1880 / 11 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 14 Jan 1880 18:00:01 GMT) scan diff

Berlin, den 14. Januar 1880.

Zur Schonung der heuer überall nicht besonders gut be⸗ setzten niederen Jagden hat auch auf dem Königlichen Feld⸗ jagdgehege bei Berlin von größeren Hofjagden für dieses Jahr Abstand genommen werden müssen, und sind nur zwei kleinere Hofjagdamts⸗-Jagden, und zwar am 3. h. m. auf den Feldmarken von Waßmannsdorf und Klein⸗Ziethen und gestern auf den Feldmarken von Britz und Buckow abgehalten worden.

Auf jener wurden von 13 Schützen in vier Kesseln 192, auf dieser von 12 Schützen lin zwei Vorlegetreiben innerhalb 3 Stunden 156 Hasen erlegt, von welchen letzteren Ihre König⸗ lichen Hoheiten der Prinz Friedrich Carl 47 und der Prinz Friedrich Leopold, Höchstwelcher übrigens nur zum letzten Triebe hinausgefahren war, 9 zur Strecke brachten.

Das Ober⸗Seeamt verhandelte unter dem Vorsitz des Ge⸗ heimen Ober⸗Regierungs-Rathes Dr. von Möller in seiner Sitzung am Freitag, den 9. d. Mts., über die Beschwerde des Reichskommis⸗ sars Dr. Romberg gegen den Spruch des Seeamtes zu Bremerhaven vom 11. Oktober 1879, betreffend den Zusammenstoß des Lloyd⸗ dampfers „Oder“ mit der norwegischen Bark „Collector. Dieser Zusammenstoß hat in der Nacht vom 7. zum 8. Juni v. J. im Atlantischen Ozean stattgefunden und ist in Folge desselben der Col⸗ lector“ innerhalb ea. 5 Minuten gesunken, wobei fünf Menschenleben verloren gingen.

Die „Oder“ steuerte zu der in Rede stehenden Zeit WSw. 4 W. Kurs und lief ca. 12 Knoten Fahrt; der Collector! lag mit Back— bord Halsen unter vollem Segel beim Winde und hatte eine Ge⸗ schwindigkeit von ca. 4 5 Seemeilen per Stunde; sein Kurs war zwischen NW. bis NW. 3 W.— Das Wetter war zwar etwas bezo⸗ gen, jedoch durchaus feuersichtig. Der Wind war leicht bis mäßig aus westlicher Richtung. .

Um 12 Uhr Nachts übernahm der 2. Offizier der „Oder“, Ohrt, die Wache. Als sich gegen 125 Uhr das Wetter etwas mehr bezog, rief er den 4. Offizier, Nelson, welcher mit ihm zusammen die Wache hatte und dessen Station bei dem Kompaß war, auf die Brücke zu sich, um mit ihm zu berathen, or etwa in Folge dieser Wetterveränderung der Kapitän zu wecken sei. Während der Unterredung entdeckte zu⸗ erst der 2. Offizier ca. 15 Strich voraus einen hellen Schein, welchen er für das Licht eines entgegenkommenden Dampfers hielt. Er ertheilte sofort das Kommando „Ruder hart Backbord“, zog fast gleichzeitig die Dampfpfeife und gab, als er nur den dunklen Schatten eines Schiffes un mittelbar vor dem Bug der „Oder“ erblickte, den weiteren Befehl nach der Maschine „Stopp und volle Kraft rückwärts“. Diese Befehle sollen sämmtlich schnell ausgeführt sein. Nach der Angabe des Ohrt sind von dem ersten Erblicken des Lichtscheins bis zur Abgabe des letzten Befehles ca. 6 Sekunden verflossen. Ohrt will den Zusammenstoß gleich für unvermeidlich gehalten haben und erfolgte derselbe dann auch in kürzester Zeit. Die verschiedenen Aus⸗ sagen der Zeugen über die Zeit, welche von dem Erblicken des Lichtes bis zum Zusammenstoß wverflossen ist, schwanken zwischen 30 Sekunden und 2 Minuten.

auf dem „Collector, in Lee gelegt, ein Manöver, welches durchaus als richtig bezeichnet wird.

Nach siattgehabtem Zusammenstoß wurden vom Dampfer Taue über Bord geworfen und zwei Boote ausgesetzt, um so viel als mög⸗ lich von der Besatzung des Collector! zu retten und wurden auf diese Weise auch noch acht Menschen gerettet.

Das Seeamt zu Bremerhaven hat diesen Seeunfall in der Sitzung vom 3. Oktober v. J. untersucht und hat bei der Unter⸗ suchung der Reichskommissar den Antrag gestellt, dem Ohrt, welcher das Befähigungszeugniß als Schiffer für große Fahrt besitzt, die Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes als Schiffer zu ent⸗ ziehen, weil nach seiner Ansicht derselbe bei dieser Gelegenheit einen erheblichen Mangel derjenigen Eigenschaften zu Tage ge— legt habe, welche für die Ausübung dieses Berufes un⸗— bedingt erforderlich seien. Er macht ihm namentlich zum Vorwurf, daß er nicht sofort gestoppt habe, als er das Licht er⸗ blickte und ferner, daß er das Ruder Backbord legte, während es richtig gewesen sei, dasselbe nach Steuerbord zu legen. Der Reichs⸗

kommissar ist des Weiteren der Ansicht, daß die Entfernung der bei⸗ den Schiffe von einander noch genügend groß war, um den Zusam⸗ menstoß zu vermeiden und daß derselbe lediglich durch die falsche Ruderlegung veranlaßt sei.

Das genannte Seeamt publizirte demnächst seinen Spruch am 11. Oktober. In demselben gab es dem Antrage des Reichs⸗ kommissars keine Folge; vielmehr bezeichnete es die Handlungsweise des Schiffsoffiziers Ohrt als eine durchaus natürliche, da bei dem Backbord ⸗Ruderlegen die größere Wahrscheinlichkeit der Vermeidung des Zusammenstoßes vorhanden gewesen sei.

In dem abgegebenen Spruch ist die Urtheilsformel nicht von den sie begleitenden Gründen getrennt, so daß nur aus den letzteren auf die erstere geschlossen werden kann.

Bei der Verhandlung vor dem Ober⸗Seeamte waren als Bei⸗ stände des Schiffsoffiziers Ohrt der Rechtsanwalt Dr. Heineken aus Bremen und der Kapitän der „Oder“, Leist, zugegen. Letzterer wurde jedoch im Laufe der Verhandlung von Ohrt als Zeuge vor⸗ geschlagen, weshalb er zur Funktion als Beistand nicht zugelassen wurde, und gab Kapitän Leist demnächst als Zeuge eine beeidigte Darstellung des Sachverhalts, soweit er aus eigener Anschauung Kenntniß von demselben hatte.

Der Rechtsanwalt Heineken regte zunächst die Frage an, ob das Seeamt zu Bremerhaven überhaupt befugt gewesen sei, eine Untersuchung dieses Kollisionsfalles vorzunehmen, da weder ein deutsches Schiff von einem Unfall betroffen sei, noch der Unfall des fremden Schiffes, des „Collector“, sich innerhalb der deutschen Küstengewässer ereignet habe, noch die Untersuchung vom Reichskanzler angeordnet sei. Die „Oder“ sei aus dem Zusammenstoße vollständig unbeschädigt hervor⸗ gegangen. Im Weiteren führte er aus, daß im Gegensatz zu der Ansicht des Reichskommissars die sachverständigen Mitglieder des Seeamtes zu Bremerhaven das Verfahren des Ohrt als durchaus korrekt bezeichnet hätte und daß in der Beschwerde nichts beigebracht sei, was das Ober⸗Seeamt zu einer Abänderung des Spruchs des Seeamtes veranlassen könnte.

Nach längerer Verhandlung entschied das Ober⸗Seeamt: daß der Spruch des Seeamtes zu Bremerhaven vom 11. Oktober 1879 insofern, als er sich auf die Gewerbebefugniß des Schiffsoffiziers

Der Mann auf Ausguck auf der „Oder“ hat das Licht erst gesehen, nachdem die Dampfpfeife ertönte; er ist dann schnell nach hinten ge⸗ gangen, hat Meldung gemacht und ehe er wieder auf seinen Posten gelangt war, hatte der Zusammenstoß bereits stattgefunden. Auch er hat eine Färbung des Lichtes nicht bestimmt erkannt, wenn er auch angiebt, daß es ihm grünlich vorgekommen sei. Bei seiner Meldung hat er dies jedoch nicht erwähnt. Auf der Bark „Collector“ sind die Dampferlichter eirea fünf Minuten vor der Kollision bemerkt; den Vorschriften über das Straßenrecht auf See entsprechend, mußte der „Collector“, wie er es richtig gethan hat, seinen Kurs beibehalten; er hat versucht sich durch Läuten mit der Glocke und durch Rufen bemerklich zu machen, jedoch ohne Erfolg; erst ganz unmittelbar vor dem Zu⸗— sammenstoß ist zur möglichen Abschwächung des Stoßes das Ruder

Ohrk bezieht, lediglich zu bestätigen und die baaren Auslagen des Verfahrens außer Ansatz zu lassen.“ Zur Begrundung des Spruches führte der Vorsitzende aus; Hin⸗ sichtlich der vom Vertheidiger angeregten Frage der Legalität des amtlichen Verfahrens stehe es außer Zweifel, daß es im Sinne des Gesetzes vom 27. Juli 1877 als ein Seeunfall, welcher ein deutsches Schiff betroff en habe, anzusehen sei, wenn durch das letztere ein frem⸗ des Schiff übergerannt worden sei, umsomehr, wenn hierbei Menschen⸗ leben verloren gegangen. Das Seeamt Bremerhaven sei demnach zur Untersuchung dieses Falles befugt gewesen.

Was den Seeunfall selbst anbetrifft, so habe aus der ange—⸗ stellten Untersuchung ein genaues Maß für die Zeit, welche zwischen dem Erblicken des Lichts des „Collector“ auf der Oder“ und dem Zu⸗

sammenstoß verflossen sei, und für den Abstand zwischen den beiden

Schiffen zur Zeit der ersten Wahrnehmung jenes Lichts nicht fest⸗ gestellt werden könne, so daß objektiv nicht mit Sicherheit darauf zu schließen sei, ob der Seeunfall noch vermeidlich oder bereits un⸗ vermeidlich gewesen sei. Die bezüglichen Angaben beruhten nur auf Wahr⸗ scheinlichkeiten, und diese müßten von den völlig zweifellosen Ergebnissen der Unter suchung sorgfältig getrennt werden. Bel der Unbestimmtheit der meisten Angaben bliebe daher zur Fällung eines gerechten Urtheiles nichts übrig, als die für Ohrt günstigeren Angaben zu Grunde zu legen. Hierher gehören in erster Reihe die von dem Kapitän Leist bei der heutigen Verhandlung beschworenen Angaben, daß so viel er sich erinnere von dem Ertönen der Dampfpfeife bis zu dem Augenblick, wo er an Deck gekommen, nur etwa 30 Sekunden ver⸗ gangen sein möchten; als er an Deck gekommen, habe der Zusam⸗ menstoß bereits stattgefunden. Wenn sonach nicht festgestellt werden könne, ob der Zusammenstoß überhaupt noch vermeidlich war, so könne auch nicht festgestellt werden, ob dem Ohrt ein indirektes Ver— schulden an demselben zur Last falle. Da aber nach 5. 26 des an— geführten Gesetzes die Entziehung der Befugniß zur Ausübung des Gewerbes nur statthaben könne, wenn sich ergiebt, daß der Schiffer oder Steuermann den Seeunfall verschuldet hat, so sei der Spruch des Seeamtes soweit er sich auf die Gewerbebefugniß des Ohrt, be⸗ zieht, zu bestätigen.

Es sei jedoch dem Ohrt zur Last zu legen, daß er im vorliegen⸗ den Falle nur eine Möglichkeit, die, daß das gesehene Licht von einem Dampfer ausgehe, in Betracht gezogen, und nicht, wie es von einem Mann in seiner Stellung verlangt werden müsse, die mannigfaltigen anderen Möglichkeiten in das Auge gefaßt habe, um unter Berück⸗ sichtigung aller Eventualitäten seine Maßregeln zu treffen. Daß er dies nicht gethan, sei ein Mangel, aber in Anbetracht der fehr kurzen ihm zur Ueberlegung zu Gebote stehenden Zeit, nicht ein erheblicher Mangel. Uebrigens sei die Beschwerde des Reichs kommissars gegen den Spruch des Seeamtes zu Bremerhaven nicht ohne Grund ein gelegt worden. Abgesehen von den formellen Mängeln des Spruchs wünsche das Seeamt in der Begründung desselben die nur wahrschein⸗ lichen Annahmen mit dem völlig Bewiesenen und gelange somit auf unbestimmte Angaben hin zu dem Ergebniß, daß das Verfahren des Ohrt unter den gegebenen Verhältnissen das durchaus Natür⸗ liche gewesen sei. Diesem Ausspruch vermöge das Ober⸗Seeamt nicht beizutreten. Es sei zwar zuzugeben, daß Verhältnisse obwalten könnten, unter denen es bei dem Erblicken eines Lichtes an der Back bordseite in der unmittelbaren Nähe des eigenen Schiffes, und fogar eines grünen Lichtes, für einen schnellfahrenden Dampfer gerathen sein könne, sein Ruder Backbord zu legen und so nach Steuerbord abzudrehen. Das durchaus Natürliche sei dies aber keinesweges. Vielm hr sei es in den meisten derartigen Fällen das Natürliche, wie es der Reichskommissar empfehle, mit Steuerbordruder nach Back⸗ bord ab ; udrehen, und zwar um so mehr, als durch das erstere Manöver sehr häufig das eigene Schiff in hohem Grade gefährdet werde, insofern es hierdurch selbst sehr leicht in die Lage komme, ge—⸗ rammt zu werden.

Wie die Verhältnisse in dem vorliegenden Falle sich gestaltet hätten, sei es zwar möglich gewesen, daß durch die Backbordruder⸗ lager die Wirkung des Zusammenstoßes gemildert werden konnte und gemildert worden sei; aber auf diese Folge seines Kommandos hätte Ohrt nur dann rechnen dürfen, wenn er das Licht des „Collector“ als ein grünes erkannt hätte, während seine ganze Vertheidigung sich in der Hauptsache gerade darauf stütze, daß er dies Licht nicht für ein grünes, sondern für ein weißes gehalten habe.

Die bagren Auslagen des Verfahrens seien außer Ansatz zu lassen, weil die Beschwerde vom Reichskommissar eingelegt fei.

Neapel. Die nach dem Gipfel des Vesuv führende Draht⸗ seilbahn ist jetzt fertiggestellt. Sie ist oh m lang und endet hart am Rande des Kraters. Mittelst zweier Stahlseile werden die Züge durch eine Dampfmaschine, die sich am Fuße des Vesuvkegels be⸗ findet, in Bewegung gesetzt. Die größte Schwierigkeit beim Bau bestand in der Herbeischaffung des Wassers; man legte für dasselbe zwei sehr große Reservoirs an, von denen sich das eine in der Nähe der Station, das andere unweit des Observatoriums befindet.

In serate für den Deutschen Reichs⸗ u. Königl. Preuß. Staatg⸗Anzeiger und das Central⸗Handels⸗ register nimmt an: die Königliche Expedition

des Nentschen RKrichs Anzeigers und Königlich

Rrenßischen Ätaats · Anzrigers: ĩ— Berlin, 8. I. Wilhelm ⸗Straße Rr. 32. *

1. de

Steckbriefe und Unterguchungn-Sachen. Sabhastationen, Aufgsbote, Vorladungen

and Grosahandel.

ä.

3. Theater- Anneigen. S. Familien- Nachrichten.

7 5 . Oeffentlicher Anzeiger. * JZaserate aehmen ann die Annonce n⸗Expeditton eh det

Invalidendant /, tndolf Messe, Haasenstein

& Vogler, G. L. Daube R Co., E. Schlotte,

Bürner & Winter, sowie alle übrigen größeren Anauoncen⸗GSuxreans.

beilage. K *

5. Industrielle Etablinnements, Fabriken

6. Verschiedene Bekanntmachungen.

3. Jerkänfe, Verpachtungen, Subminzionen te. J. Literarische Anzeigen.

4. Verloosung, Amortisation, Zinszahlung n. 8. w. von öffentlichen Papieren.

In der Börsen-

Steckbriefe und Untersuchungs⸗Sachen.

Frankfurt a. O. über die der Anklage zu Grunde

die Befugniß zuerkannt. die Verurtheilung des

und 17 . Wechfelunfosten, und ladet den Beklag.

Ediktalladung. Der Arbeiter (Musketier) Jo⸗ hann Gottlieb Berger, geboren den 26. Juni 1844 zu Corsenz, Kreis Militsch, zuletzt in Schönfeld, Kreis Teltom wohnhaft, dessen jetziger Aufenthalt unbekannt ist, wird beschuldigt, als beurlaubter Landwehrmann ohne Erlaubniß ausgewandert zu sein Uebertret ng gegen §. 360, Nr. 3 des Straf⸗ gesetzbuchs, in Verbindung mit dem Gesetze vom 10. März 1856 (Gesetz⸗ Sammlung Seite 133). Derselbe wird auf Anordnung des Königlichen Amtsgerichts hieselbst auf den 26. Februar 1880, Vormittags 11 Uhr, vor das Königliche Schöffen gericht hier, Hausvogteiplatz 14, zur Hauptverhand⸗ lung geladen. Bei unentschuldigtem Ausbleiben wird derselbe auf Grund der nach 5§. 472 der Straf⸗ prozeßordnung von der Königlichen Regierung zu Potsdam vom 5. November 1879 ausgestellten Er⸗ klärung verurtheilt werden. Berlin, den 22. No⸗ vember 1879. Pieper, Gerichtsschreiber des König⸗ lichen Amtsgerichts II.

Nachstehende Personen: 1) der Tischler Julius Paul Jedeck, geboren am 12. April 1854 in Sorau, zuletzt in Naumburg am Bober, Kreis Sagan, 2) der Ackerbauer Carl Wilhelm Gustav Goebel, geboren den 30. September 1855 in Albrechtsdorf, Kreis Sorau, 3) der Photograph Alexander Leh— mann, geboren den 22. September 1855 in St. Pe⸗ tersburg, zuletzt ortsangehörig in Forst, 4) der Schlosser Theodor Willibald Kloß, geboren den 7. Februar 1857 in Albrechtsdorf, Kreis Sorau, 5) der Maler Ludwig Alexander, geboren den 16. Juli 1857 in Sorau, zuletzt in Berlin, 6) der Kaufmann Emil Werner, geboren den 11. Oktober 18657 in Forst, zuletzt in Magdeburg, 7) der Arthur Cäsar Negro, geboren den 8. Februar 1867 in Klein⸗Petersdorf, Kreis Sorau, 393 sämmtlich un⸗ bekannten Aufenthalts, werden beschuldigt, in der Zeit von 1874 bis 1879 als Wehrpflichtige in der Absicht, sich dem Eintritte in den Dienst des stehen⸗ den Heeres oder der Flotte zu entziehen, ohne Er⸗ laubniß das Bundesgebiet verlassen bejw. nach er— reichtem militärpflichtigen Alter sich außerhalb des Bundesgebiets aufgehalten zu haben. Vergehen gegen §. 140 Abs. 1 Nr. 1 Str. G. B. 8 wer⸗ den auf den 20. Februar 1880, Vormittags 10 Uhr, vor die Strafkammer bei dem Königlichen Amtsgerichte zu Sorau zur Hauptverhandlung ge—⸗ laden. Bei unentschuldigtem Ausbleiben werden dieselben auf Grund der nach 5. 472 der Straf⸗ Prozeßordnung von der Königlichen Regierung zu

liegenden Thatsachen ausgestellten Erklärung ver⸗ urtheilt werden. Guben, den 18. Dezember 1879. Königliche Staatsanwaltschaft.

Nachstehend bezeichnete Personen 1) der Tuch⸗ machergeselle Carl August Hermann Zeuschner, ge⸗ boren den 19. Juli 1852, aus Sommerfeld, jetzt unbekannten Aufenthalts, 2) der Paul August Gotthilf Lange, geboren den 18. September 1857, aus Cottbus, Sandower Vorstadt, jetzt unbekannten Aufenthalts, 3) der Carl Friedrich Otto Leschke, geboren den 16. September 1859, aus Sommerfeld, jetzt unbekannten Aufenthalts, werden beschuldigt, als Wehrpflichtige in der Absicht, sich dem Ein⸗ tritte in den Dienst des stehenden Heeres oder der Flotte zu entziehen, ohne Erlaubniß das Bundes gebiet verlassen zu haben und nach erreichtem mili⸗ kärpflichtigen Alter sich außerhalb des Bundesge⸗ biets aufzuhalten, Vergehen gegen 5§. 140, Abs. 1. Nr. 1, Str. G. B. Dieselben werden auf den 20. Febrnar 1880, Vormittags 10 Uhr, vor die Strafkammer bei dem Königlichen Amts—⸗ gerichte zu Sorau zur Hauptverhandlung geladen. Bei unentschuldigtem Ausbleiben werden dieselben auf Grund der nach 5§. 472 der Strafprozeßord⸗ nung von der Königlichen Regierung zu Frankfurt a. O., über die der Anklage zu Grunde liegenden Thatsachen ausgestell ten Erklärung verurtheilt wer—⸗ den. Guben, den 11. Dezember 1879. König liche Staatsanwaltschaft.

(l0olö5] In der Strafsache gegen

den Tapezierer Friedrich Ferdinand Theodor Kaufmann aus Phsen wegen Majestätsbeleidigung, einfacher Beleidigung, Verbreitung verbotener Druck⸗ schriften, Widerstandes gegen die Staatsgewalt, und Zuwiderhandelns gegen die ihm auferlegten Be— schränkungen in der Wahl seines Aufenthaltsorts,

hat die 1. erste Strafkammer des Königlichen Landgerichts zu Hannoever am 15. Dezember 1879 für Recht erkannt:

der Angeklagte wird a acht Beleidigungen des Landesherrn, drei Beleidigungen des Fürsten Bismarck und einer Beleidigung des Grafen Moltke, wegen Verbreitung verbotener Druckschriften in zehn Fällen, zum Theil verübt in idealer Kon⸗ kurrenz mit dem Vergehen der Beleidigung, endlich wegen verbotswidriger Rückkehr nach Berlin zu einer Gesammtstrafe des Gefängnisses auf die Dauer von vier Jahren verurtheilt. Daneben wird dem Fürsten Bismarck und dem Grafen Moltke

Angeklagten auf dessen Kosten binnen vier Wochen nach Rechtskraft des Urtheils durch den Reichs ⸗Anzeiger öffentlich bekannt zu machen. Auch werden sämmtliche saisirte Druck=

fahrens fallen dem Angeklagten insoweit zur Last, als!

nicht durch die Verhandlung der Anklage wegen Belei⸗

digung des Ministers Maybach und Widerstandes

egen die Staatsgewalt besondere Kosten erwachsen

e Die Letzteren werden niedergeschlagen.

Meder v. Düring. Bergmann. Schmidt. v. Hinüber.

Beschluß. Auf Antrag der Königlichen Staats⸗ anwaltschaft wird gegen 1) den Handlungslehr⸗ ling Heinrich Gottfried Brehling, 2) den Franz Christian August Müller, 3) den Johann Friedrich Albrecht Grube, Aufenthaltsort unbekannt, welche hinreichend verdächtig erscheinen, daß sie als Wehr⸗ pflichtige in der Absicht, sich dem Eintritte in den Dienst des stehenden Heeres oder der Flotte zu ent⸗ ziehen, ohne Erlaubniß das Bundesgebiet verlassen haben und nach erreichtem militärpflichtigen Alter sich außerhalb des Bundesgebietes aufhalten, Vergehen gegen 5. 140 1 des Strafgesetzbuches, das Haupt verfahren vor der Strafkammer J. des Königlichen Landgerichts hierselbst eroffnet. Zugleich wird auf Grund der §5§. 480, 325 und 326 der Straf⸗⸗Pro⸗ zeßordnung das im Deutschen Reiche befindliche Vermögen der Angeschuldigten wegen der demnächst zu erkennenden Strafe und Kosten bis zur Summe von je 2000 M mit Beschlag belegt. Publikation dieses Beschlagnahmebeschlusses findet nur durch den Deutschen Reichs-⸗Anzeiger statt. Hannover, den 16. Dezember 1879. Königliches Landgericht, Straf- kammer il. . v. Schrötter. Busse. Linden⸗ berg. Die Richtigkeit der Abschrift beglaubigt: Henning, Gerichtsschreiber des Königlichen Land⸗ gerichts. Bemerkung: Brehling hat sich zuletzt in Springe, Müller und Grube haben sich zuletzt in der Stadt Hannover aufgehalten.

Subhastationen, Aufgebote, Vor⸗ ladnngens u. dergl.

äs! Oeffentliche Zustellung.

Der Rentier Albert Rettelsky zu Danzig, ver⸗ treten durch den Rechtsanwalt wannowsli daselbst klagt gegen den Rentier Thassilo von La sze tus zu Danzig aus dem Wechsel vom 19. August 1879

mit dem Antrage auf Zahlung von g00 n Haupt⸗ geld nebst 60½ Zinsen seit dem 19. Norember 1879

schriften für konfiszirt erklärt. Die Kosten des Ver⸗

ten zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits vor die Kammer für Handelssachen des Königlichen Landgerichts zu Danzig

auf den 2. März 1880, Vormittags 9 Uhr, mit der Aufforderung, einen bei dem gedachten Ge⸗ richte zugelassenen Anwalt zu bestellen.

Zum Zwecke der öffentlichen Zustellung wird die⸗ ser Auszug der Klage bekannt gemacht.

. Mrongovins. Gerichtsschreiber des Königlichen Landgerichts.

las! Oeffentliche Zustellung.

Die Firma Kern K Maher, Tuch⸗ und Leinen waarenhandlung zu Frantfurt 4. M., vertreten durch den Polizeidiener Carl Eichert zu Rappolts⸗ weiler, klagt gegen den Joseph Entzmann, Rebmann und Ackerer, früher zu Rappoltsweiler wohnhaft, jetzt ohne bekannten Aufenthaltsort, wegen Forderung für gelieferte Waaren, mit dem Antrage auf Verurtheilung eines Betrags von 96 e 5 H mit Zinsen vom Klagetage ab und einer Prozeßentschädigung von 5 M, und ladet den Beklagten zur mündlichen Verhandlung des Rechts— streits vor das Kaiserliche Amtsgericht zu Rappolts⸗ weiler auf

den 25. Februar 1889, Vormittags 9 Uhr.

Zum Zwecke der öffentlichen Zustellung wird die⸗

ser Auszug der Klage bekannt gemacht. . RNominger, Gerichtsschreiber des Kaiserlichen Amtsgerichts.

os6] Bekanntmachung.

Beim Königlichen Amtsgerichte zu Dresden sind in Gemäßheit der Rechtsanwaltsordnung für das Deutsche Reich, vom 1. Juli 1878, als Rechts⸗ anwalte zugelassen die Herren:

Paul Schumann, Dr. Friedrich Julius Steeger, Beide mit dem Wohnsitze in Dresden.

Dresden, den 31. Dezember 1879.

Das Königliche Amtsgericht. Heink.

Redacteur: J. V.: Riedel.

Verlag der Expedition (Kesseh. Druck: W. Elsner.

Drei Beilagen (einschließlich Börsen⸗ Beilage).

Berlin:

1

zum Dentschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußif

Aichtamtliches.

ceußen. Berlin, 14. Januar. In der gestrigen 135 a trat das Haus der Abgeordneten in die erstẽ Berathung der vier Gesetzentwürfe, betreffend die Reorganifation der allgemeinen Landesverwal— tung und der Verwaltun gsbehörden ein. Der Abg. von Bennigsen erklärte, er und seine Freunde hätten ge⸗ wichtige Bedenken gegen die Vorlagen, doch erkenne er offen und freudig an, daß mit denselben ein Schritt vor—⸗ wärts auf dem unterbrochenen Wege der Neorganisgtion der Landesverwaltung geschehe, und seien bereit, den Nach⸗ theilen des unfertigen Zustandes durch einen gleichmäßigen Abschluß in den hauptfächlichsten Grundlagen der Ver⸗ waltung ein Ende zu machen. Es handele sich um eine Staatz; nothwendigkeit, nicht um eine Frage der Parteipolitik, nicht um eine konservative oder liberale Frage. Die liberale Partei werde deshalb der Staatsregierung bei dieser Arbeit ihre bereitwillige Mitwirkung leihen trotz der starken Span⸗ nung, die bei den Wahlen zwischen der Staatsregierung und“ den gemäßigt liberalen Parteien eingetreten sei. Seine Partei werde diese Mitarbeit der konservativen Re⸗ gierung leihen, wie eine liberale Regierung sie von den sonservativen Parteien fordern und hoffentlich finden würde. Indem die Regierung endlich ein Gesetz über die Grundlagen der Staatsverwaltung in der ganzen Monarchie feststellen wolle, schlage sie den richtigen Weg ein, den nicht schon im Jahre 1872 nach Erlaß der Kreisordnung zu beschreiten, ein ver hängnißvoller Fehler der Regierung und des Landtags gewesen sei. Daher das Schwanken, die Unsicherheit, der Mangel eines festen Bildes von der Verbin⸗ dung der neuen Formen der Selbstverwaltung mit sicheren Formen der Staatsbehörden, der Vorbehalt, der bei dem Er⸗ laß der bedeutenden Gesetze von 18765 41876 gemacht sei, sie in wesentlichen Punkten zu ändern, wenn die Orga⸗ nisation der Staatsbehörden geändert werden sollte. Zwar habe die Regierung 1875 Grundzüge über eine Brganisation der Staatsbehörden vorgelegt, die sich auch in den neuen Vorlagen wieder fänden; aber über diese Grundzüge seien keine Beschlüsse gefaßt, und es sei überhaupt viel leichter Grundzüge aufzustellen als Organisationsgeseße zu machen. Die Provinzialordnung und das Kompetenzgesetz verbänden die wicht igsten Vorschristen wegen Einrichtung ganzer Behörden und der Regulirung des Instanzenzuges gesetzlich mit Resolutivbedingungen, eine be⸗ denkliche Und in der Gesetzgebung großer Staaten sehr seltene Erscheinung. Jetzt endlich verlasse man diesen Weg und wolle neue Formen einführen in den Organismus ganz bestimmt festgestellter Staatsbehörden als Vorbedingung einer die' ganze Monarchie umfassenden Reform. Doch müßten seine Freunde, ünd er sich gegen die Uebergangs⸗ und Schlußbestimmungen, des Titel 5 des Gesetzent⸗ wurfs über die Organisation der allgemeinen Landes verwal⸗ tung erklären, für die der Minister des Innein eine Mehr⸗ heit im Hause nicht finden werde, wie derselbe selbst bald sehen werde. In diesen Vorschriften sei bestimmt, daß dieses Gefetz sofort in der ganzen Monarchie zur Ausführung ge⸗ bracht werden solle. Da nun bekanntlich Provinzial⸗ und Kreisordnungen mit ihren Vertretungen und Ausschüssen nur in 5 Provinzen beständen, in Posen, Rheinland, Westfalen und den neuen Provinzen erst eingeführt werden sollten, die⸗ ses Gesetz aber diese Ausschüsse für seine Wirksamkeit vor⸗ aussetze, so seien Uebergangsbestimmungen getroffen, die er für durchaus unzulässig halte; der Landrath solle den Kreisausschuß, der Ober⸗-Präsident den Provinzialrath vertreten und der Ne— gierungs⸗Präsident in demselben Augenhlick, wo man die Ab⸗ theilungen des Innern als Kollegium auflöse, wieder mit diesen seinen vortragenden Räthen und Hülfsarbeitern als Kollegium zusammentreten und den Bezirksrath bilden. Man habe in der That nicht nöthig die Provisorien und Interimistika in den neuen Provinzen noch zu vermehren. rung die neuen Einrichtungen in den, neuen Provinzen einführen, woran nicht entfernt zu zweifeln sei, so möge man dieselben im vollen Zusammenhang einführen. Wür⸗ den diese Uebergangsbestimmungen zugestanden, so werde die Staatsregierung ein weit geringeres Interesse haben, die Kreisordnung in den sechs Provinzen einzuführen, die sie noch nicht befäßen, auch wenn man in ihre Absichten gar kein Mißtrauen setze. Er sei fest überzeugt, daß der jetzige Minister sich die Aufgabe stelle, die Organisation in der ge⸗ sammten Monarchie durchzuführen. Aber das natürliche Schwergewicht der sachlichen und politischen Hinder— nisse werde sich dann geltend machen, wie es das auch schon in der langen Verzögerung und in den langen Pausen auf diesem Gebiet gethan habe. Es handele sich namentlich in den untersten Instanzen des Kreises und der Gemeinde politisch und sachlich um außerordentlich schwierige Aufgaben, daher die Ausdehnung der Provinzial⸗ und Kreis⸗ ordnung bisher nicht gelungen sei. Dazu träten noch erheb⸗ liche organisatorische Schwierigkeiten. Die untersten Instan⸗ zen, Gemeinde und Kreit, gestatteten, ja erforderten eine ge⸗ wisse Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit in einem großen Staate. Auf die Organisation der niederen Polizeiverwal⸗ tung, sie sei auf Ehrenämter oder geschulte Staatsbeamte ge⸗ gründet, wirke die ganze Geschichte und Verschiedenartigkeit der einzelnen Provinzen ein. Diese schwierige Frage werde noch viele Verhandlungen zwischen Regierung, Landtag und Provinzial-Landtagen erfordern. Dabei möchte er aber die Regierung nicht in die bequeme Lage versetzen, daß allen⸗ falls ein Zustand geschaffen werde, der noch 10 his 12 Jahre ertragen werden könnte, wenn man die festen Einrichtungen dieser Staatsbehörden habe, in den Provinzen aber eine Ver⸗ ständigung über die Einrichtungen der Selbstverwaltungs— behörden nicht erreicht werden kön ne. Ob die Vorlage in der Organisation der Verwaltung das Richtige getroffen habe, hänge davon ab, an welche Stelle zwischen Ministerium und Kreisinstanz das Schwergewicht der eigentlichen Staats⸗ verwaltung zu legen sei. Es wäre sehr gefährlich, hier etwa zwei ganz selbständige Organismen neben oder übereinander, den Bezirk und die Provinz, einschieben zu wollen; dadurch würde

Wolle die Regie⸗

Erste Beilage

161

Berlin, Mittwoch, den 14. Januar

die Maschinerie allzu weitläufig und schwerfällig. Es frage sich

also, solle der Schwerpunkt im Bezirk oder in der Provinz

liegen? Je nachdem man sich für das eine oder andere ent⸗

scheide, müsse man auch den Muth haben, die volle Konsequenz

der Entscheidung zu ziehen. Er sei früher der Meinung ge⸗

wesen, daß der Schwerpunkt in die Provinz zu verlegen f

Die Provinzialvertretung von Hannover wünschte schon 1868,

daß nach dieser Richtung mit Hannover selbst ein Versuch ge⸗

macht würde, allerdings unter bedeutender Stärkung der Be⸗

fugnisse der unteren Instanzen, während die Regierung das

Schwergewicht in drei an die Stelle der sechs Landdrosteien

zu setzende Regierungen legen wollte. Leider sei dies

Experiment nicht gemacht; man hätte sonst ein sehr gutes

Objekt zum Vergleich mit den altpreußischen Zuständen. Die

Regierung habe in ihren Motiven erklärt, das Schwergewicht

in die viel zu großen Provinzen zu legen, sei unmöglich; auch

der Instanzenzug würde die Ausführung erschweren. Man

könne ja nur die alte preußische Tradition seit 1817 beibehalten,

welche die Staatsverwaltung organisire auf Grundlage der

Bezirke. Ueber diese Frage an sich möge man anders denken,

als die Regierung; aber gegenüber der historischen Vergangenheit in Preußen, gegenüber dem Widerstreben des gesammten Beamten⸗ thums gegen Aufhebung der Bezirksverwaltung werde eine Majo⸗ rität für eine solche Organisationsgrundlage nicht zu finden sein. Um daher zu einem endlichen Abschluß der Verwaltungsorga⸗ nisation zu gelangen, gebe er und seine Freunde, wenn auch widerstrebend, den Plan auf, an Stelle der Bezirke die Pro⸗ vinz zum Mittelpunkt der Staatsverwaltung zu machen. Die Provinz sei in hohem Maße ein Kommunalverwaltungs⸗ körper, habe gewisse oberinstanzliche Befugnisse wahrzunehmen unter Mitwirkung des Staats und der Laienelemente. Den Ober⸗Präsidenten seien einzelne bestimmte Verwaltungsbefug⸗ nisse beigelegt, das Schwergewicht der ganzen Verwaltung liege in den Bezirken Er sei also damit einver— standen, daß die Forst⸗,, die Domänen⸗ und die Schulverwaltung in Verbindung mit dem Regierungs⸗ Präsidenten an dem Sitze der Bezirksregierung organi⸗ sirt werde; nur bezüglich der Steuerverwaltung sei ihm die Frage ihrer inneren Natur nach zweifelhaft; hier seien viel⸗ leicht andere geographische Bezirke rationeller und die Errich⸗ tung einer einzigen Steuerbehörde für die ganze Provinz vor⸗ zuziehen, wie die bisherige Erfahrung, namentlich in Han⸗ nover, gelehrt habe. Die Abtheilung des Innern bei der Regierung solle als Kollegium aufgehoben und, während Schul⸗, Finanz- und Steuerverwaltung kollegialisch blieben, bureaukratisch organisirt werden. Die Kollegialität dieser Ab⸗ theilung in Altpreußen sei auch früher schon stark angezweifelt; in der neuen Organisation aber habe sie absolut keinen Platz mehr, nachdem die Beschlußfähigkeit dieses Kollegiums unter die Mitwirkung von Laien gestellt und wichtige Gebiete ganz ausgeschieden seien. In Bezug aaf die geographische Rege⸗ lung dieser Einrichtungen möchte er Modifikationen für die Provinz Hannover befürworten. Nach der Vorlage solle Han⸗ nover, das bis jetzt 6 Regierungen oder Landdrosteien habe, in 3 Regierungsbezirke getheilt werden, ohne daß überzeu⸗ gende Gründe für diese Maßregel gegeben seien. Billiger sei sie zwar, aber der Grund einer zu erreichen⸗ den miöglichst, gleichmäßigen Vertheilung der Beyölke⸗ rung auf die einzelnen Regierungen sei, wie das Beispiel der übrigen Provinzen und Staaten beweise, absolut nicht stich⸗ haltig, ebensowenig der Hinweis auf die Landgerichte, bei denen eine kolossale Differenz in der von ihnen umfaßten Bevölke⸗ rungsziffer herrsche. Die Zahl könne nur insofern ein ent⸗ scheidendes Moment sein, als die Verwaltung Überhaupt noch zweckmäßig mit einer gewissen Bevölkerungszahl organisirt werden könne, und da werde man es den . nicht verübeln können, wenn sie sich gegen die Aufhebung der Landdrosteien erklärt hätten, eine Institution, die sich seit 1822 aufs Trefflichste bewährt habe. Die neue, geradezu aben⸗ teuerliche Eintheilüng, welche Küsten- und Binnenland zusam⸗ menkuppele, werde man absolut nicht verstehen. Eine Ueberein⸗ stimmung der Verwaltungsbeamten und eine Kenntniß eines so umfangreichen Bezirks werde unmöglich gemacht. Das sei sachlichJund politisch nicht zu verantworten. Seien die Land⸗ drosteien in ihrem früheren beschränkten Geschäftsumfange in der That auf die Länge nicht lebensfähig gewesen, so wurden sie es jetzt, durch die bedeutende Erweiterung ihres Wirkungs⸗ kreises, bestimmt nicht werden. Auch in den altpreußischen Pro⸗ vinzen werde sich, namentlich in Folge Ueberbürdung der Negierungs⸗Präsidenten, die Nothwendigkeit einer Verkleinerung der Regierungsbezirke herausstellen. Die Sache habe aber auch eine große politische Bedeutung. Hannover sei 1866 gewaltsam der Monarchie einverleibt, die Wunden seien in den 14 Jahren noch nicht vollständig vernarbt. Mögen auch die Folgen in vielen Gebieten wohlthätig sein, so verletze eine solche gewaltsame Vereinigung doch alle Interessen, nicht blos Gewohnheiten und lieb gewordene Einrichtungen in so hohem Grade, daß noch heute das politische Widerstreben gegen diese staatsrechtlichen Einrichtungen sehr groß sei. Schon jetzt führten diese Gegner das schwere Geschütz auf und sagten in den Blättern: da sehe man die preußische n, die reichen Domänen und Forsten der Provinz habe dieselbe gern genommen, ihren großen, meist mit Schulden nicht belasteten Eisenbahn⸗ komplex lasse sie sich gefallen, aber um 25 909 Thaler zu sparen, wolle man nun alte werthvolle Einrichtungen nach der Schablone zuschneiden. Die preußische Regierung sei stark genug gegenüber solchem Widerstreben, wenn es sich in un⸗ gesetzlicher Weise geltend mache, aber den Gegnern der Aus⸗ gleichung der neuen und der alten Provinzen eine solche sachlich wirkende Waffe zu geben, wie es hier durch Zusammen⸗ legung der Landdrosteien geschehe, sei außerordentlich schwer zu verantworten. Er hoffe, der Minister werde deshalb von diesem Gedanken zurückkommen. Die neue Verwaltungseinrich⸗ tung, das Heranziehen von Laien in Kommunal- und Bezirks⸗ verwaltung, sei mit großen Schwierigkeiten verknüpft; die Laien könnten sich schwer mit diesen Gesetzen, namentlich der Provinzial⸗ ordnung und dem Kompetenzgesetz zurechtfinden; man habe zu viele Rechtsmittel und Behörden gehäust, während dies in Baden, Hessen, Sachsen, Württemberg und Bayern vermieden sei. Das

Widerstreben gegen die neuen Gesetze sei in Hannover zum

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hen Staats⸗Anzeiger. 1889.

großen Theil entstanden aus dem Widerwillen in einem großen Theil des Beamtenthums gegen die Heranziehung von Laien bei wichtigen Entscheidungen und die Kontrole durch das un⸗ abhängige Ober⸗Verwaltungsgericht, denn es gebe Niemand gern von seinen Rechten etwas auf, und man Übe nicht gern in ganz neuen Formen seine Thätigkeit. Die Regierung hätte aber doch den nicht blos widersprechenden, sondern auch ge⸗ hässigen Aeußerungen über diese Gesetz in Beamten⸗ entgegentreten sollen. Er hoffe, daß mit der Zeit ein freudiges Zusammenwirken zwischen Berufsbeamten und Vertrauensmännern ein⸗ treten werde, aber sowie die Regierung Respektirung der Maigesetze von der Kirche verlange, könne sie auch von den Beamten verlangen, daß dieselben nicht die Verwaltungs⸗ organisationsgesetze in den Augen der Bevölkerung herab⸗ setzten. Welch große Rolle diese Verhältnisse in der Presse und bei den Wahlen spielten, sei bekannt. Die Forderungen nach größerer Vereinfachung und Uebersichtlichkeit verdienten aber Berücksichtigung. In der Richtung sei in den Vorlagen viel geschehen, es könne und müsse aber noch mehr geschehen; dadurch werde die Institution populärer. Man müsse beson⸗ ders in der Selbstverwaltung in vielen Fällen die letzte In⸗ stanz an einer früheren Stelle abschließen. Das erleichtere nicht nur, sondern beschleunige auch die Entscheidungen. Eine Be⸗ schwerdeinstanz und eine Ober⸗Beschwerdeinstanz sei in untergeord⸗ neten Angelegenheiten, z. B. bei Beschwerden eines Ortsarmen über die Höhe der Unterstützung, nicht nöthig. Auf dem Ge⸗ biete der Polizeiverwaltung habe man neben der Beschwerde, über welche in letzter Instanz das Ober⸗Verwaltungsgericht entscheide, noch ganz überflüssiger Weise die Klage gegeben, durch deren Anstellung der Unkundige sich häufig, ohne es zu wollen, des Rechts begebe, die Zweckmäßigkeit einer Verfügung anzugreifen; denn die Klage betreffe nur die Rechtmäßigkeit, schließe aber die Beschwerde über Unzweckmäßigkeit aus. Die Bestimmung sei in das Gesetz nur dadurch gekommen, daß die Einen in der Kommission die Beschwerde, die Andern die Klage für das geeignete Rechtsmittel gehalten hätten, darum habe man beides gegeben, Klage und Beschwerde. Der Vereinfachung wegen wolle die Vorlage auch in Städten mit über 10 000 Einwohnern den Kreisausschuß resp. den Landrath über die Ortspolizei stellen. Das widerspreche dem faktisch und historisch berech⸗ tigten Selbständigkeitstrieb der Städte; über diesen müsse direkt die Bezirksinstanz stehen. Ganz unnöthig und nach⸗ theilig sei die Theilung des Kreisausschusses in ein Verwal⸗ tungsgericht und eine Beschlußbehörde, welche entgegen der Kreisordnung von 1872 durch die späteren Gesetze, und zwar nicht etwa blos durch die Schuld der Liberalen eingeführt sei, denn der Abg. Miquel habe dem widersprochen, während ein angesehenes Mitglied der konservativen Partei, das er wegen seiner jetzigen hervor⸗ ragenden Stellung im Hause nicht nenne, die Scheidung befürwortet habe. Die Regierung habe in der Kommission daran festgehalten und der Abg. Miquel habe schließlich nur aus dem Grunde nachgegeben, weil man nicht wisse, ob ohne solche Trennung in der mittleren Instanz die Verwaltungs⸗ gerichte nicht zu vil Bedeutung bekommen hätten. Wenn man nun die Verwaltungsgerichte für die ganze Monarchie einführe, so müsse man auf eine Vereinfachung in der mittleren und unteren Instanz Bedacht nehmen, vorausgesetzt, daß die Grundlage der Ver⸗ waltungsgerichtsbarkeit nicht darunter leide. Die Motive verthei⸗ digten die jetzige Einrichtung besonders als eine besondere preußische Schöpfung. Aber daraus sollte man keinen Grund zum Jest⸗ halten schöpfen, da die anderen deutschen Staaten, welche Ver⸗ waltungsgerichte eingeführt hätten, eine solche Trennung nicht kennten, dieselben hätten vielmehr Gewicht gelegt auf Oeffent⸗ lichkeit und Mündlichkeit, Sicherung der Fristen, Bestimmung der Rechtsmittel, auf Heranziehung von Laien und Einrich⸗ tung eines Ober-Verwaltungsgerichts, das z. B. in Bayern große Anerkennung gefunden habe. Die Gleichmäßigkeit dieser Einrichtungen in ganz Deutschland sei hier gerade so, wie es in der Reichsprozeßgesetzgebung geschehen, viel mehr anzustreben, als das Festhalten einer preußischen Eigenthümlichkeit. Ein Eingreifen in Details behalte er sich für die Kommissions⸗ berathung vor: seine Freunde und er wünschten eine be⸗ sondere Kommission von 21 Mitgliedern. Der Wichtigkeit der hier zu lösenden Aufgabe sei er sich bewußt. Zugleich wisse er, daß keine Partei im Hause die entscheidende Stimme über diese wichtigen Gesetze für sich allein beanspruchen werde. Die Ziele . seien weder konservativ noch liberal, sondern be⸗ dingten nothwendig ein Zusammenwirken aller politischen Par⸗ teien, wie dies in Hannover vielfach auch auf den Gebieten der kommunalständischen Verwaltung durch absolute Ausschließung der Politik vielfach gelungen sei. Wenn es gelinge, diese erweiterte Kommunalthätigkeit, die Mitwirkung auch bei den obrigkeitlichen Geschäften auf die ganze Monarchie auszu⸗ dehnen, dann werde man, so hoffe er, in wenigen Jahren ein neutrales Gebiet gemeinsamer Thätigkeit geschaffen haben, wie man es, angegriffen durch politische und kirchenpolitische Kämpfe und Angesichts der von der Sozialdemokratie drohen⸗ den Gefahren nicht besser wünschen könne. Wie sich das Centrum zu diesen Vorlagen stellen werde, könne er im Augen⸗ blicke noch nicht übersehen; die beiden großen Parteien aber, die liberale und die konservative, müßten mit der Staats⸗ regierung dahin wirken, das Unfertige und Unterbrochene in dem ganzen Zustande der Verwaltungseinrichtungen endlich zum vollen Äbschluß zu bringen. Seine Freunde und er würden an der Lösung dieser Aufgabe, die das Haus wohl mehrere Sessionen beschäftigen werde, bereitwillig mitarbeiten. Der Abg. von 6 konstatirte die Uebereinstim⸗ mung der Ansichten der konservativen und liberalen Partei in Betreff der Grundzüge der Reorganisation der Landes⸗ verwaltung; es wäre daher wunderbar, wenn nicht eine Verständigung über diese Gesetze s Stande kommen sollte. Nach seiner Ansicht habe die konservative Partei das beste Urtheil über den Werth und die bisherigen Wirkungen der Kreisorbnung, da sie sich besonders aus den alteren , Provinzen zusammensetze, wo die Kreisordnung eingeführt sei und weil sehr viele ihrer Mitglieder als Landräthe und sonstige Verwaltungsorgane thätig seien. Nach einer sechsjährigen

kreisen etwas schärfer

Erfahrung wolle seine Partei in Frieden und Gemeinschaft