1880 / 86 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 12 Apr 1880 18:00:01 GMT) scan diff

überhaupt alle, die geweiht oder ordinirt seien, frei sein sollten. Er glaube, daß das Centrum für einen solchen Antrag vom Haufe eine Mehrheit erhalten könne. Er glaube aber nicht, daß das Centrum eine Mehrheit für einen Antrag erhalten könne, der die Geistlichen überhaupt vom Dienst befreie.

Der Abg. Dr. Baumgarten erklärte sich gegen den Antrag von Heereman, weil derselbe lediglich geeignet sei, die hierar⸗ chischen Gelüste des Klerus zu stärken und den Dualismus = Staat und Kirche aufrecht zu erhalten. Die Wir—

ng des geistlichen Standes beruhe auf der Gemeinschaft besselben mit dem Volke; diese werde durchbrochen, wenn man jenen von dem allgemeinen Bindemittel der Staatsangehörigen untereinander, der allgemeinen Wehrpflicht, eximire.

Der Ahg. Dr. Windthorst führte aus, der Vorredner hahe eine Reihe sehr wahrer Sätze ausgesprochen, aber auch viele Sätze, von denen er nicht verstehe, wie ein Herr, der sich zur christlichen Theologie bekenne, dieselben aussprechen könne. Es handele sich hier um ein sachlich begründetes Privileg für die Geistlichen. Durch die . der Geistlichen von der Militärpflicht sondere man fie nicht von dem Volke ab. Wenn jeder außer dem Volke stände, der nicht im Heere den Waffengebrauch erlernt habe, dann müßte man die Dienst⸗ pflicht noch ganz anders ausdehnen, als es jetzt geschehe. Der Sinn des Volkes sträube sich dagegen, wenn es einen Geist⸗ lichen nach dem Kommando des Unteroffiziers exerzieren 9. Wenn die Ausführungen des Vorredners richtig wären, dann dürften die Geistlichen in keiner Weise von der Militärpflicht eximirt sein, das Gesetz kon⸗ statire aber schon jetzt in gewisser Hinsicht eine solche Exem⸗ lion, und der jetzige Antrag des Centrums ziehe nur die vollen Konsequenzen dieser Gesetzesbestimmung. Mit den prinzipiellen ier ffn en des Vorredners brauche er sich also jetzt gar nicht zu befassen. Tief schmerzlich hätten ihn die Ausführungen des Bundeskommissars zu dieser Frage be⸗ rührt, die ihm unvereinbar schienen mit dem Ausspruche des obersten Kriegsherrn, die Religion müsse dem Volke zurück⸗ gegeben werden.

Der Präsident erklärte, er müsse den Redner unter⸗ brechen. Es sei nicht Sitte dieses Hauses, die Person des Monarchen in die Debatte zu ziehen.

Der Abg. Dr. Windthorst bemerkte dagegen, der Abg. Rickert habe in seiner gestrigen Rede wiederholt den König genannt. Es existire auch kein Paragraph der Geschäftsord⸗ nung oder der Verfassung, welcher das verbiete.

Der Präsident erwiderte, er habe den Redner nur dar—⸗ auf verwiesen, daß es nicht Sitte dieses Hauses sei, die Person Sr. Majestät des Kaisers in die Debatte zu ziehen und er werde erforderlichen Falls stets jeden Abgeordneten auf diese Pflicht, welche für ihn eine unbedingte sei, verweisen. Was der Abg. Rickert gestern gethan habe, wisse er nicht, er sei zu dieser Zeit nicht auf diesem Platze gewesen.

Der Abg. Dr. Windthorst fuhr gern Dann werde er überlegen, wie diese geschästsordentliche Praxis, welche ihm zu

weit zu gehen scheine, zu ändern sei. Es gehe denn doch zu veit, wenn man in einem monarchischen Staate nicht mehr den Regenten nennen dürfe! Die Religion könne aber nicht in das Volk zurückgeführt werden, wenn die Kirche nicht ihre dazu berufenen Organe, die Geistlichen habe, denn es stehe fest, daß die jetzige gesetzliche Lage, welche die Geistlichen nicht n, von dem Militärdienst befreie, so sehr die Zahl a

der protestantischen und katholischen Theologen vermindert habe,

so daß die Verwaltung diese Befreiung thathsächlich habe

eintreten lassen müssen, um dieser Kalamität abzuhelfen. Ob eine gleiche Erscheinung sich auch bei den Israeliten gezeigt babe, wisse er nicht; wenn es nöthig sei, müßten auch ihre Geist⸗ lichen frei vom Militärdienst sein. Man müsse zur früheren Gesetzgebung zurückkehren, wenn die Religion genügend ge⸗ pflegt werden solle. Die Beschäftigung mit den Waffen sei nicht vereinbar mit geistlichem Sinn und geistlicher Samm⸗ lung, sie ö den Sinn der Menschen. Die Geist⸗ lichen arbeiteten auch ohne den Waffendienst im Interesse des Staates und des . Wenn die Mannschaften nicht reli⸗ giös zum Pflichtgefühl erzogen in die Armee kämen, würde man trotz alles Exerzierens und aller Disziplin keine gehor⸗ samen und enthusiastischen Soldaten bekommen. Die formelle Gesetzgebung stehe einer solchen Exemtion auch nicht entgegen, in dem Militärgesetze seien mancherlei Kategorien von der all⸗ gemeinen Wehrpflicht ganz oder theilweise befreit. Man könne auch sür die Armee eintreten, ohne den militärischen Geist durch das Waffenhandwerk eingesogen zu haben. Der beste militärische Geist sei die Ehrfurcht vor Gott, der Obrig⸗ keit und dem Landesherrn, welchen die Geistlichen dem Volke mit Erfolg nur einzuprägen vermöchten, wenn sie von der Militärpflicht befreit seien. Man müsse also in dieser Beziehung zu der früheren Gesetzgebung zurückkehren, indem man die volle Konsequenz der jetzigen ziehe, zumal die Regierung selbst anerkenne, daß die Frage nicht von erheb— licher praktischer Bedeutung sei. Wenn der Abg. von Lerchen⸗ feld die Geistlichen vom Waffendienst überhaupt befreien wolle, dann könne derselbe auch vorläufig den Antrag des Centrums annehmen, die übrigen Dienste für das Heer würden die Geist⸗ lichen gern und freiwillig übernehmen, wenn man sie nur zu⸗ lassen wolle, was mehrfach nicht der Fall gewesen sei. Die Regierung hätte seine Bemerkungen beim Budget über die Militärseelsorge mehr berücksichtigen sollen. Die Annahme des Antrages des Centrums wäre auch jetzt ein Akt freundlichen Entgegenkommens und ein Beweis dafür, daß man bemüht sei, Gegensätze auszugleichen, welche nur allzulange das deutsche Vaterland zerrissen hätten.

Der Abg. von Wittich empfahl den Antrag Richter zur Annahme, da die Einschaltung der Kommission in Wider⸗ spruch mit 5. 65 des Reichs-Militärgesetzes stehe. Er schlage vor, jetzt die Einleitung zu 8. 3 nach dem Antrage Richter anzunehmen und später in einer Resolution die Regierung zu einer nochmaligen Erwägung der Frage, betreffend die Exem⸗ tion der Geistlichen vom Militärdienste, aufzufordern. Andere Reichsbehörden außer der Militärverwaltung müßten sich auch darüber aussprechen und die Sache sei nicht so eilig.

Die Diskussion wurde geschlossen, und nach einigen per⸗ jönlichen Bemerkungen der Abgg. Dr. Baumgarten, Frhr. von Lerchenfeld und Dr. Windthorst wurde der Antrag von Heere⸗ man abgelehnt, der Antrag Richter dagegen angenommen und mit diesen Modifikationen fand 5. 3 im Ganzen die Geneh⸗ migung des Hauses.

§. 4 lautet nach dem Beschlusse der Kommission:

Die Versetzung aus der Reserve in die Landwehr und die Entlassung aus der Landwehr finden, soweit die zwölfjährige Ge⸗ sammtvienstzeit (Art. 59 der Reichsverfassung) zur Einführung gelangt ist, im Frieden bej den nächsten, auf Erfüllung der Dienst⸗ jeit folgenden Frühjahrs⸗Kontrolversammlungen statt.

Hinsichtlich derjenigen Mannschafteu, deren Dienstzeit in der Periode vom J. April big zum 30. September ihr Ende erreicht, . es bei der Bestimmung von 5§. 62 des Reichs⸗Militär⸗ gesetzes. ; . ;

Der Abg. Richter (Hagen) fragte an, wie es hinfort mit der vierzehnjährigen Dienstzeit werden solle, die in den alten

preußischen Provinzen noch bestehe, und über welche sich die

dortigen Landwehrleute bitter beklagten. Diese Dienstzeit beruhe auf einer Bestimmung der Norddeutschen Verfassung von 1867, wonach in den alten Provinzen die , Dienstpflicht auf die 12jährige allmählich in dem Maße zurück⸗ geführt werden solle, als die minder starke Aushebung in den außerpreußischen Gebieten des Bundes dies gestatte, jedenfalls müßte das nach 12 Jahren, also 1879, der Fall sein. Nun habe man diese Bestimmung allerdings später auch auf Süd⸗ deutschlaũd ausgedehnt und dann habe sie höchstens nur bis 1883 Geltung. Obwohl diese Leute nicht zu Uebungen heran⸗ gezogen würden, empfänden sie doch die Belastung schwer und man könnte jetzt wohl nach Annahme der hohen Friedens präsenzziffer 6. jetzt auf diese Verlängerung ihrer Dienst⸗ pflicht über das verfassungsmäßige Maß . verzichten.

Der Staats⸗-Minister von Kameke erwiderte, diese Ver⸗ pflichtung zu einer vierzehnjährigen Dienstzeit basirte auf der Bestimmung des Art. 59 der Reichsverfassung, welcher laute: „In denjenigen Bundesstaaten, in denen bisher eine längere als zwölfsährige Gesammtdienstzeit gesetzlich war, findet die allmähliche Herabsetzung der Verpflichtung nur in dem Maße statt, als dies die Rücksicht auf die Kriegsbereit⸗ schaft des Reichsheeres zuläßt“. Allerdings ende dieses Ver⸗ hältniß 1882, da aber diese Leute gar nicht zu Uebungen herangezogen würden, sondern nur in der Kriegsreserve blieben, so sei diese Belastung keineswegs eine sehr große.

8. 4 wurde angenommen, desgl. Art. II. des Gesetzes, durch welchen nach der Kommissionssassung 5§. 14 des Gesetzes von 1874 dahin 8 wurde, daß zur Annahme Einjährig⸗ Freiwilliger die Truppen der Feld⸗Artillerie und des Trains in Orten, wo außerdem Truppen zu Fuß garnisoniren, nur insoweit verpflichtet sind, als die Zahl von vier Einjährig⸗

reiwilligen bei jeder Batterie und Compagnie nicht über⸗ chritten wird. Ebenso wurde der Rest des Gesetzes nach den Kommissionsbeschlüssen angenommen.

Zu dem eben berathenen Gesetze hatte der Abg. von Bühler (Oehringen) folgenden Antrag gestellt:

„den Fürften Reichskanzler zu ersuchen, einen Staatenkongreß zum Zwecke der Herbeiführung einer wirksamen, allgemeinen und gleichzeitigen Abrüstung, etwa auf die durchschnittliche Hälfte der gegenwärtigen Friedensstärke der europäischen Heere für die Dauer von zunächst 160 bis 15 Jahren, zu veranlassen.“

Der Abg. von Bühler (Oehringen) motivirte seinen An⸗ trag damit, daß eine gleichmäßige, gleichzeitige Abrüstung aller europäischer Staaten dieselben allein von dem wirth⸗ schaftlichen Ruin retten könne. Die Möglichkeit einer Ver⸗ ständigung zwischen den Nationen zu diesem Zwecke sei schon von Parlamenten und Regierungen, so namentlich von der österreichischen und französischen anerkannt und auch von dem Reichskanzler in seinem bekannten Schreiben nicht geleugnet worden. Das gegenseitige Mißtrauen der Staaten gegen einander, das einen jeden trotz des lebhaft empfundenen

riedensbedürfnisses davon abhalte, mit der Abrüstung den nfang zu machen, an. nur auf einem Kongresse beseitigt werden, Im Inkeresse kes euzopäischen Friedens möge daher der Reichstag die csolution annehmen. Hierauf wurde der Antrag von Bühler mit großer Ma⸗ jorität abgelehnt, womit die zweite Lesung der Militärvorlage beendigt war.

Es folgte die erste Berathung des Entwurfs eines Ge— setzes, betreffend die Besteuerung der Dienstwohnun⸗ gen der Reichsbeamten.

Die beiden Paragraphen dieses Gesetzes lauten:

§. 1. In Gemeinden, welche eine nach dem Miethwerth der Wohnungen veranlagte Steuer (Miethsteuer) erheben, darf für die Dienstwohnungen der Reichsbeamten der Miethwerth, von welchem die Steuer erhoben wird, nicht höher als mit zehn vom Hundert des Diensteinkommens dieser Beamten bemessen werden.

§. 2. Bei Feststellung des Diensteinkommens bleiben diejeni⸗ gen Beträge außer Ansatz, welche den Beamten zur Bestreitung von Repräsentations, oder Dienstaufwandskosten gewährt werden.

Der Bundeskommissar Geh. Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. von Moeller empfahl den Entwurf der wohlwollenden Auf⸗ nahme des Hauses. Das Gesetz solle einer Unbilligkeit ab⸗ helfen, von welcher ein großer Theil der Reichsbeamten be⸗ troffen werde. Die Miethssteuer der Beamten trage einen doppelten Charakter an sich, nämlich einmal nach dem Einkommen, dann aber auch nach der Wohnung, als solche sei sie eine Verbrauchssteuer, und es sei in das Belieben des Beamten wie jedes anderen gegeben, sich eine größere oder kleinere Wohnung zu nehmen und danach Steuer zu zahlen. Der Beamte aber, der eine Dienstwohnung inne habe, welche derselbe sich nicht gewählt habe, und der dann die Steuer für eine große Wohnung zahlen solle, welche vielleicht seiner wirthschaftlichen Lage nicht entspreche, erfahre durch das Gesetz eine Unbilligkeit. Es müsse also der Modus der Ein⸗ schätzung für Dienstwohnungen ein anderer sein, als für Pri⸗ vatwohnungen. Diese Ungerechtigkeit könne nur durch Reichs⸗ gesetz beseitigt werden. Der Entwurf schlage deshalb vor, daß der Miethswerth der Wohnungen, von welchen die Steuer er⸗ hoben werde, nicht höher als mit 10 Prozent des Dienst⸗ einkommens bemessen werden solle. Der finanzielle Ausfall für die Kommunen werde ein geringer sein, für Berlin höchstens 1200 MS pro Jahr betragen und die Beamten wür⸗ den von einer Unbilligkeit verschont bleiben.

Der Abg. von Benda hielt es zwar für möglich und wahrscheinlich, daß in einzelnen Fällen die volle Heranziehung der Beamten zu ihren Staatspflichten Unbilligkeiten herbei⸗ führen könne, aber es gäbe Mittel, diesen Fällen auszuweichen. Ein Bedürfniß zu einer gesetzlichen Regelung könne er nicht anerkennen. Die Subalternbeamten hier in Berlin z. B. seien im Vergleich zu einem gewöhnlichen Arbeiter durchaus nicht mit einer exorbitanten Miethssteuer belastet. Die größe⸗ ren Dienstwohnungen, z. B. die des General⸗Postmeisters, seien außerordentlich gering eingeschätzt. Es liege daher nicht die mindeste Veranlassung zu der Insinuation vor, welche die Motive aussprächen, daß die politische Parteistellun der Taxatoren gegenüber den betheiligten Beamten Einflu auf die Schätzung gewinne. Das Gesetz sei unbillig gegen⸗ über allen Beamten, die keine Dienstwohnung hätten und gegenüber den Städten, welchen man damit im Widerspruch mit früheren Versprechungen die Last der , aufbürde. Durch Amendirung sei aus dem Gesetz nichts zu machen, er bitte deshalb, die zweite Berathung im Plenum vorzunehmen, und das Gesetz abzulehnen.

Der Abg. Loewe (Berlin) wünschte ebenfalls die Ableh⸗ nung des Gesetzes, welches im Widerspruch stehe mit den seit Jahren vom Reichstage, auch von den Konservativen verthei⸗ digten gerechten Grundsätzen der Besteuerung. Er hoffe, daß in der zweiten Lesung, die wohl im Plenum und nicht zu bald . werde, über diesen Gesetzentwurf so verhandelt werde, wie derselbe es verdiene, und daß das Haus denselben einstimmig ablehnen werde.

Der Abg. Dr. Delbrück führte aus, daß er zu diesem Ge⸗ setzentwurfe etwas anders stehe, wie die beiden Vorredner, was ihm, als einem alten, wenn auch nicht mehr im Dienste stehen⸗ den Beamten doch nicht zu verübeln sei. Er würde ganz ent⸗ schieden für diesen Gesetzentwurf stimmen, wenn derselbe sich nicht auf die Dienstwohnungen, sondern auf sämmtliche Wohnungen der Reichsbeamten erstreckte. Die Miethswohnungen würden jetzt zur Miethssteuer derart abgeschätzt, daß von dem Miethswerth 10 Proz. des Diensteinkommens der Inhaber ab⸗ gezogen werde. Der Beamte mit höherem Einkommen werde also möglicher Weise niedriger besteuert, als der mit niedrigerem Einkommen, denn der Mieihswerth der Wohnung stehe durch— aus nicht immer im Verhältniß zum Diensteinkommen. Der Gargon mit höherem Gehalte könne eine billigere Wohnung nehmen als der Familienvater mit niedrigem Gehalt. Der Gesetzentwurf würde also, wenn derselbe sich auf die Miethswohnungen mit erstreckte, diese Inkonsequenz abstellen. Auf die Dienstwohnungen beschränkt, schaffe derselbe aber ein unberechtigtes Privilegium für die ohnehin schon von den Andern beneideten Beamten mit Dienstwohnungen. Er habe persönlich die Erfahrung gemacht, daß er von der Mieths⸗ wohnung, die er auf Kosten des Reichs als Reichskanzler⸗ Amts⸗Präsident inne gehabt habe, weit mehr Steuer habe zahlen müssen, als von der viel größeren und bequemeren Dienstwohnung, die er später erhalten habe, weil diese ge— ringer eingeschätzt worden sei. Ein vortragender Rath, der 87600 M6 Gehalt beziehe, würde nach der Vorlage nur nach einem Miethswerth von 870 ½υ mit etwa 29 (s besteuert, wenn derselbe eine Dienstwohnung habe. Eine Miethswoh⸗ nung würde ihm mindestens 2100 ½ kosten; derselbe müßte also 82 S Steuer zahlen. Durch die von ihm empfohlene Ausdehnung des Gesetzes würden derartige Ungerechtigkeiten vollkommen ausgeglichen werden.

Der Staatssekretär des Innern Hofmann vertheidigte gegenüber den Ausführungen des Vorredners das dem Gesetz— entwurf zu Grunde liegende Prinzip damit, daß der gegen⸗ wärtige Modus der Einschätzung von Dienstwohnungen ein unzuträglicher sei. Die Vorlage bezwecke nur, die Ungerechtig⸗ keit zu beseitigen, daß Beamte, die sich selbst eine billigere Wohnung miethen würden, von dem Mithswerthe solcher Wohnungen, die ihnen aufgenöthigt würden, und die z. B. wegen ihrer Lage inmitten der Stadt einen hohen Mieths— werth hätten, die hohe Steuer zahlen müßten. Daß dies ein Mißstand sei, sei auch im Bundesrath allseitig anerkannt. Das Reich müsse, wenn es einen Beamten nöthige, eine Wohnung zu bewohnen, auch dafür sorgen, daß daraus keine Ungerechligkeit entstehe. Daher empfehle er den Gesetzentwurf zur Annahme. ;

Der Abg. Sonnemann bestritt das Bedürfniß zu diesem Gesetz, weil die Dienstwohnungen der Beamten schon an sich sehr niedrig eingeschaͤtzt würden. Dies treffe besonders für e , a. M. zu. Dort rechne man 1/z bis 13 des Ein⸗ ommens des Inhabers als Minimum des Miethswerths einer Wohnung; würde also bei den Beamten nur 19 Proz. gerechnet, so käme dies fast der Steuerfreiheit gleich. Er bitte daher, das Gesetz abzulehnen.

Nachdem hierauf die Diskussion geschlossen und beschlossen war, die Berathung dieses Gesetzentwurfs in zweiter Lesung im 6 vorzunehmen, vertagte sich das Haus um 3i/ Ühr.

In der heutigen (28) Sitzung des Reichstages, welcher die Staats-Minister Hofmann und von Stosch und mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundesrath und Kom⸗ missarien beiwohnten, theilte der Präsident mit, daß die Kom⸗ mission zur Vorberathung des Gesetzentwurfs, betreffend den Wucher, gewählt sei und sich konstituirt habe. (S. unter Reichstags-Angelegenheiten. Darauf trat das Haus in die erste Berathung des von den Abgg. Dr. Windthorst, Frhrn. von Varnbüler und Stellter vorgelegten Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung des Zolltarifs des deutschen Zollgebiets. Derselbe lautet:

Der Reichstag wolle beschließen: dem nachstehenden Gesetz⸗ entwurfe seine Zustimmung zu geben:

ö betreffend die Abänderung des oll ft des Veutschen Zollgebietes.

Wir Wilhelm ꝛc. verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

Einziger Paragraph.

Der Zolltarif zu dem Gesetz, betreffend den Zolltarif des Deutschen Zollgebiets und den Ertrag der Zölle und der Tabak steuer, vom 15. Juli 1879 (Reich⸗Gesetzblatt Seite 207) wird wie folgt abgeändert:

Nr. 8. Flachs und andere vegetabilische Spinn⸗ stoffe mit Ausnahme der Baumwolle, roh, geröstet, gebrochen oder gehechelt, auch Abfällen. ö frei.

Urkundlich ꝛc.“

Der Antragsteller Abg. Dr. Windthorst gab eine historische Darstellung der Vorgänge, welche im vorigen Jahre zur Auf⸗ nahme des Flachszolles in den Zolltarif geführt er, und wies darauf hin, daß es damals nur aus Gründen der Ge⸗ schäftsordnung unmöglich gewesen sei, den Zoll sofort zu be⸗ seitigen. Der Flachszoll sei unhaltbar gegenüber dem ganzen System des Zolltarifs im Allgemeinen und den Zöllen auf Leinen⸗ und Baumwollengespinnste im Besonderen. Dieser Zoll müsse also beseitigt werden. Der Abg. Frhr. von Ow (Freudenstadt) trat im Interesse des landwirthschaftlichen Kleinbetriebes für die Aufrechterhaltung des Flachszolles ein und sprach die Hoffnung aus, daß die Regierung ihn darin unterstützen werde. Der Abg. Stumm befürwortete die Annahme des Antrages Windthorst, denn obwohl eine zufällige Majorität den ,, angenommen habe, sei doch die wirkliche

ajorität gegen denselben, wie das . auch die An⸗ nahine des früheren Antrages Windthorst, betreffend die Hinausschiebung des Termins für das Inkrafttreten des Flachszolles bis zum 1. Juli 1880, welcher die Aufhebung desselben ermöglichen sollte, bewiesen habe. Der Direktor im Reichsschatzamt Burchard erklärte, obwohl die verbündeten Re⸗ gierungen die Stabilität des Zolltarifs wünschten, so behaup⸗ seten sie dennoch nicht, daß derselbe fehlerfrei sei. Es seien noch nicht genug Erfahrungen gesammelt, um zu einer allgemeinen Nevision des Zolltarifs schreiten zu können. Indessen würden die Negierungen nach der Annahme des vorliegenden Antrags

in Rücksicht auf die Entstehungsgeschichte des Flachszolls den—⸗ selben einer sorgfältigen Prüfung und Erwägung unterziehen. Nachdem die Abgg. Grützner und Klügmann für und die Abgg. Frhr, von Mirbach und von Schalscha gegen den An⸗ irag Windthorst gesprochen hatten, lehnte das Haus die Berathung der Vorlage in der Kommission ab und trat sosort in die zweite Lesung derselben ein. Der Abg. Richter (Hagen) kündigte für die dritte Lesung eine Resolution an, welche den Nachweis der Identität bei Zoll⸗ rückvergütung für wieder auszuführendes importirtes und im Inlande gemischtes Getreide zu erlassen bezweckt. Der Abg. pon Ludwig bedauerte die Zurücksetzung der Landwixthschaft gegen Handel und Industrie, die sich auch in diesem Antrage ausspreche. Wenigstens verdienten die in Frage kommenden landwirthschaftlichen Interessen, in einer kommissarischen Be⸗ rathung erörtert zu werden. Beim Schlusse des Blattes sprach der Abg. Lüders.

Die Bevollmächtigten zum Bundesrath, Königlich württembergischer Präsident des Staats⸗Ministeriums von Mittnacht, Großherzoglich sächsischer Wirklicher Geheimer Rath Dr. Stichling, Herzoglich sachsen⸗-altenburgischer Ge⸗ heimer Regierungs⸗Rath Schlippe, Fürstlich schwarzburg— sondershausenscher Staate⸗Minister Freiherr von Berlepsch und Fürstlich reußischer Geheimer Regierungs-Rath von Geldern-Crispendorf sind in Berlin angekommen.

Der General⸗Lieutenant von Voigts-⸗Rhetz I., a la suite des Königs-Grenadier⸗Regiments (2. Westpreußischen) Nr. 7 und Commandeur der 20. Division, sowie der General⸗ Lieutenant Freiherr von Wechmar, Commandeur der II. Division, sind mit Urlaub von Hannover resp. Breslau hier eingetroffen.

Königsberg, 12. April. (Tel. D.) Der dritte . von Ostpreußen ist heute geschlossen worden.

Posen, 10. April. Nach Berufung des Abg. Grafen Kwilecki zum Schristführer in Stelle des erkrankten Abg. von Mukulowski, sind in der heutigen 3. Plenarsitzung des

rovinzial⸗-Landtages des Großherzogthums

osen u. A. folgende Beschlüsse gefaßt worden: Dem Ent wurfe zum Reglement über Zwangserziehung verwahrloster Kinder in der Provinz Posen ist, mit einigen Abänderungen, die Zustimmung ertheilt. Ueber die Rechnungen der Provin⸗ zial-⸗Feuersozietät für die Jahre 1876, 1877378 und 18738; 1879 wurde Decharge ertheilt. Eine Abänderung des Provinzial⸗ Feuersozietäts⸗Reglements im 8. 50, wonach Explosionen von Leuchtgas als Brandschäden angesehen werden sollen, ist, dem Vor— schlage der Provinzial⸗Feuersozietäts⸗Direktion gemäß, beschlossen. Die Mittheilung der Provinzial-Feuersozietäts-Direktion über eine erfolgte Erhöhung der Prämie für Ermittelung von Brand⸗ stiftern ward entgegengenommen. Von den Verwaltungsberichten der Provinzial⸗Hülfskasse für die Zeit vom 1. Januar 1877 bis Ende März 1879 wurde Kenntniß genommen und dabei den Leistungen der Direktion die volle Anerkennung ausgesprochen. Der Etat der Verwaltungskosten der Direktion der Pro⸗ vinzial-⸗Hülfskasse für 138051 und die folgenden Jahre, in Einnahme und Ausgabe mit 15 000 M abschließend, ist ge⸗ nehmigt. Von dem Berichte über die Verwaltung des Pro⸗ vinzial⸗ und Kreis⸗Dotationsfonds für die Zeit vom 1. Ja⸗ nuar 1877 bis Ende März 1879 wurde Kenntniß genommen. Die Petition des Magistrats Samter um eine jährliche Bei⸗ hülfe für die dortige landwirthschaftliche Schule ist abgelehnt. 3 Chausserc⸗ und Wegebau⸗Rath des Großherzogthums Posen ist der bisher kommissarisch angestellte Wegebau⸗Rath Wolff definitiv gewählt. Der Brückenzoll bei der Warthe⸗ brücke in Schrimm wird mit dem letzten Dezember 1880 auf⸗ gehoben. Ueber die Etatsüberschreitung im Jahre 1877 und J. Quartal 1878 im Betrage von 77 538,38 46 ist der Pro⸗ vinzial Chaussee⸗Verwaltung die Indemnität ertheilt. Zur Er⸗ haltung der gewerblichen Vorschule in Posen ist dem Vor⸗ stande der polytechnischen Gesellschaft bis zum Zusammentritt des nächsten Provinzial⸗Landtages eine jährliche Beihülfe von 3000 MS aus Provinzialfonds bewilligt.

Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Coburg, 9. April. (Dr. J.) Gestern ist nach längerer Pause der Speziallandtag des Herzogthums hier wieder zusammengetreten. Unter den an denselben gelangten Vorlagen ist namentlich zu erwähnen ein Erlaß, betreffend den Ausbau des Ministerial⸗Gebäudes hier, zur Herstellung eines Ständehauses und Einrichtung der Dienstlokalitäten für die hiesige Minsterial-Abtheilung, und ein anderer in Betreff der Erweiterung der Schullokalitäten des Herzoglichen Gymnasium Casimirianum hier.

Anhalt. Dessau, 9. April. (Magdb. Ztg.) Der Landtag setzte heute Abend die Etatsberathungen fort. Die von der Regierung in den Unterrichts⸗-Etat eingestellte Mehr—⸗ forderung von 76 000 wurde ohne Debatte genehmigt. Der Kommissionsbericht läßt sich darüber folgendermaßen aus: „Bei dieser, der am stetigsten steigenden Auegale begegnen wir wiederum einer Mehrforderung von ca. 70 000 ο, welche theils zur Errichtung neuer Stellen, theils, und zwar zum größeren Theile, zu Gehaltszulagen bestimmt ist. So schwer⸗ wiegend nun auch eine so hohe dauernde Belastung des Etats ist, so konnte sich die Kommission doch den Gründen nicht ver⸗ schließen, welche so erschöpfend und überzeugend in der Spezial⸗ erläuterung niedergelegt worden sind, denen sie neue nicht hin⸗ zuzufügen hat. Nachdem der Landtag wiederholt sich zu den Grundsätzen bekannt hat, welche in der dem Landtage im Jahre 1878 zugegangenen Denkschrift entwickelt sind, können wir nicht auf halbem Wege stehen bleiben, sondern müssen in Befolgung derselben dem Landtage die Annahme der Forde⸗ rung empfehlen.“

10. April. Heute Vormittags 11 Uhr ist der Land⸗ tag geschlossen worden.

Elsaß⸗Lothringen. Straßburg, 11. April. (Els.⸗ Lothr. 368 In der gestrigen Sitzung des Landesaus⸗ schusses stand auf der Tagesordnung die dritte Lesung des Zwangsvollstreckungsgesetzes. Dasselbe wurde nach dem Text der zweiten Lesung angenommen. Der zweite Gegenstand der Tagesordnung war das Jagdgesetz (zweite Lesung). Bei der ersten Lesung dieses Entwurfs war solgender Antrag des Mit— gliedes Rösch angenommen worden:

„Die Jagd auf dem Gebiete der Privaten und der Gemeinde muß für jede Gemeinde öffentlich en blos oder in Loosen verpachtet werden. Der Pachtzins fließt in die Gemeindekasse, um für den Ban und die Unterhaltung von Feldwegen oder für andere Arbeiten von allgemeinem rd en fe fin, Interesse verwendet zu werden. Ausgenommen bleiben Waldgebiete von mindestens 25 ha Größe.“

Von diesem Antrage ist die Kommission bei ihrem neuen Entwurfe ausgegangen.

In der Spezialdiskussion wurden zu §. 4 zwei erläu⸗ ternde Amendements der Mitglieder Kleinclaus und Schnee⸗ gans angenommen. Die übrigen Paragraphen wurden, zum Theil nach längerer und lebhafter Debatte, unverändert an⸗ genommen und das Gesetz im Ganzen mit 36 gegen 6 Stimmen genehmigt. . ;

Die wesentlichsten Bestimmungen dieses Gesetzes, des ersten aus der Initiative der Versammlung selbst hervorgegangenen, sind folgende: J .

(6. 3) Für jeden Gemeindebann ist die Jagd im Wege öffent⸗ . Versteigerung auf die Tauer von je neun Jahren zu ver— pachten.

(85. 3) Auf Grundflächen, welche mindestens 25 ha in räum⸗ lichem Zufammenhang umfassen, sowie auf Teichen in der Größe von mindesteng 5 ha und auf Teichen, welche zum Entenfang eingerichtet sind, können sich die , die selbständig⸗ Aushung des Jagdrechts durch eine schriftliche Erklärung an den Bürgermeister vorbehalten.

(8. 4) Der Jagdpachterlös ist in die Gemeindekasse zu zahlen. Der Jagdpachterläß eines Gemeindebannes verbleibt der Ge—⸗ meinde, sobald dies durch die Mehrheit der Betheiligten, welche zu⸗ gleich mehr als die Hälfte der Grundfläche des Gemeindebannes be— sitzen, beschlossen ward. .

Ein Antrag der Herren Köchlin und Genossen, betreffend die Inviolabilität der Landesausschußmitglieder lautet:

Es möge der Landesausschuß in Vorschlag bringen, daß dessen Mitgliedern die parlamentarische Uaverletzlichkeit zugesprochen und die Regierung ersucht werde, die Verleihun; dieser Unverletzlichkeit zu veranlassen.“

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 10. April. Die „Budap. Corr.“ meldet: Der Honved⸗Minister Szende ist heute hier angekommen, um an Berathungen, betreffend die endgültige Textirung des Gesetzentwurfes über die Aenderung des Wehrgesetz es theilzunehmen. Morgen oder übermorgen findet eventuell in dieser Angelegenheit unter Präsidium Sr. Majestät eine gemeinsame Ministerkonferenz statt, an welcher auch der Minister⸗Präsident Tisza theilnimmt.

11, April. Wie die „Wien. Z. heute meldet, hat Se. Majestät der Kaiser laut Allerhöchsten Handschreibens vom 9. April d. J. den Wirklichen Geheimen Rath Freiherrn von Hofmann provisorisch mit der Oberleitung der beiden ö in der Eigenschaft eines General⸗Intendanten

etraut.

Prag, 10. April. Der „Pokrok“ meldet: Die für die zweite Hälfe des Mai einzuberufenden Landtage werden aufgefordert werden, außer dem Budget für 1886 auch das⸗ jenige für 18381 zu votiren, da in diesem Jahre eine weitere Einberufung der Landtage nicht mehr stattfinde.

Pest, 10. Ayril. (W. T. B) In der heutigen Sitzung des Unterhauses legte der Präsident Szlavy heute in Folge seiner Ernennung zum Reichs⸗-Finanz⸗Minister sein Amt als Präsident und zugleich sein Mandat als Abgeordneter nieder. Auf den Antrag Jokais' wurde beschlossen, der Ver⸗ dienste Szlavy's im Sitzungsprotokolle zu gedenken. Der 5 des Unterhauses hat den Gesetzentwurf,

etreffend die Aufnahme einer Anleihe von 40 Millionen Fl., in der Generaldebatte angenommen.

Großbritannien und Irland. London, 10. April. Die „Allg. Corr.“ schreibt über die Parlgmentswahlen: Der Doppelsieg, den die Liberalen gestern im Nordosten Lancashires davongetragen haben, bezeichnet den Kulminations⸗ punkt des Interesses an den ländlichen Wahlen in England. Vermittelst unerwartet großer Majoritäten haben Lord Hartington und Mr. Grafton der konservativen Partei zwei Sitze entrissen. Lord Hartington erlangte 6682 und Mr. Grafton 6513 Stimmen, während ihre Gegner, die Herren Ecroyd und Starkie, mit 5251 und 5185 durchfielen. Vor sechs Jahren hatten die Konservativen mit Majoritäten von ein⸗ und ö Stimmen gesiegt, während Lord Har⸗ tington seinen glücklicheren Gegner mit 1490 und Mr. Graston denfelben mit 1300 Stimmen aus dem Felde schlägt. Diese Thatsachen und Zahlen, meint der „Standard“, sprechen für sich selber; die Liberalen hatten bereits eine Majorität der parlamentarischen Vertretung der Lancashire Wahlbezirke er⸗ langt; sie hatten die beiden konservativen Vertreter der süd—⸗ östlichen Division der Grafschaft verdrängt und haben nun⸗ mehr auch die nordöstliche Division sich gesichert. Auch in anderen ländlichen Wahlbezirken haben die Konservativen Niederlagen erlitten. Die allgemeinen Wahlen des Jahres 1880 werden schon darum nicht so leicht vergessen werden, als sie einen bemerkenswerthen Abfall der ländlichen Wahl⸗ bezirke von der konservativen Partei bezeichnen. .

Bis zum Freitag Abend waren von den 650 Mitgliedern des Parlaments 587 gewählt. Davon entfallen 336 auf die liberale, 208 auf die konservative und 43 auf die Homerule⸗ partei. Bei den gestrigen Parlamentswahlen, etwa 25 an Rah haben die Liberalen in den Grafschaften Tyrone, Lardiganshire, Ost⸗Cronwall, Nord⸗Durham, Roxburghshire, West⸗Glocestershire, Süd⸗Lanarkshire und ,, je einen, und in den Grafschaften Monaghan und Nordost⸗ Lancashire je zwei Sitze, im Ganzen 12 Sitze gewonnen. Der k der Liberalen an Parlamentssitzen stellt sich jetzt auf 99.

Den „Daily News“ wird aus Kabul, vom 8. d. M., gemeldet: Abdurrahman ist auf dem Wege nach Charikar in Ghazi angekommen. Er hat die Keohistanischen . schrift⸗ lich aufgefordert, sich ihm anzuschließen, in Folge wovon bereits 3000 Mann irregulärer Truppen zu ihm unterwegs sind. Auch die Sepoys von Logar und Kabul machen sich nach Turkestan auf. Der Erfolg Abdurrahmans wird täglich entschiedener. Sämmtliche Chefs von Maidan verlangen die Rückkehr Jacubs.

(W. T. 3. Die Liberalen haben in den heutigen Parlamentswahlen ferner je zwei Sitze in Yorkshire South West Riding) und Carlow und se einen Sitz in

orthamptonshire (North), Northumberland (South), North⸗ Derbyshire, sowie in der Grafschaft Armagh gewonnen. Im Ganzen wurden bis jetzt 346 Liberale, 227 Konservative und 52 Homeruler gewählt.

Frankreich. Paris, 19. April. (Cöln. Ztg.) Die klerikalen Blätter fordern die Senatoren ihrer Rich⸗ tung auf, am 20. April auf ihrem Posten zu erscheinen, weil sofort nach Wiedereröffnung der Kammern Interpellationen über die Märzdekrete an die Regierung gerichtet werden sollen. Vier weitere Generalräthe haben gegen die Märzdekrete Protest erhoben, also bis jetzt dreizehn.

10. April. (W. T. B.) Ein Telegramm aus Sin⸗ gapore, von heute, bestätigt die Nachricht von der Ermor⸗

dung zweier französischer Unterthanen, Wallon und Guillaume, welche am 15. März durch Eingeborene Sumatras in der Nähe des 5 Dengung erfolgte. Eine militärische Expedition ist nach dem Orte der That aufgebrochen, um die Leichname der Ermordeten sowie deren Gepäck aufzusuchen und die Thäter zu bestrafen.

11. April. (W. T. B. Die katholischen Jour⸗ nale veröffentlichen mehrere neue Schreiben, welche von den Bischöfen gegen die De krete vom 29. v. M. erlassen worden sind. Die „France“ will wissen, die Regierung beabsichtige, Maßregeln zu ergreifen, um den Kundgebungen der Bischöfe Einhalt zu thun, und sieht es als wahrscheinlich an, daß ein ministerielles Schreiben den Bischöfen die Vor⸗ schriften des Konkordats in Erinnerung bringe und den festen e n l der Regierung betone, den Gesetzen Achtung zu ver⸗ chassen.

Spanien. Madrid, 11. April. (W. T. B.) Der Ministerrath hat sich gegen eine Umwandelung der wider den Attentäter Otero erkannten Todesstrafe ausgesprochen.

Italien. Rom, 10. April. (W. T. B.) Die „Gazzetta uffiziale“ veröffentlicht ein Dekret, durch welches der von der Kommission vorgelegte Entwurf für die Liquidirung der Schulden der Gemeinde Florenz genehmigt wird. Hiernach verlieren diejenigen Gläubiger der Gemeinde Florenz, welche bis zum 31. Dezember e. ihre Schuldtitel nicht vor⸗ gelegt und der Liquidirung nicht zugestimmt haben, den ihnen zukommenden Antheil.

Türkei. Konstantinopel, 9. April. (Wien. Ztg.) Der französische Botschafter Fournier hat beim Sultan eine Audienz gehabt, um sich vor dem bevorstehenden Antritte seines Urlaubes zu verabschieden. Gelegentlich dieser Audienz nahm Mr. Fournier Anlaß, den Sultan zu seinen Ent⸗ schließungen bezüglich endgültiger Beilegung der monte⸗ negrinischen Grenzfrage zu beglückwünschen. Der Sultan sprach sich über die betreffende Angelegenheit jedoch in einer Weise aus, welche deutlich erkennen ließ, daß er nach erfolgter Räumung des an Montenegro cedirten Gebietes Seitens der zürkischen Truppen den Eintritt von Ereignissen für möglich halte, für welche von jeder Verantwortlichkeit sich frei zu wissen er als wesentliches Motiv seiner Zustimmung zu der fraglichen Territorialabtretung bezeichnete.

Bulgarien. Philipp opel, 10. April. (W. T. B.) Die Provinzialversammlung faßte bei Berathung des Budgets mit 31 gegen 8 Stimmen den Beschluß, gegen den Finanzdirektor Schmidt wegen Nichtausführung der Artikel 203 und 204 des organischen Statuts einen strengen Tadel auszusprechen.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 11. April. (W. T. B.) Der Reichskanzler Fürst Gortschakoff hatte eine sehr unruhige, durch fieberhaftes Phantasiren gestörte Nacht, welches erst gegen Morgen aufhörte. Die heute Morgen 10 Uhr stattgehabte ärztliche Untersuchung konstatirte große Schwäche des Patienten.

11. April, Nachmittags. (W. T. B.) Se. Majestät der Kaiser stattete heute Nachmittag 3 Uhr dem Reichs⸗ kanzler, Fürsten Gortschakoff, einen Besuch ab und ließ darauf den beiden Söhnen desselben die telegraphische Auf⸗ sorderung zugehen, sich zu ihrem Vater zu begeben. Gegen 5 Uhr war in dem Zustande des Kranken größere Ruhe ein⸗ getreten, auch hatte derselbe einige Nahrung zu sich genommen.

Südamerika. (W. T. B.) Nachrichten der chile⸗ nischen Gesandtschaft in Washington aus Panama be⸗ sagen, daß die peruanische Armee von den Chilenen bei Sorata geschlagen worden, und daß Callao de Lima blockirt oder bombardirt werde. In Bolivia sei in Folge der durch die Niederlagen der bolivianischen Truppen entstandenen k unter Führung des Obersten Silva Machado eine Revolution ausgebrochen. Eine Gegenrevolution habe hh. zur Wiedereinsetzung Campero's in die Präsidentschaft geführt.

Aus dem Wolffschen Telegraphen-Bureau.

Metz, Montag, 12. April. Bei der hier stattgehabten Ergänzungswahl zum Bezirkstage wurde der Thierarzt Antoine (Protestpartei) mit 923 Stimmen gewählt. Der von der deut⸗ schen Partei aufgestellte Kandidat, Anwalt Wagner, erhielt 753 Stimmen.

London, Montag, 12. April, Morgens. Ei e get den ihm bei seiner Änkunft hier zugedachten öffentlichen Empfang abgelehnt. Für nächsten Mittwoch ist eine Sitzung des Kabinetsraths anberaumt.

St. Petersburg, Montag 12. April. Nach dem heute Vormittag um 10 Uhr über das Befinden des Reichskanzlers Fürsten Gortschakoff ausgegebenen Bulletin hat derselbe die Nacht ruhig, aber schlaflos verbracht; der Kopf ist frei, die Schwäche ist dieselbe wie gestern, auch hat die Herzthätigkeit abgenommen.

St. Petersburg, Montag, 12. April. Der bisherige Chef des Preßkonseils, Grigorieff, ist jetzt definitiv zurück⸗ getreten und wird demnächst einen Nachfolger erhalten. Bezüglich des neuen Blattes „Bereg“ wird von unterrichteten Personen versichert, daß dasselbe nicht als offizielles Organ zu betrachten sei, wenn auch nicht in Abrede gestellt werden könne, daß das Blatt gegenüber der Haltung anderer . i gewisse Billigung seiner Tendenzen in Regierungskreisen

nde.

Nr. 20 des Amtsblatts des Reichs-Postamts. hat folgenden Inhalt: Verfügungen: vom 31. März 1880: Unzulässigkeit der Versendung äußerlich bedruckter Anzeigeblätter ohne Streif oder Kreuzband als Drucksachen. Vom 30. März 1880: Veränderun⸗ gen in den Grundlagen zu den Abrechnungen über Telegraphen⸗ gebühren mit fremden Verwaltungen. Vom 5. April 1880: See- postverbindung mit Norwegen. Vom 2. April 1880: 2 der Eisenbahnstrecke Teterchen Bous. Bescheidungen: Vom 3. Apri 1880: Gebühr für Briefe an Einwohner im Orts oder Landbestell⸗ bezirk des Aufgabe ⸗Postorts mit der Bezeichnung „Portopflichtige Dienstsache. Vom 27. März 1880: Meldung des Dienschlusses Seitens der Telegraphen —Anstalten.

Archiv für Post und Telegraphie. Beiheft zum Amtsblatt der Deutschen Reichs⸗Post⸗ und Telegraphenverwaltung. Herausgegeben im Auftrage der Kaiserlichen Post⸗ und Telegraphen= verwaltung. Heft 6. März 1880. Inhalt: Aktenstücke un d Aufsätze: Die Berathungen im Reichstage über den Etat der Reichs Post⸗ und Telegraphenverwaltung für das Jahr 1880/81. Das öͤsterreichische Telegraphenwesen im Jahre 1878. Italfenische Post⸗