Deshalb müsse die Industrie auch in Oberschlesien gehoben werden, das könne aber nicht ge— schehen, wenn man den Import erschwere, wenn man an den Grenzen Schlagbäume errichte. Der Hauptgrund des oberschlesischen Nothstandes liege ferner in den agra⸗ rischen Verhältnissen. Die großen Latifundien seien Schuld an den traurigen Verhältnissen. Fürst Pleß besitze in den Nothstandsdistrikten ausgedehnte Besitzungen, beson⸗ ders sehr große Bergwerke, aber derselbe lasse sie nicht bear— beiten und gebe daher den dortigen Bewohnern nichts zu ver⸗ dienen, weil er der Ansicht sei, daß die Bergwerksprodukte in
Zukunft noch sehr bedeutend im Preise steigen würden, und um seinen Kindern und Kindeskindern diese großartige Ausbeute zu hinterlassen. Die Bevölkerung verlange aber jetzt schon nach Arbeit, weil sie diese auf agrarischem Gebiet nicht finde. Die Regierung möge ihr Augenmerk darauf richten, ob hier nicht die Gesetzgebung geändert werden könne. Man spreche hier sortwährend von Aenderungen der Reichsgesetzgebung, er meine, es wäre eine lohnende Aufgabe für dies Haus, durch eine Aenderung der Agrargesetzgebung eine Besserung herbeizuführen. Es sei bisher von ihm geglaubt worden, daß in Folge der strengen Maßregeln gegen die Sozialdemokratie gewisse ,. ihrer Agitatoren, welche zur Aufreizung und zur Belustigung des Janhagels gedient hätten, nicht mehr zur Anwendung kommen würden. Aber der Abg. von Sta⸗ blewski habe heute auf die Juden wieder hingewiesen und behauptet, daß die Demoralisation der Oberschlesier durch die dortigen Juden, welche Schänken hielten, herbeigeführt wor⸗ den sei. Er glaube, daß man etwas Derartiges, was gewiß nicht beweisbar sei, nicht von der Tribüne diese3s Hauses sagen dürfe. Aber das behaupte er mit Sicherheit, der Scha— den der Schnapsschänken sei derselbe, gleichviel ob die Wirth⸗ schasten von Juden oder Christen betrieben würden, so lange die wirthschaftliche Ausnutzung Seitens der Großgrundbesitzer dort nicht aushöre, werde es nicht besser. Ihm kämen die heu⸗ tigen Angriffe gegen die Juden von Seiten eines katholischen Geistlichen ganz neu vor, da er in einer Stadt mit ganz katholischer Bevölkerung von katholischen Geistlichen auf einem katholischen Gymnasium unterrichtet sei und Gelegenheit gehabt ö. die . und tolerante Art dieser Männer kennen zu ernen. Er habe dem Centrum gegenüber nicht eine feindliche Stellung im Kulturkampf eingenommen und es ihm hoch an—⸗ gerechnet, daß es bei jeder Gelegenheit seine heiligsten Güter vertheidigt habe. Er halte es für unter der Würde dieses Hauses, wenn ein Mitglied sich ein Späßchen machen zu können glaube mit heiligen Dingen. Der Abgeordnete, auf dessen Berufsthätigkeit hier neulich angespielt fei, habe sich durch das, was derselbe in Bezug auf das Judenthum gesagt habe, weit mehr geschadet, als jede Anspielung auf fein bürger⸗ liches Gewerbe im Stande wäre. Er müsse solche Bemerkungen hier zurückweisen, weil es scheine, als wollte sich im Haufe die Gewohnheit einbürgern, auf die Juden zu sticheln. Er und seine Freunde wünschten, daß durch die Vorlage dem Noth⸗ stande abgeholfen werden möchte.
Hierauf ergriff der Minister des Innern Graf zu Eulen— burg das Wort:
Meine Herren! Eg sind einige wenige Momente aus der De— batte, auf welche ich noch einige Worte erwidern muß.
Ich schließe zunächst an den Eingang der Aeußerungen des letzten Herrn. Vorredner an, der sein Bedauern darüber ausgesprochen hat, daß die gegenwärtige Vorlage, durch welche die Mittel zur Beseiti⸗ gung des Nothstandes in SOberschlesten beantragt werden, so fpät eingebracht worden sei. Eine Motivirung für dieses Bedauern hat er nicht angegeben, und ich glaube, es würde ihm auch schwer werden, irgend eine Thatsgche anzuführen, welche bewiese, daß irgend etwas versäumt worden ist.
Die Stgaateregierung ist — um das auszusprechen ist mir Be—⸗ dürfniß — nicht aus Säumniß, nicht aus büregukratischer Schwer fälligkeit oder aus irgend welchen ähnlichen Umständen erst jetzt mit der Vorlage hervorgetreten, sondern mit vollem Vorbedacht und in der Ueherzeugung, damit der Sache mehr zu nützen, als mit einer wenig begründeten, zu früh kommenden Vorlage, deren Erfolg nur der hätte sein können, einerseitz sowohl die eigene Thaͤtigkeit und die eigene Widerstandskraft der von der Noth Bedrohten andererseits aber auch die Mithülfe der Privatwohlthätigkeit und der in den betreffenden Ge— genden noch Leistungsfähigen in einer durchaus unerwünschten Weise zu lähmen. Es ist von verschiedenen Seiten heute bereils anerkannt worden, daß mit dem Augenblick, wo, wie man sich ausdrückt, der große Staatssäckel geöffnet wird, alle anderen Hülfsmittel und Häülfz⸗ quellen zu versiegen drohen. Daß dieser üble Zustand so spaͤt wie möglich eintritt, dat, meine Herren, glaube ich, liegt im allseitigen Interesse, und ich bin daher der Meinung, daß es nicht einen Vor—⸗ wurf, sondern Anerkennung verdient, daß wir erst jetzt mit einer Vorlage hervortreten.
Was hätte auch in der That für ein Nachtheil entstehen können — oder vielmehr welchen Nachtheil wollen Sie davon beweisen, daß die Vorlage erst jetzt gekommen ist Hätten wir uns selbst in unserer Voraussicht getäuscht, daß die Noth würde bekämpft werden können mit den vorhandenen Mitteln bis zum gegenwärtigen Augen—⸗ blick, — glauben Sie, meine Herren, daß wir nicht den Muth gehabt haben würden, vorschußweise und im Wege der MUeberschreitunß der uns zu Gebole stehenden Etats diejenigen Mittel aufßubriggen, die nothwendig gewesen wären zur Deckung dieser Bedürfnisse? Und ist das nicht ein Weg, auf, welchen erst vor Kurzem bei anderer Gelegenheit die Staatz regierung von Ihnen selbst hingewiesen ist? Ich hoffe, meine Herren, ein für allemal ist damit dieser Vorwurf beseitigt.
Ich will ferner ein Paar Worte sagen, über eine andere Be— merkung, die von dem Hrn. Abg. Dr. Virchow gemacht worden ist in Bezug auf den Mangel an Kartoffeln und die Kartoffelmißernte, die in diesem Jahre stattgefunden hat. Ich kann ihm in der That die Versicherung geben, daß wir vollkommen recht zeilig sowohl von den Besergnissen, die in dieser Beziehung be— standen, als demnächst auch nur zu schnell von dem Eintreffen, ja, von dem Uebertroffensein der Besorgnisse Nachricht bekommen haben. Wir haben gerade diese Frage und dann auch die andere Frage, die er angeregt hat, nämlich die rechtzeitige Hinschaffung von Kar⸗ toffeln in die bedrohten Gegenden nicht allein erwogen, sondern auch bei den Provinzialbehörden und den Betheiligten ausdrücklich an⸗ gtregt. Man hat uns aber übereinstimmend gesagt, daß dazu ein
Bedürfniß nicht vorläge, weil man in genügender Menge wü Kartoffeln herbeischaffen können, und big ect 1p keine Thatsache 2 getreten, welche diese Voraus setzung ju Schanden gemacht hätte. Ich bin also der Meinung, daß auch in diefer Beziehung nichts versäumt worden ist; sollte es geschehen sein, dann würde es nicht auf der Un⸗ achtsamkeit der Behörden. sondern auf einer unzutreffenden Voraugs⸗ berechnung beruhen; daß diese Berechnung aber unzutreffend sei, kann ö. 31 k. Weise zugeben und ich boffe, daß die Zukunft mir Recht Endlich hat der Hr. Abg. Dr. Virchow noch seine Verwunderun
darüber ausgesprochen ö. bei . ö. Oppeln zwar . viel von Drainage, aber fast gar nicht davon die Rede gewesen sei, wo das Wasser bleiben soll, welches durch die Drainage den Aeckern entzogen wird, mit anderen Worten von der Regulirung derjenigen Wasserläufe und Ströme, welche das Wasser aufnehmen sollen. Ich kann ihm versichern, daß dlese Frage nicht allein berücksichtigt ist, fon⸗ dern daß sie ganz nothwendig ünd naturgemäß hat in Betracht ge⸗ zogen werden müssen. Gerade mit Räcksicht darauf ist bei den Ver⸗ handlungen das Desiderium aufgestellt worden, nicht die Spezial⸗ bezeichnung „Drainage“ zu wählen, sondern es ist überhanpt als wünschenswerth und in einem gewissen Umfange als nothwendig be⸗ zeichnet worden, eine Regulirnng der Entwässerungsverhältniffe vor— zunehmen. Auch in dieser Beziehung das Nöthige zur Verbesserung der Verhältnisse in der dortigen Gegend eintreten zu lassen, das wird unser Bestreben sein.
Der Abg. Dr. Freiherr von Saurma⸗Ruppersdorf führte aus, daß die Regierung vollständig rechtzeitig Hülfe gebracht habe. Die Zufuhr von Kartoffeln fei des Frostes halber nicht frü—⸗ her möglich gewesen. Auch werde eine Art von Nothstands⸗ schwindel getrieben, der sich namentlich dadurch kund gebe, daß zur Zeit ganz Niederschlesien von Vagabunben gereinigt sei, welche also in Oberschlesien für die Firma „Nothstand“ reisten. Er, als Schlesier, könne das aktenmäßig erhärten. Arbeiten wolle Keiner, von Chaussee⸗ und Wege⸗Arbeiter blieben nach 4 bis 5 Tagen immer die Hälfte weg. Alles verlasse sich auf die Staatshülfe. Deshalb sei das Zögern der Regierung, die Vorlage einzubringen, sehr anzuerkennen. Den Anführungen mehrerer Vorredner über den lächer⸗ lich geringen „Verdienst von 2 bis 4 Sgr. per Tag könne er die buchmäßige Versicherung entgegen stellen, daß, der Verdienst des Arbeiters bis zu 22 Sgr. gestiegen sei. —— 4 Sgr. Verdienst könne höchstens ein Kind oder eine Frau bezogen haben, und dazu kämen noch die Benefizien sreier Wohnung und Heizung und ein gewisser Prozentsatz an Getreide und sonstige Nutzungen. Was die Frage des Unterrichts in polnischer Sprache betreffe, so würde ja in den unteren Klasse diese gelehrt. Man möchte doch aber aufhören, in einer Provinz, welche schon über 160 Jahre zu Preußen gehöre, zu polonosiren und die wasserpolnische Sprache zu verbreiten. Staat und Kirche machten sich sehr häufig das Leben schwer, darin aber seien sie einig, daß die vielen Sonn⸗ und Feiertage reine Benesizialtage der Schankwirthe seien. Zur Sache selbst sei er mit dem vom Abg. von Meyer⸗Arnswalde gewünschten Amendement, daß nicht die Kreisausschüsse, sondern die Regierung über die Zurückerstattung der staatlichen Dar⸗ lehen zu befinden haben solle, einverstanden und empfehle dieses Amendement derjenigen Kommission, an die die Vor— lage verwiesen werden würde. Die konservative Partei werde nach ihrer Tradition der Regierung in jeder Bewilligung von Unterstützungen für nothleidende Landestheile zur Seite stehen.
Der Abg. Schröder -Lippstadt nahm zunächst den Abg. von
Stablemski gegen die Bemerkungen des Abg. Löwe über das Judenthum in Schutz, indem er dessen versöhnliche Stimmung und Toleranz hervorhob. Dem Kultus⸗Ministẽr gegenüber hätte er gewünscht, daß derselbe des Abg. Virchow wohl⸗ wollender Interpretation des 8. 2 sich angeschloffen hätte. Alle Chikanen der Unterbeamten seien auf die vom Kultus—⸗ Minister gegebene Interpretation des Paragraphen zurück⸗ ä ren, Er müsse die Oberschlesier gegen die ver⸗ chiedenen ihnen gemachten Vorwürfe vertheidigen. Erst müsse man den materiellen Nothstand heben, dann könne erst von einer Hebung der Intelligenz die Rede sein. Ersteres sei hauptsächlich auch durch eine ien Sepa⸗ ration zu erreichen. Die Generalkommissionen würden leider jetzt als eine im Aussterben begriffene Institution behandelt und vielfach angegriffen, weshalb sich ihrer ein gewisser Ma⸗ rasmus bemächligt habe. Auch sei es fehr zu bedauern, daß auch der landwirthschaftliche Minister jedem politischen Wind⸗ hauche, weichen müsse. Eine konstante Verwaltung die⸗ ses Ministeriums müßte darauf hinwirken, daß die General⸗ kommissionen wieder die Initiative zu Regulirungen er— griffen, wie es ihre gesetzliche Aufgabe sei. Die Löhne in den Eisenwalzwerken und Kohlengruben seien so herab⸗ gedrückt, daß dabei die Arbeiter nicht mehr leistungsfähig blieben. Dies wirke auch auf die agrarischen Kreise, weil die Industrie⸗ arbeiter häufig aus den Agrarbezirken stainmten und ihre dor⸗ tigen Angehörigen mit dem Lohne unterstütz en. Die Arbeiter müßten mehr Grundbesitz erwerben. Man möge namentlich zu diesem Zwecke die Abtrennung kleiner Parzellen von Fidei⸗ kommissen erleichtern. Die Diskussion wurde geschlossen. Nach einer Reihe per— sönlicher Bemerkungen der Äbgg. von Meyer⸗Arnswalde, Dr. Virchow, Frhr. von Huene, Br. von Stablewski und Löwe (Berlin), wurde die Vorlage der Budgetkommission überwiesen, worauf sich das Haus um 5 Uhr vertagte.
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&. ü. 3. w. Von öffentlichen Papieren. 9.
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und Grosshandel. Literarische Anzeigen.
Familien · NJaehrichten.
6. Verschiedene Bekanntmachungen.
In der Börsen- beilage. *
„Juvalidendank !, Nnudolf Mosse, Haasenstein & Bogler, G. L. Daube & Co., E. Schlotte, Büttner & Winter, sowie alle übrigen größeren Annoncen · Snreans. .
Subhastationen, Aufgebote, Vor-
ladungen n. dergl.
lößs Deffentliche Zustellung.
Der Kaufmann Vietor Moses Hammerschla Klippert von hier — klagt gegen die Kinder der gemacht. verstorbenen Ehefrau des Weißbinders Jacob Vogt, Hatharina Clifabeth, geb. Möller, von hier, als: I) Nicolaus Vogt von hier, 2 Carl Vogt, minder ⸗ jührig, unter Vormundschaft seines Vaters Jakob Vogt von hier, und 3) Johannes Vogt von hier, jetzt abwesend, unbekannt wo?
⸗ wegen Forderung mit dem Antrage auf Verurtheilung der Beklagten
1911
Lichtenau b. Cale den 7. Januar 1880. norz, Gerichtsschreiber des Königlichen Amtsgerichts.
Bekanntmachung.
Dem Eisengießereibesitzer Angust Mietz, an⸗ geblich zu New⸗Jork, wird zur Zahlung von 210 M Restkaufgeld nebst ö! macht, daß er in dem am 15. Oktober 1875 publi⸗
Zinsen seit dem 1. Januar 1876, und ladet die Be. zirten Testamente seiner Mutter, der verwittweten klagten zur mündlichen Verhandlung des Rechts⸗ streits vor das Königliche Amtsgericht zu Lichtenau auf den 7. April 1880, Vormittags 9 Uhr. Zum Zwecke der öffentlichen Zustellung an Jo⸗ zu, Eschwege — vertreten durch den Rechtganwall hannes Vogt wird diefer Auszug der Klage bekannt
Perleberg, den 3.
hat dahier den Antra Beata Nies, welche begeben und seit 11
Dorothee Elisabeth Mietz, geb. Neumann, zu Wilsnack, zum Erben auf den Pflichttheil, welcher auf 50 M6 festgesetzt, berufen worden ist.
den 3. Januar 1889.
Königliches Amtsgericht.
lost Oeffentliche Aufforderung.
Nr. 195. Fidel Nies, Taglöhner von Malsch, gestellt, seine Schwester im Juli 1849 nach Prag ahren, ferner seinen Bruder
. Nies, welcher sich im Jahre 1863 nach hlerdurch bekannt ge⸗ Amerika entfernt uad seit dieser Zeit, sowie seinen Bruder Michael Nies, welcher sich im Jahre 1858
nach Amerika begeben und seit dem Jahre 1867 keine Nachricht mehr von sich gegeben hat, für ver⸗ schollen zu erklären und ihn gegen Sicherheit leistung in den fürsorglichen Belt des Vermögens derselben einzuweisen.
Diesem Antrag wird stattgegeben, wenn nicht Beata Nies, Ferdinand Nies und Michael Nies binnen
einem Jahre Nachricht von sich hie her gelangen lassen. Ettlingen, den 7. Januar 1880. Großh. Amtsgericht. Der Gerichtsschreiber. J. V.: Nissel.